AIDS: Beratung, Betreuung, Vorbeugung - Anleitungen für die Praxis 9783110868623, 9783110112672


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German Pages 447 [448] Year 1987

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Zum Geleit
Inhalt
Einleitung
I. Beratung
II. Betreuung
III. Vorbeugung
Adressenliste
Stichwortverzeichnis
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AIDS: Beratung, Betreuung, Vorbeugung - Anleitungen für die Praxis
 9783110868623, 9783110112672

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Haeberle • Bedürftig

AIDS

AIDS - Beratung, Betreuung, Vorbeugung - Anleitungen für die Praxis Herausgegeben von

Erwin J. Haeberle und Axel Bedürftig Mit einem Geleitwort von Ulf Fink, Senator für Gesundheit und Soziales, Berlin

w DE

G

Walter de Gruyter Berlin • New York 1987

Herausgeber Prof. Erwin J. Haeberle, Ph. D., E i D. Institute for Advanced Study of Human Sexuality 1523 Franklin Street San Francisco, Ca. 94109 USA Dr. med. Axel Bedürftig Zeltinger Straße 54 D-1000 Berlin 28 Wissenschaftliches Lektorat: Werner Borsbach Übersetzung: Werner Borsbach, unter Mitarbeit von Karen Jürs, Dr. Gesa Lendner und Peter Siemen

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen

Bibliothek

AIDS : Beratung, Betreuung, Vorbeugung ; Anleitungen für d. Praxis / hrsg. von Erwin J. Haeberle u. Axel Bedürftig. Mit e. Geleitw. von Ulf Fink. [Übers. Werner Borsbach. Unter Mitarb. von Karen Jürs . . . ] . Berlin ; New York : de Gruyter, 1987. Aus d. Ms. übers. ISBN 3-11-011267-1 NE: Haeberle, Erwin J. [Hrsg.]

© Copyright 1987 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Umschlagentwurf: Rudolf Hübler, Berlin. Satz: Hamburger Satz- und Verlags-Kooperative, Hamburg. Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin. Bindung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin.

Zum Geleit

Die Bekämpfung der Immunschwächekrankheit Aids hat sich weltweit zu einer gesundheits- und gesellschaftspolitischen Herausforderung von ungeheurer Dimension entwickelt. Zwar vermitteln bislang nur die Zahlen der Erkrankten in den USA einen konkreten Eindruck davon, welche Auswirkungen die weitere Ausbreitung von Aids haben wird. Doch ist absehbar, daß auch in Europa - in einem zeitlichen Abstand von rund drei Jahren zu den USA - aufgrund steigender Zahlen der Handlungsbedarf bzw. -druck wachsen wird. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Einführung von Meldepflicht, Reihenuntersuchungen und Zwangsmaßnahmen am Widerstand der überwiegenden Mehrheit von Politikern und Fachleuten gescheitert. Die Erfahrungen in den USA haben den Meinungsbildungsprozeß entscheidend beeinflußt und zu einem klaren Votum für Aufklärung und vertrauensbildende Maßnahmen geführt. Das vorliegende Werk dokumentiert eindrucksvoll die in San Francisco existierenden Projekte, die Vorbildcharakter für Strategien in anderen Ländern gegen die Weiterverbreitung von Aids und für die Versorgung der von Aids Betroffenen haben. Wer sich über sinnvolle Maßnahmen in Zusammenhang mit Aids informieren möchte, der findet hier zahllose Anregungen. Den beiden Autoren dieses Buches, Professor Dr. Dr. Erwin J. Haeberle und Dr. Axel Bedürftig, gebührt Anerkennung für die umfassende Dokumentation der Aufklärungs- und Betreuungsarbeit in San Francisco. Allen in der Bundesrepublik Deutschland und dem europäischen Ausland, die sich in den verschiedenen Bereichen des Problems Aids angenommen haben, wird damit eine wichtige Orientierungshilfe und ein unverzichtbares Nachschlagewerk angeboten. Ulf Fink Senator für Gesundheit und Soziales, Berlin

Inhalt Zum Geleit

V

Einleitung

IX

I. Beratung

l

Die Sexualanamnese

3

Einige Grundsätze für die Kunst des Sexualinterviews Zur Aufzeichnung einer individuellen Sexualgeschichte Homosexuelles Verhalten und Geschlechtskrankheiten Sexuell übertragene Krankheiten bei homosexuellen Männern Sexologisches Interview mit homosexuellen und bisexuellen Patienten Sexualverhalten von homosexuellen und bisexuellen AidsPatienten

5 6 24 26 37 40

Der HIV-Antikörpertest

69

Testinformation Der HIV-Antikörpertest in alternativen Teststationen Beratung vor und nach dem Test Wie man die Ergebnisse von Aids-Antikörpertests mitteilt

72 74 80 81

Die Familie

87

Ein Wegweiser zum Thema , ,Aids in der Familie'' Ihr Kind und Aids

89 97

II. Betreuung

101

Geistig seelische Folgen

105

Aids und geistig-seelische Gesundheit

106

Das Shanti-Modell

119

Geschichte und Aufgabe von Shanti

121

VIII

Inhalt

Hilfen für Berater Praktische Informationen zu Aids Das Shanti-Training

143 175 198

III. Vorbeugung

231

Aids-Aufklärung im Betrieb

235

Handbuch für die Betriebsleitung Aids am Arbeitsplatz - ein Leitfaden für Arbeitnehmer

237 269

Das Aids-Gesundheitsprojekt

273

Gesundheit als Integrationsprozeß Handbuch für schwule Gesundheit Integrativer Gesundheits-Workshop Fragebogenpaket

275 277 317 330

Das „Stop Aids"-Projekt

353

Aids-Vorbeugung und ,,Schwulenpolitik'' Aufbau des „Stop Aids"-Programms Diskussionsleitfaden für Gruppenleiter

355 360 371

Safer Sex

387

„Safe Sex"-Leitlinien Lesben und Aids - Wo liegt der Zusammenhang? „Safe Sex"-Leitlinien für Frauen, die ein Aids-Risiko tragen Eine Botschaft über Aids - für die männlichen Athleten und die Besucher der II. Schwulen (Olympischen) Spiele Workshop über heißen und gesunden Sex The Buddy Connection - Ein „ Safe Sex" - Workshop Aufreizender Sex im Stil des South of Market Aufreizender „Safe Sex" für Heterosexuelle

390 391 397 400 402 404 406 408

Adressenliste

411

Stichwortverzeichnis

423

Einleitung

Das Thema Aids beschäftigt nun auch in Europa immer mehr Menschen - als Patienten, Ärzte, Pfleger, Betreuer, Berater, Behördenvertreter, Journalisten und Forscher, vor allem aber auch als Bürger, d.h. als Wähler und Steuerzahler, denn allmählich dämmert es auch dem letzten Gleichgültigen, daß dies Problem jeden angeht. Die von Aids „Betroffenen" sind am Ende also wir alle. Die öffentliche Diskussion der Epidemie wird aber leider in Deutschland sehr leicht abstrakt und weltfremd. Sie geht allzu schnell und vorzugsweise ins Grundsätzliche und Allgemeine, also letztlich ins Unverbindliche. Es bilden sich streitende Parteien, und viele „Experten" erregen sich heftig, aber an praktischen Vorschlägen und konkreten Schritten mangelt es allenthalben. Nur die deutsche forschende und klinische Medizin macht hier eine rühmliche Ausnahme. Sie hat sehr früh die Gefahr erkannt und angemessen reagiert. Auch hat sie sehr schnell den internationalen Anschluß gefunden und braucht daher in der Welt keinen Vergleich zu scheuen. Aids ist aber nicht nur ein medizinisches Problem, sondern es hat auch sehr wichtige psychologische, ethische, soziale, ökonomische, juristische, ja politische Aspekte. Dies wurde besonders in den Vereinigten Staaten früh erkannt, und so können sich dort mittlerweile Politiker aller Ebenen auf eine Reihe von wissenschaftlichen Studien und rational begründeten Vorschlägen stützen, wenn sie gesundheitspolitische Maßnahmen erwägen. Die möglichen Folgen solcher Maßnahmen sind wiederholt auf Kongressen und Tagungen, in politischen Arbeitsgremien und in besonderen „Reports" untersucht und durchgespielt worden. Gemeinsam ist all diesen sozialwissenschaftlichen (wenn auch teilweise von Medizinern durchgeführten) Studien, daß sie jedwede Zwangsmaßnahme zur Bekämpfung von Aids ablehnen - also etwa Massentestungen, Diskriminierng und Isolierung von Testpositiven und Kranken. Stattdessen empfehlen sie eine umfassende und drastische Aufklärung schon in der Grundschule und eine massive Kampagne zur freiwilligen sexuellen Verhaltensänderung. Damit sollen die wichtigsten bisherigen Infektionswege blockiert werden. Das erstrebte Resultat ist ein allgemein praktiziertes „risikofreies" Sexualverhalten („Safe Sex"). Auch auf diesem Felde haben sich bereits amerikanische Universitäten und andere wissenschaftliche Einrichtungen hervorgetan. Sie führten besondere Vorlesungsreihen über die sozialen Implikationen von Aids ein, hielten Fortbildungskurse für verschiedene, jetzt verstärkt angesprochene Berufe ab und organisierten eigene Vorbeugungsprogramme, ja, „Safe Sex"-Seminare für ihre Studentenschaft. Die deutschen Universitäten haben sich aber bisher nicht im gleichen Maße gefordert gefühlt. Nur hier und da haben Einzelinitiativen zur Einrichtung gelegentlicher Vorträge und kleiner Arbeitsgruppen geführt. Eine systematische und umfassende

X

Einleitung

Untersuchung der sozialpolitischen Implikationen von Aids oder auch nur die Prüfung der denkbaren praktischen Maßnahmen ist bis heute nicht erfolgt. Stattdessen kamen und kommen die hoffnungsvollsten Impulse aus dem außeruniversitären Bereich, besonders aus dem der privaten Beratungsstellen und verschiedenen Selbsthilfegruppen. Eine der allerersten Einrichtungen, die sich in der Bundesrepublik bei der Aids-Vorbeugung engagierten, war die „Arbeitsgruppe Aids" der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung. Ihre Beratungsstelle (DGSS-Institut in Düsseldorf) widmete sich schon 1984 der Aufklärung besonders infektionsgefährdeter Bevölkerungsteile und stellte auch das erste deutsche Informationsfaltblatt her. Dieses wurde sogar, in Ermangelung anderer einfacher Materialien, vom Robert-Koch-Institut des Bundesgesundheitsamtes für die eigene Präventionsarbeit benutzt. Die DGSS hat seither Erklärungen, Aufrufe und Memoranden erarbeitet und ist damit wiederholt an die Öffentlichkeit getreten. Bei ihrer wissenschaftlichen Tagung im Juni 1986 behandelte sie das Thema Aids in mehreren Beiträgen aus verschiedener Sicht und konnte gleichzeitig auch erste Forschungsergebnisse aus der eigenen Beratungsarbeit vorlegen. Inzwischen hatten sich auch verschiedene örtliche Selbsthilfegruppen gebildet, und Anfang 1985 war es möglich, sie unter einem Dachverband „Deutsche AidsHilfe, e.V." mit Sitz in Berlin zusammenzufassen. Glücklicherweise haben sowohl die Bundesregierung wie auch verschiedene Landesregierungen und städtische Gesundheitsämter diese Basisinitiativen sehr bald erkannt und gefördert, so daß sich unter dem Motto des Selbstschutzes eine erste Vorbeugungsfront organisieren konnte. Die aufopfernde, in vieler Hinsicht vorbildliche Arbeit der Aids-Hilfen wird in der Öffentlichkeit nicht immer gebührend gewürdigt. Der Durchschnittsbürger unterschätzt bis heute die Schwierigkeiten, die den vielen, oft ehrenamtlich tätigen Helfern entgegenstehen. Ihre schnelle und großzügige weitere Förderung liegt aber in unser aller Interesse. Leider sind die deutschen Versuche in ihrer Gesamtheit bisher noch schlecht koordiniert, ja teilweise widersprüchlich. Die Vorbeugungspolitik einiger Bundesländer gar liegt auf Kollisionskurs mit anderen. Es gibt aber auch einige deutsche Programme, die man modellhaft nennen kann. Vor allem Berlin hat sich hier ausgezeichnet und so der gesamten Bundesrepublik ein gutes Beispiel gegeben. Wie sehr aber auch diese guten Ansätze des weiteren schnellen Ausbaus bedürfen, macht der Vergleich mit den USA, besonders San Francisco deutlich.

Das Modell San Francisco Die im vorliegenden Band gesammelten Materialien stammen ausnahmslos aus San Francisco und stellen nur eine kleine Auswahl dessen dar, was bisher in dieser Stadt an Aufklärungs- und Fortbildungstexten erarbeitet worden ist. Sie verdanken sich vor allem dem schnellen und unermüdlichen Einsatz vieler beruflicher und freiwilliger Helfer, die in ihren jeweiligen Tätigkeitsbereichen spontan den Kampf gegen

Einleitung

XI

Aids aufgenommen haben. Dabei muß man aber auch betonen, daß sie von der Stadtverwaltung, örtlichen Wirtschaftsbetrieben und Massenmedien insgesamt sehr großzügig unterstützt worden sind und werden. San Francisco ist mit etwa 700.000 Einwohnern kleiner als Hamburg, München oder Westberlin, hat aber seit Beginn der Aids-Epidemie Millionen von Dollar aus dem städtischen Haushalt für die Aidsbekämpfung ausgegeben. Allein im Haushaltsjahr 1986/ 1987 stellte die Stadt für die Vorbeugungsarbeit 3,3 Millionen Dollar zur Verfügung. Aus privaten Spenden kam noch einmal etwa der gleiche Betrag hinzu. Diese enormen finanziellen Anstrengungen einer einzigen Stadt, für die in Europa jede Parallele fehlt, sind aber nur ein Teil der dort erbrachten Leistung. Noch bemerkenswerter ist die mit diesem Geld erzielte organisatorische Effizienz. Ein breites Spektrum von gezielten Programmen stellt die bestmögliche Beratung und Betreuung von Gesunden und Kranken sicher, die in verschiedener Weise von Aids betroffen sind. Nur so war es auch möglich, die medizinischen Behandlungskosten zu senken. Die Stadt hat eben durch ihren zügigen Ausbau verschiedener Heimpflegedienste eine ausgezeichnete Betreuung von Aids-Kranken in deren eigener Wohnung möglich gemacht (siehe besonders den Abschnitt „Das Shanti-Projekt" in diesem Band). Nicht zuletzt entspricht dies auch dem Wunsch der Patienten selbst. Viele Amerikaner kennen den Ausspruch: „Wenn ich Aids hätte, würde ich zur Behandlung auf den Knien nach San Francisco rutschen." Mit Recht also werden die Aids-Bekämpfungsmaßnahmen San Franciscos nicht nur in den übrigen Vereinigten Staaten als modellhaft empfunden. Seit Jahren erscheinen dort Besucher aus aller Welt, darunter auch Gesundheits- und Sozialminister verschiedener europäischer Länder, um sozusagen „vor Ort" am lebendigen Beispiel zu lernen. Außerdem hat inzwischen eine amerikanische Stiftung, die Robert Wood Johnson Foundation, mit 17,2 Millionen Dollar ein vierjähriges Projekt in Gang gesetzt, das die Erfahrungen San Franciscos direkt auf 10 andere Großstädte übertragen soll. Das „Modell San Francisco" ist aber auch, wenigstens in groben Zügen, mehrfach in Deutschland vorgestellt worden. Wenn nun im folgenden einige ausgewählte Dokumente dieses Modells vorgelegt werden, so soll damit nicht einer sklavischen Nachahmung das Wort geredet werden. „Modell" heißt hier nicht „vorgestanzte Schablone" oder „Prokrustesbett", sondern allein „bewährtes Beispiel", von dem man lernen kann. Es ist selbstverständlich, daß man immer und überall örtlichen Bedingungen Rechnung tragen muß, wenn man die Erfolge San Franciscos anderswo wiederholen will. Auch sollen die hier vorgegebenen Skripte nicht die Bequemlichkeit fördern, sondern im Gegenteil zu eigenen Initiativen anregen. Sicherlich kann man in vielen Fällen wenigstens anfangs den hier gelieferten Vorlagen einfach folgen, aber auf lange Sicht werden doch deutsche bzw. österreichische oder schweizerische Erfahrungen zu ihrer Ergänzung und Modifizierung führen. Gerade wenn das geschieht, haben sie ihren eigentlichen Zweck auch in unserem Sprachraum erfüllt.

XII

Einleitung

Die verschiedenen Anstrengungen San Franciscos im Kampf gegen Aids gehen allerdings, wie gesagt, sehr viel weiter, als sich in einem einzigen Band darstellen läßt, und sie erneuern sich ständig von der Basis her. Auch hierin ist San Francisco vorbildlich, daß es allen neuen Initiativen gegenüber aufgeschlossen bleibt und daß es bereit ist, sie probeweise zu fördern. Was sich in der Praxis bewährt, wird dann formalisiert und in das bestehende Spektrum der Maßnahmen eingegliedert. Was sich nicht bewährt, wird ohne viel Umstände fallengelassen. Ein Geheimnis des Erfolges ist also organisatorische Flexibilität. Die Erneuerungsfähigkeit der Aids-Programme in San Francisco wird vor allem dadurch ermöglicht, daß die Behörden nicht unbedingt die Kontrolle über alles und jedes behalten wollen. Vielmehr bewährt sich hier die in den Vereinigten Staaten häufige Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Geldgebern. Die resultierenden Organisationsformen sind üblicherweise sehr pragmatisch auf ihre konkreten Ziele hin orientiert und messen sich allein am ständig überprüften Erfolg. Sehr viele Vorbeugungsprojekte sind in einer professionell geführten Stiftung angesiedelt, der San Francisco Aids Foundation, die, weitgehend autonom, eine Zwischenstellung zwischen Behörden und den anzusprechenden infektionsgefährdeten Gruppen einnimmt. Sie kann daher auch „unbürgerliche" drastische Aufklärungsprojekte durchführen, ohne daß irgendeine amtliche Stelle direkt dafür verantwortlich zeichnen muß. Ja, was noch wichtiger ist: Die Stiftung kann schnell eigene Initiativen entwickeln, ohne auf eine offizielle Billigung zu warten. Sie hat auch finanziell einen gewissen Freiraum bei der Planung, da sie sich auf erhebliche private Geldzuwendungen stützen kann. In dieser Hinsicht sollten nun auch die Europäer wagen, Neuland zu betreten. Erste Ansätze sind ja durchaus vorhanden. Sowohl die Behörden wie auch die Privatwirtschaft müssen aber erkennen, daß sie einem gemeinsamen Feind wie Aids gegenüber sehr viel mehr gemeinsam unternehmen können.

Die Vielfalt der Aufgaben Sicher ist, daß sowohl in der Beratung selbst wie auch in der Aus- und Fortbildung von Beratern viele Aufgaben auf uns warten. Sehr häufig wird eine simple Beratung aber auch in eine intensive, längere Betreuung übergehen, was wiederum den Aufgabenkreis wesentlich erweitert. Sehen wir selbst einmal von der Betreuung ab, so macht doch schon die erste einfache Überlegung deutlich, daß sehr verschiedene Personengruppen sehr verschiedene Arten der Aids-Beratung und -Belehrung brauchen. Unter diesen Gruppen sind — Personen aus besonders ansteckungsgefährdeten „Szenen" (homosexuelle und bisexuelle Männer, „Fixer", männliche und weibliche Prostituierte, „Swinger", d.h. Mitglieder heterosexueller Partnertauschringe, organisierte Sadomasochisten, Sextouristen),

Einleitung

XIII

—Sexualpartner und -Partnerinnen dieser Männer und Frauen, —Personen, die erwägen, sich testen zu lassen, —Personen mit positivem Testergebnis, —Personen in verschiedenen Stadien der Erkrankung, —Freunde und Familien von Testpositiven und Kranken, —Arbeitgeber und Mitarbeiter von Testpositiven und Kranken, —Ärzte, Pfleger, Berater und Vertreter verschiedener Behörden, —die breitere Öffentlichkeit. Diese Gruppen brauchen zu verschiedener Zeit vielleicht nicht nur eine, sondern mehrere Arten der Beratung, etwa: —Allgemeine Aufklärung über das HI-Virus und seine Wirkungen, —Erklärung der Vor- und Nachteile eines HIV-Antikörpertests, —Erklärung eines positiven Testergebnisses, —Motivierung zu ansteckungssicherem Sexualverhalten („Safe Sex"), —Einübung sonstiger gesunder Lebensweisen, —psychotherapeutische Stützung, —psychotherapeutische Fortbildung, —sexologische Fortbildung. Um nur den letzten dieser Punkte hier teilweise zu illustrieren: Mediziner und andere, die in der Aids-Beratung tätig werden wollen, müssen in die Lage versetzt werden, eine verläßliche Sexualanamnese aufzunehmen. Sie müssen auch lernen, sich gewisse simple Erfahrungsregeln zunutze zu machen. Ein Berater zum Beispiel, der seine Klienten oder Patienten zum Kondomgebrauch motivieren will, hat es leichter, wenn in seinem Sprechzimmer Kondome verschiedener Ausführung offen sichtbar und greifbar sind. Er sollte sogar, wenn angebracht, den korrekten Gebrauch des Kondoms am geeignetet Modell demonstrieren und einige Proben mit nach Hause geben. Zu alldem gehört natürlich eine gründliche Vertrautheit mit dem Produkt in seinen verschiedenen Ausführungen und mit den entsprechenden Gleitmitteln sowie deren Anwendung. Solche praktischen Details sind nur scheinbar banal. Im Gegenteil, sie können den Unterschied zwischen Gelingen und Mißlingen einer Beratung ausmachen. Diese und viele andere praktische Einzelheiten der Beratung, Betreuung und Vorbeugung können in besondere Anleitungen eingebaut werden, wie das Modell San Francisco an vielen Beispielen zeigt. In fast jedem einzelnen Fall sind auch noch Zusätze, ja ständige Verbesserungen möglich. Die obige vorläufige Liste erschöpft natürlich die Beratungsaufgaben nicht. Bei besonderen Gruppen, wie etwa Drogenabhängigen und Prostituierten, kommen als Ziele vielleicht noch Entwöhnung bzw. Arbeitsvermittlung oder Umschulung hinzu. Auch im Strafvollzug etwa werden besondere Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein, und das wiederum kann die Beratungsarbeit erschweren, verlängern und verteuern. So zeigt uns allein schon das eine Stichwort „Aids-Beratung", wie komplex

XIV

Einleitung

die Probleme sind, die nun auf uns zukommen. Nicht nur das: Wir werden sie von allen Seiten gleichzeitig angreifen müssen. Die hier skizzierte Vielfalt der Beratungs- und Fortbildungsaufgaben erfordert ein entsprechend differenziertes Netz von Beratungsorganisationen und -stellen. Offensichtlich sind nicht nur städtische Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Versicherungen, Hoch- und Fachschulen, verschiedene Berufsverbände und Gewerkschaften gefordert, sondern auch private Initiativen von der Selbsthilfegruppe bis zur Einzelpraxis. Sie bedürfen der ständigen Inspiration und laufenden Information, um ihre volle Wirksamkeit zu entfalten. Gleichzeitig sollten ihre Bemühungen auch noch sinnvoll koordiniert sein. Erst die Zukunft wird zeigen, wie man dies alles am besten organisiert und finanziert. In der Zwischenzeit können aber vielleicht die hier vorgestellten Texte aus San Francisco gewisse Hilfen vermitteln. Sie wenden sich nicht exclusiv an diese oder jene „zuständigen" Fachleute, sondern an alle, die dafür eine praktische Verwendung haben.

San Francisco und Berlin, imFrühjahr 1987

Erwin J. Haeberle Axel Bedürftig

Die Herausgeber danken besonders den Professoren Dean Echenberg und Mervyn Silverman von der Medizinischen Fakultät der University of California in San Francisco, die bei ihrem Besuch in Berlin im November 1986 den Verlag bei der Entscheidung für dieses Buch erheblich unterstützten.

I. Beratung Die Aids-Epidemie macht Beratung sehr unterschiedlicher Art und für sehr verschiedene Klienten erforderlich. Denken wir zunächst nur an das HI-Virus und seine möglichen Wirkungen, von der asymptomatischen Infektion über verschiedene leichte und schwere, akute oder chronische Erkrankungen (ARC oder Aids Related Conditions) bis zu Aids. Schon hier muß in allen Phasen eine ausgedehnte Beratung erfolgen, angefangen bei der Information vor und nach dem Test über die begleitende Unterstützung einer gesunden Lebensweise, der Einübung ansteckungssicherer Sexualpraktiken und Hilfe bei der Regelung persönlicher Angelegenheiten bis hin zur Erklärung verschiedener Diagnosen und Prognosen, Behandlungsverfahren, Krankenhausregeln und häuslicher Vorsichtsmaßnahmen. Dazu kommen noch Ratschläge und seelische Stützen für Patienten, die vielleicht über Wochen und Monate körperlich verfallen und schließlich sterben. Auch ihre Angehörigen, Freunde, Nachbarn und Arbeitskollegen brauchen Beratung, ja eigentlich muß früher oder später, wenn sich die Fälle von Aids häufen und zunehmend ins öffentliche Bewußtsein dringen, die gesamte Bevölkerung beratend angesprochen werden. Sehr oft geht die Beratung auch unversehens in eine Betreuung über, die wiederum mehr und mehr Einsatz fordert und eine größere Verantwortung bedeutet. Darüber hinaus muß für verschiedene Berater nicht nur eine eigene Beratung eingerichtet werden, sondern in der Regel auch eine Sonderausbildung. Ärzte, Krankenpfleger, Sozialarbeiter, klinische Psychologen usw., die hier beruflich angesprochen sind, brauchen erstens gewisse neue Kenntnisse und Fähigkeiten, zweitens aber selber eine seelische Stütze, wenn sie unter ihrer neuen Bürde nicht zusammenbrechen oder ausbrennen sollen. Hinzu kommt eine rein technisch-organisatorische Beratung, die für viele Behörden, Betriebe und Institutionen notwendig wird. Diese hat unter Umständen auch noch juristische und ökonomische Aspekte. Dies alles sei hier nur angedeutet; eine nähere Ausführung würde fast ein eigenes Buch erfordern. Für die begrenzten Zwecke des vorliegenden Bandes möge die nähere Behandlung der drei folgenden Gebiete genügen: die Aufnahme einer individuellen Sexualgeschichte, der HIV-Antikörpertest und die Beratung von Familienangehörigen. Damit werden für einige Beratungsbereiche erste praktische Hilfen geliefert, die sich auch leicht auf andere Bereiche übertragen lassen. Natürlich können die folgenden Texte nur Anregungen geben. Sie enthalten aber genügend Grundmaterial, um auch deutschen Zwecken zu dienen. Es bleibt jedem Leser selbst überlassen, auf dieser Basis genauere und ausführlichere Materialien selber herzustellen.

Die Sexualanamnese Aids ist heute zweifellos die schlimmste sexuell übertragbare Krankheit. Andere als sexuelle Übertragungswege spielen auch eine Rolle, aber erst in zweiter Linie. Das heißt unter anderem, daß eine wirksame allgemeine Vorbeugung nicht möglich ist ohne eine breite und detaillierte öffentliche Diskussion gewisser sexueller Realitäten, die man auch heute noch gerne verleugnet. Leider ist die ursprünglich in Deutschland entstandene, sehr praxisnahe Sexualwissenschaft von den Nazis bewußt und systematisch zerstört worden. Die nach jahrelangem Zögern nur widerwillig, einseitig und dabei noch unzulänglich geförderte universitäre Sexualwissenschaft der Bundesrepublik hat aber keine nennenswerte Breitenwirkung erzielt und bis heute wenig populäre Unterstützung gefunden. So bleibt die deutsche Diskussion sexueller Probleme bei aller emotionalen Heftigkeit oft seltsam leerformelhaft und blutarm. Akademiker und Laien sprechen völlig verschiedene Sprachen, und was in der olympischen Höhenluft gelehrter Zirkel erphilosophiert wird, setzt sich nicht in gesellschaftliche Praxis um. Das alles wäre gleichgültig, wenn jetzt nicht durch Aids eine wahrhaft vertrackte Verknotung sehr dringender praktischer Probleme sichtbar geworden wäre. Nun zeigt sich, daß die unzureichenden sexologischen Kenntnisse etwa der Ärzte, Juristen, Theologen, Pädagogen und Journalisten - um nur einige Berufe zu nennen die Bevölkerung allgemein in einem gefährlichen Zustand der Ungewißheit, Unentschlossenheit, Ratlosigkeit und Angst belassen. Kurz, die Öffentlichkeit fühlt sich von den „Fachleuten" weitgehend enttäuscht. Dennoch sollte man gerade in dieser Situation betonen, daß es auch in Deutschland sehr gute Ansätze gibt, die nur bisher nicht genügend gewürdigt worden sind. Vor allem ist hier die Gesellschaft für Praktische Sexualmedizin (GPS) zu erwähnen, die seit über zehn Jahren in Heidelberg ihre Fortbildungstage abhält. Die Heidelberger sexualmedizinischen Fortbildungstage haben im Laufe der Zeit zahlreichen Ärzten sozusagen im nachhinein Kenntnisse vermittelt, die sie eigentlich schon auf der Universität hätten erhalten müssen. Dort aber hat die Sexualmedizin bis heute einen schweren Stand. Die GPS ergriff auch im Sommer 1985 die Initiative, als sie in einer Plenarsitzung zusammen mit den eingeladenen anderen deutschen sexologischen Gesellschaften das Thema Aids diskutierte. Bei der Tagung 1986 wurden dann bereits zwei verschiedene Arbeitsgruppen zur Aids-Beratung angeboten. Für Nichtmediziner wie Psychologen, Pädagogen, Sozialarbeiter usw. haben inzwischen Tagungen anderer Gesellschaften, darunter auch der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS) sexologisch fundierte Aids-Fortbildung angeboten. Es gibt also in verschiedenen Teilen der Bundesrepu-

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Beratung

blik bereits vielversprechende erste Versuche, die man besser koordinieren und auf jeden Fall finanziell fördern könnte. Ein wichtiges Thema für die nun notwendig gewordene Fortbildung ist offensichtlich die Sexualanamnese. Nicht nur muß die Mauer des Verschweigens zwischen Arzt und Patient durchbrochen werden, sondern alle Therapeuten und Berater, die Aids bekämpfen wollen, müssen - notfalls in Sonderkursen - die enorme Variationsbreite menschlichen Sexualverhaltens kennelernen. Nur dann können sie bei ihrer Arbeit erfolgreich sein. Es ist zum Beispiel fahrlässig einfach anzunehmen, daß ein wegen Aids persönlich besorgter und ratsuchender Geistlicher keine Prostituierten aufsucht, daß ein „korrekt" aussehender Familienvater keine homosexuellen Kontakte hat oder daß eine „brave", mütterlich wirkende Hausfrau kein Verhältnis mit einem drogenabhängigenjüngeren Freund unterhält. Auch darf man niemals davon ausgehen, daß sexuell aktive Patienten nur einen einfachen Koitus ausführen und ihnen andere Sexualpraktiken fremd sind. Wer als Arzt nicht zu fragen versteht, der wird gerade bei sexuell übertragbaren Krankheiten nicht immer alles Wichtige erfahren. Er wird auch seine Patienten nicht ausreichend über die mögliche Vorbeugung gegen Aids beraten können. Die folgenden Materialien aus San Francisco können vielleicht nicht nur Ärzten, sondern auch anderen Fachleuten praktische Hilfen bei der Sexualanamnese geben. Daß dabei vorzugsweise homosexuelles Verhalten angesprochen wird, hat seinen Grund: Sowohl in den USA als auch in Europa hat Aids zunächst in der Virus-Einstiegsgruppe der homosexuellen und bisexuellen Männer die meisten Opfer gefordert. Auch in naher Zukunft wird sich an dieser Lage noch nichts Entscheidendes ändern. Die größere Verbreitung des Virus in der übrigen Bevölkerung ist erst in der Zukunft zu erwarten, vor allem dann, wenn keine wirksame Vorbeugung betrieben wird. Insofern ist der hier gesetzte Akzent im Augenblick noch praktisch sinnvoll. Man wird bei näherem Studium aber finden, daß dieses Material auch sehr leicht für rein heterosexuelle Patienten und Klienten zu adaptieren ist. Umgekehrt wäre es schwieriger: Material für Heterosexuelle muß fast immer erheblich erweitert werden, wenn es für Homosexuelle und Bisexuelle brauchbar sein soll.

Einige Grundsätze für die Kunst des Sexualinterviews Der amerikanische Sexualforscher Alfred C. Kinsey (1894 - 1956) ist in Deutschland vornehmlich durch seine beiden „Reports" bekannt geworden („Sexual Behavior in the Human Male", 1948, und „Sexual Behavior in the Human Female", 1953). Diese umfangreichen Studien basierten auf tausenden von persönlichen Interviews, die zum allergrößten Teil von Kinsey selbst und seinem engsten Mitarbeiter Wardell B. Pomeroy durchgeführt wurden. Kinsey begann seine Interviews im Jahre 1938 und setzte sie bis zu seinem Tode fort; Pomeroy hat, auch nach seiner Trennung vom Kinsey-Institut, nach der Methode weitergearbeitet. Das „Kinsey Interview" blieb ihm auch in seiner privaten Praxis als Sexualtherapeut ein wichtiges Instrument, und heute, als Dekan des „Institute for Advanced Study of Human Sexua l l y " in San Francisco, vermittelt er die Kunst des richtigen Fragens seinen Studenten. Als Grundlage für seine Interview-Seminare dient dabei sein Werkbuch, aus dem im folgenden die allgemein gehaltene Einleitung abgedruckt ist. Obwohl also die entscheidenden praktischen Kapitel hier fehlen, gibt doch schon diese Einleitung eine Reihe von wertvollen Hinweisen, die jeder Arzt, Therapeut und Berater beherzigen sollte, der im Gespräch mit seinen Patienten oder Klienten sexuelle Informationen sucht. Idealerweise müßten aber alle Interviewer in besonderen Kursen eigens ausgebildet werden, denn die von Kinsey und Pomeroy geforderte innere Einstellung der wertneutralen, einfühlsamen Aufmerksamkeit läßt sich nicht allein aus Büchern lernen. Eigentlich sind hier vor allem die deutschen Universitäten aufgefordert, entsprechende Seminare einzurichten, und angesichts der Bedrohung durch Aids sollten auch etwa die ärztlichen, psychologischen und pädagogischen Standesverbände nicht zögern, umgehend Fortbildungskurse in der Sexualanamnese zu organisieren. Bis dahin mögen die hier formulierten Grundsätze wenigstens als Anstoß dienen.

Zur Aufzeichnung einer individuellen Sexualgeschichte Wardell B. Pomeroy, Carol C. Flax, Connie Christine Wheeler „ B i n ich n o r m a l ? " Der in unserer Kultur herrschende Sittenkodex hat dafür gesorgt, daß man über die eigene Sexualität nur schwer reden kann; das gilt auch für viele Fachleute. Deshalb werden nur wenige Befragte eine exakte Vorstellung davon haben, in wieweit ihre eigenen Verhaltensmuster vom Durchschnitt, vom Typischen oder - wie es wahrscheinlich ausgedrückt wird - vom „Normalen" abweichen oder mit ihm übereinstimmen. Man kann davon ausgehen, daß die meisten Menschen sich über diese Frage den Kopf zerbrechen. Tatsächlich ist eine der wesentlichen Grundlagen für die Erhebung von Sexualanamnesen aus der Sicht der Betroffenen, daß die Interviewer in der Lage sind, auf Wunsch Fehlinformationen zu korrigieren, allgemeine oder detaillierte Informationen zu geben und auf jeden Fall eine wertungsfreie Einstellung an den Tag zu legen, die die Ängste des Befragten wenigstens mildert. Wer Menschen über ihr Sexualleben befragen will, hat einen ehernen Grundsatz zu beachten: Gib niemals ein Urteil über das ab, was die Leute tun oder nicht tun. Mag sein, daß sich das von selbst versteht, aber es wird oft mißachtet und ist häufig auch nicht so leicht durchzuhalten, wie es scheint. Bis zu einem gewissen Grad haben wir nämlich alle die Sexualnormen unserer Kultur in uns aufgenommen, und viele dieser Normen sind so tief verinnerlicht, daß man sie gar nicht mehr als solche wahrnimmt. Die Antworten der Befragten werden aber erheblich verfälscht, wenn der Interviewer oder die Interviewerin sich von diesen kulturellen Hindernissen beeinflussen läßt. Am ehesten überwindet man offensichtlich Vorurteile über das Sexualverhalten, wenn man sich selber Kenntnisse über jeden Aspekt sexuellen Verhaltens verschafft. Doch auch hier gilt: es ist nicht so einfach, wie es scheint. Für einen heterosexuellen Interviewer dürfte es z.B. schwierig sein, eine intime Kenntnis des homosexuellen Lebens zu gewinnen, indem er seine Zeit in schwulen Bars oder auf schwulen Parties verbringt, ohne sich mit seinen tiefgehenden homophoben Gefühlen auseinanderzusetzen und sie grundlegend zu überwinden. Das gleiche könnte man auch über andere Varianten sexuellen Verhaltens sagen, etwa über Prostitution und Sadomasochismus, Praktiken, über die wahrscheinlich nur wenige Interviewer Kenntnisse haben, geschweige denn solche aus erster Hand. Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß sich die Aus: Wardell B. Pomeroy, Carol C. Flax, Connie Christine Wheeler, „Taking a Sex History - Interviewing and Recording", New York/ London 1982

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Neigung zu Vorverurteilungen verringert, je mehr wir selbst erfahren, was in der Welt der Sexualität los ist. Leider können wir oft unsere Einstellung nicht verbergen. Die Gesprächspartner fischen sich Anhaltspunkte aus dem Tonfall des Interviewers, aus seinem Mienenspiel und aus seiner Körpersprache. Wir wissen, daß eine beherrschte, ruhige Art des Sprechens, ein freundlicher Gesichtsausdruck und eine entspannte Körperhaltung dem Interviewten am besten vermittelt, daß sein Gegenüber ihn akzeptiert. Das aber nur vorzutäuschen, ist für den Interviewer nicht leicht. Da indes die freie Befragung Grundlage des Interviewens ist, ist klar, daß wir nicht unsere eigenen Maßstäbe, Moralvorstellungen und Urteile dem Verfahren aufzwingen dürfen. Wenn die Befragten vorbehaltlos zugänglich sein sollen, dann muß der Interviewer neutral bleiben und die Gefühle und Einstellungen Andersdenkender respektieren. Es darf keine Diskriminierung geben. Der Interviewer hat den Vergewaltiger und den Kinderschänder ebenso zu akzeptieren wie den Enthaltsamen. Niemand darf bewertet werden. Einziges Ziel des Interviewers ist es, Informationen über alle Spielarten der Sexualität zu gewinnen, und dabei hat er Vorurteile und Voreingenommenheiten ohne Wenn und Aber beiseite zu lassen. Vermeiden sollte er schnelle Antworten auf die Frage: „Bin ich normal?" oder ,,Ist das, was ich da mache, normal?". So einfach ist das nämlich nicht. Nehmen wir zum Beispiel an, der Befragte will wissen, ob Selbstbefriedigung normal ist. Statistisch gesehen ist sie das sicherlich, da sie nahezu eine Jedermann-Betätigung ist. Nehmen wir nun an, ein männlicher Interviewpartner berichtet, er betreibe Selbstbefriedigung, indem er sich bäuchlings aufs Bett legt und seinen Penis an der Matratze reibt. Da Matratzenreiben nur etwa 5 Prozent der Fälle von männlicher Selbstbefriedigung ausmacht, müßten wir sagen, daß zwar Masturbation normal sei, diese Methode aber statistisch selten und deshalb „ u n n o r m a l " sei. Ähnlich kann jede andere Form des Sexualverhaltens - etwa Homosexualität, Oralverkehr, außerehelicher Beziehungen usw. - entweder als häufig oder als nicht häufig, als normal oder als unnormal klassifiziert werden. Statistisch gesehen. So verstanden ist der gewöhnliche Schnupfen normal, denn fast jeder Mensch bekommt mal einen. Häufigkeit oder Nichthäufigkeit sind also nicht gerade die beste Grundlage für die Entscheidung, was normal ist. Der Trugschluß wird am deutlichsten, wenn man 50% als Maßstab des Üblichen nimmt. Danach ist männliche Homsexualität statistisch normal, weil 50% aller Männer in ihrem Leben entweder offen homosexuelle Erlebnisse hatten oder psychisch durch andere Männer erregt wurden. Weibliche Homosexualität hingegen müßte als statistisch unnormal angesehen werden, weil nur etwa 28% der Frauen je homosexuelle Erlebnisse hatten oder psychisch von anderen Frauen erregt wurden. Die Rechtsprechung liefert eine andere Sicht der Normalität, indem sie sexuelle Handlungen als „natürlich" oder „widernatürlich" einstuft. Praktiken wie Analoder Oralverkehr und Homosexualität gelten juristisch in einigen Staaten als widernatürlich, weil sie nicht der Fortpflanzung dienen. Diese juristische Definition hat indes wenig mit dem tatsächlichen Sexualverhalten zu tun.

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Mehr noch: „widernatürlich" meint, genau genommen, daß es sich um etwas handelt, das nicht in der Natur vorkommt oder gar dem zuwiderläuft, was als die Natur der menschlichen Sexualität angesehen wird. Bereits flüchtige Beobachtung würde uns allerdings lehren, daß auch Tiere manchmal Sex ohne das Ziel der Fortpflanzung machen. Die wissenschaftliche Forschung zeigt in der Tat, daß die Menschen sexuell fast nichts treiben, was man nicht auch in der Tierwelt finden könnte mit Ausnahme vielleicht von Transvestitismus, weil Tiere natürlich nicht die Kleidung des anderen Geschlechts anziehen können. In unserer Gesellschaft wird Sexualität mit Kindern als etwas Widernatürliches angesehen, aber bei anderen Arten kommt sie vor und sogar in anderen menschlichen Gesellschaften. Selbst GewaltSex ist bei Tieren beobachtet worden. Es wurde behauptet, bei Tieren werde Sex ausschließlich zur Fortpflanzung ausgeübt, denn sie finde insbesondere in der Zeit des Eisprungs beim Weibchen und während dessen Empfängnisbereitschaft statt. Das ist eine verbreitete Fehleinschätzung, die sich leicht widerlegen läßt. Obwohl zum Beispiel beim Orang-UtanWeibchen Verkehr häufiger vorkommt, wenn es läufig ist, so hat es sexuelle Kontakte doch auch während der Tragezeit und auch sonst, ebenso wie das Schimpansen* Weibchen, wenn es überhaupt nicht läufig ist. Manche behaupten auch, Prostitution sei unnatürlich, weil dabei ein Güteraustausch für sexuelle Gunstbeweise stattfinde. Ein Schimpansenweibchen, das nicht läufig ist, wohl aber ein Männchen eine Banane essen sieht, wird sich unter Umständen an ihn heranmachen und ihm die Geschlechtsorgane zur Paarung präsentieren. Wenn er dann interessiert ist und zu kopulieren beginnt, dreht es sich um, grabscht nach der Banane, und weg ist es. Verhaltensforschung belegt auch, daß oft zwei Männchen oder zwei Weibchen derselben Art Sex miteinander machen und daß viele Tiere masturbieren. Offensichtlich ist in beiden Fällen Fortpflanzung nicht mit im Spiel. Überdies sind sexuelle Spiele zwischen Jungtieren ebenso wie zwischen Erwachsenen und Jungtieren alltäglich. Das sollte den Schluß nahelegen, daß „natürliche" Sexualität alles das ist, was sexuell vorkommt. Bislang haben wir über die juristische und die wissenschaftliche Sicht von sexueller Normalität gesprochen, aber der überwiegende Teil der gültigen Einstellungen zu diesem Thema geht bis auf die alttestamentarischen Gesetze zurück. Sie wurden in Jahrtausenden zu festen Bestandteilen der jüdisch-christlichen Tradition. Erst in den letzten zehn Jahren haben diese Gesetze sich ansatzweise verändert. In einigen Fällen durch Neuinterpretation, in anderen durch Aufstellen neuer Gesetze. Solche Veränderungen gehen jedoch langsam vonstatten, und die stärkste Bewegung in Richtung auf einen Einstellungswandel besteht offensichtlich in den Kirchen selbst. Viele Kirchen kümmern sich inzwischen ohne Vorurteil oder Bekehrungsversuche um homosexuelle Gruppen. Viele christliche Kirchen sind über außerehelichen Geschlechtsverkehr, wenigstens unter bestimmten Umständen, nicht mehr so beunruhigt wie früher. Und Masturbation wird nun von einer großen Zahl religiös orientierter Menschen als ein universelles Phänomen akzeptiert, obwohl sie freilich nach

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wie vor nicht offen darüber sprechen. Dessenungeachtet ist die jüdisch-christliche Ethik mit ihrer rigiden Sicht des Sexualverhaltens und ihren zahlreichen Verboten noch lebendig. Es gibt noch etliche Spielarten der Sexualität, die von institutionalisierten Religionen nicht gutgeheißen werden. Und die Kirchen haben weiterhin großen Einfluß auf Gesetzgeber und andere Machtzentren, unabhängig davon, wie liberal einzelne ihrer Mitglieder sein mögen. Man braucht nicht Anhänger einer psychologischen Richtung zu werden, die die Ursache aller seelischen Vorgänge in der Sexualität sieht, um die Nöte und daraus entspringenden Schuldgefühle vieler Menschen zu verstehen, die sich ängstlich fragen: „Bin ich normal?" und „Ist das normal?". In vielen Fällen kann das Schuldgefühl bis zu frühkindlicher religiöser Dressur zurückverfolgt werden. Wir setzen nach wie vor Reinlichkeit und Reinheit mit „Frömmigkeit" gleich, während Sexualität als schmutzig und schweinisch gilt. Genitalien sind unsauber; immer noch denken die meisten, man müsse sich die Hände nach dem Wasserlassen waschen, obwohl eher die Hände die Genitalien schmutzig machen als umgekehrt. Vielen gilt auch heute noch eine Frau während der Menstruation als „unrein", als eine, die man nicht berühren sollte, genauso wie es in biblischen Zeiten geglaubt wurde. In gleicher Weise werden auch Personen, die „zuviel" an Sex denken - was heißt: mehr als die Person, die darüber richtet -, als unrein angesehen. Religion und Gesetz stimmen gelegentlich nicht überein bei dem, was sie für richtig halten. So gibt es zum Beispiel in den USA kein Gesetz gegen Selbstbefriedigung, es sei denn, sie findet in der Öffentlichkeit statt; und dann heißt der Straftatbestand „Störung der öffentlichen Ordnung" oder „Erregung öffentlichen Ärgernisses", nicht Masturbation an sich. Trotzdem hält die katholische Kirche Selbstbefriedigung für eine Sünde, und im orthodoxen Judentum ist sie strikt verboten. Fundamentalistische Protestanten halten sie zwar für unmoralisch, wobei sie übrigens fälschlicherweise den alttestamentarischen Onan anführen, der „sooft er der Frau seines Bruders beiwohnte, den Samen zur Erde fallen ließ" (1. Moses 38,9), also in Wirklichkeit Koitus interruptus praktizierte; es gibt bei ihnen dennoch kein kirchliches Gesetz gegen Masturbation. Da protestantische Überzeugungen weitgehend die Substanz der Sexualgesetze in den USA bestimmt haben, wurde dann auch niemals Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt, Masturbation unter Strafe zu stellen. Protestanten sind im großen und ganzen geneigt, Masturbation als Sexualbetätigung im Jugendalter hinzunehmen, wobei viele freilich versuchen, diese dadurch zu verhindern, daß sie die Hand des Kindes von den Genitalien wegreißen oder sagen „das tut man nicht". Anscheinend sehen heutzutage viele Menschen Masturbation als unvermeidlich und auch akzeptabel an, wenn sie nur nicht „im Übermaß" betrieben wird - gemessen an ihrer eigenen sexuellen Betätigung. Gerade diese Leute meinen im allgemeinen auch, wiederum zu Unrecht, daß man mit der Selbstbefriedigung aufhört, wenn man erwachsen ist, vor allem in der Ehe. Manche von ihnen spüren oder lesen, daß das nicht stimmt, aber öffentlich ändern sie ihre Einstellung nicht. Eine vernünftige Sicht von „normal" oder „unnormal" wäre es, zu fragen, ob eine bestimmte Spielart der Sexualität anderen Menschen Schaden zufügt. Schadet

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Masturbation einem anderen? Verletzt außerehelicher Geschlechtsverkehr irgendwelche Dritte? Oder Homosexualität? Wenn vergewaltigt wurde, wurde jemandem Schaden zugefügt? (hier verdeutlicht schon das Wort Gewalt, wie die Frage zu beantworten ist). Wenn ein Erwachsener mit einem Kind sexuelle Kontakte hatte, wurde es geschädigt? Ein solches Konzept von Schädlichkeit oder Unschädlichkeit kommt der Vorstellung, die hinter dem Begriff von „normalem" oder „unnormalem" Verhalten stehen sollte, vielleicht näher als alle anderen Definitionen. Sonst gilt, daß es nichts gibt, was man als „normal" oder „unnormal" bezeichnen kann; es ist ein sinnloses Konzept. Das muß der Interviewer begriffen haben und dem Gesprächspartner vermitteln.

Interview-Techniken Es sollte klar sein, daß das Ziel des Interviewers ist, von jedem Gesprächspartner vollständige und richtige Informationen zu gewinnen. Dazu gehört zuerst und vor allem eine wertfreie Haltung. Einige der nachfolgenden Gesichtspunkte zeigen, wie dem Gesprächspartner das Fehlen von Zensur beim Interviewer vermittelt werden kann. Andere der in diesem Kapitel vorgestellten Techniken sollen zu detaillierteren und präziseren Antworten ermutigen, als die Befragten sie sonst gäben, oder mehr Informationen herauslocken, als man normalerweise gewinnen könnte. Die Atmosphäre des Interviews bestimmen Es ist ein Privileg, wenn ein Mensch einem gestattet, seine Sexualanamnese aufzunehmen, und die Bereitschaft des Gesprächspartners, dem Interviewer diese Dinge mitzuteilen, sollte als besonderer Vertrauensbeweis angesehen werden. Die Sexualgeschichte eines Menschen ist eine äußerst persönliche Angelegenheit. Unabhängig von gesellschaftlicher Stellung und geistiger Verfassung des Befragten muß man darauf achten, Respekt und Anteilnahme zu zeigen. Interviewer sollten sich um das Wohlergehen und die Bequemlichkeit ihrer Gesprächspartner genauso kümmern, wie sie es bei Gästen in ihrer eigenen Wohnung tun würden. Interviewer und Befragter sollten sich direkt auf Sesseln oder Sofas von gleicher Höhe gegenübersitzen, so daß sie einander ins Gesicht sehen können. Der Abstand sollte etwa ein bis maximal anderthalb Meter betragen. Es sollte alles vermieden werden, was Distanz zwischen Interviewer und Befragtem schafft. Eine solche falsche Distanzierung wäre zum Beispiel eine gestelzte und technische Ausdrucksweise. Eine weitere ist es, zwischen den Befrager und sein Gegenüber einen Tisch zu stellen oder einen weißen Kittel zu tragen - nach dem hochnäsigen Motto: „Ich bin der Fachmann und Du nicht." Der Ort des Interviews, egal ob es ein Büro, ein Auto, ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer oder gar ein Bad ist, ist kein Problem, solange beide Personen sich

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wohlfühlen. Außerdem muß absolute Privatheit herrschen, so daß kein Außenstehender mithören kann. Rauchen sollte erlaubt sein, wenn der Befragte raucht. Es hilft oft, sich zu entspannen. Wenn andererseits der Befragte Rauchen ablehnt, dann sollte auch der Interviewer auf das Rauchen verzichten. Alkohol, Marihuana und andere Drogen beeinträchtigen oft das Erinnerungsvermögen, die Wahrnehmungsfähigkeit und das Verständnis. Wenn der Befragte eindeutig unter der Einwirkung derartiger Substanzen steht, ist der Interviewer gut beraten, das Gespräch zu verschieben. Grundüberlegung: Jedem alles zutrauen Es empfiehlt sich beim Interviewen vorauszusetzen, daß jedermann nahezu alles macht, besonders wenn es um vergleichsweise verbreitete Verhaltensweisen geht. Eine solche Annahme bedeutet nicht, daß der Interviewer annimmt, jeder seiner Gesprächspartner habe wirklich alles gemacht, sondern daß er dem Befragten zubilligt, Verhaltensweisen und Erfahrungen zu berichten, die im allgemeinen nicht enthüllt werden. Mit dieser Grundannahme im Hinterkopf, formuliert man Fragen nicht nach dem Muster „Machen Sie Selbstbefriedigung?" oder „Haben Sie Selbstbefriedigung gemacht", sondern eher so: „Wie alt waren Sie, als Sie zum ersten Mal Selbstbefriedigung machten?" Es ist wenig hilfreich, zu unterstellen, der Interviewte bevorzuge unübliche oder sehr seltene Praktiken. Fragen zu diesen weniger verbreiteten Verhaltensweisen müssen gestellt werden, aber sie sollten eher nach dem Muster „ H a ben Sie jemals . . . ? " als nach dem Muster „ W a n n haben Sie zum ersten M a l . . . ? " oder ,, Wie alt waren Sie... ? " . Wenn der Interviewer sich unsicher ist, ob er beim Befragten eine bestimmte Erfahrung voraussetzen soll, sollte er im Zweifel davon ausgehen, daß der Befragte sie hat. Bei der Befragung nach Inzest etwa setzt der Interviewer voraus, daß der Gesprächspartner mit nahen Verwandten Geschlechtsverkehr hatte, und zwar ohne einen Verwandtschaftsgrad auszuklammern. Denn Inzest wird so weitgehend mißbilligt, daß der Befragte wohl kaum über entsprechende Erfahrungen berichten wird, es sei denn der Interviewer hätte ihm das Gefühl vermittelt, daß er solches Verhalten akzeptiert. Die entsprechende Frage wäre dann in der Form zu stellen „Welches war der oder die nächste Verwandte, mit dem oder der Sie irgendeinen sexuellen Kontakt hatten?". Die Entscheidung, ob man nun eine Vorannahme macht oder nicht, hängt im einzelnen von der bereits erhobenen Anamnese und von der Fähigkeit des Interviewers ab, Hinweise auf atypisches Verhalten wahrzunehmen. Wenn eine Person im Interview umfassende Erfahrungen mit einer großen Zahl verschiedener Partner berichtet, wird der Interviewer beispielsweise Prostitution vermuten und fragen „ W a n n haben Sie zum ersten Mal Geld für Geschlechtsverkehr bekommen?". Im Gegensatz dazu wird der Interviewer, wenn sein Gegenüber eine eher gehemmte Persönlichkeit ist, die nicht die geringsten Hinweise auf ein bewegtes Sexualleben geliefert hat,

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nichts unterstellen und deshalb die Frage so formulieren: „Haben Sie jemals Geld für Geschlechtsverkehr bekommen?". Solche Annahmen sind auch erforderlich, wenn es sich nicht um sexuelle Fragen handelt. Bei der Erforschung von Drogengebrauch zum Beispiel ist es besser, zu fragen „Wieviel Grass rauchen Sie?", als „Haben Sie je Marihuana geraucht?". Fragen in der Art des ersten Beispiels erlauben dem Befragten, zu sagen, wann er damit angefangen hat oder daß er noch keinerlei Erfahrungen mit Marihuana hat, wohingegen der Gesprächspartner auf die Frage „Rauchen Sie Marihuana?" schnell sein tatsächliches Verhalten hinter einem einfachen „Nein" verstecken kann. Befragte antworten selten bejahend, wenn es ihrem tatsächlichen Verhalten nicht entspricht. Wenn doch, dann deckt die Frage nach näheren Einzelheiten den Widerspruch auf. Beispielsweise gibt eine Person, weil sie glaubt, der Interviewer wolle das hören, zu, Selbstbefriedigung zu machen, obwohl sie oder er das noch nie gemacht hat. Doch die nachfolgenden Fragen nach Häufigkeit und Methoden wird sehr schnell zeigen, wie unvertraut die Person damit ist. Manche Praktiken sind in der einen sozialen Schicht oder Gruppe verbreitet, in der anderen nicht. Infolgedessen sollte der Interviewer bei seiner Entscheidung, ob er eine bestimmte Frage stellt oder nicht, auf typische Verhaltensunterschiede zwischen den Gruppen achten. Was gruppen- oder schichtspezifisch ist, lernt man durch breitgefächerten Kontakt mit Menschen und aus der Literatur. Positive Rückmeldung Es ist unbedingt notwendig, daß der Interviewer dem Befragten beständig positive Rückmeldungen durch Aussagen wie „OK", „gut", „klar", „natürlich", „ j a " , „ich verstehe" usw. gibt. Gleichzeitig lächelt der Interviewer, nickt zustimmend, schaut dem Befragten direkt in die Augen und wahrt eine zustimmende Körperhaltung. Positive Rückmeldung bei Themen, die gesellschaftliche Tabus betreffen, transportiert nicht die Botschaft „Ich billige dieses Verhalten", sondern „Ich begrüße es, daß Sie mir dies erzählen, und ich akzeptiere, was Sie mir erzählen". Bei einem unserer Kollegen tauchte eines Tages ein verstörter junger Mann auf, bei dem wir mehr als ein Jahr zuvor eine Sexualanamnese erhoben hatten. Er sagte: „Erinnern Sie sich an mich? Ich bin der homosexuelle, masochistische Koprophile, der letztes Jahr mit ihnen gesprochen hat." Die Antwort war: „Was ist Ihr Problem, warum sind Sie beunruhigt?" Der Mann war höchst erstaunt, daß nicht sein Verhalten, sondern seine Reaktion auf das Verhalten als Problem angesehen wurde. Türen öffnen, Türen schließen Die Strategie, die dem hier Geschilderten zugrunde liegt, nämlich die Forderung nach systematischer Befolgung eines vorher festgelegten Ablaufs, schafft dem Interviewer Spielraum, eine große Bandbreite an Informationen durch direkte Befragung zu gewinnen, und setzt ihn in die Lage, alles Wesentliche mitzubekommen. Über

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weite Passagen eines jeden Interviews geht es darum, Informationsbereiche und Bereiche ganz bestimmter sexueller Verhaltensweisen, die ermittelt wurden, abzustekken. Diese Fertigkeit wird verbessert durch ein Vorgehen, das man „Türen öffnen, Türen schließen" nennt. Im Verlauf des Interviews öffnet man Richtungen, Geleise, Bahnen der Untersuchung und schließt solche, die einer weiteren Erforschung nicht bedürfen. Zur Verdeutlichung: Wenn der Interviewer fragt „Wann hatten Sie zum ersten Mal Geschlechtsverkehr?" und die Antwort ist „Überhaupt noch nicht", dann ist es nicht nötig, den Gegenstand weiterzuverfolgen, und der Interviewer schließt diese Tür. Das Problem männliche Impotenz liefert eine weiteres anschauliches Beispiel für diese These. Wenn ein Befragter Schwierigkeiten mit seiner Potenz erwähnt, so ist es wichtig herauszufinden, wie hoch sein Alkohol-Konsum ist. Wenn sich herausstellt, daß er sehr gering ist oder gar kein Alkohol getrunken wird, dann kann man Alkohol als eine mögliche Ursache der Impotenz ausklammern. Diese Tür kann aber nicht geschlossen werden, wenn man die entsprechende Frage gar nicht stellt. Wie man informationsträchtige Bereiche mit Hilfe der Methode des „Tür öffnen" erkennt, macht das folgende Beispiel klar, bei dem es um Homosexualität geht: Offen praktizierte Homosexualität oder aber Homophobie (die Furcht, homosexuell zu sein) kann ein sehr wichtiger Faktor im Leben eines Menschen sein, egal, ob er an einer sexuellen Störung leidet oder nicht. Wenn aber nie nach Homosexualität gefragt wird, dürfte der Interviewer wohl kaum die Gefühle aufdecken, die der Klient damit verbindet. Diese spezielle Tür wird so womöglich nie geöffnet. Der Vorgang des „Tür öffnen" und „Tür schließen" wird auch sehr gut verdeutlicht an der Fallgeschichte eines verheirateten Mannes, der achtzehn Jahre Psychotherapie mit fünf verschiedenen Therapeuten über sich hatte ergehen lassen. Auf die Frage im Interview, wie oft er während seiner Ehe masturbiert habe, berichtete er nicht nur, daß er es tat, sondern auch, daß er deswegen schreckliche Schuldgefühle habe und sich für unnormal hielt. Lediglich dadurch, daß gefragt wurde „wie o f t " statt „ o b " er Selbstbefriedigung während seiner Ehe gemacht habe, öffnete genau die für seine Therapie entscheidende Tür. In achtzehn Jahren hatte er niemals seine masturbatorische Betätigung eingestanden - nur weil er offensichtlich nicht danach gefragt worden war. Obwohl er vollkommen bereitwillig auf die Frage antwortete, als sie dann gestellt wurde, war diese spezielle Tür, der Durchbruch zum Therapieerfolg, in all den Jahren und von fünf Therapeuten nicht geöffnet worden. Das „Aufhänger"-System Sinn der Befragung ist es, ein Muster, Mosaik, Bild, eine Geschichte des Menschen, der da befragt wird, aufzuzeichnen. Dabei sind bestimmte allgemeine Hintergrundinformationen in allen Befragungen nötig, zum Beispiel Alter, Ausbildung, religiöse Bindung, Arbeitsplatz, Familie und Elternhaus, Beschäftigung, medizinische Vorgeschichte usw. Der besondere Zweck einer Sexualanamnese ist es, das Sexualverhalten eines Individuums sowie sein Wertesystem und seine Einstellungen zu diesen

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Fragen zu ermitteln. Zusätzlich zu spezifisch demographischen Information behandelt die Sexualanamnese also die gesamte Bandbreite der Sexualpraktiken. Das Interview wird erleichtert, indem man „Aufhänger" benutzt, d.h. man bringt bestimmte Gesichtspunkte mit wichtigen Lebensereignissen des Befragten in Verbindung, um so die Genauigkeit der gegebenen Informationen zu erhöhen. Das Leben der Menschen ist voll von solchen Ereignissen, die sich als „Aufhänger" für andere Informationen eignen, zum Beispiel Orte, an denen sie gelebt haben, verschiedene Wohnungen, Städte, Länder, ihr Alter bei wichtigen Geschehnissen oder bedeutenden Stationen der Entwicklung wie Schul- oder Hochschulabschluß, Heirat, Scheidung, Geburt der Kinder, Tod der Eltern, religiöse Feiern wie Konfirmation oder Erstkommunion, Operationen oder schwere Erkrankungen, Militärdienst usw. Soldatenkinder etwa könnten die Entwicklungsstufen ihrer Sexualität an den Orten festmachen, wo ihre Eltern jeweils stationiert waren. Frauen neigen dazu, bestimmte Alterstufen ihrer Kinder als „Aufhänger" zu benutzen. Konfirmation oder Firmung sind ganz besonders wichtige Markierungen, denn sie finden in der Pubertät statt, etwa um das 14. Lebensjahr, also in dem Alter, in dem das Bewußtsein der eigenen Sexualität erwacht. Eine der wichtigen Aufgaben bei Beginn einer Sexualanamnese ist die Zusammenstellung einer ganzen Serie von solchen „Aufhängern" für den betreffenden Gesprächspartner. Diese Aufgabe ist von besonderer Wichtigkeit sowohl für den Interviewer wie auch für den Befragten. Für den Interviewer ergeben diese „Aufhänger" ein Gerüst, anhand dessen die Geschichte dieses Menschen rekonstruiert werden kann; in einer ganz praktischen Hinsicht sind sie Wegweiser bei der Suche nach Informationen. Dem Befragten ermöglichen die „Aufhänger", durch die davon ausgelösten Assoziationen die verschiedenen Informationen auf bestimmte Zeitpunkte zu beziehen. Wenn es zum Beispiel darum geht, das Alter beim ersten Koitus festzulegen, könnte das Interview folgenden Verlauf nehmen: „ Wie alt waren Sie, als Sie zum ersten Mal Geschlechtsverkehr hatten?" „Ich kann mich nicht erinnern." ,,Können Siesich daran erinnern, in welche Schulklasse Sie damals gingen?" „Ich bin mir nicht sicher." ,,Können Sie sich daran erinnern, wo Sie damals gelebt haben?" „Nicht genau." „ War es vor oder nach der Pubertät?" „Ich komme langsam drauf. Es war kurz nach der Pubertät." Ein zusätzlicher Vorteil für den Befragten liegt darin, daß die „Aufhänger" ihm helfen, eine bewußte Wahrnehmung seines eigenen Sexualverhaltens zu entwickeln. Intime Informationen preiszugeben, ist für viele Menschen schwierig. Man kann leichter damit umgehen, wenn man die Informationen in ein begriffliches Gerüst einbauen kann. „Aufhänger" liefern die Grundlage für eine derartige begriffliche Erfassung und sind so ein Hilfsmittel für Interviewer und Befragte, um ein Bild vom Leben dieses Menschen zu entwerfen.

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Checklisten Sehr nützlich während der Befragung sind verschiedene „Checklisten", die den Befragten dabei unterstützen, die Vielfalt der Erfahrungen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu erkennen. Das Checklisten-System gehört zum strukturierten Teil der Bestandsaufnahme. Dadurch, daß aus den zur Wahl gestellten Möglichkeiten lediglich die zutreffenden gekennzeichnet werden müssen, kann das Interview rasch vorankommen. Durch dieses System kann der Interviewer auch an zusätzliche Informationen herankommen, die nicht gewonnen würden, wenn man den Befragten frei reden ließe. Bereiche der Bestandsaufnahme, in denen das Checklisten-System ganz besonders nützlich ist sind die, in denen es um Petting-Methoden, KoitusStellungen, erotische Phantasien, aber auch um Freizeit, körperliches Erscheinungsbild oder - bei der Datenerhebung zur Prostitution - um Kontakte mit „Freiern" geht. Die nachfolgenden Beispiele zeigen zwei Wege, auf denen das Checklisten-System angewandt werden kann: Beispiel a) „ Was tun Sie in Ihrer Freizeit?" „Ich laufe gerne Ski." „ Was macht Ihnen sonst noch Spaß?" „Ich bin ein leidenschaftlicher Segler." An dieser Stelle ist der Interviewer in der Lage, durch Hinzuziehen einer Checkliste möglicher Freizeitaktivitäten zu Informationen vorzudringen, die der Befragte von sich aus gar nicht angeboten hätte. „ Gehen Sie ins Kino?" „Nicht sehr oft." , , Gehen Sie tanzen ?'' „Nein." „Sehen Sie fern?" „Sehr viel." Beispiel b) „ Wie machen Sie Selbstbefriedigung?" „Meistens mit der Hand." ,.Reiben Siesich auch an der Matratze?" „Manchmal." „Streicheln Siesich beim Masturbieren am After?" „Gelegentlich." „Benutzen Sie Vibratoren?" „Meistens." „Nehmen Sie Ihre eigenen Geschlechtsorgane in den Mund?" „Ich habe es zwei oder dreimal versucht, aber es ging nicht." Über die Checklisten hinaus muß man weitere Verhaltensweisen untersuchen, wenn es Hinweise darauf gibt. Wenn man zum Beispiel die Masturbations-Check-

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liste benutzt und dabei feststellt, daß der Befragte mit vielen oder den meisten Techniken, die in der Liste vorkommen, vertraut ist, dann sollte man einige weitere Minuten darauf verwenden, auch nach irgendwelchen ungewöhnlichen Techniken zu fragen, die die befragte Person möglicherweise anwendet. Wenn sie eine klare sadomasochistische Vorgeschichte hat, dann sollte dies über die wenigen routinemäßigen Fragen hinaus weiter untersucht werden. Dem Thema folgen, das der Befragte bevorzugt In den meisten Fällen folgt das Interview einer festgelegten Reihenfolge von Themen. Bei vielen Gelegenheiten führt jedoch der Interviewpartner den Interviewer in eine abweichende Richtung. Eine Prostituierte wird zum Beispiel darauf eingestellt sein, über ihr Berufsleben zu sprechen, aber widerwillig darauf reagieren, ihr Privatleben zum Gegenstand des Gesprächs zu machen. In diesem Fall wäre es ein Fehler, auf der vorher festgelegten Reihenfolge zu bestehen. Besser ist es, zunächst ihre berufliche Vorgeschichte zu behandeln. Ein weiteres Beispiel: Fragen zu vorpubertären sexuellen Spielen werden normalerweise ziemlich am Anfang einer Sexualanamnese gestellt. Wenn aber eine Befragte an dieser Stelle anfängt, von Geschlechtsverkehr mit ihrem Vater zu erzählen, dann sollte der Interviewer sofort die Themenfolge des Interviews ändern, um die Inzestgeschichte aufzunehmen. Denn die Befragte hat dieses Thema angeschnitten. Wenn der Interviewer oder die Interviewerin nicht dem vom Befragten vorgegebenen Thema folgt, wird diesem damit signalisiert, daß es sich nicht gehört, hierüber zu sprechen. Die Spontaneität geht verloren und die Informationen, die der oder die Befragte dem Interviewer zu geben versuchte, werden blockiert. Es ist wichtig, daß Interviewer eine Sensibilität dafür entwickeln, wann man der thematischen Präferenz des Befragten folgen und wann zu der ursprünglichen Abfolge der Themen zurückkehren sollte. Beispiel: „ Was tun Sie in Ihrer Freizeit?" „Ich laufe gerne Ski, aber ich habe es nicht mehr getan, seit meine Ehe in die Brüche ging." Da noch keine Fragen zur Ehe gestellt waren, wäre eine fruchtbare Fortsetzung des Gespräch, zu fragen: „ Wie lange ist es her, daß ihre Ehe kaputt ging?" Erst nach der Antwort ist es angemessen, wieder zum Themenblock ,,Freizeit" zurückzukehren.

Beschönigende Ausdrücke vermeiden Der ausufernde Gebrauch von beschönigenden Worten (Euphemismen) ist ein Ausdruck der Verlegenheit, in die die Diskussion über Sexualverhalten viele Menschen, Laien wie Fachleute, bringt. Einige verbreitete Euphemismen für Geschlechtsver-

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kehr sind z.B. „mit jemandem schlafen", „sich lieben", „es miteinander treiben", „knutschen", „miteinander ins Bett gehen". Beschönigende Worte für den Tod (z.B. „er/ sie ist entschlafen", „weilt nicht mehr unter uns") zeigen, daß der Tod aus Unbehagen und aus dem Bestreben heraus, eine Distanz zum Ereignis zu schaffen, nicht beim Namen genannt wird. Euphemismen für die Sexualität haben oft die gleiche Funktion. Euphemismen ermöglichen es, über Sexualität in einer vagen, uneindeutigen, indirekten und relativ wenig ängstigenden Weise zu reden. Von Fachleuten muß kategorisch gefordert werden, Euphemismen nicht zu gebrauchen, denn sonst signalisieren sie, daß es sich nicht gehört, über Sexualität geradeheraus zu reden, daß man um das Thema herumreden und es abmildern muß, damit es erträglich bleibt. Gleichermaßen wichtig ist, auch dem Befragten den Gebrauch von beschönigenden Wendungen nicht zu gestatten, denn anderenfalls verstärkt sich nur seine Ansicht, über seine Sexualität dürfe man nicht reden. Drumherumreden verhindert überdies, daß Interviewer und Befragter eine klare Vereinbarung darüber treffen, worüber genau geredet werden soll. Wenn zum Beispiel die Antwort kommt „ich habe mit meiner Frau letzte Woche dreimal geschlafen", dann heißt das möglicherweise, daß der Mann mit seiner Ehefrau sieben Nächte geschlafen hat und dreimal Geschlechtsverkehr mit ihr hatte. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen solchen Ausdrücken, die einen direkten Bezug zu dem, was zur Debatte steht, vermeiden sollen, und speziellen Bezeichnungen, die die Kommunikation erleichtern. Der nächste Abschnitt über besondere Bezeichnungen führt diesen Unterschied näher aus. Besondere Bezeichnungen Oft bedient sich medizinisches Personal, besonders Ärzte, eines gestelzten Vokabulars gegenüber den Gesprächspartnern. Hilfreich für die Kommunikation ist das nicht, sondern schafft eher Distanz. Auch wenn der Gesprächspartner das Gesagte versteht, bedeutet für ihn allein die Tatsache, daß die wissenschaftlichen Fachbegriffe nicht Teil seines normalen Wortschatzes sind, eine subtile Demütigung. Eine Person aus der Unterschicht z.B. versteht zwar, wenn ihr gesagt wird, sie solle „Wasser lassen", aber sie selber spricht üblicherweise von „Pinkeln". Ebenso versteht sie zwar das Wort „Stuhlgang", sagt aber selber stattdessen „aufs Klo gehen". Die Ausdrucksweise, mit der der Befragte vertraut ist und die ihm angenehm ist, ist genau die Sprache, die man sowohl im Zusammenhang mit sexuellen als auch mit nichtsexuellen Fragen benutzen sollte. Aus dieser Forderung ergibt sich für den Interviewer ein notwendiger Lernprozeß: Er muß sich die Kenntnis der Begriffe aneignen, die vom Gesprächspartner vorrangig benutzt werden. Das gilt ganz besonders, wenn dieser aus einer anderen Gesellschaftsschicht als der Interviewer kommt, nicht gleichaltrig ist oder einer anderen Rasse angehört. Der Interviewer muß mit Ausdrücken wie „Wichsen", „Eier", „Schwanz",

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„Votze", „Kacken" oder „Pissen" ebenso ungeniert und entspannt umgehen können wie mit „Masturbieren", „Testikel", „Penis", „Vagina-Vulva", „Stuhlgang" und „Urinieren". Andere Autoren haben vorgeschlagen, der Interviewer solle den Befragten Schritt für Schritt von der Alltagssprache zur wissenschaftlichen Ausdrucksweise führen, und ihm so die „korrekten" Begriffe beibringen. Wir sind da ganz anderer Meinung. Das Wort „Eier" ist genauso „korrekt" wie „Testikel", und der Befragte könnte genauso gut den Interviewer lehren, „korrekt" zu sprechen. Die Alltagssprache zu benutzen, um eine Sache zu verdeutlichen, ist etwas ganz anderes als beschönigende Umschreibungen zu gebrauchen, um einen Sachverhalt abzumildern oder zu verkleistern. Wichtig ist auch, daß der Interviewer den speziellen Jargon bestimmter Gruppen kennt und ohne Hemmungen anwenden kann. Solche speziellen Jargons umfassen sowohl sexuelle als auch nichtsexuelle Wörter. Im Prostituiertenjargon ist zum Beispiel der „Freier" ein Kunde und ,,'ne Nummer schieben" bedeutet bezahlter Geschlechtsverkehr mit dem „Freier". Im Homosexuellenjargon ist eine „Schwuchtel" oder „Tücke" ein weibischer Homosexueller, „Goldene Dusche" bzw. „Natursekt" bedeuten, daß ein Partner sich anpinkeln läßt oder den Urin des anderen trinkt. So wie der Interviewer von seinem Gesprächspartner lernt, einen anderen Wortschatz zu verwenden, so lernt er von ihm auch den speziellen Jargon. Wir haben schon häufiger darauf hingewiesen, daß es wünschenswert wäre, wenn der Interviewer einen möglichst breit gefächerten Bekanntenkreis hätte, und daß er auf diesem Wege gut verschiedene Jargons kennenlernen kann. Wenn der Interviewer z.B. versteht, daß ein Befragter mit der Bemerkung „Ich mache gerne 'ne Klappentour, aber wenn einer einen Schwanz mit Zipfelmütze durch das Fickloch schiebt, dann könnte ich kotzen" ausdrücken will „Ich habe gerne homosexuellen Verkehr auf öffentlichen Toiletten, aber wenn einer seinen unbeschnittenen Penis durch das Loch in der Trennwand zwischen den Kabinen steckt, so ist mir das zuwider", dann ist das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden erheblich besser. Eine Warnung ist hier allerdings angebracht: Es ist besser, keinen Jargon zu sprechen, als ihn unkorrekt zu gebrauchen. Nicht nach mehreren Dingen gleichzeitig fragen Weiteres Kennzeichen guter Interviewtechnik ist es, kurze, präzise, nur auf einen Gesichtspunkt bezogene und direkte Fragen zu stellen und nicht nach mehreren Dingen gleichzeitig zu fragen. Nehmen wir beispielsweise an, ein Gesprächspartner hat schrecklich unter seinem Vater gelitten, liebt aber seine Mutter sehr. Wenn der Interviewer nun eine Mehrfachfrage stellt wie: „Wie kamen Sie mit Ihrem Vater und Ihrer Mutter zurecht?", dann wird der Befragte die guten Beziehungen hervorheben, die schlechten beiseite schieben und wird ein wunderbares Verhältnis zu den Eltern schildern. Angemessener wäre es, die Fragen zu trennen: „Wie kamen Sie mit Ihrem Vater zurecht?" und „Wie war es mit ihrer Mutter?".

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Bei Mehrfachfragen kann der Gesprächspartner irgendeinen Teil der Frage, auf den er nicht antworten mag, ignorieren und sich auf den Teil konzentrieren, auf den er eine Antwort geben möchte. Das gilt vor allem für Fragen zur Sexualität. Wenn zum Beispiel gefragt wird: „Haben Sie Vaginal-, Oral- und Anal-Verkehr?", kann sich der Befragte den Teil der Frage herauspicken, dessen Beantwortung ihn am wenigsten in die Enge treibt und dabei hoffen, daß der Interviewer sich nicht auf die unbeantworteten Teile stürzt. Viele Talkmaster im Fernsehen versagen, indem sie Mehrfachfragen stellen und infolgedessen nie die Informationen bekommen, hinter denen sie in Wirklichkeit her sind. Mehrfachfragen haben noch weitere Nachteile: Der Befragte wird verwirrt, er erhält die Gelegenheit, den Interviewer auf ausgedehnte verbale Irrwege zu locken, und der Interviewer verliert die Kontrolle über den Verlauf des Interviews. Antworten voraussehen Eine der Schlüsseltechniken erfolgreicher Befragung ist es, einen entsprechenden Katalog von möglichen Antworten von vorneherein zu erwarten, die nach Lebensbedingungen und Schichtzugehörigkeit des Befragten zu vermuten sind. Dabei gilt es allerdings, zwei Aspekte oder Anliegen nicht aus den Augen zu verlieren. Erstens muß man wissen, welche Verhaltensweisen, Einstellungen und Kenntnisse typisch für Vertreter verschiedener Sozialschichten und gesellschaftlicher Gruppen sind. Zweitens muß man auf Abweichungen von diesen typischen Mustern gefaßt sein. Zur Verdeutlichung: Wenn der Interviewer die Sexualanamnese eines Mannes aus der Unterschicht aufnimmt, kann er von vorneherein unterstellen, daß die Geschichte des Befragten der anderer Männer aus der Unterschicht ähnelt; das heißt, der Interviewer weiß: Zum Verhaltensmuster von Unterschichtmännern gehört, daß sie relativ selten als Erwachsene masturbieren, viele sexuelle Erfahrungen mit einer großen Zahl weiblicher Partner haben und wenig Interesse an der sexuellen Erregung ihrer Partnerin und an deren Orgasmus zeigen usw. Andererseits muß der Interviewer anerkennen, daß nicht jeder in ein stereotypes Raster paßt, und in der Lage sein, etwaige Abweichungen vorauszusehen. Nacktheit, einschließlich nacktem Schlafen und Geschlechtsverkehr ohne jegliche Bekleidung, wird in der Unterschicht nicht in gleicher Weise akzeptiert wie in höheren sozialen Schichten. Der Interviewer muß auf Abweichungen von diesem Muster gefaßt sein, wenn eine Person aus der Unterschicht freimütig über Nacktheit spricht, entsprechende Erfahrungen offen berichtet und erklärt, daß Nacktheit ihr Spaß macht. Obwohl der Gesprächspartner möglicherweise ehrlich ist hinsichtlich seiner persönlichen Einstellungen und Erfahrungen, so ist eine solche Antwort doch nicht typisch für seine Schicht. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Mann erzählt, er habe Geschlechtsverkehr mit hundert Frauen gehabt, gleichzeitig aber berichtet, er werde allein beim Gedanken an Frauen sexuell erregt; er paßt nicht in das angenommene Raster, weil diese beiden Arten der Erfahrung typischerweise nicht zusammenfallen. Das typische Muster

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Beratung

sieht so aus, daß Menschen, die von einer hohen Zahl von Sexualpartnern berichten, so überflutet sind mit realen Erlebnissen, daß sie in der Regel, um erregt zu werden, stärkerer als nur psychologischer Stimulation (denken oder sehen) bedürfen. Zu diesem Vorgehen, eine Reihe von Antworten von vorneherein zu unterstellen, gehört die besondere Beachtung von Äußerungen, die im Widerspruch stehen zu den kulturellen Grundmustern und Erfahrungsabläufen. Es dürfte ratsam sein, durch zusätzliches Nachfassen, eventuelle Zweifel zu zerstreuen. Antworten nicht aufdrängen Der Interviewer muß es vermeiden, dem Befragten Antworten aufzudrängen. Der folgende Dialog illustriert diese falsche Vorgehensweise beim Interview: „ Wie oft haben Sie Geschlechtsverkehr mit Ihrer Frau?" „Duchschnittlich, im üblichen Rahmen." „Sie meinen zwei oder dreimal die Woche?" Der Interviewer tut hier nichts anders, als seine eigene Koitusfrequenz bzw. die persönliche Ansicht über durchschnittliches Verhalten als Antwort anzubieten. Statt einer Häufigkeit könnte der Interviewer eine ganze Palette von Antworten anbieten. In zufälliger Reihenfolge, d.h. weder aufsteigend noch absteigend, aber möglichst alle Varianten abdeckend. Diesen richtigen Weg illustriert der folgendermaßen veränderte Dialog: „ Wie oft haben Sie Geschlechtsverkehr mit Ihrer Frau?" „Duchschnittlich, im üblichen Rahmen." ,,Denken Sie, der Durchschnitt liegt bei einmal im Jahr, dreimal am Tag, einmal im Monat oder fünfmal die Woche?" Wenn ihm eine ganze Palette von ungeordneten Antworten angeboten wird, hat der Befragte sowohl einen zeitlichen Rahmen als auch eine Frequenz, auf die er sich beziehen kann. Seine Antwort könnte dann lauten: „Nein, fünfmal die Woche, so oft ist es nicht. Aber es ist bestimmt mehr als zweimal die Woche." Wenn der Interviewer eine ganze Skala von möglichen Antworten anbietet, dann sollte er einige Vorschläge mit hineinnehmen, die über den vermuteten Handlungsrahmen des Befragten hinausgehen. Wenn nämlich die angebotene Bandbreite von einmal im Jahr bis einmal am Tag reicht und der Befragte kommt auf einen Durchschnitt von mehr als einmal am Tag, dann wird er wahrscheinlich eher antworten „einmal am Tag", als daß er die richtige Zahl angibt. Reliabilität und Validität des Interviews1 Der Begriff „Reliabilität" (Meßstabilität) bezieht sich auf die Beständigkeit und Verläßlichkeit der gegebenen Antworten. Wenn z.B. ein Befragter im ersten Interview auf die Frage „Wie alt waren Sie, als Ihre Schamhaare zu wachsen begannen?" antwortet „Zehn Jahre"und in einem zweiten Interview auf die gleiche Frage mit

Sexualanamnese

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,,ich denke, daß es im zehnten oder elften Lebensjahr war", dann ist die Antwort „reliabel" (meßstabil). Wenn er andererseits im ersten Interview mit „Im Alter von zehn Jahren" antwortet und im folgenden mit „Im Alter von fünfzehn Jahren", dann spricht man von niedriger Reliabilität. Der Begriff „Validität" (Gültigkeit) gibt an, wie weit die Antwort den Tatsachen entspricht. Bezogen auf das vorgenannte Beispiel heißt das: Auch wenn die Antwort zur Schambehaarung hoch reliabel ist (bei beiden Gelegenheiten antwortet der Befragte mit „Zehn Jahre"), beweist das nicht, daß die Schamhaare tatsächlich im Alter von zehn Jahren zu wachsen begannen. Infolgedessen sind wir beim Interview mit zwei Problemen konfrontiert: 1. Kann der Befragte sich an genaue Einzelheiten seines Sexuallebens präzise erinnern? 2. In welchem Maße spiegelt diese Erinnerung den tatsächlichen Verlauf seines Lebens wider? Die Reliabilität für die hier vorgeschlagene Sexualanamnese wurde mit einem Mindestabstand von zwei und einem durchschnittlichen Abstand von vier Jahren zwischen erster und zweiter Befragung der gleichen Personen nachgewiesen. Die Validität ist fast immer schwieriger zu messen als die Reliabilität. Im oben geschilderten Fall hätte man beobachten und notieren müssen, wann die Schamhaare tatsächlich anfingen zu wachsen und dann, Jahre später, die Erinnerung des oder der Befragten mit den tatsächlichen Beobachtungen vergleichen müssen. Wenn solche Vergleiche angestellt werden konnten, dann waren die Ergebnisse von Befragung und Beobachtung praktisch identisch. Es wurden noch verschiedene andere Verfahren genutzt, um die Validität zu überprüfen. Die Sexualgeschichte eines Ehemannes zum Beispiel sollte mit der seiner Frau in bestimmten Bereichen übereinstimmen, etwa: Hatten sie vorehelichen Geschlechtsverkehr? Wie hoch ist die Häufigkeit ihres ehelichen Verkehrs? Wie lange dauert es? Welche Stellungen werden bevorzugt? Welche Pettingtechniken werden angewandt? Wieviele Male wurde während der Ehe abgetrieben? Bei allen diesen Punkten ergab sich ein hohes Maß an Validität. Viele Anhaltspunkte signaliseren außerdem dem Interviewer bei der Sexualanamnese, wenn offensichtliche Verhaltensweisen tabuisiert werden. Angenommen, zehn oder zwölf Anhaltspunkte für Homosexualität tauchten auf, dann fragt man: „Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal ein homosexuelles Erlebnis hatten?" Wenn sich aus vielen solchen Hinweisen ergibt, daß solche Erlebnisse tatsächlich vorliegen, der Befragte aber nichtsdestoweniger homosexuelle Kontakte leugnet, dann sollte man ihn mit der mangelnden Folgerichtigkeit konfrontieren und ihn um eine Erklärung bitten. In den meisten Fällen wird der Befragte entweder nunmehr Homosexualität zugeben oder in der Lage sein, die Unstimmigkeit aufzuklären. Eine Sexualanamnese kann in dreierlei Weise verfälscht werden: durch Übertreibung, durch falsche Erinnerung und durch Vertuschen. Nach unserer Erfahrung ist es wegen des Tempos des Interviews und wegen der Komplexität und des Detailreichtums der angestrebten Informationen nahezu unmöglich, eine Übertreibung aufrechtzuerhalten. Personen, die versucht hatten, bewußt zu übertreiben, berichteten, daß es fast unmöglich sei, dies durchzuhalten. Zudem gibt es wegen des wert-

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Beratung

freien Charakters der Befragung auch nur wenig Anlaß zu übertreiben. Fehlerinnerung ist, wie oben bereits dargelegt wurde, selten und geht, wenn sie auftritt, oft sowohl in die eine wie in die andere Richtung, hebt sich also auf. Am schwierigsten ist es für den Interviewer, mit Vertuschung klarzukommen. Ein möglichst gutes Verhältnis zum Befragten sowie ein Klima der Offenheit und Aufnahmebereitschaft überwinden dieses Problem am ehesten. Hierhin war die Rede von Réhabilitât und Validität der Aussagen des Befragten. Der Interviewer muß aber manchmal subjektive Urteile fällen, insbesondere wenn es darum geht, die Stärke der Gefühle eines Befragten einzuschätzen. Um festzustellen, wie zutreffend ihre Einschätzungen waren, überprüften sich die Interviewer im Kinsey-Institut gelegentlich gegenseitig, indem sie sich jeweils zu einem Gespräch dazusetzten und unabhängig vom eigentlichen Interviewer Notizen machten. Es stellte sich heraus, daß die Urteile zu 98% reliabel waren, was die Vermutung nahelegt, daß Vertrautheit mit der Interviewtechnik den Interviewern wachsende Selbstsicherheit gibt, die Antworten richtig einzuschätzen. Die Kontrolle behalten Eine der schwierigsten Aufgaben für den Interviewer ist es zu lernen, wie man die Kontrolle über den Verlauf des Interviews gewinnt und ein rasches Tempo wahrt. Da der Interviewer Informationen vom Befragten will, sollte seine Grundhaltung sein: „Und wenn es junge Hunde regnet, ich brauche gewisse Informationen von Ihnen, und ich werde sie, weiß Gott, bekommen". Das ist entschieden etwas anderes als die übliche Haltung: „Der Kunde ist König" oder: „Wie kann ich den Befragten vor psychologischen Attacken schützen, insbeondere solchen, die von mir ausgehen?". Der Interviewer muß das Steuer in der Hand und vollkommen das Kommando behalten, um das Gespräch zu lenken und zu kontrollieren. Das bedeutet keineswegs, daß er dem Befragten gefühllos begegnen oder dessen seelische Befindlichkeit mißachten soll. Es gibt durchaus Momente innerhalb eines Gesprächs, in denen der Befragte durch einen bestimmten Teil seiner Geschichte erkennbar erschüttert ist, und wenn das der Fall ist, dann ist der Interviewer gut beraten, diese Gesprächslinie abzubrechen und auf weniger belastende Themen oder Bereich überzugehen. Jedoch muß der Interviewer zu dem seelisch aufwühlenden Anamneseteil später wieder zurückkehren, wenn nach seinem Urteil der Befragte in der Lage ist, damit fertig zu werden. Der Interviewer muß auch entscheiden, wann eine Unterbrechung oder ein Themenwechsel angezeigt ist. Nicht selten erzählen Befragte ellenlange, bis in alle Einzelheiten gehende Geschichten ( sie „kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen" oder „vergaloppieren sich"). Manchmal gewinnt man so einen wichtigen Einblick in das Leben des Gesprächspartners, aber oft ist der ganze Sinn der Sache, der eigentlichen Sexualgeschichte aus dem Wege zu gehen. Der Interviewer muß entscheiden, welche der genannten Kategorien zutrifft und ob er den Redeschwall unterbrechen muß oder nicht.

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Nach unserer Ansicht sollte er in der Mehrzahl aller Fälle unterbrochen werden, weil in diesem Stadium des Kontaktes mit dem Befragten ein allgemeiner Überblick über sein Leben gefordert ist, ohne dabei zu sehr ins einzelne zu gehen. Nachdem erst einmal das Gerüst errichtet ist, kann man später auch mal vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen. Wenn man sich diese Techniken aneignet, dann kann man genaue und umfassende Informationen gewinnen.

Anmerkung: 1

Die Angaben zu Reliabilität und Validität basieren auf Forschungsergebnissen, die in A.C. Kinsey, W.B. Pomeroy und C.E. Martin, „Sexual Behavior in the Human Male", Philadelphia 1948, veröffentlicht wurden.

Homosexuelles Verhalten und Geschlechtskrankheiten

Es besteht Grund zu der Annahme, daß auch schon vor Beginn der Aids-Epidemie die medizinische Erfassung und Betreuung von sexuell übertragbaren Krankheiten vielerorts unzulänglich war, mindestens bei Patienten mit homosexuellen Kontakten. Die Verfügbarkeit und Wirksamkeit von Antibiotika wie Penicillin und Tetracyclin wiegte viele Ärzte in trügerische Sicherheit, so daß oft eine amtliche Meldung und ein systematisches Aufspüren der Sexualkontakte unterblieb. Schlimmer noch: Fehlende Milieu- oder ,,Szene"-Kenntnis ließ manche Ärzte gewisse Erkrankungen übersehen oder führte gar zu Fehldiagnosen. So wurde etwa einem Patienten nicht rechtzeitig geholfen, der infolge eines „Faustficks" (Einführung der Faust und des Unterarms ins Rektum) innerlich verblutete, oder eine Rektalgonorrhoe blieb unerkannt, während die Symptome wie Schmerz, schleimiger oder blutiger Stuhlgang, leichter Durchfall mit teuren und unnötigen Mitteln und Verfahren behandelt wurden. Gerade die Unvertrautheit vieler Ärzte mit den möglichen gesundheitlichen Folgen von Analverkehr, Anilinctus (Oral-Analverkehr) und Oralverkehr rächte sich oft bitter an ihren homosexuellen und bisexuellen Patienten. Unwissenheit, Mißtrauen, Angst und falsches Schamgefühl verhinderten die notwendige Kommunikation. Hier hat erst die „Schwulenbewegung" einigen Wandel geschaffen, die manche Vorurteile und Tabus wenigstens teilweise abbaute und offen homosexuelle Ärzte ermunterte, ihre Kollegen entsprechend aufzuklären. Als Resultat dieser neuen Offenheit erschienen dann auch vermehrt medizinische Zeitschriftenartikel und Fachbücher, die sich speziell mit homosexuell übertragbaren Krankheiten befaßten. Aus einem solchen Buch stammt der folgende Auszug, der sich der Aufnahme einer individuellen Geschichte sexueller Praktiken widmet. Eine „Geschichte sexueller Praktiken" (GsP) ist für eine wirklich ausreichende medizinische Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten eigentlich in jedem Fall unentbehrlich. Selbst wenn sich dabei kein neuer, unerwarteter Krankheitsbefund ergibt, so stärkt doch schon allein das ausführliche Untersuchungsgespräch das Vertrauen zwischen Arzt und Patient, während es gleichzeitig diesen noch über künftige mögliche Infektionsrisiken aufklärt. Gerade gegenüber der Bedrohung durch Aids ist eine rechtzeitige, gründliche GsP ein wichtiges Kampfmittel, das Ärzte und Patienten gemeinsam gegen die Infektion einsetzen können. Außerdem hat die GsP vielleicht noch einen gewissen Wert für die Forschung, und auf jeden Fall hätte ihre allgemeine Einführung eine positive Wirkung auf die medizinische Ausbildung.

Sexualanamnese

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Es braucht hier wohl nicht besonders betont zu werden, daß die im folgenden gegebenen Erkrankungs- und Fragelisten mit geringen Änderungen auch bei rein heterosexuellen Patienten anwendbar sind. Insofern hat die verstärkte Aufmerksamkeit, die nun wegen der Aids-Gefahr homosexuellen und bisexuellen Patienten zuteil wird, auch sehr willkommene Nebenwirkungen für den übrigen Teil der Bevölkerung, der ein Infektionsrisiko durch sexuell übertragbare Krankheiten läuft. Die inzwischen erarbeitete Detaillierung und Präzisierung kommt so am Ende uns allen zugute.

Sexuell übertragene Krankheiten bei homosexuellen Männern David G. Ostrow und Alfred

Obermaier

Eine gründliche Anamnese der Sexualpraktiken ist ein Kernbestandteil der Untersuchung eines jeden Patienten mit einer tatsächlich oder möglicherweise sexuell übertragenen bzw. mit der Sexualität zusammenhängenden Erkrankung (im internationalen Sprachgebrauch: Sexually Transmitted Disease, STD). Der erfahrene Praktiker wird bei der Wahl von körperlichen und Labor-Untersuchungen oft von Informationen geleitet, die aus der Anamnese der sexuellen Gewohnheiten gewonnen wurden. Dennoch ist es ein beunruhigender Trend in der modernen medizinischen Praxis, daß immer weniger Wert auf sorgfältige und genaue Erhebung der Vorgeschichte des Patienten gelegt wird. Viele Praktiker streichen wegen ihres eigenen Unbehagen im Zusammenhang mit sexuellen Fragen die Sexualanamnese einfach oder kommen nur beiläufig auf „diesen Kram'' zurück. Dieses Kapitel behandelt einige der Schranken, die einer sorgfältigen Erhebung der Sexualgeschichte in Klinik und Sprechzimmer entgegenstehen, bietet Anleitung dafür, wie man den Verlauf der Anamnese gründlich und ohne Peinlichkeit für Arzt und Patient durchführen kann, zeigt verschiedene Ansätze, wie man sie zu einem erzieherischen Vorgang machen kann, und demonstriert in den Grundzügen, wie man die tatsächlichen Daten gewinnt. Tabelle 1 enthält eine Übersicht über die verschiedenen spezifischen homosexuellen Sexualpraktiken sowie die bekannten STDs, die durch die jeweilige Praktik übertragen werden können. Obwohl diese Übersicht nicht erschöpfend ist - immer wieder tauchen „neue" STDs auf -, stellt sie doch eine brauchbare Grundlage dar, um eine detaillierte Sexualanamnese zu erstellen und den Patienten über die Risiken zu unterrichten. Patienten, die zum Beispiel häufig unter Herpes an den Mundschleimhäuten zu leiden haben, müssen daran erinnert werden, daß sie die Infektion durch oral-genitalen oder oral-analen Verkehr auf den Penis oder das Rektum des Partners übertragen können. Umgekehrt sollte ein Patient, der über rektalen Juckreiz klagt und im Zusammenhang damit in seiner Sexualanamnese passiven Anilingus in jüngerer Vergangenheit berichtet, sowohl einer Dunkelfelduntersuchung (zur Syphilisdiagnostik) als auch einem Tzanck-Test (zum Ausschluß der Hauterkrankung Pemphigus) jeder rektalen Läsion unterzogen werden, die sich bei einer Proktoskopie gezeigt hat. Die Tabelle zeigt auch die Bandbreite sexuell bedingter Krankheiten oder Be-

Aus: David G. Ostrow, Terry Alan Sandholzer, Yehudi M. Felman, „Sexually Transmitted Diseases in Homosexual Men - Diagnosis, Treatment and Research", New York/ London 1983

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schwerden, die bei homosexuellen Männern vorkommen und wenistens zum Teil in Zusammenhang mit speziellen Sexualpraktiken stehen können. Wir können nicht genug betonen, daß gründliche Untersuchung eines männlichen homosexuellen Patienten, ja eigentlich jedes sexuell aktiven Patienten, am besten von einer soliden Sexualanamnese vorangebracht wird, die von der besonderen Rolle bestimmter Körperregionen für das Sexual verhalten ausgeht. Manche Leser stellen sich vielleicht bereits jetzt die Frage, die uns bei Vorträgen über STDs bei homosexuellen Männern am allerhäufigsten gestellt wird: „Wie kann ich denn wissen, ob ein Patient homosexuell ist, und ihm die richtigen Fragen stellen?" Die Antwort ist, daß Sie es meist eben nicht wissen können und daß bloßes Fragen nach der sexuellen Orientierung oft zu Peinlichkeit und Fehlinformationen führen kann. Es geht gar nicht um die sexuelle Orientierung an sich, sondern um bestimmte Sexualpraktiken, die homosexuelle, heterosexuelle oder bisexuelle Menschen ausüben. So gibt es zum Beispiel Männer, die zwar verheiratet sind und sich als heterosexuell verstehen, trotzdem aber passiven Oral- oder Anal-Verkehr treiben. Der Arzt, der sich von schlichten Ja-/ Nein-Antworten auf die Frage nach der sexuellen Orientierung leiten läßt, wird versäumen, den Mund-Rachenbereich und den Anorektalbereich zu untersuchen. Überdies wird weiteres Nachbohren schwierig und peinlich, wenn der Gegenstand der sexuellen Orientierung erst einmal in einer Alles-oder-nichts-Manier abgehandelt wurde. Deshalb resultiert die Forderung, daß eine Sexualanamnese sich auf Fragen nach bestimmten Körperregionen und deren Rolle im Sexual verhalten gründen muß, wenn sie ein nützlicher und wesentlicher Bestandteil der medizinischen Untersuchung sein soll, aus der Beobachtung, daß bestimmte Sexualpraktiken etwas mit STDs zu tun haben. Tabelle 2 bringt in Grundzügen eine Übersicht über die verschiedenen sexuellen Praktiken, nach denen der Arzt fragen sollte, wobei unter jeder Kategorie Beispielfragen aufgelistet sind. Angestrebt ist dabei Gründlichkeit ebenso wie Effizienz. Wenn ein Patient Kontakte mit gleichgeschlechtlichen Partnern verneint, dann können viele der folgenden Fragen übergangen werden. Wenn andererseits ein Patient eine Frage zu passivem Analverkehr bejaht, dann sollte anschließend im einzelnen nach Häufigkeit, Art der Gleitmittel, Anzahl der Partner sowie nach Anzeichen und Symptomen rektaler Störungen gefragt werden. Die Übersicht basiert auf der Erfahrung, die wir bei der Anwendung eines detaillierten Fragebogens über sexuelle Gewohnheiten bei 1000 Patienten im Rahmen einer Studie zur Verbreitung und Übertragung von Hepatitis B an der Howard Brown Memorial Klinik gemacht haben. Auf der Grundlage dieser Studie und sich anschließender Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen sexuellen Praktiken und Ansteckungs- bzw. Übertragungsrisiko spezifischer STDs war die Howard Brown Memorial Klinik in der Lage, eine annähernde Rangfolge der sexuellen Gewohnheiten als Risikofaktoren aufzustellen. Die Fragen, aus denen die meisten Informationen über den Risikostatus zu entnehmen sind, wurden an den Anfang der Übersicht gestellt. Patienten, die sexuellen Kontakt mit vielen verschiedenen ihnen unbekannten Personen haben, stehen bei allen STDs unter einem erheblich größeren Risiko als solche, die eine einzige mo-

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Beratung

nogame Beziehung haben. Deshalb kann es als ein wichtiger Wegweiser zu anschließenden Fragen dienen, wenn man Anzahl und Typ der Sexualpartner (fester Partner, bekannte bzw. unbekannte wechselnde Partner) ermittelt. Doch wo soll man die Anamnese der sexuellen Praktiken beginnen? Viele Praktiker haben das Gefühl, sie selbst oder ihr Patient könnten in eine peinliche Situation geraten, wenn eine Frage gestellt wird, die irgendetwas anderes als monogame heterosexuelle Betätigung unterstellt. Diese Befürchtung enthält natürlich bereits ein moralisches Vorurteil entweder des Arztes oder des Patienten oder beider. Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang zu betonen, daß eine wertfreie Haltung sowohl in der Art, wie man fragt, als auch in der Art, wie man - verbal oder nonverbal - auf die Antworten des Patienten reagiert, zum Ausdruck kommen muß. Negativ formulierte Fragen wie z.B. „Sowas machen Sie doch nicht, oder?" werden als wertend aufgefaßt und verhindern wahrheitsgemäße Antworten auf die weiteren Fragen. Ebenso signalisieren hochgezogene Augenbrauen oder ein besorgter Gesichtsausdruck, wenn ein Patient anfängt, über homosexuelle Betätigung zu reden, sehr schnell den Wunsch des Arztes, auf ein anderes Thema überzugehen, und eine mutmaßliche Mißbilligung des Lebensstils dieses Patienten. Ungeachtet vieler Erklärungen über die Notwendigkeit einer wertfreien Haltung fühlt sich der einzelne Praktiker vielleicht immer noch unbehaglich, wenn er er eine Anamnese der sexuellen Gewohnheiten machen soll. Dieses Unbehagen mag moralischen oder ethischen Empfindungen entspringen oder bloß dem Mangel an Erfahrungen bei der Behandlung sexueller Themen. Was auch immer der Grund ist, man leistet sowohl seinem Patienten als auch seiner Aufgabe als Arzt einen schlechten Dienst, wenn man das Problem einer soliden und unverzerrten Anamnese der sexuellen Praktiken nicht direkt angeht. Sie zu unterlassen oder sie - in der Hoffnung, der Patient werde das Thema von sich aus zur Sprache bringen und dem Arzt die Peinlichkeit ersparen - bis zum Ende des Gesprächs aufzuschieben, signalisiert Vermeidungshaltung gegenüber dem Thema im gleichen Maße wie die oben beschriebene Ängstlichkeit. Die Sache muß ohne Wenn und Aber so direkt wie möglich angesprochen werden und damit in einer Art und Weise, die die „besondere" Natur sexuellen Verhaltens eher herunterspielt als betont. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß sowohl die Besorgnis des Patienten als auch unsere eigene bei der Diskussion sexueller Themen erheblich vermindert wird, wenn man die Anamnese der sexuellen Gewohnheiten in den Kontext einer allgemeinen Sozialanamnese stellt. In einem solchen Zusammenhang verlieren die Fragen über das spezifisches Sexualverhalten viel von dem Beigeschmack, der es in erster Linie so schwer macht, mit ihnen umzugehen. Ihre Funktion, für die medizinische Behandlung wichtige Informationen zu gewinnen, tritt in den Vordergrund und tilgt den Verdacht, im Privatleben des Patienten herumzuschnüffeln. Spezifische Fragen nehmen den Charakter von allgemeinen Nachforschungen zu Verhaltensweisen an, die für die medizinische Behandlung relevant sein könnten: „Um Ihre Probleme zu verstehen und zu lösen, muß ich über ein paar Aspekte Ihres Lebens(-stils) Bescheid wissen, die die Anfälligkeit für bestimmte Krankhei-

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ten oder Gesundheitsprobleme erhöhen könnten. Zu diesen Aspekten gehören Reisen ins Ausland, gelegentliche oder regelmäßige Sexualpartner sowie die genauen Aktivitäten mit ihnen, irgendwelche besonderen Ernährungsgewohnheiten oder Einnahme von nicht verschriebenen Medikamenten und der Gebrauch von Alkohol, Koffein, Nikotin und anderen Drogen.'' Wenn man das Gespräch so einleitet und im Auge behält, daß man das Verhalten des Patienten gründlich verstehen muß, dann ist es relativ einfach, eine ins einzelne gehende Anamnese der sexuellen Praktiken zu gewinnen. Tabelle 2 ist nicht als ein wörtlich zu verwendender Fragebogen gedacht, sondern als Grundlage für die weiteren Fragen, die entsprechend variiert werden sollten. Die Beispielfragen geben also bloß hilfreiche Tips. Die tatsächliche Ausdrucksweise sollte vom persönlichen Sprachstil des Arztes wie von der Vertrautheit des Patienten mit der Sexualterminologie bestimmt sein. Eine Warnung zum Schluß: Wenn Sie sich beim Durcharbeiten der Übersicht außerstande fühlen, die für die Gewinnung einer detaillierten Anamnese des Sexualverhaltens erforderlichen Fragen ohne unangemessene Verlegenheit und moralische Entrüstung zu stellen, dann lassen Sie es. Besser, Sie sagen dem Patienten, daß Sie sich unbehaglich beim Umgang mit Angelegenheiten der Sexualität, insbesondere der Homosexualität fühlen, und überweisen ihn zu einem Kollegen oder zu einer schwulen medizinischen Einrichtung, als daß Sie homosexuellen Patienten mit der Art von Geisteshaltung und Verlegenheit gegenüberzutreten, die mit zu der epidemischen Verbreitung von STDs beigetragen hat. Tabelle 1. Spezifische Sexualpraktiken und mit ihnen zusammenhänge Krankheiten Sexualpraktik in Klammern: vulgäre Bezeichnung oder Fragen beispiel

Krankheiten bzw. Organismen annähernd nach Häufigkeit geordnet in Klammern: ggf. Alltagssprache kursiv: Erreger

Enger Körperkontakt

Pediculosis pubis (Filzläuse) Scabies (Krätze) Pilzinfektionen

Masturbation

Abschürfungen

(Wichsen, sich einen runterholen) Spülungen, Gleitmittel

Allergische Reaktionen rektale Fettgeschwülste

Amyl- und Butylnitrit (Poppers)

Amyl- und Butylnitritverbrennungen Kontaktdermatitis Kofaktor für Aids(?)

Fellatio, aktiv ("Nehmen Sie den Penis Ihres Partners in den Mund?")

Abschürfungen Orale Gonorrhoe (Mundtripper) Herpes progenitalis I und II Nichtgonorrhoische Pharyngitis,

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Beratung Chlamydien u.a. (Rachenentzündung) Orale Condylomata acuminata (Feigwarzen) Syphilis Hepatitis B Darmkrankheiten Lymphopathia venerea Ulcus molle (weicher Schanker) HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Fellatio, passiv ("Nimmt Ihr Partner Ihren Penis in den Mund?")

Abschürfungen Bisse Kratzer Schnupfen Viren Herpes Typ 1 und 2 Nichtgonorrhoische Urethritis, Chlamydien u.a. (Harnröhrenentzündung) Gonorrhoe (Tripper) Neisseria meningitidis HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Analverkehr, aktiv ("Stecken Sie Ihren Penis in den After Ihres Partners?")

Nichtgonorrhoische Urethritis (Harnröhrenentzündung) Escherichia coli Gonorrhoe (Tripper) Hepatitis A, B, non-A, non-B Herpes Warzen - Dellwarzen und Feigwarzen Syphilis Trichomoniasis Epididymitis/ Prostatitis (Nebenhoden-/ Prostataentzündung) Pilzinfektionen Lymphopathia venerea Ulcus molle (weicher Schanker) Cytomegalic-Virus HIV-Infektion? (ARC? Aids?) Entzündungen des Mastdarms Rektale Gonorrhoe (Tripper) Feigwarzen und (selten) Dellwarzen Unspezifische Entzündung des Mastdarms, Chlamydien u.a. Herpes Syphilis Hepatitis B Trichomoniasis Corynebacterium Lymphopathia venerea Ulcus molle (weicher Schanker) Cytomegalie-Virus Candidiasis HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Analverkehr, passiv ("Steckt Ihr Partner seinen Penis in Ihren After?")

Sexualanamnese Anilingus, aktiv ("Lecken Sie Ihren Partner am After oder stecken Sie ihre Zunge hinein?")

Darmkrankheiten Shigellose (Bakterienruhr) Escherichia coli Hepatitis A, B, non-A, non-B Amöbiasis Lambliasis Salmonellen-Infektion Wurmkrankheiten Mundwarzen Orale Gonorrhoe (Tripper) Syphilis Lymphopathia venerea Ulcus molle (weicher Schanker) HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Anilingus,passiv ("Lassen Sie sich von Ihrem Partner am oder im After lecken?")

Rektaler Herpes Syphilis

Faust-/ Fingereinführung, aktiv ("Machen Sie Faust- oder Fingerfick?")

Shigellose (Bakterienruhr) Escherichia coli Salmonellen-Infektion Darmkrankheiten HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Faust-/ Fingereinführung, passiv ("Lassen Sie Faust- oder Fingerfick machen?")

Innere Kratzwunden Verletzung des Sphinkters Kolon-Perforation Akuter Bauch HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Hilfsmittel, Apparate (Schwanzringe, Dildos, Ledersachen, Tittenklammern usw.)

Allergische Reaktionen auf Metall, Plastik, Gummi oder Leder Hautreizungen Verrenkungen Varikozelen (Krampfadernbruch) Induratio penis plastica Pilzinfektionen Zurückbleiben von Gegenständen im Rektum Hodenabklemmung Bei gemeinsamer Benutzung: HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Sadomasochistische Praktiken (SM), "Piercing", Fesseln ("Machen Sie SM-Sex, lassen Sie sich an Brustwarzen oder Genitalien mit Nadeln o.ä. die Haut durchstechen, lassen Sie sich fesseln?") Gruppensex

Verletzungen Hautinfektionen schwere Verletzungen HIV-Infektion? (ARC? Aids?)

Siehe Anilingus

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Beratung

Tabelle 2. Geschichte sexueller Praktiken (GsP), Grundzüge einer Anamnese I.

Vorgeschichte von STDs und homosexueller Aktivität Diese Information hilft frühere Risiken sexuell übertragener Krankheiten (Sexually Transmitted Diseases, STDs) festzustellen und korreliert hoch mit Sero-positiven Befunden auf Hepatitis B. Fragen Sie den Patienten, ob er eine der folgenden Krankheiten hatte und, wenn ja, wie oft und wann zuletzt: Gonorrhoe - des Mundes, des Rachens - der Urethra - des Anus, des Rektums Unspezifische Urethritis Unspezifische Proctitis Syphilis ( 1 2 . oder 3. Grades? Datum und Ergebnis des letzten VDRL-Tests) Hepatitis (welchen Typs? Datum und Ergebnis der letzten Serologie zum Hepatitis B Virus) Herpes - Mund, Penis, Hodensack, Anus Amöbiasis, Lambliasis, Shigelleninfektion oder andere Darmkrankheiten Venerische Warzen Scabies Pediculosis Fragen Sie den Patienten des weiteren nach früherem Drogenmißbrauch oder Komplikation beim Genuß von Drogen, nach Reaktionen oder Allergien auf Penicillin oder andere Antibiotika, nach schweren Verletzung des Urogenital- oder Anorektalbereichs sowie nach der gegenwärtigen Einnahme von Drogen und nach eventuellen Entwöhnungskuren. Der Zeitraum, in dem regelmäßig homosexuelle Aktivität bestand (d.h. wenigstens monatlich Sexualkontakt mit einem anderen Mann) ist ein guter Indikator dafür, in wieweit der Patient den vorstehend beschriebenen STDs insgesamt ausgesetzt war.

II.

Derzeitige sexuelle Orientierung und Zahl der ständigen oder wechselnden Partner Diese Frage entscheidet über das Ausmaß des Risikos von homosexuell oder heterosexuell übertragenen STDs und über die Häufigkeit der erforderlichen STD-Untersuchungen. „Wie hoch ist zur Zeit, genauer: in den letzten vier Monaten der ungefähre Prozentsatz der Männer unter Ihren Sexualpartner? Wie hoch der der Frauen? Können Sie sagen, wieviele von den Männern wechselnde Partner waren (also Personen, mit denen Sie Sexualverkehr in der fraglichen Zeit nur ein- oder zweimal hatten)? Wieviele waren ständige Partner? Wieviele Frauen waren wechselnde Partner, wieviele ständige?"

Sexualanamnese Prozentsatz der Sexualkontakte mit Männern Anzahl der wechselnden männlichen Partner in den letzten vier Monaten Anzahl der ständigen männlichen Partner in den letzten vier Monaten Gesamtzahl der homosexuellen Partner in den letzten vier Monaten Anzahl der wechselnden weiblichen Partner in den letzten vier Monaten Anzahl der ständigen weiblichen Partner in den letzten vier Monaten Gesamtzahl der heterosexuellen Partner in den letzten vier Monaten Gesamtzahl der Partner in den letzten vier Monaten III.

Sexuelle Orientierung in der Vergangenheit und Geschichte der Beziehungen „Ist dies (die Antwort auf die Fragen unter II.) typisch für Ihre sexuelle Betätigung seit Beginn regelmäßiger sexueller Aktivität?" „Wenn nicht, könnten Sie dann beschreiben, wie sich Anzahl, Geschlecht und Typen Ihrer Sexualpartner (d.h. ständige oder wechselnde) in den vergangenen Jahren verändert haben?" „Waren Sie schon einmal verheiratet? Hatten Sie in der Vergangenheit monogame heterosexuelle oder homosexuelle Beziehungen oder beides? Wie lange haben solche Beziehungen gedauert?"

IVa.

Ständige Sexualpartner „Sprechen wir über Ihre (Anzahl) ständigen Partner. Würden Sie bei irgendeinem von ihnen sagen, es sei 'Liebe' gewesen?" „Leben Sie mit einem von ihnen zusammen?" „Wie oft hatten Sie mit jedem von ihnen in den vergangenen vier Monaten Sexualkontakt?" „Sprechen wir nun über die genauen Sexualpraktiken, die Sie beim Verkehr mit Ihren ständigen Sexual- oder Liebespartnern bevorzugen." (Weiter mit Abschnitt V.)

IVb.

Wechselnde Sexualpartner „Sie erwähnten, daß Sie (Anzahl) wechselnde Sexualpartner in den letzten vier Monaten hatten. Ich würde gerne für diese Gruppe noch einmal die gleichen Fragen zu den genauen Sexualpraktiken stellen, die wir vorher in bezug auf die ständigen Partner angesprochen hatten."

Beratung Sexualpraktiken (gehen Sie diese Liste für jeden der ständigen oder wechselnden Partner durch, die in Abschnitt IV. a und b ermittelt wurden) Sexuelle Betätigung und Definition A. Orogenitaler Verkehr passiv aktiv Samen schlucken B. Anogenitaler Verkehr passiv aktiv Ejakulation Blutungen Spülungen Gleitmittel Rektale Schmerzen (rektaleDyspareunie) C. Oroanaler Verkehr (Anilingus) passiv

Fragenbeispiel „Machen Sie Fellatio, d.h. nehmen Sie den Penis Ihres Partners in den Mund?" „Nimmt Ihr Partner Ihren Penis in den Mund?" „Schlucken Sie den Samen Ihres Partners?" „Machen Sie passiven Analverkehr, d.h. führt Ihr Partner seinen Penis in Ihren After ein?" „Machen Sie aktiven Analverkehr, d.h. führen Sie Ihren Penis in den Afterlhres Partners ein?" „Haben Sie auf diese Weise einen Orgasmus?" „Haben Sie irgendwann rektale Blutungen bemerkt?" „Machen Sie vor dem Verkehr Spülungen und, wenn ja, womit (Wasser, Seife, Zusätzen)?" „Benutzen Sie Gleitmittel? Welche?" „Hatten Sie schon mal Schmerzen beim Analverkehr?" „Steckt Ihr Partner seine Zunge in Ihren After?"

aktiv

„Stecken Sie Ihre Zunge in den After Ihres Partners?"

D. Gegenseitige Masturbation

„Kommen Sie zum Orgasmus, wenn Sie mit diesem Partner gemeinsam masturbieren ('wichsen')? Ist Ihnen dabei Samen in die Augen gekommen? Benutzen Sie den Samen als Gleitmittel für andere sexuelle Aktivitäten?"

Sexualanamnese VI.

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Andere Sexualpraktiken „Es ist möglich, daß spezifische Gesundheitsprobleme noch mit anderen Sexualpraktiken zusammenhängen. Haben Sie in den letzten vier Monaten eine der folgenden Praktiken angewandt und, wenn ja, wie o f t ? " Praktik

Alternativbegriff

Einführen der Hand in den Anus Urinieren a u f / in den Partner

Faustfick Goldene Dusche, Natursekt

Defäkation, Kotessen oder beides Gruppensex (drei und mehr Personen) Dildos u.a. Sadomasochismus welcher Typ, wird Schmerz 2 Reaktionen, Phantasien Durchstechen der Haut (wo?)

Kunstpenisse SM, Fesseln, Disziplin ;t oder empfangen, Mittel, sexuelle

Erektionshilfen Wie oft? Wie lange werden sie getragen?

VII.

Piercing an den Brustwarzen, am Schwanz (die „Szene' benutzt das englische Wort) Schwanzringe, Cockringe

Wo kommt es zu flüchtigen Sexualkontakten? „Gehen Sie in Saunen? Wenn ja, wie oft etwa?" , .Gehen Sie in homosexuelle Pornoläden oder Pornokinos? Wenn ja, wie oft etwa?" „Besuchen Sie Bars mit sogenanntem 'Darkroom'? Wenn ja, wie oft etwa?" „Gehen Sie auf Klappen (i.e. WCs), in Parks oder zu anderen öffentlichen Orten, an denen man Sex haben kann? Wenn ja, wie oft etwa?"

VIII.

Drogengenuß zusammen mit Geschlechtsverkehr , ,Es kann ein wichtiger Faktor im Zusammenhang mit ihrer Gesundheit und auch die Ursache gewisser Probleme sein, wenn Sie - beim Sex oder auch einfach so - Drogen gebrauchen. Deshalb möchhe ich gerne wissen, wie oft Sie eines der folgenden Mittel nehmen": Gasförmige Nitrite („Poppers"), welcher Typ? Marihuana („Grass"), Haschisch ( „ H a s c h " , „ S h i t " , beides: „ J o i n t " ) Barbiturate oder andere Sedativa Preludin, Amphetamin oder andere Aufputschmittel Häufigkeit der Alkoholeinnahme (Anzahl der Abende pro Woche) Jeweilige durchschnittliche Menge LSD, DMT (Dimethyltryptamin), Phencyclidin („Engelsstaub") oder andere Halluzinogene

_ _ _ _ _ _ _

36 IX.

Beratung Sexuelle Identität, Selbstakzeptanz Ein wichtiger Aspekt in bezug auf sexuelle Praxis und auf das Ausmaß der Befriedigung, die aus ihr gezogen wird, ist der Grad ihrer Übereinstimmung mit den sexuellen Wünschen, Phantasien und Erwartungen. Obwohl es bei der Anamnese der Sexualgewohnten nicht in erster Linie hierum geht, treten doch Informationen über die Einstellung des Patienten zum Vollzug der Sexualität, zur Geschlechtsidentität und zur Zufriedenheit über seine sexuelle Orientierung während der Befragung zutage. Versäumt man es, auch diesen Fragen nachzugehen, so signalisiert man unter Umständen dem Patienten, daß man die psychischen Aspekte links liegen lassen möchte und sich lediglich auf die physiologischen Gesichtspunkte und die Sexualfunktionen konzentrieren will. Dieses schiefe Bild wird sich sehr unvorteilhaft auswirken, wenn der Patient unter psychischen Problemen leidet. Dies vor allem dann, wenn die psychischen Probleme durch eine Befragung zu jenen Sexualpraktiken verschärft werden, die eben ihre Ursache sind. Deshalb empfiehlt es sich, in einer gründlichen Anamnese der Sexualgewohnheiten einige Fragen zur sexuellen Identität und zur Selbstakzeptanz aufzunehmen und während des Gesprächs auf Hinweise für Schwierigkeiten auf diesem Gebiet zu achten. Akzeptanz der sexuellen Orientierung Ausmaß der sexuellen Befriedigung Übereinstimmung der Sexualität mit den Bedürfnissen

Sexuelle Anziehungskraft

,,Wie gut fühlen Sie sich bei den sexueilen Aktivitäten, die Sie eben beschrieben haben?" ,,Als wie befriedigend erleben Sie die Sexualität?" „Sind Sie zufrieden mit der Häufigkeit und Intensität Ihrer sexuellen Erlebnisse? Haben Sie sich schon einmal Sorgen um Größe, Gestalt oder Funktionsfähigkeit Ihrer Geschlechtsorgane gemacht?" „Haben Sie den Eindruck, daß poten>» tielle Partner Sie sexuell anziehend finden?"

Sexologisches Interview mit homosexuellen und bisexuellen Patienten Die nachfolgende Fragenliste wurde am „Institute for Advanced Study of Human Sexuality" für ein besonderes, noch nicht abgeschlossenes Forschungsprojekt entwickelt. Sie bildet die Grundlage für ein persönliches Interview mit Aids-Patienten, die sich selber als homosexuell oder bisexuell bezeichnen und die nun gemeinsam mit dem Interviewer einen Überblick über ihr eigenes vergangenes und gegenwärtiges Sexualverhalten gewinnen wollen. Es handelt sich also nicht um einen unpersönlichen Fragebogen, der etwa zum Ausfüllen herumgeschickt wird. Solche Fragebögen sind für die Sexualforschung ohnehin nur von sehr begrenztem Wert. Schriftliche Fragen werden leicht mißverstanden, die Rücklaufquote ist oft niedrig und die Stichprobe selten repräsentativ. Im Falle von Aids sind noch viele andere Bedenken, nicht zuletzt auch das der möglichen Datenschutzverletzung, angezeigt. Auch ein breitgestreutes persönliches Interview, obwohl genauer, ist kein forscherisches Wunderwerkzeug. Dennoch, seine Vorteile gegenüber jedem anderen Verfahren liegen auf der Hand. Die Liste wird hier abgedruckt, weil sie mit entsprechenden leichten Änderungen für Interviews mit allen, auch heterosexuellen Patienten brauchbar ist. Viele AidsPatienten denken sehr intensiv über ihr früheres Sexualverhalten nach und stehen zudem vor der Aufgabe, ihre gegenwärtigen und künftigen sexuellen Interessen sinnvoll in ihre Situation als Virusträger zu integrieren. Dabei kann das hier skizzierte Interview eine gewisse Hilfe sein. Andererseits gewinnt die Forschung dabei möglicherweise wertvolle Einsichten in die Übertragungswege des HI-Virus. Einige vorläufige Studien lassen etwa darauf schließen, daß der Oralverkehr nur ein geringes Infektionsrisiko bietet. Genauer gesagt, das Schlucken von Samen führt möglicherweise nur selten zur Ansteckung. Gerade das folgende Interview hat in San Francisco aber wieder Zweifel an der Ungefährlichkeit des Oralverkehrs geweckt, da einzelne Patienten mit nachweisbar gutem Grund ihre eigene Ansteckung darauf zurückführen. Die Frage muß daher zur Zeit noch als unentschieden gelten. Jedenfalls haben die in der Aids-Vorbeugung tätigen Organisationen San Franciscos sich bisher noch nicht veranlaßt gesehen, ihre ,,Safer-Sex"-Leitlinien zu revidieren (siehe letztes Kapitel.) Zum Schluß noch eine Erläuterung zu den Fragen 13 und 14: Die hier erwähnte Kinsey-Skala dient der Differenzierung und schützt sowohl den Befragten als auch den Interviewer davor, bei dem Thema Homosexualität in ein Schablonendenken zu verfallen. Wie Kinsey durch seine jahrelange, ausgedehnte Interviewarbeit herausfand, liegt homosexuelles Verhalten mit heterosexuellem Verhalten auf einem Kontinuum, sozusagen auf einer übergangslosen Stufenleiter. Manche Individuen wan-

38

Sexualanamnese

dem im Laufe ihres Lebens innerhalb dieses Kontinuums hin und her oder, wie man auch sagen könnte, steigen auf dieser Leiter hinauf und hinab. Kurz, es gibt nicht zwei säuberlich trennbare Populationen - hier eine homosexuelle und dort eine heterosexuelle -, sondern man hat es stattdessen sehr oft mit einer Mischung der Verhaltensweisen zu tun. Kinsey stellte dies in seiner Bewertungsskala so dar:

j•j PJ X w C/5 O 05 W H W X

0

1

2

3

4

5

6

Bewertungsskala für die Einstufung Heterosexuell-homosexuell Die folgenden Bewertungen betreffen sowohl psychische Reaktionen als auch tatsächliche Erfahrungen: 0. Ausschließlich heterosexuell ohne jede homosexuelle Komponente in Gedanken oder Handlungen 1. Überwiegend heterosexuell mit nur nebensächlich homosexueller Komponente in Gedanken oder Handlungen 2. Überwiegend heterosexuell mit mehr als nur nebensächlich homosexueller Komponente in Gedanken oder Handlungen 3. Gleichermaßen heterosexuell wie homosexuell 4. Überwiegend homosexuell mit mehr als nur nur nebensächlich heterosexueller Komponente in Gedanken oder Handlungen 5. Überwiegend homosexuell mit nur nebensächlich heterosexueller Komponente in Gedanken oder Handlungen 6. Ausschließlich homosexuell (Aus: Alfred C. Kinsey, „Sexual Behavior in the Human Male", Philadelphia/ London 1948, S. 638)

Beratung

39

In der Praxis heißt dies, daß ein Individuum zu einem bestimmten Zeitpunkt einer bestimmten Position auf der Skala zugerechnet werden kann. Dabei sind aber nicht nur tatsächlich ausgeführte sexuelle Handlungen zu berücksichtigen, sondern ebenso auch unerfüllte Wünsche und Phantasien. Außerdem kann die subjektive Selbstzuordnung des Befragten zu Beginn des Interviews durchaus verschieden sein von der objektiven durch den Interviewer nach Abschluß des Interviews.

Sexualverhalten von homosexuellen und bisexuellen Aids-Patienten Patrick Glasscock und Erwin J. Haeberle Einverständniserklärung Projektleiter: N.N. Ziel Studie: Ich bin mir im klaren darüber, daß diese Untersuchung herauszufinden versucht, ob und welche Veränderungen im Sexualverhalten von schwulen oder bisexuellen Männern auftreten, nachdem bei ihnen Aids diagnostiziert wurde. Allgemeines Vorgehen: Ich bin mir im klaren darüber, daß die Teilnahme an dieser Studie bedeutet, daß ich mich einer persönlichen Befragung durch den Projektleiter unterziehe. Ich weiß, daß das Interview nicht meine Teilnahme an irgendwie gearteten Experimenten bedeutet. Ich bin darüber unterrichtet, daß das Interview etwa zwei Stunden dauern wird, während derer ich nach dem Sexualverhalten vor und nach dem Ausbruch meiner Krankheit befragt werde. Ich werde auch zu meiner Krankengeschichte befragt sowie nach eventuellem Drogengebrauch und Reisen zu schwulen Treffpunkten innerhalb und außerhalb der USA vor und nach Ausbruch meiner Krankheit. Meine Sexualgeschichte wird ausschließlich in schriftlicher Form festgehalten. Ich bin darüber informiert, daß weder Tonband- noch Videoaufnahmen von dem Gespräch gemacht werden. Vertraulichkeit: Ich weiß, daß die unterschriebene Einverständniserklärung in einer verschlossenen Akte im Institute for Advanced Study of Human Sexuality aufbewahrt wird und in keiner wie immer gearteten Form mit meiner Sexualanamnese verbunden wird. Ich bin mir darüber im klaren, daß mein Name vom Projektleiter nicht auf der Sexualanamnese notiert wird. Ich weiß, daß Namen und/ oder Identität der an der Forschungsstudie beteiligten Personen vertraulich behandelt und weder Dritten mitgeteilt noch veröffentlicht werden. Ich weiß ferner, daß alle Informationen, aufgrund derer der Projektleiter den Kontakt zu mir aufgenommen hat, auf meinen Wunsch hin vernichtet werden. Risiken der Teilnahme: Mir ist klar, daß meine Teilnahme an dem Interview frühere und gegenwärtige Ängste wachrufen und die Erinnerung an frühere oder gegenwärtige Kränkungen sowie an frühere oder gegenwärtige Verluste im Zusammenhang mit meinem Sexualleben wecken kann.

Aus einem noch nicht abgeschlossenen Forschungsprojekt des "Institute for Advanced Study of Human Sexuality", San Francisco, „Sexual Behavior of Gay or Bisexual Males with a Diagnosis of Acquired Immunodeficiency Syndrome: An Investigative Study".

Sexualanamnese

41

Ich weiß, daß weder der Projektleiter noch das Institute for Advanced Study of Human Sexuality mir eine finanziellen Ausgleich für meine Teilnahme an dieser Untersuchung zahlen wird. Ich weiß, daß weder der Projektleiter noch das Institute for Advanced Study of Human Sexuality mir irgendeine Entschädigung für psychologische Behandlung zahlen wird, falls es im Verlauf oder nach dem Interview irgendwelche Komplikationen gibt. Die Teilnahme an der Forschung ist freiwillig: Ich bin darüber unterrichtet, daß die Teilnahme an diesem Forschungsprojekt freiwillig ist und daß ich mich ohne negative Folgen zu jederzeit daraus zurückziehen kann. Ich bin mir bewußt, daß der Projektleiter mir zu weiteren Fragen meinerseits in Bezug auf die Studie zur Verfügung steht und ich ihn unter der folgenden Nummer anrufen kann: Einverständnis: Mit meiner unten stehenden Unterschrift bestätige ich, daß ich die vorstehende Einverständniserklärung gelesen und vollständig verstanden habe. Mir wurden alle Fragen, die ich zur Studie hatte, beantwortet und ich erkläre aus freien Stücken, daß ich an der Studie teilnehmen will. Datum: Unterschrift des Teilnehmers:

Fragenliste Allgemeines: 1.

Code-Nummer

2.

Datum

3.

Wie alt sind Sie?

4.

Wann sind Sie geboren?

5.

Welcher Rasse/ Volksgruppe gehören Sie an? (weiß, schwarz, latino, asiatisch, andere)

6.

Welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an? (römisch-katholisch, protestantisch, jüdisch, andere)

7.

Wie stark war/ ist Ihrer Einschätzung nach Ihre Religiosität? In Ihrer Jugend: , heute: (1 = Sie sind sehr religiös, 2 = einigermaßen religiös, 3 = ein wenig religiös, 4 = überhaupt nicht religiös).

42

Beratung

8.

Wo sind Sie geboren?

9.

Bis zu welchem Abschluß waren Sie in der Schule?

10. Welchen Beruf haben Sie? 11. Haben Sie zu Zeit eine Arbeitsstelle? (J/ N) 12. Wie lange haben Sie im Anschluß an die Diagnose gearbeitet? 13. An welcher Position der Kinsey-Skala (sie reicht von 0 bis 6) würden Sie sich einstufen? 14. Einschätzung der Position des Befragten auf der Kinsey-Skala durch den Interviewer (wird nach Abschluß der Befragung von diesem ausgefüllt). 15. Wann erhielten Sie Ihre Aids-Diagnose und welches war(en) die wichtigsten opportunistischen Erkrankung(en)? 16. Hatten Sie irgendwelche Beschwerden aus dem Bereich der ARC (Aids Related Conditions, Aids-bezogene Zustände) oder andere Gesundheitsprobleme, bevor Aids festgestellt wurde? (J/ N) Welche? Datum des Beginns? 17. Haben Sie vor der Diagnose bzw. vor dem Ausbruch von ARC-Beschwerden Ihr Sexualverhalten geändert, um das Risiko einer Ansteckung mit Aids durch intime Sexualkontakte zu vermindern? 18. Wann geschah dies? (Ungefähres Datum, der Zeitraum zwischen der Änderung des Sexualverhaltens und dem Ausbruch von Aids entspricht den ,,Safer-Sex-Jahren".) 19. Wie sahen die Änderungen des Sexualverhaltens aus? (Übernahme von Safer-Sex-Praktiken?, welche?, Reduktion der Zahl der Partner?) 20. Welche opportunistischen Infektionen hatten Sie seit der Diagnose? Wann? Welche anderen Gesundheitsprobleme? 21. Welche Medikamente haben Sie gegen Ihre Krankheit genommen? (Nur die wichtigeren opportunistischen Infektionen berücksichtigen.) 22. Haben sich diese Medikamente auf Ihre sexuelle Aktivität ausgewirkt? (J/ N)

Sexualanamnese

43

Wenn ja, wie? 23. Haben sich diese Medikamente auf Ihr Interesse an sexueller Aktivität ausgewirkt? (J/ N) Wenn ja, wie? 24.

Haben sich diese Medikamente auf die Befriedigung ausgewirkt, die Sie aus Ihrer sexuellen Aktivität ziehen? (J/ N) Wenn ja, wie?

25. Waren Sie mal verheiratet? (J/ N) Wie lange? Ergebnis? 26.

Haben Sie derzeit eine oder mehrere feste Beziehung(en)? (J/N) Wie lange? Geschlecht des/ der Partner(s)

27.

Hatten Sie vor Ausbruch der Krankheit eine oder mehrere feste Beziehung(en)? (J/N) Wie lange (jeweils)? Geschlecht des/ der Partner(s)?

28.

Hatten Sie zum Zeitpunkt der Diagnose eine oder mehrere feste Beziehungen)? (J/ N) Wie lange (jeweils)? Geschlecht des/ der Partner(s)?

29.

Haben Sie andere Sexualpartner während ihrer gegenwärtigen festen Beziehung? (J/ N) Geschlecht des/ der Partner(s)?

30. Hatten Sie während ihrer festen Beziehung andere Sexualpartner, bevor Ihre Krankheit ausbrach? (J/ N) Geschlecht des/ der Partner(s)? 31. 30. Hatten Sie während ihrer festen Beziehung andere Sexualpartner, als Ihre Diagnose bekannt wurde? (J/ N) Geschlecht des/ der Partner(s)? 32. Wieviele verschiedene Sexualpartner hatten Sie seit Erstellung Ihrer Diagnose? Männer: , Frauen: 33. Wieviele regelmäßige Sexualpartner haben Sie zur Zeit? Männer: , Frauen:

44

Beratung

34.

Wieviele Sexualpartner hatten Sie schätzungsweise während ihres ganzen bisherigen Lebens? Männer: , Frauen:

35.

Wo haben Sie in der Mehrzahl der Fälle Ihre Sexualpartner kennengelernt? Männer: Frauen:

36.

Haben die Treffpunkte, wo Sie Ihre Sexualpartner treffen, seit der Diagnosestellung gewechselt? Wenn ja, wie? Männer: ( J / N) Frauen: (J/ N)

Selbstbefriedigung: 37.

Wie alt waren Sie, als Sie zum allerersten Mal einen Orgasmus durch Selbstbefriedigung bekamen?

38.

In welchem Alter hatten Sie Ihre erste Ejakulation? Wie ging das vor sich?

39.

Was war die höchste Zahl von Fällen innerhalb einer Woche, in denen Sie Selbstbefriedigung gemacht haben?

40.

Wie oft haben Sie vor Ihrer Krankheit im Durchschnitt wöchentlich Selbstbefriedigung gemacht?

41.

Wie oft nach den Änderungen zur Risikominderung?

42.

Wie oft machen Sie jetzt im wöchentlichen Durchschnitt Selbstbefriedigung?

43.

Wie lange brauchen Sie, um bei Selbstbefriedigung zum Höhepunkt zu kommen? Vor der Krankheit: Heute:

44.

Wie machen Sie Selbstbefriedigung? (Mit der Hand, durch Reiben an der Matratze, unter Stimulation des Anus, der Brustwarzen, durch Selbst-Fellatio, mit Dildos, auf andere Weise?)

45.

Woran denken Sie bei der Selbstbefriedigung? (An welchen Partnertyp? An Gruppensex, Vergewaltigung, SM, Fesseln, oral-genitalen oder Analverkehr, an Koitus oder woran?)

Sexualanamnese

45

46. Unter welchen Rahmenbedingungen, welcher Umgebung, unter welchen Umständen haben Sie jemals Selbstbefriedigung gemacht? (Zuhause, in ,,Wichs"-Clubs, auf Parties, in Parks, in Kinos, auf Klappen oder wo?) 47. Hat sich an diesen Rahmenbedingungen, dieser Umgebung, diesen Umständen, unter denen Sie Selbstbefriedigung machen, seit Ihrer Diagnose etwas geändert? (J/ N) Wenn ja, was? 48. Haben Sie j emals ,, Spielzeug'' bei der Selbstbefriedigung benutzt? (J/ N) Wenn ja, welche? (Pornos, Filme, Videos, Vibratoren, Warzenklammern, Schwanzringe, Dildos, besondere Kleidung, Gleitmittel oder andere? Oder haben Sie „Telephonsex,, gemacht?) 49.

Hat sich seit der Diagnose im Gebrauch dieser „Spielsachen'' bei der Selbstbefriedigung etwas geändert? (J/ N) Wenn ja, was?

50.

Haben Sie sich wegen der Selbstbefriedigung je schuldig gefühlt? (J/ N) Wenn ja, wann?

51. Was ist Ihre jetzige Einstellung zur Selbstbefriedigung? 52. Wie stark war Ihr Interesse an Selbstbefriedigung vor Ihrer Krankheit? Interessen-Skala: (wird bei allen Fragen zum Interesse benutzt) 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 53. Wie war das Interesse nach den Veränderungen zur Risikominderung? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 54. Wie war das Interesse an Selbstbefriedigung nachdem Sie die Diagnose erhalten hatten? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 55. Als wie befriedigend haben Sie vor Ihrer Krankheit Selbstbefriedigung empfunden? Befriedigungs-Skala: (wird bei allen Fragen zur Befriedigung benutzt) 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich

46

Beratung

56. Wie befriedigend war die Selbstbefriedigung nach den Veränderungen zur Risikominderung? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 - war geradezu widerlich 57. Wie befriedigend war die Selbstbefriedigung nach Ihrer Diagnose? 5 - war immer befriedigend, 4 = oft, 3 — selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 58.

Haben Sie im Zusammenhang mit Selbstbefriedigung irgendwelche Ängste? (J/ N) Wenn ja, wovor?

59. Haben sich die Ängste verändert, seitdem Sie die Diagnose bekamen? (J/ N) Wenn ja, wie?

Träume: 60. Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal während eines nächtlichen Traums einen Orgasmus hatten? 61. Wie oft hatten Sie vor Ihrer Krankheit einen Orgasmus im Traum? 62. Wie oft seit den Veränderungen zur Risikominderung? 63. Wie oft hatten Sie seit Ihrer Diagnose einen Orgasmus im Traum? 64. Was träumen Sie, wenn Sie im Schlaf einen Orgasmus haben? 65. Wie oft hatten Sie vor Ihrer Krankheit sexuelle Träume ohne einen Orgasmus? 66. Wie oft seit den Veränderungen zur Risikominderung? 67. Wie oft hatten Sie seit Ihrer Diagnose sexuelle Träume ohne einen Orgasmus? 68.

Haben Sie Ängste im Zusammenhang mit Ihren sexuellen Träumen? (J/ N) Wenn ja, wovor?

69. Gibt es irgendwelche Veränderungen in Ihren sexuellen Träumen mit oder ohne Orgasmus, seitdem Sie die Diagnose erhalten haben? (J/ N) Wenn ja, wie sieht es mit Ängsten aus?

Sexualanamnese

47

Petting (homosexuell): Techniken - aktiv (A), passiv (P), gegenseitig (G).Die jeweiligen Antworten beziehen sich 1. auf die Zeit von der Pubertät bis zum Ausbruch der Krankheit, 2. auf die Zeit nach eventuellen Verhaltensänderungen zur Risikominderung, 3. auf die Zeit nach der Diagnose. 1 2 3 A P G A P G APG 70. Mit wieviel Männern haben Sie nach der Pubertät geschmust oder geküßt, geknutscht oder gefummelt? • • • • • • • • • 71. Jetzt im einzelnen: Haben Sie geschmust?

• • •

• • •

• • •

72. Geküßt?

• • •

• • •

• • •

73. Zungenküsse?

• • •

• • •

• • •

74. Spielen an den Brustwarzen des Partners?

• • •

• • •

• • •

75. MitdemMund?

• • •

• • •

• • •

Partners?

• • •

• • •

• • •

77. MitdemMund?

• • •

• • •

• • •

78. Spielen am After des Partners?

• • •

• • •

• • •

79. Mit dem Mund?

• • •

• • •

• • •

80. Voller Körperkontakt, Bumsen bis zum Orgasmus?

• • •

• • •

• • •

81. Gab es SM-Sex oder Fesseln? Was haben Sie gemacht?

• • •

• • •

• • •

76. Spielen an den Geschlechtsorganen des

Mit Blutkontakt? (Y/N)

• • • • •



• • • • • •



• • • • •

82. Haben Sie Faustfick gemacht? Wie oft?

• • • • •



• • • • • •



• • • • •

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Beratung

83.

Haben Sie Praktiken angewandt, bei denen Blut fließt? (Peitschen, Durchstechen der Haut - „Piercing", andere Praktiken) • • •

• • •

• • •

Hatten Sie Sex mit,,Natursekt'', „Goldener Dusche"?

• • •

• • •

84.

• • •

85.

Tragen Sie seit Ihrer Diagnose ein Kondom, wenn Ihr Partner Ihnen einen bläst? (J/ N)

86.

Trägt Ihr Partner seit Ihrer Diagnose ein Kondom, wenn Sie ihm einen blasen? (J/N)

87.

Haben Sie irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit demPetting? (J/ N) Wenn ja, wovor?

88.

Haben sich Ihre Ängste hinsichtlich Petting seit ihrer Diagnose verändert? (J/ N) Wenn ja, wie?

Petting (heterosexuell): Techniken - aktiv (A), passiv (P), gegenseitig (G).Die jeweiligen Antworten beziehen sich 1. auf die Zeit von der Pubertät bis zum Ausbruch der Krankheit, 2. auf die Zeit nach eventuellen Verhaltensänderungen zur Risikominderung, 3. auf die Zeit nach der Diagnose. 1 2 3 A P G A P G APG 89. Mit wieviel Frauen haben Sie nach der Pubertät geschmust oder geküßt, geknutscht oder gefummelt? • • • • • • • • • 90.

Jetzt im einzelnen: Haben Sie geschmust?

• • •

• • •

• • •

91.

Geküßt?

• • •

• • •

• • •

92.

Zungenküsse?

• • •

• • •

• • •

93.

Spielen an den Brustwarzen der Partnerin, des Partners?

• • •

• • •

• • •

MitdemMund?

• • •

• • •

• • •

94.

Sexualanamnese

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95. Spielen an den Geschlechtsorganen der Partnerin, des Partners?

• • •

• • • • • •

96. Mit dem Mund?

• • •

• • • • • •

97.

• • •

• • • • • •

98. Mit dem Mund?

• • •

• • • • • •

99. Voller Körperkontakt, Bumsen bis zum Orgasmus?

• • •

• • • • • •

Spielen am After der Partnerin, des Partners?

100. Gab es SM-Sex oder Fesseln? Was haben Sie gemacht?

• • •

'



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• • • • • •

• • • • • • • • • • • •

• • • • • • • • •

• • • • • • • • • • • • • • • • • •

102. Haben Sie Praktiken angewandt, bei denen Blut fließt? (Peitschen, Durchstechen der Haut - „Piercing", andere Praktiken)

• • •

• • • • • •

103. Hatten Sie Sex mit „Natursekt", „Goldener Dusche"?

• • •

• • • • • •

Mit Blutkontakt? (J/ N) 101. Haben Sie analen Faustfick gemacht? Haben Sie vaginalen Faustfick gemacht? Wie oft?

104. Tragen Sie seit Ihrer Diagnose ein Kondom, wenn Ihre Partnerin Ihnen einen bläst? (J/ N) 105. Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal beim bloßen Petting zum Orgasmus kamen? 106. Haben Sie irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Petting? (J/ N) Wenn ja, wovor? 107. Haben sich Ihre Ängste hinsichtlich Petting seit ihrer Diagnose verändert? (J/ N) Wenn ja, wie?

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Beratung

Analverkehr:

108. Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal einen Mann in den Hintern gebumst haben? Eine Frau? 109. Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal von einem Mann in den Hintern gebumst wurden? Von einer Frau mit einem Dildo? 110. Was war vor Ihrer Krankheit die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie einen anderen Mann in den Hintern gebumst haben? Eine Frau? 111. Was war nach den Veränderungen zur Risikominderung die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie einen anderen Mann in den Hintern gebumst haben? Eine Frau? 112. Was war seit ihrer Diagnose die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie einen anderen Mann in den Hintern gebumst haben? Eine Frau? 113. Was war vor Ihrer Krankheit die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie von einem anderen Mann in den Hintern gebumst wurden? Von einer Frau mit Dildo? 114. Was war seit den Veränderungen zur Risikominderung die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie von einem anderen Mann in den Hintern gebumst wurden? Von einer Frau mit Dildo? 115. Was war seit Ihrer Diagnose die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie von einem anderen Mann in den Hintern gebumst wurden? Von einer Frau mit Dildo? 116. Wie oft haben Sie vor der Krankheit durchschnittlich pro Woche einen männlichen Partner in den Hintern gebumst? Eine Frau? 117. In wieviel Prozent der Fälle haben Sie vor Ihrer Krankheit beim Analverkehr ein Kondom benutzt, und zwar bei den Männern (%): bei den Frauen (%):

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SI

118. Wie oft haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung durchschnittlich pro Woche einen männlichen Partner in den Hintern gebumst? Eine Frau? 119. In wieviel Prozent der Fälle haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung beim Analverkehr ein Kondom benutzt, und zwar bei den Männern (%): bei den Frauen (%): 120. Wie oft haben Sie seit der Diagnose durchschnittlich pro Woche einen männlichen Partner in den Hintern gebumst? Eine Frau? 121. In wieviel Prozent der Fälle haben Sie seit der Diagnose beim Analverkehr ein Kondom benutzt, und zwar bei den Männern (%): bei den Frauen (%): 122. Wie oft sind Sie vor der Krankheit durchschnittlich pro Woche von einem männlichen Partner in den Hintern gebumst worden? Von einem weiblichen Partner mit Dildo? 123. In wieviel Prozent der Fälle hat Ihr Partner vor Ihrer Krankheit beim Analverkehr ein Kondom benutzt? 124. Wie oft haben Sie sich nach den Veränderungen zur Risikominderung durchschnittlich pro Woche von einem männlichen Partner in den Hintern bumsen lassen? Von einem weiblichen Partner mit Dildo? 125. In wieviel Prozent der Fälle hat Ihr Partner nach den Veränderungen zur Risikominderung beim Analverkehr ein Kondom benutzt? 126. Wie oft haben Sie sich seit der Diagnose durchschnittlich pro Woche von einem männlichen Partner von hinten bumsen lassen? Von einem weiblichen Partner mit Dildo? 127. In wieviel Prozent der Fälle seit der Diagnose hat Ihr Partner beim Analverkehr ein Kondom benutzt? 128. In wieviel Prozent der Fälle hatten Sie selbst vor Ausbruch der Krankheit einen Orgasmus, wenn Sie einen Mann in den Hintern gebumsat haben? Bei einer Frau?

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Beratung

129. In wieviel Prozent der Fälle hatten Sie nach dem Veränderungen zur Risikominderung beim Bumsen eines Mannes in den Hintern einen Orgasmus? Bei einer Frau? 130. In wieviel Prozent der Fälle hatten Sie nach der Diagnose beim Bumsen eines Mannes in den Hintern einen Orgasmus? Bei einer Frau? 131. In wieviel Prozent der Fälle hatte Ihr Partner vor Ausbruch der Krankheit, wenn er Sie gebumst hat, einen Orgasmus? 132. In wieviel Prozent der Fälle hatte Ihr Partner nach den Veränderungen zur Risikominderung, wenn er Sie gebumst hat, einen Orgasmus? 133. In wieviel Prozent der Fälle hatte Ihr Partner seit der Diagnose, wenn er Sie gebumst hat, einen Orgasmus? 134. Wie groß war vor Ihrer Krankheit Ihr Interesse daran, einen anderen Mann in den Hintern zu bumsen? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 135. Wie groß war vor Ihrer Krankheit Ihr Interesse daran, eine Frau in den Hintern zu bumsen? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 136. Wie groß war nach den Veränderungen zur Risikominderung Ihr Interesse daran, einen anderen Mann von hinten zu bumsen? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 137. Wie groß war nach den Veränderungen zur Risikominderung Ihr Interesse daran, eine Frau in den Hintern zu bumsen? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 138. Wie groß war seit der Diagnose Ihr Interesse daran, einen anderen Mann in den Hintern zu bumsen? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen

Sexualanamnese

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139. Wie groß war seit der Diagnose Ihr Interesse daran, eine Frau in den Hintern zu bumsen? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 140. Wie groß war vor Ihrer Krankheit Ihr Interesse daran, von einem anderen Mann gebumst zu werden? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 141. Wie groß war vor Ihrer Krankheit Ihr Interesse daran, von einer Frau mit einem Dildo in den Hintern gebumst zu werden? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 142. Wie groß war nach den Veränderungen zur Risikominderung Ihr Interesse daran, von einem anderen Mann gebumst zu werden? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 143. Wie groß war nach den Veränderungen zur Risikominderung Ihr Interesse daran, von einer Frau mit einem Dildo in den Hintern gebumst zu werden? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 144. Wie groß war seit der Diagnose Ihr Interesse daran, von einem anderen Mann in den Hintern zu gebumst zu werden? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 145. Wie groß war seit der Diagnose Ihr Interesse daran, von einer Frau mit einem Dildo in den Hintern gebumst zu werden? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 146. Wie befriedigend fanden Sie es vor Ihrer Krankheit, einen anderen Mann in den Hintern zu bumsen? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 147. Wie befriedigend fanden Sie es vor Ihrer Krankheit, einen Frau in den Hintern zu bumsen? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich

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Beratung

148. Wie befriedigend fanden Sie es nach den Veränderungen zur Risikominderung, einen anderen Mann in den Hintern zu bumsen? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 149. Wie befriedigend fanden Sie es nach den Veränderungen zur Risikominderung, einen Frau in den Hintern zu bumsen? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 150. Wie befriedigend fanden Sie es seit der Diagnose, einen anderen Mann in den Hintern zu bumsen? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 151. Wie befriedigend fanden Sie es seit der Diagnose, einen Frau in den Hintern zu bumsen? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 152. Wie befriedigend fanden Sie es vor Ihrer Krankheit, von einem anderen Mann in den Hintern gebumst zu werden? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 153. Wie befriedigend fanden Sie es vor Ihrer Krankheit, von einer Frau mit einem Dildo in den Hintern gebumst zu werden? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 154. Wie befriedigend fanden Sie es nach den Veränderungen zur Risikominderung, von einem anderen Mann in den Hintern gebumst zu werden? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 155. Wie befriedigend fanden Sie es nach den Veränderungen zur Risikominderung, von einer Frau mit einem Dildo in den Hintern gebumst zu werden? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich

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156. Wie befriedigend fanden Sie es seit der Diagnose, von einem anderen Mann in den Hintern gebumst zu werden? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 157. Wie befriedigend fanden Sie es seit der Diagnose, von einer Frau mit einem Dildo in den Hintern gebumst zu werden? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 158. Hatten Sie vor Ihrer Krankheit irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Analverkehr („Arschficken")? ( J / N) Wenn ja, wovor? 159. Hatten Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Analverkehr („Arschficken")? (J/ N) Wenn ja, wovor? 160. Hatten Sie seit der Diagnose irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Analverkehr („Arschficken")? (J/ N) Wenn ja, wovor?

Koitus (Vaginal- Verkehr): (Koitus vor der Pubertät nicht mit berücksichtigen) 161. Wie alt waren Sie, als Sie das erste Mal einen vaginalen Geschlechtsverkehr hatten? 162. Was war vor Ihrer Krankheit die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie vaginalen Geschlechtsverkehr hatten? 163. Was war nach den Veränderungen zur Risikominderung die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie vaginalen Geschlechtsverkehr hatten? 164. Was war seit ihrer Diagnose die höchste Zahl von Fällen in einer Woche, in denen Sie vaginalen Geschlechtsverkehr hatten? 165. Mit wievielen verschiedenen Frauen hatten Sie vor Ihrer Krankheit vaginalen Geschlechtsverkehr? 166. Mit wievielen verschiedenen Frauen hatten Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung vaginalen Geschlechtsverkehr? 167. Mit wievielen verschiedenen Frauen hatten Sie seit der Diagnose vaginalen Geschlechtsverkehr?

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Beratung

168. Wie oft hatten Sie vor der Krankheit durchschnittlich pro Woche vaginalen Geschlechtsverkehr? 169. Wie oft hatten Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung durchschnittlich pro Woche vaginalen Geschlechtsverkehr? 170. Wie oft hatten Sie seit der Diagnose durchschnittlich pro Woche vaginalen Geschlechtsverkehr? 171. Wie groß war vor Ihrer Krankheit Ihr Interesse daran, mit einer Frau vaginal zu verkehren? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 172. Wie groß war nach den Veränderungen zur Risikominderung Ihr Interesse daran, mit einer Frau vaginal zu verkehren? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 173. Wie groß war seit der Diagnose Ihr Interesse daran, mit einer Frau vaginal zu verkehren? 5 = hatte sehr oft Interesse, 4 = manchmal, 3 = selten, 2 = nie, 1 = hatte geradezu Widerwillen 174. Wie befriedigend fanden Sie es vor Ihrer Krankheit, mit einer Frau vaginal zu verkehren? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 175. Wie befriedigend fanden Sie es nach den Veränderungen zur Risikominderung, mit einer Frau vaginal zu verkehren? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 176. Wie befriedigend fanden Sie es seit der Diagnose, mit einer Frau vaginal zu verkehren? 5 = war immer befriedigend, 4 = oft, 3 = selten, 2 = nie, 1 = war geradezu widerlich 177. Hatten Sie vor Ihrer Krankheit irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Vaginalverkehr? (J/ N) Wenn ja, wovor?

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178. Hatten Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Vaginalverkehr? ( J / N) Wenn ja, wovor? 179. Hatten Sie seit der Diagnose irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Vaginalverkehr? (J/ N) Wenn ja, wovor? 180. In wieviel Prozent der Fälle haben Sie vor Ihrer Krankheit beim Vaginalverkehr ein Kondom benutzt? 181. In wieviel Prozent der Fälle haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung beim Vaginalverkehr ein Kondom benutzt? 182. In wieviel Prozent der Fälle haben Sie seit der Diagnose beim Vaginal verkehr ein Kondom benutzt? 183. In wieviel Prozent der Fälle hatten Sie vor Ausbruch der Krankheit beim Vaginalverkehr einen Orgasmus? 184. In wieviel Prozent der Fälle hatten Sie nach dem Veränderungen zur Risikominderung beim Vaginalverkehr einen Orgasmus? 185. In wieviel Prozent der Fälle hatten Sie nach der Diagnose beim Vaginalverkehr einen Orgasmus?

Kontakte mit Tieren: (Erfahrungen vor der Pubertät bei der Beantwortung nicht berücksichtigen) 186. Hatten Sie jemals Sex mit einem Tier? (J/ N) 187. Wie alt waren Sie dabei? 188. Mit welchen Tieren hatten Sie sexuellen Kontakt? 189. Wie oft hatten Sie mit jedem von ihnen sexuellen Kontakt? 190. Welche Techniken haben Sie dabei angewandt? 191. Hatten Sie irgendwelche Ängste im Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr mit Tieren? (J/ N) Wenn ja, wovor? 192. Haben sich Ihre Sexualkontakte mit Tieren seit Ihrer Diagnose verändert? (J/N) Wenn ja, wie?

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Beratung

Andere zugehörige Aktivitäten Prostitution: 193. Haben Sie vor Ihrer Krankheit irgendwann einmal für Sexualverkehr Geld gegeben? (J/ N) Wenn ja, wie oft? Anzahl der verschiedenen männlichen Partner: Anzahl der verschiedenen weiblichen Partner: Ihr damaliges Alter: wie sind Sie an Ihre Partner gekommen? was haben Sie gemacht? 194. Haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung irgendwann einmal für Sexualverkehr Geld gegeben? (J/ N) Wenn ja, wie oft? Anzahl der verschiedenen männlichen Partner: Anzahl der verschiedenen weiblichen Partner: Ihr damaliges Alter: wie sind Sie an Ihre Partner gekommen? was haben Sie gemacht? 195. Haben Sie seit der Diagnose irgendwann einmal für Sexualverkehr Geld gegeben? (J/ N) Wenn ja, wie oft? Anzahl der verschiedenen männlichen Partner: Anzahl der verschiedenen weiblichen Partner: Ihr damaliges Alter: wie sind Sie an Ihre Partner gekommen? was haben Sie gemacht? 196. Haben Sie vor Ihrer Krankheit irgendwann einmal für Sexual verkehr Geld bekommen? (J/ N) Wenn ja, wie oft? Anzahl der verschiedenen männlichen Partner: Anzahl der verschiedenen weiblichen Partner: Ihr damaliges Alter: wie sind Sie an Ihre Partner gekommen? was haben Sie gemacht?

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197. Haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung irgendwann einmal für Sexualverkehr Geld bekommen? (J/ N) Wenn ja, wie oft? Anzahl der verschiedenen männlichen Partner: Anzahl der verschiedenen weiblichen Partner: Ihr damaliges Alter: wie sind Sie an Ihre Partner gekommen? was haben Sie gemacht? 198. Haben Sie seit der Diagnose irgendwann einmal für Sexualverkehr Geld bekommen? (J/ N) Wenn ja, wie oft? Anzahl der verschiedenen männlichen Partner: Anzahl der verschiedenen weiblichen Partner: Ihr damaliges Alter: wie sind Sie an Ihre Partner gekommen? was haben Sie gemacht?

Gruppensex fdrei oder mehr Teilnehmer): 199. Haben Sie vor Ihrer Krankheit irgendwann einmal an Gruppensex teilgenommen? ( J / N ) Wenn ja, wie oft? Anzahl der Teilnehmer: Geschlecht der Teilnehmer: wie alt waren Sie dabei? mit welchen Techniken, in welcher Umgebung? 200. Haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung irgendwann einmal an Gruppensex teilgenommen? (J/ N) Wenn ja, wie oft? Anzahl der Teilnehmer: Geschlecht der Teilnehmer: wie alt waren Sie dabei? mit welchen Techniken, in welcher Umgebung? 201. Haben Sie seit der Diagnose irgendwann einmal an Gruppensex teilgenommen? ( J / N ) Wenn ja, wie oft? Anzahl der Teilnehmer: Geschlecht der Teilnehmer: wie alt waren Sie dabei? mit welchen Techniken, in welcher Umgebung?

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Beratung

Transvestismus: 202. Haben Sie vor Ihrer Krankheit je (aus sexuellen Gründen) die Kleidung des anderen Geschlechts getragen? (J/ N) Wenn ja, wie oft? wie alt waren Sie? unter welchen Umständen? 203. Haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung je (aus sexuellen Gründen) die Kleidung des anderen Geschlechts getragen? (J/ N) Wenn ja, wie oft? wie alt waren Sie? unter welchen Umständen? 204. Haben Sie seit der Diagnose je (aus sexuellen Gründen) die Kleidung des anderen Geschlechts getragen? (J/ N) Wenn ja, wie oft? wie alt waren Sie? unter welchen Umständen?

Ein vernehmlicher Exhibitionismus/

Voyeurismus:

205. Haben Sie vor Ihrer Krankheit je sexuelle Erregung (und/ oder Befriedigung) dadurch gefunden, daß Sie anderen mit deren Einverständnis Ihre Geschlechtsorgane zeigten? (J/ N) Wenn ja, unter welchen Umständen? wieoft? wie alt waren Sie hatten Sie Ängste? (J/ N) Wenn ja, wovor? Haben Sie durch Zeigen Ihrer Geschlechtsorgane jemanden in Verlegenheit gebracht? (J/ N) Wenn ja, erklären Sie es bitte genauer.Beschreiben Sie bitte Situationen, in denen Sie Ihre Geschlechtsorgane ohne Einverständnis Ihres Gegenüber gezeigt haben. 206. Haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung je sexuelle Erregung (und/ oder Befriedigung) dadurch gefunden, daß Sie anderen mit deren Einverständnis Ihre Geschlechtsorgane zeigten? (J/ N) Wenn ja, unter welchen Umständen? wie oft? wie alt waren Sie hatten Sie Ängste? (J/ N) Wenn ja, wovor?

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Haben Sie durch Zeigen Ihrer Geschlechtsorgane jemanden in Verlegenheit gebracht? (J/ N) Wenn ja, erklären Sie es bitte genauer. Beschreiben Sie bitte Situationen, in denen Sie Ihre Geschlechtsorgane ohne Einverständnis Ihres Gegenüber gezeigt haben. 207. Haben Sie seit der Diagnose je sexuelle Erregung (und/ oder Befriedigung) dadurch gefunden, daß Sie anderen mit deren Einverständnis Ihre Geschlechtsorgane zeigten? (J/ N) Wenn ja, unter welchen Umständen? wie oft? wie alt waren Sie hatten Sie Ängste? (J/ N) Wenn ja, wovor? Haben Sie durch Zeigen Ihrer Geschlechtsorgane jemanden in Verlegenheit gebracht? (J/ N) Wenn ja, erklären Sie es bitte genauer.Beschreiben Sie bitte Situationen, in denen Sie Ihre Geschlechtsorgane ohne Einverständnis Ihres Gegenüber gezeigt haben. 208. Haben Sie vor Ihrer Krankheit je sexuelle Erregung (und/ oder Befriedigung) dadurch gefunden, daß Sie anderen mit deren Einverständnis bei sexuellen Handlungen zugesehen haben? (J/ N) Wenn ja, unter welchen Umständen? wie oft? wie alt waren Sie hatten Sie Ängste? (J/ N) Wenn ja, wovor? Haben Sie durch Zusehen bei sexuellen Handlungen jemanden in Verlegenheit gebracht? (J/ N) Wenn ja, erklären Sie es bitte genauer. Beschreiben Sie bitte Situationen, in denen Sie jemandem ohne Einverständnis bei sexuellen Handlungen zugesehen haben. 209. Haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung je sexuelle Erregung (und/ oder Befriedigung) dadurch gefunden, daß Sie anderen mit deren Einverständnis bei sexuellen Handlungen zugesehen haben? (J/ N) Wenn ja, unter welchen Umständen? wie oft? wie alt waren Sie hatten Sie Ängste? (J/ N) Wenn ja, wovor?

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Beratung

Haben Sie durch Zusehen bei sexuellen Handlungen jemanden in Verlegenheit gebracht? (J/ N) Wenn ja, erklären Sie es bitte genauer. Beschreiben Sie bitte Situationen, in denen Sie jemandem ohne Einverständnis bei sexuellen Handlungen zugesehen haben. 210. Haben Sie seit der Diagnose je sexuelle Erregung (und/ oder Befriedigung) dadurch gefunden, daß Sie anderen mit deren Einverständnis bei sexuellen Handlungen zugesehen haben? ( J / N) Wenn ja, unter welchen Umständen? wie oft? wie alt waren Sie hatten Sie Ängste? (J/ N) Wenn ja, wovor? Haben Sie durch Zusehen bei sexuellen Handlungen jemanden in Verlegenheit gebracht? (J/ N) Wenn ja, erklären Sie es bitte genauer. Beschreiben Sie bitte Situationen, in denen Sie jemandem ohne Einverständnis bei sexuellen Handlungen zugesehen haben.

Vergewaltigung: 211. Sind Sie schon einmal vergewaltigt worden? (J/ N) Wenn ja, wie alt waren Sie? Geschlecht des Partners? wie oft? 212. Haben Sie schon einmal einen Menschen vergewaltigt? (J/ N) Wenn ja, wie alt waren Sie? Geschlecht der anderen Person? wie oft?

Sexuelle Funktionsstörungen: 213. Haben Sie vor Ihrer Krankheit jemals unter einer der folgenden sexuellen Funktionsstörungen gelitten? Wenn ja, bitte Alter, Dauer und Ergebnis angeben. J / N Alter Dauer Ergebnis 1. Erektionsstörungen 2.Unbefriedigende Kontrolle über den Zeitpunkt des Orgasmus 3. Kein Orgasmus 4. Anale Krämpfe

Sexualanamnese 5. Phimose (Vorhautverengung) ö.Hypospadie (untere Harnröhrenspalte) 7. Induratio penis plastica 8.Retrograde Ejakulation (Samenerguß in die Blase) 9. andere 214. Haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung jemals unter einer der folgenden sexuellen Funktionsstörungen gelitten? Wenn ja, bitte Alter, Dauer und Ergebnis angeben. J / N Alter Dauer Ergebnis 1. Erektionsstörungen 2.Unbefriedigende Kontrolle über den Zeitpunkt des Orgasmus 3. Kein Orgasmus 4. Anale Krämpfe 5. Phimose (Vorhautverengung) ö.Hypospadie (untere Harnröhren spalte) 7. Induratio penis plastica 8.Retrograde Ejakulation (Samen erguß in die Blase) 9. andere 215. Haben Sie seit der Diagnose jemals unter einer der folgenden sexuellen Funktionsstörungen gelitten? Wenn ja, bitte Alter, Dauer und Ergebnis angeben. J / N Alter Dauer Ergebnis 1. Erektionsstörungen 2.Unbefriedigende Kontrolle über den Zeitpunkt des Orgasmus 3. Kein Orgasmus 4. Anale Krämpfe 5. Phimose (Vorhautverengung) ö.Hypospadie (untere Harnröhren spalte) 7. Induratio penis plastica 8.Retrograde Ejakulation (Samen erguß in die Blase) 9. andere

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Beratung

Drogengenuss: 216. Welche der folgenden Drogen haben Sie vor Ihrer Krankheit genommen. Bitte geben Sie an, wie oft Sie sie eingenommen haben, wie Sie sie eingenommen haben und welche Wirkungen auf die Sexualität daraus folgten. J / N wie oft wie Wirkungen 1. Alkohol 2. Tabak 3. Marihuana, Haschisch 4. Speed (Aufputschmittel) 5. Kokain 6. LSD 7. Poppers 8. Heroin 9. andere 217. Welche der folgenden Drogen haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung genommen. Bitte geben Sie an, wie oft Sie sie eingenommen haben, wie Sie sie eingenommen haben und welche Wirkungen auf die Sexualität daraus folgten. J/ N 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

wie oft wie

Wirkungen

Alkohol Tabak Marihuana, Haschisch Speed (Aufputschmittel) Kokain LSD Poppers Heroin andere

218. Welche der folgenden Drogen haben Sie seit der Diagnose genommen. Bitte geben Sie an, wie oft Sie sie eingenommen haben, wie Sie sie eingenommen haben und welche Wirkungen auf die Sexualität daraus folgten. J / N wie oft wie Wirkungen 1. Alkohol 2. Tabak 3. Marihuana, Haschisch 4. Speed (Aufputschmittel) 5. Kokain 6. LSD 7. Poppers 8. Heroin 9. andere

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Sexuell Übertragene oder mit Sexualität zusammenhängende Krankheiten (STDs): 219. Welche der folgenden STDs haben Sie vor Ihrer Krankheit gehabt? Gegebenenfalls bitte angeben, wie alt Sie jeweils waren und wie oft Sie die Krankheit hatten. J/ N Alter wie oft 1. Gonorrhoe (Tripper) 2. Penicillin-resistente Gonor rhoe 3. Syphilis 4. nichtgonorrhoische Urethritis (Harnröhrenentzündung) 5. Genital-oder Rektal-Herpes 6. Hepatitis A, B, non-A, non-B 7. Amöbiasis (Amöbenruhr) 8. Venerische Warzen 9. Trichomoniasis 10. Chlamydien 11. Shigellose (Bakterienruhr) 12. Salmonellen-Infektion 13. Andere 220. Welche der folgenden STDs haben Sie nach den Veränderungen zur Risikominderung gehabt? Gegebenenfalls bitte angeben, wie alt Sie jeweils waren und wie oft Sie die Krankheit hatten. J/ N Alter wie oft 1. Gonorrhoe (Tripper) 2. Penicillin-resitente Gonorrhoe 3. Syphilis 4. nichtgonorrhoische Urethritis (Harnröhrenentzündung) 5. Genital-oder Rektal-Herpes 6. Hepatitis A, B, non-A, non-B 7. Amöbiasis (Amöbenruhr) 8. Venerische Warzen 9. Trichomoniasis 10. Chlamydien 11. Shigellose (Bakterienruhr) 12. Salmonellen-Infektion 13. Andere

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Beratung

221. Welche der folgenden STDs haben Sie seit der Diagnose gehabt? Gegebenenfalls bitte angeben, wie alt Sie jeweils waren und wie oft Sie die Krankheit hatten. J/ N Alter wie oft 1. Gonorrhoe (Tripper) 2. Penicillin-resitente Gonorrhoe 3. Syphilis 4. nichtgonorrhoische Urethritis (Harnröhrenentzündung) 5. Genital-oder Rektal-Herpes 6. Hepatitis A, B, non-A, non-B 7. Amöbiasis (Amöbenruhr) 8. Venerische Warzen 9. Trichomoniasis 10. Chlamydien 11. Shigellose (Bakterienruhr) 12. Salmonellen-Infektion 13. Andere

Reisen: 222. Welche Auslandsreisen mit Sexualkontakten haben Sie seit der Pubertät gemacht? Wie alt waren Sie jeweils?

Verschiedenes: 223. Wie hat sich die Tatsache, daß Sie Aids haben, auf Ihr sexuelles Verlangen ausgewirkt? 224. Wie hat sich ganz allgemein Ihr Sexualleben aufgrund Ihrer Aids-Diagnose verändert? 225. Hat die Tatsache, zu den Aids-Kranken zu gehören, Ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigt? 226. Haben Sie seit der Aids-Diagnose bezüglich Ihrer Sexualität das Gefühl, etwas verloren zu haben? 227. Hat die Tatsache, daß Sie Aids haben, zu irgendwelchen Schuldgefühlen oder Selbsthaß geführt?

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228. Haben Sie seit der Diagnose Ihre sexuellen Aktivitäten, Bedürfnisse, Wünsche oder Gefühle mit einem Arzt oder jemand anderem diskutiert? (J/ N) Mit wem? 229. Hätten Sie gerne die Gelegenheit, über diese Dinge mit einem Arzt oder jemand anderem zu sprechen? (J/ N) Mit wem? 230. Gibt es irgendetwas aus dem Bereich Ihres Sexualverhaltens, Ihrer sexuellen Bedürfnisse und Gefühle, das ich vergessen habe? 231. Haben Sie irgendwelche Fragen, die Sie gerne an mich richten wollen?

Der HIV-Antikörpertest Die Entwicklung eines Tests, der Antikörper zum HI-Virus nachweist, war ein erster großer Sieg der Medizin im Kampf gegen Aids. Genauer gesagt, handelt es sich um verschiedene Tests unterschiedlicher Präzisionsgrade (den sogenannten ELISA - Enzyme-Linked Immuno-Sorbent Assay - , den RIPA - Radio Immuno Precipitation Assay - und den „Western Blot"). Die beiden letzteren dienen dabei gewöhnlich der Kontrolle bzw. Bestätigung des ungenaueren ersten Tests, der eine Reihe von falsch-positiven Ergebnissen produzieren kann. Für die Zukunft sind weitere Tests angekündigt, die womöglich schnell, billig und verläßlich das Virus selbst nachweisen oder sogar Voraussagen über folgende Erkrankungen machen können. Sollten solche Tests wirklich verfügbar werden, so wird sich damit ein Problem verschärfen, das auch heute schon jeden Berater beschäftigen muß: der denkbare Mißbrauch des Tests zu Zwecken der sozialen Diskriminierung. Mit anderen Worten: Wenn etwa Arbeitgeber, Versicherungen und Behörden den Test dazu benutzen, Testpositive zu markieren und „auszusortieren", dann müssen sich für die Gesamtgesellschaft daraus zwangsläufig nahezu unlösbare Sozialprobleme ergeben. Wenn nur noch Testnegative eingestellt und versichert werden oder frei herumreisen können, dann müssen wir uns alle auf eine neue Unterklasse von Sozialhilfeempfängern gefaßt machen, die „nichts mehr zu verlieren haben". Die resultierende „Zwei-Klassen-Gesellschaft" hätte dann nicht nur erhebliche Sozialhilfekosten aufzubringen, sondern auch gefährliche soziale Unruhen auszuhalten. Der bisherige Verlauf der Epidemie zeigt jedenfalls, daß zumeist Männer und Frauen im besten Alter und in allen Berufen betroffen sind. Eine Aussortierung dieser Menschen, die ansonsten völlig symptomfrei sein können, ihre Herausnahme aus dem Arbeitsprozeß, würde ungeahnte negative ökonomische Folgen haben. Außerdem würden sich viele von ihnen die soziale Deklassierung nicht gefallen lassen. Aber schon ihre einfache Identifzierung wäre ja nur durch massenhafte, sehr kostspielige und regelmässig wiederholte Testprogramme möglich. Selbst wenn solche Testprogramme, wie in Kalifornien, freiwillig, anonym und gratis durchgeführt werden, dann entstehen doch auf jeden Fall zusätzliche Kosten für die absolut unumgängliche Beratung bei positivem Testresultat. Eine Beratung ist aber eigentlich selbst bei negativem Testresultat erforderlich, denn alle Getesteten müssen lernen, sich sexuell ansteckungssicher zu verhalten. Was die praktischen sexuellen Verhaltenregeln angeht, so sind sie also in jedem Fall gleich. Die Testpositiven haben sich nur - zusätzlich zu allem anderen -noch viele persönliche Sorgen und Ängste eingehandelt. Es sind, auch in den USA, wiederholt Vorschläge gemacht worden, die gesamte Bevölkerung, oder doch gewisse Sonderpopulationen wie Gefängnisinsassen, Dro-

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genabhängige, Prostituierte, Homosexuelle, Rekruten u.a. soweit wie möglich durch Tests zu erfassen. Diese Vorschläge sind kurzsichtig. Wenn die Betroffenen den Test nicht von sich aus wünschen, dann ist damit zu rechnen, daß sie ein positives Ergebnis seelisch nicht verkraften können. Das wiederum kann zu verantwortungslosem Handeln, zu psychosomatischen Störungen, vielleicht sogar zu früher Erkrankung, zu Depression oder Selbstmord führen. Andererseits ist ein negatives Testresultat nicht unbedingt verläßlich, da die gesuchten Antikörper sich erst Wochen oder sogar Monate nach einer Infektion bilden. So könnte man z. B. gerade bei einer fixenden Prostituierten ein falsch-negatives Resultat erzielen, das sich erst bei späteren Tests korrigiert. Inzwischen könnte die Prostituierte aber schon wieder viele Frauen und Männer angesteckt haben, und zwar durch gemeinsam benutzte Nadeln wie durch Geschlechtsverkehr. Es ist also irreführend, wenn man Prostituierten etwa nach einem negativen Test ein „Sauberkeitszeugnis" ausstellt. Selbst wenn das Testergebnis am Tage seiner Bescheinigung stimmt (was man ja nicht wissen kann), so kann doch schon ihr nächster Kunde danach infektiös sein und die Prostituierte anstecken, die nun sich selbst und ihre Kunden in falscher Sicherheit wiegt. Kurz, wenn solche offiziellen Zeugnisse dazu führen, daß ein Freier kein Kondom benutzt, dann sind sie gefährlich; wenn das Kondom aber in jedem Falle benutzt wird, dann sind sie überflüssig. Das heißt nicht, daß bestimmte Paare auf den Test verzichten sollen, wenn sie darin für ihre besondere Beziehung einen Sinn sehen, und wenn eine geeignete Beratung vorhanden ist. In solchen Fällen kann und soll man individuell vorgehen. Einzelne Männer und Frauen, die aus persönlichen Gründen ihren Infektionsstatus erfahren wollen, und die sich zutrauen, ein positives Testergebnis zu verarbeiten, haben natürlich ein Anrecht auf den Test. Es ist aber schwierig, bei diesem Thema allgemeingültige Richtlinien aufzustellen. Die einzige Gruppe, bei der eine lückenlose Durchtestung wirklich sinnvoll ist, sind die freiwilligen Blutspender. Jede weitergehende Maßnahme ist bedenklich. Das beweisen alleine schon die relevanten Zahlen: In den USA waren Anfang 1987 etwa 30 000 Aids-Kranke bekannt, und man schätzte die Zahl der Infizierten auf 500 000 bis 3 Millionen. Mit solchen unsicher schwankenden Schätzungen ist für epidemiologische Zwecke nicht viel anzufangen; sie zeigten aber immerhin, daß die Zahl der Infizierten die der Kranken sehr weit übersteigt. Darüber gibt es keinen Zweifel. Man muß also damit rechnen, daß eine gründliche Testung auch in europäischen Ländern zehntausende, hunderttausende und in einigen Jahren vielleicht Millionen Testpositive identifizieren würde. Eine so große Anzahl von Menschen kann man aber weder lebenslang einsperren noch überwachen. Man könnte sie höchstens als Sozialproblem der Allgemeinheit zuschieben mit all den angedeuteten finanziell und politisch ruinösen Folgen. Kein Wähler, der diesen Zusammenhang einmal durchschaut hat, wird also eine Massentestung herbeiwünschen, denn er selbst ist es ja, der am Ende als Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. So ist auch eine sehr skeptische Beurteilung gewisser amerikanischer Testprogramme angebracht, die nun bei den Streitkräften (Armee, Luftwaffe, Marine) an-

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gelaufen sind, sowie bei Einwanderern (etwa 500 000 pro Jahr) und den Angestellten des Auswärtigen Amtes. Als nächstes sind die Angestellten des „Job Corps" (etwa 100 000 pro Jahr) vorgesehen, das vor allem unterprivilegierten Jugendlichen aus den Ghettos zugute kommt. Auf diese Weise begibt man sich auf eine abschüssige Bahn, an derem logischen Ende auch unzählig vermehrte und gigantisch aufgeblähte Beratungsstellen hilflos bleiben würden. Einzelne amerikanische Bundesstaaten haben deshalb versucht, der Entwicklung wenigstens teilweise entgegenzuwirken, indem sie etwa den Versicherungen verboten, den Test zum Auswahlkriterium für ihre Klienten zu machen. Viele Versicherungen und auch Arbeitgeber versuchen aber, solche Verbote mit allerlei Tricks zu umgehen. Generell ist der Kampf durchaus noch nicht entschieden. Schließlich wird wohl nur der Gesetzgeber den Ausgleich zwischen Partikular- und Gesamtinteressen herstellen können. Es ist leicht zu begreifen, daß verschiedene Organisationen und Institutionen sich mit Hilfe des Tests aller möglicherweise Infizierten entledigen wollen, aber die Gesellschaft kann hier ein höheres allgemeines Selbstschutzrecht geltend machen. Die Diskriminierung von Einzelnen würde uns Bürgern insgesamt einen irreparablen Schaden zufügen, da sie tendenziell immer weitere Kreise zieht. Hier gilt es, im wohlverstandenen Interesse aller, den Anfängen zu wehren. In der Zwischenzeit ergibt sich aber die Verpflichtung, bei der zunehmenden Verbreitung des Tests wenigstens den entsprechenden Ausbau der Beratungsstellen zu garantieren. Wo die Beratung fehlt, da sollte auch nicht getestet werden.

Testinformation Als der HIV-Antikörpertest verfügbar wurde, machten natürlich die Blutbanken davon Gebrauch, um infiziertes Blut auszusortieren und dessen Spender von weiterem Spenden abzuhalten. Der damit erzielte medizinische Durchbruch beschwor allerdings eine zunächst nicht bedachte Gefahr herauf: Männer und Frauen, die sonst niemals Blut gespendet hatten, die aber befürchteten, infiziert zu sein, konnten nun in Versuchung kommen, die Blutbanken zu benutzen, sie zum Test aufzusuchen, um endlich Gewißheit zu erlangen, ob sie infiziert seien oder nicht. Es war auch anzunehmen, daß unter ihnen tatsächlich überdurchschnittlich viele Infizierte waren. Wenn also nun diese untypischen neuen Blutspender erschienen, dann mußte man mit ungewöhnlich vielen positiven Testergebnissen rechnen. Dies allein wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn man nicht andererseits einen gewissen Prozentsatz von falsch-negativen Testresultaten hätte einkalkulieren müssen. Bei der unbesorgten gewöhnlichen Spenderpopulation, die ohnehin nur in geringem Ausmaß infiziert war, fiel diese geringe Unzuverlässigkeit des Tests weniger ins Gewicht. Bei der besorgten neuen Population aber war mit vermehrten Irrtümern zu rechnen, denn sie war in viel höherem Maße durchseucht. Kurz, wenn nur Blutbanken den Test anboten, dann würde dies Angebot von vielen in Anspruch genommen, die man als Blutspender lieber ferngehalten hätte. Bei der Möglichkeit falsch-negativer Resultate konnte das ganze Arrangement also ungewollt, indirekt und ironischerweise zu einer stärkeren Verseuchung des Blutvorrats der Blutbanken führen. Dieser Entwicklung war nur durch eine Kombination von Maßnahmen vorzubeugen: 1. Man begann unter den besonders gefährdeten Gruppen eine Kampagne gegen das Blutspenden, damit sie bei den Blutbanken erst gar nicht erschienen. 2. In den Blutbanken selber wurde jedem Spender ein Fragebogen vorgelegt. Wiesen die Antworten darauf hin, daß er ein Ansteckungsrisiko eingegangen sein könnte, wurde er auch ohne Test auf jeden Fall vom Blutspenden ausgeschlossen. 3. Wenn Blutspender in Gruppen erschienen, etwa als Vereine oder Belegschaften, so wurde jedem Einzelnen ein Aufkleber ausgehändigt. Darauf standen die Worte „Bitte vernichten!", und wenn jemand annehmen mußte, daß er infiziert sein könnte, sich im Beisein der Gruppe aber nicht offenbaren wollte, so konnte er die Warnung unbemerkt auf seine eigene Blutspende kleben. Sie wurde dann auch ohne weitere Prüfung vernichtet. 4. Man richtete alternative Teststationen ein, an denen sich jedermann anonym und kostenlos testen lassen konnte.

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Durch diese Mehrfachstrategie gelang es sehr schnell, den Blutvorrat wirksam zu schützen. Gleichzeitig wurden dadurch auch noch viele zum Test ermuntert, die ihn sonst vermieden oder ausdrücklich abgelehnt hätten. Dennoch wurde auch in den alternativen Teststationen keinerlei Druck ausgeübt. Man war sich sehr wohl der möglichen negativen psychischen Folgen bewußt, die ein positives Testergebnis für die Betroffenen haben kann. Also wahrte man strikte Neutralität, die den Menschen von Anfang bis Ende die Entscheidung überließ. Man versuchte nur, so genau wie möglich zu informieren. Man erkannte auch, daß die Einführung des Testes die Einrichtung von Beratungsstellen oder -Organisationen erfordert, und so wurden diese gleich mit ausgebaut. Der folgende Text ist einer Aufklärungsbroschüre des städtischen Gesundheitsamtes in San Francisco entnommen, die mit Hilfe der San Francisco Aids Foundation verteilt wird. Sie liefert alle nötigen Grundinformationen über den Test selbst sowie über das Pro und Kontra seiner Anwendung. Die verschiedenen Überweisungsadressen für Rat und Hilfe sind weggelassen, da sie nur am Ort selbst von Interesse sind. Entsprechende deutsche Adressen finden sich am Ende des Buches. Zwei der im folgenden erwähnten Stellen seien aber hervorgehoben: Der Name Bay Area Physicians for Human Rights steht für eine offen homosexuelle Ärztevereinigung, die in und um San Francisco über 200 Mitglieder hat; das Aids Health Project (Aids-Gesundheitsprojekt) wird an anderer Stelle dieses Bandes genauer vorgestellt.

Der HIV-Antikörpertest in alternativen Teststationen San Francisco Aids Foundation Einführung Der Aids-Antikörpertest kann in alternativen Teststationen in San Francisco kostenlos vorgenommen werden. Dies ist ein Programm des Gesundheitsamtes San Francisco. Der Test erkundet unter Verwendung eines einfachen Bluttests, ob Antikörper gegen das Virus vorhanden sind. Der Test dient dazu, möglicherweise infiziertes Blut aus den Blutbanken herauszuhalten. Er ist kein Aids-Test und sagt nicht, ob Sie Aids oder auf Aids bezogene Zustände haben (ARC- Aids Related Conditions); aber er zeigt, ob sie mit dem Virus infiziert sind, das Aids verursachen kann. Wenn Sie infiziert sind, dann produziert Ihr Körper Antikörper, die mit dem Aids-Antikörpertest nachgewiesen werden können. Sie können durch gewöhnlichen Kontakt nicht mit dem Virus infiziert werden. Eine Ansteckung kann nur durch intimen sexuellen Kontakt, durch die gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln oder Bluttransfusion erfolgen. Viele Menschen machen sich Sorgen, daß sie bei Versicherungen oder am Arbeitsplatz diskriminiert werden könnten, falls ihr Testergebnis bekannt würde. Zwar nehmen auch andere Einrichtungen den Test vor, aber Ihre Anonymität ist dann gesichert, wenn Sie den Test bei einer der alternativen Teststationen vornehmen lassen. Sie können in San Francisco bei den alternativen Teststationen Ihr Testergebnis bekommen, ohne ihre Intimität verletzen oder ihre Identität preisgeben zu müssen. Die Entscheidung, ob Sie den Test machen oder nicht, ist schwer. Sie müssen sich allein entscheiden. Diese Broschüre soll Ihnen helfen, eine wirklich gute Entscheidung zu fällen. Wenn Sie Fragen haben, die hier nicht beantwortet werden und auch nicht von den alternativen Teststationen, dann sollten Sie sich an die Bay Area Physicians for Human Rights oder die San Francisco Medical Society wenden, die Sie an einen Aids-kundigen Arzt verweisen können, oder rufen Sie bei der San Francisco Aids Foundation Hotline an.

Eine Broschüre der San Francisco Gesundheitsamtes San Francisco, 1985

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Vertraulichkeit und Anonymität Vertraulichkeit ist eine Vereinbarung darüber, daß Informationen über Sie nie ohne Ihr Einverständnis weitergegeben werden. Anonym sind Bedingungen, unter denen Ihre Identität anderen unbekannt ist. Ihre Anonymität ist bei einem Test in einer alternativen Teststation garantiert. Lassen Sie den Test irgendwo anders machen, dann ist dies nicht unbedingt so, außer bei einigen wissenschaftlichen Programmen.

Das Vorgehen beim HIV-Test in alternativen Teststationen Anonymität ist ein fester Bestandteil der Arbeit in alternativen Teststationen. Sie geben Ihren Namen, Ihre Adresse, Ihre Versicherung oder andere Daten, die Sie identifizierbar machen, nicht an. Um den Test bei einer der alternativen Teststationen machen zu lassen, brauchen Sie eine telefonische Verabredung. In San Francisco sind die alternativen Teststationen in den Gesundheitszentren 1, 2, und 5 eingerichtet. Der gesamte Besuch, einschließlich der Beratung wird ungefähr eine Stunde dauern. Sie werden dann zwei Wochen später persönlich wieder zur Teststation gehen müssen, um Ihr Testergebnis zu erfahren. Der Test, alle Beratungen, der Besuch und der Weitervermittlungsdienst sind bei alternativen Teststationen kostenlos. Wenn Sie anrufen, um sich einen Termin für den Test geben zu lassen, wird Ihnen einer der Mitarbeiter eine Nummer zuteilen. Anhand dieser Nummer können Sie nicht zurückermittelt werden. Wenn Sie dann zur Teststation gehen, werden Sie weitere Informationen über den Test erhalten. Wenn Sie sich danach entscheiden sollten, ihn nicht zu machen, können Sie natürlich wieder gehen. Wenn Sie sich entscheiden, ihn machen zu lassen, dann wird Ihnen eine neue Nummer gegeben, die Ihre Blutprobe kennzeichnen soll. Auch diese Nummer enthüllt ihre Identität nicht. In zwei Wochen werden Sie dann wieder zur Station kommen und Ihr Testergebnis erhalten. Aufgrund Ihrer Nummer wird Ihnen ein Gesundheitsberater Ihre Ergebnisse geben und sie unter vier Augen mit Ihnen besprechen. Für den Fall, daß Sie weitere Beratung wünschen, bekommen Sie eine Adressenliste. Wenn Sie eine Beratung nach Durchführung des Testes, aber vor dem Erhalt der Ergebnisse wünschen, dann setzen Sie sich bitte mit den Community Mental Health Services in Verbindung.

Testergebnisse und was sie bedeuten Der Aids-Antikörper ist ein Protein, das im Körper natürlicherweise als Antwort auf das Vorhandensein des Aids-Virus gebildet wird. Das Virus wird HIV genannt. Ein positives Testergebnis bedeutet, daß dieser Antikörper in Ihrem Blut gefunden wurde. Ein negatives Testergebnis sagt, daß kein Antikörper in Ihrem Blut gefunden

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wurde. Der Test ist nicht ganz genau. Einem kleinen Prozentsatz der untersuchten Menschen wird gesagt, sie seien von dem Virus infiziert, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht sind. Zusätzlich wird ein kleiner Prozentsatz von Menschen ein negatives Ergebnis erhalten, obwohl sie tatsächlich mit dem Virus infiziert sind.

Ein positives Testresultat Wenn Ihr Test positiv ist, bedeutet dies: — Ihre Blutprobe ist mehr als einmal getestet worden und die Tests zeigen, daß Aids-Antikörper enthalten sind. — Sie sind mit dem Virus infiziert und Ihr Körper hat dagegen Antikörper produziert. — Wissenschaftler haben bewiesen, daß die meisten Menschen mit Aids-Antikörpern in ihrem Blut auch das Virus haben. Deshalb sollten Sie davon ausgehen, daß Sie ansteckend sind und daß Sie das Virus an andere Menschen weitergeben können.

Wenn Ihr Test positiv ist, bedeutet dies nicht: — daß Sie sicher Aids oder auf Aids bezogene Zustände (ARC) haben; — daß Sie sicher Aids oder ARC bekommen; (Sie können die Gefahr, an Aids zu erkranken, reduzieren, indem Sie weiteren Kontakt mit dem Virus vermeiden und ein gesundes Leben führen.) — daß Sie gegen Aids immun sind;

Wenn Sie Test-positiv sind: — Schützen Sie sich selbst vor einer weiteren Infektion. — Schützen Sie andere vor dem Virus, indem Sie den Anti-Aids-Richtlinien für Sex, Drogengebrauch und allgemeine Hygiene folgen. — Suchen Sie tunlichst einen Arzt zu einer Generaluntersuchung und einer Gesundheitsberatung auf. — Um ihre Chancen, gesund zu bleiben, zu verbessern, sollten Sie Drogen und starken Alkohol vermeiden, sich gut ernähren und Ärger und Streß aus dem Wege gehen. — Spenden Sie niemals Blut, Plasma, Sperma, Körperorgane oder andere Körpersubstanzen.

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Ein negatives Testresultat Sind Sie testnegativ, dann heißt das, daß diesmal keine Aids-Antikörper gefunden wurden. Es gibt hierfür drei Erklärungen: — Sie sind nicht mit dem Virus infiziert. — Sie hatten Kontakt mit dem Virus, wurden aber nicht infiziert und haben deshalb keine Antikörper produziert. Wiederholte Exposition gegenüber dem Virus würde die Ansteckungsgefahr für Sie vergrößern. — Sie sind mit dem Virus infiziert, haben aber bislang noch keine Antikörper gebildet. Untersuchungen haben ergeben, daß die meisten Menschen innerhalb von 2-3 Wochen nach der Infektion Antikörper besitzen. Einige Menschen produzieren innerhalb von 6 Monaten oder länger keine Antikörper. Eine sehr kleine Zahl von Menschen wird nie Antikörper bilden. Wenn Sie Test-negativ sind, bedeutet dies nicht: — daß Sie sich keine Gedanken zu machen brauchten, der Aids-Epidemie ist noch nicht die Spitze gebrochen, — daß Sie gegen das Virus immun sind, — daß Sie nicht mit dem Virus infiziert sind. Sie könnten es sein und nur noch keine Antikörper gebildet haben.

Zusammenfassung Wenn Sie gegenwärtig gesund und testpositiv sind: — Sie werden nicht notwendigerweise das Vollbild Aids oder ARC entwickeln. — Sie können Ihre Chancen, gesund zu bleiben, erhöhen. — Sie sind wahrscheinlich ansteckend und können das Virus durch Sexualkontakt, Blutspenden, gemeinsam benutzte Nadeln oder Schwangerschaft (Übertragung auf das ungeborene Kind) an andere Menschen weitergeben.. Wenn Sie gegenwärtig gesund und testnegativ sind: — Sie sind nicht vor zukünftiger Infektion oder Krankheit geschützt. — Sie sind wahrscheinlich frei von Aids-Viren. Wenn Sie Zweifel darüber haben, ob Sie doch Antikörper gebildet haben, dann Sie den Kontakt mit dem Virus meiden, sechs Monate warten und sich dann erneut testen lassen.

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Egal, ob Sie testpositiv oder -negativ sind: — Seien Sie vorsichtig. Infizieren Sie sich selbst nicht und übertragen Sie das Virus nicht. Folgen Sie in jeder Risikosituation den Sex-Leitlinien. Benutzen Sie nie Injektionsnadeln mit anderen gemeinsam. — Falls Sie irgendwelche Aids- oder ARC-Symptome haben, dann sollten Sie einen Arzt oder eine Aids-Klinik aufsuchen. — Weil die langfristigen Folgen der Aids-Infektion nicht bekannt sind, bitten wir jedermann sehr, sich angemessen zu versichern.

Sollte ich mich testen lassen? Bevor Sie sich entscheiden, den Test machen zu lassen, sollten Sie einen Moment innehalten und darüber nachdenken, wie Sie mit dem Ergebnis - so oder so - umgehen könnten. Wenn Sie glauben, daß Sie emotional überlastet wären, dann sollten Sie sich vielleicht nicht testen lassen. Der Test wird Ihnen nicht sagen: — ob Sie Aids oder auf Aids bezogene Zustände (ARC- Aids Related Conditions) haben, — ob Sie zukünftig Aids oder ARC entwickeln werden, — ob Sie gegen Aids oder ARC immun sind, — ob Sie gesund sind. Menschen, die das Ergebnis nicht wissen wollen, sollten den Test nicht machen. Menschen, die mit den Folgen eines Ergebnisses nicht umgehen wollen oder können, sollten den Test ebenfalls nicht durchführen lassen. Die im folgenden aufgeführten Personen sollten sich überlegen, den Test zu machen: — Menschen, die wissen wollen, ob sie ansteckend sind, — Menschen, die aus Gründen der Gesundheitsvorsorge Informationen haben wollen, — Menschen, die wissen wollen, ob Sie durch sexuellen Kontakt, die gemeinsame Benutzung von Spritzbesteck oder Transfusionen mit dem Aids-Virus angesteckt sind, — Frauen und Männer, die eine Schwangerschaft planen, wenn einer der oder beide Partner Aids-gefährdet sein könnten. Ob Sie den Test nun machen oder nicht - wenn Sie Aids-gefährdet sind, dann sollten Sie nichts tun, was Aids übertragen kann.

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Welche Gruppen sind Risikoträger? — — — —

Schwule und bisexuelle Männer Fixer/ innen Hämophile Frauen oder Männer, die einen risikoreichen sexuellen Kontakt hatten oder die mit Personen, die infektionsverdächtig sind, Injektionsnadeln ausgetauscht haben. — Menschen, die zwischen 1979 und 1984 Bluttransfusionen bekamen, tragen ein geringes Risiko einer Infektion. — Säuglinge, deren Eltern zu einer dieser Gruppen gehören.

Wie wird Aids übertragen? Aids wird im direkten Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen, gewöhnlich durch sexuellen Kontakt auf gleichem Wege wie andere sexuell übertragbare Krankheiten, oder aber durch direkten Blut-zu-Blut-Kontakt wie zum Beispiel durch die gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln. Es wird nicht durch gewöhnlichen Kontakt übertragen, etwa durch bloße enge körperliche Nähe, Niesen oder Berührungen.

Empfehlungen zur Verhinderung einer Aids-Infektion Männer und Frauen, Heterosexuelle, Bisexuelle und Homosexuelle können sich durch intimen sexuellen Kontakt mit Aids infizieren oder andere anstecken. Kondome (Präservative) wurden schon erfolgreich gegen andere Virusinfektionen wie Herpes und Cytomegalievirus (CMV) eingesetzt. Ihr Gebrauch ist zu empfehlen. In Risikosituationen darf niemand zulassen, daß sein/ ihr Samen, Blut, Urin, Stuhl oder Vaginalsekrete in den Körper eines anderen gelangen. Persönliche Bedarfsgegenstände wie Rasierer und Zahnbürsten, die mit Blut in Berührung gekommen sein könnten, sollten nicht mit anderen geteilt werden.

Beratung vor und nach dem Test

Es versteht sich von selbst, daß man niemanden mit einem positiven Testergebnis konfrontieren und dann einfach allein lassen darf. Die Gewißheit, infiziert zu sein, die damit gegebene Möglichkeit, innerhalb einiger Monate oder Jahre an Aids zu erkranken, die Wahrscheinlichkeit, lebenslang für andere infektiös zu bleiben - das alles sind seelische Bürden, die nicht leicht zu tragen sind. Es ist relativ einfach, dem Patienten oder Klienten die genaue Bedeutung des Testergebnisses zu vermitteln. Dies kann jeder Arzt und Berater nach kurzer Schulung tun, wenn nötig, mit Hilfe eines Merkblattes. Sehr viel schwieriger ist es schon, eine wirksame psychotherapeutische Stützung zu geben, wenn Patienten nach einem positiven Testergebnis verzweifeln, depressiv werden oder verschiedene psychosomatische Störungen entwickeln. Die dann erforderliche Beratung oder seelische Betreuung kann durchaus nicht jeder Arzt ohne besondere Schulung leisten. Es ergibt sich daher die Frage, ob medizinische Fakultäten oder ärztliche Standesorganisationen eine solche Schulung einrichten sollten oder ob man in den meisten Fällen von vorneherein auf Psychiater und Psychotherapeuten, auch klinische Psychologen, zurückgreifen soll. Aber selbst diese brauchen eine Sonderausbildung, wenigstens auf sexologischem Gebiet. Dies wird sofort klar, wenn man den dritten Aspekt der Beratung bedenkt, der vom Standpunkt der öffentlichen Gesundheit sogar der weitaus wichtigste ist: Testpositive müssen davon überzeugt und dazu befähigt werden, daß sie andere, das heißt vor allem ihre Sexualpartner, nicht anstecken. Dabei ist es noch leichter, die Überzeugung zu wecken als die Befähigung zu erreichen. Diese letztere Aufgabe ist im Wesentlichen eine sexologische, die, je nach Fall, eine Reihe von komplexen Strategien erfordern kann (siehe auch Kapitel Vorbeugung in diesem Band). Gerade hier sind spezielle Vorbeugungskurse für Berater nötig, denn wenn das Ziel einer sexuellen Verhaltensänderung verfehlt wird, dann ist die Epidemie nicht aufzuhalten. Der folgende Text ist einem Mitteilungsblatt des Aids-Gesundheitsprojektes in San Francisco entnommen, das an anderer Stelle noch gesondert vorgestellt wird.

Wie man die Ergebnisse von Aids-Antikörpertests mitteilt Gabriele Dlugosch, Marc Gold, James W. Dilley Dieser Text beschreibt Vorgehen und Prinzipien, die man beachten sollte, wenn man die Ergebnisse von Aids-Antikörpertests dem Getesteten mitteilt. Wenn man sich an die in diesem Protokoll beschriebenen Ziele hält, dann kann der Test helfen, die weitere Ausbreitung von Aids zu bremsen und die Bedürfnisse der einzelnen Testteilnehmer zu befriedigen.

I. Die Beratung vor dem Test Menschen, die Interesse an der Durchführung eines Aids-Antikörpertests zeigen, können aus einem vor dem Test stattfindenden Aufklärungsprogramm Nutzen ziehen. Dieses Programm kann ihnen die Entscheidung erleichtern, ob der Test für sie sinnvoll ist, und kann ihnen zu genügend Informationen für eine fundierte Entscheidung pro oder contra Test verhelfen. Jeder der sich überlegt, den Test zu machen, ist beeinflußt von zwei wichtigen Variablen. Die erste ist der Grad der Informiertheit über Aids und den Aids-Antikörpertest, die zweite ist die Motivation des Klienten für den Test. Der Kliniker braucht daher Kenntnisse in der Einzel- und Gruppengesundheitsberatung mit speziellem Wissen über Aids und die Aussagen des Tests, um dem Informations- und Motivationsniveau des Klienten zu entsprechen. Außerdem sind Erfahrungen in nichtdirektiven Verfahren zur Erleichterung von Entscheidungsprozessen wichtig. Der Klient muß sich über folgendes im klaren sein: a. den Zweck des Testes, b. die Bedeutung positiver und negativer Testergebnisse, c. die Wirkung des Virus im Immunsystem, d. Konzepte zur Verringerung des Aids-Risikos und die Bedeutung einer Risikoreduktion, e. die Genauigkeit des Tests, f. die Frist von 2 bis 6 Monaten zwischen dem Kontakt mit dem Aids-Virus und dem möglichen Auftauchen von Antikörpern im Blut, g. wie er in der Vergangenheit mit Streß umgegangen ist und h. die Freiwilligkeit und Anonymität des Testprogramms. Dieses Kapitel basiert auf Protokollen und Auswertungen des Aids-Gesundheitsprojekts, San Francisco. Vollständige Daten sind über das Projektbüro, 333 Valencia St., 4th Floor, San Francisco, CA 94103, zu erhalten.

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Nachdem den Klienten die Basisinformationen über Aids und den Aids-Antikörpertest gegeben worden sind, sollten sie die dann noch offenen Fragen stellen können. Die Antworten können die Entscheidung darüber erleichtern, ob die Klienten sich tatsächlich Blut abnehmen lassen. Aufklärung vor dem Test verbessert in jedem Fall das Verständnis für solche Verhaltensweisen, die das Aids-Risiko entscheidend vermindern können, ob eine Person sich nun für oder gegen eine Testteilnahme entscheidet. Bevor das Blut abgenommen wird, sollten die Teilnehmer über die weiteren Schritte im Rahmen des Testverfahrens informiert werden, zum Beispiel über den Wiedervorstellungstermin. Einige Klienten empfinden die Wartezeit zwischen Blutentnahme und Ergebnismitteilung als den Teil des Tests, der am meisten Streß verursacht. Deshalb sind schriftliche Informationen über Bewältigungstrategien für diesen Streß und entsprechende Hilfsangebote (wie z. B. Telefondienste und Beratungen) nötig.

II. Die Mitteilungssitzung Der Termin zur Mitteilung des Ergebnisses ist eine gute Gelegenheit, die Inhalte des Aufklärungsgesprächs vor dem Test zu vertiefen. Es ist wichtig, bei beiden Terminen gleichbleibende Informationen zu geben. Die Ergebnismitteilung ist aus mehreren Gründen ein kritischer Punkt. Wenn in der Sitzung sensibel vorgegangen wird, dann wird sie den Patienten helfen, mit den unmittelbaren seelischen Folgen des Testergebnisses gut umzugehen. Sie erhalten eine lebensentscheidende Information. Klienten können als Ergebnis der Testteilnahme an Beziehungsstörungen, Depressionen und Ängsten, Impotenz, einem Fremdheitsgefühl gegenüber der Außenwelt (Alienation), Schlafstörungen und anderen beunruhigenden Empfindungen leiden. In diesem Gespräch kann der Arzt mit dem Testteilnehmer einen Gesundheitsplan entwickeln. Die Klienten brauchen einen Plan, wie mit dem Testergebnis und den Testinformationen umzugehen ist. Die Kenntnis weiterer Hilfsangebote wird dem Getesteten dabei helfen. Um dem Klienten in diesen Gesprächen effektiv helfen zu können, sollte ein Berater eine spezielle Ausbildung erhalten. Dazu sollten Rollenspiele über die Ergebnismitteilung gehören und die Vermittlung von Techniken zur schnellen Beurteilung einer Situation, zur Krisenintervention und zu einer wirkungsvollen Verknüpfung der verschiedenen Hilfsangebote. Ein Berater sollte möglichst auch Erfahrung im Umgang mit bestimmten Bevölkerungsgruppen haben, besonders mit Schwulen und Bisexuellen, Fixern, Fixerinnen und Minderheiten. Damit sich die Klienten bei der Ergebnismitteilung nicht verkrampfen, müssen die Berater schnell zu Sache kommen. Grundsätzlich aufmerksames Verhalten wie Augenkontakt, beteiligtes Zuhören und Reagieren und ganz „bei dem Menschen" zu sein werden diesen Prozeß erleichtern.

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Man sollte die psychosoziale Lage des Getesteten kennen, insbesondere seine Erwartungen eines positiven oder negativen Ergebnisses, das von ihm selbst vermutete Risiko und das Ausmaß seiner Besorgnis sowie seine Fähigkeit, mit Streßsituationen zurechtzukommen. Die Ärzte müssen auch die Tragfähigkeit der sozialen Bezüge des Klienten ermitteln.

III. Das Testergebnis Die Mitteilung selbst erfolgt am effektivsten, wenn sie unumwunden mit direktem Augenkontakt und ohne unangemessene Betroffenheit gemacht wird. Ist das Testergebnis bekannt, dann sollte der Berater der Versuchung widerstehen, das nun eventuell eintretende Schweigen zu füllen. Durch das Beobachten verbaler und nichtverbaler Signale kann er die Reaktion des Klienten einschätzen und kann beurteilen, wann dieser zu einer Diskussion des Ergebnisses bereit ist. Die Klienten reagieren auf das Testergebnis verschieden. Einige sind schockiert und zum Sprechen unfähig, andere drücken unterschiedliche, oft starke Gefühle wie Wut, Traurigkeit, Furcht, Freude oder Erleichterung aus. Die gefühlsmäßige Reaktion auf den Test bestimmt das Vorgehen beim Rest der Sitzung. Durch aktives Zuhören und „zurückspiegelnde" Stellungnahmen kann der Berater Verständnis zeigen und den Patienten dazu bewegen, die gegebene Information zu integrieren. Bei diesem Vorgang sollte sicher sein, daß die Klienten a. b. c.

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verstehen, was das Ergebnis auf der Verstandesebene bedeutet, einschließlich des medizinischen Wissens und der Folgen für ihr Leben, die emotionale Bedeutung des Testergebnisses wahrnehmen, einen Plan für ihr Gesundheitsverhalten aufstellen, der die Möglichkeit, sich selbst zu infizieren oder andere anzustecken vermindert oder ausschließt und die Gefahr verringert, Aids oder ARC zu entwickeln, eine Bewältigungsstrategie für die zwischenmenschlichen Auswirkungen des Ergebnisses lernen.

Die Erfahrung zeigt, das einige Testteilnehmer die Bedeutung eines positiven Ergebnisses entweder verzerrt wahrnehmen, exzessiv darüber grübeln oder sie übertreiben. Oft erleben Klienten eine schwierige Anpassungsphase, die ungefähr einen Monat lang dauert. Die Berater sollten den Betroffenen auf diese mögliche Reaktion vorbereiten, um so die eventuell auftretenden Reaktionen zu normalisieren und das Streßniveau des Klienten zu verringern. Die Klienten sollten ihren Gefühlen freien Lauf lassen können, um die Wucht des Testergebnisses integrieren zu können. Für einige Menschen hat die Mitteilung eine solche Wirkung auf ihre Gefühle, daß der Berater sich die meiste Zeit der Gesprächs

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auf die emotionale Stützung konzentrieren muß. Diese Intervention soll den Klienten in die Lage versetzen, die Sitzung relativ gefestigt zu verlassen. Das Entwerfen eines Verhaltensplans zur Gesundheitsverbesserung oder -erhaltung und zur Reduzierung des Risikos ist eines der Hauptziele dieses Termins. Neben den „Safer Sex"-Praktiken sollten auch die Co-Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehören Alkohol- und Drogenmißbrauch, Streß, andere virale Infektionen und Mangelernährung. Die Erstellung dieses Plans bedeutet, Verhaltensziele zu setzen und Strategien zur ihrer Umsetzung auszuwählen. Es müssen also Strategien sein, die gleichermaßen sinnvoll wie durchführbar sind. Es ist wichtig, einen Plan für den Umgang mit dem Testergebnis zu entwickeln. Dieser Plan muß, je nachdem wer über den Antikörperstatus des Menschen zu informieren ist, verschiedene Strategien umfassen. Die Information von Ärzten, Versicherungen oder Arbeitgebern muß zum Beispiel anders erfolgen als die von früheren oder jetzigen Sexualpartnern, Freunden oder Familienmitgliedern. Die Mitteilung an wichtige Bezugspersonen kann die Beziehung bedrohlich beeinträchtigen und muß sensibel behandelt werden. Manchmal hilft es, einzelne Aspekte der Mitteilung an eine bestimmte Person exemplarisch durchzudiskutieren oder ein Rollenspiel der möglichen Problemsituation zu machen.

IV. Zusammenfassung und Weiterleitung Am Ende der Sitzung sollte der Berater versuchen, die hervorstechendsten Themen des Interviews noch einmal zusammenzufassen. Dies kann dem Klienten bei der Erinnerung an die wichtigsten Aspekte helfen und bietet Gelegenheit, verbleibende Fragen zu stellen. Beim Abschluß des Gespräches ist es wichtig, Anlaufadressen für weitere Information, für medizinische und soziale Hilfestellung, für Hilfe bei der Erstellung des Gesundheitsplans und für emotionale Unterstützung mitzugeben. Es können auch schriftliche Unterlagen übergeben werden, die verschiedene Hilfsangebote beschreiben. Weitere Gespräche können Informationen aus der Sitzung, in der das Ergebnis mitgeteilt wurde, wiederholen und die Zukunft vorbereiten. Die Mitteilung der Testergebnisse entgegenzunehmen, ist nur der erste Schritt in einem langen Prozeß. Weil Testpositive wahrscheinlich ihr Leben lang infektiös bleiben, wird weitere Hilfe zur Einleitung und zur Durchführung nötiger Veränderungen gebraucht, besonders für diejenigen, die nach der Bekanntgabe des Testergebnisses Streßreaktionen erleben. Einige Menschen entwickeln zwar länger anhaltende Depressionen, fühlen sich isoliert und gebrandmarkt, werden impotent und erleben Panik oder Angstneurosen. Die meisten Klienten können sich der Situation aber gut anpassen. Einigen Testteilnehmern hilft es, wenn man ihnen eine Unterstützungsgruppe anbietet. Wir glauben, daß es für die medizinischen Mitarbeiter wichtig ist, sich über die tiefgreifenden Konsequenzen des Tests für diejenigen, die ihr Ergebnis mitgeteilt be-

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kommen, bewußt zu sein, und zwar trotz berechtigter Meinungsunterschiede über den Gebrauch des Tests in verschiedenen Situationen. Wie oben ausgeführt, muß die Mitteilung des Ergebnisses von angemessener Beratung begleitet sein. Solche Hilfestellung kann die Anpassung des Patienten an die persönliche Bedeutung des Tests erleichtern; sie kann ebenso durch eine Reduzierung der Krankheitsausbreitung dem öffentlichen Wohl dienen. Ein Test ohne Beratung erfüllt keine dieser Aufgaben.

Familienberatung Wenn jemand durch eine HIV-Infektion erkrankt oder auch nur ein positives Antikörpertestergebnis erhält, so sind sofort auch seine Familienangehörigen in verschiedener Weise mitbetroffen. Und dabei darf der Begriff der Familie nicht zu eng ausgelegt werden. Je nach Fall ergeben sich nämlich praktische Probleme, Ängste und Sorgen für die Intimpartner bzw. Ehepartner, Kinder, Eltern, Geschwister, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Bekannten. Es ist also keine Frage, daß die Familientherapie im weitesten Sinne eine wichtige Rolle bei der Aids-Beratung und -Betreuung spielen muß und wird. Es wird also auch notwendig sein, entsprechende Lehrmaterialien und Ausbildungsprogramme für Therapeuten zu schaffen. Inzwischen können die beiden hier folgenden Texte vielleicht erste Orientierungshilfen leisten. Sie stammen von der San Francisco Aids Foundation, die von Anfang an ein weitgefächertes Angebot von Heftchen, Broschüren und Faltblättern für vielerlei Zwecke hergestellt hat. Darunter finden sich Titel wie „Ein klares Wort zu Sex und Aids", „Alkohol, Drogen und Aids", ,,'Poppers' (Amylnitrit) - Deine Gesundheit und Aids - Kannst Du Dir das Risiko leisten?", „Frauen und Aids", „Lesbierinnen und Aids - Gibt es eine Verbindung?", „Wenn ein Freund Aids h a t . . . " , „Aids am Arbeitsplatz", „Wie man sein Testament macht - also seine Angelegenheiten in Ordnung bringt''. Der hier abgedruckte Text „Aids in der Familie" stammt aus einer Serie von drei Broschüren, die in San Francisco eine gewisse Einheit bilden. Die erste, „Umgang mit Aids", ist dazu bestimmt, dem Patienten bei seiner Diagnose überreicht zu werden. Sie enthält medizinische, psychologische und organisatorische Grundinformation. Die zweite Broschüre „Aids-Krankenhausführer" wird dem Patienten bei Einlieferung ins Krankenhaus übergeben. Sie enthält Beschreibungen der verschiedenen administrativen, diagnostischen und therapeutischen Prozeduren und soll sowohl die Orientierung allgemein als auch die Kommunikation zwischen Ärzten, Pflegern und Patienten erleichtern. Diese beiden Texte wären natürlich für deutsche Verhältnisse passend neu zu schreiben und regelmässig auf den neuesten Stand zu bringen. Die dritte, hier teilweise wiedergegebene Broschüre, ist für die Familie der Patienten bestimmt. Gerade zu Beginn der Epidemie ergaben sich ja für solche Familien oft sehr plötzlich sehr dramatische Situationen, in denen sie dringend Rat und Hilfe brauchten, sich aber alleingelassen fühlen. Nicht selten erfuhren etwa nichtsahnende Eltern völlig überraschend und gleichzeitig, daß ihr Sohn homosexuell und todkrank war. Die dem Patienten verbleibenden Monate oder Wochen mußten also zur Aufarbeitung vieler verdrängter oder aufgeschobener Probleme genutzt werde eine Aufgabe, die manchmal ohne die eine oder andere Form der Familientherapie

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gar nicht zu bewältigen ist. Hier konnte wenigstens die besondere Broschüre einen kleinen, hilfreichen Anstoß geben. Das Faltblatt „Dein Kind und Aids" hat eine ähnliche Funktion. Es liefert gewisse Grundinformationen, die möglicherweise in gezielter, individueller Beratung weiter vertieft werden müssen.

Ein Wegweiser zum Thema „Aids in der Familie'' Michael Helquist Warum der folgende Text für Sie wichtig sein könnte Wenn sich irgendjemand in Ihrer Familie eine Aids-Infektion zugezogen hat, dann werden Sie sich wahrscheinlich fühlen, als sei Ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Sie werden nicht nur eine Vielzahl von medizinischen Fragen haben, sondern höchstwahrscheinlich auch voller Angst, Ärger und Traurigkeit sein und sich sehr verwirrt und frustriert fühlen. Es ist eine sehr schwere Erfahrung, für jemanden sorgen zu müssen, der an einer lebensgefährlichen Krankheit leidet. Dieser Text wurde für Verwandte von Menschen geschrieben, bei denen eine Aids-Infektion festgestellt wurde. Er enthält Vorschläge für den Umgang sowohl mit dem Patienten als auch mit sich selber in dieser schweren Zeit. Ihr Hauptaugenmerk wird sich vermutlich zunächst auf das körperliche und seelische Befinden Ihres Angehörigen richten. Aids-Infizierte erleben in der Regel tiefgreifende Veränderungen, wenn diese lebensgefährliche Erkrankung bei ihnen festgestellt wurde. Oft wandelt sich ihr Leben von Grund auf. Abgesehen von der Verschlechterung des Gesundheitszustandes, trüben sich die Zukunftsaussichten und verändern sich die Beziehungen zu anderen Menschen. Manche müssen auch mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes fertig werden, mit dem Ende ihrer Unabhängigkeit, der Aufgabe ihrer Wohnung, müssen mit weniger Geld auskommen, müssen lange Krankenhausaufenthalte mit anstrengenden Behandlungsprogrammen durchmachen. Es belastet die Betroffenen erheblich, daß sie nicht genau einschätzen können, was aktuell mit dem Körper passiert, und erst recht nicht, was demnächst passieren wird. Zusätzlich müssen sie sich mit dem Gefühl der Isolation von Freunden und der Angst vor dem Sterben auseinandersetzen. Eltern, Geschwister, andere Verwandte, Partner und Freunde werden so für einen Aids-Kranken wichtiger als je zuvor.

Die Familie eines Aids-Kranken In San Francisco sind die Aids-Kranken in der Mehrzahl schwule Männer. Eltern und Verwandte vieler dieser Männer leben nicht in der gleichen Gegend. Vielleicht ist es bei Ihnen ähnlich. Viele Schwule haben eine „erweiterte Familie" entwickelt mit engen Beziehungen zu anderen Männern und Frauen. Dieses Beziehungsnetz er,,The Family's Guide to Aids: Responding with Your Heart", eine Broschüre der San Francisco Aids Foundation, San Francisco 1984

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weist sich häufig als eine wertvolle Unterstützung, vor allem in schwierigen Zeiten. Gut möglich, daß diese engen Freunde auch für Sie zu einer Quelle von Trost und Hilfe werden. Eine Mutter, die von ihrem Heim an der Ostküste nach San Francisco gekommen war, um ihren Sohn zu besuchen, empfand die Anwesenheit seiner Freunde als sehr beruhigend. In ihren Worten: „Im Krankenhaus erlebte ich, wie alle diese Freunde vorbeikamen, um nach ihm zu sehen. Mir wurde klar, daß er auch hier in San Francisco eine Familie hat. Er nennt seine Freunde seine Familie, und das verstehe ich. Ich konnte nachempfinden, wieviel Liebe ihm entgegengebracht wurde. Und das hat mich beruhigt. Ich wußte, er war in guten Händen." Wenn Sie einmal Gesprächspartner brauchen, die Ihren Sohn gut kennen, dann sind dies die Leute, an die Sie sich wenden können. Sie werden aller Voraussicht nach gerne bereit sein, beim Ausfüllen von Versicherungsformularen, bei Hausarbeiten oder bei der Pflege zu helfen. Wenn Ihnen die Stadt fremd ist, wenn Sie Transportprobleme haben oder wenn Sie Informationen über verfügbare Dienstleistungen brauchen, dann sind diese Menschen die geeigneten Ansprechpartner.

Sie können helfen Manche Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die schwerpunktmäßig mit lebensgefährlich Erkrankten arbeiten, vertreten die Ansicht, daß das einzig wirklich Wichtige, was eine Familie ihren Angehörigen anbieten kann, die Bereitschaft ist, gemeinsam mit ihnen durch diese Erfahrung zu gehen. Ihre Bereitschaft, dem Kranken während dieser schweren Zeit beizustehen, kann Ihnen eine Menge Verzweiflung und Sorge bereiten. Dabei bleiben Ihre eigene Gesundheit und Ihr eigenes Wohlbefinden weiterhin sehr wichtig. Vielleicht möchten Sie mit jemandem sprechen, der Sie unterstützen kann. Vielleicht finden Sie es hilfreich, Ihre Ängste und Sorgen Ihrem Angehörigen einzugestehen. Das könnte ein Teil dieses gemeinsamen Weges sein. Möglicherweise möchten Sie sich auch jemand anderem anvertrauen. Viele Menschen neigen dazu, ihre eigenen Gefühle zu vernachlässigen, während sie sich auf den Kranken konzentrieren. Manche Ihrer eigenen Bedürfnisse werden vielleicht vorübergehend beiseitegeschoben. Trotzdem sollten Sie daran denken, wie wichtig Ihre Gesundheit nicht nur für den Kranken ist, sondern auch für Ihre anderen Lieben. An Aids erkrankte Menschen möchten nicht die ganze Zeit über die Krankheit nachdenken oder reden. Es ist oftmals wichtig für sie, sich als ein Teil des Alltagslebens zu begreifen und die täglichen Neuigkeiten aus der Familie und dem Freundeskreis zu hören. Auch Humor kann ein unschätzbares Hilfsmittel sein, ein bißchen Perspektive im Zusammenhang mit einer Aids-Diagnose zu gewinnen.

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Jemand mit einem lebensbedrohlichen Leiden kann sich isoliert und plötzlich abgeschnitten vom bisherigen Leben fühlen. Zur wichtigsten Zeit wird die Gegenwart. Ermutigen Sie den Kranken, täglich die Dinge zu erledigen, die er erledigen kann. Unterschätzen Sie die Auswirkungen der Krankheit nicht, aber verhalten Sie sich auch nicht übertrieben beschützend. Machen Sie Mut zu aktiver Teilnahme an den Gesprächen und Tätigkeiten der Familie. Wenn Sie den Patienten im Krankenhaus besuchen, so stellen Sie sich auf natürliche Gesprächspausen ein. Sie müssen nicht unbedingt irgendetwas sagen. Entspannen Sie sich im Schweigen. Ihre Gegenwart ist oft wichtiger als Ihre Worte. Eine Berührung oder ein Lächeln können mehr Zuneigung und Beruhigung ausdrücken. Ihr Angehöriger wird wissen wollen, daß diese Krankheit Ihre Liebe und Zuneigung nicht geschmälert hat. Nahezu jeder, bei dem Aids festgestellt wurde, ist fest entschlossen, sich zu erholen und gesund zu werden. Viele sehen sich im Kampf um ihr Leben, übernehmen eine aktive Rolle, damit es ihnen besser geht. Die meisten wünschen und brauchen die Unterstützung ihrer Angehörigen bei diesem Unternehmen. Viele Menschen mit Aids erkennen, daß sie eine lebensgefährliche Erkrankung haben, weisen jedoch die Vorstellung zurück, daß sie an Aids sterben werden. Ein Aids-Kranker schrieb: „Ich fühle mich nicht wie ein Patient - passiv, ängstlich und unbeweglich. Eher bin ich ein aktiver Teilnehmer im Kampf um meine Gesundheit, indem ich mit den Ärzten zu sammenarbeite, meine Genesung voranbringe, meine Ängste eingestehe und über alles dies spreche, so gut ich das kann." Sie können mithelfen, die Erholung zu unterstützen, indem Sie sich mehr auf seine Bemühungen konzentrieren, daß es ihm besser geht, als auf die Tatsache, daß er krank bleibt.

Bewältigungsstrategien Die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit kommt wie ein Schock. Es ist nicht ungewöhnlich, daß solche Menschen voller Wut, Angst, Verwirrung und einer allgemeinen Ratlosigkeit sind. Diese Gefühle können zuweilen unvermittelt und gewaltsam hereinbrechen. Da oft erwartet wird, daß die Liebe innerhalb einer Familie beständig bleibt, egal was kommt, könnte es sein, daß Sie und andere Familienmitglieder als die einzigen Personen angesehen werden, die als eine risikolose „Zielscheibe" für derartige Gefühle dienen kann. Eine Aids-Diagnose wird vielleicht zeitweise zu schwerwiegend sein, um von der betroffenen Person bewältigt zu werden. Dann kann der Wunsch aufkommen, umsorgt zu werden und sich gehen zu lassen. Familienmitglieder stehen oft vor der Her-

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ausforderung, hier Unterstützung zu gewähren, ohne sich übertrieben beschützend zu verhalten. Der Aids-Kranke kann von seiner Krankheit nicht gerettet werden. Sie können Unterstützung anbieten und eine Schulter, an die er sich lehnen - und an der er sich vielleicht ausweinen - kann, aber der Betreffende wird selbst eine Methode entwickeln müssen, wie er die Diagnose bewältigt. Obwohl Aids auch Heterosexuelle infiziert hat (1986 in den USA 2,2%), sind die Mehrzahl der an Aids Erkrankten schwule und bisexuelle Männer. Das heißt nicht, daß Aids eine „Schwulen-Seuche" ist. Jedoch führt dieser Zusammenhang bei einigen Eltern zu Diskussionen über die Homosexualität ihres Sohnes. Es gibt eine Menge von Gründen, warum viele Männer vorher ihre Homosexualität gegenüber den Eltern nicht eingestanden haben. Sich einer solchen Diskussion jetzt zu unterziehen, wo Sie dabei sind, mit der Diagnose einer ernsten Krankeit fertig zu werden, kann sehr schwierig sein. Vielleicht sind Sie schockiert, überrascht, verletzt und wütend. Vielleicht wissen Sie nicht, was Sie Freunden und Nachbarn erzählen sollen. Vielleicht wollen Sie sich einem zuverlässigen Freund anvertrauen oder einem Geistlichen. Vielleicht sind Sie aber auch stolz darauf, daß Ihr Sohn sich entschieden hat, sein Leben so zu leben, daß er mit sich selber im reinen ist. Das, was für viele Eltern in dieser Zeit am wichtigsten wird, ist die Liebe, die sie ihrem Sohn entgegenbringen. Wenn das zum Ausdruck gebracht und bekräftigt wird, dann können andere Überlegungen etwas in den Hintergrund treten. Die unmittelbaren medizinischen Folgen sind bei manchen Menschen, bei denen Aids festgestellt wurde, ernster als bei anderen. Wenn Untersuchungen, Behandlung und Krankenhausaufenthalte häufig werden, verliert das Leben des Aids-Kranken und das seiner Angehörigen den normalen täglichen Rhythmus und wird oft sehr schwer. Wenn Sie in diese Situation geraten, denken Sie an die nachfolgenden Ratschläge: Eintreten für den Patienten: Das Erlebnis des medizinischen „Apparates" kann schon für eine Person mit gutem Gesundheitszustand überwältigend sein. Die weißen Flecken in der Kenntnis über Aids bringen es mit sich, daß es oft zahlreiche Untersuchungen, Gutachten und Ansichten gibt. Da kann es sehr hilfreich sein, ein oder zwei andere Ihrem Angehörigen nahestehende Personen dabei zu haben, die den Ausführungen der Ärzte mit zuhören, die Fragen stellen und Notizen machen. Information hilft, die Angst zu vermindern. Weiterhin können Sie dazu beitragen, ein enges Verhältnis zum Personal in der Klinik oder der Arztpraxis aufzubauen. Lassen Sie das Personal wissen, daß Sie interessiert sind und daß Sie höflich, aber bestimmt die Bedürfnisse des Patienten durchsetzen werden. Werden Sie ein Partner in der medizinischen Versorgung und stellen Sie Fragen, wenn Ihnen etwas unklar ist. Es gibt guten Grund für Bestimmtheit im Krankenhaus: Alle Institutionen haben ihre eigenen täglichen Abläufe, die für ihre Erfordernisse die besten zu sein schei-

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nen. Ob diese Routinen allerdings auch die besten für den Patienten sind, steht auf einem anderen Blatt. Zum Beispiel muß ein Krankenzimmer nicht unbedingt zu einem vorgegebenen Zeitpunkt sauber gemacht werden; man kann das Personal auch auffordern, zwanzig Minuten zu warten. Der Kranke kann sich auch ein größtmögliches Maß an Privatsphäre ausbitten - nicht nur von den Besuchern, sondern auch vom Personal. Das Krankenzimmer: Im Krankenzimmer könnten Sie die Atmosphäre so angenehm wie möglich machen. Blumen, Musik, selbstgekochtes Essen und alles, was Ihr Angehöriger sonst noch gerne mag, sind dazu geeignet. Manchmal ist es für den Patienten angenehmer, wenn Schweigen im Zimmer herrscht, und einige Besucher werden wohl erst lernen müssen, sich dabei wohlzufühlen. Ruhige Hintergrundmusik, vielleicht eine leichte Massage oder auch nur das ruhige Halten seiner Hand können den den Patienten entspannen. Wenn er das Zimmer mit einem anderen Patienten teilt, so sollten Sie dessen Bedürfnisse aber ebenfalls berücksichtigen. Wenn Ihr Angehöriger für längere Zeit im Krankenhaus ist, so achten Sie darauf, daß andere - Freunde und Verwandte - Ihnen bei den Besuchen behilflich sind. Machen Sie mal eine Pause, schöpfen Sie frische Luft bei einem Spaziergang. Auch Sie brauchen Augenblicke der Entlastung und des Ausruhens. Informationen herausschaffen: Es ist wahrscheinlich hilfreich, wenn ein oder zwei Freunde als Kontaktpersonen für einen größeren Freundes- und Bekanntenkreis dienen, der am Krankheitsverlauf interessiert ist. Diese Kontaktpersonen könnten ihre Telefonnummer als Anlaufstelle für die anderen zur Verfügung stellen. Nicht in der Fragenflut unterzugehen, wirklich notwendige Informationen aber weiterzugeben - das ist ein schwieriger Balanceakt. Manche Familien haben gute Erfahrungen damit gemacht, einen Anrufbeantworter anschließen zu lassen, dessen Botschaft in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird. Formularkrieg: Unter Umständen ist der Aids-Kranke weder in der Lage noch dazu bereit, sich um all die Versicherungsformulare, Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen etc. zu kümmern. Eine andere Person könnte viel Druck von dem Kranken nehmen, indem sie die Rolle des „Geschäftsführers" spielt. Vielleicht könnte irgendeiner die nichtärztliche Post auf wichtige Rechnungen, Schecks und Briefe „überwachen".

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Medizinische Probleme: Sie oder irgendjemand anders sollten sich um die Medikation kümmern. Welche Medikamente müssen eingenommen werden und wann? Fragen können auftauchen wie: Ist es richtig, jetzt noch einmal ein Schmerzmittel zu nehmen? Wann wurde das letztemal eines eingenommen? Außerdem sollten Sie wissen, wer im Notfall anzurufen ist.

Persönliche Angelegenheiten: Seine persönlichen Sachen in Ordnung zu halten, ist schon für die meisten von uns Gesunden eine gute Idee. Hat Ihr Angehöriger ein gültiges Testament? Wissen Sie, wo es aufbewahrt ist? Gibt es eine Liste der Bankkonten, offenen Rechnungen, unerledigten Darlehen usw.?

Seelische Belastung: Die Beanspruchung durch eine schwere Krankheit belatet jeden, der damit zu tun hat, sehr stark. Ein gut Teil dieser Erfahrung läßt sich mit dem Ehegatten, anderen Familienmitgliedern oder engen Freunden teilen. Vieles jedoch mag zu persönlich sein, um es anderen mitzuteilen. Das kann sehr frustrierend sein. Möglicherweise belasten diese schwierigen Ereignisse auch Ihr Verhältnis zu anderen Bezugspersonen erheblich. Sich dieser natürlichen Folge bewußt zu sein und die Bereitschaft, sich darüber auszusprechen, könnte sich als entlastend erweisen. Manche Familien haben die Erfahrung gemacht, daß derartige Schwierigkeiten letztendlich Verständigung und Liebe untereinander gefestigthaben.

Angst vor Aids Jede neue lebensgefährliche Krankheit, bei der noch keine Heilungsmöglichkeit bekannt ist, kann Angst auslösen. Auch die Aids-Diskussion in den Medien hat häufig ungerechtfertigte Ängste geweckt. Die Fachleute nehmen aber an, daß Aids nicht leicht auf andere Personen übertragen wird. Es gibt keinen Grund für die Furcht, sich Aids „einzufangen", wenn man nur mit einem Aids-Kranken im gleichen Raum ist oder die gleiche Wäsche und Küchensachen benutzt - nach sorgfältiger Reinigung, versteht sich. Es gibt bislang keinen Grund für die Annahme, daß Aids über gelegentliche Kontakte im Haushalt verbreitet wird! Andere - Verwandte, Nachbarn, Freunde - benötigen vielleicht mehr Informationen über Aids und vielleicht benötigen sie auch die Korrektur von Fehlinformationen. Es ist aber wichtig, daß Besucher im Interesse des Aids-Kranken gewisse Re-

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geln der Infektionsverhütung beachten. Der Aids-Kranke muß nicht unbedingt auch noch einen Kampf mit den gewöhnlichen Viren und Infektionen - wie z.B. Erkältungen, Husten oder Grippe - führen, während er sich bemüht, sein geschädigtes Immunsystem zu vefbessern. Weisen Sie Besucher an, ihre Besuche zu verschieben oder sich lieber telefonisch zu melden, solange sie sich selber nicht wohlfühlen. Vielleicht haben Sie nicht Angst, selbst Aids zu bekommen, denken aber mit Schrecken an die Wirkungen, die diese Krankheit für Ihren Angehörigen hat. Die Ungewißheit und die Angst, ihn zu verlieren wird Sie sehr quälen. Es ist wichtig, daß Sie Ihre Ängste zugeben und über sie, wenn möglich, reden. Ihre Unterstützung wird gebraucht; aber Angst blockiert die Fähigkeit, Verständnis und Zuneigung auszudrücken. Diese aber sind die Geschenke, die Sie ihrem Angehörigen machen können. Es gibt zahlreiche Broschüren, aus denen Sie und andere Informationen über die jüngsten medizinischen Erkenntnisse gewinnen können. Zögern Sie auch nicht, dem behandelnden Arzt die Fragen zu stellen, die Ihnen auf den Nägeln brennen, und achten Sie darauf, daß seine Antworten auch sinnvoll für Sie sind.

Zusammenleben mit einem Aids-Kranken Wenn irgendjemand aus Ihrer Familie Aids hat, dann werden Sie ihn besuchen oder bei ihm wohnen wollen. Sie werden sich fragen, ob man irgendwelche speziellen Verhaltensregeln beachten muß. Hier sind ein paar Vorschläge: — Die Beachtung der üblichen Hygiene-Regeln reicht völlig aus, um Sicherheit vor Ansteckung zu gewährleisten, wenn man mit einem Aids-Kranken zusammenlebt. Gemeinsame Benutzung von Bad und Küche ist kein Problem. Möglicherweise ist es keine gute Idee, dasselbe Glas oder Besteck zur gleichen Zeit zu benutzen, aber gemeinsam Geschirr zu verwenden, das mit Spülmittel und warmem Wasser nach je dem Gebrauch gespült wurde, dürfte wohl absolut risikolos sein. Benutzen Sie aber nicht dieselbe Zahnbürste oder denselben Rasierapparat. — Taschentücher, Pflaster und Verbände, die von einem Aids-Kranken benutzt wurden, sollten in eine Tüte oder einen separaten Mülleimer weggeworfen werden. Händewaschen nach dem Kontakt mit solchen Sachen ist empfehlenswert. — Wäsche sollte mit heißem Wasser gewaschen werden. Benutzen Sie eventuell eine Desinfektionslösung im Waschwasser, wenn die Wäsche mit Blut oder anderen Sekreten verschmutzt ist. Tragen Sie Handschuhe, wenn Sie Verletzungen an den Händen haben, und waschen Sie hinterher Ihre Hände mit Seife und warmem Wasser. — Wenn Haustiere gehalten werden, sollte nicht gerade der Aids-Kranke das Aquarium, das Katzenklo oder den Vogelkäfig säubern. Es könnten nämlich

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darin für ihn eventuell gefährliche Bakterien sein. Katzenklos sollten täglich saubergemacht werden. — Eine ausgeglichene Ernährung ist besonders wichtig für alle, die versuchen, ihr Immunsystem wiederherzustellen oder zu erhalten. Manchmal kann die Aufnahmefähigkeit für bestimmte Speisen verringert sein; ein Eiweißtrank (Reformhäuserund Apotheken) kann Abhilfe schaffen. Besondere Erfordernisse bei der Ernährung ergeben sich, wenn der Patient in jüngerer Zeit Gewicht verloren hat, unter Appetitmangel oder Durchfall leidet oder Alkoholmißbrauch getrieben hat. Sprechen Sie sich mit dem Hausarzt ab, wenn Sie Fragen zur Diät haben, oder fragen Sie einen Ernährungsberater (Verbraucherzentralen), der sich mit Aids auskennt. Vergessen Sie aber auch nicht Ihr eigenes Nahrungsbedürfnis, vor allem wenn Sie eine Menge Streß über sich ergehen lassen müssen. Auch Ihr guter Gesundheitszustand ist sehr wichtig. — Sie können Ihren Angehörigen ermutigen, sich genügend Ruhe zu gönnen - sowohl bei einem Nickerchen als auch beim Nachtschlaf - aber auch, sich zu bewegen. Machen Sie sich aber klar, daß manchmal das Schlafen schwierig ist; Ruhelosigkeit kann die Entspannung erschweren. Auch dies alles kann zuweilen sehr anstrengen. Vielleicht halten Sie sich für aufdringlich, wenn Sie darauf bestehen, daß der Kranke mehr ißt oder mehr schläft, irgendetwas, damit es ihm besser geht. Ihre Gefühle sind natürlich, vielleicht brauchen Sie aber selber Entspannung. Ein bißchen Humor kann Ihnen durch diese anstrengende Zeit hindurchhelfen. Wenn Sie daran denken, manchmal tief Luft zu holen und gewissermaßen einen Schritt zurückzutreten, sehen Sie die Dinge sicher in einem rosigeren Licht.

Ihr Kind und Aids

Sind Sie Eltern von Kinderhort- oder Schulkindern? Sind Sie in Sorge, daß Ihr Kind mit einem Kameraden in Berührung kommen könnte, der Aids hat? Alle Eltern sind besorgt um das Wohlergehen ihrer Kinder. Das gilt vor allem beim Auftreten einer gefährlichen Krankheit. Es ist wichtig für Sie, zu wissen, daß Ihr Kind nicht durch Kontakt mit anderen Kindern in der Schule oder auf dem Spielplatz in Gefahr gerät, an Aids zu erkranken. Obwohl es zu Aids eine Menge unbeantworteter Fragen gibt, weiß man doch viel über die Übertragungswege. Zweck dieses Textes ist, Ihnen die wichtigsten Fragen zu Aids und zu der entsprechenden Schul-Gesundheitspolitik zu beantworten. Aids ist eine gefährliche Krankheit, aber es wird nicht leicht übertragen. Es ist eine Erkrankung des Immunsystems. Nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen wird Aids durch ein Virus verursacht, das sich durch sexuelle oder Blut-zu-BlutKontakte verbreitet. In den Vereinigten Staaten gibt es derzeit einige hundert Kinder unter 13 Jahren, bei denen eine Aids-Diagnose gestellt wurde. In allen untersuchten Fällen waren die Kinder entweder durch Blutprodukte mit dem Virus infiziert worden oder sie hatten sich die Infektion von der Mutter zugezogen, bereits im Mutterleib bzw. bei der Geburt. Es gab keine Fälle, in denen Kinder Aids von anderen Kindern bekommen hätten.

Was ist Aids? „Aids" ist die Abkürzung für „Acquired Immune Deficiency Syndrome", auf deutsch: erworbene Abwehrschwäche, also für eine Krankheit, die einen Teil des körpereigenen Immunsystems zusammenbrechen läßt. Dieser Zusammenbruch gibt den Körper einer Vielzahl von Krankheiten preis. Und es sind diese Krankheiten, die normalerweise keine Bedrohung für ein gesundes Kind oder einen gesunden Erwachsenen bedeuten, die nun zum Tode führen können.

Aus einem Faltblatt, das die San Francisco Aids Foundation in Zusammenarbeit mit der Medicai Society San Francisco, dem Gesundheitsamt von San Francisco und dem San Francisco Unified School District herausgegeben hat

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Was verursacht Aids? Aids wird verursacht durch ein Virus, das einen bestimmten Typ von Zellen des Immunsystems angreift. Das Virus wird inzwischen international ,,HIV-Virs" genannt. Es ist weder in der Luft vorhanden noch wird es durch Husten, Niesen oder Essen, gemeinsame Bestecke und gemeinsames Geschirr etc. übertragen. Das Virus ist bekannt dafür, daß es durch sexuelle oder Blut-zu-Blut-Kontakte verbreitet wird.

Wie bekommen Kinder Aids? Es gibt nur wenige spezifische und begrenzte Möglichkeiten, durch die das Aids-Virus auf Kinder übertragen wird: 1.

Von der Mutter während der Schwangerschaft oder bei der Geburt. Mütter, die mit Aids infiziert sind, können das Aids-Virus möglicherweise während der Schwangerschaft oder Geburt an ihr ungeborenes Kind weitergeben. Es ist auch möglich, daß das Aids-Virus eventuell durch die Muttermilch übertragen wird. 2. Bluttransfusionen oder Blutprodukte. Einige wenige Kinder haben Aids durch Blut oder Blutprodukte, die mit Aids verseucht waren, bekommen. Die gegenwärtig üblichen Überprüfungsprogramme haben allerdings die Möglichkeit, daß das passiert, auf nahezu Null gesenkt. 3. Einige Halbwüchsige haben sich Aids durch gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln und/ oder durch sexuelle Be tätigung zugezogen. Es gibt keine dokumentierten Fälle, in denen sich kleine Kinder Aids oder eine Aids-Virus-Infektion durch andere Kinder zugezogen haben.

Kann mein Kind Aids beim Spielen mit einem kranken Kind bekommen? Die Antwort ist: nein\ Das Aids-Virus ist nicht in der Luft vorhanden. Es ist niemals eine Übertragung aufgrund von Kontakt mit Kleidung, Essen, Geschirr, Geräten, Klositzen nachgewiesen worden, nicht einmal durch angekaute Federhalter. Ihr Kind kann nicht Aids dadurch bekommen, daß es dicht neben jemandem steht, der Aids hat. Auch Atmen, Niesen, Berühren, Husten und Balgereien haben sich nicht als Verbreitungswege für Aids erwiesen.

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Was ist mit Beißen? Es gibt keine dokumentierten Fälle von Aids-Übertragung durch Bisse. Um jedoch die Schulkameraden schon vor einer Vielzahl von möglichen anderen Infektionen zu schützen, schließen die für die Schule Verantwortlichen routinemäßig Kinder aus, die als Beißer bekannt sind. In Familien, in denen Kinder mit einem Bruder oder einer Schwester mit Aids gespielt, gegessen, geschlafen, sich geküßt oder gebalgt haben, gab es keine Fälle von Virus-Übertragung zwischen den Kindern oder zwischen Kindern und Erwachsenen.

Was ist mit Verletzungen eines Aids-kranken Kind? Es gibt kein Risiko für Ihr Kind. Die Haut ist eine ausgezeichnete Infektionsbarriere. Aids könnte nur übertragen werden, wenn infiziertes Blut direkt in den Körper Ihres Kindes eingebracht würde. Auch für den Fall, daß diese extrem unwahrscheinliche Situation eintreten würde, haben Forschungen gezeigt, daß das Risiko einer Virus-Übertragung äußerst niedrig ist. Die übliche Versorgung von Schnitten und Kratzern, Waschen mit Seife und Wasser u n d / oder der Gebrauch eines milden Antiseptikums werden Ihr Kind schützen.

Wird in Zukunft nicht vielleicht alles ganz anders gesehen? Eine Menge ist gegenwärtig über Aids bekannt. Aids und Aids-Übertragung sind sieben Jahre lang beforscht worden. Tausende von Aids-Fällen in den USA wurden studiert. Die sich ansammelnden Forschungsergebnisse weisen darauf hin, daß das wissenschaftliche Grundverständnis der Aids-Virus-Übertragung richtig ist und nicht in entscheidender Weise verändert werden wird.

Wie kann ich mein Kind in der Schule vor Aids schützen? Besondere Vorsichtsmaßnehmen sind nicht erforderlich. — Um unnötige Ängste zu vermeiden, sollten Sie sich die Fakten über Aids aneignen. — Dringen Sie darauf, daß auch Lehrer und Personal der Schule oder des Kinderhortes Ihres Kindes über Aids Bescheid wissen. — Fangen Sie an, Ihr Kind über Aids zu belehren. — Bestehen Sie darauf, daß Halbwüchsige immer dann über Aids informiert werden, wenn Sexualerziehung oder Drogenmißbrauch in der Schule behandelt werden.

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Was tun die örtlichen Schulen, um mein Kind zu schützen? In Kalifornien empfiehlt die staatliche Schulaufsicht zur Zeit, daß die jeweiligen Verwaltungsbezirke ihre eigene Aids-Politik entwickeln. Dabei sollen sie den Richtlinien der „National Centers for Disease Control" folgen, die folgendermaßen aussehen: — Kinder mit Aids sollten vor der Aufnahme in das öffentliche Schulsystem individuell überprüft werden. Diese Überprüfung sollte vom Arzt des Kindes zusammen mit den Eltern oder dem Vormund, dem örtlichen Gesundheitsamt und Vertretern der Schule durchgeführt werden. Wenn das Kind verhaltensgestört ist (z.B. ein Beißer ist), wenn es seine Ausscheidungen nicht kontrollieren kann, wenn es offene Verletzungen hat, die nicht verbunden werden können, oder wenn es zu krank ist, die Schule zu besuchen, sollte er oder sie zurückgewiesen werden. — Die vorgenannten Verfahrensweisen in Verbindung mit den vorhandenen Richtlinien zur Kontrolle der Verbreitung anderer Infektionskrankheiten reichen aus, um die Ausbreitung von Aids in Kinderhorten und Schulen zu verhindern. Die Anwesenheit eines Kindes mit Aids bedeutet keine Bedrohung für Ihr Kind oder andere Kinder. Kinder mit Aids sind in der Lage, ein aktives Leben zu leben. Während der Perioden mit gutem Gesundheitszustand gibt es keinen Grund, sie zu isolieren oder im Hause einzusperren. Die Liebe und die Unterstützung von Spielkameraden und Nachbarn können wesentlich zu ihrem seelischen und körperlichen Wohlbefinden beitragen.

II. Betreuung Wie schon bemerkt, geht eine Aids-Beratung oft in eine längere, intensive Betreuung über. Eine solche Betreuung erfordert aber neben besonderen Kenntnissen und gewissen Charaktereigenschaften noch einen persönlichen Einsatz, der nicht immer leicht zu erbringen ist. Wer Aids-Kranke betreut, braucht selbst bald Betreuung, um die seelische Belastung auszuhalten. Es empfiehlt sich also, entsprechende Gruppen einzurichten, in denen Betreuer sich regelmäßig aussprechen und aneinander Halt finden können. Diese gegenseitige Stützung wird dann ein selbstverständlicher Teil der Betreuungsarbeit. Das gilt auch für Ärzte und Pflegepersonal im Krankenhaus, die sonst leicht „ausbrennen". Bevor aber ein Aids-Kranker ins Krankenhaus eingeliefert wird, sollte das Personal eine besondere Schulung erhalten, um es auf die neuen Anforderungen vorzubereiten, für die Nöte und Rechte ihrer Patienten zu sensibilisieren, und um die üblichen Verfahrensweisen gegebenenfalls entsprechend ändern zu können. Gerade in diesem Punkt hat das städtische Krankenhaus in San Francisco (San Francisco General Hospital) Vorbildliches geleistet. Dort befindet sich neben dem festen Krankenhauspersonal auch ein Shanti-Betreuer ständig auf der Aids-Station. Jeder Wunsch des Patienten wird, soweit medizinisch vertretbar, respektiert. Das gilt besonders bei komplizierten, schmerzhaften, experimentellen oder fragwürdig lebensverlängernden Therapien. Der Patient bestimmt, wie und wieweit er medizinisch behandelt wird. Er bestimmt auch, wer seine „Angehörigen" sind, d.h. selbst in lebensbedrohenden Situationen werden die Besucher zugelassen, die er selbst zu sehen wünscht etwa sein Freund oder andere Bekannte, sogar vor seinen Blutsverwandten. Dies ist sehr wichtig bei schwulen Patienten, für die eine starre Besuchsregelung nur durch Familienmitglieder eine sinnlose Grausamkeit bedeuten würde. Die Patienten brauchen auch nicht unter Fremden zu sterben, sondern es werden Notbetten oder Pritschen für Besucher ins Krankenzimmer gestellt, damit sie auch über Nacht bleiben können. Dem Wunsch der allermeisten Patienten entsprechend besteht in San Francisco aber auch die Tendenz, Krankenhausaufenthalte soweit wie möglich abzukürzen oder sogar überhaupt zu vermeiden. Bei entsprechender Betreuung ziehen Patienten ein Krankenlager in den eigenen vier Wänden vor, und sie wollen auch zuhause sterben. Um diesen Wunsch zu erfüllen, ist es allerdings erforderlich, neue Formen der Betreuung zu entwickeln oder etwa bestehende Ansätze erheblich auszubauen. Dies sollte jedoch umso eher möglich sein, als dadurch auch eine erhebliche Kostensenkung erzielt wird.

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Die durchschnittlichen Behandlungskosten für einen Aids-Patienten liegen in den USA etwa zwischen 50 000 und 75 000 Dollar. Bei dieser Schätzung wird, vom Augenblick der Diagnose an, eine durchschnittliche Lebenserwartung von 7-13 Monaten zugrundegelegt. Weiterhin wird hier ein durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt von 35 Tagen angenommen. In San Francisco aber betragen die Durchschnittskosten pro Patient bei 11-13 Krankenhaustagen nur etwa 40 000 Dollar. Die Zahlen sind hier notgedrungen etwas vereinfacht, da derartige Berechnungen mit sehr vielen Variablen arbeiten und eigentlich sehr kompliziert sind. Im jetzigen Zusammenhang zählt aber allein das Prinzip: Die medizinischen Behandlungskosten für Aids-Kranke sind unbestreitbar in San Francisco erheblich niedriger als in den übrigen Vereinigten Staaten. Gleichzeitig ist aber, vom Standpunkt des Patienten aus, die Betreuung insgesamt besser als irgendwo sonst. Das ist vor allem den vorbildlichen örtlichen Selbsthilfeorganisationen wie der San Francisco Aids Foundation, dem Shanti-Projekt und Hospice zu verdanken. Zudem bietet selbst das städtische Krankenhaus individuelle Beratung, Stützungsgruppen, Hilfe bei der Wohnungssuche, 24Stunden-Telefonhilfe und ärztliche Überweisungen für ambulante Patienten. Nach ausführlichem persönlichen Gespräch mit ihrem Arzt entscheiden sich außerdem viele Patienten gegen gewisse teure, hinhaltende, aber letztlich vergebliche Therapien auf Intensivstationen. Es gibt noch eine Reihe von weiteren kostendämpfenden Faktoren in San Francisco, aber zu den wichtigsten gehören doch die erwähnten Organisationen, deren Leistungen zum allergrößten Teil kostenlos von Freiwilligen erbracht werden. Das Shanti-Projekt wird im folgenden anhand seiner Ausbildungsmaterialien genauer vorgestellt. Die zweite Organisation, Hospice, verdient hier aber eine gesonderte Kurzbeschreibung: Das Konzept einer besonderen Betreuung für Sterbende stammt ursprünglich aus England, wo Anfang der siebziger Jahre die Ärztin Cecile Saunders spezielle Sterbekliniken einrichtete und dafür den Namen Hospice wählte. Der Sinn dieser Betreuung war es, ein Sterben in Würde und ohne Schmerzen möglich zu machen. Aus diesen Anfängen entwickelten sich auch Programme für eine Sterbebegleitung zuhause, und ein solches Programm ist das Hospice in San Francisco. Wie es in seiner Selbstdarstellung heißt: „Hospice ist eine Philosophie und ein Beratungsprogramm für lebensgefährlich Erkrankte, darunter auch solche mit Aids. Hospice sorgt für die besonderen Bedürfnisse der Sterbenden. Es betont dabei das Wohlbefinden und den Willen, jeden verbleibenden Tag so intensiv wie möglich zu leben. Wenn keine realistische Hoffnung mehr auf Heilung besteht, bietet Hospice ein Programm fachlich kompetenter und mitfühlender Betreuung, die sowohl Schmerzen lindert als auch sonstige Symptome tödlicher Krankheit abmildert, seien sie nun körperlicher, seelischer oder spiritueller Art. Hospice-Fachleute und ehrenamtliche Helfer arbeiten als ein interdisziplinäres Team unter der Aufsicht des Hausarztes. Die häuslichen Dienstleistungen

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schließen ein: Medizinische und pflegerische Betreuung, tägliche, 24-stündige Verfügbarkeit auf Abruf, Hausarbeit und andere praktische Hilfe, seelische und spirituelle Stützung, Sozialarbeit und weitere Maßnahmen und Therapien, die das Wohlbefinden des Patienten heben können. Hospice bietet außerdem psychotherapeutische Hilfe für die trauernden Hinterbliebenene, ob Freunde oder Familienangehörige." Praktisch ist die Arbeit von Hospice so organisiert, daß für jeden Patienten ein Team von je einer Krankenschwester, einer angelernten Pflegekraft und einem freiwilligen Helfer bereitgestellt wird. Arzt und Krankenschwester sind, wie schon gesagt, rund um die Uhr auf Abruf verfügbar. Sehr wichtig ist aber auch der Einsatz freiwilliger Helfer, die den Sterbenden viele praktische Sorgen abnehmen und ihnen als gute Freunde bis zum Ende seelisch beistehen. Diese Art persönlicher humanitärer Hilfe kann kein Staat, keine Behörde, keine Organisation als solche leisten. Hier geht ein Mensch mit all seinen eigenen Stärken und Schwächen liebevoll und direkt auf einen Mitmenschen ein, der sich in letzter, äußerster Not befindet. Dieser Einsatz, der in San Francisco nicht nur von Shanti- und Hospice-Freiwilligen, sondern auch von vielen Unbekannten privat täglich erbracht wird, gehört zu den wenigen trostreichen Ergebnissen der Aids-Krise. Sie zeigt eben wie jede andere existentielle Bedrohung, daß sich im Ernstfall viele Männer und Frauen bewähren, daß, neben Aggression und Egoismus, doch auch viel Gutes in der menschlichen Natur schlummert. Hospice versorgt aber teilweise auch noch Patienten, die, obwohl HlV-infiziert, nicht unter die enge klinische Diagnose Aids passen. Deren verschiedene, leichte oder schwere, akute oder chronische Krankheiten werden gewöhnlich als Aids-bezogene Zustände (Aids-Related Conditions, ARC) bezeichnet. Aus verschiedenen, auch verwaltungstechnischen Gründen werden diesen Patienten in den USA nicht die gleichen sozialen Leistungen zuteil wie den Aids-Patienten. In San Francisco protestieren einige von ihnen seit über einem Jahr gegen ihre Vernachlässigung, indem sie sich im Eingang einer Bundesbehörde angekettet halten. Sie wechseln sich dabei in Wind und Wetter in Tag- und Nachschichten ab. Daß eine solche Demonstration notwendig werden konnte, enthüllt etwas von der Schattenseite der menschlichen Natur - Gleichgültigkeit, Abwehr, Bequemlichkeit, Intoleranz. Oft werden Aids- und auch ARC-Patienten von ihren Freunden und Familien im Stich gelassen oder sogar verstoßen. Viele verlieren ihren Arbeitsplatz und ihre Wohnung, und ihre Ersparnisse sind bald aufgebraucht. Manche finden dann Hilfe, aber nicht alle. Besonders schwierig wird es für kranke Fixer, Akoholiker oder Menschen mit geistigen oder seelischen Behinderungen. Sie werden oft zu Unberührbaren selbst unter den Ausgestoßenen. Manche sind auch so schwer gestört, daß ihnen selbst unter Idealbedingungen kaum zu helfen ist. Andere fühlen sich von der Gesellschaft verraten und verkauft und rächen sich durch eine bewußt destruktive Lebensweise. Da sich niemand um sie kümmert, stellen sie natürlich auch eine große Infektionsgefahr für andere dar, und zwar durch Fixen mit weiter-

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gereichten Nadeln ebenso wie durch Geschlechtsverkehr. In San Francisco gibt es mittlerweile eine wachsende Anzahl von Aids- und ARC-kranken Obdachlosen, die der Stadt zunehmend Sorge machen. Im Jahre 1983 hatte die Stadt einige solche Kranke heimlich in einem Touristenhotel untergebracht, aber als dies durch die Presse bekannt wurde, mußten sie nach öffentlichen Protesten von dort entfernt werden. Dennoch hält die Stadt im Prinzip auch heute noch an dem Plan fest, obdachlose Aids- und ARC-Patienten in städtisch finanzierten Hotelzimmern unterzubringen. Die Stadt versucht sogar, besondere Hotels dafür unter Vertrag zu nehmen. Das Problem verschärft sich aber fast täglich. Offiziell schätzt man augenblicklich die Zahl der obdachlosen Kranken in San Francisco auf 50-60. Kenner der Situation glauben aber, daß es sich bereits um mehrere Hundert handelt. Sicher ist, daß die Zahl in den nächsten Jahren erheblich zunehmen wird und daß ein gewisser Prozentsatz dieser Kranken auch beim besten Willen in keins der bestehenden Betreuungsprogramme zu integrieren sein wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies äußerst schwierige Problem auch in Europa auftaucht. Man kann den Verantwortlichen nur heute schon dringend raten, sich vernünftig darauf vorzubereiten.

Geistig-seelische Folgen Eine HIV-Infektion kann in jedem Stadium eine negative Wirkung auf die geistig-seelische Gesundheit haben. Allein schon die Befürchtung oder Gewißheit, infiziert zu sein (selbst ohne erkennbare Symptome), kann zu schweren Belastungen führen, die eine intensive Betreuung erfordern. Andererseits kann das Virus aber auch direkt das Gehirn angreifen und neurologische Störungen mit psychiatrischem Erscheinungsbild hervorrufen. Bei der möglichen großen Verschiedenheit der Krankheitsbilder ist es deshalb wichtig, nicht nur den körperlichen, sondern auch den geistigen Gesundheitszustand des Infizierten genau zu beobachten, um, wenn nötig, sofort helfend einzugreifen. Das ganze Thema erfordert eigentlich ein eigenes Handbuch. Die folgende allgemeingehaltene Skizze kann nicht mehr als eine Einführung geben.

Aids und geistig-seelische Gesundheit James W. Dilley und Peter B. Goldblum

Die psychologischen Auswirkungen von Aids sind weitreichend. Sie treffen einmal die bereits Erkrankten, dann diejenigen, die unter dem Risiko stehen zu erkranken, und schließlich die, die sich um Aids-Kranke kümmern und sich Sorgen um sie machen. Was passiert, wenn der psychische und soziale Streß übermächtig wird? An wen kann man sich um Hilfe wenden? Welche Art der Hilfestellung entspricht am besten den besonderen Erfordernissen der mit Aids zusammenhängenden Probleme? Das waren einige der Fragen, mit denen sich das Gesundheitsamt von San Francisco schon in einem frühen Stadium der Epidemie an eine Gruppe von Fachleuten aus dem psychosozialen Bereich wandte. Aus den sich anschließenden Diskussionen entstand eine neue Einrichtung, das Aids-Gesundheitsprojekt. Es wird hauptsächlich vom Gesundheitsamt getragen und ist dem Fachbereich Psychiatrie der Universität von Kalifornien in San Francisco angeschlossen. Das Projekt soll eine geeignete psychische Betreuung für Menschen, die an Aids oder den sogenannten „Aids-bezogenen Zuständen" (Aids Related Conditions, ARC) erkrankt sind, sowie andere, die dem Risiko einer Erkrankung ausgesetzt sind, sicherstellen. Um dies zu verwirklichen hat sich das Projekt vier Ziele gesetzt: 1. Das Verständnis für die komplexen Beziehungen zwischen Aids und psychischer Gesundheit soll geweckt werden. 2. Es müssen Wege gefunden werden, wie Menschen, die psychische Problemen aufgrund von Aids haben, geholfen werden kann. 3. Es müssen erste Schritte getan werden, um die erworbenen Kenntnisse und Techniken mit Hilfe der bestehenden medizinischen und psychosozialen Einrichtungen anzuwenden. 4. Falls erforderlich, müssen neue Programme entwickelt werden, die es ermöglichen, Bedürfnissen gerecht zu werden, mit denen wir bisher noch nicht konfrontiert waren. In diesem Kapitel möchten wir die Erfahrungen des Aids-Gesundheitsprojektes mitteilen. Wir hoffen, daß wir dem Leser ein besseres Verständnis von den Zusammenhängen zwischen Aids und geistig-seelischer Gesundheit sowie die Kenntnis der verschiedenen Hilfsmöglichkeiten vermitteln zu können. Wir hoffen auch, daß unsere Erfahrung Einzelpersonen und Einrichtungen nützt, die Gemeindeprogramme entwickeln und die die psychischen Probleme Aidskranker angehen wollen. Dabei werden folgende Gesichtspunkte berücksichtigt: Auswirkungen von Aids auf die geistig-seelische Gesundheit, der Prozeß der Anpassung an die durch Aids erzwungenen Lebensveränderungen, einige der auftretenden psychischen Störungen und eiAus: Victor Gong, Norman Rudnick (Hrsg.), „Aids - Facts and Issues", New Brunswick und London 1986

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nige vom Aids-Gesundheitsprojekt entwickelte Techniken für die Bewältigung der besonderen Anforderungen, die die Aids-Epidemie stellt.

Zum Verständnis von Aids und geistig-seelischer Gesundheit Die Erfahrung zeigt, daß die meisten Menschen sich angemessen auf die psychischen und sozialen Auswirkungen von Aids einstellen können: Mit Hilfe ihrer Freunde und der Gemeinde schaffen sie es nach dem anfänglichen Schock, ihr Alltagsleben zu meistern. Tatsächlich haben sich manche Kranke der Herausforderung gestellt und sind seelisch an dieser Erfahrung gewachsen. Andere haben dieses Glück nicht. Diese Menschen werden von Verzweiflung bei der Konfrontation mit Aids überwältigt und brechen psychisch zusammen. Der Fachmann wird diesen durch Aids ausgelösten Aufruhr der Gefühle am ehesten durch Prävention eindämmen. Wenn es uns gelingt, den Menschen beizubringen, wie man die Warnsignale psychischer Störungen erkennt, und wenn wir zwischenmenschliche Unterstützung in der ganzen Gemeinde bereitstellen, dann können wir dazu beitragen, die schwereren und lähmenden seelischen Reaktionen zu verhindern. Das nächste Ziel ist es, denen beizustehen, die doch Störungen entwickeln. Aufgrund unserer Kenntnis des üblichen Verlaufs der Krankheit können wir eine ganze Reihe von psychosozialen Einrichtungen empfehlen, die zum Beispiel bei schwerer Angst, Depression, Drogenmißbrauch und neurologischen Störungen Hilfe anbieten. Anpassung Wer sich auf so niederschmetternde Ereignisse wie eine Aids-Erkrankung einzustellen hat, muß die tiefsten inneren Reserven mobilisieren. Ob jemand in der Lage ist, dieser Forderung zu entsprechen, hängt zum Teil von der Situation ab, ob man nämlich selbst Aids hat oder ob bei einem Menschen, den man liebt, Aids diagnostiziert wurde oder er daran starb. Zum Teil hängt es auch von persönlichen Faktoren ab, z.B. wie man mit früheren traumatischen Erlebnissen fertig geworden ist. Außerdem spielt noch eine andere Dimension eine wichtige Rolle: die Zeit. Anzuerkennen, daß es seine Zeit dauert, bis einer sich an tiefgreifende Lebensveränderungen angepaßt hat, und daß gewisse voraussehbare Reaktionen tatsächlich auch aufzutreten pflegen, kann unangemessenen Druck nach dem Motto „ N u n stell Dich doch auf die neue Situation ein!" vermindern. Ein solches Verständnis hilft auch dem Kranken, sein aktuelles Befinden besser einzuschätzen und zu entscheiden, ob zusätzliche Hilfe bei der Bewältigung der schwierigen Bedingungen erforderlich ist. Obwohl wir hier beschreiben, wie ein Patient sich darauf einstellen kann, daß Aids bei ihm diagnostiziert wurde, darf nicht vergessen werden, daß parallele Anpassungsprozesse auch bei denen ablaufen, die für Aids-Patienten sorgen, ja eigentlich bei allen, die sich darauf einstellen müssen, in einer Stadt zu leben, in der eine Aids-Epidemie ausgebrochen ist.

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Reaktion auf die Diagnose Wenn der Erkenntnis, Aids zu haben, nicht mehr ausgewichen werden kann, dann wirkt das wie ein Schock. Das trifft ganz besonders auf diejenigen zu, die nicht zuvor über einen längeren Zeitraum an den weniger schwer verlaufenden „Aids-bezogenen Z u s t ä n d e n " (ARC) gelitten haben. Wer bisher Anzeichen, daß sein Immunsystem nicht mehr ordentlich arbeitet, zwar wahrgenommen hatte, aber ihre Tragweite ignorieren konnte, der kann mit der nun klaren Diagnose die Verleugnungsstrategie nicht mehr aufrechterhalten. Die Reaktionen auf die Diagnose sind verschieden: Manche Patienten brechen darunter völlig zusammen. Sie brauchen sofortige und mitfühlende Zuwendung, um überhaupt mit dem Anpassungsprozeß beginnen zu können. Andere verhalten sich wie einer unserer Patienten namens Paul. Dieser, ein junger leitender Angestellter, nahm die Nachricht mit stoischer Ruhe auf und verweigerte jede weitere Diskussion des Themas mit seinem Arzt, ehe er nicht genügend Zeit gehabt habe, darüber nachzudenken. Natürlich hängt die Fähigkeit, die Krankheit zu verdrängen, sehr stark davon ab, wie krank man sich fühlt. Manche Patienten mit Kaposi-Sarkom fühlen sich körperlich zu dem Zeitpunkt, an dem sie erfahren, daß sie Aids haben, nicht besonders elend. Andere, z.B. Patienten mit Lungenentzündung vom Typ Pneumocystis carinii, die ins Krankenhaus eingeliefert und sofort und vollständig gepflegt werden müssen, sind unleugbar krank. Eine etwas überraschende Reaktion haben wir bei Patienten beobachtet, die zuvor über einen langen Zeitraum unter schwächenden Symptomen des A R C gelitten hatten. Sie nahmen die Nachricht der Aids-Diagnose mit einer paradoxen Erleichterung auf: „Wenigstens weiß ich jetzt, was nicht in Ordnung ist." Einiges an Verständnis für die Reaktionen von Aids-Patienten kann man aus Untersuchungen über die Bearbeitung anderer schwer belastender Ereignisse gewinnen. Drei Phasen werden für diesen Prozeß beschrieben: Streß, Anpassung an die neue Lage und schließlich Integration (also ein Annehmen des Schicksalsschlages). Bei Aids reichen die Reaktionen auf den von der Diagnose ausgelösten Streß von wilder seelischer Auflehnung bis zu dumpfer Gefühllosigkeit. Danach folgt eine Periode der Anpassung, in der die Nachricht immer tiefer in das Bewußtsein dringt und die davon ausgelösten Empfindungen alles andere überschatten. Um mit der damit einhergehenden Angst und Depression umgehen zu können, braucht der Patient unter Umständen fachlichen Beistand. Viele Aids-Patienten beginnen nun, ihre Angst vor Leiden und Sterben zur Sprache zu bringen. In den meisten Fällen schwanken sie zwischen einem Zustand, in dem alle ihre Gedanken um ihre Zwangslage kreisen, und solchen, in denen sie sie nicht wahrhaben wollen. Diese Gefühlsschwankungen sind natürlich und sollten nicht bekämpft werden. Jeder Einzelne muß auf seine Weise mit der seelischen Belastung umgehen dürfen. Diese Freiheit gibt dem Kranken das beruhigende Gefühl, eine gewisse Kontrolle zu behalten. Verleugnung ist vielfach die Hauptverteidigungsstrategie über den ganzen Verlauf der Krankheit,

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vor allem aber in ihrem frühen Stadium. Diese Art der Abwehr ist wahrscheinlich von Vorteil, solange sie nicht mit der Notwendigkeit, sich um seinen Gesundheitszustand zu kümmern, kollidiert. Die letzte Phase, die Integrations- oder Abschlußphase, ist ein Zustand relativer Ruhe. Die Tatsache der Krankheit überlagert nicht mehr alles andere. Der Patient kann sich auch um andere Dinge kümmern und sogar über seine Krankheit reden, ohne daß er davon seelisch zu sehr aufgewühlt wird. Verschiedene Menschen durchlaufen diese Anpassungsphasen in unterschiedlich großen Schritten. Auf solche Unterschiede sollte man sich einstellen und sie respektieren. Es gibt kein vorgeschriebenes Zeitmaß, das für alle gleichermaßen gültig wäre. Man wird den Anpassungsprozeß an das Faktum Aids aber nicht vollständig verstehen, wenn man bei der Betrachtung nicht auch den Druck durch unmittelbare und ganz praktische Probleme berücksichtigt, unter dem ein Mensch mit einer lebensbedrohlichen Krankheit steht: Zahlt die Versicherung die Pflege? Kann der Patient weiter arbeiten? Sind genügend finanzielle Reserven vorhanden? Welche sozialen Unterstützungsmöglichkeiten gibt es? Was passiert, wenn andere von der Krankheit erfahren? Da bei Aids Perioden von offener Krankheit mit solchen von vergleichsweise gutem Gesundheitszustand wechseln, müssen die Anpassungsphasen unter Umständen wiederholt durchlaufen werden. Zusätzliche Krankheitsschübe können gerade deshalb besonders beunruhigend sein, weil sie die Einsicht verschärfen, daß die Krankheit unausweichlich fortschreitet. Das mittlere Stadium der Krankheit Wenn die Aids-Erkrankung ihr mittleres Stadium erreicht hat, was sich z.B. darin ausdrücken kann, daß der Patient zum zweiten oder dritten Mal wegen einer Lungenentzündung vom Typ Pneumocystis carinii oder einer anderen mit Aids zusammenhängenden Krankheit ins Krankenhaus muß, dann ist ein weiterer Anpassungsprozeß nötig. Die vorher erreichte Integration kann zusammenbrechen und quälendes Grübeln wieder die Oberhand gewinnen. Die Fähigkeit zu heilsamer Verdrängung schrumpft, die Hoffnung schwindet, seelische Erschöpfung setzt ein. Es ist jetzt ganz wichtig, daß der Patient ohne Hemmungen seine entmutigenden Empfindungen äußern kann, die ihn beim Nachdenken über den Tod und bei dem traurigen Gedanken an den bevorstehenden Abschied von Menschen, die er liebt, überkommen. Häufig machen Patienten in diesem Stadium eine Bestandsaufnahme ihres Lebens. Dabei beißen sie sich manchmal an besonders schwierigen Beziehungen oder Erfahrungen fest, die sie sich nun „von der Seele reden" möchten. Manchmal wollen sie bisher unerledigte Angelegenheiten zwischen sich und Mitgliedern ihrer Familie oder ihren Freunden ins reine bringen. Viele Aids-Patienten suchen Rat, wie sie diese Gefühle ordnen können. Es ist eine Zeit voller psychischer Verwirrung. „Wie kann ich über den Tod nachdenken, wenn ich doch hoffe, am Leben zu bleiben?", fragte ein Patient.

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Es ist vielleicht geradezu das Kennzeichen des Mittelstadiums von Aids, daß die Patienten eine ganz persönliche Haltung gegenüber der Hoffnung entwickeln. „Worauf kann ich noch h o f f e n ? " , fragte ein anderer Patient. Diskussionen über den Wert des Lebens und darüber, wie kurz es nur noch ist, veranlassen dazu, jeden Tag zu leben, als sei es der letzte. Manche nehmen sich vor, zu kämpfen: „Ich will derjenige sein, der diese Krankheit bezwingt." Sie verfolgen sehr genau die Entwicklungen in der Medizin und stellen sich als Freiwillige für Experimente zur Verfügung. Angesichts des Umfangs der gegenwärtigen medizinischen Forschung und angesichts der Tatsache, daß einige Menschen mit der Krankheit an die fünf Jahre überlebt haben, muß man diese Einstellung respektieren. Ein Berater muß dem Klienten helfen, die Balance zwischen den düsteren und den hoffnungsvollen Seiten seines Lebens zu halten. Soweit die Patienten in der Lage sind, ihre Ängste und Hoffnungen auszudrücken, kann auch ein Vorgehen gefunden werden, das beiden Emotionen gerecht wird. Das Mittelstadium der Krankheit setzt die Partnerbeziehung zusätzlichen Belastungen aus. Für Paare, bei denen der eine Partner Aids hat haben wir im Aids-Gesundheitsprojekt spezielle Gruppen gebildet. Eines dieser Paare, Bob und Terry, waren zwei Jahre zusammen, als Bob erfahren mußte, daß er Aids hat. Zuerst vertiefte sich die Beziehung. „Wir standen in dieser Sache zusammen." Nach Bobs zweitem Krankenhausaufenthalt, so Terry, „veränderte er sich, zog sich zurück, wurde unabhängiger. Das war eine schwere Kränkung. Auf der einen Seite verstand ich ihn, auf der anderen hatte ich das Gefühl, ich verliere ihn vorzeitig." Durch die Diskussion mit anderen Paaren, die vor derselben Situation standen, konnten sie die Spannungen in ihrer Beziehung abbauen. Terry konnte darüber hinaus eine hilfreiche Beziehung zu einem anderen Mann in der Gruppe aufbauen, dessen Freund ebenfalls krank war, so daß er von Bob nicht mehr so abhängig war. Dieses Stadium der Krankheit ist von den anderen nur vage abgegrenzt. Wann ein Patient es erreicht oder ins Endstadium übergeht, hängt zum Teil vom objektiven medizinischen Status ab und zum Teil von der subjektiven Wahrnehmung des schnellen Fortschreitens der Krankheit. Endstadium Wenn die Krankheit fortschreitet und immer mehr lebenswichtige Zentren des Patienten betroffen sind, findet eine Veränderung statt, die eine zusätzliche Aufmerksamkeit für seelische Bedürfnisse erfordert. Der körperliche Zustand des Patienten wird immer schlechter, er selbst zunehmend schwächer. Infolgedessen muß er erleben, daß er seine Unabhängigkeit und die Kontrolle über das Geschehen verliert. Von einem bestimmten Zeitpunkt an besteht die Tätigkeit des Arztes in erster Linie darin, die quälenden Symptome wie z.B. Durchfall, Übelkeit und Schmerzen, im Griff zu behalten. Die meisten Patienten werden aus dem Krankenhaus entlassen, entweder um zuhause gepflegt oder um in ein Pflegeheim verlegt zu werden. Mit Unterstützung ihnen nahestehender Menschen sowie des medizinischen und pflegenden

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Personals sind die meisten Patienten in der Lage, sich auf den Tod einzustellen, so wie sie sich auch in den anderen Stadien an die schweren Bedingungen ihres Lebens anpassen konnten. Es gibt eine Vielzahl von Freiwilligen- und Hilfseinrichtungen, die für praktischen Beistand auf Gebieten wie juristische Angelegenheiten und Hausarbeiten sorgen können. Solche Programme wie das „Shanti P r o j e k t " (siehe das entsprechende Kapitel in diesem Buch), die freiwillige Helfer für Sterbende ausbilden, sind außerordentlich hilfreich. Zu diesem Zeitpunkt kann ein Fachmann aus dem psychosozialen Bereich, insbesondere ein Psychiater herangezogen werden, der dem Patienten oder denen, die für seine Gesundheit verantwortlich sind, bei einem Behandlungsplan hilft, der sowohl die psychologischen als auch die medizinischen Anforderungen erfüllt. Weil er psychologisch wie medizinisch ausgebildet ist, kann der Psychiater am besten zwischen seelischen Zuständen, die eine körperliche Ursache haben, und solchen, die eine Reaktion auf die Wahrnehmung des nahenden Todes sind, unterscheiden. Auf der Grundlage dieser Einschätzung kann er eine entsprechende medizinische oder psychologische Behandlung vorschlagen. Patienten im Endstadium von Aids fürchten meist, die letzten Tage ihres Lebens unter entsetzlichen Schmerzen und Beschwerden verbringen zu müssen. Diese extreme Angst führt manchmal zu einem „Sich in sich Zurückziehen" oder auch zu Selbstmord. Ethische Fragen im Zusammenhang mit Selbstmord bei Todkranken sind sehr komplex; aber moderne Medikamente und eine humane Praxis der Verschreibung können die letzten Qualen deutlich leichter machen. In jüngster Zeit haben sich die Anstrengungen auch auf die Entwicklung von nichtchemischen Methoden der Schmerzbekämpfung gerichtet. Von den schlimmsten Schmerzen befreit, haben viele Patienten ihre letzten Tage in Würde und Frieden verbringen können. Zu nimmt die Zahl der Aids-Patienten, die während ihrer Krankheit neurologische Störungen entwickeln. Die Symptome von hirnorganischer Schäden - Desorientierung, Verwirrungszustände, Gedächtnisverlust und Verlust der Körperkontrolle - sind besonders belastend für diejenigen, die den Kranken pflegen. Der Freund eines Kranken rief voller Bestürzung aus: „Es ist, als ob er gar nicht mehr da wäre. Ich kann ihn nur noch vage wiedererkennen." Obwohl es keine Patentlösungen für diesen traurigen Aspekt der Krankheit gibt, so kann der Psychiater doch mit Vorschlägen helfen, wie man die Bedingungen so gestaltet, daß der Patient geschützt wird und die Risiken, die sich aus seinem verwirrten Verhalten ergeben, möglichst klein gehalten werden. Außerdem kann er Psychopharmaka geben, um die Verwirrungszustände zu mildern. In diesem allerletzten Stadium der Krankheit muß man sich zusätzlich um diejenigen kümmern, die den Aids-Patienten während des gesamten Verlaufs der Krankheit gepflegt haben. Wenn man diejenigen, die dem Kranken nahestehen und für ihn sorgen, während der verschiedenen Stadien der Krankheit unterstützt hat, dann wirkt sich das später, wenn sie seinen Tod betrauern, außerordentlich positiv aus. Zeitweilig und aus verschiedenen Gründen fällt es manchen Menschen schwer, über diesen Verlust zu trauern. Helfer in Gebieten einer Aids-Epidemie z.B. werden

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durch die vielen Todesfälle regelrecht emotional erstickt. Bei anderen kann die Trauer durch ungelöste Konflikte in der Beziehung zu dem Verstorbenen gehemmt sein. Es hilft diesen Menschen sehr, wenn sie in dieser Situation Rat bekommen. In San Francisco gibt es eine ganze Reihe von Einrichtungen, wo man in einem solchen Trauerfall sowohl Einzelberatung als auch Gruppengespräche finden kann.

Probleme der geistig-seelischen Gesundheit Die meisten Menschen reagieren auf extreme Belastungen auch emotional sehr heftig. Solche Gefühlsbewegung ist nicht nur ganz natürlich, das Fehlen entsprechender Gefühle kann sogar Hinweis auf eine mangelnde Bereitschaft sein, sich auf die Situation einzulassen. Bei Aids macht eigentlich jeder, der davon direkt oder indirekt betroffen ist, zu bestimmten Zeiten verschiedene Stadien von ganz konkreter Furcht, diffuser allgemeiner Angst, von Ärger und Traurigkeit durch. Das allgemeine Angstgefühl kann in manchen Fällen über alle Maßen stark werden oder die Traurigkeit in Depression übergehen. Nachfolgend werden die verbreitetsten psychischen Probleme vorgestellt, aufgrund derer Menschen, die von Aids betroffen sind, den Rat eines Psychologen oder Psychiaters suchen. Außerdem werden Entscheidungshilfen dafür gegeben, ob deren Eingreifen nötig ist. Allgemeines Angstgefühl, Furcht und Panik Vielleicht am häufigsten wird fachlicher Rat bei Angst eingeholt. Von allen Gefühlen ist Angst das am wenigsten faßbare und dennoch durchdringendste. Der Psychologe Rollo May, der sehr viel zu diesem Thema veröffentlicht hat, schlägt vor, ein allgemeines Angstgefühl als das Gefühl der Unsicherheit und Hilflosigkeit angesichts einer Gefahr zu definieren. Überflüssig, zu betonen, daß die Aids-Epidemie eine reiche Quelle für solche Gefühle ist. Furcht (oder Realangst) ist ähnlich wie die diffuse Angst eine emotionale Antwort darauf, daß ein Mensch eine Gefahr auf sich zukommen sieht. Jedoch sind die Auslöser von Furcht konkreter als die, die allgemeine Angst auslösen. Manche AidsPatienten brauchen z.B. Hilfe bei der Überwindung von Furcht vor bestimmten Behandlungen. Wir hatten einen Patienten mit Lungenentzündung vom Typ Pneumocystis carinii, der sich entsetzlich vor Intubationen fürchtete. Nachdem man ihm Entspannungstechniken beigebracht hatte, gelang es ihm, den Tubus zu ertragen, und die Behandlung konnte fortgesetzt werden. Extreme Furcht kann in Panik übergehen, bei der sich die beschriebene Realangst und eine diffuse Allgemeinangst bis zu dramatischen Symptomen wie Herzrasen, Schwindelgefühl, heftigen kalten Schweißausbrüchen und Zittern verbinden. Gleichzeitig haben die Patienten das Gefühl einer drohenden Katastrophe, fühlen sich dabei wie gelähmt und haben schließlich nur noch einen Wunsch: zu fliehen oder Hilfe zu bekommen.

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Depression Obwohl die Depression eine gewisse Ähnlichkeit mit der Traurigkeit hat, die jeder von Zeit zu Zeit erlebt, kann sie doch erheblich ernster sein und, wenn sie länger andauert oder sich steigert und den Patienten handlungsunfähig macht, fachliche Hilfe erfordern. Depression ist ein Begriff, der in der Psychiatrie für ein ganzes Bündel von Symptomen verwendet wird. Dazu gehört eine dauernde Niedergeschlagenheit, die von relativ leichter Lustlosigkeit und Düsterkeit bis zu intensiv erlebter H o f f nungslosigkeit und Verzweiflung reicht. Dazu kommen Antriebs- und Teilnahmslosigkeit, Schlafstörungen, Appetitverlust, Konzentrationsschwierigkeiten und die Unfähigkeit, sich zu etwas zu entscheiden. Häufig spielen Depressive mit dem Gedanken an Selbstmord, und manche nehmen sich auch tatsächlich das Leben. In seltenen Fällen entwickeln die Patienten sogar psychotische Symptome, die sie sehr erschrecken, wie etwa akustische Halluzinationen. Obwohl die Aids-Kranken sich vor so realen Dingen wie den Beschwerden, den Schmerzen und der Endgültigkeit dieser Krankheit ängstigen und ihre Trauer und ihr Ärger gut nachvollziehbar sind, ist doch professionelle Hilfe dann angezeigt, wenn das Ganze in Depression umschlägt. Depression bei Aids-Kranken ist oft mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen wegen dieser Krankheit verbunden. Ungelöste Konflikte aus ihrer Homosexualität treten bei manchen schwulen Patienten zu Tage. Ein gewöhnlich in einer derart depressiven Stimmung auftauchender Gedanke ist die Annahme, Aids sei die Strafe für Taten der Vergangenheit. Ein einfühlsamer Therapeut kann oft solche Überlegungen über die Krankheit und ihre Ursachen klarstellen und insoweit die Depression zum Teil vermindern. Gelegentlich erreicht die Depression aber ein solches Ausmaß, daß ein Gespräch nicht mehr ausreicht. In solchen Fällen hat sich eine Behandlung mit Antidepressiva als außerordentlich nützlich erwiesen. Allerdings mußten in einigen wenigen Fällen Patienten zu ihrem eigenen Schutz in die Psychiatrie eingewiesen werden. Ein anschauliches Beispiel für depressive Aids-Patienten ist Luther, ein dreiundvierzigjähriger Schwuler, der einem Psychiater in der Aids-Ambulanz des Bezirkskrankenhauses vorgestellt wurde. Er kam auf Anregung seines Freundes Albert. Luther hatte drei Monate zuvor erfahren, daß er an Kaposi-Sarkom leide, und seitdem ,,an allem das Interesse verloren". Nach Alberts Darstellung saß Luther den ganzen Tag im Bademantel in der Wohnung und starrte mit leerem Gesichtsausdruck auf das Fernsehprogramm. Er hatte auch aufgehört, sich um seine persönliche Hygiene zu kümmern. Gespräche mit Luther vermittelten den Eindruck eines Mannes, der sich vollständig aufgegeben hatte. Er hatte Schlafstörungen und wachte häufig sehr früh auf, ohne wieder einschlafen zu können. Seit seiner Diagnose hatte er kaum noch Appetit. Obwohl er nur widerwillig sprach, konnte er doch eine abgrundtiefe Traurigkeit zum Ausdruck bringen. Er fühlte sich zeitweise so schlecht, daß er daran dachte, seinem Leben ein Ende zu machen. Der Psychiater verschrieb ein Antidepressivum, und Luther war damit einverstanden, eine Reihe von therapeutischen Beratungsgesprächen mit einem der Sozialar-

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beiter des Teams anzufangen. Während dieser Gespräche und mit Unterstützung durch die Medikamente konnte Luther offener über seine Situation reden. Albert nahm an den Sitzungen einige Male teil, und schließlich ließen sich beide in eine unserer Paar-Gruppen aufnehmen. Als er sechs Wochen später erneut vom Psychiater untersucht wurde, hatte sich Luthers niedergedrückte Stimmung etwas aufgehellt, obwohl er noch immer einen großen Teil des Tages traurig und wütend war. Sein Schlaf war erheblich besser geworden, auch sein Appetit hatte zugenommen, er besaß wieder mehr Energie, im Haushalt zu helfen, und konnte sich auch wieder an seinem Garten und dem Zusammensein mit seinem Freund erfreuen. Drogen-Mißbrauch Dem Problem des Drogenmißbrauch durch Aids-Patienten bzw. Risikogruppen ist bisher bei weitem zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Aids-Patienten, die Drogen nehmen, stellen uns vor eine Reihe von einzigartigen Problemen. Die meisten, die Aids haben oder unter dem Aids-Risiko stehen, weil sie gemeinsam Injektionsnadeln benutzen, sind nicht schwul und kommen nicht aus dem gleichen weißen Mittelschicht-Milieu wie der typische Aids-Patient. Sie haben häufig Schwierigkeiten, von den für schwule Aids-Patienten entwickelten Einrichtungen Gebrauch zu machen. Sie haben vielschichtige Probleme: Sie müssen nicht nur lernen, mit Aids zurechtzukommen, sondern müssen sich auch eine gute medizinische Behandlung verschaffen und ausgerechnet dann mit ihrer Drogensucht fertig werden, wenn die Belastung der Krankheit sie erst recht den Trost der Droge suchen läßt, was wiederum mit ihrer Behandlung kollidiert. Beim Aids-Gesundheitsprojekt haben wir eines der ersten Programme zur Lösung des Doppelproblems Aids und Drogenmißbrauch eingeführt. Besonders ausgebildete Berater haben sich Kenntnisse über die komplexe Beziehung zwischen Aids und dem Gebrauch von Drogen bzw. Alkohol angeeignet. Diese Spezialisten helfen drogenabhängigen Aids-Patienten, sich einer Drogentherapie zu unterziehen, und verbreiten solche Therapieprogramme überall in der Stadt mit Seminaren über den Zusammenhang der beiden Krankheiten, Aids und Drogenabhängigkeit, sowohl für Süchtige als auch für Mitarbeiter. Nach Aussage von Barbara Faltz, der Leiterin dieses Programms, ist „das Haupthindernis bei der Bekämpfung beider Probleme die Verdrängung. Bei dieser Gruppe von Kranken muß man mit besonderer Festigkeit auftreten und ihnen unmißverständlich sagen, daß sie ihr Leben riskieren, wenn sie nicht von der Nadel herunterkommen. Die beste Hilfe für sie ist es, an einer Drogentherapie teilzunehmen und 'clean' zu werden."

Neurologische Störungen mit psychiatrischem Erscheinungsbild Aids-Patienten bekommen oft neurologische Störungen oder solche Störungen, deren vorherrschende Symptome scheinbar rein psychischen Ursprungs sind, die aber tatsächlich von bestimmten hirnorganischen Fehlfunktionen verursacht werden. Da

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Aids die körperlichen Abwehrkräfte gegen eine ganze Reihe von Infektionen zerstört, die das Gehirn angreifen, und da das Aids-Virus selbst Gehirnzellen befallen und sich in ihnen vermehren kann, ist die psychologische Einschätzung der Patienten kompliziert und sollte von geschulten Praktikern vorgenommen werden. Frühe Symptome sind oft von der häufiger anzutreffenden Depression nicht zu unterscheiden. Subjektive Befunde wie etwa Vergeßlichkeit, Konzentrationsschwäche, Verlust des Interesses an den gewohnten Tätigkeiten, sich Zurückziehen von der Umwelt und Antriebslosigkeit müssen mit formalen Tests der geistigen Fähigkeiten erhärtet werden, um ein neurologisches Problem mit psychiatrischem Erscheinungsbild sicher diagnostizieren zu können. Zu den später auftretenden Symptomen gehören Verwirrtheitszustände und Desorientierung (die Patienten wissen z.B. nicht, welcher Tag gerade ist oder wo sie sich befinden, verirren sich leicht usw.), dazu kommen noch physische Probleme. Schwere und lähmende Infektionen des Zentralnervensystems sind häufig die Folge von langwierigen Erkrankungen. In einigen Fällen sind spezielle Behandlungseinrichtungen erforderlich, um den Patienten angemessen versorgen zu können. Leitlinien Wir sind schon oft gefragt worden: „Wie erkennt man , ob man für seine Probleme fachliche Hilfe braucht?" Auf diese Frage gibt es keine einfache und allgemeingültige Antwort. Ein Weg wäre es, einfach einen Termin mit einem privaten Therapeuten oder einer psychiatrischen Station abzumachen und das Erstgespräch für die Entscheidung zu nutzen, ob weiterer Beistand anzuraten ist. Manchmal stellen wir fest, daß Patienten, die von einer therapeutischen Beratung profitieren könnten, ihre Entscheidung monatelang hinausschieben und erst kommen, wenn ihnen die Probleme aus der Hand geglitten sind. Um die Einschätzung, ob Beratung anzuraten ist oder nicht, zu erleichtern, haben wir nachfolgenden Fragenkatalog entwickelt:

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Behindern Ihre seelischen Reaktionen die Erfüllung Ihrer Alltagsaufgaben zuhause, in der Schule oder im Beruf? Dazu gehört z.B., daß Ihnen die Energie fehlt, angemessen an den täglichen Verrichtungen teilzunehmen. Reagieren Sie heftig und unangemessen auf die jeweilige Situation? Schlägt zum Beispiel die Furcht vor einer konkreten Gefahr in Panik um oder wird Ärger zu Wut, Traurigkeit zu Depressivität? Stören Ihre Gefühle den normalen Schlafrhythmus für einen längeren Zeitraum (mehr als eine Woche)? Haben sich Ihre Eßgewohnheiten durchgängig verändert, ohne daß dies in Zusammenhang mit Ihrem Gesundheitszustand zu sehen wäre? Haben Sie zum Beispiel Gewicht verloren oder einen Heißhunger entwickelt, der zu Gewichtszunahme führte?

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Denken Sie immer und immer wieder an extreme Handlungen, zum Beispiel daran, sich selbst oder jemand anderen zu töten? Fühlen Sie sich außer Kontrolle? Benutzen Sie Drogen oder Alkohol, um mit Ihren Gefühlen fertig zu werden? Trinken Sie z.B. Alkohol, um dem allgemeinen Angstgefühl, der Depression oder der Furcht zu entfliehen? Haben Sie Wahrnehmungsstörungen, hören Sie z.B. Stimmen oder sehen Dinge, die überhaupt nicht vorhanden sind?

Wenn irgendeine der vorstehenden Fragen mit Ja zu beantworten ist, dann ist es sinnvoll, einen erfahrenen Therapeuten anzusprechen, der die Situation beurteilt.

Psychosoziale Dienste Wohin soll man gehen, wenn man den Eindruck hat, man brauche fachliche Hilfe? Jede Gemeinde organisiert ihre psychosozialen Dienste ein bißchen anders. Manche Städte fassen z.B. alle Einrichtungen in einem Zentrum zusammen, vielleicht in Verbindung mit einem großen Allgemeinkrankenhaus. In San Francisco sind die öffentlichen Gesundheits- und psychosozialen Dienste über die ganze Stadt verteilt, um der Bevölkerung den Zugang zu erleichtern. Im Rahmen des Aids-Gesundheitsprojektes haben wir Berater für die geistig-seelische Gesundheit über das ganze System unserer Stützpunkte verteilt, wobei wir eine größere Zahl in den Gebieten mit dem höchsten Anteil von Aids-Risikopersonen stationiert haben. Wir haben Berater in psychiatrischen Kliniken, in Jugendeinrichtungen und in Kliniken für sexuell übertragene oder mit Sexualität verbundene Krankheiten (STDs). Wir schicken Berater auch in die Gefängnisse, um die Insassen über die Aids-Übertragung zu unterrichten. Wir machen eine breitangelegte Werbung für unsere Angebote in den schwulen Zeitschriften und anderen Massenmedien, damit die, die unsere Hilfe brauchen, sie auch leicht finden können. Obwohl natürlich andere Gemeinden nicht derart spezialisierte Angebote werden vorweisen können wie San Francisco, so dürfte es aber doch überall psychosoziale Hilfseinrichtungen irgendeiner Art geben. Kann sein, daß in manchen Gemeinden diese Angebote nur schwer zu finden sind, doch kann man vermutlich Anschriftenlisten von Ärzten oder den lokalen Gesundheitsämtern bekommen. Viele größere Städte in den USA haben psychosoziale Dienste speziell für Schwule, bei denen überwiegend auch schwule Berater tätig sind (Anm.: in der Bundesrepublik gibt es in größeren Städten schwule Beratungsstellen in Selbsthilfe, die zum Teil mit staatlicher Unterstützung arbeiten). Es ist wichtig, daß diejenigen, die sich dafür entscheiden, Hilfe in Anspruch zu nehmen, Berater finden, die ihren Lebensstil respektieren und sich auch mit Aids auskennen. Es ist vollkommen legitim, die in die engere Wahl gezogenen Berater zunächst auszufragen, um entscheiden zu können, ob sie Einfühlungsvermögen besitzen oder nicht. Wenn nicht, sollte man sich andere suchen.

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Die psychosozialen Dienste in den USA umfassen in der Regel zwei Bereiche: einmal die Krisenintervention und die Untersuchung der geistig-seelischen Gesundheit, zum anderen Beratung und praktische Hilfe. Krisenintervention und Untersuchung der geistig-seelischen Gesundheit Der erste Schritt auf der Suche nach Hilfe besteht darin, telefonisch einen Termin für ein Erstgespräch auszumachen. Manche befinden sich bereits mitten in einer Krise, alles hat sich so zum Schlechten gewendet, daß der Patient die Kontrolle verloren hat. Andere lassen es gar nicht erst soweit kommen. In jedem Fall ist das Vorgehen jedoch das gleiche. Mit Unterstützung eines fähigen Beraters wird die Situation analysiert und entschieden, welche Art von Unterstützung erforderlich ist. Im öffentlichen Gesundheitswesen ist dieses Gespräch als Anamneseerhebung bei der Aufnahme bekannt. Der Patient wird mit seinem späteren Berater sprechen können oder auch nicht. Viele Menschen wenden sich lieber an einen niedergelassenen Praktiker, wodurch sie mehr Einfluß auf die Auswahl des Beraters haben. Wenn das Problem komplex oder krankheitsbedingt ist, dann werden wahrscheinlich mehrere Sitzungen zur Abklärung erforderlich sein. Dazu werden bei Bedarf andere Mitarbeiter des psychosozialen Teams hinzugezogen, etwa Psychiater oder Psychologen für tiefer gehende Befragungen und für eventuelle Tests.

Beratung und praktische Hilfe Beistand für seelische Probleme sollte Bestandteil in jedem Bereich der Aids-Gesundheitsversorgung sein. Frühe Hilfe kann bewirken, daß sich ernstere Probleme gar nicht erst entwickeln. Ebenso kann einem großen Teil an vermeidbarem seelischen Leid vorgebeugt werden, wenn es einen Ort gibt, an dem der Kranke auf mitfühlende Hilfe und persönliche Fürsorge rechnen kann. Programme wie das Shanti-Projekt (siehe das nächste Kapitel in diesem Buch) haben mit der Einrichtung von Einzel- und Gruppen-hilfe einen bemerkenswerten Beitrag dazu geleistet, daß Menschen mit ihrer Krankheit fertig werden können. Sie stellen ihre Hilfe auch Freunden und Familienangehörigen der Kranken zur Verfügung. Daß dabei gut ausgebildete Freiwillige eingesetzt werden, streckt nicht nur die begrenzten Finanzmittel, der informelle Mensch-zu-Mensch-Kontakt ist vielmehr oft auch wirksamer als der formellere der professionellen Beratung. Es ist jedoch wichtig, daß bei Freiwilligen-Programmen professionelle Berater im Hintergrund bereitstehen, um gegebenenfalls Ratschläge zu geben und in schwierigen Fällen Supervision zu leisten. Beim Aids-Gesundheitsprojekt haben wir ein Verfahren der Gruppenberatung entwickelt, das darauf fußt, die Patienten besser über die Krankheit aufzuklären und ihnen beizubringen, was man positiv tun kann, um den Gesundheitszustand zu verbessern. Dadurch gelingt es ihnen besser, ihre emotionalen Reaktionen zu kontrollieren. Wenn wir z.B. Patienten, die durch diffuse Ängste und Depression handlungsunfähig waren, zu Einsichten hinführten, wie sie bis zu einem gewissen Grade

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ihr Leben kontrollieren könnten, konnten wir beobachten, daß Hoffnungs- und Hilflosigkeit nachließen. Daß Patienten in einer Gruppe zusammengeführt werden, durchbricht auch ihr Gefühl der Isolation und ist ein Angriff auf ihre negativen und destruktiven Grübeleien. Wir haben einiges unternommen, um sicherzustellen, daß die Voraussetzungen, denen die jeweiligen Gruppen unterliegen, offengelegt werden. Gruppenleiter, die die Existenz von kulturellen Unterschieden anerkennen und sie zu schätzen wissen, die Schwulsein als eine natürliche Variante menschlichen Verhaltens ansehen, achten darauf, daß ihre Sicht der Dinge jedem in der Gruppe bekannt ist. Die Teilnehmer erlernen spezifische Techniken, die die Belastung durch Aids besser bewältigen helfen. Aber am wichtigsten ist, daß sie eine Gelegenheit bekommen, über ihre Gefühle und Reaktionen zu sprechen, und daß sie Unterstützung gewinnen können von anderen, die in der gleichen Situation sind wie sie selber. In San Francisco sind eine Reihe von Selbsthilfegruppen entstanden. Andere, wie das Aids-Gesundheitsprojekt, arbeiten mit professionellen Gruppenleitern. Wieder andere, wie das Shanti-Projekt und das Stop-Aids-Projekt, setzen Freiwillige ein. Wir haben uns bemüht, über die ganze Stadt ein Netz von Hilfseinrichtungen zu legen, damit sie für die größtmögliche Zahl von Menschen, die ihrer bedürfen, verfügbar sind. Die Gemeinde ist sehr stolz darauf, wie sie auf diese schreckliche Tragödie Aids reagiert hat. Das hier zum Ausdruck kommende Gemeinschaftsgefühl bedeutet selbst eine wichtige Hilfe, wenn es darum geht, das Gefühl der Machtlosigkeit zu überwinden und Mut zu schöpfen für den Kampf gegen Aids.

Das Shanti-Modell Das „Shanti"-Projekt in San Francisco ist die vielleicht beste Betreuungsorganisation, die bisher als Antwort auf die Aids-Krise entstanden ist. Sie verdient, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in der übrigen Welt Nachahmer zu finden. Rein technisch läßt sich sich „Shanti" als eine gemeinnützige Vereinigung zu Zwecken der Hilfeleistung bei Krankheit beschreiben. Sie bietet kostenlose Beratung und seelische Stützung für Aids-Kranke und deren Freunde und Familien. Darüber hinaus leistet Shanti praktische Dienste wie etwa Transport, Einkauf und Hausarbeit für seine kranken Klienten und verschafft ihnen, wenn nötig (und soweit wie möglich) finanziell erschwingliche Wohnungen in Gemeinschaftshäusern. Shanti gibt auch Aids-Auskünfte, macht Überweisungen und unterhält eine ständige Beratungsstelle auf der Aids-Station im städtischen Krankenhaus. Schließlich - und dies ist nicht die geringste Leistung - bildet Shanti seine freiwilligen Helfer in intensiven Schulungskursen selber aus. Die meiste Arbeit wird ehrenamtlich und kostenlos geleistet. Soweit eine Finanzierung notwendig ist (und sie bleibt erheblich), kommt sie teils aus öffentlichen (hauptsächlich städtischen) Mitteln, teils aus Privatspenden. Im Haushaltsjahr 1985/ 86 waren es zusammen über 1,7 Millionen Dollar. Der zutiefst humane Geist dieser unkonventionellen, erstaunlichen Pionierorganisation ist am besten in ihren eigenen Worten wiederzugeben: ,,'Shanti' ist Sanskrit für 'innerer Friede'. Das graphische Erkennungszeichen des Shanti-Projekts ist eine Sonnenfinsternis - ein Kreis innerhalb eines Quadrates. Der Kreis repräsentiert die innere Welt der Seele. Das Quadrat stellt die äußere, reale Welt von Erde und Körper dar. Zusammengesehen bedeuten beide die Ganzheit des Menschen. - Eine Sonnenfinsternis ist der Übergang vom Licht zum Dunkel und die folgende Rückkehr zum Licht. Für das Shanti-Projekt bedeutet sie die Veränderungen durch Krankheit und Tod, das Dunkel, das über Menschen fallen kann, die diese Vorgänge erleben, und das Licht, das mit der Betreuung durch liebende Helfer wieder aufscheint." Shanti hat in den Jahren seiner Arbeit in San Francisco viel wohlverdienten Rückhalt gefunden und viele Freunde erworben. Die zahlreichen Shanti-Berater und Betreuer haben Erstaunliches geleistet, um die tragische Wirkung der Aids-Epidemie in der Stadt abzumildern, und sie sind dabei oft als wahre Helden des Alltags über sich hinausgewachsen. Gelegentliche Berichte werden in einem eigenen „Shanti

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Project Newsletter: ECLIPSE" veröffentlicht und können direkt bezogen werden: Shanti Project, 890 Hayes Street, San Francisco, CA 94117. Die folgenden Texte sind verschiedenen Shanti-Publikationen entnommen, besonders dem allgemeinen Betreuerhandbuch und dem Ausbildungshandbuch zur Begleitung einer Videoserie. Diese Serie von 22 Videokassetten schildert wichtige Aspekte der Betreuungsarbeit und hilft so bei der Ausbildung neuer freiwilliger Helfer. Aus sprachlichen und anderen Gründen ist dieser Videokurs aber nicht auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik anwendbar; die entsprechenden Textverweise sind also hier bei der deutschen Übersetzung gestrichen. Es scheint aber sowohl notwendig als auch möglich, eine entsprechende neue Videoserie in deutscher Sprache herzustellen. Selbst wenn das Shanti-Modell nicht ohne weiteres übernommen werden kann, so werden doch ähnliche Programme sehr bald nötig sein, und bei der Ausbildung dafür sollte man, ebenso wie bei Shanti, alle denkbaren Lehrmittel, auch Videokassetten, einsetzen. Im übrigen erklären die hier ausgewählten Shanti-Materialien sich selbst.

Geschichte und Aufgabe von Shanti

Das Shanti-Projekt bietet als eine gemeinnützige Vereinigung eine überwiegend langfristige, sowie kostenlose und freiwillige Beratung für alle diejenigen, die sich einer lebensbedrohlichen Krankheit gegenübersehen. Es bezieht die von den Betroffenen geliebten Menschen, ihre Freunde, Familie und später die Hinterbliebenen mit ein. Das Volunteer Counseling for Persons Shanti-Projekt wurde 1974 with AIDS and Their Loved Ones von dem Psychologen Dr. Charles Garfield gegründet, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Krebsforschungszentrum der medizinischen Fakultät der Universität von Kalifornien tätig war. Dr. Garfield rief das Projekt ins Leben, als er darauf aufmerksam wurde, daß der Mangel an bestehenden Einrichtungen im krassen Mißverhältnis zu der Fülle von sozialen, psychologischen, finanziellen, medizinischen und emotionalen Problemen stand, mit denen sich Sterbende und ihre Angehörigen und Freunde konfrontiert sehen. Das Projekt begann als eine von der Gemeinde getragene Anstrengung, den Ansprüchen der Betroffenen gerecht zu werden. Shanti arbeitet mit den medizinischen und gesundheitlichen Betreuungseinrichtungen zusammen, im gemeinsamen Bemühen um eine mitfühlende und umfassende Antwort auf die Bedürfnisse und Erfahrungen der Schwerkranken, deren Nächsten und der für die Pflege Verantwortlichen. Seit seiner Gründung hat das Projekt langfristige Hilfe für über 5500 Patienten und den ihnen nahestehenden Menschen geleistet. Jährlich werden von ehrenamtlichen Helfern über 60.000 kostenlose Beratungsstunden für diejenigen Mitbürger San Franciscos angeboten, die sich mit den schmerzlichen Problemen von schwerer Krankheit oder dem Verlust eines geliebten Menschen auseinandersetzen müssen. Seit November 1981 hat das Shanti-Projekt Aids-Infizierte individuell betreut und andauernde emotionale Unterstützung und Beratung für deren Partner, Freun-

Shanti Project

Aus Arbeitspapieren des „Shanti Project, Volunteer Counseling for Persons with Aids and Their Loved Ones", San Francisco, z.T. ohne Jahr, z.T. 1985

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de und Familienangehörige geleistet. Das Projekt unterhält durchgehend wöchentliche Selbsthilfegruppen für Personen mit Kaposi-Sarkom und Pneumocystis carinii Pneumonie (Lungenentzündung), eine Gruppe für Leute mit Aids-bezogenen Zuständen und eine Angehörigengruppe. Im März 1983 schloß sich das Shanti-Projekt mit der Gesundheitsbehörde San Franciscos zusammen, um langfristige Unterkünfte für diejenigen Aidskranken zur Verfügung zu stellen, die von ihren Mitbewohnern oder Vermietern verstoßen oder vor die Tür gesetzt wurden. Drei Wohnprojekte schaffen derzeit eine sichere, häusliche und emotional aufbauende Umgebung für vierzehn Personen. Im Juli 1983 tat sich die Gesundheitsbehörde erneut mit dem Shanti-Projekt zusammen, um einer neuen Aidsstation im San Francisco General Hospital von Shanti ausgebildete und beaufsichtigte Berater zur Seite zu stellen. Gleichfalls im Juli 1983 richtete Shanti sein neues Programm für eine praktische Betreuung ein. Hier wird von nicht in beratender Funktion tätigen Helfern für Aids-Patienten eingekauft, gekocht, der Haushalt geführt und ein Fahrdienst angeboten.

Ehrenamtliche Berater Shantis ehrenamtliche Berater bilden eine recht heterogene Gruppe. Viele von ihnen kommen aus sozialen Berufen und fast alle haben am eigenen Leib eine schwere Krankheit oder den schmerzlichen Verlust eines Menschen erfahren. Einige der ehrenamtlichen Helfer haben früher selbst einmal Hilfe von Shanti erhalten. Für ihre Arbeit bringen sie persönliches Verständnis der Bedürfnisse und Erfahrungen Sterbender und Trauernder in unserer Gesellschaft mit. Sie sind bereit, der komplexen Wirklichkeit der Sterbenden und der Hinterbliebenen ehrlich und menschlich zu begegnen. Die ehrenamtlichen Helfer werden sorgfältig überprüft, bevor sie für das Projekt ausgewählt werden. Auch nachdem sie angenommen worden sind, werden sie fortlaufend weitergebildet und begleitend beaufsichtigt. Die freiwilligen Berater erklären sich bereit, jede Woche an einer zweistündigen Supervision und an weiteren Betreuungstreffen teilzunehmen, bei denen sie ihre eigenen Gefühle verarbeiten und Rückmeldungen für ihren Fall erhalten können. Für einen Aids-Infizierten, der sein körperliches und seelisches Wohlbefinden erhalten möchte, bieten die Betreuer die nötige emotionale und praktische Unterstützung. Für einen Aids- Patienten, der dem Tod nahe ist, bieten sie fürsorgliche Anwesenheit, die den emotionalen Streß und die Einsamkeit des Sterbeprozesses erleichtern soll. Shantis ehrenamtliche Helfer stehen dem Sterbenden auch in praktischen Angelegenheiten zur Seite - bei Fürsprachen in Krankenhäusern, im Erwirken finanzieller oder rechtlicher Hilfe, beim Aufbau und Erhalt häuslicher Dienstleistungen, bei Bestattungsvorbereitungen usw.

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Die Auswahl der Helfer Die ehrenamtlichen Helfer werden sorgfältig ausgewählt, bevor sie in das Ausbildungsprogramm übernommen werden. Der Selektionsprozess beginnt mit einer Bewerbung (siehe Bewerbungsunterlagen im Anhang). Im Bewerbungsformular wird der Bewerber nach seinem persönlichen Erleben von Krankheit, Schmerz und Trauer befragt. Hier wird auch damit begonnen, die philosophischen, psychologischen, religiösen und gesundheitsethischen Anschauungen und Wertvorstellungen des Bewerbers zu untersuchen, um mögliche unbewußt vorgefaßte Handlungspläne des Bewerbers aufzudecken. Ein vorgefaßter Handlungsplan ist jedes Glaubens- und Wertesystem, das der Bewerber nicht zurückstellen kann, während er mit dem Klienten umgeht, z.B. ein übermäßig starker Glaube an die Wirksamkeit von Vitaminkuren in der Behandlung von Aids. Wir sind der Meinung, daß es für einen Berater unangemessen ist, dem Klienten seine Anschauungen und Werte aufzuzwingen. Einer der wichtigsten Bestandteile des Bewerbungsformulars ist eine längere Aufsatzfrage, die es dem Bewerber ermöglicht, sich eingehend darzustellen. Ein sorgfältiges Lesen der Antwort kann oft Einsichten in die Motivation, persönliche Erfahrung und emotionale Bereitschaft des Bewerbers geben. Da jedoch für uns eine der wichtigsten Eigenschaften eines potentiellen Beraters seine mitfühlende Anwesenheit ist, wird ihm normalerweise die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch gegeben. Nur in seltenen Fällen kommt es vor, daß die Bewerbungsunterlagen ein möglicherweise schwerwiegendes Problem aufdecken und der Bewerber deswegen allein aufgrund der schriftlichen Bewerbung abgelehnt wird. Beim Bewerbungsgespräch für die Beraterausbildung wenden wir eine Kombination von spezifischen Kriterien und intuitiven Fähigkeiten an, die wir durch Erfahrung erworben haben. Wir suchen für Shanti nach Mitarbeitern, die einfühlsam und stützend zu arbeiten vermögen. Spezifische Bereiche, die wir im Interview berücksichtigen, sind: — eine emotionale Verfügbarkeit, Sensibilität und Offenheit, d.h. die Bereitschaft, keine Werturteile abzugeben, sondern mitzufühlen, — die Fähigkeit, eigene Anschauungen und Werte zurückzustellen, — die Bereitschaft, sich mit dem Klienten in eine Beziehung zu begeben, ohne eine „professionelle Distanz" zu wahren, — die Fähigkeit, einfach ,,da zu sein'' - zuzuhören ohne gleich Problemlösungen parat zu haben, — die Offenheit für Rückmeldungen - die Bereitschaft, an Supervisionen teilzunehmen, Fähigkeit zum Zuhören weiterzuentwickeln und Verbesserungsvorschläge umzusetzen. Die Bewerber werden zu zweit oder zu dritt von zwei Shanti-Leuten interviewt, entweder von festen Mitarbeitern oder von erfahrenen ehrenamtlichen Helfern. Der erste Schritt im Interviewprozeß ist die sorgfältige Diskussion der schriftlichen Be-

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Werbung. Dabei wird jeder Bereich, der noch weiterer Untersuchung bedarf, zur Kenntnis genommen. Ein solcher Problembereich kann z.B. der kürzliche Verlust eines geliebten Menschen sein. Wir berücksichtigen hier alle Dinge, die anzeigen, daß es auf Seiten des Bewerbers ein mögliches Problem gibt. Nachdem sich die Gesprächsleiter und die Bewerber kurz gegenseitig vorgestellt haben, wird jeder Bewerber gebeten, sich zu einigen seiner Antworten noch ausführlicher zu äußern. Diese Diskussion ermutigt ihn, sich zu öffnen, und kann sich um Themenbereiche drehen, die die Gesprächsleiter noch weiter untersuchen möchten. Die Interviewer richten hierbei ihre Aufmerksamkeit auf alle negativen Aspekte der Grundkriterien, also zum Beispiel darauf, ob der Bewerber vorgefaßte Handlungsrezepte hat oder ihm einige Themen peinlich sind. Solche Bereiche werden dann weiter untersucht und die Themen werden mit dem Bewerber diskutiert. Dies bietet Gelegenheit, mehr zu erfahren und überprüft auch die Reaktion des Bewerbers auf Rückmeldungen. Bedenken Sie bitte, daß Shanti nach Beratern sucht, die fähig sind, fürsorglichen Rückhalt zu geben und unter Aufsicht zu arbeiten. Wir erwarten zwar nicht, daß unausgebildete Bewerber voll entwickelte Fähigkeiten haben, aber wir halten dennoch Ausschau nach den oben erwähnten Eigenschaften, die nach unseren Erfahrungen später einen guten Betreuer ausmachen. Nachdem jeder der Interviewten Gelegenheit hatte, sich zu äußern und Fragen zu beantworten, ziehen sich die Gesprächsleiter kurz zurück, um die Aussagen der Bewerber auszuwerten und um Rollenspiele festzulegen. Rollenspiele sollen ein Gefühl von der betreffenden Person in einer Beratungssituation vermitteln - seine Fähigkeit zum Zuhören, seine Körpersprache und sein Einfühlungsvermögen auswerten helfen. Dies ist auch eine Chance, Themen sehr direkt zu präsentieren und bietet außerdem eine weitere Gelegenheit, die Reaktion des Bewerbers auf ,,feedback" einschätzen zu lernen. Die Gesprächsleiter entwickeln ein Szenario für jeden der Interviewten und entscheiden, welcher von ihnen es spielen soll. Das Rollenspiel kann sich auf einen potentiellen Problembereich eines Bewerbers konzentrieren oder auf eine Situation, auf die wir ihn reagieren sehen möchten. Wenn sich z.B. bei einem Bewerber eine starke Voreingenommenheit gegen Aids-Infizierte und Sexualität gezeigt hat, könnte man ihn im Rollenspiel mit einem Kaposi-Sarkom-Patienten konfrontieren, der gern eine sexuelle Beziehung mit einem Freund anfangen möchte. Der Bewerber wird gebeten, die Rolle des Shanti-Beraters zu übernehmen. Ihm oder ihr werden genügend Informationen gegeben, um das Rollenspiel möglich zu machen Name, Alter, und Zustand des Klienten, der von dem Interviewer gespielt wird, ebenso wie die Dauer und Tiefe der Beziehung zwischen Berater und Klient. Ein gutes Rollenspiel kann den Bewerber gleich in eine Beratungssituation hineinversetzen und seine emotionalen Reaktionen oder vorgefaßten Handlungsrezepte aufdecken. Der Gesprächsleiter, der das Rollenspiel nicht mitmacht, beobachtet den Bewerber sehr aufmerksam und nimmt auch die Zeit. Normalerweise wird das Rollenspiel sieben bis zwölf Minuten dauern, obwohl es manchmal sinnvoll ist, es noch darüber hinaus laufen zu lassen. Am Ende wird beiden Teilnehmern, beginnend mit

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dem Bewerber, die Gelegenheit gegeben, über das eben Erlebte zu sprechen. Die dabei angesprochenen Gefühle, Themen und Probleme werden gemeinsam erforscht. Nachdem jeder Bewerber an einem Rollenspiel teilgenommen hat, ziehen sich die Gesprächsleiter erneut zurück, um die Bewerber zu beurteilen. Die Rollenspiele erlauben uns, die Bewerber recht gut einschätzen zu lernen. Wir halten dabei nicht nach gut entwickelten Beraterfähigkeiten Ausschau, sondern eher nach Einfühlungsvermögen und emotionaler Ansprechbarkeit verbunden mit der Möglichkeit, die nötigen Fertigkeiten zu erlernen. Normalerweise können wir uns am Ende des Interviews ein recht gutes Bild von dem Interviewten machen. Oft gibt es Bewerber, die geeignet scheinen, bei denen die Gesprächsleiter aber in einigen Bereichen Bedenken haben. In diesem Falle werden sie bei der Entscheidung mit viel Intuition ihrem Fingerspitzengefühl folgen. Etwaige Vorbehalte und Bedenken werden auch mit den Bewerbern diskutiert. Man ermuntert sie, während der Ausbildung an diesen Problembereichen verstärkt zu arbeiten. Am Ende des Interviews wird mit jedem Bewerber ein Einzelgespräch geführt. Die Angenommenen werden gebeten, die Ausbildungsvereinbarung durchzulesen und zu unterschreiben. In dieser stehen alle wichtigen Informationen (Zeit, Ort und Dauer der Ausbildung usw.) sowie der Hinweis darauf, daß eine Aufnahme als Shanti-Berater von dem erfolgreichen Abschluß der Ausbildung abhängig ist. Wir achten darauf, daß wir die nicht angenommenen Bewerber nicht vor den Kopf stoßen. Es wird mit ihnen diskutiert, warum sie nicht angenommen werden konnten. Hierbei kann es angemessen sein, dem Bewerber vorzuschlagen, sich später noch einmal zu bewerben, nachdem die Auseinandersetzung mit einem persönlichen Problem (z.B. einem Trauerfall) durchgestanden ist. Wenn es andere Möglichkeiten der Mitarbeit gibt, werden diese einem Bewerber, der nicht für die Beratertätigkeit geeignet ist, aber durchaus in anderer Form Hilfe leisten könnte, gegebenenfalls angeboten.

Die Ausbildung Die Shanti-Berater durchlaufen ein gründliches, vierundvierzigstündiges Ausbildungsprogramm, das sowohl praktische Erfahrungen als auch theoretische Unterweisung enthält. Die Auszubildenden werden darauf aufmerksam gemacht, daß sie auch während der Ausbildung weiter auf ihre Eignung zum ehrenamtlichen Berater beurteilt werden. Die Ausbildung zielt darauf ab, aktives Zuhören und andere Beraterfertigkeiten zu fördern. Durch den Kommunikationsprozeß, die Übungen und Referate werden die Teilnehmer für die Probleme von Schwerkranken und Sterbenden sensibilisiert. Die Berater verlassen diesen Lehrgang mit einer erhöhten Aufmerksamkeit für die grundlegenden Fragen von Leben und Tod. So ausgestattet sind sie darauf vorbereitet, schwerkranke, leidende oder trauernde Menschen einfühlsam zu beraten und ihnen zu helfen.

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Die Gruppenleiter Die Gruppenleiter für die wöchentlichen Helfertreffen oder Supervision sind hauptsächlich dafür verantwortlich, das Gruppengespräch zu erleichtern, den Gruppenprozeß zu beobachten, die Interaktion zwischen Beratern und Klienten zu supervidieren und eine direkte Verbindung zum Mitarbeiterstab zu schaffen. Zu diesen Pflichten gehört auch die zeitlicheOrganisation der Gruppen und das Überprüfen der Anwesenheit. Ein wichtiger Teil der Gruppenleiterverantwortung ist es, positives und konstruktives ,,feedback" für die Einzelberatung von Klienten zu geben und gegebenenfalls direkten Kontakt mit den Klienten der Gruppenmitglieder aufzunehmen. Die Gruppenleiter durchlaufen ein intensives Training was die Erleichterung von Gruppengesprächen und das Geschick, den Gruppenprozeß wahrzunehnem, angeht. Sie erhalten auch eine fortwährende Weiterbildung und unterliegen einer Supervision durch den Mitarbeiterstab. Sie nehmen an mindestens zwei Gruppenleitertreffen pro Monat teil, eines davon für alle Gruppenleiter und eines zusammen mit den Co-Leitern. Jede Helfergruppe hat möglichst zwei Gruppenleiter. Wenn eine Position frei wird, wird ein neuer Gruppenleiter von dem verbleibenden vorgeschlagen; die entgültige Entscheidung über die Auswahl von Gruppenleitern wird jeweils vom Helferkoordinator und dem geschäftsführenden Direktor zusammen getroffen. Gruppenmitglieder, die an einer Arbeit als Co-Leiter interessiert sind, sollten dies anmelden, sobald der Rücktritt eines Gruppenleiters oder die Neuformierung einer Helfer-/ Supervisionsgruppe bevorsteht.

Der Auswahlprozeß für Supervisionsgruppenleiter Die Gruppenleiter machen den beaufsichtigenden Helferkoordinatoren Vorschläge darüber, wer von den ehrenamtlichen Helfern in ihrer Gruppe sich zum Gruppenleiter eignen würde. Zu den wünschenswerten Eigenschaften für einen Gruppenleiter gehören Projekterfahrung, emotionale Reife und Sensibilität, ein hohes Maß an Verständnis für den Gruppenprozeß und für die Arbeit mit anderen, die Offenheit, Rückmeldungen anzunehmen und die Fähigkeit, effektive Rückmeldungen zu geben, der Wille und die Fähigkeit, Fragen und Probleme mit anderen und sich selbst angemessen zu erkennen und anzusprechen, und schließlich die Bereitschaft, die Verantwortung eines Gruppenleiters zu übernehmen. Hierbei wird es vorgezogen, daß ein Helfer bei der Diskussionsleitung in der Beraterausbildung assistiert, bevor er oder sie als Gruppenleiter in Erwägung gezogen wird. Auf der eben genannten Grundlage wählen Helferkoordinatoren und geschäftsführender Direktor gemeinsam ehrenamtliche Helfer für die Teilnahme an der Gruppenleiterausbildung aus. Basierend auf den oben genannten Eigenschaften und

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dem individuellen Verhalten während des Lehrgangs, wählen sie dann die entgültigen Gruppenleiter für den momentanen Bedarf aus. Es kann vorkommen, daß auch zwischendurch, wenn kein Lehrgang stattfindet, ein neuer Gruppenleiter benötigt wird. In diesem Falle kann ein erfahrener und fähiger Helfer zum Gruppenleiter ernannt werden, bevor er oder sie an einem Lehrgang teilgenommen hat.

Konfliktlösungswege für die Helfer Von jedem der ehrenamtlichen Helfer wird erwartet, daß er Konflikte mit irgendjemandem im Projekt oder Probleme des Projekts mit einem hohen Maß an Integrität behandelt und sie ganz direkt mit dem oder den Betroffenen bespricht. Wenn das Problem nicht zur Zufriedenheit des Helfers gelöst werden kann, sollte er oder sie sich zuerst mit dem zuständigen Gruppenleiter besprechen. Wenn Helfer und Gruppenleiter zusammen keine zufriedenstellende Regelung für die Beschwerde finden können, wird die Angelegenheit an den supervidierenden Koordinator weitergegeben. Sollte der Koordinator keine Lösungsmöglichkeit finden, so kann sich der ehrenamtliche Helfer an den geschäftsführenden Direktor wenden. Sollte die Überprüfung durch ihn keinen Ausweg aus der Situation ergeben, so kann sich der Helfer an das Programmkommitee im Vorstand des Shanti-Projekts wenden. Die Entscheidung durch dieses Kommitee ist bindend für alle beteiligten Parteien. Sollten der geschäftsführende Direktor und das Programmkommitee sich nicht einig sein, wird die Sache vom gesamten Vorstand beurteilt und entschieden. Wenn hier nach eingehender Diskussion keine Zweidrittelmehrheit erzielt werden kann, wird die einfache Mehrheit entscheiden. Es ist wichtig, daß jeder Helfer mit einer Beschwerde, sich genau an diesen Lösungsweg hält.

Der Vorstand Der Vorstand ist in der Hauptsache für die Organisation des Projekts verantwortlich. Er nimmt aktiv an allen finanziellen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten des Projektes teil und beaufsichtigt den Mitarbeiterstab. Ein Großteil der Verantwortung für das Management wird an den geschäftsführenden Direktor delegiert. Der Vorstand besteht aus elf Mitgliedern, von denen die Mehrheit derzeitige oder frühere Shanti-Helfer oder Klienten zu sein haben. Andere Vorstandsmitglieder werden je nach den Bedürfnissen des Projekts ausgesucht. Alle Vorstandsmitglieder werden für einen Zeitraum von drei Jahren gewählt und können wiedergewählt werden. Der Gründer des Projekts, Dr. Charles Garfield, steht dem Vorstand

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als Ehrenmitglied in beratender Funktion zur Seite. Die Vorstandmitglieder arbeiten bei Entscheidungen über aktuelle Probleme und bei der Leitung des Projektes zusammen. Diese Arbeit umfaßt sowohl die Personal- und Finanzpolitik als auch die Beziehungen zur Gemeinde. Das Geschäftsführende Kommitee des Vorstandes besteht aus dem Vorsitzenden, dem Präsidenten, dem Sekretär und dem Schatzmeister des Vorstandes. Zusätzlich arbeiten die Vorstandsmitglieder in einem oder mehreren Ausschüssen. Die ständigen Ausschüsse beschäftigen sich mit folgenden Aufgaben: Projektangebote, Personal, Finanzen, Organisation von Spenden und anderen Mitteln, Öffentlichkeitsarbeit und Nominierungen. Ad-hoc-Ausschüsse werden gebildet, wenn es die Situation erfordert. Der Vorstand begrüßt Anregungen von Seiten der ehrenamtlichen Helfer. Vorschläge und Anfragen betreffs eines Themas oder einer Entscheidung im Vorstand sollten an den Vorstandsvorsitzenden gerichtet werden, der diese dann im Vorstand zur Sprache bringen wird. Helfer können auf Anfrage auch an einer Vorstandssitzung teilnehmen.

Vertraulichkeit Wenn Klienten zu uns kommen und unsere Dienste in Anspruch nehmen wollen, wird ihnen zugesichert, daß alle Daten und Informationen streng vertraulich behandelt werden. Sie werden auf die Beziehung zwischen dem ehrenamtlichen Berater und dem Supervisorenteam hingewiesen und darüber informiert, daß alle von ihnen gegebenen Informationen an ihren persönlichen Helfer weitergeleitet werden und daß dieser im ständigen Kontakt mit dem Helferkoordinator steht. Es ist sehr wichtig, daß ihr Vertrauen, daß wir diese persönlichen Informationen vertraulich behandeln, immer ungebrochen bleibt. Die Nachnamen der Klienten sollten nie benutzt werden, auch nicht in unseren Helfergruppen. Auch sollten keine spezifischen Informationen oder Daten erwähnt werden, die auf die Identität des Klienten schließen lassen, also z.B. wo er oder sie arbeitet, wohnt usw.. Wir sollten uns auch vor der Versuchung hüten, die Identität des Klienten unseren Freunden oder Familienmitgliedern gegenüber preiszugeben. Auch wenn es uns schmeicheln mag, sagen zu können, unser Klient ist der und der oder macht das und das, so ist dies ein Vertrauensbruch und kann unabsehbare und sehr schädliche Auswirkungen haben. Familien Wenn Sie mit zwei oder drei Angehörigen desselben Falles oder derselben Familie arbeiten, muß darauf geachtet werden, daß absolut keine Information ohne die ausdrückliche Einwilligung oder Bitte Ihres Klienten weitergeleitet werden darf. Auch

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wenn es manchmal im Moment so aussehen mag, als sei es vorteilhaft, eine vertrauliche Information einem Freund oder Familienmitglied weiterzugeben, so widerspricht es doch unserem Ethos. Selbst Informationen, die relativ unverfänglich oder möglicherweise sogar beschwichtigend erscheinen - wie z.B. „ D u mußt dir keine Sorgen wegen der Kohle machen: Ich weiß, daß sie genug haben" oder ,,Sie sagt, sie hat dich wirklich lieb, auch wenn du sie letzte Woche angemotzt hast" - können die Situation nur noch komplizieren. Wenn Sie darum gebeten werden, Informationen von einem an einen anderen Patienten weiterzugeben, empfiehlt es sich, daß sie dem Klienten vorschlagen, sich direkt an die andere Person zu wenden. Sie könnten anbieten, dann in diesem Gespräch als Vermittler aufzutreten, wenn dies dem Klienten hilft. Helfergruppen Normalerweise teilt Shanti nicht zwei Helfern aus derselben Helfergruppe denselben Fall zu. Unser Hauptargument für dieses Vorgehen ist, daß diese Helfer - im Gegensatz zu den anderen Helfern in der Gruppe - gegenseitig von der Identität ihres Klienten wüßten und aufgrund dieses Wissens in der Gruppendiskussionen bisweilen gehemmt sein könnten. Dennoch ist es manchmal unvermeidlich, zwei Angehörige eines Falles Helfern derselben Gruppe zuzuordnen. Sollte dies vorkommen, ist eine besondere Sensibilität für die Wahrung der Vertraulichkeit angebracht. Eine solche Sensibilität ist auch dort erforderlich, wo zwei Helfer aus verschiedenen Helfergruppen demselben Fall zugeteilt worden sind und es für nötig halten, sich über diesen Fall zu verständigen. Es wird extreme persönliche Vorsicht verlangt, wenn es darum geht, derartige Informationen zu erhalten und zu integrieren. Mit anderen Worten: Sie behalten das Gehörte ganz für sich, können aber hoffentlich durch die bessere Kenntnis zu neuen Einsichten über Verhalten und Dynamik in der betroffenen Familie gelangen. Aber es sei noch einmal gesagt, daß die so erhaltenen Informationen sehr vorsichtig abgewogen werden müssen und mit derselben Vertraulichkeit zu behandeln sind, die Sie Ihrem eigenen Klienten zusichern. Wenn Sie vermuten, daß bestimmte Dinge, die Sie in Ihrer Helfergruppe diskutieren möchten, den anderen Berater des Falles in eine unangenehme Position bringen könnten, empfiehlt es sich, ihn zu bitten, den Raum zu verlassen, solange die Sache besprochen wird. Wenn jedoch beide Helfer in der Gruppe bleiben während der Fall diskutiert wird, sollte der Helfer, der die Rückmeldungen des anderen hört, diese Informationen als streng vertraulich betrachten. Bedenken Sie, daß das, was Sie hören, einem anderen Berater anvertraut wurde, und daß der Klient als einziger das Recht hat, es einem anderen Familienmitglied zu sagen. Gelegentlich ist es wünschenswert, daß Helfer, die innerhalb derselben Familie oder Bezugsgruppe arbeiten „Notizen" austauschen. Wir sollten aber immer daran denken, daß diese Mitteilungen von uns so aufgenommen werden, daß kein Vertrauensbruch entsteht, daß diese Informationen im Endeffekt nichts anderes sind als be-

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reits gefilterte Interpretationen von dem was wirklich vor sich geht (oder auch nicht vor sich geht).

Annahme von Geschenken Einer von Shantis Grundsätzen ist es, daß Mitarbeiter und ehrenamtlich Helfer keine Geldgeschenke von Klienten annehmen dürfen. Wir erkennen und verstehen jedoch, daß die von Klienten angebotenen Geschenke ein Ausdruck ihrer Dankbarkeit für die empfangene Pflege und Freundlichkeit sind. Deshalb ist es wichtig, wie wir auf sie reagieren. Wir müssen in der Lage sein, den Wunsch der Klienten zu geben verbal anzunehmen und gutzuheißen, während wir gleichzeitig vorschlagen, daß ihre Dankbarkeit auch auf andere Weise ausgedrückt werden kann. Sie könnten z.B. Beiträge zum Projekt als Ganzem leisten, was sowohl ihnen selbst als auch anderen Klienten zugute käme und Shantis Dienstleistungsangebote erweitern würde. Sachbeiträge könnten in Form von Büchergaben an unsere Bibliothek oder in Form von Gegenständen für die Büroausstattung geleistet werden. Im Umgang mit Sachgeschenken soll jeder Helfer individuell und nach seinem eigenen Gutdünken darüber entscheiden, ob das Geschenk angemessen ist. Dabei ist es wichtig, daß die Gründe für den Austausch von Geschenken klar sind und von beiden Seiten verstanden werden. Auch hier gilt es, zu bedenken, daß die Gabe ein bedeutungsvoller Ausdruck von Dankbarkeit ist. Wenn der Helfer Geschenke annimmt, muß er sich allerdings darüber im klaren sein, daß die Möglichkeit späterer Ansprüche vom Spender selbst oder von seiner Familie besteht. Das Geschenk sollte deshalb für eine angemessene Zeit verwahrt werden. Rechtlich könnte die Schenkung z.B. aufgrund des fragwürdigen Bewußtseinszustandes des Patienten zur Zeit der Gabe angefochten werden. In der Folge wird das Geschenk eventuell zurückgegeben werden müssen, um weitere rechtliche Komplikationen zu vermeiden. Die Gabe von Geschenken ist nur eine von vielen Möglichkeiten seine Dankbarkeit auszudrücken. Deshalb kann man dem Klienten auch Alternativen vorschlagen: Man könnte z.B. einen Brief schreiben, der die tiefen Gefühle zum Ausdruck bringt oder kleine unmittelbare Freuden, z.B. durch Blumen oder Leckereien, bereiten. Man könnte auch etwas für andere tun, für sie kochen oder sie zum Essen, ins Theater oder Konzert einladen.

Sexuelles Verhalten von Mitarbeitern und Helfern In Übereinstimmung mit den bestehenden Normen für den Beruf des Beraters, ist es unser Grundsatz, daß es Shanti-Mitarbeitern oder Helfern untersagt ist, sich auf sexuelle Beziehungen mit Klienten einzulassen, mit denen er oder sie in Beratungssit-

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zungen direkt zu tun hat. Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet das auch, daß sexuelle Beziehungen mit Personen im Haushalt des Klienten, seinen Partnern oder Familienmitgliedern ausgeschlossen sind. Jegliche sexuellen Aktivitäten, die gegen diesen Grundsatz verstoßen, führen zur Kündigung des Mitarbeiters oder Helfers. Anmerkung: Den Mitarbeitern und ehrenamtlichen Helfern wird nahegelegt, mit ihren Supervisoren vertraulich alle sexuellen Fragen zu klären, die im Zusammenhang mit Beziehungen zu Klienten oder der Helfergruppe auftreten. Sie werden außerdem aufgefordert, in sexuellen Beziehungen mit engen Freunden des Klienten oder mit Klienten anderer Helfergruppenmitglieder Diskretion walten zu lassen.

Einnahme von Drogen im Dienst Damit wir unseren Klienten weiterhin optimal dienen können,ist es unser Grundsatz, daß kein Shanti-Helfer zusammen mit einem Klienten illegale Drogen konsumiert. Illegale Drogen sind u.a. Marihuana, LSD, Kokain, sowie alle verschreibungspflichtigen Medikamente, die nicht dem Helfer verschrieben wurden. Unter Shanti-Klient verstehen wir in diesem Falle jede Person, die derzeitig mit irgendeinem ShantiHelfer arbeitet. Jegliche Einnahme von Drogen mit einem Shanti-Klienten führt zum Ausschluß des Helfers aus dem Projekt.

Alkoholkonsum eines Helfers im Dienst Alkohol wird nicht als illegale Droge betrachtet; dennoch ist es sehr schwer, unter Alkoholeinfluß dem Patienten gegenüber das für den ehrenamtlichen Helfer nötige professionelle Auftreten zu wahren. Es ist eine gängige Regelung, daß in Beratungssituationen weder vom Berater noch vom Klienten Alkohol konsumiert werden darf. Allerdings macht es die Freund-/ Beraterrolle des Shanti-Helfers schwierig, sich immer an dieses Ideal zu halten. Darum wird zum Wohle der Beraterbeziehung wie für den Ruf des ShantiProjektes folgendes vorgeschlagen: — Gehen Sie nicht zu einem Shanti-Klienten, nachdem Sie Alkohol konsumiert haben. — Trinken Sie mit dem Patienten nie soviel Alkohol, daß Ihre Fähigkeit, effektiv für den Klienten da zu sein, vermindert wird. Verstöße gegen die obige Regelung werden von Fall zu Fall behandelt.

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Umgang mit dem Alkoholkonsum von Klienten Es ist einer der Grundsätze des Shanti-Projekts, auch Klienten mit einem Suchtproblem anzunehmen. Es wird allerdings zur Bedingung gemacht, daß sich sowohl der Klient als auch der ehrenamtliche Helfer über folgendes im klaren sind: Ein übermäßiger Alkohol- und Drogenkonsum wird den Trauerprozeß nach dem Tod eines Angehörigen behindern und wird bei einem Klienten, der sich einer lebensbedrohenden Krankheit gegenübersieht, wesentliche Themen unnötig verwischen. Es wird diesen Klienten daher dringend empfohlen, einen ernsthaften Anlauf zu nehmen, die Sucht als ein untaugliches Mittel zur Verdrängung der mit ihrer Situation einhergehenden schmerzlichen Gefühle zu begreifen. Der Shanti-Helfer hat eine Liste der bestehenden Suchtberatungsstellen zur Verfügung und wird, wenn es sinnvoll ist, den Klienten ermutigen, deren Dienste in Verbindung mit den von Shanti angebotenen Hilfen in Anspruch zu nehmen. Wenn es sich während des Aufnahmegesprächs herausstellen sollte, daß Alkoholismus oder Drogenmißbrauch ein Problem des potentiellen Klienten sind, wird verbindlich vereinbart, daß er und sein Berater sich an die folgenden Richtlinien halten:

1.

Der Klient muß sich für mindestens 24 Stunden vor den Sitzungen des Alkohol- oder Drogenkonsums enthalten.

2.

Das erste Treffen wird an einem neutralen Ort und nie in der Wohnung des Klienten stattfinden. Die folgenden Treffen werden an einem Ort stattfinden, der vorher vom Helfer bestimmt wird.

3.

Der Klient erklärt sich bereit, während der Sitzungen keinen Alkohol oder Drogen bei sich zu haben.

4.

Der ehrenamtliche Helfer wird die obigen Vereinbarungen beim ersten Treffens dem Klienten gegenüber wiederholen.

5.

Die Klienten erklären sich damit einverstanden, daß die Helfer die Angemessenheit der Beratungssitzungen für Klient und Berater ständig neu beurteilen, und daß ein Abbruch der Beziehungen erfolgt, sobald festgestellt werden sollte, daß eine Fortsetzung der Beratung nicht sinnvoll ist.

Wenn die Alkohol- oder Drogensucht des Klienten nicht gleich zu Beginn offensichtlich wird und sich erst im Laufe der Zeit als Problem erweist, müssen die obigen Vereinbarungen dem Klienten vorgelegt werden, bevor die Beratung fortgesetzt werden kann. Außerdem müssen der Koordinator oder der klinische Supervisor sofort von dem Problem in Kenntnis gesetzt werden.

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Probleme der Drogen- und Alkoholabhängigkeit Einleitung Im Laufe unserer Arbeit mit kranken und trauernden Klienten, sind uns zahlreiche Fälle begegnet, bei denen Alkohol-, Tabletten-, oder Drogenmißbrauch unsere Beraterbeziehungen negativ beeinflußt haben. Im folgenden liefern wir eine Begründung dafür, warum dies für eine gleichberechtigte Beratung ein so wichtiges Thema sein sollte. Wir bieten Richtlinien dazu an, wie man ein Vorbild abgeben kann, wie man das Problem erkennen und alternative Lebenshilfen anbieten kann, wie man Grenzen zieht, ohne die stützende Arbeit aufzugeben, und wie man seine eigenen Einstellungen, Erfahrungen und Gefühle dem Thema Alkohol gegenüber untersucht. Begründung Es ist unsere Erfahrung bei der Arbeit mit Klienten, daß Alkohol, Medikamente oder Drogen den Prozeß der Trauer oder Akzeptanz erschweren. Die meisten von uns haben schon einmal erfahren, wie frustrierend es ist, sich mit einem Betrunkenen zu unterhalten. Die Tatsache, daß man sich dabei im Kreise bewegt und diffus aneinander vorbeiredet, läßt schon Rückschlüsse darauf zu, wie vergebens es ist, eine Beratungssitzung mit einem betrunkenen Klienten durchzuführen. Die vorgebliche „Tiefgründigkeit" und Harmonie solcher Gespräche kann sich leicht in nichts auflösen. Es kann zu sogenannten „blackouts" kommen, bei denen sich der Klient nicht einmal mehr daran erinnert, daß die Sitzung überhaupt stattgefunden hat. (Natürlich wird man in diesem Falle prüfen müssen, ob es sich bei dem Gedächtnisverlust nicht um Beeinträchtigungen des Nervensystems handelt, die durch Aidsbezogene opportunistische Infektionen hervorgerufen wurden.) Einige ehrenamtliche Helfer haben gemeint: „Wenn der Klient ohnehin bald stirbt oder wenn einer vor Trauer verzweifelt, warum soll man ihn dann nicht mal den Kummer im Suff vergessen lassen?" Es ist aber im Gegenteil so, daß Alkohol und andere Betäubungsmittel die Symptome, die damit ursprünglich aus der Welt geschafft werden sollten (so z.B. Depressionen, Schlaflosigkeit und Nervosität), nur noch verstärken. Der natürliche Prozeß des allmählichen Auftauchens aus einer Phase der seelischen Betäubung wird dadurch auf doppelte Weise verhindert: Zum einen gibt es eine innere Gefühlssperre, und zum anderen wird der Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen abgeblockt. Es ist gerade unsere Beziehung zu einem Klienten, die die Grundlage des Vertrauens und der Sicherheit dafür bildet, daß er an seinen Gefühlen arbeiten kann. Übermäßiger Alkoholkonsum macht diesen Kontakt mit dem Klienten im großen und ganzen unmöglich. Wir wollen für unsere Klienten da sein, um sie in der Verarbeitung ihrer Gefühle zu unterstützen. Die Klienten fühlen sich manchmal von ihren emotionalen Reaktionen dem Tod oder dem Sterben gegenüber so überwältigt, daß sie in einer Phase der

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Verdrängung und Verleugnung ihrer eigenen Gefühle verharren, anstatt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Auch wenn wir ausdrücklich klarmachen, daß wir unseren Klienten keine festen Verhaltensregeln vorschreiben, so wollen wir dennoch sicher sein, daß jegliche Schwierigkeiten, die sie dabei haben, sich ihren Problemen zu stellen, eine natürliche und notwendige Phase ihres Trauerprozesses sind und nicht etwa einfach Folge ihres Alkoholkonsums. Vorbild sein Es liegt in der Natur unserer speziellen Beratertätigkeit, daß ein Schluck zum Abendessen oder in Gesellschaft durchaus erlaubt sein kann. Wir möchten aber doch empfehlen, daß die Berater bei den ersten Treffen in der Wohnung des Klienten keinen Alkohol trinken. Sowohl wegen seiner verzweifelten Situation als auch weil er um Hilfe bitten und sich auf einen für ihn neuen Menschen einlassen muß, fühlt sich der Klient höchstwahrscheinlich verunsichert und beklommen. Vielleicht wird er aus dieser Situation heraus sich selbst ein Glas einschenken und dem Helfer auch etwas anbieten. Indem wir in dieser Situation höflich ablehnen, müssen das Thema Alkohol und unsere Richtlinien dazu gar nicht weiter erwähnt werden. Es ist dadurch auf subtile Weise klar geworden, daß üblicherweise während der Sitzungen nicht getrunken wird und daß sich dieses Zusammenkommen von anderen gesellschaftlichen Anlässen unterscheidet. Das Problem erkennen Als gleichberechtigte Berater können wir kaum erwarten, daß wir die Abhängigkeit unseres Klienten hinreichend beurteilen können, aber wir können bestimmte Indizien erkennen, die darauf schließen lassen, daß er oder sie sich fachkundig untersuchen lassen sollte. Unser Hauptanliegen ist es, daß die Abhängigkeit nicht unsere Beratungssitzungen beeinträchtigt. Wiederholtes Trinken vor oder während unserer Sitzungen, das bis zum Rausch führt, ist eine offensichtliche Störung und sollte auf jeden Fall angesprochen werden. Ein Gespräch darüber, wie er oder sie mit Krisensituationen umgeht, ist bei jedem Klienten sinnvoll. Wie z.B. hat der oder diejenige andere schwierige Lebenssituationen gehandhabt, und was für Schlüsse können daraus für die jetzigen Umstände gezogen werden? Wenn Alkohol (entweder vom Klienten selbst oder vom Berater) als wichtiger „Problemloser" in seinem Leben erkannt wird, kann der Berater dem Klienten Selbsteinschätzungstests geben, die ihm die Verhaltensmuster einer Abhängigkeit aufzeigen können. Der Berater kann den Klienten auf die möglichen Komplikationen hinweisen, die sich daraus ergeben, daß er Alkohol benutzt, um in seinem Leben zurechtzukommen. Und er sollte auch die Gefahren einer kombinier-

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ten Einnahme von Medikamenten mit Alkohol erwähnen. Solch ein Gespräch kann den Klienten auch anregen, sich einer fachkundigen Beurteilung zu unterziehen. Wir sollten unseren Klienten dabei helfen, ihr Repertoire an Fähigkeiten, im Leben zurechtzukommen, zu erweitern. Von Meditation über Gespräche mit guten Freunden, körperliche Betätigung und Kino- und Theaterbesuche bis hin zur Psychotherapie gibt es viele Möglichkeiten, mit Kummer und Sorgen besser umzugehen. Wir können den Klienten anbieten, einige dieser Dinge gemeinsam mit ihnen zu unternehmen, wenn sie bereit sind, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Letztendlich ist natürlich die Beziehung, die wir mit dem Klienten zusammen aufbauen, an sich schon eine wichtige Form, mit dem Kummer umzugehen. Einige unserer ehrenamtlichen Helfer hatten schon mit den Anonymen Alkoholikern zu tun, und es gibt in San Francisco auch eine Gruppe speziell für Aids-infizierte Anonyme Alkoholiker. Es gibt in der Stadt eine Anzahl von Behandlungsmöglichkeiten für Alkoholiker - von den Treffen der Anonymen Alkoholiker bis hin zu ambulanter und stationärer Behandlung. Die ehrenamtlichen Helfer, die mit alkoholabhängigen Klienten zu tun haben, sollten sich zusätzlich zur Helfergruppe mit den klinischen Supervisoren beraten. Grenzen ziehen Wie können wir Grenzen ziehen und dennoch stützend arbeiten oder in Übereinstimmung mit unserem Grundsatz handeln, den Klienten so zu nehmen, wie er ist? Vielen Helfern graut es davor, irgendwelche Grenzen festzulegen. Sie schrecken zurück vor dem, was sie als autoritäre Einmischung in eine gleichberechtigte Partnerschaft mit dem Klienten ansehen. Auf lange Sicht können jedoch die Frustrationen und der innere Groll, die sich als Folge einer „laissez faire"-Haltung durch den Helfer bei ihm aufbauen, weit mehr Schaden in der Beziehung anrichten. Auch wenn wir dem Klienten als gleichberechtigtem Partner Rückhalt geben wollen, so ist das kein Grund, zum „Mitalkoholiker" zu werden, indem wir seine Sucht ignorieren oder gar erst ermöglichen. Die von uns vorgeschlagene Grenze, die die Beeinträchtigung der Beratung durch Alkoholkonsum verhindern soll, ist die Forderung, sich vor und während der Sitzungen des Trinkens zu enthalten. Wenn wir zu einer Verabredung erscheinen und unser Klient ist angetrunken, können wir ihn höflich an die Vereinbarungen erinnern und vorschlagen, ihn ein anderes Mal zu treffen oder anzurufen. Was ist, wenn der Klient bereit ist, sich für unsere Sitzungen des Alkohols zu enthalten, sich aber ansonsten weigert, sich auf seinen Alkoholismus hin untersuchen zu lassen, obwohl klar ist, daß sein sonstiges Leben schwer davon betroffen ist? Wir können den Klienten weiter auf das Problem aufmerksam machen und ihn ermutigen, sich einer Behandlung zu unterziehen. Wir sehen uns als Teil seiner stützenden Bezugsgruppe und wir wollen weiter mit ihm zusammenzuarbeiten, solange er sich an die Bedingung nüchterner Sitzungen hält. Hingegen können häufig verpaßte Verabredungen, angetrunkenes Auftreten, dringende nächtliche Anrufe im

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betrunkenen Zustand sowie heftige Forderungen nach sofortiger Aufmerksamkeit in alkoholikertypischen Krisen oder auch beleidigendes Verhalten dazu führen, daß wir auf einer Behandlung des Klienten bestehen, damit die Beratung durch uns sinnvoll fortgeführt werden kann. Eine Entscheidung darüber, ob eine fachliche Behandlung oder ein Abbruch der Beratung verlangt werden sollte, wird gegebenenfalls in enger Absprache mit dem klinischen Supervisor und unseren Helfergruppen gefällt werden. Unsere eigenen Einstellungen und Gefühle Natürlich kann der Umgang mit diesen Problemen bei den Helfern, die mit einem alkohlsüchtigen Klienten zu tun haben, eine Reihe von Gefühlen hochkommen lassen, besonders wenn unter ihren eigenen Familienmitgliedern Alkoholiker waren. Die Anonymen Alkoholiker haben bisher vielen Angehörigen geholfen zu lernen, wie man sich einem Alkoholiker gegenüber liebend und unterstützend verhalten kann, ohne ihn deshalb zu entschuldigen, zu decken oder in seiner Sucht zu bestärken. Es kann leicht geschehen, daß man sich davon einlullen läßt, daß der Alkoholiker ständig alles ableugnet, daß man glaubt, irgendwie mit an der Sucht dieses Menschen schuld zu sein, oder daß man sich nach einer Zeit ausgenutzt und manipuliert fühlt. Wenn wir es hingegen schaffen, unzweideutig angemessene Grenzen zu setzen, ist es eher möglich, daß wir uns behaupten können, anstatt zu bestrafen. Wir können durchaus gleichzeitig fürsorglichen Rückhalt geben und auf uns selbst acht geben, ohne uns mit dem Alkoholiker in seiner Sucht zu solidarisieren. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist es unbedingt notwendig, daß wir unsere Fragen, Beobachtungen und Gefühle in unseren Supervisionsgruppen zur Sprache bringen. Sie können uns helfen, unsere eigenen Probleme zu klären und effektiver mit einem süchtigen Klienten umzugehen. Die Meldung des Alkohol- oder Drogenmißbrauchs Alle Fälle von übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum sind sofort dem Koordinatoren oder/ und dem klinischen Supervisor mitzuteilen.

Datenschutz gegenüber der Presse Da die Öffentlichkeit in zunehmendem Maße auf das Shanti-Projekt aufmerksam wird, müssen wir in nächster Zeit damit rechnen, daß wir von den Medien mehr und mehr Anfragen bekommen, ob Helfer oder Klienten interviewt werden können. Alle derartigen Anfragen sollten direkt an mich im Shanti-Büro gerichtet werden. Außerdem sollten mir alle für die Veröffentlichung bestimmten Artikel von Shan-

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ti-Mitarbeitern, die in irgendeiner Form mit Shanti zu tun haben, vor ihrer Veröffentlichung zur Genehmigung vorgelegt werden. Wenn Sie von jemandem aus den Medien angesprochen werden, müssen Sie die Vertraulichkeit der Beziehung zwischen Klient und Mitarbeiter (Berater oder praktischer Helfer) schützen, indem Sie bestreiten, den Klienten überhaupt zu kennen. Wenn z.B. ein Fernsehreporter bei ihnen anriefe und sagte, er hätte eben mit Ihrem Klienten Jerry Smith telefoniert und Jerry hätte vorgeschlagen, er solle doch seinen Berater anrufen, sollten Sie den Reporter an mich verweisen, ohne auch nur durchblicken zu lassen, daß Sie schon jemals etwas von einem Jerry Smith gehört haben. Obwohl die meisten Medienleute vertrauenswürdig sind, besteht doch die Möglichkeit, daß der Reporter noch nie mit Ihrem Klienten gesprochen hat und nur auf den Busch klopfen will. Außerdem müssen Sie selbst wie auch Ihr Klient sich darüber im klaren sein, wie wichtig im Umgang mit der Presse extreme Eindeutigkeit ist. Aus dem Zusammenhang gerissene Antworten können den Sinn verfälschen und peinlich für Sie selbst, den Klienten oder das Shanti-Projekt werden. Wenn Ihr Klient erwägt, ein Interviewangebot der Medien anzunehmen, empfiehlt es sich, daß Sie diese Themen offen mit ihm/ ihr diskutieren, so daß er/ sie sich überlegen kann, was er/ sie eventuell sagen möchte und Zeit genug hat, sich die Möglichkeit zu vergegenwärtigen, daß das Gesagte ganz anders wiedergegeben wird. Ich freue mich wirklich, daß Ihre Arbeit im Shanti-Projekt zunehmend mehr Anerkennung findet. Und ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie im gemeinsamen Bemühen um den Schutz der Vertraulichkeit und um den guten Ruf von Shanti die obigen Regeln beachten könnten.

(Brief von Jim Rulon an die Shanti-Mitarbeiter, 1. Februar 1985)

Shanti-Klient und Suizid Statistiken zeigen, daß Personen, die um einen geliebten Menschen trauern, und Menschen, die unter einer chronisch schwächenden Krankheit leiden, in hohem Maße selbstmordgefährdet sind. Sie erleben eine Vielzahl überwältigender Emotionen - von Hoffnungs-, und Hilfslosigkeit, über Wut, Angst, Schuldgefühle und Mutlosigkeit, bis hin zu Isolation, Verwirrung und zunehmendem Desinteresse. Aber der Shanti-Helfer erkennt das Bedürfnis nach emotionaler Unterstützung bei diesen Gefühlen. Wenn der Shanti-Klient um unsere Hilfe bittet, signalisiert er dem Helfer: „Hilf mir durch diese Zeit schwer zu ertragender Gefühle, laß meine Gefühle gelten, zeig mir einen Weg, meine Depressionen abzubauen, bereichere mein Leben in der verbleibenden Zeit! Hilf mir zurechtzukommen!"

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Warnsignale Manche potentiellen Selbstmörder deuten den Suizid nur an, statt sich offen darüber zu äußern - sie sagen z.B.: „Ich sehe nicht, wie ich noch länger weitermachen kann." Andere wiederum werden klar und direkt über ihre Absichten sprechen: „Ich werde mich umbringen." Das Thema Selbstmord sollte auf jeden Fall immer ernst genommen werden. Aussagen wie z.B. „Es lohnt sich doch nicht", „Es gibt doch nichts mehr, wofür ich noch lebe", oder „Ich wäre besser dran, wenn ich tot wäre", sind ernste Botschaften, die es zu untersuchen gilt. Auch nonverbale Botschaften wie das resignierte Verschenken oder Verschleudern von Eigentum, sollten nicht übersehen werden. Wenn Selbstmordabsichten vermutet werden, aber nicht ausgesprochen worden sind, fragen Sie! Die Nachfrage danach, ob jemand daran denkt, sich das Leben zu nehmen, wird ihn nicht „auf dumme Gedanken bringen". Die aufrichtige Besorgnis eines anderen Menschen zeigt dem Klienten, daß man seine Gefühle gelten läßt, und schafft ein Ventil für aufgestaute Emotionen. Weil Selbstmord in unserer Gesellschaft oft als eine schändliche, feige und unehrenhafte Handlung angesehen wird, schämt sich der ohnehin schon mit schwerwiegenden Emotionen belastete Mensch auch noch für seine Suizid-Gedanken und zögert, das Thema anzusprechen. Gefühle werden nur denjenigen Menschen gegenüber offengelegt, denen man vertrauen kann. Deshalb ist der Klient sehr empfindlich gegenüber den Reaktionen desjenigen, dem er sich anvertraut hat. Wenn jemand selbstmordgefährdet ist, sollte man ihm die eigene Besorgnis mitteilen und ihm ruhig und geradeheraus Fragen stellen. Fragen Sie, welche Gefühle den Wunsch nach Selbstmord ausgelöst haben. Fragen Sie, ob sich der Klient Gedanken über die Suizidmethode gemacht hat und ob er oder sie schon Schritte dazu unternommen hat (z.B. durch das Horten von Tabletten). Diese Fragen zeigen dem Klienten, daß Sie bereit sind, das Thema zu diskutieren, und nicht etwa entsetzt oder angewidert reagieren. Dies wird eine Kommunikationsebene eröffnen, die es dem Klienten erlaubt, über seine Gefühle zu sprechen. Das wird ihm helfen, sich besser zu fühlen und Ihrer Besorgnis zu trauen. Fragen dieser Art werden Ihnen auch helfen, die Ernshaftigkeit des Problems einzuschätzen. Achten Sie darauf, daß die Lebensgefahr um so größer ist, je genauer die bereits getroffenen Vorbereitungen sind. Wenn detaillierte Pläne für den Suizid gemacht worden sind, ist die Gefahr höchstwahrscheinlich sehr akut. Das bedeutet nicht, daß jemand mit nur sehr vagen Suizid-Vorstellungen nicht ernst genommen werden sollte: Es kann sein, daß er oder sie sich noch in einer frühen Phase der Überlegung befindet oder auch, daß der Suizid ohne die detaillierten Vorbereitungen durchgeführt wird, die die meisten Selbstmorde kennzeichnen.

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Rechtliche Pflichten Berater, die von einer Selbstmordabsicht wissen, haben (in den USA) eine gesetzliche „Pflicht zu warnen". Das Gesetz ist hier vage und schreibt nicht vor, wer zu warnen ist. Für die Zwecke des Shanti-Projekts muß der klinische Supervisor sofort alarmiert werden. Er wird die Situation zusammen mit dem Direktor der Organisation beurteilen und dementsprechend handeln. Selbst wenn Sie offen und ehrlich mit dem Klienten sprechen können, ist es wichtig, den Supervisor zu verständigen und das weitere Vorgehen mit ihm oder ihr zu besprechen. Denn Menschen, die ernsthaft selbstmordgefährdet sind, kommen manchmal an einen Punkt, an dem sie andere absichtlich in die Irre führen und so tun, als wäre die Krise überwunden. Gespräche mit dem klinischen Supervisor können eine zusätzliche Perspektive liefern und die Situation klären helfen.

Dran denken... Kommen Sie nicht mit Plattheiten oder einfachen Antworten auf schwerwiegende Probleme! Die Klienten daran zu erinnern, daß es Menschen gibt, die viel schlimmer dran sind, oder ihnen zu sagen, sie sollten doch für die positiven Dinge in ihrem Leben dankbar sein, verstärkt nur ihre Schuldgefühle und ihre Hoffnungslosigkeit. Nehmen Sie das Problem ernst. Sprechen Sie offen und direkt darüber. Zeigen Sie, daß Sie die Gefühle, die hinter der Selbstmordabsicht stehen, gelten lassen. Holen Sie notfalls Hilfe.

Was, wenn... Wenn ein Shanti-Klient einen Suizid-Versuch unternimmt, werden wir den Kontakt nur dann aufrechterhalten, wenn der Klient bereit ist, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben. In diesem Falle werden wir die Arbeit mit dem Klienten auch nur dann fortsetzen, wenn der Therapeut dies für vorteilhaft hält. Shanti erkennt die Notwendigkeit der zusätzlichen Unterstützung von Klienten, die sich in therapeutischer Behandlung befinden. Wenn ein Klient sich weigert, nach einem Suizid-Versuch eine Therapie zu machen, brechen wir prinzipiell die Betreuung durch das Shanti-Projekt ab. Wir wollen damit nicht einen Menschen in der Not im Stich lassen, sondern stoßen hier an die Grenzen unserer Organisation. Den Kontakt mit einem Klienten fortzusetzen, der ganz offensichtlich professionelle Hilfe braucht, ist für ehrenamtliche Helfer eine zu große Belastung. Es kann notwendig und wünschenswert sein, dies auch Suizidgefährdeten zu erklären. Sie müssen verstehen, daß unser Kontakt mit ihnen nicht fortgesetzt werden kann, solange sie nicht auf unsere Empfehlung einer professionellen Therapie eingehen. Wie bei allen Beratungsabbrüchen entlassen wir unseren Klienten in diesem Falle mit so vielen Informationen über alternative Hilfen wie möglich.

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Es ist sinnvoll, die mit der Suizid-Absicht zusammenhängenden Probleme der Klienten in zwei Kategorien zu unterteilen: Eine ist die Suizid-Krise, in der man sich hilflos fühlt, weil man kürzlich einen geliebten Menschen verloren hat oder die Diagnose einer schweren Krankheit erfahren hat. Die andere ist eine überlegtere Entscheidung über Fragen, die mit der verbliebenen Lebensqualität nach einer langen, schwächenden Krankheit zusammenhängen.

Die Krise In der Suizid-Krise tun wir alles erdenkliche, die Klienten vor Kurzschlußhandlungen zu bewahren. Wir erkennen ihre Gefühle an und hüten uns vor Kritik, während wir gleichzeitig die Selbstmordpläne zu vereiteln suchen. Wenn der Klient schon einen definitiven Plan hat, einschließlich der Mittel und des Zeitpunktes für den Suizid, und wenn er keine Zusicherungen machen will, vorerst von seinem Vorhaben abzugehen, müssen wir ihn notfalls ins Krankenhaus einweisen lassen. Das ist keine Entmündigung, sondern eine letzte Möglichkeit Zeit zu gewinnen, Zeit in der die Selbsttötungswünsche abgebaut werden können. Es ist unbedingt notwendig, daß die Klienten sicher verwahrt sind, wenn sie an den Punkt kommen, an dem sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen wollen. Normalerweise kommt es nicht zur Einweisung. Oft sind die Gefühle dieser Klienten ambivalent. Meistens ist das sogar der Grund, warum sie überhaupt zu uns kommen. Wir können dann verständnisvoll zuhören und ihre emotionalen Beweggründe mit ihnen erforschen. Wir dürfen ihnen nicht ihre Gefühle ausreden. Wir sollten ihnen aber das Versprechen abnehmen, daß sie ihre Pläne nicht ausführen. Manchmal bauen sich diese Gefühle über einen längeren Zeitraum hinweg auf, so daß Sie schon die Gelegenheit hatten, mit dem klinischen Supervisor oder in Ihrer Supervisionsgruppe über die Situation zu sprechen. Aber gelegentlich kann es geschehen, daß sich jemand in einer Krise befindet, dem Sie gerade erst zugeteilt worden sind. Denken Sie immer daran, daß Sie nicht allein auf weiter Flur sind! Sie können das Shanti-Büro anrufen oder sich bei den festen Mitarbeitern, ihrem Gruppenleiter oder anderen Mitgliedern der Supervisionsgruppe melden (auch zu Hause). Sie können auch selbst bei der Telefonseelsorge anrufen, um zu entscheiden, was in dieser Situation das beste ist. Wenn eine Krise vorüber zu sein scheint, ist dies immer noch eine kritische Zeit. Der klinische Supervisor wird wahrscheinlich darauf bestehen, daß jeder Klient, der durch eine Suizid-gefährdete Phase gegangen ist, einen Psychotherapeuten aufsucht. Häufig begehen Leute noch Selbstmord, wenn es ihnen gerade etwas besser geht. Daher bestehen wir auf einer professionellen Beurteilung ihrer Probleme. Das ist eine entscheidende Phase, in der es für unsere ehrenamtlichen Helfer darum geht, in ständigem Kontakt mit dem Klienten zu bleiben.

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Bilanz-Suizid Diese Art von Suizid-Vorstellungen ist komplizierter, hauptsächlich, weil die Gesellschaft als Ganzes noch zu keinem Konsens über das „Recht zu sterben" gekommen ist. Der Bilanz-Suizid kann wiederum unter zwei Aspekten behandelt werden. Bei dem einen geht es um das Absetzen lebenserhaltender Maßnahmen oder der Verweigerung weiterer medizinischer Behandlung (einschließlich der Anweisung, bei einem Herz- oder Atemstillstand keine Wiederbelebungsversuche zu unternehmen). Der andere betrifft die Entscheidung, bei einem unheilbar Kranken aktive Sterbehilfe zu leisten. Die Verweigerung weiterer medizinischer Behandlung ist mittlerweile unter den Medizinern weitgehend akzeptiert, und die Wünsche des Patienten zu sterben werden in den meisten Fällen respektiert. Aktive Sterbehilfe ist hingegen immer noch illegal, sowohl für den Patienten als auch für jeden, der mit ihm zu tun hat (also Ärzte und Pflegepersonal, Berater, oder auch Freunde und Familie). Der Patient darf sich nicht töten und keiner darf einem anderen beim Suizid helfen. (Anm. d. Übers.: In der Bundesrepublik ist versuchter Selbstmord kein Straftatbestand.) Obwohl er illegal ist, wählen einige diesen Weg dennoch. Und daher wird sich der Shanti-Berater eventuell damit bei seinen Klienten beschäftigen müssen. Auch hier gilt wieder, daß der Patient möglicherweise sehr ambivalente Gefühle hat, über die wir mit ihm sprechen müssen. Von daher müssen wir uns unserer eigenen Werte und Gefühle solch einer Entscheidung gegenüber bewußt werden. Wir glauben, daß es für Menschen, die einen „bewußten T o d " wollen, wichtig ist, ihre Gefühle und Beweggründe zu verarbeiten. Was meinen sie zum Beispiel damit, wenn sie von „Lebensqualität" reden? Ist alles getan worden, ihren momentanen Zustand richtig einzuschätzen und ihn zu erleichtern? Auf dem Gebiet der Schmerzlinderung hat es in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben. Es kann sein, daß ein Klient nie richtig auf die Möglichkeiten einer optimalen Schmerzlinderung hin untersucht worden ist. Depressionen sind eine natürliche Phase im Sterbeprozeß. Oft gelingt es den Menschen, diese Phase zu bewältigen, wenn sie ihr Bedauern über das, „was hätte sein können," ausdrücken und - nun da sie dem Ende nahe sind - über ihr Leben im allgemeinen nachdenken können. Aber nehmen wir einmal an, jemand hat seine depressiven Phasen überwunden, hat die bestmöglichen Schmerzmittel zur Verfügung, hat über seine Gefühle mit seinen Angehörigen, mit seinem Arzt und seinem Therapeuten und mit Ihnen gesprochen und hat ganz einfach Bilanz gezogen und beschlossen, daß er lieber sterben möchte, als in seinem jetzigen Zustand weiterzuleben. Selbst dann noch dürfen wir uns nicht an der Planung seines Todes beteiligen oder Mittel und Wege dafür suchen. Wir dürfen nicht einmal anwesend sein, wenn er seinen Tod einleitet, weil wir als offizielle Vereinigung nicht an einer illegalen Handlung beteiligt sein können, und Sie, als ehrenamtlicher Helfer, sind ein Repräsentant unserer Organisation. Aber bis zu diesem Zeitpunkt können Sie natürlich den Ster-

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benden weiter unterstützen und ihm helfen, seine Gefühle über das, was er plant zu verarbeiten. Wenn der Klient aber vorhat, seinen Suizid durchzuführen, ohne seinen Arzt konsultiert zu haben, ohne von einem Psychotherapeuten beurteilt worden zu sein, oder wenn er sich weigert, seiner Familie sein Vorhaben mitzuteilen, dann ist der klinische Supervisor notfalls gezwungen, das Vertrauen zu brechen und diese wichtigen Menschen im Leben des Klienten zu informieren. Natürlich werden wir unsere eigenen Ansichten über die jeweilige Entscheidung des Klienten haben. Es kann jedoch auf keinen Fall einem ehrenamtlichen Helfer gestattet werden, die Information über die Absichten des Klienten vor dem klinischen Supervisor zu verbergen, nur weil er sich nicht mit dem Gedanken an die Konsequenzen anfreunden kann, die er befürchtet, wenn Freunde oder Angehörige des Klienten von dem Vorhaben wissen. Mit der Verheimlichung dieser Information bringt er jeden im Shanti-Projekt in Gefahr und wird deshalb sofort aus dem Projekt ausgeschlossen werden.

Hilfen für Berater Hilfe zur Selbsthilfe - eine Einführung Was ist Hilfe zur Selbsthilfe? Es ist eine praktische Methode und ein theoretischer Grundgedanke zugleich. Dahinter steht die Grundannahme, daß die meisten Menschen in der Lage sind, ihre Probleme selbst zu lösen, wenn man ihnen nur eine Chance dazu gibt. Die Rolle des Beraters bei dieser Art der Beratung besteht nicht darin, die Probleme anstelle der Betroffenen zu lösen, sondern ihnen dabei zu helfen, ihre eigene Lösung zu finden. Indem der Berater eine aktive Zuhörerrolle übernimmt, hilft er dem Klienten, sich Klarheit über seine eigenen Gedanken und Gefühle zu verschaffen und verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu erforschen. Wenn wir Hilfe zur Selbsthilfe geben, dann sagen wir den Leuten nicht, was sie tun „sollten". Wir geben ihnen keine Anweisungen. Wir interpretieren nicht und geben keine Diagnose; denn wir sind keine Fachleute und wir bilden uns nicht ein, besser als der Betreffende selber zu wissen, was ein Mensch denkt oder fühlt. Gefühle sind das Entscheidende Eines möchten wir besonders hervorheben: Gefühle sind der wichtigste Aspekt der Beratung. Sie sind die Wurzel der meisten Probleme. Unsere Kultur ermutigt die Menschen, ihre Probleme intellektuell zu analysieren, aber sie vernachlässigt die Wahrnehmung von Gefühlen. Ein wichtiger Teil dieses Kurses wird sein, daß Sie lernen, Ihre Gefühle besser wahrzunehmen, so daß Sie auch besser die Gefühle bei anderen erkennen und aufdecken können. Fertigkeiten 1.

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Die Fähigkeit, aufmerksam zuzuhören, ohne selbst zu reden. Diese Fähigkeit ist die Grundlage, auf der alle anderen aufbauen. Sie wird Ihnen helfen, ein hilfreicher und einfühlsamer Zuhörer zu sein. Das Gehörte in eigenen Worten zusammenfassen (Wiederholung). Diese Forderung ist vielleicht am schwersten zu erfüllen; denn um das vom Klienten Gesagte korrekt in eigenen Worten weidergeben zu können, muß man in der Lage sein, sehr genau zuzuhören. Mit einer guten Zusammenfassung der Klientenäußerung kann man diesem helfen, sich größere Klarheit über das zu verschaffen, was er sagen wollte, und man kann gleichzeitig zeigen, daß man ihn verstanden hat. Wenn man diese Fähigkeit anwendet, wird man sehr schnell merken, wie schwer es ist, wirklich zuzuhören. Offene Fragen stellen. Offene Fragen sind solche, die den Gesprächspartner dazu anregen, ohne Verteidigungshaltung zu sprechen. Gute Fragen ermun-

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Betreuung tern den Klienten, seine Gedanken und Gefühle zu erforschen und Problemlösungen zu erarbeiten. Gefühle zulassen. Dies ist die wichtigste Fertigkeit: Umgehen lernen mit den Gefühlen des Klienten und sie erforschen. Sie werden lernen, mit Fragen, die Gefühle widerspiegeln, und mit anderen Fertigkeiten den Ratsuchenden zu ermutigen, daß er seine Gefühle ,,an sich heranläßt". Manchmal sind die Gefühle selbst das Problem, manchmal steht das Problem hinter den Gefühlen. Zusammenfassung und Integration. Bei dieser Gruppe von Fähigkeiten geht es darum, die verschiedenen Aspekte einer Beratungssitzung zu verknüpfen und dem Klienten eine klare Rückmeldung über den Gesprächsinhalt zu geben. In diesen Bereich gehört auch die Integration, d.h. das Zusammenwirken aller Fähigkeiten zu einer Einheit, so daß man jede zu gegebener Zeit angemessen anwenden kann.

Die acht Gebote der Hilfe zur Selbsthilfe I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

Gib kein Werturteil ab. Sei einfühlsam. Gib keine Anweisungen. Frag nie, warum. Nimm anderen nicht die Verantwortung für ihre Probleme ab. Interpretiere nicht. Halte Dich an das Hier und Jetzt. Halte Dich in erster Linie an die Gefühle.

Nonverbale bzw. gering-verbale Begleitung Nonverbale Begleitung 1. Blickkontakt - sieh dem Gesprächspartner die meiste Zeit ins Gesicht, das vermittelt die warmherzige Botschaft: ,,Ich bin bei Dir, ich höre Dir zu". 2. Körperhaltung - sie soll bequem, entspannt, leicht vorgebeugt sein, den angemessenen Abstand zum Gesprächspartner wahren, ablenkende und nervöse Gesten meiden. 3. Gesichtsausdruck - kein ,, Pokerface'', entsprechende Anteilnahme zeigen! 4. Dem Gesprächsfluß folgen - nicht unterbrechen, nicht das Thema wechseln, Du sollst hören und nicht reden, nicht Erfahrungen mitteilen nach dem Motto: ,, Da bin ich auch mal gewesen..." Kleinste Ermunterungen 1. Kopfnicken. 2. Wiederholen von Schlüsselworten. 3. Zustimmende Laute wie: „ A h a " , „ J a " , „Ich verstehe" usw. 4. Schweigen.

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Die Kunst (und Wissenschaft) der Wiederholung Eine Wiederholung ist eine kurze, vorsichtige Äußerung, die das Wesentliche dessen zusammenfaßt und zurückspiegelt, was der Gesprächspartner gerade gesagt hat. Eine gute Wiederholung sieht so aus: 1. Sie erfaßt das Wesen des zuvor Gesagten und läßt die Einzelheiten weg. 2. Sie gibt den gleichen Sinn wieder, verwendet aber üblicherweise andere Worte. Manchmal kann allerdings die Wortwahl des Klienten so treffend sein, daß man auch die gleichen Worte benutzt. 3. Sie ist kurz, d.h. sie sollte in der Regel kürzer sein als die Äußerung des Klienten, die sie wiedergibt. 4. Sie ist klar und präzise. Die Wiederholung sollte zur Klärung beitragen und nicht zur Verwirrung. 5. Sie ist vorsichtig. Wir möchten, daß der Klient das Gefühl hat, ohne Probleme sein Mißfallen ausdrücken oder korrigierende Anmerkungen machen zu können, wenn er die Wiederholung nicht für treffend hält. Gründe für den Gebrauch von Wiederholungen: 1. Überprüfung dessen, was man aufgenommen hat. Haben Sie wirklich verstanden, was der Klient gesagt hat? Wenn Sie zusammenfassend wiedergeben, was Ihr Gesprächspartner Ihrer Meinung nach gesagt hat, so kann er darauf reagieren und Ihnen mitteilen, ob es korrekt oder unkorrekt wiedergegeben ist. Achten Sie darauf, daß Ihre Zusammenfassung zögernd genug formuliert ist, damit der Ratsuchende keine Hemmungen hat, eventuelle Fehler zu korrigieren. 2. Klärung des Gesagten. Wenn sie das, was sie gerade gesagt haben, in einer präzisen Zusammenfassung noch einmal Wiederhören, können die Klienten größere Klarheit über ihr Denken und Fühlen gewinnen. Oft regt eine solche Wiederholung neue Gedanken und Gefühle an. 3. Ausdruck echter innerer Anteilnahme. Eine genaue Wiederholung signalisiert dem Gegenüber, daß Sie zuhören und daß Sie verstehen. Letztendlich sagt eine Wiederholung: „Ich bin bei d i r . " Kurzregeln für die paraphrasierende Zusammenfassung: 1. Formulieren Sie kurz und vorsichtig. 2. Einige typische Eingangsformulierungen sind z.B. ,,Habe ich Sie richtig verstanden, wenn ich sage...", „Das klingt, als ob Sie sagen wollten...", „Bei mir kommt das so a n . . . " , „Mit anderen Worten..." 3. Idealerweise endet eine Wiederholung mit der Frage: „Stimmt das?"

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Die Kunst der offenen Frage Was ist eine offene Frage? (Das ist bereits ein recht gutes Beispiel für offene Fragen.) 1. Sie kann nicht mit ein oder zwei Worten beantwortet werden. 2. Sie beginnt in der Regel mit „Wie" oder „Was". 3. Sie ermuntert den Gefragten zum Reden. Was ist eine geschlossene Frage? 1. Sie kann einfach mit „ J a " oder „Nein" oder sonstwie mit einem Wort beantwortet werden. 2. Sie beginnt mit „Ist" oder „ H a t " usw. 3. Sie vermindert eher die Bereitschaft des Gefragten zu reden. Gebrauch von offenen Fragen (mit einigen Beispielen) 1. Beginn eines Gesprächs:,, Worüber würden Sie gerne sprechen? " , „ Was haben Sie auf dem Herzen?" 2. Klärung und nähere Ausführung: „Inwiefern wird dies für Sie zum Problem?", „Was meinen Sie mit... ? " , „Was stört Sie an dieser Situation?" 3. Mit Gefühlen arbeiten:,,Wie fühlen Sie sich dabei?'' (achten Sie darauf, eine Gefühls-Antwort zu bekommen), „Was bedeutet dieses Gefühl (nennen Sie das angesprochene) für Sie?", „Wie fühlen Sie sich gerade jetzt?" (diese Frage sorgt dafür, die Gefühle des Befragten auf das Hier und Jetzt zu lenken), „Was würden Sie ihm/ ihr gerne sagen?" (diese Frage hilft dem Klienten, seine Gefühle in bezug auf andere Menschen an sich heranzulassen.) 4. Problemlösung: „Welche Möglichkeiten stehen Ihnen offen?", „Was haben Sie sich überlegt, was Sie tun könnten?", „Wie sind Ihre Gefühle bei jeder der genannten Möglichkeiten?", „Was ist das Beste, das passieren könnte?", „Was ist das Schlimmste, das passieren könnte?", „Was wird Ihrer Meinung nach tatsächlich passieren?" Wie Sie nicht fragen sollten: 1. Fragen Sie nicht aus eigener Neugier. 2. Fragen Sie nicht: „Warum...". 3. Stellen Sie keine komplizierten Fragen mit vielen verschachtelten Sätzen oder anderen grammatikalischen Mätzchen. 4. Drücken Sie in Ihrer Frage nicht eine Anweisung aus, z.B. „Haben Sie versucht, mit ihm zu sprechen?" Wie Sie fragen sollten: 1. Stellen Sie klare und einfache Fragen. 2. Stellen Sie Fragen, die sich auf das Hier und Jetzt und auf die anwesende Person beziehen. Geben Sie nicht Leuten einen Rat, die gar nicht im Raum sind.

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Konzentrieren Sie sich auf Gefühle. Fragen Sie nach den Gefühlen und achten Sie darauf, daß Sie Gefühls-Antworten bekommen. Wenn Sie sie nicht bekommen, fragen Sie noch einmal, z.B.: „Aber was fühlen Sie dabei?"

Gefühle - sie sind die Wurzel fast aller Probleme Wenn Menschen Probleme haben, dann sind es in der Regel die Gefühle, die ihnen Schwierigkeiten bereiten oder sie aus dem Gleis werfen, nicht die äußere Situation. Wenn sie dick sind, dann wirft Ihr Gefühl, dick zu sein, Sie aus der Bahn, nicht das Dicksein selbst. Wenn Sie allein sind, ist es das Gefühl der Einsamkeit, nicht das Alleinsein selbst. Bei der Beratung ist der Zugang über die Gefühle der schnelle und wirkungsvolle Weg. Wenn Sie vorrangig auf die Gefühle eingehen, können Sie eine Menge unwichtiger Einzelheiten überspringen und sich auf das konzentrieren, was den Klienten wirklich bedrückt. Ohne Berücksichtigung der Gefühle ist die Problemlösung oft unwirksam. Schritte auf dem Weg zu den Gefühlen Es gibt vier grundlegende Schritte, wenn man sich mit den Gefühlen befassen will: 1. Man muß sie erfassen. 2. Man muß sie definieren und abklären. 3. Man muß sie zulassen und die Verantwortung für sie übernehmen. 4. Man muß mit ihnen umgehen. Gefühle erfassen (Schritt eins) Es gibt drei Wege, auf denen man herausbekommen kann, was einer fühlt: 1. Stellen Sie Fragen nach Gefühlen. Die Hauptfrage ist hier: ,,Wie fühlen Sie sich (dabei)?" Manchmal ist es wirkungsvoller zu fragen: „Welche Gefühle löst das in Ihnen a u s ? " Wesentlich ist, daß Sie Gefühls- und nicht „ K o p f ' - A n t w o r t e n bekommen. Wenn der Gesprächspartner Ihnen eine Kopfantwort gibt, spielen Sie ihm den Inhalt seiner Antwort zurück und stellen Sie dann die Frage erneut. Susi Ratschlag: „Wie fühlen Sie sich dabei?" Rudi Ratlos: „ N a j a , ich habe daß Gefühl, daß ich ihr gegenüber ärgerlich sein sollte." Susi Ratschlag: „Sie denken also, Sie sollten sauer auf sie sein, aber wie fühlen Sie sich tatsächlich? Welche Empfindung oder welche Empfindungen erleben Sie?" Rudi Ratlos: „Sie kotzt mich an und ich bin frustriert, daß ich es ihr nicht gesagt habe." 2. Die ausgesprochenen Gefühle noch einmal in eigenen Worten wiedergeben. Es ist nicht immer erforderlich, die Gefühle aus den Klienten herauszupressen. Manche äußern von sich aus ihre Gefühle. Wenn das der Fall ist, sollte

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Betreuung man diese Gefühle in eigenen Worten zusammenfassen. Das sorgt d a f ü r , daß der Klient größere Klarheit über das gewinnt, was er zum Ausdruck gebracht hat. Vermeiden Sie spezielle Gefühlsworte aus dem Jargon Ihrer Gesellschaftsschicht. Rudi Ratlos: „Blablablabla, wütend, blablablablablabla." Susi Ratschlag: „ A h a , Sie fühlen sich also ärgerlich, stimmt's?" Gefühle widerspiegeln. Das ist eine der wirkungsvollsten Methoden, u m Gefühle herauszulocken, aber sie ist auch eine der trickreichsten und am leichtesten mißbrauchten Methoden. Der Begriff „ G e f ü h l e widerspiegeln" ist ein bißchen irreführend, denn was Sie tatsächlich dem Klienten zurückspiegeln, ist sein/ ihr nonverbaler Ausdruck der Gefühle. Z u m Beispiel k o m m t jemand in die Beratungsstelle und Sie stellen fest, daß er einen sehr angespannten Gesichtsausdruck und eine sehr angespannte Körperhaltung hat. Sie könnten auf zweierlei Weise reagieren: „Sie scheinen ärgerlich zu sein?" „Sie scheinen sehr angespannt zu sein?" Die erste Antwort spiegelt ein Gefühl wider, aber es ist zugleich eine Deutung. Die fragliche Person könnte aufgeregt sein, sie könnte Angst haben und überhaupt nicht ärgerlich sein. Die zweite Antwort ist deshalb erheblich besser. Sie verbalisiert die nonverbalen Erlebnisinhalte, die die Person aussendet, nimmt aber keine Bewertung oder Deutung vor. Eine der wirkungsvollsten Arten, Gefühle widerzuspiegeln ist es, die nonverbale Botschaft eines Menschen zurückzuspiegeln und dann zu fragen: „ W a s fühlen Sie dabei?"

Gefühle definieren und abklären (Schritt zwei) Wenn Sie eine Gefühlsäußerung bekommen wie etwa: „Ich bin durcheinander", dann müssen Sie herausfinden, was der Klient damit meint. Dieser Prozess des Definierens ist ganz besonders wichtig, wenn es sich um „globales" Gefühl handelt wie z.B.: „Ich bin niedergeschlagen" oder: „ I c h bin ratlos" oder: „Ich fühle mich g u t " . Gute Fragen, um Gefühle zu definieren und abzuklären sind: „ W a s bedeutet ... (das genannte Gefühl) für Sie?", „ W i e drückt sich ... (das genannte Gefühl) für Sie a u s ? " , „ W a s fühlen Sie dabei körperlich?", „Wie können Sie das, was Sie fühlen, noch anders beschreiben?" Beispiel: Rudi Ratlos: „Ich fühle mich niedergeschlagen." Susi Ratschlag: „ W i e erfahren Sie diese Niedergeschlagenheit?" Rudi: „ E s ist wie eine Betäubung, ich habe zu nichts L u s t . " Susi: „Sie fühlen sich also b e t ä u b t ? " Rudi: „ J a , ich fühle mich so, als wären alle diese Gefühle in mir und ich könnte sie dennoch nicht wirklich e m p f i n d e n . " Susi: schweigt. Rudi: „Verstehen Sie, es fühlt sich so betäubt a n . " Susi: „Können Sie diese Betäubung näher beschreiben?"

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Rudi: „Ich fühle mich, als wäre in mir eine Leere. Es ist leer... nein, das ist es nicht, es ist voll von Gefühlen... aber sie sind gefährlich... sie müssen unter Kontrolle gehalten werden." Susi: „Was sind diese gefährlichen Gefühle?" usw. Oft passiert es, während Sie die Gefühle definieren und abklären, daß andere Gefühle hochkommen. Auch diese können dann definiert und exploriert werden. Unterstellen Sie nicht, Sie wüßten, was gemeint ist, wenn einer sagt: „Ich bin niedergeschlagen, ärgerlich, traurig, kaputt, verwirrt usw." Definieren und klären Sie, was die Gefühle, Worte oder Äußerungen einer Person tatsächlich in deren Welt bedeuten. Gefühle zulassen (Schritt drei) Damit ein Mensch mit seinen Gefühlen sinnvoll umgehen kann, muß er sie erst einmal zulassen und die Verantwortung für sie übernehmen. Viele Menschen neigen dazu, die Gefühle als etwas anzusehen, das von außen kommt. Sie sagen z.B.: „Das oder der hat dazu geführt, daß ich dies oder das fühle." Gefühle kommen aber nicht von außen, sie sind vielmehr in der Person selbst drin. Wenn man die Verantwortung für seine Gefühle auf die äußere Situation schiebt, dann ist man völlig machtlos, es sei denn die äußere Situation ändert sich. Das leugnet die Fähigkeit des Menschen zu antworten. Äußere Ereignisse sind nicht die Ursache von Gefühlen. Allerdings können Gefühle mit äußeren Ereignissen zusammenhängen. „Du hast mich wütend gemacht, als Du mit Boris geschlafen hast." oder „Ich war wütend, als Du mit Boris geschlafen hast." Die erste Aussage unterstellt eine Kausalität, die zweite lediglich einen Zusammenhang. Äußerungen, die beginnen: „Es führt dazu, daß ich mich ... fühle" oder: „Sie hat das Gefühl in mir erzeugt...", signalisieren, daß der Betreffende nicht die Verantwortung für seine Gefühle übernimmt. Das ist alles gut und schön, nur: Was kann ein Berater tun, wenn der Klient die Verantwortung für seine Gefühle nicht übernehmen will? Heinz Hilfmir: „Weißt Du, wenn Du einen Beruf hast, den Du nicht magst, dann findest Du keine Kraft mehr für andere Dinge. Du fühlst Dich ausgelutscht und Du fühlst Dich angeekelt, nich?" Udo Weise: „Du fühlst Dich ausgelutscht und angeekelt, richtig?" Heinz Hilfmir: „Du kannst irgendwie nicht da raus, verstehst Du?" Udo Weise: „Wenn Du sagst 'Du kannst da irgendwie nicht raus', meinst Du damit 'Ich kann da irgendwie nicht raus'?" Heinz Hilfmir: „Ja, ich kann diese Gefühle einfach nicht loswerden." Udo Weise: „Was veranlaßt Dich dazu, diese Gefühle loswerden zu wollen?" usw. Was Udo macht, ist folgendes: Er faßt Heinz Äußerung noch einmal in einer Weise zusammen, die diesem die Verantwortung zuweist. Wie die meisten Leute merkt

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Heinz nicht einmal den Unterschied und fährt fort zu sagen: „ D u . . . " Udo stellt nun eine geschlossene Frage, die Heinz anregt, das Gefühl als sein eigenes zuzulassen. Dieser Schritt ist ein kniffliger Teil der Auseinandersetzung mit Gefühlen. Es ist nämlich sehr wichtig, daß man sich nicht konfrontierend verhält. Denn manchmal weigern sich Menschen einfach, ihre Gefühle zuzulassen und die Verantwortung für sie zu übernehmen In einem solchen Fall muß man unter Umständen einen anderen Zugang suchen, zum Beispiel über Problemlösung oder über die Phantasie. Mit den Gefühlen umgehen (Schritt vier) Sie haben nun die Gefühle erkundet, definiert und geklärt, der Gesprächspartner hat die Verantwortung für sie übernommen. Was jetzt? Die Wahrheit ist, daß es nur eine geringe Notwendigkeit dafür gibt, Probleme zu lösen, wenn Sie wirklich die Gefühle zusammen mit dem Klienten exploriert haben. Seien Sie mißtrauisch gegenüber Ihrer Neigung, auf Problemlösungen übergehen zu wollen. Der Klient kann durchaus seine Probleme „lösen" und das Gespräch mit Ihnen beenden und sich trotzdem elend fühlen. Der erste Teil des Umgehens mit den Gefühlen ist, sie in ihren Zusammenhang zu stellen. Mit welchen Gedanken und Ereignissen hängen sie zusammen? Gute Fragen sind: „Was läßt dieses Gefühl von ... in Ihnen aufkommen?", „ I n welcher Situation befinden Sie sich, wenn Sie diese Gefühle haben?" Die Menschen haben zu einem gegebenen Zeitpunkt in der Regel nicht nur ein Gefühl. Die Frage: „Welche anderen Gefühle haben Sie dabei?" wird oft viele Gefühle zutage fördern, die mit dem ursprünglich genannten zusammenhängen. Es empfiehlt sich auch, Gedanken mit den Gefühlen in Verbindung zu bringen. Eine nützliche Frage dazu wäre: „Was sagen Sie zu sich selber, wenn Sie dieses Gefühl haben?" Sie sollten den Klienten veranlassen, seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Wirkungsvolle Fragen in dieser Richtung sind: „Auf welche Weise würden Sie dieses Gefühl gerne ausdrücken?", „Was würden Sie dem Menschen gerne sagen?" Es hilft dem Klienten gewöhnlich, wenn Sie ihn auffordern, mal so zu tun, als ob er direkt mit dem Menschen spräche, auf den sich die Gefühlsäußerung richten soll. So ist es besser zu sagen: „Ich bin ärgerlich und möchte nicht, daß Du das nochmal tust" als: „Ich würde sagen, daß ich ärgerlich bin und nicht möchte, daß er das nochmal t u t . " Wenn der Klient nicht damit zurechtkommt, helfen die folgenden Fragen weiter: „Was ist das beste (schlechteste), das passieren könnte?", „Was sollte nach Ihren Wünschen passieren?", „Wie sind Sie damit früher umgegangen?", „Was könnten Sie machen, damit Sie sich besser fühlen?" Wenn die Situation hoffnungslos zu sein scheint und der Klient keine Verbesserungsmöglichkeit sieht, dann kommt er vielleicht wirklich nicht zurecht. In solchen Fällen können die folgenden Fragen ihm helfen, sich zu fangen: „Was unternehmen Sie, um etwas für sich zu t u n ? " , „Wie fühlen Sie sich gerade jetzt?" Es kann jedoch möglicherweise auch so sein, daß der Klient nicht selbst die Verantwortung für seine Gefühle übernommen hat und sie stattdessen von der äußeren Situation kontrollie-

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ren läßt. Denken Sie daran: Sie sind nicht dafür verantwortlich, daß die Probleme eines Menschen gelöst werden, und auch nicht dafür, daß dieser Mensch dazu gebracht wird, sie selber zu lösen. Schließlich ist es die beste Vorbereitung für den Umgang mit den Gefühlen anderer, rückhaltlos offen zu seinen eigenen zu stehen. Zusammenfassung und Integration Was ist eine Zusammenfassung? Eine längere Wiederholung. Eine Zusammenfassung sollte das Wesentliche dessen aufgreifen, das der Klient gesagt hat. Ebenso wie die Wiederholung sollte auch die Zusammenfassung kurz und vorsichtig formuliert sein. Eine Zusammenfassung hat viele Ziele mit der Wiederholung gemeinsam: 1. Sie dient als Überprüfung der Wahrnehmung. 2. Sie zeigt echte Anteilnahme. 3. Sie bringt größere Klarheit sowohl für Sie als auch für den Klienten. Eine Zusammenfassung zeichnet nicht chronologisch genau den Gesprächsverlauf nach. Wenn sie gut ist, gibt sie das Gesagte in einer logischen und verwendbaren Form wieder. Sie berücksichtigt sowohl die Gedanken als auch die Gefühle und verknüpft sie miteinander. Eine Zusammenfassung hilft dem Klienten zu sehen, wohin er gegangen ist und wohin er jetzt geht. Wann bringt man sie? Man kann eine Zusammenfassung gut nach markanten Punkten innerhalb einer Beratungssitzung geben. Solche markanten Punkte sind z.B. der Übergang von der Erkundung der Gefühle zur Problemlösung. Eine Zusammenfassung empfiehlt sich auch am Ende des Beratungsgesprächs. Sie verknüpft die angesprochenen Aspekte und vermittelt dem Klienten ein klares Bild vom Inhalt des Gesprächs. Eine Zusammenfassung ist ebenfalls dann sinnvoll, wenn man den Modus des Vorgehens wechselt. Nachdem Sie z.B. herausgefunden haben, was der Klient als sein Problem ansieht, solltenSie eine Zusammenfassung geben und dann erst dazu übergehen, eine offene Frage zu stellen oder Gefühle zu explorieren. Integration Integration ist die Vereinigung aller genannten Fertigkeiten zu einem Ganzen und die Fähigkeit, sie angemessen anzuwenden. Das ist der Punkt, an dem die Beratungskunst und das Beratungsgeschick zu seinem höchsten Ausdruck findet. Offene Fragen halten das Gespräch im Fluß. Sie ermutigen den Gesprächspartner zu reden. Außerdem geben sie dem Gespräch seine Richtung. Wiederholungen haben die Tendenz, den Gesprächsfluß zu unterbrechen. Weil die Wiederholung das soeben vom Klienten Gesagte spiegelt, bündelt sie die Gesprächsinhalte. Wiederholung und offene Fragen passen gut zusammen: Zunächst spiegeln Sie das Gesagte in Ihren Worten, dann stellen Sie eine offene Frage. Erkundung der Gefühle ist nützlich, nachdem das ursprüngliche Problem benannt worden ist. Über den größten Teil der Beratungszeit wird die Erkundung der Gefühle die effektivste Beratungsmethode sein. Manche Menschen werden jedoch der Bearbeitung von Gefühlen Widerstand entge-

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gensetzen. Bei diesen Klienten werden Sie dann einen anderen Zugang suchen müssen. Denken Sie daran: Gehen Sie so vor, wie es für den Betreffenden am sinnvollsten ist. Besondere Bereiche der Beratung: Depression Symptome: Lethargie, Schlaflosigkeit, Eß- und Konzentrationsstörungen, Schwierigkeiten bei den alltäglichen Tätigkeiten, exzessives Schlafbedürfnis, verminderter sexueller Antrieb usw. Beratung von depressiven Menschen: Richten Sie ihr Hauptaugenmerk auf spezifische Probleme. Wenn der Klient sagt: „Ich bin so niedergeschlagen", so grenzen Sie ein, was nicht in Ordnung ist, mit Fragen wie: „Was genau bedrückt Sie?" Depressive fühlen sich gewöhnlich, als hätten sie keine Kontrolle über ihr Leben. Sie sollten erkunden, was sie kontrollieren können (etwa: was sie jeden Tag tun) und was sie nicht kontrollieren können (etwa: das Wettrüsten beenden). Konzentrieren Sie sich auf kleine Schritte, die der Klient tatsächlich tun kann (dazu gehört auch Wäsche waschen, Briefe schreiben usw.). Wenn Sie den Klienten dazu bringen, kleine Schritte zu tun, so wird er sich allmählich besser fühlen. Gehen Sie Schritt für Schritt zu größeren Anforderungen über. Nehmen wir den Fall, eine Person sagt, sie hätte wirklich gerne einen Arbeitsplatz, könne aber die Einstellungsgespräche nicht aushalten. Finden Sie heraus, was sie sich zutrauen würde; z.B. sich ein Einstellungsgespräch vorzustellen oder etwas über Befragungstechniken zu lesen. Arbeiten Sie mit Verhaltens Verträgen. „Sind sie damit einverstanden, daß Sie (das und das) tun und mich anrufen, wenn Sie es geschafft haben?" Arbeiten Sie mit Belohnungen. Geben Sie viele positive Rückmeldungen, wenn kleine Schritte in der richtigen Richtung gemacht werden. Ist die Depression ein Langzeit-Problem, dann überweisen Sie den Klienten weiter.

Besondere Bereiche der Beratung: Suizid Interventionsschritte bei Suizid-Gefahr 1. Ein Vertrauensverhältnis aufbauen: Nonverbale und gering verbale Ermutigungen sind wirkungsvoll. Echte Empathie, genaue Spiegelung. Zeigen Sie, daß Sie besorgt sind. 2. Die Todesgefahr einschätzen: Fragen Sie:, .Denken Sie daran, sich umzubringen?" Wenn ja, fragen Sie: „ W i e ? " Wenn der Klient einen Plan hat und die Methode sehr sicher ist und auch leicht zugänglich, dann sollten Sie versuchen, sofort Hilfe für ihn zu besorgen. - Wenn er an Suizid denkt, aber keinen besonderen Plan hat, dann arbeiten Sie mit seinen Gefühlen. 3. Die unmittelbare Gefahr verringern: „Ich möchte gerne, daß Sie diese Tabletten ins Klo werfen."

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Sprechen Sie über die Gefühle und zeigen Sie, daß Sie besorgt sind: Eine besonders fürsorgliche Haltung ist wichtig. „Ich mache mir ernstlich Sorgen, daß Sie sich etwas antun könnten." Unterschätzen Sie nicht die Intensität der Gefühle. Klient: „Ich bin so durcheinanderund voller Angst. Ich möchte dem allen ein Ende machen." Berater: „Sie empfinden also Angst." Eine gute Frage ist: „Was tun Sie, um auf sich achtzugeben?" Der Mensch ist für sein Leben verantwortlich und für das, was er mit sich macht. Nutzen Sie die Bewältigungsstrategien, die noch funktionieren: Erteilen Sie strukturierte Aufgaben. Ermutigen Sie den Klienten, seine Alltagstätigkeiten fortzusetzen. Entwicklen Sie zusammen mit dem Klienten einen Handlungsplan. Erkunden Sie alternative Lösungen. Schließen Sie einen Vertrag gegen Suizid mit dem Klienten: Lassen Sie den Klienten versprechen, daß er sich nichts antut, bevor er nicht noch einmal mit Ihnen oder einem anderen Helfer gesprochen hat. Lassen Sie ihn ausdrücklich sagen: „Ich verspreche, daß ich mir nichts antun werde, weder planmäßig noch ungeplant aus der Situation heraus, bis ich wieder mit Ihnen geredet habe." Er muß wirklich genau einen solchen Satz sprechen. Es genügt nicht, wenn er nur einfach „ o k " oder „ J a " murmelt. Überweisen Sie den Klienten an eine Fachfrau/ einen Fachmann: Stellen Sie sicher, daß der Klient sich auch wirklich mit der betreffenden Person in Verbindung setzt. Bitten Sie ihn, Sie anzurufen und es Ihnen zu sagen, wenn der Kontakt zustande gekommen ist. Bestärken Sie die Beziehung zu der Person, zu der Sie den Klienten geschickt haben. Wenn der Klient sich über den Therapeuten beklagt, halten Sie ihn dazu an, seine Klagen direkt an diesen zu richten.

Allgemeine Anmerkungen zur Suizid-Intervention 1. Man sollte Name, Adresse und Telefonnummer des Klienten notieren. Das setzt Sie in die Lage, wenn nötig, Hilfe zu schicken und zurückzurufen, wenn Sie unterbrochen worden sind oder der Klient aufgelegt hat. Sagen Sie ihm, daß Sie diese Informationen haben wollen, um ihm zu helfen. Wenn er sie nicht geben möchte, machen Sie nicht zu viel Druck. 2. Geraten Sie nicht in Panik. Denken Sie daran: Die Tatsache, daß der Betreffende Sie angerufen hat, bedeutet, daß er zum Teil den Suizid nicht möchte. 3. Achten Sie darauf, sich nicht manipulieren zu lassen. „Ich bin dafür da, Ihnen zu helfen, Ihre Probleme zu lösen, aber nicht, um auf Sie aufzupassen." 4. Behalten Sie den Unterschied zwischen einem Berater und einemFreund im Auge. 5. Sorgen Sie dafür, daß das Hier und Jetzt und die Gefühle des Klienten im Mittelpunkt des Gesprächs stehen. Wenn er über eine andere Person reden möchte, so fragen Sie: „Was würden Sie dieser Person gerne sagen?" 6. Übernehmen Sie nicht die Verantwortung für den Klienten an seiner Stelle.

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Zusammenfassung Die acht Gebote I. Gib kein Werturteil ab. II. Sei einfühlsam (kein „Pokerface"). III. Gib keine Anweisungen. IV. Frag nie, warum. V. Nimm anderen nicht die Verantwortung für ihre Probleme ab. VI. Interpretiere nicht. VII. Halte Dich an das Hier und Jetzt. VIII. Halte Dich in erster Linie an die Gefühle. Die Fertigkeiten 1. Nonverbale und gering verbale Begleitung: Augenkontakt, Körperhaltung, anteilnehmender Gesichtsausdruck, dem Gesprächsfluß folgen (nicht von einem Thema zum anderen springen), gering verbale Ermutiger, Kopfnicken 2. Offene Fragen: Mit „ W i e " und „ W a s " beginnen, klären und näher ausführen, Gefühle behandeln, Problem lösen 3. Wiederholung: das Wesentliche dessen, was der Klient gesagt hat, Kurz und vorsichtig, nicht interpretieren, Überprüfung der Wahrnehmung, größere Klarheit für den Klienten, Möglichkeit, echte Empathie zu vermitteln 4. Gefühle: Gefühle sind die Wurzel fast aller Probleme, Schritte bei der Arbeit mit Gefühlen sind: a) Erkundung der Gefühle - Fragen nach Gefühlen stellen und auf Gefühls-Antworten beharren, ausgesprochene Gefühle widerspiegeln und nonverbale emotionale Erlebnisinhalte verbalisieren, b) Definition und Klärung der Gefühle, c) Gefühle zulassen und Verantwortung für sie übernehmen, d) mit den Gefühlen umgehen 5. Zusammenfassung und Integration: Eine größere Wiederholung, die das Wesentliche eines größeren Gesprächsabschnittes oder des ganzen Gesprächs in eine logische und verwendbare Ordnung bringt, kurz und vorsichtig („Stimmt das?"), gut zur Beendigung einer Beratungssitzung, gut beim Wechsel der Vorgehensmodi. Integration: a) Offene Fragen ermutigen das Reden und können die Richtung bestimmen, b) Wiederholungen verlangsamen den Gesprächsfluß und bündeln das Gespräch, c) Gefühle sollten erkundet werden, bevor man mit der Problemlösung beginnt, d) Zusammenfassung hilft, die Dinge unter Dach und Fach zu bringen

(Ausgearbeitet von „The Bridge", Stanford University)

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Ehrlich miteinander sein, ohne feindselige Gefühle zu wecken Vorbereitung Mach Dir klar, was Dich stört und welche Gefühle das in Dir auslöst. Versuche, dies in Ich-Form auszudrücken. Durchführung Triff eine Vereinbarung: „Ich habe etwas, daß ich offen mit Dir besprechen möchte, paßt es jetzt?" Äußere Dein Gefühl und teile mit, was dieses Gefühl ausgelöst hat: „Ich fühle mich frustriert, wenn Du nicht dem nachkommst, was wir vereinbart hatt e n . " Sprich nicht zu lang und führe nicht einen Haufen Beweise an. Frag den anderen, wie er dies sieht, höre ihm gut zu und gesteh ihm zu, was er sagt. „Ich höre Dich" oder „Ich höre, daß Du sagst...". Verteidige Dich nicht! Vermeide die Neigung, an dieser Stelle nochmal Deinen Standpunkt darzulegen und zu beweisen. Wende stattdessen beträchtliche Energie darauf, die Position des anderen zu verstehen, ohne Deinen eigenen Standpunkt aus den Augen zu verlieren. Nochmal vortragen? Vielleicht möchtest Du auf Deinen Standpunkt noch einmal zurückkommen, dann aber beinahe aus der Sicht des anderen: „ D u siehst es also so, daß das, was ich erbitte, zu viel für Dich ist und daß Du es nicht tun kannst. Ist das so?" Handeln? Wenn die Sache genügend geklärt ist, entscheide, ob es nötig ist, zum Handeln überzugehen „Wie wollen wir das von jetzt an machen?" oder ob es genügt, die Standpunkte lediglich mitgeteilt zu haben: „Ich möchte, daß Du meinen Standpunkt und meine Gefühle verstehst, und das reicht fürs erste." Abschluß. Drück Deine Gefühle am Ende dieses Gedankenaustauschs aus und frag auch Deinen Gesprächspartner nach seinen Gefühlen. Akzeptiere diese Gefühle, versuche nicht, sie zu ändern. „Ich fühle mich ein bißchen besser, nachdem ich Dir dies mitgeteilt habe, aber ich bin besorgt, daß Du anfängst, es mir übelzunehmen." „Ich fühle immer noch Widerstand, aber ich werde darüber hinwegkommen. Es ist mir lieber, es zu wissen, als es nicht zu wissen."

Könntest Du einfach mal zuhören? Wenn ich Dich bitte, mir zuzuhören, und Du fängst an, mir Anweisungen zu geben, dann tust Du nicht das, was ich wollte. Wenn ich Dich bitte, mir zuzuhören, und Du fängst an, mir zu erzählen, warum ich nicht das fühlen sollte, was ich fühle, dann trampelst Du auf meinen Gefühlen herum. Wenn ich Dich bitte, mir zuzuhören, und Du meinst, Du müßtest irgendetwas tun, um meine Probleme zu lösen, dann läßt Du mich im Stich - so seltsam das auch klingen mag.

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Hör zu! Alles was ich erbitte ist, daß Du zuhörst, weder sollst Du reden noch etwas tun - einfach nur zuhören. Handeln kann ich selber; ich bin nicht hilflos - vielleicht entmutigt und zögernd, aber nicht hilflos. Wenn Du etwas für mich tust, das ich selber tun kann und muß, dann trägst Du zu meiner Furcht und Unzulänglichkeit bei. Wenn Du aber als schlichtes Faktum hinnimmst, daß ich fühle, was ich fühle, egal wie irrational es ist, dann kann ich aufhören mit dem Versuch, Dich zu überzeugen und kann mich damit beschäftigen zu verstehen, was hinter meinen irrationalen Gefühlen steckt. Wenn das klar ist, sind die Antworten offensichtlich und Anweisungen überflüssig. Irrationale Gefühle sind sinnvoller, wenn man versteht, was hinter ihnen steckt. Vielleicht ist das der Grund, warum Gebete helfen können, manchmal jedenfalls und manchen Menschen: weil Gott nämlich stumm ist und keine Anweisungen gibt oder versucht, die Dinge zu regeln. Er hört einfach zu und läßt Dich selbst damit fertig werden. So hör mir also einfach zu, höre mich. Und wenn Du sprechen möchtest, warte einen Moment, bis Du dran bist - dann werde ich Dir zuhören. (Anonymer Autor)

Was ist aktives Zuhören? Unterscheidung zwischen Inhalts- und Beziehungsebene Kommunikation findet auf zwei Ebenen statt: Auf der Ebene des Inhalts - des Gegenstands, über den wir reden - und auf der Ebene der Beziehung - was wir dem anderen an Wertschätzung und Akzeptanz entgegenbringen. Die Beziehungsebene drückt sich hauptsächlich in Gefühlen aus: ,,Ich fühle mich geachtet, akzeptiert, es geht mir g u t . " Wenn auf der Beziehungsebene gegenseitiger Respekt und Vertrauen herrschen, dann kann man Zustimmung und Mißfallen mit der gleichen Gelassenheit äußern. Wenn aber der gegenseitige Respekt und das Vertrauen fehlen, dann wird jede Auseinandersetzung auf der inhaltlichen Ebene leicht ein Beziehungstest. Akzeptanz von Gefühlen Akzeptanz, Vertrauen und Respekt auf der Beziehungsebene können wir dadurch ausdrücken, daß wir Gefühle genauso akzeptieren wie Fakten. Wenn wir nur die vorgetragenen Tatsachen akzeptieren, dann akzeptieren wir den Gesprächspartner nur bedingt: „Ich werde nur bestimmte Teile von Dir akzeptieren; ich werde Dich

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akzeptieren, solange Du nicht Gefühle zum Ausdruck bringst." Die Menschen begegnen uns freilich voller Gefühle und gerade das ist ein wichtiger Teil dessen, was sie jeweils einzigartig macht. Deshalb neigen Menschen, die mit ihren Gefühlsäußerungen nicht akzeptiert werden, dazu, umso entschiedener auf ihnen zu beharren, so als ob sie beweisen wollten, daß ihre Gefühle gerechtfertigt sind. Wenn andererseits Gefühle akzeptiert werden, dann treten sie mit weniger Druck auf, weniger anklagend und weniger verteidigend. Wenn Sie einmal ausgedrückt sind, können außerdem andere tiefere Gefühle ebenfalls nach außen dringen. Akzeptanz ist nicht dasselbe wie Einverständnis Wir haben über das Akzeptieren von Gefühlen gesprochen. Aber wir wollen unterscheiden zwischen Akzeptanz und Einverständnis. Man drückt Akzeptanz aus, indem man sagt: „Ich verstehe, daß Du Dich bei diesem Thema in der und der Weise fühlst." Einverständnis drückt man aus, indem man sagt: ,,Du hast absolut recht, ich empfinde das haargenauso." Im ersten Fall akzeptieren Sie, daß der Gesprächspartner sich in der Weise fühlt, wie er sich fühlt, beim Einverständnis hingegen verbünden Sie sich mit ihm. Einer der Gründe, warum wir Probleme mit Gefühlen bekommen, liegt in der Unterstellung, bei unterschiedlichen Gefühlen, müsse der eine recht haben und der andere nicht. Man könnte es aber auch ganz anders betrachten: Wenn zwei Menschen auf die gleiche Situation verschieden reagieren, dann reagieren sie nach den Regeln ihrer jeweiligen Erziehung, ihrer Ausbildung, ihren Erfahrungen und Bewertungen. Weil aber Erziehung, Ausbildung, Erfahrungen und Bewertungen vollkommen individuell sind, sind die Regeln, die die Gefühle regieren, ebenfalls vollkommen individuell. Und da die Regeln von Individuum zu Individuum verschieden sind, kann ich nicht davon ausgehen, daß ein Ereignis, das mich in Schrecken versetzt, nicht einen anderen erfreut - und dies völlig in Übereinstimmung mit seiner/ ihrer Realität. Wir neigen jedoch zu Versuchen, die Gefühle des anderen zu tilgen und zu beweisen, daß unsere korrekt sind. Doch bewiesen wird gar nichts: Es ist einfach eine Tatsache, daß der Betreffende sich fühlt, wie er sich fühlt. Das einzig angemessene Verhalten ist, das zu akzeptieren und auch die eigenen Gefühle zu zeigen. Wir haben vielleicht nicht die gleichen Reaktionen auf die gleichen Erlebnisse, aber wir können damit anfangen, dem anderen mitzuteilen, was in uns vorgeht, und uns gegenseitig zu verstehen.

„Probier " -Probleme In unserer Kultur gibt es eine beträchtliche Schranke, die das Ausdrücken von Gefühlen behindert: Ein Mensch, der heftige Gefühle äußert, wird als „übertrieben emotional" oder als „überempfindlich" charakterisiert. Da aber unsere Gefühle trotzdem vorhanden sind, lernen wir, sie indirekt über die Inhalte auszudrücken. Ehe uns ein Gesprächspartner nicht vertraut ist und uns als Freund betrachtet, werden Gefühle typischerweise nur implizit spürbar. Ein Kennzeichen dieser „Kommu-

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nikation durch Implikation" ist, daß die Gesprächspartner ,,Probier"-Probleme darbieten. „Probier"-Probleme sind eine Art Versuchsballon - es sind kleine, relativ harmlose Probleme, die zu grundlegendenderen und tiefer erlebten Problemen überleiten können, wenn sie nicht zurückgewiesen werden. Das Muster des Übergangs von einer Kommunikationsebene zur nächsten, von den „ P r o b i e n - P r o b l e men zu tieferen Gefühlen, ist charakteristisch für ein Gespräch mit einem guten Zuhörer. Doch diese Offenheit wird von unserem konventionellen Gesprächsgeschick nicht gefördert. Tatsächlich erfahren wir womöglich nichts über die Probleme eines Menschen, es sei denn die Gefühle des Gesprächspartners sind so stark, daß sie unsere Reaktion überrollen. Uneffektives Zuhören Die Grundlage uneffektiven Zuhörens ist oft zweifach: 1. Es wird versäumt, solche Momente zu erkennen, in denen der Gesprächspartner nichts anderes als Verstehen erwartet; 2. Es wird versäumt, lange genug oder mit ausreichendem Verständnis auf die Gefühle des Partners zu achten, um wirklich das Problem erfassen zu können. Nachfolgend zwölf typische Äußerungen, mit denen die meisten Menschen in solchen Situationen reagieren und die dem Partner zeigen, daß seine Gefühle nicht akzeptabel sind: 1. Anordnen, fordern: ,,Du mußt versuchen...",,,Du mußt a u f h ö r e n . . . " (Das heißt: Du darfst diese Gefühle nicht haben, hab gefälligst andere.) 2. Warnen, drohen: ,,Du hättest lieber...", „Wenn Du nicht das und das machst, d a n n . . . " (Du hättest diese Gefühle nicht haben sollen.) 3. Ermahnen, moralisieren: „Dusolltest...", „Es ist nicht gut, daß D u . . . " (Du bist böse, wenn Du diese Gefühle hast.) 4. Überreden, behaupten, abkanzeln: „Bist Du Dir klar darüber...", „Tatsache ist, d a ß . . . " (Hier hast Du ein paar Tatsachen, aufgrund derer Du die Gefühle nicht mehr haben solltest.) 5. Ratschläge, Antworten geben: „ W a r u m machst Du nicht...?", „ L a ß Dir sagen..." (Hier ist eine Lösung, aufgrund derer Du die Gefühle nicht mehr haben solltest.) 6. Kritisieren, bloßstellen, ablehnen: „Das siehst Du ganz falsch." (Du machst einen Fehler, wenn Du diese Gefühle hast.) 7. Loben, zustimmen: „Aber Du hast es so gut gemacht...", „Ich halte sehr viel davon..." (Dein Gefühl ist Gegenstand meiner Zustimmung.) 8. Beruhigen, Sympathie ausdrücken: „Mach Dir keine Sorgen...", „Es wird Dir auch wieder besser gehen..." (Du brauchst die Gefühle gar nicht zu haben.) 9. Interpretieren, diagnostizieren: „Was Du brauchst ist...", „Dein Problem ist, daß D u . . . " (Hier hast Du den Grund für Deine Gefühle.) 10. Untersuchen, verhören: „ W a r u m . . . ? " , „ W e r . . . ? " , „ W a s . . . ? " , „ W a n n . . . ? " (Bist Du wirklich berechtigt, solche Gefühle zu haben?)

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11. Ablenken, vermeiden: „Wir können später darüber sprechen...", „Das erinnert mich a n . . . " (Dein Gefühl zu bereden lohnt nicht.) 12. Späßchen machen, sarkastisch werden: „ W a n n hast Du zuletzt eine Zeitung gelesen...?", „Meine alte Tante Emma hatte das gleiche..." (Es ist albern, auf diesen Gefühlen zu beharren.) Wenn der Gesprächspartner den Eindruck hat, er bekomme eine von diesen Antworten, dann ist das Risiko sehr groß, daß er auf Abwehr schaltet und entweder das Gefühl weiterhin rechtfertigt oder aber sich völlig verschließt, so daß der Zuhörer keine Chance mehr hat, etwas Tiefergehendes als das „Probier"-Problem zu hören. Die Alternative: aktives Zuhören Eine Alternative zu dieser Art von Reaktionen ist es, die Gefühle des anderen anzuerkennen, indem man ihm mitteilt, was man als seine Gefühle und Gedanken verstanden hat. Beim aktiven Zuhören faßt der Zuhörer den Inhalt und die Gefühle des Gesprächspartners in seinen eigenen Worten zusammen und gibt sie wieder, um das Verständnis zu bekräftigen. Er läßt seinen eigenen Bezugsrahmen beiseite und sieht die Welt vom Standpunkt des Partners aus. Die Wirkung des aktiven Zuhörens Der Vorteil des aktiven Zuhörens liegt darin, daß man vermittelt, man akzeptiere die Gefühle des Partners. Zusätzlich ermöglicht es, das Verständnis zu überprüfen, und läßt Korrekturen zu, falls man etwas mißverstanden hat. Bei Anwendung des aktiven Zuhörens wird man häufig feststellen, daß es den Gesprächspartnern leichter fällt, Probleme und vor allem tiefere Probleme mitzuteilen. Außerdem wird man dabei feststellen, daß sie über ihre Gefühle sprechen und ihre Probleme selbst lösen können. Aktives Zuhören Wenn ich Ihnen zuhöre, dann kann ich das passiv tun und mit dem Kopf nicken, „ A h a " oder „ J a " sagen. Ich teile Ihnen damit wenigstens mit, daß ich da bin und daß ich Sie nicht unterbreche. Vielleicht möchten Sie jedoch erfahren, ob ich wirklich höre, was Sie sagen, und vielleicht möchte ich zuweilen Klarheit darüber gewinnen, ob ich überhaupt weiß, was Sie meinen. Um sicher zu sein, daß ich Sie richtig verstehe, und um Ihnen zu vermitteln, wie ich Sie verstanden habe, kann ich das, was ich glaube gehört zu haben, zurückspiegeln. Zum Beispiel: Sie: „ U n d das passierte ein paar Mal. Ich bin drauf und dran, die Gruppe zu verlassen." Ich: „Sie überlegen sich, die Gruppe zu verlassen?" Sie: „ J a , ich bin ziemlich nahe dran. Ich habe einfach keine Lust mehr, dauernd kritisiert zu werden.''

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Ich: „Sie sind es wirklich müde, kritisiert zu werden." Sie ,,Ja, ich möchte, daß sie mit der Kritisiererei aufhören, und ich werde ihnen das auch sagen. Immer kritisieren mich die Leute. Sie denken wohl, ich hätte überhaupt keine Gefühle und sie könnten auf mir herumtrampeln." Ich: ,,Es passiert Ihnen auch anderswo, aber diesmal wollen Sie dem ein Ende machen." Sie: „Das werde ich ganz bestimmt." Mein aktives Zuhören hat Sie ermutigt, fortzufahren und zu ihrer eigenen Schlußfolgerung zu kommen. Es gibt verschiedene Ebenen des aktiven Zuhörens. a) Ich kann einfach den Inhalt des Gesagten rückmeiden („Sie werden kritisiert"), b) Besser ist es aber, auch die Gefühle widerzuspiegeln („Und das nervt Sie"). Ich gelange zu wesentlich tieferen Schichten, wenn ich auf Reaktionsmuster achte („und das passiert Ihnen anscheinend immer so"). Ein Reaktionsmuster ist die Bereitschaft, auf bestimmte Situationen in einer bestimmten typischen Weise zu reagieren. Es basiert auf einem ziemlich beherrschenden Selbstbild, das die betreffende Person von sich hat („Niemand kümmert sich um das, was ich denke", „Ich mache immer alles verkehrt", „Ich bin immer der Verlierer", „Von mir nimmt keiner Notiz" usw.) Diese Gefühle entscheiden in erheblichem Maße darüber, wie der Betreffende auf bestimmte Situationen reagiert. Unser Kontakt gewinnt dann am meisten Sinn, wenn wir diese Schichten erreichen. Wenn ich das von Ihnen Gesagte zurückmelde und widerspiegele, dann muß ich dies in einem Ton tun, der klarmacht, daß ich es als etwas akzeptiere, das für Sie wahr ist. Wenn ich Ihre Äußerungen jedoch in einem herausfordernden Ton referiere, dann wird das aller Voraussicht nach bei Ihnen Abwehrhaltung produzieren und den weiteren Fluß Ihres Denkens stoppen.Beispiel: Ich: „Glauben Sie wirklich, daß man Sie kritisiert?" Sie: „ J a natürlich. Gerade gestern noch..." und Sie verschwenden nun Ihr ganze Energie darauf, sich zu verteidigen und Ihre Aussage zu beweisen. Aktives Zuhören ist eine sehr wirkungsvolle Fähigkeit; vor allem dann, wenn Sie das Anfangsstadium des bloßen Nachplapperns des Gesagten plus der geäußerten Gefühle überwunden haben und stattdessen versuchen, den tieferen Sinn der Äußerungen dem Gesprächspartner in konzentrierter Form wiederzugeben. Aktives Zuhören lernen Der Versuch, aktives Zuhören zu praktizieren, wird am Anfang durch bestimmte Formulierungen erleichtert, mit denen man seine Rückmeldung einleiten kann. Etwa: „Ich wüßte gern, ob ich Sie richtig verstanden habe" oder „Sie sagen also" oder „Was Sie betrifft" oder „Sie fühlen also". Später werden Sie dann weniger mechanisch vorgehen, werden das Wesentliche des Gesagten aufgreifen und Ihre Rückmeldung so verbessern, daß sie den Redefluß Ihres Gesprächspartner so wenig wie möglich stört. Etwa: „Das beunruhigt Sie?",

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„Das hätte sie nicht tun sollen?", „ I m nachhinein wünschen Sie, Sie hätten es anders gemacht?". Die Rückmeldung ist immer vorsichtig. Sie fragt: „Empfinden Sie das so?" statt festzustellen: „So empfinden Sie das!". Wenn Sie sich nicht sicher sind, können Sie fragen: „Stimmt das?" oder: „Sind Sie damit einverstanden?" Wenn der Gesprächspartner die Rückmeldung nicht akzeptiert, dann verschwenden Sie keine Energie darauf zu beweisen, daß Sie recht haben, oder zu erklären, warum Sie angenommen haben, dies sei das, was er meinte. Auch wenn Sie denken, Sie hätten recht. Stattdessen fragen Sie, was er meint. Die höheren Weihen des aktiven Zuhörens Die anspruchsvollere Form des aktiven Zuhörens besteht darin, auf das zu achten, was hinter dem Gesagten steht. Zum Beispiel die hinter einer Äußerung steckende Absicht. Sie: „Das passiert mir dauernd." Ich: „Sie würden das gerne ändern." (Eine negative Situation wird in Form einer wünschenswerten, aber noch nicht erreichten Entwicklung widergespiegelt.) Sie: „Ich bin diesem Kind nicht gewachsen." Ich: „Sie wünschen, Sie könnten anders empfinden." Wenn Sie zu mir über andere Menschen reden und über das, was diese tun, dann habe ich die Wahl, entweder die Rolle dieser anderen aufzugreifen oder die Rolle, die Sie in der Geschichte spielen. Zum Beispiel: Sie: „Meine Eltern haben mich immer davon abgehalten, irgendetwas zu machen. Sie hatten immer Angst, ich könnte in Schwierigkeiten geraten." Ich: „Ihre Eltern waren überfürsorglich" (Ich befasse mich mit den Eltern), oder: „Sie haben nie gelernt, etwas aus eigener Kraft zu t u n " (Ich befasse mich mit Ihnen). Der erste Ansatz wird Sie wahrscheinlich dazu bringen, mehr auf Ihre Eltern einzugehen und eine „Ich armes Kind"-Geschichte zu erzählen. Er greift Ihre Hilflosigkeit auf. Der zweite Ansatz handelt mehr davon, was Sie jetzt tun und was Sie angehen sollten. Ich kann natürlich auch beide Aspekte aufgreifen: „Ihre Eltern waren überfürsorglich und deshalb haben Sie nach Ihrem Gefühl nicht sehr gut gelernt, wie Sie etwas aus eigener Kraft tun können." Das gibt Ihnen die Chance, das für Sie wichtigste herauszugreifen und selber weiterzuverfolgen. Ich muß beim aktiven Zuhören vor allem herausfinden, was Ihr eigener Gesprächsfluß ist. Diesem muß ich zu folgen versuchen und darauf achten, wohin sie sich selbst führen, statt Sie zu lenken. Das ist für Anfänger oft schwierig, weil wir meinen, als Helfer müßten wir wissen, wo es lang geht. Ich für mein Teil sehe es eher so, daß wir einem Flußlauf folgen, und der Fluß wird schon irgendwie wissen, wie er fließen muß. Aktives Zuhören ist keineswegs die ganze Kommunikation. Aber es schafft dem anderen Freiraum. Ich

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möchte aber auch Freiraum für mich schaffen, und das erfordert zusätzliches Geschick.

Was bedeutet kongruente Selbstmitteilung? Die drei typischsten Arten, Gefühle mitzuteilen - das Mitteilen einer Lösung, das Bewerten und das Vermitteln indirekter Botschaften - können beim Gegenüber eine Verteidigung- oder Abwehrhaltung schaffen. 1.

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Das Mitteilen einer Lösung: Statt dem Gegenüber zu erzählen, was Sie gerade fühlen, erzählen Sie ihm, was er tun soll. Dies kann ein Befehl, Vorschlag, Ratschlag usw. sein. Statt zum Beispiel zu sagen: „Ich bin wirklich ärgerlich, wenn du dir mein Buch ausleihst und es nicht zurückbringst", sagen Sie: „Leih dir mein Buch nie wieder!" Oder: „Warum holst du nicht dein eigenes Buch?" Die Gefahren sind: a) Eine Lösung mitzuteilen, signalisiert einen Machtunterschied - einer steht höher, der andere niedriger - , und jeder Mensch lehnt den Gebrauch von Machtmitteln ab, selbst wenn er der Lösung eigentlich zustimmen würde. b) Indem man eine Lösung mitteilt, definiert man das Problem nur sehr dürftig. Wenn Sie erst einmal mit einer Lösung gekommen sind, verlagert sich das Problem auf die Durchsetzung - egal, ob sie das eigentliche Problem wirklich löst oder nicht. c) Die Mitteilung einer Lösung vermittelt einen Mangel an Vertrauen. Unausgesprochen steckt darin die Botschaft, daß Sie dem anderen nicht zutrauen, selbst darauf zu kommen. Das Bewerten: Eine andere häufige Art sich mitzuteilen, ist das Bewerten, Beschuldigen oder Verurteilen des anderen. Statt zum Beispiel zu sagen: „Ich bin wirklich ärgerlich, wenn du dir mein Buch ausleihst und es nicht zurückbringst", sagen Sie: „ D u bist gedankenlos und unverschämt, wenn es darum geht, Dinge auszuleihen." Oder: „ D u bist ganz schön rücksichtslos." Die Gefahren sind: a) Die Partner gehen in eine Verteidigungshaltung, wenn Sie sie bewerten oder verurteilen. b) Sie als der Bewertende oder Verurteilende sind in einer Machtposition es ist wahrscheinlich, daß andere Ihre „Ich bin dir voraus"- Haltung ablehnen. c) Andere Menschen wollen nicht mit Ihren Maßstäben beurteilt und interpretiert werden. Indirekte Botschaften: Unter indirekten Botschaften versteht man Mitteilungen, die nicht direkt die Gefühle des Sprechers ausdrücken, obwohl diese

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Gefühle oft im Tonfall, in der Betonung oder in der Wortwahl enthalten sind. Botschaften dieser Art sind z.B. spitze Bemerkungen oder versteckte Fragen. Anstatt zu sagen: „Ich bin wirklich ärgerlich, wenn du dir mein Buch ausleihst und es nicht zurückbringst", sagen Sie: „Hast du das Buch zufällig doppelt?" Oder: „Wenn die Leute in dieser Klasse 'n bißchen mehr nachdenken würden, könnt man direkt gut lernen..." Die Gefahren sind: a) Die Botschaft kommt nicht an, weil Sie sich so indirekt ausdrücken, daß der andere gar nicht versteht, daß Sie ein Problem haben. b) Was dennoch ankommt ist meist nur ein schwammiges, unklares, negatives Gefühl. Das erschwert die Problemlösung. c) Unklare, negative Gefühle werden oft eher als allgemeine Ablehnung denn als spezifische Reaktion verstanden: Wenn ich weiß, daß du verärgert bist, aber nicht ganz sicher bin warum, werde ich eher annehmen „ E r mag mich nicht", als daß ich darauf komme, zu denken „Aha, er ist sauer, weil ich sein Buch nicht zurückgegeben habe." Gelegentlich kann dies dazu führen, daß der Angesprochene dem Sprecher total aus dem Wege geht oder daß er sogar einen massiven Gegenfeldzug gegen die mutmaßliche Ablehnung führt. Eine Alternative: Kongruente Selbstmitteilung Die Alternative zu diesen Arten der Äußerung kann als kongruente Selbstmitteilung bezeichnet werden. Der Begriff „kongruent" bedeutet, daß die Botschaft und die Formulierung übereinstimmen, oder eben kongruent (deckungsgleich) sind. Diese Kongruenz besteht in drei Aspekten: 1.

Gefühle statt Bewertungen oder Lösungen mitteilen: Beim aktiven Zuhören versuchen wir ja, dem Sprecher die Gefühle zurückzuspiegeln, die wir in seinen Äußerungen zwischen den Zeilen verstanden haben. Wenn wir nun etwas mitteilen, äußern wir unsere Gefühle direkt, statt darauf zu vertrauen, daß der andere alle Implikationen versteht. Wir erzählen dem anderen, was wirklich in uns vorgeht. Eine kongruente Botschaft enthält typischerweise ein Wort, daß ein Gefühl beschreibt. Wenn wir gekränkt, ärgerlich, erfreut, frustriert oder glücklich sind, sagen wir, daß wir gekränkt, ärgerlich, erfreut, frustriert oder glücklich sind. In letzer Zeit hat es viel Aufhebens darüber gegeben, ehrlich miteinander umzugehen - „Sag, wie es ist!" Aber oft wird Ehrlichkeit damit verwechselt, jemandem zu sagen, was man von ihm hält, anstatt ihm die eigenen Gefühle mitzuteilen. Die Hauptannahme der kongruenten Botschaft ist, daß jeder Bewertung Gefühle vorangehen. Wenn wir uns durch etwas gekränkt fühlen, werden wir (als sekundäre Reaktion), denjenigen bewerten, der uns gekränkt hat. Von daher sind die Gleichungen verschieden: Übliche Gleichung: Ehrlichkeit = Mitteilen von Bewertungen. „Ich werde

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2.

3.

Betreuung dir sagen, wann du gut oder schlecht bist, je nach dem, wie du dich mir gegenüber verhälst." Kongruente Gleichung: Ehrlichkeit = Mitteilen von Gefühlen. „Ich werde dir sehr direkt sagen, was ich als Reaktion auf dein Verhalten fühle, aber ich werde dein Verhalten nicht bewerten." Sich eigene Gefühle eingestehen: Kongruent kann eine Mitteilung auch nur dann sein, wenn der Sprecher sich seine eigenen Gefühle eingesteht, d.h. wenn er nicht andere für seine Gefühle verantwortlich macht, sondern selbst dafür gerade steht. Erste Versuche, Gefühle mitzuteilen, sind oft Äußerungen wie: „Als du das gesagt hast, hast du mich gekränkt." Dies ist eine „ D u " - Botschaft, eine Gefühlsbotschaft, die durch das Wörtchen „ d u " beschuldigend und anklagend geworden ist und den Anschein vermittelt, als sei der andere für unsere Gefühle verantwortlich. Die kongruente Botschaft ist normalerweise eine Ich-Botschaft, wie z.B. „Ich fühlte mich gekränkt, als du das gesagt hast." Verhalten beschreiben anstatt es zu bewerten: Die Verhaltensbeschreibung ist eine Äußerung, die auf das Verhalten, das Sie betroffen hat, hinweist. Eine Verhaltensbeschreibung kann leicht mit einer Bewertung verwechselt werden. Beispiel: „Ich bin wirklich ärgerlich, wenn du dir mein Buch ausleihst und es nicht zurückgibst.'' Der hervorgehobene Teil beschreibt das Verhalten. „Ich bin wirklich ärgerlich, wenn du so rücksichtslos bist." Der hervorgehobene Teil beschreibt eine Bewertung, mit all den Risiken, die eine Mitteilung durch Bewertungen mit sich bringt. Die Verhaltensbeschreibung benennt das Verhalten des anderen ohne es zu verurteilen. Sie deutet auch auf das spezifische Verhalten hin, auf das Sie mit ihren Gefühlen reagiert haben, so daß der Zuhörer versteht, welches Verhalten er ändern kann, wenn er möchte, daß Sie sich anders fühlen.

Eine Formel für kongruente Selbstmitteilungen Eine einfache Formel für kongruente Selbstmitteilungen ist: „Ich bin" + Gefühlswort + Konzept: Gefühle eingestehen

+

Gefühle mitteilen

+

Verhaltensbeschreibung Beschreiben, nicht bewerten

Wirkungen kongruenter Selbstmitteilungen Kongruente Selbstmitteilungen ermutigen Sie, sehr viel offener und direkter mit ihren Gefühlen umzugehen. Andere lernen dadurch, Ihnen zu vertrauen - sie wissen „wo Sie sind." Ihre Offenheit ermuntert auch andere zur Offenheit. Dadurch, daß

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Sie für Ihre Gefühle die Verantwortung übernehmen und Werturteile vermeiden, können Sie zusätzlich die Verteidigungshaltung Ihres Gegenübers abbauen und Probleme direkt angehen.

Gedanken über Leben und Tod Ich möchte die Behauptung aufstellen, daß es einen Unterschied zwischen der Verlängerung des Lebens und dem Hinauszögern des Todes gibt. Ich stelle fest, daß sich einige Ärzte (zumindest in der Praxis) dieser Unterscheidung nicht bewußt sind. Für sie kann das Leben mit einem Diagramm als ein Kontinuum zwischen Geburt (X) und Tod (Y) dargestellt werden, ohne daß es an irgendeiner Stelle einen X

Y

einschneidenden Punkt (Z) gäbe, von dem man sagen könnte, daß hier der Sterbeprozeß beginnt. Da von ihnen kein Punkt Z ausgemacht wird, wird de facto jede Unterscheidung zwischen dem Verlängern des Lebens (der X-Z Linie) und dem Hinauszögern des Todes (der Z-Y Linie) ausgeschlossen. Für diejenigen, die das Leben nur im Sinne des X-Y-Kontinuums verstehen, wird die medizinische Pflege zwangsläufig die Form eines unablässigen Heilungsversuches annehmen - ungeachtet der Tatsache, daß die Behandlung dem Gesamtbefinden des Patienten abträglicher sein kann als die Krankheit selbst. Dies scheint in der Tat das derzeitige Vorgehen einiger Ärzte zu sein. Dies war auch die erklärte Philosophie des vor einiger Zeit verstorbenen Dr. David A. Karnofsky vom Sloan Kettering Institut für Krebsforschung, um ein konkretes Beispiel anzuführen. Karnofsky sprach sich enthusiastisch für kontinuierliche „aggressive oder außerordentliche Therapieformen" aus, in dem Glauben, daß es „der medizinische Imperativ . . . ist, eine zeitweilige Erleichterung nach der anderen schaffend, das Leben eines Patienten mit Dickdarm-Krebs um zehn Monate zu verlängern, wohingegen er innerhalb von Wochen gestorben wäre, wenn auch nur eine der massiven Maßnahmen nicht angewandt worden wäre." 1 Wie Karnofsky selbst schrieb: „Unser höherer Auftrag . . . wird herabgesetzt durch die Ansicht, der Kampf gegen Krebs sollte nicht kontinuierlich auf allen Sektoren geführt werden. Die Leistungen und Triumphe, die im Kampf gegen Krebs errungen werden, werden immer von Ärzten kommen, die zuviel tun - die den Patienten weiter behandeln, auch wenn das Unterfangen sinnlos scheint - und nicht von denen, die zu wenig tun. Die Ärzte . . . können eine Menge aus dem Studium dieser Patienten lernen . . . Denn nur indem sie jede Herausforderung annehmen (selbst wenn sie gewöhnlich dabei versagen), sind sie in der Lage andere, heilbare Patienten routiniert zu behandeln." 2 Wir werden an späterer Stelle eine Kritik dieser Auffassung von medizinischer Pflege liefern. Es mag jedoch von Interesse sein, festzustellen, daß die „ P f l i c h t " des

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Arztes, in jedem Falle die Erhaltung des Lebens anzustreben, inzwischen von vielen Ärzten in Frage gestellt wird, für die diese Aufgabe einmal den Grundstein ihrer Berufsethik bildete. 3 Wenden wir uns nun denjenigen zu, die intuitiv erfassen, daß es einen Unterschied zwischen der Verlängerung des Lebens und dem Hinauszögern des Todes gibt - wie schwierig das auch empirisch zu definieren und präzise zu bestimmen sein mag. Für solche Ärzte gibt es einen erkennbaren Punkt Z auf dem Kontinuum X - Y, von dem man sagen kann, daß hier der Sterbeprozeß beginnt. Wir müssen offen zugeben, daß nur ein erfahrener Arzt einen Punkt Z auf der X-Y Linie bestimmen kann - und auch dann nur ungenau durch fundierte Vermutung. X

Z

Y

Aus medizinischer Sicht kann man sagen, der Punkt Z ist dann erreicht, wenn in irgendeinem der lebensnotwendigen Systeme des menschlichen Körpers irreversibler Schaden entstanden ist. 4 Der theologische Standpunkt unterstellt, daß den Menschen die Fähigkeit zur autonomen Selbstbestimmung und zur Ansprechbarkeit für andere in Bezug auf Glaube, Hoffnung und Liebe auszeichnet. Aus dieser Sicht kann man sagen, daß der Punkt Z überschritten wird, wenn diese Fähigkeit unwiderruflich verloren ist. So schwierig es auch sein mag, den Punkt Z genau zu lokalisieren: Sobald man sich einmal eingestanden hat, daß es einen solchen entscheidenden Wendepunkt gibt, erscheint es doch sehr sinnvoll zwischen Lebensverlängerung und Todesverzögerung zu unterscheiden. Nur dann werden andere Möglichkeiten der Hilfe für Sterbende sichtbar als der unverrückbare Wille, den Patienten zu heilen. Diese anderen Möglichkeiten führen uns mitten in die Euthanasie-Debatte. Von Punkt X bis Z hat der Arzt alles Menschenmögliche zu unternehmen, um die Krankheit des Patienten zu kurieren. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. Von Punkt Z bis Y können jedoch mindestens vier Alternativen zur sogenannten Heilung ausgemacht werden: 1. 2. 3. 4.

Die Krankheit ihren Lauf nehmen zu lassen und nur palliative Medikamente gegen den Schmerz zu verordnen. (Benemortasie); 5 Eine Anzahl bereits verordneter Maßnahmen abzusetzen, damit der Patient in Ruhe sterben kann (Euthanasie); Etwas zu unternehmen, um das Leben des Patienten aktiv zu beenden (Gnadentod); und Dem Patienten zu erlauben, sich das Leben zu nehmen (Suizid).

Bevor wir diese vier Möglichkeiten näher untersuchen, möchte ich mit Paul Ramsey darauf bestehen, daß es auf jeden Fall zusätzlich unsere Pflicht ist, dem Patienten von Z bis Y als Ausdruck der Pflege „Gesellschaft zu leisten". Es ist bedauerlich, daß wir, die Lebenden, uns oft sowohl psychisch als auch physisch vom Tode so

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bedroht fühlen, daß wir die Sterbenden isolieren und im Stich lassen. Menschen, die auf der Reise von Punkt Z zu Y sind, werden oft in die entlegensten Räume unserer Stationen geschoben und mit ihrem Sterben allein gelassen, in mehr oder minder einsamer Absonderung von Freunden, Familienmitgliedern, Schwestern, Ärzten und sogar Priestern, die ihnen als Menschen zunehmend weniger Aufmerksamkeit widmen. Den Patienten zwischen Z und Y zu pflegen, heißt auch, ihn mit Liebe und Leben, ja sogar mit Lachen zu umgeben, so daß seine letzte Reise nicht von Einsamkeit und Isolation geprägt ist, sondern von der menschlichen Wärme und Stärke seiner Nächsten. Das ist der aufgeklärte Ansatz des St. Christopher Hospice in London und ähnlicher Institutionen, die in den USA entstehen. Paul Ramsey hat schon lange dazu aufgerufen, den Sterbenden als Teil der Pflege „Gesellschaft zu leisten". Es lohnt sich, seine Gedanken hier zu zitieren: „Wir können sicherlich sagen, daß unsere Pflichten den Sterbenden gegenüber sich radikal von denen gegenüber den Lebenden unterscheiden. Genauso wie es einem Pflichtversäumnis gleichkäme, Kranke so zu behandeln, als wären sie drauf und dran zu sterben, ist en. Genauso wie es einem Pflichtversäumnis gleichkäme, Kranke so zu behandeln, als wären sie drauf und dran zu sterben, ist es eine Art der Vernachlässigung, die Sterbenden so zu behandeln, als würden sie wieder gesund. Richtig ausgeübt wird die Medizin denen, die wieder gesund werden können, die nötige Hilfe zuteil werden lassen, und denen, die sterben, die Pflege und Hilfe geben, die sie auf ihrer letzten Reise brauchen." 6 Benemortasie Benemortasie bezeichnet das Vorgehen, das dem Sterbenden einen guten Tod ermöglicht, weil man einer Krankheit ihren normalen Lauf läßt und den Patienten ohne therapeutische Absicht nur mit palliativen schmerzstillenden Mitteln versorgt. Die Lungenentzündung wird manchmal „der Freund des alten Mannes" genannt. Benemortasie würde z.B. praktiziert, wenn man die Lungenentzündung eines komatösen Patienten mit einem unheilbaren, ins Gehirn metastasierten Melanom nicht behandelt, sondern ihr erlaubt, dem Patienten das Leben zu nehmen. Wenn man versucht, ein neunjähriges Leukämie-Opfer zu heilen, ist dies sowohl löblich als auch zu rechtfertigen. Aber das kann ganz anders aussehen, wenn der Patient neunzig ist und man seine Lebensspanne nur mit einer monatelangen Behandlung verlängern könnte, die weit schlimmer wäre als die Krankheit selbst. Euthanasie. Es sind hauptsächlich die Fortschritte medizinischer Technologie, die für die neue Möglichkeit der Euthanasie verantwortlich sind. Bevor man unheilbare Krankheiten behandeln konnte, waren die wirklichen Alternativen nur Benemortasie (das, was man früher Euthanasie nannte), das Töten aus „ G n a d e " oder der Suizid. Aber

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heutzutage haben wir in zunehmendem Maße die Macht, das Leben zu verlängern bzw. den Tod hinauszuzögern, indem wir Krankheiten, die früher sehr schnell zum Tode geführt hätten, erst einmal therapieren. Euthanasie kommt von daher für diejenigen in Frage, die von X-Y gegen eine unheilbare Krankheit behandelt werden, die aber, sobald Punkt Z erreicht ist und die Reise von Z nach Y angefangen hat, nicht mehr länger behandelt werden möchten, sondern auf ihr Recht, sterben zu dürfen bestehen. Ich persönlich bin froh und dankbar, daß mehr und mehr Ärzte bereit sind, sich auf diese Form der Euthanasie einzulassen. Herr S. zum Beispiel war ein achtundsechzigjähriger Patient mit Leukämie. Mit 83 wäre eine Behandlung seiner Krankheit nicht sehr sinnvoll gewesen. Da die Krankheit bei ihm aber mit 65 diagnostiziert wurde, wurde ihm eine starke Chemotherapie angeboten, die sein Leben um drei Jahre mit akzeptabler Lebensqualität verlängerte. Aber dann erklärte er, daß die Nebeneffekte der Chemotherapie schwerer zu ertragen seien als die Krankheit selbst und daß er lieber in Frieden sterben wolle. Er habe mit seiner Familie die „unerledigten Dinge" abgewickelt, und seine Familie pflichte ihm bei, daß die Behandlung abgebrochen werden solle. Die zuständigen Ärzte begriffen, was im wohlverstandenen Interesse des Patienten lag und setzten die Chemotherapie unverzüglich ab. Gegen die Schmerzen verordneten sie einen guten Scotch Whisky dreimal pro Tag. Unter den Klängen von Mozartmusik, die er während seiner Krankheit lieben gelernt hatte, starb Herr S. drei Wochen später so, wie er es sich gewünscht hatte. Formal gesehen war dies Euthanasie, denn dem Patienten wurden lebenserhaltene Maßnahmen entzogen, damit er sterben konnte. Die Entscheidung, Euthanasie - als einen Ausdruck der Fürsorge - zu praktizieren, ist unbeschreiblich viel schwieriger, wenn der Patient noch zu klein oder zu krank ist, um mitzuentscheiden. Dann haben die Eltern (im Falle eines Kindes) oder die Angehörigen (im Falle eines Erwachsenen) zusammen mit dem Arzt eine weit gewichtigere Rolle zu übernehmen. Ärzte werden dann verständlicherweise noch defensiver vorgehen als unter normalen Umständen. Die sogenannte „Letzte Verfügung über mein Leben", 7 kann den Ärzten hier sehr bei der Entscheidung helfen, obwohl dieses Dokument noch keine Rechtsgültigkeit hat. Besonders nützlich ist es, wenn dieser letzte Wille des Patienten ständig auf den neuesten Stand gebracht wird. Das setzt allerdings eine kontinuierliche Arzt-Patienten-Beziehung voraus. Bedauerlicherweise gibt es solche kontinuierlichen Beziehungen wenn überhaupt, nur äußerst selten, zumindest soweit es unsere größeren medizinischen Zentren betrifft (die wiederum das beste Instrumentarium zur Verfügung haben). Gnadentod. Wie der Ausdruck schon sagt, handelt es sich dabei um etwas, das den Patienten tötet. Wir gehen davon aus, daß dies aus Gnade geschieht - wobei wir diese Annahme später in Frage stellen müssen. Dr. Vincent A. Montemarano wurde angeklagt, Eugene Bauer, einen unheilbar kranken Krebspatienten, am 17.12. 1972 vorsätzlich

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getötet zu haben, indem er ihm im Nassau County Medical Centre eine Kaliumchloridlösung in die Vene injizierte. 8 Auch Lester Zygmaniak wurde angeklagt, seinen Bruder George, der nach einem Motorradunfall gelähmt war, getötet zu haben: Lester sagte aus, er habe zu seinem Bruder gesagt:,,Ich bin hier, um deinen Schmerzen ein Ende zu bereiten. Ich ging zu seinem Zimmer, sah hinein und fand meinen Bruder. Ich fragte ihn, ob er Schmerzen habe. Er nickte." Laut Lesters Aussage, schoß er dann seinen Bruder aus einem abgesägten Gewehr einmal in den Kopf und sagte, nachdem er die Hand auf das Herz seines Bruders gelegt hatte: „Gott segne dich, George, es tut mir leid, daß es so passieren mußte." George starb 27 Stunden später. 9 Das Töten aus Gnade ist eindeutig gesetzwidrig, aber bisher ist in diesem Land niemand, der deswegen angeklagt wurde, verurteilt worden. In allen Fällen wurden die Angeklagten freigesprochen. Obwohl es juristisch eindeutig einen Unterschied zwischen töten und sterben lassen gibt, argumentieren manche, es gebe keinen moralischen Unterschied zwischen den beiden Möglichkeiten. James Rachels schrieb kürzlich: ,,Ich habe hier argumentiert, daß Töten an sich nicht schlimmer ist als Sterbenlassen; wenn meine Behauptung richtig ist, folgt daraus, daß aktive Euthanasie (das Töten aus Gnade) nicht schlimmer ist als passive Euthanasie." 1 0 Andere, wie z.B. Karl Barth, beziehen eine andere Position: ,,Es kann kaum jemals von dieser Art der vorsätzlichen Tötung gesagt werden, daß sie aus einer Notlage heraus geschah. Von daher ist sie nichts anderes als M o r d . " 1 1 Diese gegensätzlichen Anschauungen werden im kritischen Teil dieser Abhandlung vorsichtig gegeneinander abgewogen werden. Suizid. Eine vierte Möglichkeit der ärztlichen Fürsorge erlaubt dem Patienten, der sich auf dem Weg von Z nach Y befindet, sich das Leben zu nehmen. Es zu erlauben ist etwas anderes, als es zu ermöglichen. Wenn ein Arzt oder eine Krankenschwester es dem Patienten ermöglichen würde, Selbstmord zu begehen, wäre das streng genommen eine Form der Gnadentötung. Einem Patienten hingegen das Recht zuzugestehen, bedeutet einfach, die uneingeschränkte Autonomie des Individuums anzuerkennen - ein Grundsatz, der in unserem „emanzipierten" Zeitalter einen fast religiösen Status angenommen hat. Wie sollen wir uns nun entscheiden zwischen diesen vier Alternativen - der Benemortasie, der Euthanasie, der Gnadentötung und dem Zulassen des Suizids - einerseits und der Anschauung, daß Pflege immer ein Heilungsversuch sein sollte, andererseits? Der Glaube, daß die Pflege die Form eines entschiedenen und hartnäckigen Versuches zu heilen annehmen sollte, hat gewiß viel für sich. Es läßt sich zum Beispiel

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argumentieren, daß Krebs eine der großen Geißeln der Menschheit ist, daß Durchbrüche im Kampf gegen die Krankheit ständig gelingen, dies aber nur, weil für Fortschritte in der Medizin experimentelle Daten gesammelt werden. Daß das Sammeln der Daten mehr Leiden für den Patienten bedeuten kann, als die Krankheit selbst, wird durch die Aussicht, in Zukunft vielen Menschen helfen zu können, wieder wettgemacht. Hinter diesem Argument stecken bestimmte Werte. Von meinem Standpunkt aus ist jede Ethik verdächtig, die Menschen zu einem reinen Mittel zum Zweck degradiert oder argumentiert, der Zweck heilige die Mittel. Der Unterschied zwischen Benemortasie und Euthanasie ist der, zu tun oder nicht tun, was die medizinische Technik uns ermöglicht hat. Bis vor kurzem stand die Technik in so hohem Ansehen, daß man allgemein annahm, es müsse alles getan werden, was getan werden kann. Wenn ein Patient mit einem Herzstillstand eingeliefert wurde, war eine Wiederbelebung möglich und wurde folglich auch vorgenommen; erst später, wenn man sah, daß irreversible Hirnschäden entstanden waren, fragte man sich: „ W a r u m haben wir den Patienten nicht einfach sterben lassen?" und: „Können wir bei ihm jetzt die Maschinen ausschalten?" Die Befürworter der Benemortasie fragen, ob das zum Stillstand gekommene Herz immer zwangsläufig wieder zum Schlagen gebracht werden sollte. Daß die Ansicht zunehmend akzeptiert wird, wir sollten nicht länger automatisch tun, was in unserer Macht steht, ist ein erfreuliches Zeichen dafür, daß der technologische Imperativ (immer zu tun, was technisch möglich ist) jetzt doch von vielen ernsthaft in Frage gestellt wird. Der Unterschied zwischen Benemortasie (bei der der Patient darum bitten kann, daß keine Therapie begonnen wird) und Suizid ist vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Für diejenigen, die den technologischen Imperativ akzeptieren, wird es keinen Unterschied geben: Eine Behandlung zu verweigern, ist eine Form von Selbstmord. Für diejenigen, die den technologischen Imperativ nicht akzeptieren können, besteht der Unterschied zwischen Benemortasie und Suizid auf der Ebene der Intention: Die primäre Absicht in der Behandlungsverweigerung ist es, etwas zu umgehen, das möglicherweise beschwerlicher ist, als die Krankheit selbst (nämlich ein Leben von enorm verminderter Qualität), wobei die zweite Konsequenz der Tod ist; die primäre Absicht beim Suizid (von unheilbar Kranken) ist der Tod als Erlösung vom Leiden (entweder dem eigenen oder dem der Angehörigen). Wie steht es mit der Euthanasie? Wenn der Patient hinreichend bei Bewußtsein ist, um darum zu bitten, daß eine Reihe von Maßnahmen abgesetzt wird, oder wenn der Patient, obwohl er nicht mehr bei Bewußtsein ist, auf dem Wege z.B. der sogenannten „Euthanasie- Erklärung" seine Wünsche über Jahre hinweg deutlich gemacht hat, dann ist es für Ärzte und Angehörige sehr viel einfacher, diesem Wunsch nachzukommen. Diese Patienten brauchen lediglich die Anerkennung der Tatsache, daß es „nicht unsere vordringliche Aufgabe ist, ein physisches Leben zu retten und uns erst in zweiter Linie um den ganzen Menschen zu sorgen. Wir haben vielmehr zu jedem Zeitpunkt die Ganzheit des Menschen im Auge zu behal-

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ten - einschließlich aller Emotionen und wichtigen Beziehungen. Wir sind in erster Linie verantwortlich für die Fürsorge. Diese ist von noch grundlegenderer Bedeutung als die Heilung. Fürsorgehandlungen werden sich eher um den ganzen Menschen drehen als um die Krankheit." 1 2 Wenn sich der Patient jedoch im Koma befindet und auch keine langfristige Verfügung darüber getroffen hat, wie er unter diesen Umständen behandelt werden möchte, ist die Verantwortung des Arztes weit schwerer. Die meisten Ärzte stehen auf dem Standpunkt - und ich neige dazu, ihnen beizupflichten -, daß die Behandlung unter keinen Umständen abgebrochen werden darf, wenn kein irreversibler Schaden an einem der lebensnotwendigen Systeme des Körpers eingetreten ist. Wenn aber der Punkt Z eindeutig nachweisbar ist, ist die Euthanasie - soweit sie den Wünschen der Angehörigen und ihrem Verständnis vom Wunsch des Patienten entspricht - eine moralisch vertretbare Möglichkeit. Die Unterscheidung zwischen „Sterbenlassen" (in diesem Sinne) und unterlassener Hilfeleistung hat zwei Seiten: Auf der einen Seite steht die Frage: Ist Punkt Z erkennbar erreicht oder nicht? Wenn dies nicht der Fall ist, wäre es unterlassene Hilfeleistung, die Behandlung einzustellen; ist Punkt Z jedoch erreicht, dann können Nelsons oben zitierte Grundsätze eindeutig angewendet werden. Auf der anderen Seite geht es um die Unterscheidung auf der Ebene der Intention. Bei unterlassener Hilfeleistung besteht die Absicht, sich nicht um den Patienten zu kümmern. Bei der Euthanasie besteht die Absicht, sich um ihn zu kümmern. Allerdings nicht, indem man mit einer Reihe jetzt sinnloser Therapien beginnt, sondern, indem man die Integrität des ganzen Menschen respektiert. Gibt es einen moralischen Unterschied zwischen Euthanasie und dem Töten aus Gnade, zwischen dem „Sterbenlassen" und einer aktiven Handlung, um das Leben des Patienten zu beenden? Ich möchte behaupten,daß es einen Unterschiedgibt, und insofern Rachels widersprechen. 13 Jede Aktion umfaßt zumindest drei Komponenten: die Absicht, die Mittel, um sie in die Tat umzusetzen und die daraus folgenden Konsequenzen. Die Ethik betrachtet alle drei. Absichten und Konsequenzen können nicht einfach von der Diskussion ausgeschlossen werden (so wie Rachels es getan hat), um dann zu dem Schluß zu kommen, daß ein Mittel, das Leben des Patienten zu beenden (ihn sterben zu lassen) so gut ist wie das andere (nämlich ihn zu töten). Bei der Tötung mag die Intention durchaus Gnade sein. Aber ebenso gut können andere Gründe dahinterstehen. In dem Prozeß, der am 14.1.1974 begann, charakterisierte der zuständige Staatsanwalt Cahn den Tod von Eugene Bauer ursprünglich als einen „ G n a d e n t o d " . Später beschrieb er ihn jedoch als einen „Mord aus Bequemlichkeit", der vollzogen wurde, damit Montemarano nicht an diesem Abend zurückkommen mußte, um den bis dahin eventuell spontan eingetretenen Tod des Mannes zu bescheinigen. 14 Ebenso könnte hinter einem sogenannten Gnadentod die Absicht stecken, eine Lebensversicherung zu kassieren, seinem eigenen Leid aus dem Wege zu gehen oder die Kosten der medizinischen Behandlung zu senken. Das Töten verhindert die Mög-

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lichkeit, die Absichten genauer zu untersuchen; das Sterbenlassen gibt allen Beteiligten Zeit, die Motive zu beurteilen. Die Mittel, die angewendet werden, um ein Leben zu beenden, werden unterschiedlich moralisch bewertet: Im allgemeinen ist die Ethik großzügiger gegenüber Mitteln, die eine sogenannte „doppelte Wirkung" haben, als gegenüber solchen, die nur eine „einfache Wirkung" haben. Morphium wäre z.B. ein Mittel mit „doppelter Wirkung": seine primäre Wirkung ist die der Schmerzlinderung, die sekundäre die, das Leben zu verkürzen. Bei dem Gebrauch eines solchen Mittels mit „doppelter Wirkung" wird anerkannt, daß das Leben an sich keinen absoluten Wert besitzt; daß der Ausdruck von Mitgefühl (die Verabreichung des Medikaments) die gleichzeitige Verkürzung seiner Lebensspanne rechtfertigt. Dies ist moralisch akzeptabler als ein Mittel mit „einfacher Wirkung": ein Revolver, eine Dosis Zyanid, Dynamit unter dem Bett. Je mehr das Mittel Ausdruck von Fürsorge ist, desto akzeptabler ist es für die jüdisch-christliche Ethik; je näher ein Mittel dem kommt, was man als den Ausdruck gewalttätiger oder mordgieriger Absichten auslegen könnte, desto weniger akzeptabel ist es. Die Konsequenzen können für den Patienten durchaus dieselben sein, ob wir ihm erlauben zu sterben oder ihn töten. Aber die Konsequenzen für die Gesellschaft wären ungeheuer verschieden. Kürzlich hat John Fletcher in einem Artikel drei davon angeführt. Die eine ist die „potentielle Brutalisierung derjenigen, die am Gnadentod beteiligt sind". Zum zweiten würde die zerbrechliche Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient schwer belastet, wenn nicht sogar zerstört. Und eine dritte Folge wäre das Versiegen des Reservoirs an Mitgefühl, das wir in unserem westlichen Kulturkreis so langsam und mühselig angesammelt haben. Wenn diejenigen, die unser Mitgefühl und unseren Beistand verdienen, einfach getötet würden, würde unser Reservoir an Anteilnahme austrocknen, und die Gesellschaft als Ganzes wäre unvergleichlich ärmer. Fletcher kommt zu dem Schluß, daß „der entscheidende Unterschied zwischen dem Töten aus Gnade und dem Zulassen, daß jemand stirbt, darin besteht, daß beim letzeren die auferlegte Selbstbeschränkung besser im Einklang mit den ethischen und rechtlichen Normen steht, daß Ärzte . . . keinen Schaden zufügen." 1 5 Gegenwärtig scheint mir die rechtliche Haltung gegenüber dem „Töten aus Gnad e " in den USA ausgesprochen vernünftig: unzweideutige Sanktionen gegen den Gnadentod (weil die Absichten hinter der Handlung und ihre Konsequenzen sehr schwierig zu beurteilen sind), verbunden mit einem möglichst mitfühlenden und nachgiebigen übrigen Verfahren mit denjenigen, die aus aufrichtiger Gnade einen anderen Menschen getötet haben, um ihm sein Leiden zu ersparen. 16 Die vierte und letzte Möglichkeit der Fürsorge für diejenigen, die von Punkt Z zu Punkt Y unseres Diagramms unterwegs sind, ist die, ihnen das Recht auf Suizid zuzugestehen. Selbstmord ist im Westen traditionell als eine Flucht, ein Akt der Feigheit oder aber als ein letzter, trotziger Ausdruck von absoluter Autonomie angesehen worden. Er kann sich aber auch anderen Interpretationen öffnen. Ein Suizid kann daraus resultieren, daß der Patient jedes Gefühl für Zusammenhänge (Glaube)

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verliert, daß er kein Gefühl für eine potentiell kreative Zukunft (Hoffnung) mehr hat und nicht mehr fühlt, daß andere für ihn da sind (Liebe). Oder es kann ein Akt heroischer Selbstopferung sein, um anderen eine schwere emotionale oder finanzielle Belastung zu ersparen. Als Theologe möchte ich sagen, daß es nicht an uns ist, darüber zu moralisieren oder Urteile abzugeben, was diejenigen tun, denen der Selbstmord als letzter Ausweg erscheint. Es ist unsere Pflicht, den Verlust an Glauben, Liebe und Hoffnung bei anderen möglichst zu verhindern. Dies können wir erreichen, indem wir uns kontinuierlich und konsequent um sie als ganze Menschen und nicht als ein-dimensionale Wesen kümmern. Wir müssen auch erkennen, daß manches wertvoller ist, als das Leben an sich: dazu gehört der Wunsch, das Wohlbefinden eines anderen über das eigene zu stellen. 17 Trotzdem stimme ich John Bennet zu, wenn er sagt: ,,Es liegt mir fern, jemanden bewerten zu wollen, aber ich halte dennoch nichts von Selbstmord, wenn er nicht als allerletzter Ausweg aus einer extrem ernsten Situation gewählt wurde." 1 8 Ganz sicher aber ist es für den Patienten undenkbar, den Arzt, die Krankenschwester, oder ein Familienmitglied in den Selbstmord einzubeziehen. Fast per Definition ist die Entscheidung, Selbstmord zu begehen, und sie dann auch auszuführen eine zutiefst persönliche. Andere Menschen miteinzubeziehen, sei es in die Entscheidung oder die Ausführung, hieße genau die Autonomie aufzugeben, die die Handlung letztendlich verlangt. Diejenigen, die diesen verzweifelten Schritt tun, verdienen unser Mitgefühl, unser Verständnis und unsere wertfreie Liebe. Aber sie können nicht verlangen, daß wir ihnen bei der Tat helfen. (Dr. Ernle W. D. Young: „Reflections on Life and Death", in: Stanford M.D., Bd. 15, Nr. 1, Winter 1976, S. 20-24.)

Anmerkungen 1. So faßt Paul Ramsey Karnofskys Position zusammen. Siehe Paul Ramsey: The Patient as Person, Yale University Press, New Haven und London, S.147. 2. Karnofsky, David. A.: „Why Prolong the Life of a Patient with Advanced Cancer?" in: Cancer Journal for Clinicians, Nr. 10, Januar- Februar 1960, S.10. 3. Reich, Walter: ,,The Physicians Duty to Preserve Life", in: The Hastings Center Report, Bd. 5, Nr. 2, April 1975, S. 15. 4. Solche lebensnotwendigen Systeme des Körpers wären z.B. die cerebralen, die Nieren- oder die Atemfunktionen. 5. Das Wort „Benemortasie" (benemortasia) wurde, so weit ich weiß, von Arthur J. Duck geprägt. Siehe seinen Artikel ,,An Alternative to the Ethic of Euthanasia" in: „ T o Live and to Die: When Why and H o w " , Hrsg. von Robert H. Williams, Springer- Verlag, New York 1973. Da der Begriff

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Betreuung „Euthanasie" (aus den griechischen Wörtern ,,eu", gut, und ,,thanatos", Tod) inzwischen benutzt wird, um einen guten Tod aufgrund eines Therapieabbruchs zu bezeichnen, griff Duck auf das lateinische Gegenstück zurück („bene" für gut und „ m o r s " für Tod) um den friedlichen Tod zu benennen, der eintritt, weil man einer Krankheit einfach ihren Lauf läßt, ohne sie zu therapieren.

6. 7.

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

18.

Ramsey, vergl. Fußnote 1, dort S.133. Der bestbekannte „living will'' wurde aufgesetzt vom Euthanasie Educational Council, 250 West 57th Street, New York, N.Y. 10019. Gesetzesvorlagen gibt es in den Staaten West Virginia, Florida und Idaho. Keine ist bisher verabschiedet worden. Wie berichtet in der „Palo Alto Times" vom 28. Juni 1973. Wie berichtet in der „Palo Alto Times" vom 6.Nov. 1973. Rachels, James: „Active and Passive Euthanasia," in: The New England Journal of Medicine, Bd. 292, Nr.2 vom 9. Januar 1975, S. 78-80. Barth, Karl: Church Dogmatics III. 4, T & T Clark, Edinburgh, 1961, S. 427. Nelson, James B.: Human Medicine, Augsburg Publishing Houses, Minneapolis, Minnesota, 1973, S. 133. Siehe meinen Brief in: The New England Journal of Medicine, Bd. 292, Nr. 2 vom 9.Januar 1975, S.77. Wie berichtet in der „Palo Alto Times" vom 6.Febr. 1974. Fletcher, John: „Abortion, Euthanasie, and Care of Defective Newborns" in: New England Journal of Medicine, B. 292, Nr. 2, 9. Januar 1975, S.77. Bemerkenswert ist, daß meines Wissens in diesem Land noch nie jemand für eine „Tötung aus Gnade" („mercy killing") verurteilt worden ist. Die Kirche scheint dies immer unausgesprochen vertreten zu haben, indem sie Märtyrern - also Menschen, denen die Integrität, Ehrlichkeit und Loyalität anderen gegenüber wichtiger war als ihr eigenes Leben - so hohe Ehre zuteil werden ließ. Bennet, John C.: „Viewpoint: The Van Dusens' Suicide P a c t " in: Christianity and Crisis, 31.März 1975, S.67.

Zum Autor: Ernlee W. D. Young ist seit 1974 an der Universität Stanford, wo er als Associate Dean der Memorial Church sowie als Kaplan des Medical Center tätig ist. Young war bei Krankenhäusern in Dallas, Texas, und in seiner Heimatstadt Johannesburg in Südafrika beschäftigt. Seit 1956 methodistischer Pastor, ging er 1967 an die Southern Methodist University in Dallas, um in sozialer und politischer Ethik zu promovieren. Im Jahre 1974 rief er den ersten Kurs in biomedizinischer Ethik ins Leben, weil erkannt hatte, daß „der Abstand zwischen dem fortgeschrittenen Stand der Technologie und unserer Fähigkeit diese auf der Ebene der menschlichen Beziehungen zu handhaben ein dringendes Bedürfnis für ethische Richtlinien in der Biologie und Medizin deutlich macht."

Praktische Informationen zu Aids Verfügung an die Ärzte Diese Weisung wird heute, am

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niedergelegt.

Ich (Ihr Name) verfüge hiermit aus freiem Willen und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, daß mein Leben unter den im folgenden genannten Umständen nicht künstlich verlängert werden soll. Ich erkläre hiermit: 1.

2.

3.

4.

Wenn ich zu irgendeinem Zeitpunkt an einer unheilbaren Verletzung oder Krankheit leiden sollte und von zwei Ärzten bescheinigt worden ist, daß ich mich im Endstadium befinde, wenn lebenserhaltende Maßnahmen nur noch dazu dienen würden, den Zeitpunkt meines Todes hinauszuzögern, und wenn mein Arzt feststellen sollte, daß mein Tod unmittelbar bevorsteht, ganz gleich ob lebenserhaltene Maßnahmen ergriffen werden oder nicht, verfüge ich, daß solche Maßnahmen nicht ergriffen oder notfalls abgesetzt werden sollen, damit ich auf natürliche Weise sterben kann. Sollte ich nicht mehr in der Lage sein, Anweisungen über den Einsatz von lebenserhaltenden Maßnahmen zu geben, ist es mein ausdrücklicher Wunsch, daß diese schriftliche Verfügung von meiner Familie und den Ärzten respektiert wird. Sie ist dann der letzte Ausdruck meines Rechts, eine medizinische Behandlung oder Operation zu verweigern und ich möchte die Beteiligten bitten, die Konsequenzen einer solchen Verweigerung zu akzeptieren. Ich bin vor mindestens vierzehn (14) Tagen von Dr. med diagnostiziert und davon in Kenntnis gesetzt worden, daß ich mich in einem finalen Zustand befinde. Seine Addresse und Telefonnummer sind:

Wenn ich Name und Adresse des Arztes hier nicht angebe, soll angenommen werden, daß ich mich zum Zeitpunkt dieser Verfügung nicht im finalen Zustand befinde. Sollte die Situation eintreten, daß meine Genesung von extremer körperlicher oder geistiger Behinderung bei vernünftiger Einschätzung nicht mehr erwartet werden kann, verfüge ich hiermit, daß es mir erlaubt wird zu sterben. Ich möchte in diesem Falle nicht durch Medikamente, künstliche Maßnahmen oder „heroische Taten" am Leben erhalten werden. Ich bitte jedoch darum, daß mir aus Barmherzigkeit Medikamente verordnet werden, die mein Leiden vermindern, auch wenn diese mein Leben verkürzen können.

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5. 6. 7.

Betreuung

Ich verfüge, daß es mir erlaubt werden soll, die letzten Tage meines Lebens zu Hause und nicht im Krankenhaus zu verbringen. Diese Verfügung soll nach fünf Jahren außer Kraft treten. Ich bin mir über die volle Bedeutung dieser Verfügung im klaren und bin emotional und geistig in der Lage, diese Anweisungen zu treffen.

Ihre Unterschrift Volle Anschrift:

Zeuge eins: wohnhaft in:

Zeuge zwei: wohnhaft in:

Psychosoziale Bedürfnisse von Aids-Patienten Nach der Diagnose Versorgen Sie die Patienten mit präzisen und verständlichen Informationen über die Geschichte der Krankheit, den derzeitigen Stand der Forschung und die möglichen Therapien. Begründung: Diagnostizierte Patienten wollen soviel Informationen wie möglich darüber, was die Krankheit für sie bedeuten kann. Es stimmt zwar, daß die meisten Forschungsergebnisse über Aids entmutigend sind, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Patienten sich diese Informationen sebst beschafft haben. Patienten, die eben erst diagnostiziert wurden, vergessen auch oft wieder, was ihnen in dieser Situation erzählt wurde. Schriftliche Informationen könnten dem abhelfen. Empfehlung: Es wäre gut, wenn Krankenhäuser Informationssammlungen über Aids zusammenstellen könnten, die dem Patienten nach der Diagnose überreicht würden. Beachten Sie dabei: Der Inhalt dieser Sammlung sollte den Patienten zuerst mündlich erläutert werden. Außerdem sollten Sie ihnen Telefonnummern von Selbsthilfegruppen mit auf den Weg geben. Auch die Adressen von fachlich qualifizierten Leuten, die auf die psychischen Bedürfnissen von Menschen mit einer lebensbedrohlichen Krankheit eingestellt sind, wären nützlich.

Shanti-Modell

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Im Krankenhaus Erkennen Sie das Bedürfnis der Patienten nach einer unterstützenden, wohlinformierten und nicht herablassenden Haltung von Seiten des Krankenhauspersonals an. Begründung: Patienten, denen die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit eröffnet wurde, sind in einer labilen und gefährdeten Situation. Sie sollten nicht noch zusätzlich mit Vorurteilen oder Angst von der Belegschaft belastet werden. Empfehlung: Krankenschwestern und anderen Krankenhausangestellten sollten ständig Fortbildungsveranstaltungen über die Bedürfnisse von Aids- Patienten angeboten werden. In diese Workshops könnten auch Sprecher aus der schwulen/ lesbischen Szene eingeladen werden, um kursierenden Ammenmärchen und Gerüchten entgegenzutreten. Die Patienten müssen das Recht haben, andere Pflegekräfte zu verlangen, wenn sie z.B. als Schwule bei ihrem Pflegepersonal auf Homophobie stoßen. Begründung: In diesem verletzlichen Zustand müssen die Patienten unbedingt mit aller Kraft unterstützt werden. Sie sollten nicht noch zusätzlich damit belastet werden, die Belegschaft aufklären zu müssen. Empfehlung: Die betreffenden Pflegekräfte sollten von den Vorgesetzten befragt werden, ob es ihnen unangenehm ist, mit Aids-Patienten zu arbeiten. Wenn dem so ist (und wenn es Vorgesetzten und Pflegekräften nicht gelingt, dies gemeinsam aufzuarbeiten), sollte dem Patienten eine andere Schwester zugewiesen werden. Die Patienten müssen präzise und umfassend über alle Untersuchungen und Therapien informiert werden. Begründung: Viele Patienten fühlen sich vergewaltigt, wenn ihr Körper heftig auf Tests oder Therapien reagiert und sie seelisch nicht entsprechend vorbereitet wurden. Empfehlung: Personen aus der Gemeinde sollten zu Fürsprechern für Aids-Patienten ausgebildet werden, um die Kommunikation zwischen Arzt und Patient zu verbessern. Uneingeschränktes Besuchsrecht für Partner und Freunde der Patienten, insbesondere auf Intensivstationen. Begründung: Diese Stationen sind häufig nur direkten Familienangehörigen vorbehalten. Freunde und Partner werden oft mit Fragen belästigt und manchmal nicht einmal zugelassen. Empfehlung: Ansässige politische Gruppen könnten herausfinden, wie verschiedene Intensivstationen in ihrer Umgebung diese Situation handhaben und könnten wenn nötig politischen Druck ausüben, damit die Bestimmungen geändert werden. Schwule oder lesbische Pflegekräfte sollten sich wenn möglich den homosexuellen Patienten gegenüber auch als schwul oder lesbisch zu erkennen geben. Begründung: Wenn die Aids-Patienten homosexuell sind, ist es für sie sehr tröstlich zu wissen, daß ihre Krankenschwester/ ihr Pfleger sie auf eine Weise versteht, wie wenige andere es können. Empfehlung: Das Ärzte- und Pflegepersonal sollte darauf aufmerksam gemacht werden, wie wichtig dies für die Patienten sein kann. Ausbilder und Supervisoren sollten die Pfleger und Pflegerinnen ermutigen, sich zu erkennen zu geben.

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In der Gemeinde Den Patienten sollte die Möglichkeit gegeben werden, andere Aids-Patienten kennenzulernen. Begründung: Wenn man aufgewühlt und durcheinander ist, tut es oft gut rriit jemandem zu reden, der ähnliche Gefühle kennt. Sich mit anderen Patienten zusammenzutun, kann auch sehr stark machen und einem dabei helfen, seine Rechte zu behaupten. Empfehlung: Aidsdiagnostizierte Patienten sollten gefragt werden, ob sie mit anderen Infizierten sprechen möchten. Wenn ja, sollten ihnen die Telefonnummern von Patienten gegeben werden, die eingewilligt haben. Ausgebildete Helfer aus der Gemeinde, die schon mit von schwerer Krankheit bedrohten Menschen gearbeitet haben, könnten Patientengruppen leiten. Partner, Freunde und Familienmitglieder müssen fachkundig unterstützt werden. Begründung: Es wird sich oft so sehr auf die Patienten konzentriert, daß darüber leicht die Bedürfnisse der ihnen nahestehenden Menschen vergessen werden. Empfehlung: Erfahrene Helfer aus der Gemeinde, die sich mit den psychischen Auswirkungen von schweren Krankheiten auf die Freunde und Familienmitglieder der Kranken auskennen, könnten Angehörigengruppen leiten. Angemessene Hilfe bei Rechtsschutz- und Versicherungsangelegenheiten. Begründung: Die Diagnosetests und die medizinische Behandlung dieser Krankheiten sind sehr kostspielig. Viele haben keine ausreichende Krankenversicherung, und die Sorge darum bereitet ihnen erheblichen Streß, den sie gerade jetzt vermeiden sollten. Empfehlung: Es sollten Adressen- und Informationslisten zusammengestellt werden, die den Patienten zusammen mit dem Aids-Informationsmaterial überreicht werden können. Vielleicht können ansässige Aids-Rechthilfegruppen bei der Erstellung aktueller Informationsblätter helfen. Genaue Berichte über die Zusammensetzung der Gruppe von Aids-Patienten. Begründung: Es wird viel über die Lebensweise von Aids-Infizierten spekuliert. Das kann oft sehr herabsetzend für sie sein. Genau wie wir sind Aids-Infizierte sehr verschiedenartig in Bezug auf ihre sexuellen Kontakte, ihren Drogenkonsum oder ihr Gesundheitsbewußtsein. Empfehlung: Wenn möglich sollte man Menschen, die Aids haben, von der Presse interviewen lassen - insbesondere diejenigen, die den herkömmlichen Stereotypen nicht entsprechen: z.B. Leute, die einen geringen Drogenkonsum haben, die in monogamen Beziehungen leben, Heterosexuelle und Frauen, deren Anzahl unter den Infizierten stark wächst. Aids-Infizierte sind wie Menschen und nicht wie Aussätzige zu behandeln. Begründung: Viele Leute ziehen sich aus Angst vor einer Ansteckung zurück, wenn sie erfahren, daß im Bekanntenkreis jemand Aids hat. Auch wenn man sich mit dieser Angst auseinandersetzen muß, kann es denjenigen, der gerade jetzt viel Unterstützung braucht, einsam machen. Empfehlung: Versuchen Sie, als Menschen, die kein Aids haben, sensible und verständnisvolle Freunde zu finden, mit denen Sie Ihre Ängste besprechen können. Trösten Sie sich mit dem Wissen, daß bisher keiner, der Aids-Patienten pflegte, die Krankheit bekommen hat. Seien Sie ehrlich gegenüber Freunden, die Aids haben, und bedenken Sie, daß man Sie jetzt besonders braucht.

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Bedürfnisse der Öffentlichkeit Genaue und aktuelle Informationen über Frühsymptome, Risikofaktoren und vorbeugende Maßnahmen für Aids. Begründung: In der Öffentlichkeit wächst die Besorgnis darüber, was all dies für den Einzelnen bedeutet. Der Zugang zu Informationen kann diese Angst verringern und außerdem dazu beitragen, daß frühe Diagnosen gestellt und möglicherweise Ansteckungen verhindert werden. Empfehlung: In der Gemeinde sollte bei der Herausgabe von Informationen eng zusammengearbeitet werden. Zeitungen könnten regelmäßig kostenlosen Anzeigenplatz zur Verfügung stellen. An öffentlichen Versammlungsorten sollten übersichtliche Informationen aushängen. Direkter Zugang zu Informationslisten über medizinische Untersuchungs- und Beratungsstellen. Begründung: Wenn jemand verdächtige Symptome an sich bemerkt, bekommt er Angst und muß unverzüglich von kompetenten Ärzten untersucht werden. Empfehlung: Mehr Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Telefonseelsorgen u.ä. Einrichtungen. Außerdem sollte ein kleines Team von kompetenten Leuten ausgewählt werden, die sich ständig mit der Ausarbeitung von Merkblättern und Adressenlisten beschäftigen und damit sensibel auf das in der Öffentlichkeit herrschende Informationsbedürfnis eingehen. Die Mitarbeiter bei Telefonberatungsstellen müssen ausgebildet werden, damit sie mit dem hohen Maß an Angst vor diesen Krankheiten umgehen können. Sie müssen die richtigen Informationen und Adressen parat haben. Begründung: Aids ist ein neues Phänomen und Leute, die Öffentlichkeitsarbeit leisten, müssen gut über seine Tragweite informiert sein. Empfehlung: Qualifizierte Fachleute sollten herangezogen werden, um sich mit den Supervisoren von Telefonberatungsstellen zusammenzusetzen und sie in diesen Fragen auszubilden. Öffentliche Veranstaltungen, die regelmäßig informieren und aufklären. Begründung: Falsche Vorstellungen und Ängste müssen ausgeräumt werden. Empfehlungen: Bei diesen Veranstaltungen könnten u.a. kompetente Mediziner und Aids-Patienten sprechen. Es sollte genügend Zeit für Fragen aus dem Publikum vorgesehen werden. Die Einrichtung von Gesprächsgruppen für diejenigen, die Angst davor haben, sich mit Aids anzustecken oder ihren Lebensstil ändern wollen, um gesund zu bleiben. Begründung: Wenn sich das Syndrom weiter ausbreitet, ist es wahrscheinlich, daß auch die Angst in der Öffentlichkeit weiter zunimmt. Die Gesprächsgruppen könnten dann ein Ventil für diese Angst schaffen. Empfehlung: Vielleicht könnte die Stadt Verträge mit qualifizierten Leuten abschließen, die bereit wären, solche Gruppen zu leiten. Unterstützende Gesprächsgruppen für diejenigen, die direkt mit den Patienten umgehen: Ärzte, Schwestern, Berater usw.. Begründung: Angst und persönliche Trauer werden in dieser Gruppe gehäuft vorkommen. Gerade diejenigen, die am meisten mit Aids-Patienten zu tun haben, müssen sich besonders davor hüten, sich

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völlig zu verausgaben. Empfehlung: Die Einstellung von qualifizierten Fachleuten, die solche Gruppen leiten können.

Rechte von Menschen mit Aids Menschen, die Aids haben, haben das Recht:

— emotional und sexuell ein ebenso erfülltes und befriedigendes Leben zu führen, wie jeder andere auch. — eine qualitativ hohe medizinische Behandlung und ebenso gute soziale Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, ohne in irgeneiner Form diskriminiert zu werden - weder wegen ihrer sexuellen Orientierung, noch wegen ihrer Diagnose, ihrem finanziellen Status oder ihrer Rasse. — alle medizinischen Maßnahmen und Risiken ausführlich erläutert zu bekommen; die Behandlungsmodalitäten zu wählen oder zu verweigern; die Teilnahme an Forschungsvorhaben zu verweigern, ohne daß dies in irgendeiner Form ihre weitere Behandlung gefährdet; fundierte Entscheidungen über ihr Leben zu treffen. — ihre Privatsphäre und die vertrauliche Behandlung ihrer medizinischen Daten respektiert zu wissen, menschlich geachtet zu werden, und allein darüber zu entscheiden, wer die wichtigen Menschen in ihrem Leben sind. — in Würde zu leben und zu sterben. (Erkärung des ,,People with Aids Advisory Committee", Zweites nationales AidsForum, Denver, Colorado, Juni 1983)

Vorsichtsmaßnahmen für Aids-Infizierte, die mit anderen zusammen wohnen Alle diejenigen, bei denen Aids diagnostiziert wurde und die für sich selbst sorgen können, dürfen unbesorgt mit anderen zusammenleben, sowohl mit anderen Aidsinfizierten als auch mit Gesunden. Einige vernünftige hygienische Maßnahmen können dabei helfen, die Aids-Infizierten sowie ihre Mitbewohner zu schützen. 1.

Man sollte darauf achten, keine Körpersekrete mit anderen auszutauschen, insbesondere Blut oder Samenflüssigkeit. Damit es zum Austausch von Körpersekreten kommt, muß auf irgendeine Weise in den Körper eines an-

Shanti-Modell deren eingedrungen werden. Um es nicht zu diesem Flüssigkeitsaustausch kommen zu lassen, wenn man gleichzeitig sein Sexualleben aufrechterhalten will, muß man Vorsicht und gesunden Menschenverstand walten lassen. Für diejenigen, die sexuell aktiv bleiben wollen, bieten die San Francicso Aids Foundation und das „Shanti"-Projekt Beratungen über Maßnahmen zur Risikoverringerung an. Diese Maßnahmen gelten sowohl der Verhütung von möglichen Ansteckungen mit Aids, als auch dem Schutz der Aids-Infizierten vor Infektionen, die für sie gefährlich werden könnten. Es gibt keinen Grund dafür, warum Menschen mit Aids nicht weiter dieselben zwanglosen sozialen Kontakte haben sollten, die sie auch bisher hatten. 2.

3.

Aids-Infizierte wie Mitbewohner sollten ein gewißes Maß an persönlicher Sauberkeit walten lassen. Dazu gehört regelmäßiges Baden, das Händewaschen nach Benutzung der Toilette oder nach dem Kontakt mit eigenen Körperflüssigkeiten wie Blut, Samenfüssigkeit oder Schleimsekreten. Auch regelmäßiges Händewaschen vor jeder Essenszubereitung ist wichtig. Küche und Bad können unbesorgt gemeinsam mit anderen benutzt werden. Sanitäre Vorkehrungen, die für jeden Haushalt selbstverständlich sein sollten, verhindern das Wachstum von Schimmelpilzen und Bakterien, die potentielle Krankheitserreger nicht nur für immungeschwächte, sondern auch für abwehrfähige Menschen sein können. a. Säubern Sie Küchenflächen mit Scheuerpulver, um Essensreste zu entfernen. Die Schwämme, die in der Küche benutzt werden, sollten nicht dieselben sein, die auch für Toilette und Bad benutzt werden. Schmutzig aussehende Schwämme sollten nicht mehr für den Abwasch oder für das Abwischen von Küchenflächen benutzt werden. b. Wischen Sie regelmäßig den Kühlschrank mit Seifenwasser aus, damit sich kein Schimmel bilden kann. c. Wischen Sie den Küchenfußboden mindestens einmal pro Woche und beseitigen Sie sofort die Flecke, wenn etwas verschüttet worden ist. d. Wischen Sie die Böden in Badezimmer und Toilette mindestens einmal pro Woche und beseitigen Sie dabei alle Flecken. Sie können verdünnten Sanitärreiniger (1:10 Chlor) benutzen, um Fußböden und Duschwannen zu desinfizieren (Fußpilze werden durch Chlor abgetötet). Verdünnte Chlorlösung kann auch fürs Waschbecken benutzt werden. Ins Toilettenbecken können Sie ein wenig unverdünnten Sanitärreiniger schütten. Alle Flecken, die durch Körperflüssigkeiten oder -exkremente (Blut, Urin, Stuhl, Erbrochenes usw.) entstanden sind, sollten zuerst entfernt und die Fläche danach noch einmal mit Chlorlösung desinfiziert werden. e. Schwämme, die benutzt worden sind, um Böden aufzuwischen oder Flecken von Körperflüssigkeiten zu entfernen, dürfen auf keinen Fall für den Abwasch oder das Abwischen von Essensflächen benutzt werden. Schwämme, mit denen Flecken entfernt worden sind, sollten nicht dort ausgewaschen werden, wo auch Essen zubereitet wird. Schwämme und Wisch-

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läppen können desinfiziert werden, indem man sie 5 Minuten in 1:10 Chlorlösung einweicht (längeres Einweichen löst die Schwämme auf). Aids-Infizierte, die ihre Körpersekrete und -exkremente selbst unter Kontrolle haben, können ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen zu Hause leben. Die oben aufgeführten Maßnahmen sollten wie gesagt in jedem Haushalt als selbstverständliche Hygiene gelten. Geschirr und Besteck kann gemeinsam benutzt werden, vorausgesetzt es wird heiß abgewaschen (so heiß, daß Gummihandschuhe benutzt werden müssen). Ein Desinfektionsmittel ist nicht erforderlich. Aids-Infizierte können unbesorgt für andere kochen, vorausgesetzt sie waschen sich vorher die Hände. Allgemein sollte man sich nicht während des Kochens die Finger lecken oder vom Rührlöffel probieren. Da unpasteurisierte Milch und Milchprodukte in der Vergangenheit mit Salmonelleninfektionen in Verbindung gebracht worden sind, sollten diese nicht Teil der Ernährung sein. Salmonelleninfektionen werden von Aidsinfizierten nicht gut vertragen. Wenn organisch gezüchtetes Gemüse verwendet wird (das mit menschlichem oder tierischen Mist gedüngt wurde) sollte es gekocht werden, Früchte sollten geschält werden. Organisch angebauter Salat ist bedenklich und sollte nicht verwendet werden. Handtücher und Waschlappen sollten nicht von mehreren Leuten gemeinsam benutzt werden. Keiner sollte die Zahnbürsten, Rasierklingen, Klistierspritzen, Dildos u.ä. von anderen benutzen. Abfall sollte so gehandhabt werden wie in anderen Haushalten auch. Körperexkremente werden in der Toilette runtergespült. Anderer Abfall wird angemessen gehandhabt, indem man ihn in mit Plastiktüte und Deckel versehenen Abfalleimern aufbewahrt und der wöchentlichen Müllabfuhr überläßt. Sollten größere Mengen an Auswurf oder Wundwasser auf PapierTaschentüchern oder Verbänden anfallen, bewahrt man diese im Hause am besten in gesonderten Mülltüten und Abfalleimern auf. Haustiere: Beim Saubermachen von Vogelkäfigen (Gefahr von Papageienkrankheit) und Katzenklos (Gefahr von Toxoplasmose) sollten Gummihandschuhe benutzt werden. Aquarien können Mikroorganismen enthalten, die von Aids-Infizierten nicht gut vertragen werden. Deshalb sollte jemand anders das Aquarium saubermachen. Halten sie alle Räume gut durchlüftet. Durch die Luft übertragene Krankheiten können sich schlechter verbreiten, wenn sie mit viel Luft verdünnt werden. Aids-Infizierte, die husten müssen, sollten sich ein Taschentuch vor den Mund halten. Menschen, die Aids haben, können unbesorgt zusammen leben, wenn sie die oben aufgeführten Hygienevorschriften beachten. Opportunistische Infektionen, die Aids-Infizierte befallen, werden normalerweise durch Organis-

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men verursacht, die sich in der unmittelbaren Umgebung befinden. Das Risiko, an diesen Infektionen zu erkranken, wird nicht durch zwanglosen Kontakt im Haushalt gesteigert, sondern hängt vom Ausmaß der Immunschwäche ab. (Grace Lusby, M.S., R.N., Koordinatorin für Infektionskontrolle im San Francisco General Hopital, Helen Schietinger, M.A., R.N., Direktorin des Shanti Aids Residence Program, San Francisco General Hospital Special Care Unit und die San Francisco Bay Area Association for Practioners of Infection Control Aids Resource Group, 24.August 1983, überarbeitet am 7.Februar 1984)

Aids - Immunität und Alkohol- oder Drogenmißbrauch Warum geht uns das etwas an? — Alkohol und Drogen im Übermaß genossen werden als Co-faktoren im Zustandekommen von Aids angesehen. — Fixer sind eine hochgefährdete Aids-Risikogruppe. — Schwule und bisexuelle Männer, ebenfalls eine hochgefährdete Aids-Risikogruppe, sind gleichzeitig auch gefährded in bezug auf Alkoholismus und Drogenprobleme. — Alkohol- und Drogenabhängige können Symptome entwickeln, die AidsSymptomen ähnlich sind. Fixer entwickeln gelegentlich Lymphadenopathie (Lymphknotenvergrößerung) und Splenomegalie (Milzvergrößerung), Alkoholiker leiden oft an übermäßiger Müdigkeit usw.) — Übermäßiger Konsum von Alkohol, Kokain und „ P o p p e r s " schwächt die Abwehrkräfte. — Alkoholismus kann das Immunsystem schwächen, besonders bei Alkoholikern, deren Leber bereits geschädigt ist. — Alkohol wirkt toxisch auf das Knochenmark und die Milz. — Alkohol und viele andere Drogen führen oft zu Schlafstörungen und verstärken damit auch Angst- und Streßzustände. — Chronischer Alkohol- und Drogenmißbrauch schadet dem allgemeinen Gesundheitszustand. — Alkohol- und Drogenabhängigkeiten können das Urteilsvermögen in bezug auf Sexualität und die Fähigkeit, auf sich achtzugeben, einschränken.

(Tom M. Smith, M.D., Alcoholism Evaluation and Treatment Center, San Francisco)

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Arzneimittel, die bei Folgeerkrankungen von Aids angewandt werden sowie einige ihrer Nebenwirkungen Die hier diskutierten Medikamente besitzen keine Wirkung gegen das HI-Virus. Sie müssen jedoch bei den lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen von Aids, das heißt den z.B. durch die Abwehrschwäche auftretenden schweren Infektionen, oder zur Behandlung von Tumoren angewandt werden. Viele dieser Substanzen besitzen nicht unerhebliche Nebenwirkungen. Das Risiko dieser unerwünschten Wirkungen muß gegen den erhofften Therapieerfolg abgewogen werden. Mittel gegen Infektionen durch Candida Hier erfolgt fast immer eine lokale oder eine orale Therapie. Nystatin verläßt bei oraler Gabe den Magen-Darm-Trakt kaum (höhere Konzentrationen in Blut und Gewebe können höchstens bei Störungen der Nierenfunktion vorkommen). Bei ausgeprägtem, Nystatin-resistenten Soorbefall des Rachens und der Speiseröhre mit Schluckstörungen mag eine systemische Therapie mit Amphotericin B notwendig werden. Nystatin (oral oder lokal):

Clotrimazol (oral oder vaginal):

Kaum Nebenwirkungen; evtl. vorübergehende Übelkeit, Erbrechen oder Diarrhoe bei oraler Gabe; schlechter Geschmack; keine Reizung von Haut und Schleimhäuten. Wenig Nebenwirkungen; auf der Haut kann Brennen und eine Rötung auftreten; leichtes Brennen bei vaginaler Anwendung ist möglich.

Mittel gegen Infektionen durch Cryptococcus Infektionen mit diesem Erreger betreffen vor allem die Lunge und Hirnhäute (Meningen). Generalisierte Infekte und Meningitiden sind immer behandlungsbedürftig. Benutzt wird das mit vielen und schweren Nebenwirkungen behaftete Amphotericin B. Ein wirksameres und besser verträgliches Mittel ist bis heute nicht bekannt. Die Behandlung dauert 6-10 Wochen. Die Dosis an Amphotericin B (und damit auch die Nierentoxizität) kann bei gleichzeitiger Gabe von Flucytosin verringert werden. Amphotericin B (parenteral):

Nebenwirkungen treten häufig (in über 80% der Fälle) und oft in schwerer Form auf: Fieber bis 40 Grad Celsius; Schüttelfrost und Erbrechen; Nieren-Funktionsstörungen (meist reversibel) bei etwa 80% der Patienten; Ana-

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Flucytosin: (oral, zus. mit Amphotericin B)

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mie und Verminderung der Zahl der Blutplättchen; Gesichtsrötung, allgemeine Schmerzen und Kopfschmerzen, Krampfanfälle; anaphylaktische Reaktionen. Einige dieser Reaktionen können mit zunehmender Dauer der Therapie an Intensität verlieren. Kann zur Knochenmarkdepression führen (Verminderung der Zahl von roten und weißen Blutkörperchen sowie von Blutplättchen); Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe sowie Veränderungen an der Darmschleimhaut sind als Nebenwirkungen beschrieben; reversible Leberfunktionsstörungen treten auf (bei weniger als 10%)

Mittel gegen Infektionen durch Pneumocystis carinii Für die Behandlung der Pneumonie ist Co-Trimoxazol (fixe Kombination von Trimethoprim mit Sulfamethoxazol) heute das Mittel der 1. Wahl. Daneben wird Pentamidin angewandt (jedoch offenbar weniger wirksam und nebenwirkungsreicher). Cotrimoxazol: (oral oder parenteral)

Die Verträglichkeit ist im allgemeinen gut. Hautveränderungen (etwa 75% aller Nebenwirkungen) sind vielgestaltig (schwere toxische Erscheinungen sind selten); Übelkeit und Erbrechen werden häufig beobachtet, Diarrhoen sind selten. Bei Patienten mit Aids ist eine höhere Inzidenz von Nebenwirkungen beschrieben worden: Fieber, Abgeschlagenheit, Hautausschlag oder ausgeprägte Verminderungen aller Typen von Blutzellen (Panzytopenie) bei 45 bis 90% der Patienten; dies mag an den hohen applizierten Dosen liegen.

Pentamidin (parenteral):

Sofortige und schwere Zwischenfälle (Blutdruckabfall) treten nach i.v.-Injekton auf; darum wird die Substanz besser i.m. appliziert (sterile Abszesse sind möglich). Das Auftreten von Hypoglykämien (auch Hyperglykämie) muß beachtet werden („Pankreatitis")- In seltenen Fällen kann es zu (reversiblen) Nierenfunktionsstörungen kommen.

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Mittel gegen Infektionen durch Toxoplasmosis Die Therapie der Wahl besteht in der Gabe von Pyrimethamin und einem Sulfonamid. Zur Verminderung der hämatologischen Nebenwirkungen sollte gleichzeitig Folinsäure gegeben werden. Sulfonamide werden heute praktisch nur in Kombination mit anderen Medikamenten angewandt. Therapeutisch interessant sind die Substanzen mit mittellanger oder langer Halbwertzeit. Pyrimethamin (oral):

Sulfonamide (oral):

Im Vordergrund der unerwünschten Wirkungen stehen Hautausschläge und die Möglichkeit von Nebenwirkungen auf die blutbildenden Systeme bei der Langzeitbehandlung mit hohen Dosen. Allergische Reaktionen (Hauterscheinungen) treten bei etwa 1-2% der Patienten auf; durch das P h a r m a k o n ausgelöstes Fieber bei etwa 3 % . Auch Appetitmangel, Übelkeit und Erbrechen werden in etwa 2% beobachtet. Nierenveränderungen kommen bei den modernen Präparaten (bei reichlicher Flüssigkeitszufuhr) kaum noch vor. Nach Gabe aller Sulfonamide können selten (in ca. 0,1 % ) teilweise allerdings schwere - Störungen des Blutbildes und der Blutbildung beoabachtet werden; aplastische Anämien, auch mit tödlichem Ausgang, sind allerdings extrem selten. Leberschädigungen (bei weniger als 0,1% der Patienten) sind nach Gabe von Sulfonamiden beschrieben; eine akute gelbe Leberatrophie (mit tödlichem Ausgang) ist möglich, aber sehr selten.

Mittel gegen Infektionen durch Herpesviren Die antivirale Wirkung von Acyclovir ist auf Herpes-Viren beschränkt. Infektionen mit solchen Viren sind bei verschlechterter Abwehrlage des Organismus häufig. Immer behandlungsbedürftig ist eine Herpes-Enzephalitis (i.v.-Infusionen); das periodische Wiederauf treten (Rezidiv) eines z.B. Herpes labialis ist mit heute zur Verfügung stehenden Mitteln allerdings kaum zu verhindern. Acyclovir (oral oder i.V.):

Die i.v.-Gabe ist meist gut verträglich. Hautrötung, Übelkeit und Erbrechen sowie Blutdruckabfall können auftreten. Reversible

Shanti-Modell

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Nierenfunktionsstörungen wurden bei 525% der Patienten beobachtet. Offenbar können auch (ca. 4%) Zeichen einer Schädigung des Nervensystems (Verwirrtheit, Koma, Lethargie, Halluzinationen, Krampfanfälle) ausgelöst werden. Bei oraler Gabe wurden nur gelegentlich Übelkeit und Kopfschmerzen beschrieben. Mittel gegen Infektionen durch Tuberkel-Bakterien oder andere Mykobakterien In den meisten Industrieländern wird heute eine typische Tuberkulose noch mit einer Dreifach-Therapie behandelt (z.B. Isoniazid und Rifampicin, plus Ethambutol oder Streptomycin); die Heilungschancen sind sehr gut. Problematischer ist bei Aids-Patienten die Therapie von Erkrankungen, die durch atypische Mykobakterien (z.B. M. avium intracellulare) hervorgerufen werden. Beim Versagen der „klassischen" Therapie müssen weitere, meist weniger gut verträgliche Chemotherapeutika (z.B. Ansamycin, Clofazimin, Cycloserin, Amikacin) oder auch Tetrazykline eingesetzt werden. In dieser Übersicht können nicht alle Nebenwirkungen dieser Substanzen aufgeführt werden; es erfolgt eine exemplarische Darstellung. Isoniazid:

Rifampicin (oral):

Die Substanz ist relativ gut verträglich; die Summe von Nebenwirkungen wird mit 5-6% angegeben. Hautausschlag und Fieber (12%), Ikterus (0,5%) und periphere Neuritis (0,2%) sind die wesentlichsten unerwünschten Wirkungen. Seltener kann es zu hämatologischen Veränderungen (Verminderung der Zahl von roten und weißen Blutkörperchen und von Blutplättchen), sowie arthritischen Beschwerden oder Symptomen am Zentralnervensystem kommen. Nebenwirkungen kommen auch bei der Therapie mit dieser Substanz (bei üblicher Dosierung) ziemlich selten vor (bei etwa 4% der Patienten). Die häufigsten unerwünschten Wirkungen sind: Hautausschlag (ca. 1%), Fieber (ca. 0,5%) und Übelkeit und Erbrechen (ca. 1,5%). Leberchädigungen treten insbesondere bei Vorschädigungen oder Alkoholkranken auf; das Risiko einer tödlichen Schädigung wird mit etwa 1 : 30 000 angegeben. Bei feh-

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Ethambutol:

Streptomycin (parenteral):

lender Vorschädigung wird die Lebertoxizität durch Isoniazid nicht deutlich erhöht. Die Nebenwirkungsrate steigt deutlich an (insbesondere Fieber, Frösteln, Muskelschmerzen, aber auch Nierenschädigungen, hämolytische Anämie und Schock), wenn die Dosis drastisch erhöht wird, wie es bei Aids-Patienten vorkommt. Obgleich auch bei diesem Arzneimittel die gesamte Nebenwirkungsrate relativ klein ist (kleiner als 2%), sind einige der unerwünschten Effekte schwerwiegend; das sind insbesondere die mit der Neuritis nervi optici einhergehenden (häufig langsam reversiblen) Sehstörungen. Die Veränderung tritt dosisabhängig auf (bei ca. 1 % der Patienten bei der üblichen niedrigen Dosierung). Selten kommt es zu Störungen im Verdauungstrakt oder Zentralnervensystem (z.B. Kopfschmerzen, Verwirrtheit), zu Störungen des peripheren Nervensystems, anaphylaktischen Reaktionen oder einer Verminderung der weißen Blutkörperchen. Die toxischen Nebenwirkungen dieser Substanz auf Funktionen des 8. Hirnnerven (Schwerhörigkeit und Gleichgewichtsstörungen) und die Verfügbarkeit wirksamer und weniger riskanter Medikamente zur Behandlung der Tuberkulose haben die Routine-Anwendung des Streptomycins stark zurückgedrängt. In Problemsituationen wird man jedoch auch heute auf dieses Mittel zurückgreifen. Die Zahl der Patienten, die nach einer vierwöchigen Behandlung klinisch nachweisbare, irreversible Veränderungen der Gleichgewichtsfunktion zeigt wird zwischen 4 und fast 20®/o angegeben. Andere Nebenwirkungen (Hautausschlag in ca. 2% und Fieber in ca. 1,5%) sind verglichen mit der ototoxischen Wirkung weniger bedeutungsvoll. Es muß noch erwähnt werden, daß die Ototoxizität allen Aminoglykosid-Antibiotika zukommt.

Shanti-Modell Clofazimin:

Cycloserin:

Amikacin (parenteral):

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Da sich die Substanz noch im Versuchsstadium befindet (meist bei Lepra angewandt), sind die Nebenwirkungen z.Z. nur unvollkommen zu übersehen. Beschrieben sind Symptome einer Darmentzündung sowie Rotverfärbung der Haut. Als Mittel der 3. Wahl wird Cycloserin nur zusammen mit anderen Tuberkulostatika eingesetzt. Nebenwirkungen manifestieren sich bei üblicher therapeutischer Dosierung insbesondere am Zentralnervensystem (Kopfschmerzen, Nervosität, Müdigkeit, Sehstörungen, Krampfzustände sowie psychotische Zustände, insbesondere Depressionen). Die Substanz gehört wie Streptomycin in die Gruppe der Aminoglykosid-Antibiotika. Obgleich das Mittel innerhalb der Gruppe das größte chemotherapeutische Spektrum besitzt, zeigt es trotzdem die typischen Nebenwirkungen dieser Gruppe (hier insbesondere Schwerhörigkeit und Nierenschädigung).

Mittel gegen Kaposi-Sarkom Im Gegensatz zu der Chemotherapie mikrobieller Infektionen stellt eine Chemotherapie von Tumoren meist nur einen kleinen Teil der Therapie (zusammen mit Operation oder Bestrahlung) dar. Zytostatika sind eine sehr heterogene Gruppe von Arzneimitteln mit sehr unterschiedlichen (und häufig recht ausgeprägten) Nebenwirkungen. Die Wirksamkeit der einzelnen Substanzen gegenüber verschiedenen Typen von Tumoren ist sehr unterschiedlich. Es muß noch betont werden, daß viele Zytostatika auch immunsuppressive Wirkungen besitzen. Dies könnte bei der Therapie von immungeschwächten Patienten bedeutungsvoll sein. Diskutiert werden sollen hier Alkaloide aus Immergrün (Vinca) oder Fußblatt (Podophyllum) sowie die Antibiotika Doxorubicin, Bleomycin und Interferone. Vinblastin:

Die bevorzugte Wirkung (und damit auch die limitierende Nebenwirkung) ist der Effekt auf das Knochenmark, d.h. eine Verminderung der weißen Blutkörperchen (Leukopenie). Demgegenüber treten die anderen toxischen Wirkungen in den Hintergrund (reversibler Haarausfall; neurologische Manifestationen;

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Betreuung

Vincristin:

Doxorubicin:

Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Diarrhoe; Herzmuskelschädigung; Hautausschlag). Obgleich als Immergrün-Alkaloid mit dem Vinblastin verwandt, unterscheidet sich das Vincristin deutlich in seiner Wirkung und Toxizität. Im Vordergrund steht hier (ausgeprägter als beim Vinblastin) die Neurotoxizität (periphere Nervenentzündung mit Taubheit und Schwäche in den Extremitäten, Muskelkrämpfen und abgeschwächten Reflexen, Beschwerden beim Schlucken und bei Augenbewegungen). Demgegenüber tritt die Wirkung auf das Knochenmark zurück. Der (reversible) Haarausfall tritt häufiger (bei etwa 20% der Patienten) auf als beim Vinblastin. Weitere, seltenere Nebenwirkungen betreffen den Magen-Darmtrakt (Obstipation und Koliken), das Blut (Verminderung der Zahl von roten und weißen Blutkörperchen sowie von Blutplättchen) und das Herz (Sauerstoffmangel-Zustand). Klinisch bedeutsam mag auch eine Erhöhung des Serum-Harnsäure-Gehaltes sein. Die Vinca-Alkaloide sind offenbar nicht krebsauslösend. Eine spezielle Nebenwirkung dieser Gruppe von Antibiotika ist eine Herzmuskelschädigung (dosisabhängig bei Gesamtdosen über 500 mg/ m2 Körperoberfläche), die zunächst an EKG-Veränderungen erkennbar ist und dann in Herzversagen übergeht, das auf eine Therapie mit Herzglykosiden nicht anspricht (tödlicher Ausgang in einem hohen Prozentsatz bei ausgeprägten Symptomen). Eine Therapie mit diesem Antibioticum kann ebenfalls durch das Auftreten von Störungen im blutbildenden Knochenmark limitiert werden. Zu weiteren reversiblen Störungen gehören Funktionsstörungen im Magen-Darm-Trakt sowie Haarausfall. Toxische Manifestatinen nach einer Bestrahlung können durch das Zytostatikum an vielen Organen verstärkt werden.

Shanti-Modell Bleomycin:

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Die schwerste Nebenwirkung (bei 5-10% der mit diesem Antibiotikum behandelten Patienten; etwa 1 % Todesfälle nach Behandlung mit dieser Substanz) betrifft die Lunge (Lungenfibrose mit Lungenfunktionsstörungen). Diese (offenbar dosisabhängigen) toxischen Effekte werden insbesondere bei einer Gesamtdosierung von größer als 400 Einheiten beobachtet. Die Haut und Schleimhäute sind weitere Zielorgane unerwünschter Wirkungen (Veränderungen an der Mundschleimhaut; Rötung, Schwellungen, vermehrte Hornbildung und das Auftreten von Geschwüren an der Haut; Haarausfall). Daneben werden Übelkeit und Erbrechen sowie Kreislaufversagen beobachtet. Die geringe schädigende Wirkung auf das Knochenmark ist erwähnenswert.

Mittel gegen Lymphome Auch gegen diese Tumoren sind eine Reihe von Zytostatika wirksam, die bereits bei der Therapie des Kaposi-Sarkoms erwähnt wurden (z.B. Vincristin, Doxorubicin, Bleomycin etc.); entsprechende unerwünschte Wirkungen wurden dort diskutiert. Auch bei der Behandlung dieser Geschwülste ist oft eine Kombinationsbehandlung mit mehrerern Zytostatika besonders wirkungsvoll. Nebenwirkungen der einzelnen Substanzen können sich dabei jedoch ebenfalls verstärken. Mehrere der hier aufgeführten Substanzen besitzen prinzipiell krebsauslösende Wirkungen, und sie können während der Schwangerschaft zu Fehlbildungen beim Kind führen. Bleomycin:

Methotrexat:

Neben den bereits erwähnten Nebenwirkungen tritt offenbar speziell bei der Behandlung von Lymphomen (bei etwa 107o der Patienten) noch ein zusätzlicher unerwünschter Effekt auf, nämlich ein besonderer Typ von Herzund Kreislaufversagen (offenbar kein typischer anaphytaktischer Schock). Aus diesem Grunde wurde eine Vortestung mit einer kleinen Bleomycin-Dosis empfohlen. Dieser Folsäureantagonist verursacht nicht nur eine Verminderung der weißen Blutkörperchen, sondern vor allem auch eine Reduktion der Zahl der Blutplättchen und damit

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Betreuung eine erhöhte Blutungsneigung, die Infusionen von Blutplättchensuspensionen notwendig machen kann. Durchfälle (auch blutige) und Geschwüre der Mundschleimhaut können ebenfalls als Folge einer therapeutischen Gabe auftreten; auch ein Haarausfall gehört zu den typischen Nebenwirkungen. Die Substanz kann pathologische Veränderungen an Lunge, Niere und dem Zentralnervensystem auslösen, und sie besitzt immunsuppressive Eigenschaften, die beim Vorhandensein besserer Mittel und der Tatsache, daß die Substanz auch beim Menschen als Karzinogen eingestuft wird, therapeutisch nicht ausgenutzt werden. Die Bildung von Spermien kann beeinträchtigt werden, und nach Gabe während der Schwangerschaft sind Aborte beschrieben worden, sowie Fehlbildungen bei den überlebenden Kindern.

Cyclophosphamid:

Wird erst im Organismus in die aktive, alkylierende Form umgewandelt. Die Toxizität wird daher durch die (verschiedenen) Metabolite verursacht. Die als typische Nebenwirkung (bei 5-10 der Patienten) auftretende Harnblasenentzündung mit Blutabgang (hämorraghische Cystitis) wird durch das metabolisch entstandene Acrolein hervorgerufen; sie kann durch gleichzeitige Gabe von dem SH-Gruppen tragenden Schleimlöser MESNA weitgehend verhindert werden. Wie viele Zytostatika führt auch Cyclophosphamid häufig zum Haarausfall; auch mit dem Auftreten von Übelkeit und Erbrechen muß gerechnet werden. In der Literatur sind auch Fälle von Lungenfibrose beschrieben worden; obgleich die Substanz zu einem erheblichen Prozentsatz in der Leber aktiviert wird, scheint dieses Organ nicht der bevorzugte Ort einer toxischen Wirkung zu sein. Das Arzneimittel muß als karzinogen für den Menschen angesehen werden, und es ist wahrscheinlich auch in der Lage, den Embryo zu schädigen.

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Procarbazin:

Dieses synthetische Methylhydrazin-Derivat führt bei über 50% der Patienten entweder zu Störungen der Funktion des blutbildenden Knochenmarks oder zu Übelkeit und Erbrechen. Weitere unerwünschte Wirkungen betreffen den Magen-Darm-Trakt, die Haut und das Zentralnervensystem. Die Wirkung von Beruhigung- und Schlafmitteln (insbesondere auch von Alkohol) kann erheblich verstärkt werden (Monoaminoxidase-Hemmung). Auch mit anderen Arzneimitteln, z.B. trizyklischen Antidepressiva, Sympathomimetika sowie mit Nahrungsmitteln, die einen hohen Tyramin-Gehalt haben, (z.B. bestimmten Käse-Sorten) sind unerwünschte Wechselwirkungen bekannt geworden.

(Prednison):

Obgleich es sich bei den Glukokortikoiden um keine typischen Zytostatika handelt, kann insbesondere die (allerdings meist reversible) Verminderung der Zahl der Lymphozyten therapeutisch ausgenutzt werden (bestimmte Leukämie-Formen und Lymphome) Die meist halbsynthetischen, weil wirksameren, Substanzen aus dieser Stoffklasse werden meist zu einer Kombinations-Therapie mit Zytostatika oder Bestrahlung benutzt. Hierbei können sich therapeutische Wirkungen verstärken, und bestimmte Nebenwirkungen von Zytostatika (z.B. Blutungsneigungen, Verminderungen der Zahl von Blutplättchen etc.) abgeschwächt werden. Die Nebenwirkungen sind die gleichen wie auch bei andere Therapieformen mit hohen Dosen von Glukokortikoiden, und sie betreffen insbesondere eine erhöhte Bereitschaft des Organismus für Infekte und eine Immunsuppression.

(Professor Dr. med. Diether Neubert, Berlin)

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Medizinische Begriffe, die im Zusammenhang mit Aids häufig vorkommen Acquired Immune Deficiency Syndrome (Aids) Eine Fehlfunktion des Immunsystems aus einem anderen Grund als einem Geburtsdefekt oder einer künstlichen Verursachung durch Medikamente (wie zum Beispiel bei Transplantatempfängern). Das Auftreten von Aids hat die Dimension einer Epidemie erreicht; ein übertragbarer, durch Sexualkontakt verbreiteter Krankheitserreger schwächt das Immunsystem des Menschen. Ist erst einmal sein Immunsystem angegriffen, dann wird der kranke Mensch empfänglich für eine ganze Reihe von opportunistischen Krankheiten.

Atypisches Mycobacterium Mycobacterium tuberculosis ist das häufigste Mycobacterium, das Krankheiten verursacht. Es gibt aber auch noch andere Arten der Mykobakterien, die Infektionen auslösen können. Die nichttuberkulösen Mykobakterien treten weitverstreut in der Natur auf, verursachen aber selten eine Krankheit, es sei denn bei immungeschwächten Menschen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nie nachgewiesen worden. M. avium-intracellulare tritt bei Aids-Patienten auf und kann viele verschiedene Organe befallen.

Candidiasis Eine hefepilzartige Infektion, verursacht von Candida albicans, die die Extremitäten, die Haut und innere Organe befällt. Infektionen der Mundschleimhaut werden Soor genannt und zeigen sich mit weißlichen, stippchen- und fleckförmigen Belägen auf geröteter und schmerzender Schleimhaut. Die Orte, an denen die Candidiasis gewöhnlich auftritt, sind das Nagelbett, die Axilla, der Nabel, das Gebiet um den Anus herum, der Ösophagus und die Region der Vagina. Die Krankheit kann systemisch werden und dabei Herz und Hirnhäute (Meningen) befallen. Diese Infektion wurde für immungeschwächte Menschen zu einem Standardproblem. Cryptococcose (Blastomykose) Eine Infektionskrankheit von Aids-Patienten, die durch den Respirationstrakt übertragen wird, einen Primärherd in der Lunge hat und typischerweise in die Meningen streut. Sie kann aber auch die Nieren und die Haut befallen. Erreger ist der Pilz Cryptococcus neoformans.

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Cryptosporidiosis Eine Infektion, die von einem protozonoischen Parasiten verursacht wird, den man im Magen-Darmtrakt von Tieren finden kann. Er wird von einigen Menschen in direktem Tierkontakt aufgenommen, siedelt sich im Darm an und verursacht schwerste Diarrhoe. Er kann von Mensch zu Mensch übertragen werden. Diese Infektion scheint bei immungeschwächten Menschen häufiger aufzutreten als bei anderen und kann zu andauernden Symptomen führen, die man mit den meisten Medikamenten nicht bekämpfen kann. Eine Studie berichtet über eine kürzere Krankheitsdauer bei gesunden Menschen, wobei die Infektion spontan wieder vorübergeht. Cytomegalievirus (CMV) Ein Virus, das mit der Familie der Herpesviren verwandt ist. CMV-Infektionen können ohne jedes Symptom ablaufen oder mit milden grippeähnlichen Zeichen, wie zum Beispiel Schmerzen, Fieber, leichten Halsschmerzen, Schlappheit und vergrößerten Lymphknoten einhergehen. Sogar bei nicht immungeschwächten Menschen können schwere CMV-Infektionen Hepatitis, Mononukleose oder eine Pneumonie hervorrufen. CMV ist weit verbreitet, eine durchgemachte Infektion läßt sich bei 54 Prozent der gesunden heterosexuellen Männer feststellen und bei 94 Prozent der gesunden schwulen Männer. CMV kann von Aids-Kranken mit Körperflüssigkeiten - Urin, Samen, Speichel, Stuhl und Schweiß - ausgeschieden werden. Diffuses, wenig differenziertes Non-Hodgkin Lymphom (DUNHL) Ein seltenes B-Zell Lymphom, das schwer vom Burkitt-Lymphom abzugrenzen ist. Seine Beziehung zu Aids ist im Moment ungewiß und wird untersucht. Die Patienten zeigen eine generalisierte Lymphadenopathie und eine vergrößerte Milz. Diese Krebsart ist in der Regel tödlich. Epstein-Barr Virus (EBV) Ist einer der beiden Verursacher der Mononukleose (die andere Form der Mononukleose wird vom CMV hervorgerufen). Es siedelt in Nase und Rachen und wird durch Küssen übertragen. EBV ruht dann in den Lypmphknoten; es wurde mit dem Burkitt-Lymphom in Verbindung gebracht, einem Krebs des Lymphsystems. Hier liegt eine der deutlichsten Verbindungen zwischen Viren und Krebs. Herpes simplex Virus I (HSV I) Das Virus verursacht Bläschenausschlag oder Fieberblasen am Mund oder um die Augen herum. Wie alle Herpesviren kann dieses Virus monate- oder jahrelang in Nerven oder dem Lymphsystem ruhen und dann aufgrund von Streß, Trauma, einer

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Infektion oder einer Immunsuppression ausbrechen. Es gibt für keine der Herpesviren eine kausale Therapie. Herpes simplex II (HSV II) Verursacht schmerzhafte Bläschen am Anus oder den Genitalien. Es ist sexuell übertragbar und die zweithäufigste venerische Erkrankung. Herpes Varizellen-Zoster Virus (HVZ) In der Kindheit verursacht das Varizellen Virus Windpocken und kann im Erwachsenenalter dann als Gürtelrose wieder auftreten (Herpes zoster). Herpes zoster sieht man als kleine, sehr schmerzhafte Blasen der Haut, die sich im Verlauf der Nervenbahnen gruppieren. Zosterpatienten können eine Ansteckungsquelle für Windpocken sein. Idiopathische Zytopenische Purpura (ITP) Wird gewöhnlich zusammen mit einer Thrombozytopenie ohne erkennbare äußere Ursachen gesehen. Thrombozytopenie - Verringerung der Blutplättchen, die am normalen Prozeß der Blutgerinnung mitwirken.

Kaposi-Sarkom (KS) Ein Tumor der Blutgefäßwände. Es zeigt sich in rosafarbenen bis roten, schmerzlosen Flecken der Haut, kann aber auch in Ergänzung zu den Hauterscheinungen oder unabhängig von ihnen in inneren Organen auftreten. Der Tod folgt aus verbreitetem Organbefall. Ursprünglich wurde das Kaposi-Sarkom bei älteren Männern oder in Äquatorialafrika als eine schleichende, relativ gutartige Krankheit gesehen, jetzt tritt es bei jungen, zu 80 Prozent Aids-kranken schwulen Männern auf und führt oft und schnell zum Tode. Lymphadenopathie Geschwollene feste und möglicherweise harte Lymphknoten. Die Ursachen reichen von einer vorübergehenden Grippe bis zum Malignen Lymphom, also einem Krebs der Lymphknoten. Opportunistische Erreger Krankheiten, die von Erregern verursacht werden, die an sich häufig im Körper oder unserer Umgebung vorhanden sind, die eine Krankheit aber nur dann verursachen,

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wenn eine Abweichung vom normalen Gesundheitszustand vorliegt. So zum Beispiel, wenn das Immunsystem geschwächt wird. Pneumocystis carinii Pneumonie (PCP) Eine Lungenentzündung bei immungeschwächten Menschen. Sie wird von einem Protozoon verursacht, das fast überall vorhanden ist, aber normalerweise vom gesunden Immunsystem zerstört wird.Im Alter von vier Jahren kann man bei 70 Prozent der gesunden Kinder eine durchgemachte Infektion ohne Erkrankung nachweisen. Das Protozoon wird aerogen übertragen. Entwickelt ein Mensch einmal PCP, so wird wahrscheinlich ein Rezidiv auftreten und die Krankheit kann tödlich enden. T-Helferzellen/T-Suppressorzellen T-Zellen sind Lymphozyten - weiße Blutzellen - die Teil des Immunsystems sind, das bei Aids-Kranken gestört ist. Das normale Verhältnis von Helferzellen zu Suppressorzellen beträgt 2:1. Dieser Wert ist bei Aids-Kranken umgekehrt, kann aber auch aus anderen, vorübergehenden Gründen von der Norm abweichen. Toxoplasmosis Eine systemische Infektion, die von einem protozonischen Parasiten verursacht wird. Die Erstinfektion ist gewöhnlich mild oder asymptomatisch, kann aber auch selten Fieber, Lymphadenopathien und Lymphozytose hervorrufen. Kongenitale Infektionen können schwer sein. Eine disseminierte Krankheitsform, die mehrere Organe betrifft, einschließlich einer Meningoenzephalitis, wurde bei immungeschwächten Menschen beobachtet. Nur Katzen scheiden den Organismus im infektiösen Oozytenstadium aus, die Infektion kann aber auch durch das Essen rohen oder ungenügend gekochten Fleisches infizierter Tiere erfolgen. Bei fünfzig Prozent der Amerikaner fand man nach ihrem Tod Anzeichen für eine frühere Infektion. (Linda Maxey)

Das Shanti-Training Einführung Diese Unterlagen sind für Interessierte bestimmt, die eine Gruppe zur ehrenamtlichen Betreuung von Aids-Infizierten, deren Angehörigen und Freunden gründen möchten. Als wir dieses Buch zusammenstellten, sind wir davon ausgegangen, daß die Benutzer eine ganz unterschiedliche Vergangenheit und verschiedenste Erfahrungen haben, die die traditionelle psychosoziale Beratung und Gesundheitsführung zwar einschließen, aber nicht auf diese beschränkt sein müssen. Wir haben diese Materialien so angelegt, daß sie den Gründern solch neuer Gruppen als Grundlage für die Selbstanleitung dienen können. Wir hoffen, daß Sie durch die Schritt für Schritt erfolgende Erklärung des Shanti-Trainings für ehrenamtliche Beratung dazu kommen, Ihr eigenes Trainingsmodell zu entwickeln. Diese Unterlagen zeigen, wie wir unsere Berater ausbilden, um auf die psychosozialen Bedürfnisse von Aids-Infizierten einzugehen und wie wir mit den grundlegenden, Leben und Tod betreffenden Problemen umgehen. Jede Organisation ist ein Spiegelbild derjenigen, die daran beteiligt sind, und Ihre Organisation wird so sein wie Sie. Wir geben diese Unterlagen von Herzen gern weiter, damit sie Ihnen beim Umgang mit den Problemen und Bedürfnissen Ihrer Gruppe eine Hilfe sein können.

Wie man diese Unterlagen benutzt In den ersten vier Abschnitten dieses Textes wird das Shanti-Projekt vorgestellt, das Auswahlverfahren für die ehrenamtlichen Betreuer und die Philosophie und die Techniken der Shanti-Beratung erläutert. Die folgenden sechs Abschnitte sind eine chronologische Zusammenfassung des 44 Stunden dauernden Trainings für ehrenamtliche Betreuung. Die letzten drei Abschnitte zeigen, wie wir Stützungsgruppen für Aids-Infizierte, ihre Partner, Freunde und Familien bilden. Wichtige Bemerkung: unser Trainingsmodell ist nicht starr, sondern wir passen unser System und den Inhalt der Unterlagen fortlaufend den Umständen an. Wie Shanti entwickelt sich auch das Training ständig weiter. In der vorliegenden Form gibt Ihnen dieses Informationsmaterial die Möglichkeit, dieses Buch als Trainingsmittel und als Nachschlagewerk zu benutzen. Jedes Hauptthema oder jede Übung im Trainingsablauf (z.B. „Psychosoziale Arbeitspapier des „Shanti Project, Volunteer Counseling for Persons with Aids and Their Loved Ones", San Francisco, 1984

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Probleme bei Aids") erscheint als Überschrift. Die Information über das jeweilige Thema gliedern wir folgendermaßen: Beschreibung: Methode:

Zweck:

Bemerkungen:

kurze Besprechung der Übung oder des Verfahrens. eine Beschreibung, wie wir bei der Vorstellung des Themas vorgehen oder wie wir die Übung durchführen. die gewünschten Ergebnisse und der gedankliche Hintergrund für die Themen und Übungen. alle Beobachtungen, zusätzliche Informationen oder Vorschläge.

Training für ehrenamtliche Betreuer Moderatoren Das Shanti-Training wird von einigen Moderatoren angeleitet, die Mitglieder des Teams oder erfahrene Betreuer sind. Die leitenden Moderatoren sind verantwortlich für das gesamte Training, geben Informationen, führen durch die Übungen und bewerten die Teilnehmer. Sie werden durch Hilfsmoderatoren unterstützt, die kleinere Gruppen leiten, an Rollenspielen teilnehmen, Rückmeldung an die Teilnehmer geben, bei Übungen assistieren und ganz generell den Hauptmoderatoren helfen. Eine der wichtigsten Rollen der Hilfsmoderatoren ist es, die Teilnehmer kennenzulernen und zu ihrer emotionalen Unterstützung dazusein. Durch diese Nähe zu den Teilnehmern kommt es zu wertvollen Einsichten für deren Beurteilung. Rückmeldungen Wir definieren „Rückmeldung" oder „Feedback" als kritische oder richtigstellende Information über eine Handlung oder einen Vorgang. Wie schon vorher gesagt wurd, halten wir die Fähigkeit, Rückmeldung zu geben und anzunehmen für die wichtigste Voraussetzung bei unseren potentiellen Beratern. Während des Trainings werden die Teilnehmer durch Rückmeldung ermutigt, sich zu öffnen und sich damit verletzbar zu machen. Außerdem wird Rückmeldung gebraucht, um die Fähigkeit des Zuhörens zu entwickeln und um zu sehen, ob der Teilnehmer in der Lage ist, ihm gemachte Vorschläge anzunehmen. Positive Rückmeldung wird auch gegeben in den Bereichen, in denen sich die Teilnehmer gut machen. Die Bereitschaft, Rückmeldungen zu akzeptieren, ist Voraussetzung für die spätere erfolgreiche Teilnahme an der Supervision.

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Rollenspiele Während des gesamten Trainings werden Rollenspiele gemacht, um die Fähigkeit der Teilnehmer, zuhören zu können, ihre emotionale Ansprechbarkeit und ihre Fähigkeit, Rückmeldung anzunehmen beurteilen zu können Rollenspiele dienen aber auch als Übung für die praktische Beratung. Sie werden in von einem Moderator geleiteten kleinen Untergruppen durchgeführt. Denn oft verlaufen sie sehr emotional und die Teilnehmer erleben so ihre Verletzlichkeit in einem kleineren Kreis und in einer sie stützenden Umgebung. Bindungen zwischen den Teilnehmern Im Laufe des Trainings entwickeln sich wichtige Bindungen. Dieser spontane Prozeß entsteht aus der offen eingestandenen Verletzlichkeit der Trainingsleiter, der Moderatoren und der Teilnehmer. Diese Verletzlichkeit und die intensive emotionale Erfahrung bei der Erkundung von Fragen, die sich um Leben und Tod drehen, ermutigt die Teilnehmer, sich ihren Gefühlen zu öffnen und andere an sich heranzulassen. Aus dieser Erfahrung erwächst ein unglaublicher Gemeinschaftssinn, der auch auf die Helfergruppen und das ganze Projekt übergeht. Dieser Bindungsprozeß ist lebenswichtig für das Funktionieren des Projekts. Die enge Bindung mit Shanti als Ganzem und die Überzeugung, daß es richtig ist, was wir tun, ermöglicht den Mitgliedern von Shanti, so unglaublich viele Gefühle zu investieren. Die Bindungen und diese Überzeugung und dazu die Beziehungen zwischen den Betreuern und den Klienten sind die schönste Belohnung für unsere Arbeit. Trainingsbuch Jeder Teilnehmer bekommt zu Anfang ein Trainingsbuch. Dieses ergänzt die in der Ausbildung gegebenen Informationen, darauf wird immer wieder Bezug genommen und sein weiterer Gebrauch als Nachschlagewerk wird wärmstens empfohlen.

Eröffnungsabend (ca 3 Stunden) Übersicht über die Shanti-Betreuung Beschreibung: Eine Einführung von Jim Geary, dem geschäftsführenden Direktor des Shanti-Projekts. (ca 1 Stunde). Methode: Jim gibt Informationen und spricht über seine Erfahrungen und Einblicke während seiner fünf Jahre im Shanti-Projekt. Zweck: Die neuen Teilnehmer werden begrüßt und bekommen eine persönliche Einführung in das Shanti-Projekt und in unsere Arbeit.

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Bemerkungen: Jim beginnt mit grundsätzlichen Informationen über das Training und Shanti. Er spricht über das Wesentliche bei der Shanti-Beratung, nämlich den Willen, mit Mitgefühl und Liebe einfach für jemandem da zu sein, zu akzeptieren, daß man keine Antworten weiß, und die Fähigkeit, mit dem Schrecken vor dieser Unwissenheit umgehen zu können. Indem Jim den Teilnehmern seine eigene Verletzlichkeit in schwierigen Situationen mit den Klienten offenbart, vermittelt er ihnen, daß man sich sehr wohl überwältigt, unvorbereitet oder unzulänglich fühlen darf. Einführung in die Gruppen Beschreibung: Pro Teilnehmer ca 2 Minuten (insgesamt ca 1 Stunde). Methode: Teilnehmer und Moderatoren sitzen in einem großen Kreis und der Trainingsleiter bzw. die Trainingsleiterin teilt den anderen seine/ ihre größte Hoffnung und/ oder größte Angst bei dieser Arbeit mit und sagt, wie er/ sie sich in diesem Moment fühlt. Dann spricht jeder Teilnehmer über seine Gefühle zum gleichen Thema. Zweck: Durch diese Übung lernt man die ehrenamtlichen Betreuer kennen und die Teilnehmer erfahren, daß gemeinsame Gefühle sie verbinden. Es hilft ihnen auch, sich an das Sprechen vor einer großen Gruppe zu gewöhnen. Bemerkungen: Es ist sehr wichtig für alle Teilnehmer und die Moderatoren, sich vorzustellen, denn das ist der erste Schritt zum Aufbau persönlicher Bindungen. Wenn es eine große Gruppe ist, kann es nötig sein, während der Einführung eine zweiminütige Dehn- und Streckübung einzulegen. --Pause-Zuhörübung - nonverbales Geschick bei der Betreuung Beschreibung: Eine Übung in Zweiergruppen, um das Anteil nehmen zu lernen (ca. 45 Minuten). Methode: Der erste Teilnehmer spricht zehn Minuten über „eines der traurigsten Erlebnisse meines Lebens", möglichst so eines, das ihn immer noch belastet. Währenddessen hört der andere Partner zu, ohne verbale oder körperliche Reaktion. Anteilnahme soll der Partner jedoch durch Kopfnicken oder den Gesichtsausdruck zeigen. Nach dem ersten zehnminütigen Gespräch können die Partner weitere zehn Minuten über die Erfahrungen bei dieser Übung sprechen. Dann werden für ein zweites fünfminütiges Gespräch die Rollen getauscht, und anschließend haben die Partner noch einmal die Möglichkeit, über ihre neue Rolle zu sprechen. Zweck: Ziel dieser Übung ist es, dem Partner die Erfahrung zu vermitteln, daß jemand ohne jede Unterbrechung oder Antwort zuhört. Indem der Partner zuhört, wird ihm bewußt, wie schwer es sein kann, nur zuzuhören und die Gefühle und Reaktionen, die auftauchen, wahrzunehmen. Dies ist eine Übung, ohne Worte einfühlsam und ganz aufmerksam zu sein.

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Bemerkungen: Zuhören ist die wesentliche Grundlage der Shanti Trainings- und Betreuungsmethode. In dieser Übung legen wir besonderen Wert auf sorgfältiges Zuhören.

Zweiter Tag (ca. 8 Stunden) Medizinischer Überblick Beschreibung: Eine Übersicht über die medizinischen Informationen über Aids bestehend aus: — Einführung — Definition von Aids und damit zusammenhängenden Krankheiten — Epidemiologie, Zuwachsraten, Risikogruppen, Überlebensraten — Medizinische Diagnose — Behandlungsmöglichkeiten — Empfehlungen an die Allgemeinheit unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Gesundheitswesens. (ca. 1,5 Stunden) Methode: Vortrag von dem Arzt Steve Mehalko mit Dias und Gelegenheit, Fragen zu stellen. Zweck: In diesem Teil werden die Teilnehmer über Aids als Krankheit informiert. Wir beginnen mit einem medizinischen Überblick, in dem die Tatsachen und Perspektiven angesprochen werden. Teilnehmer, die Fragen oder Ängste haben, können diese so mit einem Arzt besprechen. Bemerkungen: Diese Präsentation und insbesondere die Dias haben häufig eine starke Wirkung auf die Teilnehmer. Darum lassen wir ihnen Zeit, ihre Reaktionen zu verarbeiten. - - Pause - Psychosoziale Probleme bei Aids Beschreibung: Jim Geary und der Trainingsmoderator Bobby Reynolds, der selbst Aids hat, diskutieren einige Probleme, mit denen Aids-Infizierte konfrontiert werden, wie Diagnose, Behandlung, Veränderungen am Körper, Sexualität, Anstekkungsgefahr, Leben, Leiden und Sterben (ca. 1,5 Stunden) Methode: Ein Aids-Infizierter und jemand, der die psychosozialen Probleme von Aids-Infizierten kennt, informieren und spielen im Rollenspiel eine Beratungssituation. Wir versuchen möglichst viele Probleme anzusprechen: welche Gefühle sich nach der Diagnose einstellen, Möglichkeiten der Behandlung, die Entwicklung der Krankheit, Reaktionen von Freunden und Familie, Veränderungen am Körper,

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Ängste und Kämpfe, gerade so viel, wie in einer Sitzung möglich ist. Der Moderator führt durch die Themen und hilft dem Aids-Infizierten, mit allem umzugehen, was angesprochen wird. Im Rollenspiel wird gezeigt, wie man auf die aufkommenden Probleme eingehen soll. Zweck: Dieser Teil zeigt den Teilnehmern das breite Spektrum der Probleme, die Aids-Infizierte üblicherweise haben. Zusätzlich wird die Interaktion zwischen Beratern und Klienten gezeigt. Bemerkungen: Die distanzierenden Abwehrmechanismen der Teilnehmer beginnen sich aufzulösen. Die Moderatoren müssen darauf vorbereitet sein, auf die Gefühle der Teilnehmer einzugehen, wenn diese feststellen, daß sie nicht so verschieden von den Aids-Kranken sind, wie sie vielleicht gedacht haben, und wenn ihnen klar wird, wie leicht auch sie Aids-Infizierte sein könnten. Während der Woche - zwischen den Trainingsstunden - bemerken viele Teilnehmer an sich selbst plötzliche Aidsähnliche Symptome. Manchmal bezweifeln sie auch ihre Fähigkeit, mit ihrer eigenen Trauer und Angst als Reaktion auf die Leiden der Ratsuchenden umzugehen. Es ist sehr wichtig für die Teilnehmer, die Probleme der Menschen, die mit Aids konfrontiert sind, zu verstehen. Dafür ist es am besten, wenn ein Aids-Infizierter mitarbeitet.

Podiumsdiskussion von Aids-Infizierten und Betreuern Beschreibung: Drei Aids-Infizierte und ihre Betreuer sprechen über ihre Beziehungen untereinander und über die Probleme, denen sie gemeinsam gegenüberstehen. Methode: Das Thema der Diskussion hat der/ die Trainingsleiter(in) in der vorhergehenden Woche ausgewählt und es basiert auf seiner/ ihrem Vertrautsein mit den Klienten und ihren Betreuern. Jeder Klient spricht ungefähr 15 Minuten über sein Leben und seine Beziehung zu seinem Betreuer, anschließend spricht der Betreuer 10 Minuten. Die Betreuer werden aufgefordert, über ihre Beziehungen zu den Klienten zu sprechen und alles mitzuteilen, was den Teilnehmern hilfreich sein könnte. Die Klienten befinden sich oft in verschiedenen Stadien der Krankheit, manchen geht es gut und manchen ziemlich schlecht. Sie sprechen über die verschiedenen Probleme, mit denen sie konfrontiert waren oder noch sind. Jede Antwort, jedes Weinen, Schweigen, jeder Ärger usw. ist zulässig. Häufig werden sie sehr emotional reagieren und von ihren Betreuern Unterstützung bekommen. Zweck: Die Teilnehmer erfahren, welche Beziehungen im Shanti-Projekt möglich sind - dabei wird ein breites Spektrum von Problemen und Gefühlen entdeckt. Bemerkungen: Während des gesamten Trainings sprechen wir darüber, wie man mit den Klienten arbeiten kann. Hier erleben die Teilnehmer die Klienten und Betreuer tatsächlich zusammen, und es sind diese Beziehungen, die die Arbeit im ShantiProjekt ausmachen.

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Bildung kleiner Gruppen Beschreibung: Die Trainingsgruppe wird in kleinere Gruppen von vier oder fünf Personen unterteilt, jede Gruppe mit mindestens einem Moderator (Dauer ca. 1 Stunde) Methode: Durch das Aufteilen in kleinere, etwa gleich große Gruppen werden die Teilnehmer ermutigt, mit Leuten zusammenzukommen, die sie nicht gut kennen. Zweck: In kleineren Gruppen herrscht eine intimere Atmosphäre, in der die Teilnehmer ihre Gefühle eher mitteilen und sich näher kommen können. So kann der Moderator auch eher persönliche Beziehungen zu den Teilnehmern entwickeln. Das macht es leichter, ihre emotionale Verletzlichkeit, ihre Bereitschaft, sich mitzuteilen und ihre Fähigkeit, Rückmeldung anzunehmen, zu beurteilen. Bemerkungen: Zu diesem Zeitpunkt ist der Hauptzweck der kleinen Gruppen, den Teilnehmern Mitteilungsmöglichkeiten und Unterstützung zu verschaffen. Viele Probleme sind während der letzten beiden Abschnitte aufgetaucht und die Teilnehmer werden schon ungeduldig darauf warten, daß sie darüber sprechen können. Seine Gefühle verständnisvollen Zuhörern mitzuteilen, liefert den Teilnehmern die nützliche Erfahrung, die Rolle der Klienten kennenlernen zu können. Später werden die Interaktionen in den kleinen Gruppen wichtig für die Beurteilung sein. Diese Gruppen dienen auch als Modell für die Helfergruppen. Wirkung von Körperkontakten Beschreibung: In dieser dreiteiligen Übung wird die Körperkontakt als nonverbale Möglichkeit erkundet. Im ersten Teil wird gezeigt, wann und wie Körperkontakt eingesetzt werden kann. Im zweiten Abschnitt wird die Technik gezeigt und der letzte Teil ist Demonstration mit Partnerübungen. (Dauer ca. 1 Stunde) Methode: Der die Übung leitende Moderator beginnt mit einer kurzen Einführung und dann wird das Thema „Körperkontakt" unter dem Aspekt behandelt, daß der Betreuer sich über seine Absichten klar sein muß. Beispielsweise könnte er den Körperkontakt aufgrund seiner eigenen Bedürfnisse und Ängste einsetzen, oder um Mitleid und Unterstützung zu vermitteln oder aus Nervosität und weil er nicht weiß, wohin mit den Händen. Der Moderator weist darauf hin, wie wichtig es ist, sich über die Reaktion der Klienten auf den Körperkontakt klar zu werden. Der Übungsleiter führt die Teilnehmer durch die weiteren Teile der Übung und bezieht Informationen über Körperkontakt als Beratungstechnik mit ein. Zweck: Dieser Teil des Trainings soll die Teilnehmer für den verantwortungsvollen Gebrauch von Körperkontakten im Rahmen der Betreuung sensibilisieren, damit sie sich über dessen Einsatz und die Reaktionen darauf klar werden. Bemerkungen: Dieses Kapitel liefert eine Menge Informationen und ist eine Einführung in einen sehr wichtigen Aspekt von Shantis Art, Hilfe zu geben. Es gibt so viele Probleme beim Einsatz von Körperkontakt im Umgang mit den Klienten, die mit einer lebensbedrohlichen Krankheit leben müssen. Jeder Mensch hat dabei seine eige-

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nen Gefühle und Grenzen, innerhalb dener ihm Körperkontakt angenehm ist. Es ist wichtig, daß sich die Betreuer darüber klar werden, daß mancher Klient Körperkontakte nie anders als sexuell hat oder daß andere intensive Körperkontakte als Form der Beziehungsaufnahme suchen. Bei einem Sterbenden ist der Betreuer möglicherweise der letzte, der zu ihm eine enge Beziehung mit Körperkontakt haben kann, und darum muß er wissen, was dadurch vermittelt wird. Eine gute Richtschnur ist es, den Klienten zu fragen, was ihm angenehm ist. Dieser Abschnitt stellt ein Konzept vor, wie man Kraft schöpfen und diese weitergeben kann. Das bedeutet einfach, daß ein Betreuer sich für einen kurzen Moment in sich selbst zurückzieht, auf eine Insel des Friedens und der bedingungslosen Liebe. Denn nur von dort aus kann er für den Klienten ganz da sein. Weitergeben von Kraft bedeutet einfach, sich der Quelle von Kraft und Liebe in uns zu öffnen und diese weiterfließen zu lassen. Abschluß des zweiten Tages

Dritter Tag Spezielle fachliche Probleme Beschreibung: Dieser Abschnitt umfaßt drei Vorträge. Der erste wird von dem Arzt Tom Smith gehalten, der Psychiater und Leiter des Zentrums für die Behandlung von Alkoholismus am San Francisco General Hospital ist. Er spricht über Drogenmißbrauch und Sexualität im Umfeld von Aids. Den zweiten Vortrag hält der klinische Berater von Shanti, Rik Isensee, der die Art und Weise darlegt, wie im Projekt mit selbstmordgefährdeten Klienten gearbeitet wird. Im dritten Teil schildert Charles Garfield, Doktor der Philosophie, klinischer Psychologe und Mitbegründer des Shanti-Projekts, wie wir mit lebensbedrohlich erkrankten Menschen umgehen und wie man ihren psychischen Zusammenbruch rechtzeitig erkennen und verhindern kann. (Zeit: ca. 2 Stunden) Methode: Jeder Sprecher beschreibt seine Ideen und Erfahrungen im Umgang mit Klienten, die diese speziellen Probleme haben. Zweck: Es ist Sinn dieser Darstellungen, die Teilnehmer mit dem Spektrum von speziellen fachlichen Problemen vertraut zu machen, die sich im Laufe der Arbeit mit den Klienten vom Shanti-Projekt ergeben. Die Teilnehmer müssen in der Lage sein, die Zeichen zu erkenne, wann der Klient weitergehende Hilfe und Betreuung braucht. Dieser Abschnitt macht ihnen auch die Probleme bewußt - ihre eigenen emotionalen Reaktionen miteingeschlossen - die für die Diskussion in ihren Betreuungsgruppen von Bedeutung sind. Bemerkungen: Dieser Teil weist auf die extrem wichtigen und komplizierten Probleme hin, die sorgfältiges Handeln erfordern, und zwar nicht nur von dem einzelnen

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Betreuer dem Klienten gegenüber, sondern auch von allen Mitgliedern jeder Gruppe, die diese Art von Betreuung anbietet. Wir empfehlen Ihnen sehr, dieses Material als Grundlage zu benutzen, wenn Sie anfangen, sich mit diesen Problemen zu beschäftigen. Uns war es eine große Hilfe, ein Netzwerk von Informationen aufzubauen, auf das wir zurückgreigen können, wenn zusätzliche fachliche Hilfe nötig ist. Wir arbeiten aktiv daran, andere Organisationen für die Probleme von Aids-Infizierten zu interessieren und laden oft geeignete Gruppen oder Personen ein, an unserem Training teilzunehmen. Die Probleme mit der Sexualität in der Aids-Krise sind den meisten homosexuellen Männern unabhängig von ihrer Gesundheit geläufig. Der klinische Aspekt, mit dem wir uns hier beschäftigen, ist zwanghaftes Sexualverhalten und die Notwendigkeit, dies als ein Problem zu erkennen, zu dessen Behandlung man professionelle Hilfe braucht. Die anfängliche Annahme, daß die Männer, die Aids haben, ein lockeres Leben mit zahllosen Sexualpartnern und einer Menge Drogen führten, hat sich als ungenau herausgestellt. Wir haben gesehen, daß Aids auch Männer treffen kann, die ruhig in monogamer Beziehung und ohne Drogen leben. Es ist eine generelle wenn auch schreckliche Annahme, daß alle homosexuellen Männer gefährdet sind. Die Probleme, die mit Drogenmißbrauch zusammenhängen, sind vermutlich die schwierigsten für die Betreuer von Shanti, denn sie sind im allgemeinen nicht medizinisch ausgebildet. Unsere Vorgehensweise gegenüber drogenabhängigen Klienten ist klar festgelegt und wird diesen erklärt. Alle Klienten mit solchen Problemen werden von klinischen Supervisoren überwacht, die sie an geeignete Organisationen überweisen. Auch wenn wir diese zusätzliche Hilfe ermöglichen, sind unsere Betreuer oft auch noch da. Jeder Betreuer muß sich selber seine Grenzen im Umgang mit Klienten mit diesem speziellen Problem setzen. Wenn die Klienten, insbesondere selbstmordgefährdete, Hilfe von außen zurückweisen, halten wir es manchmal für notwendig, unsere Betreuung abzubrechen. Wir sehen das nicht als Strafe, sondern wir kennen unsere Grenzen als ehrenamtliche Beratungsstätte. Wir sind dazu da, unsere spezielle Form der Betreuung anzubieten und Leute, die professionelle Hilfe brauchen, an geeignete Stellen weiter zuleiten. Manchmal arbeiten wir mit jemand über eine lange Zeit, nur mit dem Ziel, daß er sich in professionelle Behandlung begibt. --Pause--

Übung: ,,Erlebe deinen Tod" Beschreibung: Das „Erleben des Todes" ist eine geleitete Vorstellungs-Übung, bei der die Teilnehmer auf eine Erkundungsreise-Reise zu ihrem eigenen Sterben geschickt werden. Die Reise beginnt damit, daß die Teilnehmer sehen, daß ihr Körper krank wird und der Zustand sich rapide verschlechtert. Sie erfahren ihre emotiona-

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len Reaktionen auf den Verlust ihrer Angehörigen und auf ihre schwindenden Körperkräfte. (Zeit: ca. 2 Stunden). Methode: Die Teilnehmer werden gebeten , sich mit dem Rücken auf den Boden zu legen, möglichst auf eine Decke oder einen weichen Teppich, und die Augen zu schließen. Einengende Kleidung und Schmuck werden abgelegt. Moderatoren stehen für den Fall zur Verfügung, daß jemand persönliche Aufmerksamkeit oder Stützung braucht; er braucht dann nur die Hand zu heben, um Hilfe zu bekommen. Die Moderatoren sollen die Leute allein durch ihren Sterbeprozeß gehen lassen, es sei denn, sie bitten um Hilfe. Der Übungsleiter liest die Übung langsam und sorgfältig vor, mit Pausen, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Vorstellungen zu entwickeln. Die Übung wird mit sicherer, ruhiger Stimme vorgetragen. Sie endet mit der Aufforderung, wieder in die Realität zurückzukehren. Die Teilnehmer werden ermutigt, sich die Hand zu reichen und Trost beim anderen zu suchen. Dann verteilen wir Zichenmaterial, Farben und Papier und lassen damit die Teilnehmer in fünfzehnminütigem Schweigen ihre Reaktionen und Gefühle ausdrücken und verarbeiten. Zweck: Die Übung läßt viele einen tiefen Einblick nehmen in die Vorstellungen und Werte, die ihr Leben und ihren unvermeidlichen Tod bestimmen. Der eigene Tod, der vorher sicher oft verdrängt wurde, wird hier auf einer persönlichen Ebene wahrgenommen. Sie erfahren die Unvermeidbarkeit und Selbstverständlichkeit des Todes, oft zum ersten Mal. Diese Erfahrung erweitert die Fähigkeit der Teilnehmer, mitzufühlen und an die eigenen Gefühlen heranzukommen. Denen, die mit Aidsinfizierten umgehen, vermittelt dies eine Erfahrung, über die sie allmählich die vielen Probleme dieser Menschen verstehen können. Bemerkungen: Die Reaktionen der Teilnehmer auf diese Übung sind ganz unterschiedlich, abhängig von ihren Erfahrungen mit dem Sterben. Einige erleben diese emotionalen Erfahrungen mit vielen Tränen und mit Gefühlen der Trauer, Angst oder Schuld. Andere können ihren Tod auf eine eher gelöste, philosophische Weise akzeptieren. Wieder andere haben spirituelle Offenbarungen, und einige schlafen einfach nur. In dieser Übung legen wir wie im gesamten Training Wert auf die Bereitschaft der Teilnehmer, sich von Erfahrungen innerlich tief berühren zu lassen. Wir suchen aber nicht nach uniformen Gefühlsreaktionen. Wir machen uns eher Sorgen um einen Teilnehmer, der völlig unberührt scheint, als um jemanden, der tief bewegt ist und Trost braucht. Der Moderator und die anderen Teilnehmer helfen, solange es nötig ist. Wir glauben, daß es keine „unpassenden" Reaktionen gibt, wenn man es mit solchen möglicherweise gewaltigen Emotionen zu tun hat. - - Mittagessen - -

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Ebenen des aktiven Zuhörens Beschreibung: Flo Elyon beschreibt die Situation von einigen Klienten, die kürzlich um Betreuung gebeten haben. Dann spricht sie über die Fähigkeiten, die in unserer Betreuung wirksam werden: die nonverbalen wie einfach da zu sein, Beziehungen aufzubauen, durch die Körperhaltung etwas auszudrücken, Augenkontakt zu halten, sich gleichzeitig auf sich selbst als auch auf den Klienten zu konzentrieren; und die verbalen Fähigkeiten wie Bestätigung, Wiederholung, offene Fragen, von sich selbst etwas preisgeben und die Zusammenfassung. Flo legt Wert darauf, diese Fähigkeiten so selbstverständlich zu integrieren, daß die Techniken an sich beiseite gelassen werden und die Betreuer emotional voll beim Klienten sein können. Methode: Flo teilt ihre Erfahrungen als Beraterin und Koordinatorin mit, sie diskutiert Beratungstechniken und illustriert die Beratungsfähigkeiten mit Rollenspielen. Zweck: Hier werden die Teilnehmer in den grundlegenden Fähigkeiten unterwiesen, um die es bei unserer Tätigkeit geht. Bemerkungen: Zu diesem Zeitpunkt sind unsere Teilnehmer oft erschreckt von dem Gedanken, selbst zu beraten. Es ist wichtig für sie zu erkennen, daß sie im Training noch mehr spezielle Fähigkeiten erlangen. Die gezeigten und die von ihnen selbst gemachten Rollenspiele helfen ihnen, diese Fähigkeiten zu entwickeln und zu vervollständigen. - - Pause - Eintreten für den Patienten Beschreibung: Vorträge von Helen Schietinger, Direktorin des Shanti Aids Residence Program, und Linda Maxey, Leiterin der Shanti-Gruppe in der Abteilung für Aids-Kranke im San Francisco General Hospital. Helen definiert das Eintreten für den Patienten im Zusammenhang mit der Arbeit von Shanti, diskutiert die erforderlichen Fähigkeiten und die damit zusammenhängenden Probleme, wozu es gegebenenfalls gehört, Anwalt des Patienten zu sein. Sie fährt damit fort, die speziellen Techniken, die dazu gebraucht werden, und die Rechte der Klienten zu erläutern und endet mit einem kurzen Überblick über die sozialen Dienste für Aids-Infizierte. Linda spricht über die Arbeit in einem Krankenhaus, die Grenzen der Möglichkeiten für die Mitarbeiter im Krankenhaus und wie die Berater von Shanti eine Brücke zwischen den Klienten und dem Krankenhauspersonal bilden können. Methode: Zwangloses Gespräch mit Helen und Linda mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen. Zweck: Den Teilnehmern den Problemkomplex der Vertretung für ihre Klienten bewußt zu machen und sie für die Rolle des Kranknhauspersonals zu sensibilisieren. Bemerkungen: Die meisten unserer Teilnehmer haben wenig oder keine Erfahrung mit dem Ablauf im Krankenhaus. Deshalb ist es für sie wichtig, ein möglichst umfassendes Verständnis von ihrer Rolle als Vertreter des Patienten zu gewinnen die Notwendigkeit zu begreifen, als Teil des primären Pflegeteams zu arbeiten.

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Vierter Tag (etwa vier Stunden) Fördergruppen für ehrenamtliche Betreuer Beschreibung: Wenn die Ausbildungsgruppe nach einer Woche wieder zusammenkommt, treffen sich die Teilnehmer in kleinen Gruppen mit ein oder zwei Moderatoren, um über ihre Gefühle und Erfahrungen dieser Woche zu sprechen. (Zeit: ca. 1 Stunde) Methode: Die Teilnehmer verteilen sich auf Gruppen von fünf oder sechs mit einem oder zwei Moderatoren. Vorher haben sich die Moderatoren getroffen und die Fortschritte der Teilnehmer besprochen. Nun geben sie in den Gruppen Rückmeldung. Das Vorgehen ist zwanglos. Zweck: Die kleinen Gruppen sollen den Moderatoren noch einmal Gelegenheit geben, die Teilnehmer besser kennenzulernen, besonders dann, wenn ein Moderator Sorge wegen eines Teinehmers hat oder ihn bisher einfach nicht hinreichend kennenlernen konnte. Den Teilnehmern geben die kleinen Gruppen Gelegenheit, die in der vorherigen Woche aufgetretenen Probleme und Gefühle mitzuteilen. Bemerkungen: Die kleinen Gruppen sind wichtig für den Bindungsprozeß und bieten den Teilnehmern eine intime Atmosphäre, in der sie sich mitteilen können. Alternative Therapien Beschreibung: Ein Vortrag eines ehrenamtlichen Mitarbeiters oder eines Mitglieds des Shanti-Teams, der die verschiedenen alternativen Behandlungsmöglichkeiten für Aids-Infizierte kennt. (Zeit: ca. 1,5 Stunden) Methode: Eine zwanglose Präsentation. Zweck: Im Umgang mit Aids-Infizierten ist es für die Betreuer wichtig, die unterschiedlichen Theorien über die Ursachen und die alternativen Behandlungsmöglichkeiten, die es gibt, zu kennen. In diesem Abschnitt des Trainings lernen die Teilnehmer etwas über die möglichen Alternativen. Aber wir betonen die Wichtigkeit, uns im Umgang mit diesen Theorien und alternativen Behandlungsmöglichkeiten nach unseren Klienten zu richten. Wir unterstützen sie in jeder Art von Behandlung, die sie sich ausgesucht haben. Das heißt nicht, daß wir uns scheuen, mit ihnen die möglichen Konsequenzen und Hoffnungen auf Ergebnisse dieser verschiedenen Behandlungen zu diskutieren. Es bedeutet einfach, daß wir in jedem Stadium der Behandlung für sie da sind. Unser wichtigster Grundsatz ist, daß unsere Klienten sich wohlfühlen, wenn sie uns ihre Gefühle mitteilen, unabhängig davon, wie sie sich entschieden haben, sogar dann, wenn sie ihre Meinung ändern. Bemerkungen: Viele potentielle freiwillige Mitarbeiter werden anfangs durch diese Art von Arbeit angezogen, weil sie bestimmte Ansichten über die westliche Medizin und alternative Therapien haben, die sie entweder aus eigener Erfahrung oder aus der Analyse des Gesundheitswesen in diesem Land entwickelt haben. Sie möchten für Klienten zur Verfügung stehen, die ebenfalls die traditionellen Therapien in Fra-

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ge stellen und nach Behandungsmöglichkeiten suchen, die die Schulmedizin ergänzen. Wir unterstützen zwar das Recht der Betreuer auf ihre eigene Meinung, aber wir machen ihnen klar, daß es ihre Aufgabe ist, die Klienten zu unterstützen und ihnen den Entscheidungsprozeß im Bezug auf die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu erleichtern. Jede Situation, in der der Betreuer nach einem eigenen vorgefaßten Handlungsplan vorgeht, ist schlecht. Deshalb achten wir bei den Bewerbungsgesprächen so sorgfältig auf derartige vorgefaßte Konzepte. Wir sind ebenso besorgt, wenn ein Betreuer von der Ansicht erschreckt wird, daß ein Klient traditionelle Behandlung ablehnt, wie wir es sind, wenn ein anderer versucht, eine Klienten von eben dieser Behandlung abzubringen. Ein Betreuer, der alternative Heilmethoden schlecht macht, ist für uns ebensowenig akzeptabel wie einer, der nur diese gelten läßt. Einen Bereich, auf den wir genauso Wert legen, sind religiöse Überzeugungen. Wir sind der Meinung, daß dies ein sehr wichtiger Bereich für viele unserer Klienten ist. Auch hier haben wir kein Ziel, das wir in der Arbeit mit den Klienten erreichen müssen. Auch wenn Betreuer und Klient die gleichen Überzeugungen haben, erwarten wir, daß der Fortschritt des Klienten im Zentrum der Aufmerksamkeit bleibt und der Betreuer keinerlei Druck ausübt. Wir möchten, daß Shanti für die Klienten eine Zuflucht bleibt, unabhängig davon, wie ihre Überzeugung sich entwickelt. Wir möchten auf keinen Fall, daß sie Angst haben, ihren Betreuer zu enttäuschen, falls sich ihre Meinung ändert. Abschluß des 4. Tages

Fünfter Tag Einführung in die Trauerarbeit Beschreibung: Linda Maxey spricht über die Trauer und beginnt mit einer Erklärung des Trauervorganges und seiner verschiedenen Stufen. Sie betont, daß es keine „richtige" Art zu trauern gibt. Sie redet auch über die Trauer angesichts der AidsEpidemie und ihre eigenen Erfahrungen in der Abteilung für Aids-Kranke im San Francisco General Hospital. Dann befaßt sie sich damit, wie unterschiedlich die Trauer erlebt wird, je nachdem ob es sich um den Partner, die Eltern oder um Freunde des Kranken handelt. Sie zeigt, in welcher Weise die Shanti-Betreuer durch ihre Arbeit dem trauernden Klienten helfen können. Ihr Vortrag endet mit einem Hinweis darauf, daß auch die Betreuer ihre eigene Trauer verarbeiten müssen. (Zeit: ca. 1 Stunde) Methode: Linda referiert dies in einer wenig förmlichen Weise und gibt auch kurz Gelegenheit, Fragen zu stellen.

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Zweck: Dieser Teil verfolgt zwei Ziele. Zum einen lernen die Teilnehmer etwas über den Trauervorgang und zum anderen ihnen wird ihre eigene Trauer darüber bewußt, daß homosexuelle Männer in San Francisco in erschreckender Zahl an Aids sterben. Fast jeder Teilnehmer kennt jemanden, der der Seuche zum Opfer gefallen ist. Daraus erwächst eine Trauer, die jeden von uns bewußt oder unbewußt betrifft. Bemerkungen: Linda spricht über die Trauer als normale Reaktion auf einen Verlust. Es gibt ein breites Spektrum von Reaktionen, die als „normal" gelten. Dauer und Form der Trauer sind bei den einzelnen Menschen verschieden, ebenso aber auch in verschiedenen Kulturen. Im Umgang mit trauernden Klienten müssen wir mit komplizierten Problemen rechnen wie z.B. dem Druck von Freunden auf den Klienten, endlich damit fertig zu werden, „das Leben geht schließlich weiter". Unter diesem Druck fühlt der Klient sich womöglich schuldig wegen seiner Schwäche, aus der heraus er sich in seiner Trauer zurückzieht. Eine andere Schwierigkeit ergibt sich, wenn jemand trauert, der ohnehin schon lange Phasen der Depression hatte oder in persönlichen Schwierigkeiten steckt. Das kann zu einer komplizierten Trauerreaktion führen, die zusätzlich zu unserer Betreuung professionelle Hilfe erfordert. Wie kann man nun „normale" Trauer von komplizierten oder pathologischen Reaktionen unterscheiden, wo doch die Menschen so verschieden auf Verluste reagieren? Haupterkennungsmerkmal für eine komplizierte Trauerreaktion ist eine auffällige Unfähigkeit; z.B. ist der Betreffende für längere Zeit nicht in der Lage, seinen normalen Aufgaben und Verpflichtungen nachzukommen. Oder er kann nicht essen, sich anziehen und waschen, zur Arbeit zu gehen, die Kinder versorgen usw. Andere deutliche Hinweise sind länger anhaltende Gefühle von Wertlosigkeit, weil der geliebte Mensch nicht mehr da ist, und ernsthafte Selbstmordgedanken oder -versuche. Bei „normalen" Trauerreaktionen wachsen die Fähigkeiten der Klienten, nach und nach wieder einem normalen Leben nachzugehen, vielleicht sogar die Hand auszustrecken und neue Bindungen einzugehen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Klienten, die schon sehr gute Fortschritte bei der Trauerarbeit gemacht haben, plötzlich einen Rückfall erleben. Dieser kann durch irgendein kleines Ereignis hervorgerufen werden, das Gefühlsreaktionen auslöst. So kann ein Lied, ein Geruch, ein Wort oder ein Jahrestag jemand in tiefe Trauer zurückwerfen, so daß er sich fragt, ob sie jemals weniger werden wird. Allmählich werden diese Momente seltener, aber ihre Intensität kann noch über Jahre tief empfunden werden. Unsere Betreuer werden, wenn sie mit trauernden Klienten arbeiten, oft an ihre eigenen Verluste erinnert. Aus Ihrem Unbehagen bei der Konfrontation mit ihrer eigenen unverarbeiteten Trauer könnten Sie über Gebühr wünschen, daß ihre Klienten sich „besser" fühlen. Wenn ein Betreuer diese Tendenz an sich bemerkt, sollte er einige seiner eigenen Probleme erforschen und lösen. Wenn er dies nicht tut, könnte er dem Klienten auf subtile Weise die Botschaft übermitteln, daß es nicht in Ordnung ist, so starke Gefühle zu haben. Ein Betreuer, der selbst mit Problemen der Trauer zu kämpfen hat, sollte vom Leiter der Helfergruppe genau beobachtet werden.

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Podiumsdiskussion mit trauernden Klienten und Betreuern Beschreibung: Vorträge von Menschen, die eine kürzlich erlittenen Verlust betrauern: Michael Helquist, ein Klient von Shanti, dessen Partner kürzlich an Aids gestorben ist, Bill Barksdale, ein Mitglied des Shanti-Teams, der einen ehemaligen Partner und langjährigen Freund verloren hat, Bea Tracy, die ebenfalls Mitglied des Shanti-Teams und Bills Betreuerin ist, und Danny Field, ein Betreuer von Shanti, der den Tod eines Klienten betrauert (Zeit: ca. 1,5 Stunden). Methode: Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion berichten über ihre Erfahrungen und Gefühle bei dem kürzlich erlittenen Verlust. Sie sprechen über ihre Beziehungen zu den geliebten Menschen, ihre Gefühle und wie sie damit fertig werden. Zweck: In diesem Teil des Trainings erleben die Teilnehmer, wie Menschen trauern und wie tief die Gefühle sind, die dabei entstehen. Bemerkungen: Dies ist ein sehr bewegender Teil, der oft starke emotionale Reaktionen unter den Teilnehmern hervorruft. Es ist wichtig, nach diesen Gesprächen Zeit zu geben, die Gefühle und Reaktionen zu verarbeiten. --Pause--

Demonstrations-Rollenspiele der Moderatoren Beschreibung: Hier geht es um Rollenspiele, in denen Moderatoren beispielhaft Beratungssituationen vorführen. Methode: Zwei Moderatoren machen vor der eng um sie versammelten Gruppe Rollenspiele zu vorher festgelegten Situationen. Mehrere andere Moderatoren achten auf jede Interaktion, die entweder besonders positiv oder problematisch ist. Nach jedem Rollenspiel, das meist 9-12 Minuten dauert, teilen die Teilnehmer ihre Erfahrungen und die beobachtenden Moderatoren ihre Wahrnehmungen und Bemerkungen mit. Zweck: Diese Rollenspiele demonstrieren Beratungstechniken in verschiedenen Situationen: nach einer Diagnose, wenn sich der Zustand des Klienten verschlechtert, bei der Entscheidung, nach langem Kampf aufzugeben, bei einem Klienten, der beatmet wird usw. Die Rollenspiele geben den Teilnehmern Gelegenheit, erfahrene Betreuer in diesen Situationen zu beobachten. Bemerkungen: Diese Rollenspiele demonstrieren nicht nur die angewandten Betreuungstechniken, sondern setzen die Teilnehmer auch den verschiedenen Situationen aus, auf die sie treffen können. Dadurch wird ein wertvoller Grundstein für ihre spätere eigene Betreuungstätigkeit gelegt. Es ist oft schwer, in den Rollenspielen laut zu sprechen, die Teilnehmer sollten daher in einem engen Kreis um die Moderatoren sitzen und gut zuhören.

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Rollenspiele der Teilnehmer Beschreibung: Der Trainingsleiter bildet kleine Gruppen von zwei oder drei Personen, um zusammen mit zwei Moderatoren Rollenspiele zu machen. (Vorgeschlagene Zeit: 2 Stunden) Methode: Moderatoren und Teilnehmer wechseln sich bei den Rollenspielen ab. Diese Rollenspiele zeigen den Teilnehmern Reaktionen in verschiedenen Betreuungssituationen. Wenn einer der Moderatoren bemerkt, daß ein Teilnehmer Schwierigkeiten mit einem Problem hat, wird dies in einem Rollenspiel weiter verarbeitet. Zweck: Die Rollenspiele geben den Moderatoren Gelegenheit, die Teilnehmer genau zu beobachten und ihre Fähigkeiten und emotionalen Reaktionen zu bewerten. Die Moderatoren benutzen sie auch, um Feedback zu geben. Zusätzlich vermitteln die Rollenspiele den Teilnehmern Erfahrung mit konkreten Betreuungssituationen. Bemerkungen: In den Rollenspielen arbeiten die Moderatoren eng mit den Teilnehmern zusammen, um sie auf die Stärken und Schwächen ihrer Betreuung hinzuweisen. Die Moderatoren geben jedem Teilnehmer Rückmeldung und machen Notizen für die spätere Diskussion ihrer Bewertung mit den anderen Moderatoren. Am Ende des Tages treffen sich alle Moderatoren, um das Verhalten jedes Teilnehmers im Rollenspiel und im Training allgemein zu besprechen. Der Trainingsleiter macht sich Notizen über jeden Teilnehmer, insbesondere zu den Bereichen, die noch Probleme bereiten, und über das gegebene Feedback. Diese Notizen werden für spätere Beobachtungen und Rollenspiele gebraucht. - - Mittagessen - Rollenspiele zur kritischen Beurteilung Beschreibung: Es handelt sich um Rollenspiele in Kleingruppen von zwei bis drei Teilnehmern, die von zwei Moderatoren geleitet werden. Diese Gruppen werden vom Trainingsleiter und anderen Moderatoren zusammengestellt, die sich bis dahin sowohl durch das bisherige Training als auch durch die Rollenspiele einen Einblick in das Verhalten der Teilnehmer verschafft haben. Es können Moderatoren mit Teilnehmern zusammengebracht werden, die sie noch nicht kennen. Oder ein Moderator möchte noch einmal mit einem Teilnehmer zusammenarbeiten, um den er sich Sorgen macht. (Vorgeschlagene Zeit: 2 Stunden) Methode: Diese Rollenspiele dienen der kritischen Bewertung der Teilnehmer. Die Moderatoren entwerfen aufgrund ihres Wissens über die Teilnehmer - wie diese auf die verschiedenen Übungen reagiert und sich in den vorhergehenden Rollenspielen verhalten haben - und aufgrund einer intuitiven Einschätzung der Fortschritte des jeweiligen Teilnehmers Rollenspiele für eine kritische Beurteilung. Alle Sorgen und Probleme werden dabei behandelt und die Moderatoren geben weiterhin Rückmeldung. Falls ein Teilnehmer keine Probleme zu lösen hat, werden allgemeine Betreuungs-Rollenspiele zur weiteren Übung durchgeführt.

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Zweck: Diese Rollenspiele haben eine doppelte Funktion. Sie sind ein Teil des Lernprozesses jedes Teilnehmers und ein Teil des BewertungsVorganges, ob der Betreffende als Betreuer zum Projekt zugelassen werden kann. Sie können als Test für die Fähigkeit des Teilnehmers angesehen werden, all die Rückmeldungen umzusetzen, die er während des Trainings bekommen hat. Bemerkungen: Mit diesem Abschnitt beginnt die letzte Bewertung der Teilnehmer. Nach Kursende kommen die Moderatoren zusammen, um sich über jeden einzelnen Teilnehmer zu besprechen. Bei der Bewertung hat jeder Moderator die Möglichkeit, seine Erfahrungen und Gefühle zu den einzelnen Teilnehmern zu äußern. Die Kriterien für die Annahme eines Bewerbers als Betreuer sind dieselben wie für die Aufnahme in den Kurs. Wir möchten, daß die Teilnehmer bereit sind, sich ihren Gefühlen zu öffnen, ohne davon überwälitgt zu werden, wir suchen nach einem Gleichgewicht von emotionaler Verletzlichkeit und der Fähigkeit, sich aus den eigenen Erfahrungen zu lösen. Ein effektiver Betreuer findet einen Mittelweg zwischen emotionalem Sich-Gehen-Lassen und Starre, er ist für den Klienten gefühlsmäßig da, ohne sich überwältigen zu lassen. Wir erwarten auch die Fähigkeit, Rückmeldungen anzunehmen und vorgefaßte Handlungspläne zu vermeiden. Teilnehmer, über die sich die Moderatoren nicht ganz sicher sind, sind im allgemeinen zwar aufgenommen, aber einer Gruppe mit besonders starker Supervision zugewiesen. Teilnehmer, die nicht aufgenommen werden, sind sich am Ende des Kurses über ihre Probleme im Klaren. In individuellen Gesprächen werden ihnen die einzelnen Gründe für die Ablehnung mitgeteilt. Falls es sinnvoll scheint, wird ihnen die Möglichkeit eines erneuten Trainings geboten. --Pause-Übung mit geschlossenen Augen (siehe auch Material-Anhang) Beschreibung: Dies ist eine Paarübung unter Anleitung (Zeit ca. 30 Minuten) Methode: Wir setzen dieser Übung manchmal eine kurze, begründende Einführung voran (siehe dazu den Abschnitt über die „Wirkung von Körperkontakten"). Der Übungsleiter bittet die Teilnehmer, sich mit jemand zusammenzutun, mit dem sie noch nicht eng zusammengearbeitet haben, und sich ihm schweigend gegenüberzusetzen. Diese Übung dient dazu, bei dem Teilnehmer die Fähigkeit zu einer doppelten Betrachtungsweise zu entwickeln, daß er nämlich zugleich der anderen Person und sich selbst bewußt ist. Wenn diese Aufmerksamkeit schwindet, sollen die Teilnehmer die Augen schließen und sich so nach innen wenden, um die Verbindung wieder aufzunehmen. Später werden sie aufgefordert, dies mit Blickkontakt zu ihrem Partner zu tun. Die Teilnehmer wechseln sich in den beiden Rollen ab, in der des Beobachters und dessen, der beobachtet wird. Der Unterschied liegt in der Betrachtungsweise. Die Sehenden sollen ihren Partner mit offenem Herzen anschauen und feststellen, was sie schon über ihn wissen. Dieser Prozeß soll nicht bewertend oder aufdringlich sein.

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Die Beobachter sollen die verletzlichen, spielerischen und hilflosen Anteile ihres Partners sehen, aber auch die weisen und starken Anteile. Jeder Teilnehmer soll beide Rollen kennenlernen. Als nächstes fordert der Leiter die Teilnehmer auf, ihre Hand auf das Herz ihres Partners zu legen und sich weiter in die Augen zu sehen. Als letzten Schritt sollen die Teilnehmer ihre Hand langsam wegnehmen und darauf achten, welche Gefühle sie haben, wenn dieser enge Kontakt zum Partner unterbrochen wird. Zum Abschluß ruhen die Teilnehmer schweigend in sich selbst und öffnen die Augen, wenn sie das Bedürfnis dazu haben. Zweck: In dieser Übung erfahren die Teilnehmer eine doppelte Betrachtungsweise, nämlich schweigend bei jemandem zu sein und gleichzeitig mit einer tiefen Schicht ihrer selbst Kontakt zu halten und diese Aufmerksamkeit zu stabilisieren, wenn sie zu schwinden droht. Sie entdecken den anderen in seiner gesamten Persönlichkeit und auch das Gefühl, selbst erkannt zu werden. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Kursteilnehmer so weit geöffnet, daß sie engen Kontakt zulassen können. '

Sechster Tag Zeit für Fragen und Antworten Beschreibung: Informelle Fragen- und Antwort-Sitzung mit dem Trainingsleiter und anderen Moderatoren und den Vortragenden, die Zeit haben (ca. 2 Stunden). Methode: Der Moderator erklärt, wie Kienten zusammengebracht, Beziehungen beobachtet und falls nötig beendet werden. Die Teilnehmer werden ermutigt, Fragen zu stellen über Shanti, die Betreuung, das Training und alles andere, was sie interessiert. Zweck: Dieser Abschnitt gibt den Teilnehmern Gelegenheit, alle offenen Fragen über ihre Erfahrungen im Training anzubringen. Er kann auch Problembereiche offenbaren, die in den Rollenspielen am Schluß des Kurses behandelt werden müssen. Bemerkungen: Zu diesem Zeitpunkt haben die Teilnehmer starke emotionale Erfahrungen hinter sich und eine gewaltige Menge von Informationen aufgenommen. Diese Frage-und-Antwort-Sitzung erlaubt ihnen, ihre Gefühle auszudrücken. Es ist zwar wichtig, die Fragen zu beantworten, besonders die, die sich mit Ängsten oder anderen Gefühlen beschäftigen, aber es ist nicht sinnvoll, bei speziellen Gebieten wie Behandlung oder Symptome von Aids zu sehr ins Detail zu gehen. Rollenspiele zur kritischen Beurteilung (vorgeschlagene Zeit: ca. 3 Stunden) Beschreibung: Siehe den entsprechenden Abschnitt am fünften Tag. Zweck: Alle Teilnehmer werden in dieser zweiten Serie von Rollenspielen noch einmal beurteilt.

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Übung: Der geschlossene Kreis Beschreibung: Diese Übung schließt das Training ab. Alle stellen sich in einem großen Kreis auf und legen die Arme umeinander. (Zeit: ca. 1 Stunde) Methode: Der Trainingsleiter oder ein anderer Moderator führt eine Meditation mit geschlossenen Augen durch, die einige Erfahrungen während des Kurses zusammenfaßt. Am Schluß der Meditation öffnet jeder die Augen und schaut sich für einen Moment schweigend in der Gruppe um. Dann kann jeder kurz seine tiefen Gefühle über die Gruppe oder das Training äußern. Zweck: Diese Kreisübung schließt das Training ab. Die Gruppe hat sich seit Beginn des Kurses stark verändert. Die Teilnehmer haben sich den anderen in sehr intimer und liebevoller Weise mitgeteilt. Es ist wichtig, die gemachten Erfahrungen anzuerkennen und auch die Tatsache, daß die Teilnehmer dieser so eng zusammengewachsenen Gruppe sich wahrscheinlich nicht mehr wiedertreffen werden. Bemerkungen: Nähe ist ein wichtiger Teil des Trainings. Die Teilnehmer haben gewaltige Emotionen und ihre Verletzlichkeit erfahren. Sie sind direkt und eng mit ihrer Sterblichkeit konfrontiert worden, oft zum ersten Mal. Sie haben das emotionale Wagnis auf sich genommen, sich anderen weit zu öffnen, und sie erleben nun die bedingungslose Liebe von Menschen, die vor einer Woche noch Fremde waren. Üblicherweise findet an diesem Abend eine Feier anläßlich der Einstufung statt. Sie ist der Abschluß des ersten Wochenendes und die Teilnehmer organisieren sie. Nachdem die Moderatoren sich zu einer letzten Bewertung getroffen haben, kommen sie dann auch dazu. Treffen der Moderatoren zur abschließenden Bewertung der Teilnehmer Nach Kursende treffen sich die Moderatoren, um jeden Teilnehmer insgesamt zu bewerten. Alle Probleme oder Bedenken, die im Laufe des Trainings aufgetreten sind, werden auf Lösungsmöglichkeiten untersucht. Zu diesem Zeitpunkt kennen die Moderatoren die Teilnehmer gut genug, um beurteilen zu können, ob sie als Betreuer für dieses Projekt geeignet sind.

H e l f e r - / Supervisionsgruppen für ehrenamtliche Betreuer Beschreibung: Nach dem Training werden die neuen Mitarbeiter Helfergruppen zugeteilt. Mindestens zwei Betreuer desselben Kurses werden schon bestehenden Gruppen zugewiesen, manchmal bildet sich auch eine neue Gruppe mit Mitarbeitern dieses Kurses. Gruppenleiter müssen schon mindestens für einige Monate bei Shanti mitarbeiten, und sie erhalten ein spezielles Training als Leiter dieser Helfergruppen. Diese treffen sich jeden Montagabend für zwei Stunden, wobei der erste Montag im Monat für ein Treffen aller Projektmitarbeiter reserviert ist. Vor diesem Treffen

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kommen die Gruppenleiter zusammen. Sie und die Mitglieder des Shanti-Teams diskutieren die Probleme, die im letzten Monat in ihren Gruppen aufgetreten sind. Methode: Der Charakter der Helfergruppen variiert. Wir empfehlen, daß jedes Mitglied sich zu Anfang des Treffens kurz zu Wort meldet; diejenigen, die entweder mit ihren Klienten oder im persönlichen Leben Probleme haben, bitten um zusätzliche Zeit. Der Gruppenleiter moderiert die Gruppe, reagiert auf die angesprochenen Probleme und vermittelt bei unterschiedlichen Meinungen. Die Betreuer legen die Situation der Klienten dar (Krankheit, erwartete oder tatsächliche Trauer), beschreiben die letzte Sitzung (diskutierte Probleme, Gefühle, über die berichtet wurde), beurteilen, wie der Klient sich fühlt, weisen auf eventuelle zukünftige Probleme hin und sprechen über ihre eigenen Probleme und Gefühle und wie sie damit umgehen. Im weiteren Verlauf ist das Treffen offen für die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder, sie können um Hilfe oder Feedback von der Gruppe bitten. Die anderen ehrenamtlichen Helfer werden aufgefordert, Feedback zu geben, was oft zu Diskussionen über allgemeine Probleme führt. Dadurch erhalten die ehrenamtlichen Mitarbeiter Unterstützung auf breiter Ebene. Es ist wichtig, daß jedes Gruppenmitglied die Möglichkeit hat, sich zu Wort zu melden. Wenn ein Mitarbeiter aufgrund von emotionalen Probleme mit Klienten oder in seinem Leben zusätzlich Zeit oder Hilfe braucht, können die Gruppenleiter und anderen Mitglieder entscheiden, sich während dieses Treffens ausschließlich auf seine Bedürfnisse zu konzentrieren. Wenn weitergehende Hilfe gebraucht wird, können sie auch ein zusätzliches Treffen während der Woche arrangieren. Es ist allerdings nicht gut, wenn einzelne Mitglieder in der Gruppe über längere Zeit eine beherrschende Rolle spielen. Allen Gruppenmitgliedern soll die Chance gegeben werden zu berichten, und die Leiter wissen, daß oft diejenigen, die sich still verhalten, die größten Probleme haben. Shanti hat ein System entwickelt, Rückmeldung von den Klienten zu erhalten. Die Gruppenleiter treffen jeden Klienten vier bis sechs Wochen nach der ersten Vorstellung. Sie befragen ihn speziell über die Beziehung zu dem Betreuer und erbitten eine allgemeine Einschätzung der Betreuungssituation. Wir ermuntern die Klienten uns mitzuteilen, ob sie irgendeinen Kummer mit ihrem Betreuer haben, aber gelegentlich sind sie dafür nicht selbstbewußt genug. Das Treffen gibt ihnen die Möglichkeit, alles, was sie wollen, dem Projekt direkt mitzuteilen. Normalerweise bekommen wir begeisterte positive Rückmeldungen über die Betreuer. Zweck: Diese Gruppen bilden das Rückgrat von Shanti: sie sind die Grundlage des weitergehenden Trainings, des Zusammenhalts im Projekt und des Gefühls der Mitarbeiter, am Projekt als Ganzem teilzunehmen und miteinbezogen zu sein. Sie sind das wichtigste Kontrollsystem für die Bewertung und Supervision des Projekts. Wir spüren, wie wichtig es ist, in diesen Gruppen zu einer Integration von Stützung und Supervision zu kommen. Die Betreuer müssen ihre Gefühle bearbeiten, und die Gruppenleiter müssen ein klares Bild von der Arbeit jedes Betreuers bekommen. Bemerkungen: Die Teilnehmer haben nach dem Training oft das Gefühl, etwas verloren zu haben. Neue Teilnehmer müssen dieses Verlustgefühl verarbeiten und er-

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kennen, daß Verlust in der Natur unserer Arbeit liegt. Die Teilnehmer eines Kurses wird immer etwas verbinden und deshalb integrieren wir die neuen Betreuer jeweils zu zweit aus einem Trainingskurs in bereits bestehende Gruppen. Wenn ehrenamtliche Helfer gerne zusammenbleiben möchten, nehmen wir darauf Rücksicht, soweit es möglich ist. Mancher Teilnehmer hat zum ersten Mal die Gelegenheit, über seine Gefühle in einer ihn stützenden Gruppe zu sprechen, die sich um ihn kümmert und daran interessiert ist, was er sagt. Aber wir unterscheiden unsere Helfergruppen von einer Gruppentherapie, indem wir die Grenzen da setzen, wo unsere Arbeit aufhört. Die Helfergruppen richten die Aufmerksamkeit primär auf das Bearbeiten von Problemen und Gefühlen, die durch unsere Arbeit entstehen. Andere Probleme wie Beziehungskrisen, Arbeitslosigkeit usw. werden bei Bedarf mitbehandelt. Wenn derartige Probleme häufig oder immer während dieses kurzen Gesprächs anstehen, werden die betreffenden Teilnehmer an andere Möglichkeiten der Einzel- oder Gruppentherapie verwiesen. Wir können nicht für jeden unserer Mitarbeiter der einzige emotionale und therapeutische Ausweg sein. Die Gruppenleiter oder andere Mitglieder werden oft mit ihren Freunden aus der Gruppe darüber sprechen, wer gerade in Schwierigkeiten steckt. Gelegentlich tauchen Schwierigkeiten zwischen Gruppenmitgliedern oder zwischen einem Helfer und einem Gruppenleiter auf. Wenn das Problem nicht innerhalb der Gruppen gelöst werden kann, bieten sich die Mitglieder des Shanti-Teams an zu vermitteln. Wir glauben, daß zwischenmenschliche Konflikte und Reibereien normal sind und man durch sie hindurch muß. Wenn ein Konflikt absolut nicht zu lösen ist, schicken wir den Betreffenden in eine andere Gruppe. Wir lehnen es jedoch ab, die Leute herumzuschieben und möchten lieber bei ihnen die Fähigkeit entwickeln, einen Konflikt aufzuarbeiten. Dies dient sowohl dem Betroffenen als auch dem ganzen Projekt.

Hilfsgruppen für die Betroffenen Wie man eine Hilfsgruppe leitet Beschreibung: Jim Geary spricht darüber, wie wir Hilfsgruppen für Aids-Infizierte gründen und leiten. Die Moderatoren der Hilfsgruppe für Freunde, Familien und Partner von Aids-Infizierten, Bob Grantham und Tree Murch, erzählen wie sie diese Gruppe leiten. Methode: Es werden die Probleme diskutiert, die bei der Leitung von Hilfsgruppen auftreten. Zweck: Es soll deutlich erklärt werden, wie wir unsere Gruppen führen. Bemerkungen: Unsere Hilfsgruppen entwickeln sich abhängig von den Bedürfnissen. Die Grundprinzipien bleiben unverändert, und die Teilnehmer bestimmen den Charakter jeder Gruppe.

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Hilfsgruppen für Aids-Infizierte Beschreibung: Die Hilfsgruppe für Aids-Infizierte ist eine offene Gruppe, und neue Teilnehmer sollen möglichst ein paar Mal kommen, ehe sie sich entscheiden, ob sie ihnen nützen kann. Obwohl viele Männer kommen und gehen, bleibt ein fester Kern, der sich über Wochen trifft. Das trägt dazu bei, die Normen innerhalb der Gruppe zu erhalten. Die Gruppe wird von zwei ehrenamtlichen Mitarbeitern geleitet, die schon Erfahrung in der Arbeit mit Aids-Infizierten haben. Grundsätzlich hat mindestens einer der Moderatoren schon Erfahrung mit dieser oder einer anderen Gruppe. Methode: Die Gruppe trifft sich regelmäßig einmal pro Woche zwei Stunden an einem festen Ort und zu einem festen Zeitpunkt. Die Zusammensetzung und der Führungsstil in der Gruppe ist informell: es geht darum, zuzuhören ohne zu unterbrechen, Wortmeldungen abzuwarten, Differenzen zu respektieren, Vertraulichkeit zu wahren und so weiter. Die Moderatoren beginnen jede Woche mit einem kurzen Gespräch mit jedem Gruppenmitglied, um zu sehen, wie es sich fühlt und ob es spezielle Probleme hat, mit denen es sich mit Hilfe der Gruppe auseinandersetzen möchte. Oft entwickelt sich als Reaktion auf ein bestimmtes Thema eine emotionale Diskussion. Die Moderatoren ermutigen die, die noch nichts gesagt haben, ihre Gefühle und Reaktionen mitzuteilen. Oft enden die Sitzungen mit einer kurzen „Übung mit geschlossenen Augen" wodurch einem Mitglied mit bestimmten Problemen Hilfe geboten werden soll. Zweck: Der Zweck der Gruppe ist, Aids-Infizierten einen Schutzraum zu bieten, in dem sie über die Erfahrungen und Gefühle im Zusammenhang mit ihrer Krankheit, mit den Beziehungen zu Freunden und Familie, mit Reaktionen auf die Behandlung, den Auseinandersetzungen mit den sozialen Diensten und den Problemen mit der Sexualität sprechen können, kurz, über alles, was sie an Beeinträchtigungen ihres Lebens erfahren haben und uns mitteilen möchten. Es ist ein Forum für die Bearbeitung dieser Gefühle, wo der Betreffende die Hand auszustrecken kann, um Liebe und Unterstützung zu bekommen. Es gibt in San Francisco verschiedene Organisationen, die politisch arbeiten, um Gelder zu beschaffen und Forschung zu betreiben, die sich um Unterbringung und soziale Leistungen bzw. Einrichtungen bemühen. Gruppenmitglieder können sich zu diesen Problemen äußern, aber Lösungsmöglichkeiten müssen geeignetere Organisationen entwickeln. Bemerkungen: Der körperliche Zustand und die Ansichten der Gruppenmitglieder sind sehr unterschiedlich, bei einigen Männern wurde erst kürzlich die Diagnose gestellt und sie fühlen sich gut, andere sind sehr krank und könne innerhalb der nächsten paar Monate sterben. Einige sind davon überzeugt, daß alternative Heilmethoden der einzig richtige Weg sind,während andere zufrieden sind, daß sie von ihrem Arzt eine angemessene Behandlung erhalten. Durch diese Unterschiede ist die Gruppe sehr komplex. Häufig wird die Meinung eines Mannes über eine Behandlung eine starke Reaktion bei einem anderen auslösen. Männer im späten Stadium der Krank-

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heit können für die, bei denen erst kürzlich die Diagnose gestellt wurde, eine starke Belastung darstellen. Die einen müssen den Tod akzeptieren, die anderen dürfen aber die Hoffnung nicht aufgeben und den Kampf ums Überleben weiterführen, was eine starke emotionale Reaktion bewirken kann. Die Moderatoren versuchen, in dieser Diskussion zu vermitteln und betonen das Recht jedes Menschen auf seine eigene Meinung. Sie versuchen aber auch, die Gefühle und Reaktionen der anderen Gruppenmitglieder freizulegen. Diese Hilfsgruppe unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht von einer Gruppentherapie. Es ist eine offene Gruppe mit begrenztem inneren Zusammenhalt. Der Schwerpunkt liegt darauf, Gefühle und Reaktionen in bezug auf die eigene Krankheit mitzuteilen und an der Situation der anderen teilzuhaben. Die Betonung liegt nicht darauf, Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen, sondern einfach diese Differenzen und die damit verbundenen Gefühle anzuerkennen. Die Diskussion beschränkt sich im allgemeinen auf das Hören, das Aufnehmen und das Anerkennen. Es wird nicht versucht, Motivationen und zugrundeliegende intrapsychische Probleme zu bearbeiten. Obwohl solche Bemühungen unter anderen Umständen nützlich sein können, liegen sie doch außerhalb des Ziels einer offenen Unterstützungsgruppe. Diese Begrenzung impliziert eine stillschweigende Übereinkunft darüber, daß alles, was die Gruppenmitglieder durchmachen müssen, eine natürliche Reaktion auf eine lebensbedrohliche Krankheit ist und keine psychologische Erklärung braucht. Hilfsgruppen für Freunde und Familie Beschreibung: Es ist eine offene Gruppe, die der Gruppe für Aids-Infizierte ähnelt. Wie diese wird sie von zwei ehrenamtlichen Moderatoren geleitet. Sie ist für diejenigen bestimmt, die kürzlich einen ihnen nahestehenden Menschen verloren haben, und solche, die Unterstützung brauchen im Umgang mit Aids-kranken Angehörigen oder Freunden. Methode: Wie die Gruppe für Aids-Infizierte trifft sich auch diese Gruppe regelmäßig einmal wöchentlich. Die Moderatoren sprechen mit jedem Gruppenmitglied, um zu sehen, wie er sich fühlt und welche Probleme in der Diskussion zu besprechen sind. Die Gruppenleiter leiten die Diskussion und achten darauf, daß jeder die Chance hat zu sprechen. Zweck: Diese Gruppe bietet einen Schutzraum für Menschen, die eng mit Aids-Infizierten zu tun haben. Hier können sie Fragen über die Krankheit stellen undihre Gefühle bearbeiten ohne die Angst, verurteilt zu werden. Menschen, die mit Aidsinfizierten zu tun haben, haben oft nicht nur über die Krankheit Fragen, sondern auch darüber, wie sie reagieren sollen. Oft wissen sie nicht, wie weit sie ihr Leben mit den Infizierten teilen können, und sie erfahren, daß ein Kranker in der Regel so normal wie möglich behandelt werden möchte. Diese Gruppe bietet den Angehörigen die Möglichkeit, ihre Gefühle mitzuteilen und zu lernen, wie sie Aids-Infizierte in ihr Leben integrieren können, ohne sich zu überfordern. Neuen Mitgliedern gibt es auch einen Einblick in die Sichtweise eines Aids-Infizierten. Oft ist es sogar so, daß

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der Infizierte sich um die emotionalen Nöte seiner Freunde kümmern muß. Bemerkungen: Wie in den anderen Gruppen variieren die Bedürfnisse der Teilnehmer auch in dieser Gruppe in einem weiten Bereich. Die Freunde und Familienmitglieder von Patienten, die erst am Beginn der Krankheit stehen, wollen möglichst viel Informationen und hoffen darauf, daß ihr Angehöriger wieder gesund wird. Andere kommen seltener, wenn bei ihren Angehörigen die Symptome vorübergehend nachgelassen haben, sind aber oft dann wieder da, wenn der Aids-Infizierte an einer weiteren Infektion erkrankt ist oder erneut ins Krankenhaus muß. Einige Mitglieder der Gruppe sind über Monate gekommen, bevor sie ihren Angehörigen verloren haben und suchen nun Trost bei ihrem schmerzlichen Verlust. Wie in der Hilfsgruppe für Infizierte ruft hier das breite Spektrum der Erfahrungen und Hoffnungen eine Menge Gefühle hervor. Einige Teilnehmer, die noch voller Hoffnung sind, werden einfach dadurch belastet, daß sie mit einer sich verschlechternden Lage oder dem Tod eines Angehörigen eines anderen Mitglieds konfrontiert werden. Der Moderator ermuntert die Teilnehmer, ihre Ängste zu bearbeiten. Das muß einfühlsam geschehen. Ziel ist es, eine Gelegenheit zu bieten, Gefühle zu bearbeiten ohne sie zu verdrängen.

Bewerbungsformular für ehrenamtliche Helfer im Shanti-Projekt Name: Adresse: Tel.: (Privat, Arbeitstelle) Datum: Wodurch haben Sie das erste Mal vom Shanti-Projekt gehört? Haben Sie schon einmal ein Seminar oder einen Workshop zum Thema Aids besucht? Kennen Sie jemanden, der im Projekt arbeitet oder gearbeitet hat? Wen? Arbeiten Sie zur Zeit? In welchem Beruf?

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Wenn Sie angestellt sind, haben Sie eine Voll- oder Teilzeitstelle? Studieren Sie? Wo? Welches Fach? Wie würden Sie ihre Lebenssituation beschreiben (leben sie allein, mit anderen zusammen)? Haben Sie Kinder? Wenn ja, in welchem Alter? Haben Sie schon irgendwelche Erfahrungen als Betreuer? Welcher Art? Wo haben Sie sie gemacht? Haben Sie irgendwelche Fähigkeiten, die nichts mit Beratung zu tun haben und die Sie dem Shanti-Projekt gerne anbieten möchten (Forschung, Schreibarbeit, Spenden sammeln, Verwaltungstätigkeit, Vorträge halten usw.)? Sprechen Sie eine Fremdsprache? Welche Erfahrungen haben Sie mit dem traditionellen Gesundheitssystem gemacht? Und welche mit Alternativen? Hat in letzter Zeit eine wichtige Veränderung in Ihrem Leben stattgefunden (Arbeitssituation, Beziehungen, Lebenssituation)? Wenn ja, erklären Sie bitte, welche. Betrauern Sie einen kürzlich oder schon früher erlebten Verlust? Wenn ja, wann war es und wer? Haben Sie schon einmal Zeit mit einem sehr kranken oder sterbenden Menschen verbracht? Wenn ja, bei welcher Gelegenheit? Haben Sie schon einmal eine Toten gesehen? Haben Sie schon einmal an einer Beerdigung teilgenommen? Wie fühlen Sie sich bei dem Gedanken, mit Menschen zu arbeiten, die starken körperlichen Einschränkungen unterworfen sind oder deren Aussehen sich aufgrund schwerer Krankheiten oder medizinischer Behandlung verändert hat? Sagen Sie uns bitte, warum Sie Betreuer im Shanti-Projekt werden wollen. Diese Aussage (mindestens eine Seite) sollte auf die folgenden Punkte eingehen:

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Ihre persönliche Erfahrung mit schwerer Krankheit und die Wirkung, die diese Erfahrung auf Sie hatte. — Ihre persönliche Erfahrung mit Trauer und Ihre Gefühle dabei. — Ihre Gefühle angesichts der Aids-Epidemie und die Auswirkung auf Ihr Leben. — Wie würden Sie Ihre Ängste vor dem Unbekannten beschreiben, wenn Sie mit Krankheiten umgehen, deren Ursache, Behandlung und Übertragung unsicher ist? — Welche Art von Klienten halten Sie für die schwierigste und warum? — Ihre Reaktionen auf Gefühle von Hilflosigkeit bei Ihnen und bei anderen. — Die Quellen emotionaler Unterstützung in Ihrem Leben. — Ihr religiöser Hintergrund, Ihr Glaube und Ihre religiösen Praktiken (bezieht sich auch auf die Religion, in der Sie erzogen wurden). — Ihre Gefühle angesichts der Verpflichtung, die Sie für ein Jahr eingehen müssen, und angesichts der Zeit und Energie, die das Projekt erfordert. — Alles andere, was Sie uns gerne wissen lassen möchten. Wir wissen die Zeit und die Gedanken zu schätzen, die Sie für diese Bewerbung aufgebracht haben und hoffen, daß auch Sie davon profitiert haben. Der Eingang Ihrer Bewerbung wird Ihnen noch bestätigt und nach sorgfältiger Überprüfung werden Sie möglicherweise zu einem ersten Vorgespräch eingeladen.

Die Übung: Erlebe deinen Tod Du liegst auf dem Boden, machst es dir bequem, schließt langsam die Augen, du bemerkst deinen Atem. Atme ein, atme aus. Laß deinen Atem voll und entspannt sein. Laß deinen Atem durch deinen ganzen Körper strömen. Du merkst, wie dein Bauch sich bei jedem Atemzug hebt und senkt. Beim nächsten Ausatmen fühltst du, wie dein Körper tiefer in den Boden einsinkt, so wie auch du tiefer in dich sinkst. Atme ein, atme aus, sieh, wie dein Körper sich bei jedem Atemzug ausdehnt und wieder zusammenzieht. Stelle dir vor, wie Wellen der Entspannung durch deinen gesamten Körper strömen, sie beruhigen dich, wenn du dich weiter losläßt. Wie ist es, sich völlig loszulassen, sich ganz sicher und entspannt zu fühlen? Wie ist es, wenn auch das Bewußtsein ruhig wird? Wenn du dem Klang meiner Stimme weiter zuhörst, wächst in dir das Gefühl von Trost und Sicherheit. Fühle diese Empfindung und genieße das wachsende Gefühl von Entspannung und innerer Ruhe. Wenn ich in ein paar Minuten anfange, dich auf diese Reise zu führen und wenn ich die verschiedenen Situationen beschreibe, wirst du feststellen, daß du vor deinem inneren Auge genau sehen kannst, was geschieht, oder daß du deine Anwesenheit dort spürst und empfindest, was es bedeutet. Du siehst, wie du reagierst, oder du achtest mehr auf die Klänge und Gespräche, die um dich herum sind. Ich weiß nicht

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genau, wie jeder von euch diese Übung erleben wird, aber ich bin mir sicher, wie immer es sein wird, ihr werdet eine Menge neuer Erfahrungen und Einsichten gewinnen, die euch nützlich sein können. Nutze diese Gelegenheit, etwas tiefer zu gehen, ein bißchen mehr Erfahrung von Gefühlen zu riskieren und sei gewiß, daß du nur soweit gehen wirst, wie du kannst. Es ist möglich, etwas tiefer zu gehen, du weißt, daß du hier sicher bist, daß du diese Erfahrung beenden kannst, wann immer du willst, und daß du jederzeit durch Heben der Hand signalisieren kannst, daß du Hilfe brauchst. Vor einigen Wochen hat ein Arzt bei einer Routineuntersuchung eine rötliche Stelle in deinem Mund entdeckt. Er sagt dir, daß er den Verdacht auf Kaposi-Sarkom hat und einige Tests durchführen möchte. Ein einsames Warten in Arztpraxen und Untersuchungsräumen beginnt, Warten auf Blutabnahmen, Rachenabstriche, Röntgenaufnahmen und Biopsien. Stell dir vor, wie du dich bei diesen Prozeduren und beim Warten auf die Ergebnisse fühlst. Eine Woche später ruft eine Krankenschwester an und sagt: „Wir haben die Testergebnisse, der Doktor möchte gerne mit Ihnen sprechen". Nun sitzt du im Büro des Arztes und bist sehr ängstlich. Die normalerweise sehr freundliche Sprechstundenhilfe vermeidet deinen Blick. Stelle dir dein Gefühl vor, wenn der Doktor hereinkommt, dich begrüßt und dir dann sagt, daß du einen schweren Fall von Kaposi-Sarkom hast. Er sagt, daß er vielfältige Hautschäden gefunden hat, und informiert dich über Behandlungsmöglichkeiten. Er erklärt, daß du höchstens noch ein Jahr zu leben hast. Alles mit einem Unterton ängstlicher Hoffnungslosigkeit. Er scheint dem Bild an der Wand mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dir. Du verläßt sein Büro mit dem Gefühl einer seltsamen Starre. Deine Gedanken überschlagen sich und versuchen, einen Sinn in dem Geschehen zu finden. Wohin sollst du gehen? Was sollst du tun? An wen sollst du dich wenden? Wenn du dich vom ersten Schock erholt hast, stelle dir die Auswirkungen dieser Diagnose auf deine Beziehungen, auf die Arbeit, auf deine Lebensziele und Träume vor. Du beginnst den schmerzhaften Prozeß, den wichtigen Leuten in deinem Leben von der Krankheit zu erzählen, deiner Familie, deinem Partner, deinen Mitbewohnern, deinen Freunden. Stelle dir nacheinander jeden dieser Menschen und ihre Reaktion auf die Mitteilung vor, daß du Aids hast. Entscheide insbesondere, wer dir dabei nahe sein wird und wer sich ängstlich zurückzieht. Wer wird am offensten für dich und deine Probleme sein? Stelle dir deine Bekannten, Eltern, Mitbewohner und Freunde vor. Welche Gefühle hast du zu jedem, wenn du dir vorstellst, daß sie dir näherkommen oder sich zurückziehen? Sechs Monate sind vergangen. Du hast positiv auf die Behandlung reagiert und glaubst, daß dein Zustand recht gut ist. Dann leidest du an Atemnot und bekommst trockenen Husten und hohes Fieber. Fast über Nacht findest du dich im Krankenhaus wieder, wo du wegen Pneumocystis-Lungenentzündung behandelt wirst. Stelle dir deine Gefühle bei dieser plötzlichen Veränderung deiner Situation vor. Im Krankenhaus wachst du eines Morgens auf und fühlst dich konfus, desorien-

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tiert und in Panik. Du fragst dich, wo du bist und was mit dir geschieht. Die Eindrücke der letzten paar Tage verwischen sich: Ärzte, Krankenschwestern, Bluttests, schmerzhafte Behandlungen, noch mehr Ärzte. Stelle dir vor, wie man sich in dieser Lage fühlt - und von dem Gedanken verfolgt: „Was passiert als nächstes mit mir?" Nach sechs Wochen im Krankenhaus bist du wieder zu Hause. Du hast dich erfolgreich von diesem Anfall von Pneumocystis-Lungenentzündung erholt. In der Zwischenzeit haben sich die Flecke vom Karposi-Sarkom ausgebreitet. Fünf hast du im Gesicht. Du siehst nur gerade so lang in den Spiegel, wie du brauchst, um das Make-up aufzutragen, das die Stellen verdeckt. Es kommt dir so vor, als ob die Leute mehr die Flecken sehen als dich. Wie hat die Krankheit deine sexuellen Gefühle und das Maß an Zuneigung, das du gibst und erhältst, beeinflußt? Stell dir vor, wie du nachts wach liegst, weil du nicht schlafen kannst, und über die folgenden Fragen nachgrübelst: — Was ist der Sinn meines Lebens gewesen? — Welche Bedeutung hat es jetzt? — Bin ich mit dieser Bedeutung zufrieden? Was erfährst du, wenn du über diese Fragen nachdenkst? Es ist jetzt über ein Jahr her, seit du die Diagnose bei deinem Arzt gehört hast. Du bist immer schwächer geworden und fühlst dich nun sehr krank. Du weißt, daß dir nicht mehr viel Zeit bleibt. Rufe jeden, einen nach dem anderen, in dein Zimmer. Sage das, was du jedem sagen möchtest, alles, was noch nicht gesagt wurde, alles, was du noch einmal wiederholen möchtest. Stelle dir vor, was jeder antwortet. Dann sage allen, die du liebst und die dich lieben, Lebwohl. Du fühlst dich nun sehr müde. Sich zu bewegen erfordert ungeheure Anstrengung, und plötzlich merkst du, daß es Zeit ist. Stelle dir vor, am Eingang eines Tunnels zu stehen. Gehe hinein, so langsam oder so schnell wie du willst. Während du durch den Tunnel gehst, versuche zu beobachten, wie es ist und welche Gefühle du hast, wenn du dich auf die Reise machst. In der Ferne ist eine warmes, helles Licht, in dem eine vertraute Szene zu sehen ist. Ärzte und Krankenschwestern arbeiten an einem Körper und versuchen, ihn ins Leben zurückzurufen. Du siehst, daß es einmal dein Körer war. Was fühlst du, wenn du ihre Anstrengungen beobachtest? Möchtest du, daß sie erfolgreich sind oder möchtest du diese Reise, die du unternommen hast, fortsetzen? Wenn du dich entschlossen hast, in deinen Körper zurückzukehren, untersuche deine Gefühle darüber, daß du lebst und wie dies dein Leben von heute an beeinflussen wird. Wenn du dich entschlossen hast weiterzureisen, beobachte, was mit deinem Körper gemacht wird. Wolltest du es so? Was geschieht als nächstes? Gibt es einen Gottesdienst, eine Feuerbestattung, ein Begräbnis? Welche Gefühle hast du, wenn du die Worte hörst, die ausgesucht wurden, um dein Leben zu beschreiben? Hast du das Gefühl, daß die Leute dich wirklich kannten? Was empfindest du, wenn du in die Gesichter der anwesenden Trauergäste siehst?

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Der Gottesdienst ist nun zu Ende, was erwartet dich auf deiner Reise durch den Tunnel? Diese Übung endet jetzt, und das Bild vor deinen Augen verblaßt. Wenn sich das Bild verwischt, mache dir klar, daß es eine Übung war. Nimm dir soviel Zeit, wie du brauchst, um zurückzukehren - in deinen Körper, in diesen Raum, in die Gegenwart. Dehne und strecke dich langsam, bewege deine Arme und Beine, atme tief, und wenn du soweit bist, öffne die Augen.

Vertrag mit dem ehrenamtlichen Mitarbeiter 1.

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Alle ehrenamtlichen Mitarbeiter verpflichten sich, mindestens ein Jahr lang aktiv am Shanti-Projekt mitzuarbeiten, wir begrüßen aber eine längere Zusammenarbeit. Jeder ehrenamtliche Mitarbeiter muß mindestens 8 Stunden pro Woche zur Verfügung stehen, die Hilfsgruppe am Montagabend ist dabei mit inbegriffen. Während des ersten Betreuungsjahres werden die ehrenamtlichen Mitarbeiter gebeten, ihren Urlaub auf 4 Wochen zu beschränken, wobei sie nicht länger als 3 Wochen hintereinander fehlen sollten. Die Urlaubspläne sollten der Verwaltung so früh wie möglich gemeldet werden. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sollten möglichst jemanden finden, der sie vertritt, wenn sie einen Klienten wegen eines Urlaubs oder sonstiger genehmigster Abwesenheit nicht treffen können. Dieser Vertreter muß vom Koordinator oder vom klinischen Supervisor akzeptiert werden. Nach Ablauf eines Betreuungsjahres kann dem ehrenamtlichen Mitarbeiter längerer Urlaub gewährt werden. Der ehrenamtlichen Mitarbeiter werden aufgefordert, an jedem Montagabendtreffen teilzunehmen. Jede geplante Abwesenheit muß dem Gruppenleiter gemeldet werden. Jeder ehrenamtliche Mitarbeiter ist verpflichtet, sich professionell zu verhalten. Alle Fälle werden streng vertraulich behandelt, das beinhaltet sogar, daß die Informationen, die dem Mitarbeiter mitgeteilt wurde, nicht an Familienmitglieder des Klienten weitergegeben wird, es sei denn, dieser wünscht es. Von jedem ehrenamtlichen Mitarbeiter wird erwartet, daß er den ihm zugeteilten Klienten innerhalb von 48 Stunden nach Erhalt der Mitteilung anruft und ein persönliches Treffen ausmacht. Jeder ehrenamtliche Mitarbeiter muß den Verabredungs-Termin und ort, den er mit dem Klienten ausgemacht hat, einhalten. Wenn er die emotionale Verletzlichkeit des Klienten bedenkt, wird er diese Verabredung nur im äußersten Notfall verschieben.

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Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sind verpflichtet, die religiösen und politischen Überzeugungen des Klienten zu respektieren und müssen es unterlassen, dem Klienten ihre persönlichen Ansichten aufzudrängen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter erklären sich einverstanden, in Notfällen für Klienten oder andere Mitarbeiter erreichbar zu sein. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter erklären sich bereit, sich an die Grundsätze und Vorgehensweisen von Shanti zu halten. Zuwiderhandeln kann das Ende der Arbeit im Projekt bedeuten.

Ehrenamtlicher Mitarbeiter Ehrenamtlicher Koordinator/ Klinischer Supervisor

Übung: Trauer herauslassen Lege dich bequem und entspannt hin. Suche mit deinen Fingern den empfindlichen Punkt am Brustbein. Wenn du ihn gefunden hast, drücke gleichmäßig darauf. Atme tief ein. Atme dann aus. Richte deine Aufmerksamkeit auf die Mitte deiner Brust. Du hörst deinen Herzschlag. Du bemerkst, daß er ruhig und regelmäßig ist. Stelle dir vor, daß dein Herz der Ort in deinem Körper ist, der alle Trauer enthält, die du während deines bisherigen Lebens erfahren hast. Diese Trauer liegt schwer auf deiner Brust. Eine Schwere, die den Eingang zu deinem Herzen blockiert. Einige fühlen dort einen gut wahrnehmbaren Schmerz. Einen Schmerz, der aus den Verlusten und Ängsten eines Lebens geboren wurde. Denke nicht über den Schmerz nach, fühle ihn einfach. Öffne dich deinen Gefühlen, erfahre den Schmerz. Vielleicht ist es ein namenloser Schmerz, der dort gewesen ist, seit du denken kannst. Bedenke die Trauer, die du im Herzen fühlst. Werde dir der Mauern bewußt, die du über Jahre aufgebaut hast, um dich vor den schmerzlichen Gefühlen, die dort sitzen, zu schützen. Drücke weiterhin auf den empfindlichen Punkt an deiner Brust. Fühle das Unbehagen und den Schmerz, wenn dein Herz gegen die Finger schlägt. Fühle den Schmerz, atme tief in ihn hinein. Laß deine Finger weiter auf diesen empfindlichen Punkt drücken. Aber hüte dich davor, diesen Schmerz als Bestrafung zQ benutzen. Laß deine Finger die Mauern zerstören, die deine Gefühle von Verlust und Trauer einschließen. Konzentriere deine Aufmerksamkeit wie einen einzigen Lichtstrahl auf das Zentrum deines Schmerzes. Nimm einen tiefen Atemzug, wenn du ausatmest, lasse es zu, tiefer in deine Gefühle zu gehen. Versuche nicht weiter, dein Herz zu schützen.

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Übe weiterhin einen ständigen Druck auf die Mitte deiner Brust aus. Fühle das Leiden, das dort sitzt. Alle Verluste, die du erfahren hast, die Ängste, Unsicherheiten und Selbstzweifel, die dich verfolgen. Fühle die Schmerzen in deinem Herzen, wenn du an die vielen tausend Menschen denkst, die in diesem Moment verhungern. Für das Kind ist es die Trauer, die es fühlt, wenn es die ernährenden Eltern verliert, die ihm das Leben gegeben haben. Für die Eltern ist es die Trauer, die sie fühlen, wenn das Kind ihrer Träume an einem Alptraum, Aids genannt, stirbt. Für jeden von uns ist es die Art, wie Aids unser Leben beeinflußt hat und uns hilflos, zornig und grenzenlos traurig zurückläßt. Überlasse dich deinen Gefühlen. Laß sie die Mauern durchbrechen. Laß den Schmerz in dein Herz hinein. Erlaube deinem Herzen, vollkommen verletzbar zu sein. Hab keine Angst vor dem Schmerz. Schiebe ihn nicht weg. Erkenne die Gefühle, die in deinem Herzen versteckt sind. Öffne dich dem tiefen Schmerz, der dort verschlossen ist. Fühle die Einsamkeit. Fühle den vollständigen Verlust der Kontrolle über Leben und Tod. Den Schmerz beim Verlust einer Liebe. Die Angst vor dem Unbekannten. Den Kampf mit der Aids-Epidemie. Es gibt so viel Trauer in jedem von uns. Ö f f n e dich dieser Trauer. Richte nicht darüber. Erfahre es einfach so, wie es ist. Der unvermeidliche Verlust von allen, die du liebst. Die machtlose Wut, in ein Universum von so unglaublichem Leid hineingeschleudert zu werden. Denke an den Tod deines Gefährten, deiner Eltern, deiner Kinder, deiner Freunde, deines Partners. Fühle die Trauer um alle, die dein Herz bewegt haben mit ihrem Mut und die ihr Leben im Kampf gegen Aids verloren haben. Laß dich deinen Schmerz erfahren. Rechne nichts auf, versuche nicht ihn wegzuschieben. Sieh, was da ist, was du die ganze Zeit mit dir herumträgst. Laß den Druck deiner Finger fest bleiben. Fühle den Schmerz in deinem Herzen. Laß dein Bewußtsein die Mauern durchdringen, die dich von deiner Trauer und deinen Sorgen abgeschirmt haben. Geh in deinen Schmerz hinein. Atme tief in ihn hinein. Wenn du wieder ausatmest, laß deine langbewahrte Trauer dahinschmelzen. Ö f f n e dein Herz diesem Moment. Benutze den Schmerz wie einen Tunnel und gehe durch diesen Tunnel in die Mitte deines Herzens, hinein in ein Universum von Wärme und Schutz. Fühle, wie dein Herz sich ausdehnt. Dein Schmerz, deine Ängste und Verluste bleiben zurück und treiben schwebend im Raum, der voll Mitgefühl ist. Atme in die Mitte deines Schmerzes ... laß ihn gehen. Fühle, wie das Schweregefühl deine Brust verläßt, wenn dein Herz sich jenseits der vergangenen Sehnsüchte und Trauer öffnet. Nimm deine Hände fort und lege sie an deine Seite. Die Mitte deiner Brust kann empfindsam bleiben, als ob eine Öffnung in deinem Herzen wäre. Jeder Atemzug geht in die Wärme und Liebe deines Herzens. Atme in dein Herz ein und wieder aus. Atme langsam in dein Herz.

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Übung mit geschlossenen Augen Die Teilnehmer sollten langsam durch diese Übung geführt werden, mit viel Zeit, um die verschiedenen Teile durchzuführen. Es ist eine Paarübung. Bitte such dir jemanden, mit dem du bis jetzt noch nicht eng zusammengearbeitet hast. Setzt euch einander gegenüber auf Stühle. Einer nimmt ein A, der andere ein B. Gut so. Atme ein paar Mal tief ein und aus, setze dich bequem hin, nimm die Brille ab und löse beengende Kleidung. Fang an, dich zu entspannen und in dein Inneres zu gehen. Wenn du dich ganz entspannt fühlst, schließe langsam die Augen und richte deine Aufmerksamkeit nach innen. Laß deinen Atem voll und leicht fließen. Laß den Rhythmus deiner Atemzüge sich im ganzen Körper ausbreiten und fühle, wie du zur Ruhe kommst. Laß deinen Körper sich ganz entspannen. Fühle, wie du mit dem Atem deinem Körper Lebenskraft gibst. Du nimmst (buchstäblich) Sauerstoff auf für deine Zellen. Du gibst dir jetzt mehr Raum zum Atmen. Während du ausatmest, läßt du immer mehr los, gibst frei, klärst und erweiterst den Raum in dir. Konzentriere dich weiter auf das Atmen und fühle, wie du immer weiter in dich einsinkst. Komm zur Ruhe in dir. Fühle, wie du ein sicheres, sich selbst regenerierendes Zentrum in dir erreichst, das Zentrum deines Wissens, ein Zentrum der Kraft. Laß zu, daß meine Stimme dich tiefer und tiefer in dich selbst hineinführt, ganz langsam, ganz ruhig, immer tiefer. Zurück zu dir selbst. Es ist gut, wieder eins zu sein mit dir selbst. Laß dich tiefer hinab ... ganz langsam, ganz ruhig kommst du zum Zentrum deiner selbst, was das auch für dich sein mag. Fühl dein wirkliches Wesen, tief in deinem Zentrum. Fühle, wer du wirklich bist, wenn du in dich hineingehst. Wenn du nun magst, öffne langsam deine Augen. Und sieh ganz ruhig und freundlich in die Augen dessen, der dir gegenüber sitzt. Bleibt in Verbindung mit eurem Zentrum, seid euch gleichzeitig des anderen und eurer selbst bewußt. Haltet jetzt diese doppelte Sicht. Bleibt in Verbindung mit eurem eigenen Zentrum und euren eigenen Gefühlen. Erlaubt euch, den anderen zu treffen, mit ihm langsam zu verschmelzen. Wenn du merkst, daß du die Konzentration verlierst, daß du den Kontakt mit dir selbst verlierst, schließe langsam die Augen, komm wieder zur dir selbst zurück und öffne dann die Augen, um mit deinem Gegenüber erneut Verbindung aufzunehmen. Wenn du dich daran gewähnt hast, dein eigenes Zentrum zu finden, Kontakt zu halten und die Verbindung wieder aufzunehmen, nachdem du sie verloren hattest, dann mach weiter mit der Übung. Versuche, deine Augen offen zu halten und dich selbst und dein Gegenüber ganz bewußt wahrzunehmen. Wenn du merkst, daß deine Konzentration sich von dir oder deinem Gegenüber löst, richte sie wieder darauf und halte weiter Blickkontakt. Benutze diese Gelegenheit, gleichzeitig mit dir selbst und einem anderen in engem Kontakt zu stehen.

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Und nun möchte ich, daß ihr eure Partner wirklich seht. Und zulaßt, daß ihr erkannt werdet. Du mit dem A, schau dir den Menschen gegenüber an. Sieh, was du schon über diesen Menschen weißt. Was du da weißt, hat nichts mit dem zu tun, was er dir vielleicht einmal erzählt hat. Fühle ihn ganz einfach, beurteile nicht, forsche nicht. Öffne dich einfach deinem Wissen über diesen Menschen. Du mit dem B, was fühlst du, wenn du so gesehen wirst? Wenn jemand da ist, der dich ohne zu urteilen sieht, mit einem Herzen? Wirklich angenommen zu werden? Und nun möchte ich, daß du mit dem A deinen Partner ansiehst und das Kind in ihm erkennst. Sieh den Anteil, der verwundbar ist, der Bedürfnisse hat. Diesen Anteil, der sich manchmal hilflos fühlt, manchmal ganz abhängig. Den Anteil des Menschen, der freudig ist und spielerisch. Das Kindliche in deinem Gegenüber, das lacht und weint. Dies ist auch ein Teil von jedem unserer Klienten, ein Teil, der euch bewußt sein soll, den ihr in Betracht ziehen müßt. Du mit dem B, laß es zu, daß dieser Teil von dir gesehen wird. Merke, wie es ist, diese Seite von dir zu zeigen, ob es tröstlich ist oder angstmachend. Merk dir einfach, was das für eine Erfahrung ist. Und nun, du mit dem A, richte deinen Blick auf den weisen Anteil deines Gegenübers, den starken und zarten, der voller Mitleid ist. Den Teil, der genau weiß, was für sie oder ihn am Besten ist. Den Teil, der seine eigenen Antworten kennt. Du mit dem B, laß zu, daß du mit diesem Teil deiner selbst in Berührung kommst. Fühle deine Kraft, dein Wissen um deine Bedürfnisse in jeder nur möglichen Situation. Wenn ihr jetzt beide bereit seid, schließt langsam eure Augen, laßt euch Zeit und geht in euer eigenes Zentrum zurück. Nun öffnet langsam die Augen wieder und tauscht die Rollen. Anmerkung: Jetzt führt der Übungsleiter beide zurück an den Anfang dieses Abschnitts. Beim zweiten Durchgang ersetzt er den letzten Absatz durch die folgenden. Wenn ihr jetzt beide bereit seid, schließt langsam eure Augen. Kehrt zurück ins Zentrum eures Seins, nehmt wieder Kontakt auf zu eurem Selbst. Ruht einen Moment im Zentrum der Stille. Laßt die Gedanken, die kommen, langsam durch euch hindurchziehen. Nun öffnet eure Augen wieder, und wenn ihr euch danach fühlt, legt eure rechte Hand vorsichtig auf das Herz des Partners. Haltet den Blickkontakt. Fühlt eure Gegenwart. Nehmt Verbindung auf mit euch selbst und dem anderen, erlaubt dem anderen in euer Herz zu kommen. Nehmt nun langsam eure Hand fort. Achtet auf euer Gefühl, wenn ihr euch vom anderen zurückzieht in euren inneren Raum, in euer Selbst. Achtet darauf, wie ihr euch fühlt, und haltet Blickkontakt zu eurem Partner. Bleibt jetzt noch einen Augenblick still sitzen und dann erzählt eurem Partner, wie es für euch war. Nach etwa 5 Minuten fragt der Übungsleiter dann, ob jemand seine Erfahrungen der Gruppe mitteilen möchte.

Vorbeugung Angesichts der Bedrohung durch Aids müssen wir versuchen, zwei verschiedenen, aber miteinander verflochtenen Entwicklungen vorzubeugen: 1. der weiteren Ausbreitung der Krankheit und 2. Panikreaktionen in der Bevölkerung und bei den Behörden. Diese möglichen gefährlichen Entwicklungen können sich wechselseitig verstärken; denn die schnell wachsende Zahl der Aids-Kranken führt leicht zu Angst und irrationalen, kontraproduktiven Maßnahmen, die ihrerseits wieder eine wirksame Vorbeugung verhindern und somit die Infektionsrate noch schneller ansteigen lassen. Ja, die Epidemie und ihre unsachgemäße Bekämpfung können sich gegenseitig so weit hochschaukeln, daß völlig unlösbare soziale und politische Probleme entstehen. Am hoffnungslosen Ende dieser Tragödie würden wir uns alle, ob gesund oder krank, dann in einer unmenschlichen, totalitären Gesellschaft wiederfinden, die keiner gewollt hat. Die Vorbeugung im weiteren Sinne allgemeiner öffentlicher Aufklärung ist zunächst Aufgabe der Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Auch die öffentlich-rechtlichen und die privaten Massenmedien haben hier eine große Verantwortung. Vor allem aber sind die wissenschaftlichen Einrichtungen angesprochen - Universitäten, Institute, Akademien, Wissenschaftszentren und -kollegs, die dafür sorgen müssen, daß alle im Zusammenhang mit Aids auftretenden Probleme antizipiert und rational diskutiert werden. Es ist auf keinen Fall akzeptabel, daß Wissenschaftler die sozialpolitische Prophylaxe einfach den Politikern überlassen, ohne ihnen eine solide Basis für ihre Entscheidungen zu liefern. Jede Universität, die versäumt, entsprechende interdisziplinäre Lehrveranstaltungen einzurichten, ja die sich noch nicht einmal zu einfachen Ringvorlesungen über die juristischen, sozialen, ökonomischen, ethischen und politischen Implikationen der Epidemie aufrafft, verrät ihren Auftrag und macht sich mitschuldig an der allgemeinen Verdrängung, die eines Tages in aufgeschreckter Kopflosigkeit enden muß. Sie macht sich aber auch gegenüber ihren Studenten schuldig; denn diese müssen nicht nur ganz persönlich als Individuen mit Aids umgehen lernen, sondern auch als zukünftige Lehrer, Ärzte, Pfarrer, Rechtsanwälte, Verwaltungsbeamte, Sozialarbeiter und Journalisten. Wenn sie das nicht auf der Universität lernen können, wo sonst? Nun ist allerdings einzuräumen, daß die notwendige aggressive und drastische Aids-Aufklärung auf vielen Seiten erhebliche Widerstände hervorruft. Das liegt nicht nur an ihrem zunächst unvermeidlich deprimierenden Charakter. Schlechte Nachrichten, gleich welcher Art, sind selbstverständlich immer unwillkommen. Die öffentliche Abwehr macht sich aber vorzüglich an zwei praktischen Aspekten der

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Aufklärung fest: Ihre Eindringlichkeit wird leicht als ,,Panikmache" verteufelt, und ihre sexuelle Eindeutigkeit wird als „Pornographie" abgelehnt. Die Feststellung Michael Schirners in der „ Z e i t " vom 20. Februar 1987 („Die Zeit" 9/ 1987) trifft zu: „Werbung gegen Aids muß immer Werbung für Sex sein, nur dann kann sie wirken." Für Fachleute unterliegt es jedoch keinem Zweifel mehr, daß wir, einer Pandemie gegenüberstehen. Allein für die USA etwa haben Gesundheitspolitiker bis 1991 über eine Viertelmillion Aids-Kranke vorhergesagt mit jährlich über 50000 Toten. Die Zahl der symptomfreien Infizierten und Infektiösen wird dann bei vielen Millionen liegen, und entsprechend groß wird das weitere Ausbreitungspotential der Krankheit. Die Zahlen für die Bundesrepublik Deutschland und Europa hinken dabei den amerikanischen nur um ein paar Jahre hinterher. Wer unter diesen Umständen heute noch bei der Vorbeugung zögert oder sich nur zu halbherzigen Gesten durchringt, der ist willentlich taub und blind. Es ist außerdem zu bedenken, daß die meisten Aids-Kranken der nächsten 5-7 Jahre heute schon infiziert sind. Für sie kommt jede Infektions-Vorbeugung zu spät. Die lange Inkubationszeit von Aids bringt also noch eine weitere Erschwerung für die Prophylaxe mit sich: Auch eine heutige, hundertprozentig erfolgreiche Vorbeugung könnte erst frühestens in 5-7 Jahren erkennbare Resultate bringen. Bis dahin wird die epidemiologische Kurve auf jeden Fall weiter ansteigen. Mit anderen Worten - auf kurze Sicht ist die Epidemie durch nichts und niemanden mehr beeinflußbar. Nur auf lange Sicht eröffnen sich gewisse Hoffnungen, wenn jetzt sofort und massiv vorgebeugt wird. Wenn jedoch die Vorbeugung weiterhin, so wie bisher, nur langsam, zaghaft und sporadisch betrieben wird, dann besteht die Gefahr, daß der „öffentliche Geduldsfaden" allzu bald reißt und daß dann unsinnige Zwangsmaßnahmen ergriffen werden, die alles nur verschlimmern. Es wird schon schwierig genug sein, die Öffentlichkeit auf ein Ziel zu vertrösten, das weit entfernt in der Zukunft liegt. Wenn aber die verschiedenen Vorbeugungsprogramme auch nach dieser Wartezeit immer noch keine Wirkung zeigen, so wird der kollektive „Marsch der Torheit" wohl nicht mehr aufzuhalten sein, und er wird dann mit zwangsläufiger Selbstbeschleunigung zum Galopp in die Katastrophe. Leider ist unser heutiges Gesundheitswesen als Ganzes kaum ausreichend auf eine Vorbeugung eingerichtet. Unsere hochtechnisierte „Intensivmedizin" wartet darauf, bei Krankheiten einzugreifen; die Aufgabe, Gesundheit zu erhalten, wird vielerorts als nichtärztlich empfunden. Hier ist für die Zukunft ein erheblicher Wandel nötig. Ansätze für diesen Wandel sind erfreulicherweise vorhanden und müssen so schnell wie möglich ausgebaut werden. Was speziell Aids angeht, so könnte die Ärzteschaft passende Fortbildungskurse organisieren, in denen sie dann verschiedene Vorbeugungsstrategien erarbeitet - einschließlich der sexuellen Verhaltensänderung. Aber auch andere Berufsgruppen, wie etwa klinische Psychologen und Sozialarbeiter, können und müssen hier aktiv werden.

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Inzwischen ist allerdings die Befürchtung laut geworden, daß der Arzt als „Halbgott in Weiß" zum Orwellschen „großen Bruder" werden könnte, der nun auch noch die letzten, intimsten seelischen Ecken seiner Patienten ausleuchtet und ihnen unter dem Vorwand der Prophylaxe das Sexualleben „partialisiert, schabionisiert und kondomisiert". Schon eine genaue Sexualanamnese wäre demnach ein überflüssiges, ja gefährliches „schamloses Gerede". Damit kommen wir zum zweiten Einwand gegen praktische Vorbeugungsmaßnahmen, nämlich dem, sie seien ein bloßes „Antrainieren pseudoperverser Techniken", würden dem „Subjekthaften des Sexuellen" nicht gerecht und zerstörten das „Mysterium der Liebe". Daran ist soviel richtig, daß bei vollständiger Aufklärung keine menschliche Sexualpraktik mehr mysteriös bleiben darf, wenn ein Patient in die Lage versetzt werden soll, sie auf ihr Infektionsrisiko zu überprüfen. Dies heißt aber nicht, daß er in ein für ihn unbequemes Verhaltenskorsett gepreßt, einer fremden Norm unterworfen und „zwangsangepaßt" werden soll. Im Gegenteil kommt es darauf an, mit ihm zusammen ehrlich nach Alternativen zu suchen, die ihm ganz persönlich ein Maximum sexueller Erfüllung verschaffen, ohne daß er ein Ansteckungsrisiko eingeht. Das geht schon allein aus der Enstehung der „Safer Sex"-Kampagne hervor, die ja nicht „von oben" oder von der sexuellen Mehrheit kam. In San Francisco waren es zunächst schwule Ärzte, die als Antwort auf die Bedrohung durch Aids das Konzept des „ansteckungssicheren Sex" entwickelten und - in Zusammenarbeit mit örtlichen Schwulenorganisationen - entsprechende Leitlinien verfaßten. Nach anfänglichem behördlichen Widerstand wurde dieses in Bürgerinitiativen entstandene Selbstschutzkonzept dann offiziell von der San Francisco Aids Foundation übernommen und weithin propagiert. Es ist im Interesse der historischen Wahrheit wichtig, diesen Sachverhalt ein für alle Mal klarzustellen, denn er stellt ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Schwulenbewegung dar. Es waren amerikanische schwule und bisexuelle Männer, die unter den ersten Opfern von Aids - auch als erste ein praktisches Vorbeugungsprogramm entwickelten und für sich selber durchsetzten. Damit haben sie der übrigen Welt ein Beispiel gegeben und ein Modell geliefert, das nun überall nachgeahmt werden kann. Dabei geht es natürlich nicht darum, dies oder die anderen hier vorgestellten Modelle sklavisch zu kopieren, sondern allein darum, sie als praktische Anstöße für eigene Schöpfungen zu gebrauchen. Die Aufgabe einer Vorbeugung gegen Aids ist so monumental, so dringend und so vielfältig, daß auch die mit erheblichem Vorsprung arbeitenden Amerikaner Mühe haben, Schritt zu halten. Selbst die gut finanzierten, umfassenden Programme San Franciscos sind unzulänglich und decken bestenfalls Teilbereiche ab. U m aber überhaupt einige konkrete Beispiele vorzustellen, die vielleicht schnell für mitteleuropäische Verhältnisse zu adaptieren sind, folgen hier vier Dokumentationen. Die erste illustriert eine vorbeugende Aufklärung am Arbeitsplatz, die zweite beschreibt ein Gesunderhaltungsprogramm für besorgte Gesunde, aber auch Kranke,

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das dritte stellt eine praxisorientierte Diskussionsmethode für „Safer Sex" vor, und zuletzt werden einige Versionen der „Safer Sex"-Leitlinien der San Francisco Aids Foundation abgedruckt.

Aids-Aufklärung im Betrieb Eine HIV-Infektion bedeutet nicht unbedingt Aids. Infizierte können lebenslang gesund bleiben, und selbst, wenn sie nach mehreren Jahren erkranken, so muß das nicht zu Arbeitsunfähigkeit führen. Ihre verschiedenen gesundheitlichen Probleme können als sogenannte Aids-bezogene Zustände (ARCs) relativ leicht erträglich sein, so daß die Arbeit nicht darunter leidet. Aber auch ein gelegentlicher Krankheitsurlaub muß ja nicht jeden Betrieb so belasten, daß ihm nur die Wahl der Entlassung bleibt. Sie kann im Endeffekt sogar teurer sein als der periodische, kurze Ausfall eines bewährten Mitarbeiters, dessen Erfahrungen insgesamt der Firma nach wie vor zugute kommen. Ja, auch Aids-Kranke können in vielen Fällen noch lange Zeit produktiv an ihrem gewohnten Arbeitsplatz eingesetzt werden. Voraussetzung für all dies ist allerdings die klare Einsicht der Betriebsführung und Belegschaft, daß Aids im alltäglichen Umgang nicht übertragen werden kann, und daß es folglich keinen vernünftigen Grund gibt, vor HlV-infizierten Kollegen Angst zu haben. Ein Risiko bestünde nur beim „Fixen" mit ungesäuberten, gemeinsam benutzten Nadeln und beim Geschlechtsverkehr, aber diese Aktivitäten gehören ohnehin nicht auf das Betriebsgelände. In den USA wird eine chronische Erkrankung (auch an Aids) generell einer Körperbehinderung gleichgesetzt und unterliegt so dem Schutz gegen Diskriminierung. Allerdings ist diese Regelung selbst auf nationaler Ebene weitgehend durchlöchert und nicht mehr eindeutig. Es gibt inzwischen viele Fälle von ungerechtfertigten Entlassungen Aids-Kranker. Diese versuchen dann auf dem Weg der gerichtlichen Klage, ihre Stellung zurückzuerhalten, und haben dabei manchmal Erfolg. In nicht wenigen Fällen aber sterben sie, bevor ihre Prozesse entschieden sind. Um solchen Tragödien vorzubeugen, haben einige amerikanische Städte besondere Verordnungen erlassen, die jede Diskriminierung wegen Aids verbieten, sowohl durch Arbeitgeber als auch durch Hausbesitzer. In San Francisco ist man aber noch weiter gegangen und hat ein positives Pionierprojekt entwickelt, das solchen unerfreulichen Auseinandersetzungen vorbeugt. Besonders einige große Gesellschaften wie BankAmerika, Levi Strauss, Standard Oil und Apple Computers versuchten von sich aus, ihre Arbeiter und Angestellten aufzuklären und nahmen dabei die Dienste der San Francisco Aids Foundation in Anspruch. Diese Initiativen führten dann zur Entwicklung eines Modellprogramms, das im folgenden vorgestellt wird. Der entscheidende Punkt ist dabei der Wille der Betriebsspitze (Direktorium, Aufsichtsrat), das Problem Aids rational und direkt anzugehen, und vor allem die Bereitschaft, für die notwendige eigene Aufklärung auch zu bezahlen. So ergibt sich eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und Gesundheits-

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behörden, die beiden Seiten nützt, besonders aber den HlV-Infizierten und möglichen ARC- oder Aids-Patienten. Dieses hervorragende Modell sozialpolitischer Vorbeugung ermöglicht im Krankheitsfall humane, allerseits akzeptable Lösungen und bewahrt so den Arbeitsfrieden. Es ist natürlich auch volkswirtschaftlich auf längere Sicht das einzig gerechte und deshalb richtige Vorgehen, und so kann man es nur überall zur Nachahmung empfehlen. Die hier vorgestellten Texte sind zwei Handbüchern der San Francisco Aids Foundation entnommen, die sie in Zusammenarbeit mit mehreren örtlichen Großbetrieben entwickelt hat. Im Regelfall dienen diese Handbücher der Vorbereitung und Abstützung besonderer Aufklärungskurse, für die eigene Teams in die Betriebe entsandt und von diesen bezahlt werden.

Handbuch für die Betriebsleitung Vorwort Die Materialien, aus denen das Aufklärungsprogramm „Aids am Arbeitsplatz" besteht, sind das Ergebnis einer bemerkenswerten partnerschaftlichen Bemühung etlicher Firmen- und nichtkommerzieller Organisationen. Die „Business Leadership Task Force of the Bay A r e a " , ein Zusammenschluß von Leitenden Angestellten der bedeutendsten Gesellschaften Nordkaliforniens, wollte andere Organisationen über wirkungsvolle Methoden des Umgangs mit der Aids-Epidemie am Arbeitsplatz informieren. Mitglieder der Coro Foundation übernahmen den Auftrag, Gesellschaften mit Erfahrung auf diesem Gebiet zu befragen, und produzierten ein Handbuch, daß ihre Ergebnisse zusammenfaßte. Zur gleichen Zeit erarbeitete die San Francisco Aids Foundation mit finanzieller Unterstützung der wichtigsten Firmen Arbeitsmaterialien, um Führungskräfte sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor zu Aids-Aufklärung am Arbeitsplatz zu veranlassen. Um die dabei gewonnenen Informationen, die Veröffentlichungen und Videobänder zu verbreiten, finanzierte die Business Leadership Task Force eine größere Konferenz zum Thema „Aids am Arbeitsplatz", die am 21. März 1986 stattfand und bei der diese neuen Unterlagen der Öffentlichkeit übergeben wurden. Epidemien sind außerordentliche Herausforderungen an die Menschheit und bringen unvermeidlich ebenso die besten wie die schlechtesten menschlichen Charakterzüge ans Licht. Wir möchten mit diesen Arbeitsunterlagen den Unternehmen helfen, mit der Aids-Epidemie in einer Weise umzugehen, die verantwortungsbewußt und ökonomisch machbar ist und die die Betonung auf das Leben legt.

Wie man dieses Programm anwendet „Arbeitnehmer mit einer lebensgefährlichen Erkrankung wie Aids brauchen fortgesetzt Rücksichtnahme und Fürsorge. Eine derartige Krankheit wirkt sich nicht nur auf den Arbeitnehmer selbst und seine Familie aus, sondern auch auf den Betrieb und seine Mitarbeiter und das gesamte Gemeinwesen. Unternehmen wie Kommunen müssen eine Politik zur Bewältigung dieser Herausforderung entwickeln, die auf der Höhe der Zeit und aufgeklärt ist." - Robert N. Beck, Executive Vice President der BankAmerika. „Aids - Education in The Workplace", herausgegeben von der San Francisco Aids Foundation mit finanzieller Unterstützung der Firmen Pacific Telesis, Levi's, Mervyn's, BankAmerica, Wells Fargo, AT&T und Chevron, San Francisco 1986

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Einleitung Viele der wichtigsten Unternehmen Amerikas haben eine Führungsrolle bei der Entwicklung und Umsetzung von Grundsätzen und Aufklärungsprogrammen zur wirkungsvollen Auseinandersetzung mit Aids am Arbeitsplatz übernommen. Diese Firmen stehen auf dem Standpunkt, daß Aids eine lebensgefährliche Krankheit wie Krebs ist, und sie gehen damit um, wie sie sie es mit jeder anderen lebensgefährlichen Krankheit auch tun würden. Auf diese Weise sorgen diese Betriebe dafür, daß Aids-Kranke von den Vorgesetzten mit Einfühlungsvermögen und wie die anderen Arbeiter und Angestellten behandelt werden. Sie unterstützen damit die Auffassung, die von den Centers For Disease Control (CDC) vertreten wird, daß nämlich Aids-infizierte Arbeitnehmer kein Risiko für ihre Kollegen am Arbeitsplatz darstellen. Aids-Kranke und Kranke, die an anderen schweren Krankheiten leiden, möchten häufig möglichst viele ihrer normalen Tätigkeiten fortsetzen, die berufliche Arbeit eingeschlossen. Dem Wunsch, ihren Arbeitsplatz zu behalten, wird bei diesen Menschen so lange nachgekommen, wie sie noch akzeptable Leistungsansprüche erfüllen können und so lange die medizinischen Befunde erkennen lassen, daß ihnen eine Fortsetzung der Arbeit noch zuzumuten ist. Die Unternehmer werden dazu angeregt, ihre Führungskräfte und Arbeitnehmer über Aids zu unterrichten, die Bedürfnisse von Aids-infizierten Mitarbeitern in Rechnung zu stellen, Sorgen und Ängste in bezug auf Aids zu vermindern, gängigen Gerüchten über diese Krankheit den Wind aus den Segeln zu nehmen und eine rationale, menschliche Linie zu vertreten. Levi Strauss & Co, Pacific Telesis Foundation, Mervyn's, BankAmerika Foundation, Wells Fargo Foundation, AT&T sowie die Chevron Corporation haben die Erarbeitung dieses Programmpaketes „Aids-Aufklärung am Arbeitsplatz" durch die San Francisco Aids Foundation finanziert. Es soll Führungskräfte, Mitarbeiter von medizinischen und Sozialabteilungen sowie andere im privaten oder öffentlichen Bereich Tätige in die Lage versetzen, erfolgreich mit den Auswirkungen von Aids auf das Berufsleben umzugehen. Bestandteile des Programms Das Programm besteht aus einer Videokassette, diesem Handbuch, Begleitmaterial sowie dem von der Business Leadership Task Force of the Bay Area hergestellten Heft „Aids am Arbeitsplatz" nebst Anhang. Es ist ein in sich geschlossenes Programm, zu dem nicht weitere Materialien herangezogen werden müssen. Es soll Entscheidungsträger, leitende Angestellte und Arbeitnehmer mit sachlichen Informationen über Aids versorgen, soll zu den Befürchtungen Stellung nehmen, die immer im Zusammenhang mit einer neuen Krankheit auftreten, soll irrationale und störende Reaktionen vermindern und ein stabiles Arbeitsklima fördern, wenn das Aids-Problem den Arbeitsplatz erreicht.

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Im einzelnen besteht das komplette Paket „Aids-Aufklärung am Arbeitsplatz" aus folgendem Material: 1. Ein Videofilm von 23 Minuten mit dem Titel ,,An Epidemie Of Fear: AIDS In The Workplace", produziert vom Corporate Television Department of Pacific Bell mit technischer Unterstützung durch die medizinische Fakultät der Universität San Francisco, durch das San Francisco General Hospital und die San Francisco Aids Foundation. (Anm.: Diese Kassette ist nicht in deutscher Sprache verfügbar.) 2. Eine Broschüre mit dem Titel „Aids am Arbeitsplatz: ein Leitfaden für Arbeitnehmer", die die San Francisco Aids Foundation zusammengestellt hat (ist in diesem Buch abgedruckt). 3. Ein Quellenhandbuch für Entscheidungsträger in Unternehmen, für medizinische Abteilungen, für die Mitarbeiter der Personalverwaltung u.ä. mit dem Titel „Aids am Arbeitsplatz". Es wurde von Mitgliedern der Coro Foundation für die Business Leadership Task Force zusammengestellt und stellt entsprechende Grundsätze und Vorgehensweisen in bezug auf Aids am Arbeitsplatz zusammen, die auf den Erfahrungen zahlreicher Unternehmer basieren (hier nicht abgedruckt). 4. Dieses Handbuch „Aids-Aufklärung im Betrieb: ein Wegweiser für die Betriebsleitung". Die darin enthaltenen Informationen gelten für die gesamte Bandbreite typischer Arbeitsplatzbedingungen in Betrieben oder Verwaltung, ausgenommen vielleicht bestimmte Bereiche in Krankenhäusern oder in der Justiz bzw. Polizei, wo mitunter hohe untypische Risiken auftreten können. Vorgehensweise bei der Anwendung dieses Programms In erster Linie ist das Programm für Entscheidungsträger gedacht. Darüber hinaus können Sie natürlich nach Ihren innerbetrieblichen Vorgaben festlegen, wann und für wen das Programm eingesetzt wird. Wenden Sie es an, bevor Aids tatsächlich ein Problem geworden ist, dann bereitet Ihr Betrieb seine Führungskräfte in angemessener, ruhiger und sachlicher Art und Weise auf die Auseinandersetzung mit den Aids-Sorgen der Belegschaft vor. Sollte dann Aids konkret in Ihrem Betrieb auftauchen, gibt es bereits ein Programm, bei dem man ansetzen kann. Wenn ein Arbeitnehmer unter dem Verdacht steht, Aids zu haben oder infiziert zu sein, kann eine Welle von Furcht, Panik und Verwirrung in die Abteilung schwappen. In dieser Situation kann das Programm helfen, die Ängste, das krankhafte Mißtrauen und die Störungen zu beseitigen. Das Programm vermag dem Schock und dem Trauma einer Aids-Diagnose am Arbeitsplatz entgegenzuwirken. Die unmittelbaren Kollegen eines Mitarbeiters, bei dem Aids diagnostiziert wurde, bedürfen möglicherweise sofortiger Unterstützung, und dieses Programm kann die dazu notwendigen Informationen liefern.

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Diejenigen Betriebe, die Aufklärungsprogramme über Aids am Arbeitsplatz entwickelt und durchgeführt haben, machten die Erfahrung, daß vorbeugende Aufklärung am besten wirkt und am wenigsten stört. Wie Sie das Programm einsetzen, wird jedoch von Ihrer Firmenpolitik und Ihrem Stil der Betriebsführung abhängen. Der nächste Abschnitt „Grundlegende Fakten" wird Sie mit den Basisinformationen vertraut machen, die Sie zu Aids brauchen. In den dann folgenden Abschnitten wird erklärt, was Sie selbst über Aids am Arbeitsplatz wissen müssen und was Sie anderen in Ihrem Betrieb mitteilen sollten. Abschnitt V bringt ein Modell für die Aufklärung der Arbeitnehmer und Abschnitt VI gibt häufig gestellte Fragen zu Aids mit den zugehörigen Antworten wieder.

Grundlegende Fakten „Die Art des nichtsexuellen interpersonalen Kontakts, wie er im allgemeinen zwischen Arbeitnehmern und Kunden oder Verbrauchern am Arbeitsplatz üblich ist, stellt kein Risiko einer Übertragung (des Aids-Virus) d a r . " - Centers for Disease Control, „AIDS In The Workplace Guidelines", 1985 Hintergrund Die Grundtatsachen zu Aids werden in diesem Handbuch häufig wiederholt. Fachleute, die sich in den vergangenen Jahren mit Aids-Aufklärung befaßt haben, stellten fest, daß dies oft sogar für Menschen, die mit medizinischen Fragen vertraut sind, erfoderlich ist. Deshalb sind die Wiederholungen dazu gedacht, Ihnen zu helfen. Die vielleicht wichtigste Tatsache in bezug auf Aids ist, daß man inzwischen überhaupt eine Menge über diese Krankheit weiß. Seit 1981 muß jeder Fall von Aids-Diagnose irgendwo in den USA der Centers for Disease Control in Atlanta gemeldet werden. Wissenschaftliche Untersuchungen haben nachträglich Fälle bis 1977 zurückverfolgt, das heißt bis vor den Zeitpunkt, zu dem überhaupt der Begriff „ A i d s " geprägt war. Erhebliche Energie und erhebliche Kosten wurden in die Bemühungen gesteckt, etwas über diese Krankheit zu lernen, vor allem über die Übertragungswege. Zahlreiche epidemiologische Studien wurden in den Vereinigten Staaten durchgeführt, um festzustellen, wie der einzelne Aids-Patient sich die Krankheit zugezogen hat. Tausende von Patienten haben sich freiwillig für diese Untersuchungen zur Verfügung gestellt. Als Ergebnis dieser Forschungen ist nun viel über die Herkunft der Krankheit bekannt, über ihre Ursache, wie sie im menschlichen Körper wirkt und wie sie verbreitet oder eben nicht verbreitet wird. Was allerdings nicht bekannt ist, das ist eine Heilmethode für Aids.

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Aus der Sicht eines Menschen, dem eine Aids-Diagnose gestellt wurde, ist das Ausmaß der wissenschaftlichen Erkenntnisse wenig befriedigend. Aus der Sicht des nicht infizierten Teils der Bevölkerung ist es jedoch hinreichend, um zu wissen, wie die Krankheit sich verbreitet und wie sie vermieden werden kann. Die in diesem Handbuch und im Beiheft für Arbeitnehmer sowie auf der Videokassette vermittelten medizinischen Fakten sind nach bestem Wissen wiedergegeben. Ursache und Ursprung von Aids Aids wird von einem Virus verursacht, das HIV genannt wird (früher HTLV-III oder LAV oder ARV). Man nimmt allgemein an, daß das Virus ursprünglich in den Ländern Zentralafrikas, etwa Uganda und Zaire, während des Jahres 1970 oder sogar früher entstanden ist. Es breitete sich dann Ende der siebziger Jahre von diesen Ländern nach Europa und den Vereinigten Staaten aus. (Anm.: Diese These ist heute heftig umstritten.) Drei Theorien über die Entstehung des Virus werden vertreten. Obwohl sie für die Frage des Vorgehens an amerikanischen Arbeitsplätzen nicht wichtig sind, stellen sie doch interessante Hintergrundinformationen dar. Man stellt sich vor, daß das Virus entweder - erste Theorie - als eine Mutation eines schon vorher existierenden gutartigen Virus entstanden ist; oder daß es - zweite Theorie - nur in einer sehr abgelegenen und isolierten Population existierte, die sich im Laufe der Zeit an das Virus angepaßt hatte; es wäre dann auf andere übertragen worden, als diese infizierte Population durch Bürgerkrieg, Hungersnot oder andere Katastrophen gezwungen wurde, in andere Gebiete zu flüchten und mit anderen Populationen in Kontakt zu treten; oder aber - dritte Theorie - daß das Virus vorher nur in Tieren existiert habe (die ,,Grüne Meerkatze" wird in erster Linie verdächtigt) und irgendwann von den Tieren auf Menschen übertragen wurde. (Anm.: In jüngster Zeit wird auch die These diskutiert, das Virus sei eine Laborzüchtung bzw. Ergebnis genetischer Manipulation.) Glücklicherweise ist das Virus außerhalb des menschlichen Körpers sehr empfindlich und kann nicht leicht von einer Person auf die andere übertragen werden. Wie das Virus im Körper wirkt Wenn das Virus in den Körper gerät und seinen Weg in den Blutkreislauf findet, kann das allerdings vernichtende Auswirkungen haben. Es sucht im Blut nach einer besonderen Form der weißen Blutkörperchen, die wesentlich für das Funktionieren des Immunsystems sind. Diese besonderen Zellen werden ,,T-Helferzellen" oder ,,T-Helfer-Lymphozyten" genannt, und eine ihrer Aufgaben ist es, das Immunsystem im Falle eines Angriffs durch eingedrungene Erreger zu „dirigieren". Das Virus heftet sich an die Oberfläche der Lymphozyten und dringt in den Zellkörper ein. Es bildet ein Enzym namens ,,reverse Transkriptase", das den Träger des genetischen Codes, die DNS, der Lymphozyten umprogrammiert. Die Lympho-

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zyten verlieren ihre Funktion im Immunsystem und werden stattdessen eine Produktionsstätte für Aids-Viren. Das Virus vermehrt sich innerhalb der Lymphozyten, die es im Verlauf dieses Vorgangs schließlich tötet. Die neu entstandenen Viren verlassen die Lymphozyten und suchen sich neue Lymphozyten, in denen der Vermehrungsprozeß fortgesetzt werden kann. Wenn das Virus sich weiter vermehrt, verliert der Körper eine zunehmende Zahl von Lymphozyten, wobei langsam die Funktionsfähigkeit des Immunsystems abnimmt. Der Körper ist nicht in der Lage, große Mengen von neuen Lymphozyten zu bilden, die die durch das Virus verlorenen ersetzen könnten. Normalerweise haben die Lyphozyten eine Lebensdauer von 25 Jahren. Insofern kann die Inkubationszeit für Aids, also die Zeit zwischen dr Infektion und der Entwicklung von Symptomen , mehrere Jahre dauern, während das Virus langsam die Lymphozyten zerstört und damit das Immunsystem aktionsunfähig macht, das den menschlichen Körper vor Krankheiten schützt. Opportunistische Infektionen Bei Aids-Patienten sind eine ganze Reihe von Krankheiten bekannt, die die Gelegenheit (lat.: opportunitas) eines beschädigten Immunsystems nutzen. Sie werden deshalb häufig „opportunistische Infektionen" genannt. Am besten bekannt sind das Kaposi-Sarkom, eine Form von Hauttumoren, und die Pneumocystis-Pneumonie, eine von einem Protozoon verursachte Lungenentzündung. Es sind gerade diese opportunistischen Krankheiten, die eine Aids-Infektion signalisieren. Die Centers for Disease Control haben eine klar definierte Liste solcher Krankheiten zusammengestellt, die eine Aids-Diagnose nahelegen. Zustände, die der von den Centers for Disease Control gegebenen Definition von Aids nahekommen, jedoch nicht alle Kriterien erfüllen, werden etwas vage als ,,Aids-bezogene Zustände" (engl.: Aids-related Conditions, ARC) bezeichnet. ARC ist nicht unbedingt ein weniger ernster medizinischer Zustand als Aids selbst. Man kann unmöglich eine Aids-Diagnose durch bloßes Ansehen eines Patienten stellen. Nur ein Arzt kann Aids diagnostizieren und auch er braucht die Unterstützung durch Labortests. Wie das Virus übertragen wird In Erweiterung des in der Broschüre „Aids am Arbeitsplatz, ein Leitfaden für Arbeitnehmer" Gesagten können die Wege, auf denen das Aids-Virus von einer Person zur anderen übertragen wird, wie folgt beschrieben werden: 1. Sexualverkehr mit einem Menschen, der mit dem Aids-Virus infiziert ist. Aids ist eine im Wesentlichen sexuell übertragene (venerische) Krankheit. Samen kann das Virus verbreiten. Auch Vaginalflüssigkeit kann das Virus übertragen. Männer sind zwar wirkungsvollere Virusvermittler als Frauen, aber nicht nur sie können beim Sex das Virus auf Frauen übertragen, son-

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dern Frauen können auch ihre männlichen Sexualpartner damit anstecken. Wie in allen Fällen von sexuell übertragenen Krankheiten verhindert die richtige Anwendung von Kondomen eine Übertragung. Obwohl sexuelle Übertragung von Aids erheblich verbreiteter unter H o m o sexuellen als unter Heterosexuellen gewesen ist, gibt es aber auch immer wieder Fälle von Aids-Übertragung während des Sexualverkehrs unter Heterosexuellen. Etwa in drei Viertel aller Aids-Fälle in Amerika wurde das Virus sexuell zwischen schwulen oder bisexuellen Männern übertragen. Nur etwa ein Prozent geht auf das Konto sexueller Übertragung zwischen Männern und Frauen. 2. Gemeinsame Benutzung von intravenösen Spritzen mit einer infizierten Person bei Drogenkonsum. Dabei kann das Virus direkt in die Blutbahn des Benutzers geraten. Über 17 Prozent aller Aids-Fälle in den U S A gehen zu Lasten von gemeinsam benutzten intravenösen Nadeln. Es m u ß darauf hingewiesen werden, daß eine Übertragung durch Injektionsnadeln nicht auf Drogenabhängige oder sozial deklassierte ,,Fix e r " begrenzt ist. Gelegentlicher oder „ F r e i z e i f ' - K o n s u m von intravenösen Drogen ist verbreiteter, als man im allgemeinen annimmt, und kann die Grundlage f ü r eine Nadel-Übertragung von Aids sein. 3. Injektion von verseuchten Blutprodukten, wie zum Beispiel bei einer Bluttransfusion. Dieser Übertragungsweg sollte nicht mehr vorkommen, weil seit 1985 generelle Untersuchungsprogramme („Screenings") für Blutkonserven eingeführt wurden. Nur etwa zwei Prozent aller Aids-Fälle in den Vereinigten Staaten sind auf Blutransfusionen zurückzuführen, obwohl jeder Fall einen großen Wirbel in der Presse verursacht. Auf diesem Wege haben sich in der Vergangenheit auch Hämophile („Blut e r " ) infiziert, die aus medizinischen Gründen sich selbst ein Blutgerinnungsmittel spritzen müssen, das Faktor VIII heißt und aus dem Blut anderer Menschen hergestellt wird. Es m u ß betont werden, daß es f ü r den Spender nie ein Ansteckungsrisiko f ü r Aids durch Blutspenden gegeben hat. Unglücklicherweise haben viele Menschen aus Furcht vor Aids mit dem Spenden von Blut aufgehört, und die Vorräte vieler Blutbanken sind ungewöhnlich geschrumpft. Es gibt kein Risiko f ü r den Blutspender bei einer Blutbank. 4. Eine mit Aids infizierte Frau, die schwanger wird oder stillt, kann das Virus an das Baby weitergeben. All diesen vier Wegen gemeinsam ist die intimste Art menschlichen Kontakts. Alle verlangen ein gewisses M a ß von bewußter Interaktion. Intimere Begegnungen als die beschriebenen sind schwer vorstellbar. Auch nach all diesen Jahren der Untersuchung an Tausenden von Fällen ist kein anderer Übertragungsweg gefunden worden. Deshalb kann man guten Gewissens zu seinen Mitarbeitern sagen: „Sie können Aids nicht bei der Arbeit bekommen, es sei denn Sie tun dort etwas, w o f ü r Sie nicht bezahlt w e r d e n . "

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Woher wissen wir, daß daß dies die Übertragungswege sind? Jeder gemeldete Fall einer Aids-Erkrankung in den USA wurde sorgfältig auf die möglichen Übertragungswege analysiert, über die sich der Patient die Krankheit zugezogen haben könnte. Jeder Patient wurde über Wege, über die er dem Virus ausgesetzt gewesen sein könnte, befragt. Zusätzlich wurden Untersuchungen über längere Zeit an großen Gruppen von Freiwilligen durchgeführt, von denen einige die Krankheit hatten, andere nicht, die aber alle Mitglieder von Hauptrisikogruppen waren. Riskante Aktivitäten wurden aufgezeichnet und statistisch zu einander in Beziehung gesetzt. Diese epidemiologischen Studien wurden von unabhängigen Forschungsteams in verschiedenen Städten vorgenommen. Das gesammelte Datenmaterial jeder Gruppe mit Tausenden von Teilnehmern wurden sorgfältig analysiert. Die Ergebnisse all dieser separaten Forschungs- und Analyseprojekte waren von schlagender innerer Übereinstimmung. Wir können nun darauf vertrauen, daß die Übertragungswege identifiziert sind. Das Aids-Virus kann nicht durch die Luft übertragen werden. Niesen, Atmen oder Husten verbreiten Aids nicht. Berühren, Schmusen, Umarmen oder Händeschütteln führen nicht zu einer Aids-Übertragung. Keine Aids-Erkrankung entstand aus einem flüchtigen Kontakt. Kein Mitarbeiter im Gesundheitswesen, etwa Ärzte, Schwestern, Zahnärzte oder Pfleger hat sich mit Aids bei der routinemäßigen Versorgung von Aids-Patienten angesteckt. Sogar wenn Kinder mit einem Bruder oder einer Schwester, die mit Aids infiziert waren, gespielt hatten oder gegessen, geschlafen, sich geküßt und gebalgt hatten, hat keines sich mit Aids angesteckt. Niemand hat sich jemals bei der Arbeit Aids zugezogen, auch nach all diesen vielen Jahren nicht. Desungeachtet werden Sie feststellen, daß Mediziner selten, wenn überhaupt, in Begriffen von absoluter Gewißheit sprechen. Ärzte und medizinische Forscher sind geübt, ausschließlich in Begriffen von Wahrscheinlichkit zu reden. Folgerichtig wird ein Arzt traditionsgemäß z.B. sagen, es gebe „keinen Hinweis" dafür, daß eine bestimmte Sache eintrete, statt einfach zu sagen: „Es wird nicht passieren". Diese Tradition ist für die Öffentlichkeit oft eine Quelle von Verwirrung und Unsicherheit in bezug auf Krankheiten. Wir haben es vorgezogen, in diesen Texten eine konventionellere Sprache zu sprechen. Wir haben uns auch entschlossen, in diesem Text durchweg den Gebrauch von medizinischem Jargon einzuschränken und die Alltagssprache zu verwenden, wo immer das möglich war.

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Was ich selbst wissen sollte, bevor ich die Mitarbeiter über das Thema Aids im Betrieb aufkläre „Flüchtige Kontakte mit Speichel oder Tränen führen nicht zu einer Infektionsübertragung." - Centers for Disease Control, 1985 Ihre Rolle Als derjenige, der die Aids-Aufklärung am Arbeitsplatz durchführt, geraten Sie zwangsläufig in die Rolle einer betrieblichen Informationsquelle, die über die Antworten auf Fragen zu Aids verfügt. Sie werden sich die Zeit nehmen müssen, die Aids-Fakten zu lernen, so daß Sie verantwortlich, rational, klar und präzise Auskunft geben können. Es ist wichtig, daß Sie das Gespräch mit Institutionen in Ihrem Bezirk suchen, die über Informationen zu Aids verfügen, damit Ihre Kenntnisse auf dem neuesten Stand bleiben. Sie müssen sich vertraut machen mit den üblichen Fragen und Ängsten, die die Menschen in bezug auf Aids haben (siehe dazu auch den Abschnitt „Fragen und Antworten"). Und Sie müssen unbedingt Ihre eigenen Gefühle und Einstellungen zu Aids verstehen, so daß Sie objektiv bleiben können, wenn Sie sich mit den Sorgen anderer Menschen auseinandersetzen. Die Tatsachen Die Centers for Disease Control in Atlanta haben im November 1985 Leitlinien zum Thema Aids am Arbeitsplatz herausgegeben, in denen ausgeführt wird, daß „die Art des nichtsexuellen interpersonalen Kontaktes, wie er im allgemeinen zwischen Arbeitnehmern und Kunden oder Verbrauchern am Arbeitsplatz üblich ist, kein Risiko einer Übertragung (des Aids-Virus) darstellt." Es ist unbestrittener medizinischer Wissensstand, daß Sie Ihren täglichen Aktivitäten wie Arbeit in einem Team, Hände schütteln, Besuch von öffentlichen Veranstaltungen, Essen in Restaurants und Schwimmbadbesuch ohne jedes Risiko einer Aids-Infektion nachgehen können. Kein Fall von Aids konnte mit der gemeinsamen Benutzung von Schreibmaschinen, Telefonen, Papieren, Trinkwasserspendern, Bädern, Bleistiften (auch angekauten), Tischen, Büromöbeln, WC-Sitzen, Duschen, Werkzeug, Maschinen, Tastaturen, Kaffeetassen oder Eßgeschirr in Verbindung gebracht werden. Niemand hat sich je Aids bei der Arbeit geholt. Überdenken Sie die Abschnitte „Grundlegende Fakten" und „Fragen und Antworten" in diesem Text, bis Ihnen die Fakten geläufig sind. Ängste vor Aids Trotz aller Versicherungen von Gesundheitsbehörden, Aids-Aufklärungsorganisationen und Betriebsleitungen werden manche Arbeitnehmer durch ihre erste Begeg-

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nung mit einem Aids-Infizierten oder jemandem, dem eine Aids-Infektion oder die Möglichkeit, das Virus zu verbreiten, unterstellt wird, in Schrecken geraten. Das beste Mittel gegen diese Aids-Angst ist Information. Geheimhaltung eines AidsKrankheits- oder Todesfalles schürt Gerüchte und forciert die völlig unberechtigten Ansteckungsängste am Arbeitsplatz.. Viele Befürchtungen sind schlicht Furcht vor dem Unbekannten. Diese Art von Furcht wird üblicherweise dadurch verringert, daß man die Betroffenen dazu bringt, ihre Ängste zu äußern, daß man ihre Angst anerkennt und daß man sie mit sachlichen Informationen versorgt, so daß das Unbekannte bekannt und deshalb weniger schreckenerregend wird. Ein anderer Aspekt der Aids-Angst hängt mit den tiefsitzenden Einstellungen im Zusammenhang mit Homosexualität, Drogenkonsum oder promisker Heterosexualität zusammen. Wenn ein Mensch das Verhalten und den Lebensstil mißbilligt, die er einem anderen unterstellt, dann kann dies bei ihm leicht zu einem negativen Urteil über die betreffende Person führen. Wenn diese Person dann Aids hat, können sich diese negativen Urteile mit erheblicher emotionaler Aggressivität Luft machen. In dieser Situation muß man die persönlichen Einstellungen und Überzeugungen in bezug auf Verhalten und Lebensstil von der medizinischen Realität der AidsKrankeit abgrenzen. Wenn die Tatsachen immer wieder klar und präzise auf den Tisch gelegt werden und gleichzeitig die Äußerung von individuellen Gefühlen gefördert wird, dann können negative Einstellungen und Überzeugungen klarer als tatsächlich ganz persönliche Standpunkte identifiziert und von den sachlichen Informationen über Aids getrennt werden. Eine andere Ursache für Ängste ist die Tatsache, daß viele Menschen geglaubt haben, die medizinische Forschung habe alle Krankheiten unter Kontrolle gebracht und neue Krankheiten oder Epidemien seien eine Sache der Vergangenheit. Für diese Menschen kam die Aids-Epidemie wie ein Schock, und sie sind verständlicherweise erschreckt. Zu ihnen können andere stoßen, die der Medizin gegenüber überhaupt Vorbehalte haben und allen medizinischen Informationen mit Mißtrauen begegnen. Diese Menschen stecken in einer Zwickmühle. Sie möchten gerne auf die Aids-Epidemie verantwortungsbewußt reagieren, fühlen sich aber ausgerechnet von jenem Berufsstand im Stich gelassen und betrogen, der die Quelle verfügbarer Informationen ist. Wenn man ein offenes Gespräch über ihr Mißtrauen und ihre Ängste anregt, schafft man damit ein Forum für Gefühlsäußerungen, das die negative Aufladung dieser Menschen vermindert. Gleichzeitig ermöglicht ihnen das Engagement in der Diskussion über Aids, eine Beziehung zu den Tatsachen zu gewinnen und angemessen auf sie zu reagieren. Kommunikation Zusätzlich zu den Sorgen über die Krankheit selbst wirft Aids eine Fülle von weiteren Problemen auf, die häufig die Fakten verwischen. Weil Aids so viele Homosexuelle und Konsumenten von intravenösen Drogen trifft, sind kontroverse Fragen von

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Sexualität, Moral und Religion Seite an Seite mit tiefsitzenden Vorurteilen und oft mit diesen vermischt aufgebrochen. Die Behandlung der Aids-Epidemie in den Medien hat die Fakten zusätzlich verwirrt und verwischt. Die epidimische Natur von Aids ist erschreckend. Viele Menschen wissen einfach nicht, wo oder wie sie ihr Unbehagen vermindern können. Viele Menschen müssen zum ersten Mal damit fertig werden, daß Kollegen oder Geschäftspartner ernstlich krank werden und in jungen Jahren sterben. Das weckt zu einer Zeit Ängste vor dem Sterben, wo die wenigsten darauf vorbereitet sind. Am besten kann man die Ängste, die Verwirrung und andere irrationale Reaktionen auf Aids reduzieren und ein stabiles Arbeitsklima bewahren, wenn man miteinander ins Gespräch kommt. Robert Haas, Spitzenmanager von Levi Strauss & Co, drückt es so aus: „Das wichtigste, was Unternehmer tun können, ist, für präzise Information zu sorgen." Ihre Führung bei der Kommunikation über Aids mit leitenden Angestellten und Belegschaft liefert den Präzedenzfall für die weiteren Diskussionen. Die Unterstützung dieser Kommunikation durch die leitenden Angestellten verleiht der Diskussion Gewicht und vermittelt die subtile, aber starke Botschaft, daß die Firma hinter dieser Diskussion steht. Manche Unternehmer befürchteten negative Konsequenzen bei einer Aids-Aufklärung am Arbeitsplatz. Die Firmen jedoch, die tatsächlich eine solche Aufklärung durchgeführt haben, machten die Erfahrung, daß die Arbeiter und Angestellten die Bereitschaft ihres Betriebes anerkannten, sich mit der Aids-Frage zu beschäftigen und herrschende Gerüchte über die Krankheit zu entschärfen. Arbeitnehmer quittieren die Bereitschaft des Managements, klar und entschieden auf die kontroversen Fragen einzugehen, mit wachsendem Vertrauen. Verhängnisvolle Krankheiten Es ist völlig normal, daß Arbeitnehmer mit Furcht und Unbehagen reagieren, wenn ein Kollege lebensgefährlich erkrankt. Krebs, Herzattacken, Diabetes, Leukämie, Morbus Hodgkin, Schlaganfälle und andere lebensbedrohliche Zustände werden heutzutage am Arbeitsplatz weit besser verstanden als noch vor wenigen Jahren. Die Öffentlichkeit ist lange genug mit genauen und klaren Informationen über diese anderen Krankheiten versorgt worden, um ihre Sorgen vermindern zu können. Die Menschen wissen inzwischen, daß sie Krebs oder Diabetes nicht von einem Kollegen bekommen können. Sie wissen heute, daß jemand, der einen Herzanfall hatte, gefahrlos an seinen Arbeitsplatz zurückkehren und etwas leisten kann. Dennoch bleibt aber immer noch einiges Unbehagen. Gerade weil sich die bedeutendsten Unternehmer in der Vergangenheit traditionell zur Unterrichtung über andere lebensbedrohliche Krankheiten verpflichtet und ihren Mitarbeitern die Risiken klargemacht haben, sollten sie nun die Führung bei der Aufgabe übernehmen, genauso ausführliche Informationen über Aids bereitzustellen.

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Niemand hat jemals Aids bei der Arbeit bekommen. Mitarbeiter, die Aids haben, stellen kein Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz dar und haben Anspruch auf die gleiche emotionale und finanzielle Unterstützung wie irgendein anderer wertvoller Mitarbeiter mit einer schweren Krankheit. Jene Arbeitgeber, die diese Tatsachen ihren Arbeitern und Angestellten vermitteln, stellen durchgängig eine Verminderung der panischen Ängste in bezug auf Aids fest und einen Zuwachs an Fürsorglichkeit gegenüber Kollegen, bei denen Aids festgestellt wurde.

Was andere über Aids am Arbeitsplatz wissen sollten „Es sind keine Übertragungsrisiken für Kollegen, Klienten oder Kunden bekannt, die von einem (Aids-)infizierten Mitarbeiter in ... Büros, Schulen, Fabriken (oder) auf Baustellen ausgehen." - Centers for Disease Control, 1985 Überblick Weil Aids ein emotional aufgeladenes Thema ist, empfiehlt sich eine ruhige, klare und sachliche Darbietung. Die meisten Menschen haben wenig Informationen bzw. bemerkenswerte Fehlinformationen, und Unsicherheit und Sorge in bezug auf dieses Thema sind groß. Die Art oder der Stil Ihrer Präsentation wird die Atmosphäre für Ihre Zuhörer bestimmen. Wenn Sie ruhig, klar und fundiert sprechen, werden Sie damit eine beruhigende Wirkung auf Ihre Zuhörerschaft ausüben. Wenn Sie ängstlich, unklar und unsicher hinsichtlich der Fakten sind, werden Sie Furcht und Sorge bei Ihrem Publikum erhöhen. Entscheidungsträger Die Spitzenkräfte (Direktoren u.ä.), die die wesentlichen Entscheidungen und Grundsätze der Firmenpolitik bestimmen, müssen dazu gebracht werden wahrzunehmen, welche Vorteile ein Aids-Aufklärungsprogramm im Betrieb hat und was sein potentieller Wert für das Unternehmen ist. Dazu kann die Sicherstellung einer hohen Produktivität des Personals gehören, die Bewahrung der Gesundheit und des Wohlergehens der Belegschaft, die Gewinnung von Klarheit in bezug auf juristische Fragen, der Aufbau einer in sich schlüssigen Firmenpolitik und die Förderung eines positiven Firmen-Images. Weil viele größere Betriebe eine entsprechende Politik und Aufklärungsprogramme bereits entwickelt und umgesetzt haben, die effektiv mit dem Thema Aids am Arbeitsplatz umgehen, sind also erfolgreiche Vorbilder vorhanden. Sie werden auch die Vorzüge eines präventiven Ansatzes in Sachen Aids gegen einen nur reaktiven Ansatz in solchen Bereichen wie Personalpolitik, Sozialleistun-

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gen, Mitarbeiter-Aufklärung und damit zusammenhängenden juristischen Fragen abwägen müssen. Leitende Angestellte Ein Aids-Aufklärungsprogramm muß von den leitenden Angestellten auf allen Ebenen unterstützt werden, wenn es Erfolg haben soll. Eine derartige Unterstützung verleiht dem Programm Glaubwürdigkeit und bedeutet einen starken Anreiz für andere, ihnen zu folgen. Diese Vorgesetzten müssen genügend über Aids lernen, um auf die Sorgen ihrer Untergebenen in bezug auf die Krankheit verantwortungsbewußt eingehen zu können. Sie müssen außerdem vollständig mit der Politik des Hauses in Sachen Aids vertraut sein. Sie sollten mit dem Aufklärungsprogramm, den Broschüren und der Videokassette bekannt gemacht werden. Es empfehlen sich auch Gruppendiskussionen zur Behebung ihrer eigenen Besorgnisse. Belegschaft Bei der Belegschaft ist der Zweck eines Aids-Aufklärungsprogramms die Verminderung von Ängsten, die Beseitigung von Vorurteilen, die Vermeidung von Panik und Störung, die Verbreitung von sachlichen Informationen und die Bewahrung von Stabilität und Produktivität. Verschiedene Bereiche müssen abgedeckt werden, um diesen Zweck zu erfüllen: die medizinischen Realitäten von Aids; die Tatsache, daß Arbeitnehmer kein Risiko tragen, sich am Arbeitsplatz mit Aids anzustecken; Anerkenntnis ihrer Sorgen und Ängste; Bereitschaft des Managements, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ihre Sorgen anzuhören; die Politik des Hauses in bezug auf Aids; schließlich die Tatsache, daß andere große Betriebe in gleicher oder ähnlicher Weise mit dem Thema Aids am Arbeitsplatz umgehen. Die Tatsachen Der Mangel an präzisen Informationen und das Vorherrschen von Fehlinformationen über Aids sind die Hauptgründe für Sorgen der Mitarbeiter. Die medizinischen Tatsachen im Zusammenhang mit Aids müssen genau, klar und wiederholt vorgebracht werden. Wann immer Sie über die Aids-Fakten diskutieren, kehren Sie immer wieder zu dem Punkt zurück, daß Arbeitnehmer im Betrieb kein Risiko einer Ansteckung mit Aids eingehen. Fügen Sie auch immer einen Hinweis auf die vier Übertragungswege von Aids an: 1. Geschlechtsverkehr mit einem Aids-Infizierten. 2. Gemeinsame Benutzung von intravenösen Spritzen. 3. Transfusionen mit verseuchten Blutkonserven. 4. Weitergabe von der Mutter an das Kind während der Schwangerschaft oder während des Stillens.

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Das Aids-Virus kann nicht durch die Luft übertragen werden. Niesen, Atmen oder Husten verbreiten es nicht. Berühren, Schmusen, Umarmen oder Händeschütteln führen nicht zur Ansteckung. Kein Fall einer Aids-Erkrankung konnte auf flüchtigen Kontakt zurückgeführt werden. Kein Mitarbeiter im Gesundheitswesen, etwa Ärzte, Schwestern, Zahnärzte oder Pfleger hat sich mit Aids bei der routinemäßigen Versorgung von Aids-Patienten angesteckt. Sogar wenn Kinder mit einem Bruder oder einer Schwester, die mit Aids infiziert waren, gespielt hatten oder gegessen, geschlafen, sich geküßt und gebalgt hatten, hat keines sich mit Aids angesteckt. Niemand hat sich jemals bei der Arbeit Aids zugezogen, auch nach all diesen vielen Jahren nicht. Je mehr Mitarbeiter in der Lage sind, ihre falschen Vorstellungen zu revidieren, desto weniger wird Aids ein Störfaktor im Betrieb sein. Benutzung von auswärtigen Hilfsquellen Viele Firmen haben gute Erfahrungen mit der Hinzuziehung von Experten von außerhalb des Betriebes zur Unterstützung ihres Aufklärungsprogramms gemacht. Wenn Sie einen eigenen betriebsärztlichen Dienst haben, kann dieser Ihnen bei der Entscheidung über die Notwendigkeit auswärtiger Konsultation zur Seite stehen und helfen, auswärtige Redner ausfindig zu machen. Wenn Sie mit den Spezialisten aus verschiedenen Bereichen innerhalb Ihrer Firma ein Team bilden, wird das der Entwicklung einer eigenen spezifischen Kommunikationsmethode in Sachen Aids für Ihre Belegschaft förderlich sein. Wenn Sie die Fachterminologie zu Aids mit Ihrem Betriebsarzt diskutieren möchten, sollten Sie ihn bitten, sich mit der Krankheit vertraut zu machen; viele Ärzte sind nämlich hinsichtlich Aids noch nicht besonders gut unterrichtet. Wenn Ihr Betrieb in der Nähe einer Stadt liegt, in der eine Aids-Organisation existiert, suchen Sie Kontakt zu ihr. Die meisten lokalen Aids-Organisationen sind gerne mit der Empfehlung von Rednern und Aids-Beratern behilflich. Firmenpolitik Mitarbeiter wollen wissen, wie das Verhältnis zwischen ihnen und ihrem Arbeitgeber ist, und sie wollen sich in Übereinstimmung mit ihrem Betrieb fühlen. Eine klare Vermittlung der Firmenpolitik in Sachen Aids macht den Mitarbeitern verständlich, wie die Firma zu diesen Fragen steht. Es ist ein starker Ansporn für sie, ihre eigenen Probleme mit Aids zu bearbeiten, so daß sie sich leichter in Übereinstimmung mit dem Hause fühlen können. Anerkenntnis der Angst Als erste Reaktion auf Aids oder irgendeine andere neue Krankheit kann man Angst erwarten. Wenn ein Mitarbeiter diese Angst zum Ausdruck bringt, dann sollte man

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das akzeptieren und darauf eingehen. Das kann bereits tendenziell die Ängste zerstreuen und vermindern. Gemeint ist mit akzeptieren, daß man die emotionale Reaktion wahrnimmt und eine neutrale Stellung dazu bezieht. Solchen emotionalen Reaktionen zu widersprechen oder aber ihnen beizupflichten, macht alles nur schlimmer. Tun Sie Furcht und Besorgnis auch nicht einfach ab, indem Sie schnurstracks zu einer Erklärung der Fakten und Darlegung der Firmenpolitik übergehen. Wenn man Furcht und Besorgnis in bezug auf Aids einfach abtut, ignoriert oder unterdrückt, wachsen sie sich letzten Endes zu großen Problemen aus. Kommunikation mit den Arbeitnehmern Man kann die Diskussion offen halten und Hilfe für die Lösung von Sorgen in bezug auf Aids am Arbeitsplatz bereitstellen, wenn man bestehende innerbetriebliche Kommunikationskanäle für periodische Aids-Informationen nutzt. Die Bereitschaft der leitenden Angestellten, sich offen und verantwortungsbewußt zu verständigen setzt ein positives Beispiel, dem die Belegschaft folgen kann. Den Gedankenaustausch zwischen Mitarbeitern und Führungskräften zu ermutigen sichert fortdauernden Gewinn aus einem Aids-Aufklärungprogramm. Was andere Firmen tun Bringen Sie Beispiele für das, was andere Firmen in Sachen Aids entwickelt haben und durchführen. Eventueller Widerstand der Belegschaft gegen eine Aids-Aufklärung wird sich vermindern, wenn sie wahrnimmt, daß andere Betriebe mit ähnlichen Programmen beschäftigt sind. Bei den Fakten auf dem laufenden bleiben Als diejenige Person, die in Ihrem Betrieb als Aids-Informationsquelle angesehen wird, müssen Sie möglichst genau Bescheid wissen über die medizinischen Zusammenhänge. Zusätzlich müssen Sie sich stets über neue Erkenntnisse auf dem laufenden halten. Sie müssen auch wissen, wie andere Firmen mit der Aids-Epidemie umgehen. Die meisten Berufs verbände haben Aids als ein Problem mit höchster Priorität eingestuft. Nutzen Sie die Informationsangebtote Ihres Verbandes.

Aufklärung der Mitarbeiter „Arbeitnehmer, von denen bekannt ist, daß sie mit Aids infiziert sind, sollten nicht allein aufgrund dieser Tatsache von der Arbeit ferngehalten werden. Sie sollten darüber hinaus auch nicht von der Benutzung von Telefo-

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Vorbeugung nen, Büroeinrichtungen, Toiletten, Duschen, Eßgeschirr und Trinkwasserspendern ausgeschlossen werden." - Centers for Disease Control, 1985

Empfohlene Vorgehensweise Bei den meisten Unternehmen gibt es bereits Aufklärungsprogramme für ihre Arbeitnehmer, etwa zu Gesundheitsfragen, zum Thema Sonderleistungen und Verfahrensfragen oder zu anderen Problemen, die mit dem Arbeitsplatz zusammenhängen. Möglicherweise hat Ihr Betrieb auch schon ein wirksames System der Informationsverbreitung unter den Mitarbeitern. Der hier vorgeschlagene Ansatz stützt sich auf das Kleingruppen-Modell mit zehn bis fünfzehn Teilnehmern, um Interaktion und Diskussion zu fördern und um zu erreichen, daß so viele Fragen wie möglich aufgeworfen werden. Sie wissen sicher selbst am besten, wie Sie Ihre Mitarbeiter in eine Diskussion üer wichtige Arbeitsplatzfragen verwickeln können. Vielleicht sollten Sie den hier vorgeschlagenen Ansatz in Ihr bewährtes Modell einbeziehen. Dieses Programm ist für Arbeitnehmer jeder beliebigen Stufe geeignet. Ihr Betrieb kann sich dafür entscheiden, das Programm nur den leitenden Angestellten zugänglich zu machen oder aber erst den leitenden Angestellten und dann der übrigen Belegschaft. Ein anderer Ansatz wäre, mit dem Programm sofort unter den leitenden Angestellten zu arbeiten, unter der Belegschaft aber erst nach dem Auftreten von Aids-Problemen am Arbeitsplatz. Für welche Art der Anwendung des Programms sich Ihr Betrieb aber auch entscheidet, man sollte die Präsentation immer der gewählten Zielgruppe anpassen. Die Hauptsitzung der Aids-Aufklärung am Arbeitsplatz sollte etwa eine Stunde dauern. Lassen Sie an jeder Sitzung zehn bis fünfzehn Mitarbeiter teilnehmen. Kollegen aus demselben Bereich, derselben Abteilung oder Gruppe fühlen sich untereinander wohler als mit Leuten, die sie nicht kennen. Die Sicherheit, unter Seinesgleichen zu sein, kann die freimütige Äußerung von persönlichen Sorgen hinsichtlich Aids erleichtern. Wie beginnen? Beginnen Sie Ihre Einleitung mit einer Darstellung der offiziellen Linie Ihres Betriebes zu Aids. Weisen Sie in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Aids nicht im Verlauf von normalen Tätigkeiten am Arbeitsplatz übertragen werden kann. Wenn Ihre Firma den Standpunkt vertritt, Aids sei eine lebensgefährliche Krankheit wie etwa Krebs oder Herzkrankheiten und werde ebenso behandelt, dann sagen Sie dies. Wenn Ihre Firma spezielle Grundsätze oder Richtlinien für Aids entwickelt hat, vermitteln Sie auch diese den Teilnehmern. Wenn Sie die Position Ihres Hauses unmißverständlich darlegen, geben Sie Ihren Mitarbeitern einen starken Rückhalt für deren Bemühungen, ihre Ängste bearbeiten und sich an der Linie des Betriebes auszurichten.

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Die Mitarbeiter sollten Aids-Aufklärung und Wachsamkeit als einen andauernden Prozeß begreifen. Weisen Sie darauf hin, daß Ihr Betrieb sich verpflichtet fühlt, die Mitarbeiter kontinuierlich mit den aktuellsten Informationen über Aids zu versorgen, und daß sie kurzfristig informiert werden, wenn bedeutende neue Erkenntnisse bekannt werden. Sie werden beruhigt sein, daß die Firma mit ihnen das Gespräch sucht, sie informiert hält und sie davon ausgehen können, weiterhin einbezogen zu werden. Es wird ihnen außerdem klar werden, daß die Aids-Aufklärungssitzung nicht eine Einmal-Angelegenheit ist, die man beiseite schieben kann, sobald sie vorüber ist. Vorstellen der Videokassette Sagen Sie den Teilnehmern, worum es in dieser Sitzung geht, damit sie wissen, was sie zu erwarten haben und was von ihnen erwartet wird. Sie können z.B. zum Teil oder ganz die folgenden Ausführungen machen: Der Video film ,,An Epidemie of Fear: AIDS In The Workplace" dauert 23 Minuten. Er wird von den größeren Betrieben benutzt, um ihre Mitarbeiter über Aids am Arbeitsplatz zu informieren. Er stellt dar, wie Aids übertragen wird und wie es nicht übertragen wird, und macht klar, daß es kein Risiko einer Aids-Ansteckung am Arbeitsplatz gibt. Die medizinischen Tatsachen werden unter Mitwirkung von Aids-Experten präsentiert, die in den ganzen Vereinigten Staaten anerkannt sind. Der Film setzt sich mit Einstellungen, Ängsten, Vorurteilen und Sorgen in bezug auf Aids am Arbeitsplatz auseinander. Kollegen von Aids-Infizierten werden befragt und auch die Not von AidsKranken gezeigt. Lassen Sie die Teilnehmer wissen, daß im Anschluß an den Film eine Diskussion über Aids stattfinden wird. Ermuntern Sie sie, sich daran zu beteiligen und offen und freimütig ihre Gefühle, Sorgen und Meinungen zu äußern. Weisen Sie sie darauf hin, daß Sie zwar kein Aids-Experte sind, sich aber bemühen werden, jede ihrer Fragen zu Aids zu beantworten, und soweit Sie keine Antwort wissen, sich diese aus den entsprechenden Informationsquellen beschaffen und weitergeben werden. Diese Einführung erfordert ungefähr fünf Minuten. Sie gibt den Mitarbeitern eine Orientierung über die Aufklärungssitzung zu Aids am Arbeitsplatz, rückt die Linie des Hauses zu Aids in den Vordergrund und sorgt dafür, daß Sie als der betriebsinterne Ansprechpartner für Aids angesehen werden. Nach Abschluß der Einführung zeigen Sie den Video film. Gebrauch der Broschüre Verteilen Sie nach Beendigung der Videovorführung die Broschüre „Aids am Arbeitsplatz - ein Leifaden für Mitarbeiter" und lassen Sie den Teilnehmern Zeit, sie zu lesen. Die Broschüre ist dazu gedacht, Grundinformationen zu vermitteln, häufig gestellte Fragen zu beantworten und Informationsquellen für detailliertere Antworten anzugeben.

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Gruppendiskussion Nachdem die Gruppe die Broschüre gelesen hat, eröffnen Sie die Diskussion. Sie sollte etwa fünfundzwanzig Minuten dauern. Die Diskussion am Ende der Videovorführung anzuregen, hat seinen Sinn darin, daß die Gefühle, Meinungen und Fragen der Teilnehmer zu Aids durch den Videofilm und die Broschüre stimuliert worden sind. Ziel der Diskussion selbst ist es, Fragen zu beantworten, zusätzliche Informationen zu vermitteln und eine Möglichkeit zu schaffen, daß Ängste, Einstellungen und Vorurteile sowohl geäußert als auch zerstreut werden können. Die Eckdaten dieser Diskussion sind durch die offizielle Position des Betriebes in Sachen Aids gesetzt, durch die im Videofilm dargebotenen Tatsachen in bezug auf die Krankheit, durch die Broschüre und durch Ihre Ausführungen. Insofern können die persönlichen Gefühle und Meinungen verantwortungsbewußt und realitätsbezogen ausgedrückt und behandelt werden. Eine wirkungsvolle Methode, um die Gruppeninteraktion in Gang zu setzen, ist es, einfach Fragen zu stellen. Offenen Fragen ermöglichen umfassende Stellungnahmen im Gegensatz zu Alternativfragen, die lediglich mit „ J a " oder „ N e i n " zu beantworten sind. Die folgenden Fragen können die Gruppendiskussion fördern: — Wie würden Sie reagieren, wenn ein Kollege unter Aids-Verdacht stände oder die Aids-Diagnose erhielte? — Wie glauben Sie, nach dem Sie den Film gesehen haben, wird Aids übertragen? — Wie hat sich Ihr Verständnis von Aids gewandelt? — Wie haben sich ihre Einstellungen zu Aids geändert? — Meinen Sie, Sie haben nun ein besseres Verständnis von Aids? — Haben Sie noch Fragen zu Aids? Welche? Sie haben in dieser Gruppendiskussion eine dreifache Rolle. Erstens müssen Sie die Interaktionen der Teilnehmer erleichtern, so daß sie das Treffen mit größerer Klarheit über ihre eigene Stellung gegenüber Aids sowie mit grundlegenden Kenntnissen über die Krankheit und über die Einstellung der Firma dazu verlassen. Zweitens müssen Sie spezielle Fragen beantworten. Drittens müssen Sie emotional aufgeladene irrige Annahmen und Vorurteile allmählich zurückdrängen. Ihre eigenen Einstellungen und Gefühle sind bei der Gruppenleitung besonders wichtig. Wenn Sie durch die Aids-Fakten verwirrt sind oder sie bezweifeln, wenn Sie die Linie Ihres Betriebes nicht verstehen oder nicht hinter ihr stehen, wenn Sie andere Handlungskonzepte im Kopf haben, werden Sie Ihre Aufgabe, eine wirkungsvolle Aids-Aufklärung im Betrieb durchzuführen, nicht erfolgreich erfüllen können. Ihre eigenen Probleme werden bloß die Sorgen der Teilnehmer zusätzlich komplizieren. Abgesehen von mangelndem Vertrauen in die Medizin haben die meisten von uns ihre eigenen Ängste, Vorurteile und irrigen Annahmen über Homosexualität, Drogenkonsum, Promiskuität, Krankheit und Tod. Sie müssen daher Ihre Probleme im Zusammenhang mit Aids lösen, bevor Sie eine Aufklärungssitzung zum Thema Aids am Arbeitsplatz durchführen.

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Der nächste Schritt Es ist zu bezweifeln, daß die Sorgen jedes Teilnehmers in einer einzigen Sitzung abgebaut werden. Die Bedeutung dieses Treffens liegt darin, daß es den Unterstützungsprozeß der Mitarbeiter bei ihren Aids-Problemen einleitet. Es bildet die Grundlage für ein innerbetriebliches Klima von ruhiger und verantwortungsbewußter Diskussion und Auseinandersetzung. Es bildet den Beginn eines Abbaus der völlig normalen emotionalen Aufladung in Sachen Aids und regt die Menschen dazu an, sich an die Fakten zu halten und ihre Ängste zu bearbeiten. Dr. Wofsky sagt es in dem Video film so: ,,... Information zu Aids wird nicht in nur einem Durchgang aufgenommen. Der erste Durchgang führt zu Angst und Verdrängung. Der zweite Durchgang führt zum Akzeptieren der Tatsache, daß dies etwas ist, über das man Bescheid wissen sollte... Der dritte Durchgang führt dazu, daß man gerade ein bißchen intellektuell neugierig wird, weil es sich wirklich um ein interessantes Thema handelt. Der vierte Durchgang führt vielleicht zu wirklichem Interesse und der fünfte bringt die Menschen gewöhnlich dahin, daß sie endlich ein bißchen mehr um den anderen Menschen besorgt sind als um sich selbst. Und jeder von Ihnen muß in dieser Zeit durch alle diese Stadien hindurch." Nehmen Sie sich vor, die Aids-Probleme auch in Zukunft anzugehen, indem Sie z.B. in Ihrer Betriebszeitung oder durch Anschläge am Schwarzen Brett oder durch andere Kommunikationskanäle in Ihrem Betrieb aktuelle Aids-Informationen weitergeben. Regen Sie einen fortgesetzten Dialog zwischen den leitenden Angestellten und ihren Mitarbeitern an. Bieten Sie das Aufklärungsprogramm zu Aids am Arbeitsplatz immer wieder an, damit die Arbeiter und Angestellten sich weiter mit ihren Problemen auseinandersetzen.

Häufig gestellte Fragen zu Aids am Arbeitsplatz und ihre Beantwortung ,,... Aids ist eine im Blut angesiedelte, sexuell übertragene Krankheit, die nicht durch flüchtige Kontakte verbreitet wird." - Centers for Disease Control, 1985 Einführung Das Folgende ist ein repräsentativer Querschnitt durch die Fragen, die im Betrieb zu Aids aufgeworfen werden, nebst den Antworten, die Sie darauf geben können. Wahrscheinlich werden die Fragen oft nicht so gestellt, wie wir sie hier vorformuliert haben, aber Sie sollten darauf vorbereitet sein, daß in irgendeiner Form solche Fragen kommen.

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Wenn die Antwort medizinische Details betrifft, sollten Sie die von uns vorbereitete Antwort einfach vorlesen. Bei Fragen, die mehr philosophische oder grundsätzliche Dinge berühren, können Sie die Beispielantworten umschreiben oder eigene entwerfen. Es ist sehr wichtig, daß man sorgfältig zuhört, wie eine Frage gestellt wird. Manchmal wird die wahre Frage maskiert. Es könnte sein, daß die Mitarbeiter sich genieren, das auszudrücken, was sie tatsächlich denken. Fragen und Antworten Frage: Wieso kann Aids nicht durch Speichel, Schweiß oder Tränen übertragen werden? Antwort: Das dürfte wohl eine der am häufigsten gestellten Fragen zu Aids sein. Bedenken Sie, daß das Aids-Virus auf dem Wege über eine Körperflüssigkeit aus dem Körperinneren der infizierten Person in das Körperinnere einer anderen Person gelangen muß und dies in ausreichender Menge. Zwei Untersuchungen haben einen Hinweis darauf geliefert, daß das Aids-Virus manchmal in Speichel oder Tränen vorkommen kann. Diese Untersuchungen wurden in der Presse groß herausgestellt. Daß das Virus im Schweiß gefunden worden wäre, ist bisher überhaupt noch nicht berichtet worden. Was in der Presse nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit bedacht wurde, ist erstens, daß das Auftreten des Virus in Speichel und Tränen sehr selten war, auch bei Menschen, die als infiziert bekannt waren, und zweitens, daß das Virus, auch wenn es gefunden wurde, in so geringen Mengen vorkam und so stark verdünnt war, daß ein Risiko für andere äußerst gering war. Bedenken Sie, daß das Virus außerhalb des Körpers sehr empfindlich ist. Selbst wenn es in Speichel oder Tränen eines Menschen vorhanden wäre und selbst wenn es lebendig auf der Oberfläche von irgendetwas haften könnte, könnte es immer noch keinen Schaden anrichten, es sei denn, es dränge in den Körper eines Menschen und in seinen Blutkreislauf ein. Und auch dann müßte es in ausreichender Menge in den Blutstrom gelangen, um Schaden anzurichten. Deshalb ist ein Aids-Übertragung auf diesem Wege zwar theoretisch möglich, aber das ist nie passiert, und die Chancen, daß es jemals passiert, sind extrem gering. Vor nicht allzu langer Zeit hat ein Reporter den früheren stellvertretenden Minister für Gesundheit und Soziales Dr. Edward Brand gefragt, ob es möglich sei, Aids über eine Türklinke zu bekommen. Dr. Brand hat geantwortet, daß einer große Mengen des Virus absichtlich auf die Klinke schmieren und diese dann ablecken müßte, um Aids von einer Türklinke zu bekommen. Im Klartext: Niemand hat jemals Aids auf diesem Wege bekommen, und es ist unwahrscheinlich, daß sich jemals einer auf diesem Wege infiziert. Die Chance, vom Blitz getroffen zu werden, während Sie mir zuhören, ist bei weitem größer als die Gefahr, Aids von Speichel, Tränen oder Schweiß im Betrieb zu bekommen.

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Frage: Können Stechmücken Aids übertragen? Antwort: Es ist kein einziger Fall bekannt geworden, in dem irgendjemand durch Stechmücken Aids bekommen hätte. Eine Stechmücke überträgt nur Krankheiten, deren Erreger die Mücke als Teil ihres Lebenszyklus nutzen. Der Malaria-Erreger z.B. muß einen Teil seines Lebens in der Anopheles-Mücke verbringen, um zu reifen. Deshalb können diese Mücken Malaria verbreiten. Syphilis, Hepatitis oder andere im Blut angesiedelte Krankheiten wie Aids jedoch werden nicht durch Insektenstiche verbreitet. Stechmücken wandern auch nicht unmittelbar von einem Menschen zum anderen. Eine Stechmücke sticht und saugt ungefähr einmal innerhalb von 48 Stunden. Selbst wenn das Virus vorhanden wäre, wäre die Menge unglaublich gering und das Virus würde vor dem nächsten Stich absterben. Wenn Stechmücken Aids übertragen würden, könnten wir auch erheblich mehr Aids-Fälle in den Teilen des Landes feststellen, in denen Stechmücken vorkommen. Die Antwort ist also schlicht und ergreifend: Nein, Stechmücken übertragen Aids nicht. Frage: Warum sollte ich den medizinischen Autoritäten eigentlich Glauben schenken? Sie haben sich oft genug geirrt. Antwort: Aids ist eine so öffentlich diskutierte und politisch so bedeutsame Krankheit, daß die medizinischen Autoritäten bei dieser Krankheit sorgfältiger vorgegangen sind als bei irgendeiner anderen in der Geschichte. Seit 1981 muß jeder Fall einer Aids-Diagnose irgendwo in den Vereinigten Staaten an die Centers for Disease Control in Atlanta gemeldet werden. Andere Untersuchungen haben Aids-Fälle bis fast zehn Jahre zurückverfolgt. Viel Sachverstand und erhebliche Kosten wurden aufgewendet, um etwas über Aids zu erfahren, insbesondere über die Wege, auf denen die Krankheit übertragen werden könnte. Jeder gemeldete Fall einer Aids-Erkrankung in den USA wurde sorgfältig auf die möglichen Übertragungswege analysiert, auf denen sich der Patient die Krankheit zugezogen haben könnte. Jeder Patient wurde über Wege befragt, über die er dem Virus ausgesetzt gewesen sein könnte. Zusätzlich wurden Langzeituntersuchungen an großen Gruppen mit Tausenden von freiwilligen Teilnehmern durchgeführt, von denen einige die Krankheit hatten, andere nicht, die aber alle Mitglieder von Hauptrisikogruppen waren. Risiko-Aktivitäten wurden aufgezeichnet und statistisch zu einander in Beziehung gesetzt. Diese fortlaufenden Studien wurden von unabhängigen Forschungsteams in verschiedenen Städten vorgenommen. Das gesammelte Datenmaterial jeder Gruppe mit Tausenden von Teilnehmern wurde sorgfältig analysiert und mit den Daten von anderen Studien in Beziehung gesetzt. Viele Untersuchungen haben sich auch mit der Gesundheit von Ärzten, Schwe-

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Stern und anderen Angehörigen des Gesundheitswesens befaßt, die in Krankenhäusern mit Aids-Patienten arbeiteten. Weitere Studien haben sorgfältig die Gesundheit von Kindern untersucht, die mit einem Aids-kranken Kind im selben Haushalt wohnten. Ähnliche Untersuchungen wurden auch in Europa, Kanada und Australien durchgeführt. Die Wissenschaftler haben ihre Daten ausgetauscht und ihre Ergebnisse verglichen. Die Ergebnisse all dieser separaten Forschungs- und Analyseprojekte waren von schlagender innerer Übereinstimmung. Wir können nun darauf vertrauen, daß die Übertragungswege identifiziert sind und daß keine Überraschungen mehr zu erwarten sind. Frage: Was sind die Symptome von Aids? Antwort: Aids kann nicht nur aufgrund von Symptomen diagnostiziert werden. Es gibt jedoch eine Reihe von Symptomen, die zusammengenommen und über einen größeren Zeitraum die Möglichkeit von Aids nahelegen und Anlaß für eine ärztliche Untersuchung sein sollten. Diese Symptome sind: — unerklärliche anhaltende Müdigkeit, — unerklärliches Fieber, Schüttelfrost, starker Nachtschweiß über mehr als ein paar Wochen, — unerklärlicher Gewichtsverlust von mehr als 10 Pfund, — geschwollene Lymphdrüsen (gewöhnlich Vergrößerung der Lymphknoten am Hals, in den Achselhöhlen oder in der Leistengegend), die nicht anderweitig zu erklären sind und länger als zwei Monate andauern, — rosafarbene bis rote flache oder erhabene Flecken oder Beulen auf oder unter der Haut, im Mund, in der Nase, an den Augenlidern oder am After (sie können anfangs blauen Flecken ähneln, verschwinden aber nicht, sind im allgemeinen fester als die umgebende Haut), — anhaltend weiße Flecken oder ungewöhnliche Veränderungen im Mund, — anhaltender Durchfall, — anhaltender trockener Husten, der zu lange dauert, um auf eine gewöhnliche Infektion der Atemwege zurückgeführt werden zu können, vor allem wenn er mit Kurzatmigkeit verbunden ist. Bitte beachten Sie, daß diese Liste große Ähnlichkeit mit den Symptomen anderer Krankheiten hat. Einige von ihnen können auch Streßsymptome sein. Man kann nicht allein vom Ansehen sagen, ob jemand Aids hat, und auch nicht bloß, weil er eines oder mehrere der genannten Symptome zeigt. Nur ein Arzt kann die Aids-Diagnose stellen, und auch er braucht Unterstützung durch Labortests für seine Diagnose. Eine Kombination dieser Symptome für mehr als ein paar Tage ist jedoch ein hinreichender Grund, einen Arzt aufzusuchen. Die Symptome brauchen nicht zu bedeuten, daß es sich um Aids handelt, aber sie bedeuten möglicherweise, daß irgend-

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eine Krankheit im Körper wirkt, die ernsthaft werden könnte, wenn sie nicht ordentlich behandelt wird. Es ist für einen Laien völlig unmöglich zu entscheiden, ob jemand Aids hat. Es ist sehr unfair und hat schlimme Folgen, wenn man das Gerücht verbreitet, eine bestimmte Person habe Aids oder könne es haben. Frage: Was ist mit dem Aids-Antikörpertest? Was sind Antikörper? Wozu dient der Test? Wer sollte sich testen lassen? Sollte jeder den Test machen lassen? Wenn ein Mensch ein „positives" Testergebnis bekommt, bedeutet dies, daß er ansteckend ist? Antwort: Antikörper sind Substanzen, die vom Immunsystem produziert werden, um einen bestimmten eingedrungenen Krankheitserreger zu beseitigen. Der Körper produziert spezifische Antikörper für jeden einzelnen Erreger. Antikörperproduktion ist ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Immunreaktion. Kinderlähmungs-Antikörper sind dazu bestimmt, bei der Bekämpfung und Zerstörung des Polio-Virus zu helfen. Masern-Antikörper sind ausschließlich auf die Bekämpfung des Masern-Erregers ausgerichtet. Aids-Antikörper produziert der Körper als Reaktion auf das Aids-Virus. Die verschiedenen Antikörper können im Blut nachgewiesen werden. Anders als Masern-Antikörper, die uns vor Masern schützen können, und anders als Polio-Antikörper, die uns vor Kinderlähmung bewahren, bieten die Aids-Antikörper aus Gründen, die wir noch nicht kennen, keinen Schutz gegen Aids. Da jedoch diese Antikörper produziert werden, wenn ein Mensch mit dem Aids-Virus infiziert ist, dient der Aids-Antikörper als ein Merkzeichen, Signal oder Hinweis darauf, daß das Aids-Virus irgendwann einmal vorhanden gewesen ist. Die Anwesenheit von Aids-Antikörpern bedeutet freilich nicht, daß das Aids-Virus noch da ist, sondern nur, daß es irgendwann in der Vergangenheit einmal vorhanden war. Ob Aids-Antikörper im Blut sind oder nicht, läßt sich mit einem Test feststellen. Dieser Test war für den Gebrauch in Blutbanken bestimmt, die ihre Blutvorräte überprüfen wollten. Wenn eine bestimmte Blutkonserve Aids-Antikörper enthält, wird sie vernichtet. Man will kein Risiko eingehen, daß das Virus selbst in dem Blut noch vorhanden wäre. Die Food & Drug Administration (- die in den USA für Arzneimittel und medizinische Testverfahren zuständige Genehmigungsbehörde, ähnlich wie in der Bundesrepublik das Bundesgesundheitsamt - d. Hrsg.) ließ den Test seinerzeit einzig und allein zu dem Zweck zu, um verdächtiges Blut auszusortieren. Er war nicht als ein Mittel gedacht oder zugelassen, um Menschen auszusortieren. Der Aids-Antikörpertest ist kein Test auf Aids. Er gibt nicht an, ob eine getestete Person noch Virusträger ist. Er läßt auch keine Aussagen über den gegenwärtigen oder zukünftigen Gesundheitszustand eines Menschen zu. Er ist lediglich ein Indikator für eine eventuelle Berührung mit dem Virus in der Vergangenheit. Er beweist nicht, daß eine Person Virusträger oder ansteckend ist.

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Ein negatives Testresultat ist ein ziemlich sicheres Anzeichen dafür, daß die getestete Person nie mit dem Virus in Berührung gekommen ist. Ein positives Ergebnis hingegen bedeutet, daß die betreffende Person zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben dem Virus ausgesetzt war. Aber: Der Test kann sowohl falsch-positive als auch falsch-negative Ergebnisse haben. Deshalb sollte er mit Vorsicht angewandt werden, auch wenn er nur über einen früheren Kontakt mit dem Virus entscheiden soll. In Kalifornien und einigen anderen Staaten (der USA) kann der Aids-Antikörpertest anonym und vertraulich durchgeführt werden. In anderen Staaten gibt es keine Vertraulichkeit; das Testergebnis wird den Gesundheitsbehörden gemeldet. Wenn Sie eine Testung in Erwägung ziehen, sollten Sie herausfinden, ob Ihr Testergebnis gemeldet wird und, wenn ja, wem. Um sicherzugehen, darf ein Träger von Aids-Antikörpern kein Blut spenden und muß Vorsichtsmaßnahmen gegen eine eventuelle Übertragung durch Sexualverkehr treffen. Frauen, die Antikörper-positiv sind und eine Schwangerschaft planen, sollten einen Arzt zu Rate ziehen. Der Aids-Antikörpertest ist ein ausgezeichnetes Mittel, um Blutkonserven auszusortieren. Er kann auch einen gewissen Wert für den Arzt haben, um andere Laboruntersuchungen bei einem bestimmten Patienten zu ergänzen oder zu erklären. Er kann wertvoll für den Einzelnen sein, der beurteilen will, wie vorsichtig er sich in bezug auf Sexualkontakte oder Schwangerschaft verhalten muß. In bezug auf den Arbeitsplatz ist er aber völlig nutzlos. Frage: Was ist, wenn man mit dem Blut eines Menschen in Berührung kommt? Antwort: Bei großen Blutmengen sollte man - ganz unabhängig von Aids - vorsichtig sein. Die intakte Haut ist zwar eine wirkungsvolle Barriere gegen das AidsVirus und die meisten anderen Krankheiten, aber Krankheiten, die im Blut angesiedelt sind, sind ohnehin verbreitet und ernsthaft genug, um einen vorsichtigen Umgang mit Blut nahezulegen. Eine wirkungsvolle Reinigungsmethode bei Blutspritzern ist eine ganz gewöhnliche Lösung eines Haushaltsbleichmittels - ein Teil Bleichmittel auf zehn Teile Wasser, wie es auch auf der Packung angegeben ist. Desinfektionsmittel wie Lysol u.ä. können ebenfalls benutzt werden. Kleinere Blutmengen sind kein Grund zur Besorgnis - die winzige Menge Blut z.B., die bei einem Schnitt durch eine Papierkante oder dem Stich mit einer Reißzwecke austritt. Trotzdem: Blut kann Syphilis, Hepatitis und andere Krankheiten ebenso übertragen wie Aids. Also benutzen Sie im Fall eines ernsten Unglücks im Zusammenhang mit Blutkontakt Ihren gesunden Menschenverstand. Frage: Wieso stellt dieser Betrieb Perverse, Drogensüchtige und andere unmoralische Personen ein und verletzt damit alles, wofür die Religion und Amerika einstehen?

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Antwort: Die Firma vertritt in diesen ,,moralischen" Fragen weder den einen noch den anderen Standpunkt. Sie sagt: Wenn einer unserer Arbeitnehmer, für den wir als Arbeitgeber eine gewisse Verantwortung tragen, von einer schweren Krankheit heimgesucht wird, die keine Gefahr für irgendjemand anderen am Arbeitsplatz bedeutet, dann werden wir mit dieser Krankheit in der gleichen Weise umgehen wie mit jeder anderen Krankheit auch. Wir geben kein moralisches Werturteil über irgendeine andere Krankheit ab. Wenn z.B. jemand Lungenkrebs bekäme, würden wir nicht sagen, er sei selbst schuld, weil er soviel geraucht hat. Wenn jemand ein Herzleiden bekäme, würden wir ihm oder ihr nicht die Schuld wegen Übergewicht oder zuvielem Trinken oder Mangel an körperlicher Bewegung geben. Wir würden diese Arbeitnehmer mit Rücksicht behandeln, müßten versuchen, Ihrer Bereitschaft weiterzuarbeiten zu entsprechen, und würden von ihren Kollegen erwarten, daß sie ein bißchen Mitgefühl und Verständnis zeigen. Wie die meisten verantwortungsvollen Unternehmen sehen wir nicht die geringste Legitimation dafür, Aids irgendwie anders zu begegnen. Es ist Ihr gutes Recht, bestimmte Lebensstile abzulehnen. Sie können den Lebensstil von vielen Ihrer Kollegen mißbilligen und diese Ihren. In diesem Betrieb jedoch, so meinen wir, sind Toleranz und Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Verständnis und Mitgefühl nützliche menschliche Tugenden, und eine schreckliche Krankheit wie Aids bietet eine gute Gelegenheit, diese Tugenden zu zeigen. Frage: Kann es sein, daß jemand Virusträger ist und trotzdem gesund aussieht? Antwort: Ja. Vom Ansehen allein könnten Sie nicht sagen, ob jemand das aktive Aids-Virus in sich trägt, noch kann es das jeweilige Individuum selber wissen. Es gibt auch zur Zeit außerhalb von begrenzten Forschungsvorhaben keinen Test zum Nachweis des aktiven Virus selbst. Wenn jemand glaubt, Virusträger zu sein, dann ist es sinnvoll, daß diese Person den Aids-Antikörpertest in Erwägung zieht, auch wenn dieser Test keine schlüssige Antwort liefert. Für eine Frau, die eine Schwangerschaft plant, wäre es ganz besonders wichtig, testen zu lassen, ob sie oder der zukünftige Vater möglicherweise mit dem Virus in Berührung gekommen ist. Soweit es den Arbeitsplatz betrifft, ist es völlig egal, ob einer Virusträger ist oder nicht, weil es einfach kein Risiko für Sie bedeutet, mit einem tatsächlich AidsKranken oder mit einem noch gesunden Virusträger zusammenzuarbeiten. Außerhalb des Berufslebens empfehlen wir Ihnen dringend, keine Nadeln für intravenös injizierte Drogen gemeinsam zu benutzen und sich beim Sexualverkehr durch Kondome zu schützen. Frage: Warum ist es ungefährlich, Blut zu spenden? Antwort: Bevor man 1985 die Untersuchungsprogramme in den Blutbanken der USA einführte, wurden einige Menschen durch Blutransfusionen mit dem Virus an-

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gesteckt. Das dürfte jetzt wohl nicht mehr passieren. Wegen der langen Inkubationszeit von Aids könnten Sie aber auch in Zukunft immer noch von neuen AidsFällen hören, die auf Transfusionen vor 1985 zurückgehen. Diese Fälle resultieren aber ausnahmslos aus dem Empfang von Blut, nicht aus dem Spenden von Blut. Als Blutspender kommen Sie mit gar nichts in Berührung, außer mit einer sterilen Einwegnadel, die nur für Sie benutzt wird. Es kommt garantiert nichts in Ihren Körper hinein, das Schaden anrichten könnte. Es gibt keinen Weg für irgendein Virus, in Ihren Blutstrom zu gelangen, wenn Sie in einer Blutbank Blut spenden. Weil aber manche Menschen die falsche Vorstellung haben, das Spenden von Blut sei risikoreich, haben viele das Blutspenden eingestellt. Das Ergebnis ist, daß die Blutbanken nicht mehr genügend Blut haben. Abgesehen von dem Fall, daß Sie ernsthaften Grund für die Annahme haben, mit Aids infiziert zu sein und daß Ihr eigenes Blut bereits verseucht ist, sollten Sie bitte helfen, indem Sie bei Ihrer lokalen Blutbank Blut spenden. Es gibt kein Risiko für Blutspender! Frage: Es interessiert mich nicht, was Sie über das Fehlen eines Aids-Risikos am Arbeitsplatz sagen. Ich will einfach nicht mit einem Virusträger zusammenarbeiten. Punkt. Was wollen Sie für mich und meine Befürchtungen tun? Antwort: Nehmen wir an, jemand würde sich davor fürchten, mit IHNEN aus irgendwelchen Gründen, die weder eine medizinische noch wissenschaftliche noch logische Grundlage hätten, zusammenzuarbeiten. Was würden wir Ihrer Erwartung nach in einem solchen Fall tun? Wir würden sicherlich mit diesem Menschen sprechen und erklären, daß seine oder ihre Ängste vor einer Zusammenarbeit mit Ihnen unbegründet sind. Wir müßten, wenn nötig, Beratung anbieten. Falls machbar, würden wir versuchen, eine Versetzung oder die Zuweisung einer anderen Aufgabe zu ermöglichen. Aber im Kern läuft es doch auf folgende Frage hinaus: Wenn es keinen stichhaltigen Grund gibt, warum jemand sich vor der Zusammenarbeit mit Ihnen fürchten sollte, und wenn wir keinen Ausweg finden, der mit den Erfordernissen des Betriebes im Einklang steht, was sollten wir dann Ihrer Ansicht nach tun? Frage: Ich habe einige Fragen zu Aids, die ich nicht gerne hier und heute diskutieren möchte. Wo kann ich vertraulich Informationen bekommen? Antwort: Ihre Broschüre „Aids am Arbeitsplatz, ein Leifaden für Mitarbeiter" enthält eine Liste mit gebührenfreien Telefondiensten („Hotlines"), mit denen Sie vertraulich sprechen können (Anm.: die genannte Liste ist in der in diesem Buch abgedruckten Übersetzung der Broschüre nicht enthalten, in Deutschland können die Aids-Beratungsstellen konsultiert werden). Die Auskunft ist kostenlos. Die für einen Staat eingerichteten Hotline können gebührenfrei nur innerhalb des betreffenden Bundesstaates angerufen werden, die nationale Hotline kann von allen Bundes-

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Staaten auf dem amerikanischen Festland kostenlos erreicht werden. Ihre Fragen werden dort beantwortet und Sie werden gegebenenfalls an weitere Informationsquellen verwiesen. Sprechen Sie auch mit Ihrem Arzt. Wenn dieser noch nicht mit Aids vertraut ist, bitten Sie ihn (oder sie), sich über Aids zu informieren, so daß er oder sie Ihre Fragen beantworten kann. Seien Sie nicht überrascht, wenn ihr Arzt mit Aids nicht vertraut ist. Es ist für viele Ärzte ein neues Spezialgebiet. (Anmerkung: Wenn Ihr Betrieb einen betriebsärztlichen Dienst hat oder andere Quellen zusätzlicher Information über Aids für die Arbeitnehmer bereitstellt, weisen Sie bitte darauf hin, wie man an diese Hilfseinrichtungen herankommt.) • Frage: Wenn es stimmt, was Sie sagen, daß die medizinischen Befunde so eindeutig sind und diese Krankheit keine Gefahr für uns bedeutet, warum wird dann um Aids überhaupt noch ein derartiger Wirbel gemacht? Eltern demonstrieren vor Schulen, Aids-Infizierte werden gefeuert, das Militär testet jeden, den es zu fassen kriegt, Gesetze werden vorgeschlagen, die Menschen von Berufen fernhalten sollen, die mit Nahrungsmitteln zu tun haben usw. Antwort: Aids wirft eine Menge von grundlegenden, ernsten und sehr heiklen Fragen und Problemen auf, die absolut nichts mit Krankheit oder Medizin zu tun haben. Fragen und Probleme, zu denen viele Menschen extrem festgefügte und sehr lautstark vorgetragene Meinungen haben. Zu Aids gehören überdies eine Reihe von Aspekten, die die Krankheit zu einem Sensationsthema für die Presse machen: Sex, Blut, Homosexualität, Drogen, Tod. Vieles an dem Spektakel um Aids hat mit der eigentlichen Krankheit oder dem Virus selbst überhaupt nichts zu tun. Wohl aber mit eisern festgehaltenen Glaubenssätzen und Meinungen über die Betätigungen, die meist für eine Übertragung des Virus verantwortlich sind, und mit ebenso stabilen Vorurteilen über die Art von Menschen, die am häufigsten Aids bekommen. Die Krankheit ist häufig bloß politischer Spielball. Aktivisten der Schwulenbewegung versuchen, Aids als Hebel für die Durchsetzung der Gleichstellung der Homosexuellen zu benutzen. Fundamentalistische Religionsanhänger sehen in Aids ein willkommenes Hilfsargument für ihre traditionelle Behauptung, daß Sex, Drogen und Homosexualität unmoralisch seien, den Zorn Gottes herausforderten und deshalb geächtet werden sollten. Politiker können einer Meldung auf den Titelseiten der Zeitungen sicher sein, wenn sie ein Gesetz vorschlagen, daß die Öffentlichkeit angeblich vor Aids schützt, auch wenn sie gar nicht wirklich die Absicht haben, das Gesetz jemals durchs Parlament zu bringen, oder genau wissen, daß sie von der Medizin keine Unterstützung für diese Gesetzgebung bekommen. Und: Aids ist für die meisten Menschen eine relativ neue Krankheit. Weil es keine Heilmethode gibt, ist sie unheimlich. Wir fürchten uns alle vor Dingen, an die wir nicht gewöhnt sind und die wir nicht völlig begreifen. Denken Sie z.B. an die Geschichten über das Entsetzen der Menschen, als 1910 der Halleysche Komet vorbei-

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zog. Einige begingen Selbstmord, andere wurden verrückt, die meisten waren zutiefst entsetzt. 1986 wartete alle Welt auf ihn. Es ist immer noch derselbe Komet, aber wir verstehen ihn jetzt besser. Und natürlich sind Eltern gerade dann besonders besorgt über eine neue Krankheit, wenn ihre kleinen Kinder davon betroffen sind. Sie sind oft nicht bereit, auf Beweise zu hören, es sei denn, irgendjemand gibt ihnen eine absolute Garantie, daß jedes nur erdenkbare Risiko unter allen Umständen ausgeschlossen sei. Aber niemand kann ihnen diese absolute Garantie für jeden denkbaren Aspekt der Sicherheit und des Wohlergehens ihrer Kinder außerhalb des Hauses geben. Und auch die Eltern selbst bieten keine absolute Garantie für Sicherheit und Wohlergehen ihres Kindes, selbst wenn es zuhause ist. Wir können davon ausgehen, daß Aids für eine ganze Weile eine Krankheit bleibt, die Kontroversen auslöst, solange nämlich, wie es mit unseren Überzeugungen und Traditionen und unterschiedlichen moralischen und religiösen Standpunkten zusammenhängt, und solange die Presse meint, Aids sei eine faszinierende neue Story. Jeder von uns hat seine tief verwurzelten Überzeugungen in derlei Angelegenheiten, und jeder von uns hat ein Recht auf solche Überzeugungen. Aber wenn wir dieser Krankheit gegenüber verantwortungsvoll handeln wollen, dann dürfen wir nicht zulassen, daß die eher emotionalen Fragen - so wichtig und gewichtig sie auch für uns sein mögen - unser Verständnis der medizinischen Fakten über die Krankheit und die Art ihrer Verbreitung trüben. Ob wir die Wege mögen, auf denen Aids verbreitet wird, oder nicht, ob wir manche der Menschen mögen, die Aids bekommen, oder nicht, es bleibt doch immer nur die unumstößliche Tatsache, daß Aids nicht am Arbeitsplatz übertragen wird. Frage: Wie sieht es mit Schwimmbädern und Whirlpools aus? Antwort: Schwimmbäder oder Whirlpools verbreiten Aids nicht. Es gibt wenigstens drei Gründe, warum Schwimmbäder und Whirlpools sicher sind. Erinnern Sie sich daran, daß das Aids-Virus, um Schaden anrichten zu können, aus dem Körperinnern eines infizierten Menschen in das Körperinnere eines anderen in ausreichender Menge gelangen muß, ohne unterwegs abzusterben. Erstens ist es unwahrscheinlich, daß das Virus in das Becken in einer gefährlichen Menge gelangen könnte. Die infizierte Person müßte im Wasser Blut in großen Mengen verlieren. Dann aber würde, zweitens, das Virus sofort im ganzen Wasser verteilt und bis zur Unwirksamkeit verdünnt werden. Drittens würde das im Wasser enthaltene Chlor das Virus abtöten. Selbst wenn däs Wasser nicht korrekt oder überhaupt nicht gechlort wäre, würde das Virus niemanden schädigen, es sei denn, erhebliche Mengen würden in den Körper eines Menschen gelangen. Wie sollte das geschehen? Sie müßten Riesenmengen von dem Wasser trinken, wahrscheinlich mehr, als ein Mensch zu trinken in der Lage ist. Dann müßte das Virus in Ihren Blutkreislauf gelangen. Wie sollte das vor sich gehen?

Aids-Aufklärung im Betrieb

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Insofern hat das Virus keine echte Chance in einem Schwimmbad oder Whirlpool. Sie sind sicher. Frage: Wieso wird das Virus nicht durch Umgang mit Nahrungsmitteln übertragen? Antwort: Die Grundprinzipien der Übertragung gelten hier ebenfalls. Um irgendeinen Schaden anzurichten, muß das Virus aus dem Körperinneren eines infizierten Menschen in das Körperinnere eines anderen in ausreichender Menge gelangen, ohne unterwegs abzusterben. Wie würden gefährliche Mengen des Virus in die Nahrung geraten? Speichel würde nur ungenügende Mengen transportieren. Schwere Blutungen könnten ausreichende Mengen übertragen. Wenn jedoch die Nahrung nicht gekocht würde, könnte man das Blut klar erkennen und würde sie nicht essen. Würde sie aber gekocht, so würde die Hitze beim Kochen das Virus abtöten. Wenn das Virus auf der Nahrung eine gewisse Zeit haftete, bevor sie serviert wird, stürbe es wahrscheinlich bereits von alleine ab. Die Centers for Disease Control sagen, daß „alle epidemiologischen und LaborBefunde darauf hindeuten, daß im Blut angesiedelte und sexuell übertragene Krankheiten nicht bei der Zubereitung oder beim Auftragen von Nahrungsmitteln oder Getränken übertragen werden..." Die Leitlinien der CDC zu Aids am Arbeitsplatz stellen denn auch klar: „Arbeitnehmer im Ernährungsbereich, von denen bekannt ist, daß sie (mit dem Aids-Virus) infiziert sind, müssen nicht von der Arbeit ferngehalten werden, soweit sie nicht Befunde anderer Krankheiten zeigen, deretwegen jeder andere Mitarbeiter in diesem Bereich ebenfalls ferngehalten werden müßte." Sauberes Geschirr bedeutet ebenfalls kein Risiko. Seife und heißes Wasser töten das Virus. Die in Restaurants, Betriebskantinen und zuhause benutzten Spülmaschinen töten das Virus mit Leichtigkeit ab. Frage: Was passiert, wenn man mit dem Aids-Virus infiziert wird? Antwort: Nicht jeder, der sich angesteckt hat, entwickelt tatsächlich das Vollbild Aids. Die meisten Infizierten bilden Antikörper gegen das Virus, die als Hinweis darauf dienen, daß das Virus irgendwann einmal im Körper gewesen ist. Sie können aber gesund bleiben und keines der Aids-Symptome zeigen, trotzdem aber unter Umständen in der Lage sein, das Virus zu übertragen. Die Langzeiteffekte der Infektion bei dieser Gruppe sind unbekannt. Einige bekommen das, was man Aids-bezogene Zustände (Aids-related Conditions, ARC) nennt und was durch leichte bis schwere Krankheiten gekennzeichnet ist. Ein weiterer Teil entwickelt das Vollbild Aids, das durch spezifische lebensgefährliche Krankheiten wie Pneumocystis-Pneumonie oder Kaposi-Sarkom gekennzeichnet ist. Es kann zwischen wenigen Monaten und etlichen Jahren dauern, bis nach einer Infektion die Krankheiten ausbrechen. Auch bei solchen Menschen, die ARC oder das Vollbild Aids bekommen, ist

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Vorbeugung

es schwierig, allgemein zu sagen, wie ernst die Krankheit zu einem bestimmten Zeitpunkt sein wird. Einige Menschen mit Aids oder ARC können lange Perioden mit gutem Gesundheitszustand erleben, die wiederum von Krankheitsperioden abgelöst werden. Manche sterben sehr schnell, andere können für ausgedehnte Zeiträume allgemein gesund und sehr aktiv bleiben. Jeder Fall kann ganz verschieden sein. Frage: Kann Aids behandelt oder geheilt werden? Antwort: Es gibt zur Zeit keine Behandlungsmethode, die das Virus im menschlichen Körper zerstören oder das Immunsystem wiederherstellen kann. Nach Gegenmitteln gegen das Virus wird zur Zeit sowohl in den USA als auch in anderen Ländern geforscht. Menschen mit Aids werden jedoch oft bei bestimmten Infektionen erfolgreich behandelt und können für lange Perioden ein aktives Leben führen. Sie brauchen aber unter Umständen, wie Menschen mit anderen lebensgefährlichen Krankheiten wie z.B. Krebs oder Herzkrankheiten besondere soziale oder emotionale Stützung. Für die unmittelbare Zukunft sind die Forscher nicht optimistisch, daß bald eine wirkungsvolle Heilmethode für Aids gefunden wird. Eine Heilung würde eine zweifache Lösung erfordern: Es müßte ein Weg gefunden werden, das Virus an der Fortsetzung seines Zerstörungswerks im Körper zu hindern, und es müßte ein Weg gefunden werden, die bereits erfolgte Zerstörung wieder rückgängig zu machen. Genauso wie wir trotz der jahrzehntelangen Forschung noch keine echte Heilmethode für Krebs haben, wird wohl eine Heilmethode für Aids für lange Zeit unerreichbar sein. Vorbeugung gegen Aids indes ist sehr leicht, denn es wird nicht leicht verbreitet. Aufklärung ist derzeit unsere beste Vorbeugungsmaßnahme. Frage: Wer bekommt Aids? Antwort: Die Centers for Disease Control sammeln statistische Daten über Aids aus dem ganzen Land und geben Berichte über den Stand der Epidemie heraus. Nahezu drei Viertel aller Aids-Fälle betreffen schwule oder bisexuelle Männer. Weitere siebzehn Prozent sind Konsumenten von intravenös gespritzten Drogen. Zusammen umfassen diese Gruppen 90 Prozent aller in den USA bekannt gewordenen Aids-Fälle. Die verbleibenden Kategorien sind: 1. Bluter, 2. heterosexuelle Kontakte, 3. Transfusionen. Zusammen ergeben diese Kategorien etwa vier Prozent. Wie alle statistischen Übersichten nennen die Statistiken der Centers for £)isease Control noch eine Kategorie „keine der genannten", die Personen umfaßt, für die keine vollständigen Meldungen vorliegen oder die vor einer genaueren Befragung starben oder für die eine offizielle Kategorie nie entwickelt wurde. Eine Aufteilung nach Rassen- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit ergibt, daß an die 40 Prozent aller Aids-Patienten Nichtweiße sind, 25 Prozent sind Schwarze, um die 15 Prozent Personen lateinamerikanischer Herkunft.

A i d s - A u f k l ä r u n g im Betrieb

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Nach Altersgruppen: ein Prozent ist unter 13 Jahre alt, weniger als ein Prozent entfallen auf die Kategorie ,,Teenager". Etwas über 20 Prozent sind zwischen zwanzig und dreißig Jahren alt, fast die Hälfte zwischen dreißig und vierzig und rund 30 Prozent sind über vierzig Jahre alt. Nach dem Geschlecht: In fast 95 Prozent aller Fälle sind die Aids-Patienten Männer. Nach dem Wohnort: Etwa ein Drittel aller Fälle findet sich im Staat New York, gefolgt von etwa einem Viertel in Kalifornien. Auf Florida entfallen sieben Prozent, gefolgt von New Jersey und Texas mit je sechs Prozent. In jedem Bundesstaat der USA und in nahezu jedem Land der Erde gibt es jetzt wenigstens einige Aids-Fälle. Frage: Wenn Aids eine Geschlechtskrankheit ist, wieso kann sie dann nicht geheilt werden wie andere Geschlechtskrankheiten auch? Antwort: Auch heute sind noch nicht alle sexuell übertragenen Krankheiten heilbar, und die meisten waren es bis zu diesem Jahrhundert nicht. Sexuell übertragene Krankheiten waren über viele Jahrhunderte ein Problem. Gonorrhoe und Syphilis traten epidemisch zwischen dem sechzehnten und zwanzigsten Jahrhundert in vielen Ländern auf. Diese Krankheiten waren unheilbar, schmerzhaft, entstellend und führten oft zum Tode. Syphilis war ganz besonders problematisch und führte in der Regel zu Wahnsinn und Tod. Viele berühmte Menschen hatten diese Krankheit. Beethoven und Nietzsche wird nachgesagt, sie seien an Syphilis gestorben. Winston Churchills Vater starb daran. Bis 1944 war Syphilis durchweg nicht heilbar. Herpes, eine sexuell übertragene Krankheit, die von einem Virus verursacht wird, ist immer noch unheilbar. Es ist erst wenige Jahre her, daß die Presse der HerpesEpidemie große Aufmerksamkeit widmete. Heutzutage wird wenig darüber geschrieben, obwohl heute noch ebensoviele Fälle diagnostiziert werden wie damals. Die Presse hat nur einfach das Interesse an diesem Thema verloren, weil die AidsInfektion ungleich schwerwiegender ist. Eines Tages wird Aids heilbar sein, aber die Entwicklung eines Heilmittels wird wie bei vielen anderen Krankheiten Zeit kosten. Frage: Ich dachte, die Wissenschaft hätte die Probleme von Epidemien gelöst. Warum haben wir denn dann jetzt eine Epidemie? Antwort: Infektions-Epidemien hat es alle paar Generationen gegeben, soweit die Geschichtsschreibung zurückreicht. Auch wenn die eine vorbei war, wußten die Menschen, daß schließlich immer wieder eine neue ausbrechen werde. Unsere Generation hat jedoch angenommen, wir hätten die medizinische Technologie entwickelt, die dafür sorgt, daß Epidemien der Vergangenheit angehören. Das war ein Irrtum. Jedes Lebewesen auf der Erde, Viren und Bakterien eingeschlossen, hat den angeborenen Trieb, sich anzupassen und zu überleben. Manchmal führt diese Evolution

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Vorbeugung

zu etwas, das für den Menschen schädlich ist. Dann braucht die Wissenschaft oft lange Zeit, um eine Lösung für das neue medizinische Problem zu finden. In den Vereinigten Staaten hatten wir von den dreißiger bis gut in die fünfziger Jahre eine Kinderlähmungsepidemie. Erst dann wurde ein Impfstoff entwickelt. In den Jahren 1918 und 1919 wütete eine Grippeepidemie, die in Amerika in einem einzigen Jahr 400.000 und weltweit Millionen Menschen tötete. Es hat immer wieder periodische Ausbrüche von Beulenpest gegeben, sogar bis in dieses Jahrhundert hinein. Wir neigen manchmal dazu, einen zu kleinen Ausschnitt der Geschichte wahrzunehmen. Und wir neigen dazu , unser Vertrauen in den technischen Fortschritt zu übertreiben. Die Wissenschaft wird schließlich das Aids-Problem lösen. Aber wir sollten uns darauf einstellen, daß dann in Zukunft andere mysteriöse Krankheiten ausbrechen werden, die wiederum Zeit brauchen, ehe Verfahren zu ihrer Beseitigung entwickelt sind. Es ist wohl so, daß Epidemien ein periodisch wiederkehrender Bestandteil der menschlichen Existenz sind. Frage: Wie kann ein Kondom etwas mikroskopisch derart Kleines wie ein Virus aufhalten? Antwort: Forscher der Universität Kalifornien bewiesen 1985 mit Labortests, daß Kondome das Aids-Virus aufhalten. Ihrem Bericht zufolge kann das Aids-Virus das Kondom nicht durchdringen, solange es nicht gerissen ist. Diese Untersuchung wurde nach dem Muster einer Studie aus dem Jahre 1983 durchgeführt, die gezeigt hatte, daß Herpes-Viren Kondome nicht passieren können: Ein Teelöffel einer Flüssigkeit, die eine außergewöhnlich hohe Konzentration von lebenden Aids-Viren enthielt, wurde unter hohem Druck in mehrere Kondome gepumpt. Die Kondome wurden dann für eine halbe Stunde in eine Virus-freie Kulturlösung getaucht. Anschließend wurde die Kulturlösung über einen Zeitraum von drei Wochen auf das Vorhandensein von Aids-Viren getestet. Wie erwartet hatten die Kondome den Durchgang von Aids-Viren vollständig verhindert. Frühere wissenschaftliche Tests hatten bereits gezeigt, daß Kondome Herpes simplex, Gonorrhoe und das Cytomegalie-Virus zurückhalten konnten.

Aids am Arbeitsplatz Ein Leitfaden für Arbeitnehmer Angesichts einer wachsenden Zahl von Aidskranken in den USA gibt es immer mehr Fragen nach einer möglichen Gefährdung durch Aids am Arbeitsplatz. Diese Broschüre soll solche Fragen beantworten. Eine anfängliche Betroffenheit über eine tödliche Krankheit ist verständlich. Es ist ganz natürlich, daß die Menschen vor einer neuen Erkrankung solange Angst haben, bis sie die Tatsachen kennen. Sie werden sehen, daß Aids im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten nur auf sehr begrenzten Wegen verbreitet wird und daß Sie an Ihrem Arbeitsplatz keinem Risiko ausgesetzt sind.

Wieviel weiß man über Aids? Man weiß viel darüber, was Aids verursacht, wie Aids von Mensch zu Mensch übertragen wird und wie Aids vermieden werden kann. Es ist allerdings nicht bekannt, wie die Krankheit geheilt werden könnte.

Was ist Aids? Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome) wird von einem Virus verursacht. Dieses Virus wird HIV genannt. Gelangt das Virus in den Blutstrom eines Menschen, dann kann es eine bestimmte Sorte weißer Blutzellen - Lymphozyten - angreifen, die für die Arbeit des Immunsystems lebenswichtig sind. Mit der Zeit ist dann das Immunsystem der infizierten Person nicht mehr in der Lage, andere, sogenannte „opportunistische" Infektionen zu bekämpfen.

Wie könnte man sich mit dem Aids- Virus infizieren? Es ist schwer, Aids zu bekommen. Das Virus wird nicht leicht von Mensch zu Mensch übertragen, und niemals wird es durch gewöhnlichen Kontakt verbreitet. Medizinische Fachleute, die in mehrjähriger Arbeit Tausende von Aids-Fällen bearbeitet haben -sie gingen bis 1977 zurück - sind sich darüber einig, daß Aids auf vier Wegen übertragen wird:

„Aids in The Workplace", herausgegeben von der San Francisco Aids Foundation mit finanzieller Unterstützung der Firmen Pacific Telesis, Levi's, Mervyn's, BankAmerica, Wells Fargo, AT&T und Chevron, San Francisco 1986

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Vorbeugung

— Sexualverkehr mit einer Aids-infizierten Person. Samen kann das Virus übertragen, ebenso die Vaginalfüssigkeit. Genau wie im Falle anderer sexuell übertragbarer Krankheiten verhindert der richtige Gebrauch von Kondomen die Verbreitung von Aids. — Austausch von Injektionsnadeln mit einer infizierten Person beim Drogengebrauch. Die gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln kann das Virus direkt in den Blutstrom des Benutzers eindringen lassen. — Injektion verseuchter Blutprodukte. Dieser Übertragungsweg sollte nicht länger auftreten, weil es seit 1985 Blutkontrollprogramme gibt. (Beim Blutspenden können Sie kein Aids bekommen). — Eine Aids-infizierte Frau, die schwanger ist oder ihr Kind stillt, kann das Virus an ihren Säugling weitergeben. Das Aids-Virus kann nicht durch die L u f t übertragen werden, Schneuzen, Atmen, Husten übertragen Aids nicht. Berührungen, Schmusen, Händehalten oder Händeschütteln übertragen Aids ebenfalls nicht. Kein Aids-Fall ist durch normalen Kontakt zustandegekommen. Niemand vom Gesundheitspersonal, wie Ärzte, Schwestern, Zahnärzte oder Pfleger wurde durch die routinemäßigen Arbeiten mit Aids-Patienten selber Aids-krank. Sogar wenn Kinder mit Aids-kranken Geschwistern spielten, aßen, schliefen, sich küßten, wurde niemand infiziert. Und niemand hat sich je während der Arbeit mit Aids angesteckt, und das nach all diesen Jahren.

Sollte es Aids-Kranken erlaubt sein, zu arbeiten? Solange Aids-kranke Menschen sich zur Arbeit wohl genug fühlen, können sie ohne Risiko für sich selber arbeiten, auch ohne Risiko für ihre Kollegen oder die Ö f f e n t lichkeit. Diejenigen Firmen, die E r f a h r u n g im Umgang mit Aids-Kranken sammelten, haben festgestellt, daß Aids wie andere lebensbedrohliche Krankheiten behandelt werden kann, zum Beispiel wie Krebs oder Herzkrankheiten. Tausende von Aids-infizierten Menschen arbeiten erfolgreich.

Sollten wir dieselben Geräte und Einrichtungen

benutzen?

Aids wird durch Blut oder Sexualkontakt übertragen. Es wurden noch nie Aidsfälle durch die gemeinsame Benutzung von Schreibmaschinen, Telefonen, Werkzeug, Papier, Trinkwasserspendern, Badezimmern, Fahrzeugen, Uniformen, angekauten Bleistiften, Tischen, Toilettensitzen, Duschen, Kaffeekannen oder Geschirr bekannt.

Was ist mit gemeinsamem Essen? Aids wird nicht durch die Zubereitung oder den Verbrauch von Essen oder Getränken übertragen. Gemeinsames Essen ist kein Weg der Aids-Verbreitung.

Aids-Aufklärung im Betrieb

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Was ist mit Speichel, Tränen und Schweiß? Nichtsexuelle Kontakte mit diesen Flüssigkeiten stellen kein Risiko dar. Es gibt keine Aids-Fälle im Zusammenhang mit Speichel, Tränen und Schweiß. Was ist, wenn ich mit Blut in Berührung

komme?

Außerhalb des Körpers ist das Virus sehr empfindlich. Die Haut ist eine Schutzschicht gegen den Aids-Erreger. Trotzdem sollten Sie im Falle schwererer Blutungen das ausgetretene Blut mit einer normalen Lösung eines gewöhnlichen Haushaltsbleichmittels entfernen (10 Teile Wasser auf ein Teil Bleichmittel). Wie kann ich mich selbst vor Aids

schützen?

Bei der Arbeit gibt es keine Notwendigkeit eines besonderen Schutzes. Außerhalb der Arbeit dürfen sie nicht Injektionsnadeln mit anderen gemeinsam benutzen und Sie sollten Kondome verwenden, wenn die sexuelle Geschichte ihres Sexualpartners unklar ist. Schützen Sie sich selbst vor Angst, indem Sie die Fakten kennenlernen. Was braucht ein Aids-kranker Kollege von mir? Er oder sie benötigt dieselbe Zuwendung und Unterstützung, die Sie sich wünschten, wenn Sie eine ernste und möglicherweise tödliche Erkrankung hätten. Wenn ich noch Fragen habe, was tue ich dann? Sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten oder leitenden Angestellten. Bitten Sie Ihren Vorgesetzten oder leitenden Angestellten, Ihre Personal-Abteilung oder Sozialabteilung und geeignete Arbeitnehmervertreter, sich über Aids auf dem laufenden zu halten und Sie und Ihre Kollegen weiter zu informieren. Wenn es in Ihrer Region eine Aids-Telefonberatung gibt, dann rufen Sie sie an. Führen Sie sich vor Augen, daß die Angst vor einer neuen Krankheit nicht über Nacht verschwindet, auch wenn es für Sie gar kein Risiko gibt. Seien Sie mit sich selbst geduldig. Helfen Sie mit, die Angst zu überwinden, indem Sie sich die Fakten über Aids aneignen und sie verbreiten.

Das Aids-Gesundheitsprojekt Ein besonderes Problem der Aids-Vorbeugung ist die Beratung von „besorgten Gesunden", d.h. von Menschen, die, ohne selber infiziert oder gar krank zu sein, unter dem Eindruck der Epidemie seelische oder körperliche Störungen entwickeln. Auch symptomfreie Infizierte machen sich oft - über die begründeten Vorsichtsmaßnahmen hinaus - unnötige Sorgen, die ihre Gesundheit beeinträchtigen. Für beide Gruppen gilt, daß sie durch seelische Stützung, vernünftige Ernährung, anstekkungssichere Sexualpraktiken, Vermeidung oder Verminderung von Drogengenuß und durch Streßreduzierung ein neues Lebensgefühl erreichen können, das ihnen mehr Kontrolle über ihr eigenes Leben verschafft und damit vielleicht auch ihre Widerstandskraft stärkt. Alle diese Wege sind aber prinzipiell auch für ARC- und Aids-Patienten begehbar, so daß ein umfassendes Programm zur Erhaltung der Gesundheit für jedermann sinnvoll ist. Diese Überzeugung ist jedenfalls die Grundlage für die vielfältigen Aktivitäten des Aids-Gesundheitsprojektes in San Francisco. Es entstand 1983 als Antwort auf die Aids-Krise, hat sich seither schnell weiterentwickelt und versucht immer neuen Populationen auf immer neue Weise dienstbar zu bleiben. Das gesamte Projekt gehört zur medizinischen Fakultät der University of California in San Francisco und wird von dorther geleitet. Die verschiedenen Teile des Projektes sind durch drei alles verbindende Prinzipien verknüpft: 1. 2. 3.

Vorbeugung ist ein integraler Bestandteil der Gesundheitspflege. Seelische Faktoren spielen sowohl bei Gesundheit wie bei Krankheit eine wichtige Rolle. Alle gesellschaftlichen Gruppen haben ein Recht auf eine Gesundheitsfürsorge, die ihre besonderen Bedürfnisse in Rechnung stellt und respektiert.

Jedes Einzelprogramm des Aids-Gesundheitsprojektes ist so angelegt, daß es Individuen an verschiedenen Punkten auf dem Kontinuum zwischen völliger Gesundheit und dem klinischen Vollbild Aids beraten kann. Verschiedene Programme entsprechen daher verschiedenen Stadien der Vorbeugung, z.B. ist das Programm für „besorgte Gesunde" ein Versuch der primärprävention, d.h. man versucht, gesunden Männern und Frauen dabei zu helfen, daß sie sich nicht anstecken. Programme für „Testpositive" und ARC-Patienten verbinden Elemente der Primär- und Sekundärprävention. Hier will man den Einzelnen helfen, soweit wie möglich gesund zu bleiben, damit sie nicht das Vollbild Aids entwickeln. Beispiele für Tertiärprävention sind ein Programm für erkrankte Drogenabhängige und ein Programm für

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Vorbeugung

Kranke mit psychiatrischen Problemen. In allen Fällen wird eine Beratung oder Betreuung durch Gruppenarbeit angeboten; die Teilnahmegebühr wird nach der Zahlungsfähigkeit des Einzelnen bemessen oder auch vollständig erlassen. Das gesamte Projekt hat in allen seinen Teilen das Ziel, eine Verhaltensänderung zu erreichen. Es beruht also auf folgenden Grundannahmen: 1.

2. 3. 4. 5.

Um eine Infektion zu vermeiden, müssen ganz bestimmte Verhaltensweisen geändert werden (risikoreiches Sexualverhalten, gemeinsame Benutzung von ungesäuberten Injektionsnadeln). Jede Verhaltensänderung ist ein Prozeß, bei dem Aufklärung einen ersten Schritt bedeutet, der aber damit keineswegs beendet sein kann. Jeder Versuch der Verhaltensänderung muß den Erwerb neuer Fähigkeiten im zwischenmenschlichen Umgang einschließen. Menschen, die neue Verhaltensweisen „ausprobieren", brauchen seelische Stützung und praktische Hilfe. Zur Aufrechterhaltung der neuen Verhaltensweisen braucht der Einzelne Unterstützung durch sein soziales Umfeld.

Die folgenden Texte sind Übersetzungen praktischer Arbeitspapiere des AidsGesundheitsprojekts. Das erste Papier, „Gesundheit als Integrationsprozeß", ist ein Text von Peter. B. Goldblum, Ph. D., dem stellvertretenden Direktor des Aids-Gesundheitsprojekts. Es folgen Auszüge aus einem „Handbuch für schwule Gesundheit", ein Überblick über den Ablauf des „Integrativen Gesundheits-Workshops", in dem die Inhalte des genannten Handbuchs im Verlauf von acht Gruppensitzungen bearbeitet werden, und schließlich ein Fragebogenpaket, das als Begleitmaterial zu Workshop und Handbuch dient.

Gesundheit als Integrationsprozeß Peter B. Goldblum Im Aids-Gesundheitsprojekt werden wir täglich gefragt: „Wie kann ich mich vor einer Aids-Infektion schützen?" Die zahllosen Informationen und Fehlinformationen, die zum Thema Aids und Gesundheitsförderung im Umlauf sind, verwirren und und überrennen die Menschen zuweilen. Sind Vitamine die Lösung? Sollte ich mit Sex ganz aufhören, oder sollte ich womöglich mehr Sex machen? Welche Rolle spielt die Nahrung? Ist Streß der eigentliche Übeltäter? Unsere Antwort ist einfach: Verschaffen Sie sich die bestenmöglichen Informationen, lassen Sie sie in einen vernünftigen Handlungsplan einmünden, verschaffen Sie sich Unterstützung für die Umsetzung Ihres Gesundheitsplans und tun Sie etwas Positives. Nach unserer Erfahrung können Menschen mit einem klaren und sinnvollen Handlungsplan die Unsicherheiten der Aids-Krise verkraften. Zur Entwicklung eines Handlungsplan, der mit hoher Wahrscheinlichkeit :das Aids-Risiko vermindert, empfehlen wir, sich einen umfassenden Überblick über Gesundheit und Aids zu verschaffen. Unter umfassend verstehen wir dabei einen vollständigen Überblick, der alle wichtigen Faktoren in Betracht zieht. Die Notwendigkeit einer solchen integrativen Sicht der Gesundheit trat schon früh bei unseren Präventionsbemühungen zu Tage. In einer unserer ersten Gesundheitsgruppen erschien ein junger Mann mit schönem und muskulösem Körperbau, der besorgt war, ob seine Ernährung und seine Übungen ausreichten, ihn vor dem Krankwerden zu bewahren. Dieser Mann hatte viele verschiedene Sexualpartner und bevorzugte mit ihnen Praktiken, von denen wir jetzt wissen, daß sie risikoreich sind. Unglücklicherweise kam bei diesem Mann noch Drogen- und Alkoholmißbrauch dazu, nach unserem Wissen ein Hauptrisikofaktor im Zusammenhang mit Aids. Im Verlauf des Gesprächs begriff er allmählich, daß er seine Aufmerksamkeit auf alle Gesundheitsfaktoren richten müsse. Glücklicherweise konnte dieser Mann diese neuen Einsichten in ein sinnvolles und umfassendes Programm einbauen. Er reduzierte sein risikoreiches Sexual verhalten, verstärkte seine gesunden sexuellen Aktivitäten und fing bei den Anonymen Alkoholikern an, um den Alkoholmißbrauch zu überwinden. Was sind die wichtigen Elemente eines umfassenden Gesundheitsplans? Die Ausbreitung von Aids hängt wie die anderer Viruserkrankungen von zwei Dingen ab: vom Erreger und vom Wirtsorganismus. Beide Faktoren müssen Sie in Ihrem Gesundheitsprogramm berücksichtigen. Nach allem, was wir über das HlVirus (den Erreger) wissen, hängt die Übertragung vom Austausch von Körpefflüssigkeiten, insbesondere Samen und Blut ab. Wir haben den starken Verdacht, daß das AidsPeter P. Goldblum, Ph. D . , „ A n Integrated Approach to Health: Power in The Face of Aids", Arbeitspapier des Aids-Gesundheitsprojekts, San Francisco, ohne Jahr

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Vorbeugung

Risiko wächst, wenn man dem Erreger wiederholt ausgesetzt ist. Deshalb muß jedes Gesundheitsprogramm Strategien enthalten, die diese Möglichkeit verringern. „Safer Sex"-Leitlinien wurden von verschiedenen Organisationen erarbeitet. Ein zweiter Teil des Gesundheitsplans muß sich auf die Stärkung der körpereigenen Abwehrkräfte gegen ein Eindringen des Virus konzentrieren. Wir wissen, daß nicht jeder, der mit dem Virus in Berührung gekommen ist, das Vollbild Aids entwickelt. Zur Stärkung des Immunsystems schlagen wir wiederum einen integrativen Ansatz vor. Fragen Sie sich zunächst, welche Faktoren in Ihrem Leben die Fähigkeit Ihres Körpers, Sie vor Krankheit zu schützen, beeinträchtigen. Nachfolgend einige Beispiele von Faktoren, von denen festgestellt wurde, daß sie eine negative Auswirkung auf das Immunsystem haben: Drogen, Alkohol, Streß, Depression, Einsamkeit, falsche oder schlechte Ernährung.

Handbuch für schwule Gesundheit Schwule Gesundheit in der Aids-Krise Als Schwule leben wir alle unter dem Schreckgespenst von Aids. Seit die Krankheit 1979 zum ersten Mal beschrieben wurde, hat ihr Auftreten ständig zugenommen. Viele von uns haben Freunde oder Partner, bei denen Aids festgestellt wurde oder die daran gestorben sind. Einige von uns sind vielleicht selbst infiziert oder haben Anzeichen dafür, daß das Immunsystem nicht so funktioniert, wie es sollte. Die ganze Situation ist erschreckend und verwirrend zugleich. Und als wäre diese Belastung noch nicht genug, werden wir in schwulen und nichtschwulen Massenmedien mit Informationen bombardiert, die ebenso niederschmetternd wie aufregend sind. Wir lesen beunruhigende Einzelheiten über die Krankheit und sehen Nachrufe auf Männer, die an ihr gestorben sind. Man kann nicht besonders gut sinnvolle Entscheidungen zur Erhaltung seiner Gesundheit treffen, wenn man widersprüchliche Informationen und Anweisungen erhält. Aber man kann angesichts der Zukunft leicht in einen Zustand von Verzweiflung und Angst abrutschen, sich machtlos und hoffnungslos fühlen. Glücklicherweise können Sie etwas gegen die Verzweiflung und Verwirrung unternehmen, können Sie erste Schritte tun zur Bewältigung dieser Krise. Sie können die Faktoren besser verstehen lernen, von denen Ihre körperliche und seelische Gesundheit beeinflußt wird. Sie können Entscheidungen darüber fällen, in welchen Lebensbereichen Sie aufgrund dieses besseren Verständnisses etwas ändern möchten. Sie können dann einen Plan oder eine Strategie zur Durchführung dieser Veränderungen aufstellen. Das ist genau der Punkt, an dem dieser Text ansetzt. Er soll eine Entscheidungshilfe bei der Frage sein, wo Sie etwas ändern müssen, und soll Sie bei der Entwicklung eines Plans dazu unterstützen. Durch die Lektüre dieser Informationen und die Ausführung der Übungen werden Sie systematisch an ein verbessertes Gesundheitsverhalten herangeführt. Sie können diesen Text zwar alleine durcharbeiten, aber wir haben die Erfahrung gemacht, daß Menschen, die ihn mit Freunden oder in einer organisierten Gruppe durchgearbeitet und dabei ihre Erfahrungen ausgetauscht und einander unterstützt haben, mehr davon hatten.

„Gay Health Workbook", herausgegeben vom Aids-Gesundheitsprojekt, San Francisco, ohne Jahr

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Vorbeugung

Gesundheit aus der Schwulenperspektive In seinem Buch „Loving Someone G a y " (Liebe zu einem Schwulen) hat Don Clark herausgearbeitet, warum viele Schwule und Lesben gegenüber Experten skeptisch geworden sind, die uns erzählen wollen, wir müßten unser Verhalten ändern. Viele von uns haben erlebt, wie „Wissenschaftler" uns in einer Weise verändern wollten, von der wir genau wußten, daß sie gegen unsere ureigenen Interessen gerichtet ist. Jetzt sehen wir uns aber einer Krise gegenüber, in der wir die verläßlichsten und absolut aktuellsten Informationen benötigen, die zu bekommen sind. Das Dilemma, das sich aus den schlechten Erfahrungen einerseits und dem Bedarf an wissenschaftlich verläßlichen Daten andererseits ergibt, kann man eine „Vertrauenslücke" nennen. Wir können Ihnen nur zuraten, skeptisch zu sein, kritisch nachzudenken und zu hinterfragen, welche Voraussetzungen Veränderungsvorschlägen zugrunde liegen, ob sie nun von Personen kommen oder von irgendwelchen Projekten. Aus diesem Grunde wollen wir versuchen, auch unsere Absichten und Grundannahmen offenzulegen. Sie können dann selbst entscheiden, ob Ihnen das angemessen ist oder nicht. Nachfolgend diese Grundannahmen: Annahme 1: Schwulsein ist eine natürliche Variante menschlichen Verhaltens. Annahme 2: Sexualität ist ein wichtiger Aspekt des menschlichen Erlebens. Annahme 3: Der Druck, den eine feindselige Gesellschaft auf Schwule und Lesben ausübt, führt zu zusätzlichen Forderungen an uns, die sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken können. Als Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die in der schwulen Gemeinde arbeiten, haben wir ein gewaltiges Wachstum und eine rasante Entwicklung in unserer Bevölkerungsgruppe miterlebt. Einige von uns, die schon eine Weile hier in San Francisco sind, haben gesehen, wie eine stolze und vollkommen offen auftretende schwule Gemeinschaft, für die die vorige Generation den Boden bereitet hatte, in den letzten fünfzehn Jahren wuchs und blühte. Wir wissen auch, daß es immer noch Raum für mehr Wachstum und Verbesserung gibt. Wir wissen, daß es immer noch als eine Zumutung gilt, wenn Männer offen mit Männern zusammenleben und Frauen mit Frauen. Da muß noch viel gelernt werden. Wir wissen, daß die meisten Menschen in ihrer Jugend mit sehr negativen Ansichten über Homosexualität leben, die von Schwulen oder Lesben erst verlernt werden müssen, ehe sie ein solides, unerschütterliches Selbstgefühl entwickeln können. Wir wissen, daß einige schwule Einrichtungen überholt sind und neue an ihre Stelle treten müssen. Wir brauchen vor allem mehr Einrichtungen, in denen der Geist der Menschlichkeit genährt wird und blühen kann. Wir sollten uns zuweilen daran erinnern, daß ein zentraler Aspekt des Schwulseins Mut ist. Jeder Schritt in unserer individuellen Entwicklung als Schwule wie in der der schwulen Gemeinschaft hat gefordert, daß wir auf uns allein gestellt unseren Weg

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machten. Wir treten nun in eine neue Ära dieser Entwicklung. Jeder von uns muß eine schwierige Wahl darüber treffen, was das Beste ist. Wir wollen Ihnen bei dieser Wahl zur Seite stehen und ihnen helfen, sie in einen sinnvollen Handlungsplan umzusetzen.

Integrierte Gesundheitsplanung Insgesamt soll dieser Text helfen, das Risiko einer Aids-Infektion zu vermindern, und ganz allgemein Ihren Gesundheitszustand verbessern. Um diese Ziele zu erreichen, schlagen wir vor, daß Sie einen ganz persönlichen Gesundheitsplan ausarbeiten. Dazu haben wir ein Dreistufenmodell entwickelt: Stufe 1: Beurteilen Sie Ihr Gesundheitsverhalten und entscheiden Sie, welche Änderungen einen positiven Effekt auf Aids-Vorbeugung und allgemeine Förderung des Gesundheitszustandes haben werden. Stufe 2: Arbeiten Sie einen Gesundheitsplan aus. Stufe 3: Führen Sie diesen Plan aus. Stufe 1: Das Gesundheitsverhalten beurteilen Der erste Schritt ist hierbei, daß man sich sein derzeitiges Gesundheitsverhalten genau klarmacht. Wenn Sie diesen Text durcharbeiten, werden Sie ein deutlicheres Bild davon gewinnen, wo Sie derzeit stehen und wohin Sie gehen wollen. Dabei sollte man nach unserer Erfahrung die Querverbindungen zwischen verschiedenen Gesundheitsaspekten verstehen lernen. Beispiel: 1. Eine Zunahme von Streß könnte unter Umständen die Abnahme von risikoreichen Sexualpraktiken erschweren, vor allem dann, wenn Sex bisher Ihr Hauptmittel zur Streßverminderung gewesen ist. Andererseits könnte die Gewinnung von neuen Techniken zur Streßreduktion die Verringerung unsicherer Sexualpraktiken erleichtern. 2. Eine Zunahme risikoreicher sexueller Aktivität könnte zu einer Zunahme von Angst führen, die ihrerseits zu übermäßigem Essen, Trinken oder Rauchen führt. Andererseits könnten eine Zunahme von risikofreien sexuellen Aktivitäten oder Massagen zu einer Verminderung der Einsamkeit und der Angst eines Menschen führen, was wiederum eine Mäßigung im Alkoholund Drogengenuß erleichtert. Wenn Sie erst einmal entschieden haben, welche Verhaltensweisen Sie ändern, ausweiten oder vermindern wollen, können Sie zu Stufe 2 übergehen. Stufe 2: Ausarbeitung eines Gesundheitsplans Mit dem Vorschlag, einen Gesundheitsplan aufzustellen, ist folgendes gemeint: Man setzt sich ein bestimmtes Ziel für sein Verhalten und überlegt sich dann eine Strate-

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gie, um dieses Ziel zu erreichen. Dieses soll ein ganz spezifisches Verhalten sein, das sich beobachten und messen läßt. Zum Beispiel: „Ich werde meinen Alkoholkonsum auf zwei Drinks pro Woche reduzieren." Notieren Sie in den folgenden Leerzeilen fünf Verhaltensweisen, die Ihre Gesundheit beeinträchtigen (achten Sie darauf, daß sie beobachtbar und meßbar sind). 1 2 3 4 5 Nach unserer Erfahrung dauert es seine Zeit, bis diese Ziele genauer und im Detail festgelegt sind. Manche Menschen nehmen sich zu viel auf einmal vor. Am wichtigsten ist wohl, daß Sie sich ein Ziel setzen, das auch sinnvoll ist. Welche Änderungen im Gesundheitsverhalten vergrößern am meisten meine Chancen, nicht mit Aids infiziert zu werden? Welche meiner jetzigen Verhaltensweisen gefährdet am stärksten meine Gesundheit? Der nächste Schritt bei der Aufstellung des Gesundheitsplans ist die Auswahl einer Strategie, die die gewünschten Ergebnisse ermöglicht. Dabei gilt das Sprichwort: „Viele Wege führen nach R o m . " Hier ein paar Tips: 1. Mit welcher Methode haben Sie früher Erfolg gehabt? 2. Was ist Ihr Stil, Dinge zu verändern, der „Sprung ins kalte Wasser" oder das „langsam aber sicher"? 3. Welches Vorgehen paßt am besten zu dem speziellen Verhalten, das Sie gerade ändern wollen? Sie werden zum Beispiel eine andere Strategie anwenden, wenn es darum geht zu lernen, wie man neue Sexpartner trifft, als wenn Sie die gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln stoppen wollen. 4. Seien Sie ehrlich. Wenn hier irgendjemand von Ihnen übers Ohr gehauen wird, dann sind Sie es selbst. 5. Besorgen Sie sich Rückmeldungen. Stellen Sie im Gespräch mit Freunden fest, was Sie aus deren Sicht tun. 6. Übernehmen Sie Verantwortung. Letztendlich liegt die Entscheidung nur bei Ihnen. Stufe 3: Ausführung des Gesundheitsplans Eine der Techniken, die wir in unseren Workshops den Teilnehmern empfehlen, ist der sogenannte Verhaltensvertrag. Das ist einfach eine Vereinbarung mit sich selber

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oder auch einer anderen Person, gewisse Veränderungen vorzunehmen. Der Vertrag (ein Beispiel finden Sie weiter hinten) umfaßt die Vereinbarung selbst und die daraus folgenden Konsequenzen. Gegenstand der Vereinbarung ist das gewünschte Ziel. Dazu gehört sowohl das angestrebte Verhalten als auch dessen zeitlicher Rahmen. Beispiel: „Ich werde jede Woche einmal jemand anderen (zur Streßreduktion) massieren und mich einmal massieren lassen." Unter Konsequenzen ist zu verstehen, was passiert, wenn Sie Ihrer Vereinbarung nachkommen bzw. nicht nachkommen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von Verstärkern. Viele, mit denen wir gesprochen haben, fanden es schwierig, sich selbst für die Einhaltung von Vereinbarungen eine Belohnung zu geben. Man braucht dazu wohl etwas Übung. Notieren Sie auf der Konsequenzen-Liste Dinge oder Ereignisse, die Ihnen Spaß machen. Achten Sie darauf, daß es sich dabei um etwas handelt, worüber Sie auch selbst entscheiden können, zum Beispiel ein Kinobesuch, eine Massage oder der Kauf eines Hemdes. Bei jedem Verhaltensänderungs-Projekt kommt es ganz besonders darauf an, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob es läuft oder nicht. Wenn nicht, müssen Sie anders vorgehen.

Muster einer Konsequenzen-Liste positive Konsequenzen

bei einem selbst:

bei anderen:

negative Konsequenzen

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Vorbeugung

Sexualität und Aids Es gibt klare Belege für die Annahme, daß Aids über Sexualkontakte verbreitet wird. Auf diesem Hintergrund haben verschiedene Gruppen Leitlinien erarbeitet, in denen dargelegt wird, welches Ansteckungsrisiko mit welchen Sexualpraktiken verbunden ist. Um das Risiko noch besser einschätzen zu können, müssen Sie mitberücksichtigen, mit wie vielen verschiedenen Männern sie Sex hatten und auch, auf welchem Risikoniveau diese Männer Sex machen. Was verstehen wir unter Risiko? Wir meinen damit die Wahrscheinlichkeit, daß man mit bestimmten sexuellen Aktivitäten etwas aufs Spiel setzt. Eine Untersuchung von Marmor (1983) ermittelte zum Beispiel, daß die Wahrscheinlichkeit einer Aids-Infektion für Männer, die ihrem Partner Ejakulationen in den After gestatteten, elfmal so groß war wie für solche, die das nicht zuließen. Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit Aids ist: „Wieso bekommen manche Menschen, die mit dem Virus infiziert sind, das Vollbild Aids, andere hingegen nicht?" Die meisten Mediziner und anderen Gesundheitsexperten sind der Ansicht, daß man zum besseren Verständnis einer Erkrankung sowohl den Erreger, in diesem Fall also das Aids-Virus, als auch den „ W i r t " berücksichtigen muß, wobei „ W i r t " ein Begriff ist, der für unseren Körper und seine Abwehrmechanismen gebraucht wird. Mit anderen Worten: je stärker die Abwehrkräfte unseres Körpers, desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß wir uns einer Krankheit erwehren können. Den meisten von Ihnen wird das nicht sonderlich neu sein. Dieser Text nun soll dazu beitragen, einen Gesundheitsplan für Sie zu entwickeln, der beide Seiten berücksichtigt: Vermeidung von vielfältigen Kontakten mit dem Virus und Stärkung der Abwehrkräfte gegenüber Aids und anderen Krankheiten. Warum wir vorsichtig vorgehen müssen, wenn wir über Änderungen Sexuallebens nachdenken Für uns Schwule ist es nichts Neues, schwierige Entscheidungen über unsere Sexualität zu fällen. Seitdem wir das erste Mal unser sexuelles Interesse an anderen Jungen entdeckten und merkten, daß wir uns von den anderen unterscheiden, waren Entscheidungen über unser Sexualverhalten schwierig. Nun wird unsere Anpassungsfähigkeit erneut herausgefordert. Wie können wir weiter schwul sein und uns sexuell betätigen und uns gleichzeitig vor einer Aids-Infektion schützen? Manchen Schwulen erscheint dies als ein fast unlösbares Dilemma. Unserer Erfahrung nach muß es dies aber nicht sein. Um diese Frage näher zu beleuchten, müssen wir zu einigen Grundüberlegungen über das schwule Selbstverständnis zurückgehen. Verhalten wir uns schwul oder sind wir schwul? Das ist genau die Unterscheidung, die Psychologen mit der Unterscheidung von Verhalten und Identität meinen. Es ist leicht, unsere schwule Identität und unsere sexuellen Aktivitäten durcheinanderzubringen. Insofern ist es nur zu verständlich, warum wir unsere schwule Identität bedroht sehen, wenn wir an eine Ver-

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änderung unserer sexuellen Aktivität denken. Denken Sie an Ihre eigene Entwicklung als Schwuler. Im Laufe der Jahre haben Sie möglicherweise die verschiedensten Formen von Sexualverhalten ausprobiert, sich aber dauernd als schwul verstanden. Schwul ist offenbar mehr als nur unser Verhalten, es ist ein wichtiger Aspekt unseres Seins. Für jeden von uns ist die Frage, was es heißt, schwul zu sein, ein lebenslanges Unternehmen. Wenn wir die Dinge unter diesem Blickwinkel betrachten, dann können wir allerdings auch sehen, daß die Aufgabe bestimmter Sexualpraktiken keineswegs dasselbe ist wie die Aufgabe unserer schwulen Identität. Bewußte Sexualität Nun zu der Idee von Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten. Wir möchten Sie dazu anregen, sich zu überlegen, wie Sie Entscheidungen fällen. Wie bewußt ist Ihnen der Prozess, der sich in Ihnen bei Entscheidungen abspielt? Man kann Entscheidungen entweder ganz bewußt oder unbewußt fällen. Mit anderen Worten: manche Entscheidungen sind das Ergebnis eines bewußten Prozesses und andere passieren einfach, eben unbewußt. Manchmal ist es ganz spaßig, die Dinge einfach laufen zu lassen. Haben Sie mal einen ganzen Nachmittag damit zugebracht, sich ganz spontan von allem treiben zu lassen, was Ihnen gerade über den Weg lief? Kann sein, daß Sie angenehm überrascht über einige erfreuliche Erlebnisse waren, die Sie nie hätten planen können. Andererseits kann uns unsere unbewußte Entscheidungsfindung in die Lage jenes jungen Mannes bringen, der sich eines Abends betrank, am nächsten Morgen mit einem fremden Mann im Bett wiederfand und darauf die uralte Frage stellte: „Was habe ich bloß letzte Nacht gemacht?" Unbewußte Entscheidungen haben ihre Berechtigung. Wenn man allerdings mit lebensgefährlichen Ereignissen konfrontiert ist, wie wir zur Zeit, dann ist, wie wir meinen, ein bißchen sorgfältiges Nachdenken und Planen nicht direkt von Übel. Das wird Sie nicht nur vor Schaden bewahren, sondern Ihnen auch sexuelle Aktivitäten ermöglichen, die Ihnen mehr Erfüllung bringen, als Sie ursprünglich für möglich hielten. Sexualität als ein veränderter Bewußtseinszustand Eine der Eigenschaften, die Sex so wunderbar machen, ist das Erlebnis einer momentanen Bewußtseinsveränderung, daß man sozusagen „ h i g h " ist. Viele Menschen glauben dieses angenehme Erlebnis nur durch Sex und Drogen erreichen zu können. Kein Wunder, daß sie es schwierig finden, diese Aktivitäten zu verändern. Es ist schon eine Menge über verschiedene Möglichkeiten geschrieben worden, Zustände von Bewußtseinsveränderung anders als mit Sex und Drogen herbeizuführen. Manche Schwule haben ihre Fähigkeiten auf diesem Gebiet ausgeweitet und verlassen sich nicht nur auf Sex und Drogen. Andere haben risikofreie Techniken erlernt, um Sex zu machen und Sex weiter als Medium für den Zugang zu dieser ande-

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Vorbeugung

ren Wirklichkeit zu nutzen. Es ist allerdings der Hinweis angebracht, daß die meisten Menschen, die diesen Weg eingeschlagen haben, berichteten, es habe einiger Übung bedurft, ehe sie in der Lage waren, mit ihren neuen risikofreien Sexualpraktiken zu gleichen Glücksgefühlen zu gelangen.

Mehr bekommen, nicht weniger Eine ganz übliche Erfahrung bei vielen unserer Workshops war, daß die Teilnehmer am Ende befriedigendere Sexual- und Lusterlebnisse hatten als zuvor. Wenn sie erst einmal begriffen hatten, was risikofrei ist, und einige neue sexuelle Fertigkeiten erlernt hatten, hatten sie wieder mehr Spaß am Sex. Für manche sah das so aus, daß sie lernten, Körperteile zu erotischen Spielen neu für sich zu entdecken (z.B. Ohren, Brustwarzen, Oberschenkel). Andere lernten neue Arten, wie man mit sich selber Spaß haben kann, z.B. vergnüglichere Formen der Selbstbefriedigung, Sexspielzeug oder Phantasiespiele am Telefon. Viele Teilnehmer haben in der Vergangenheit neue Ideen mitgenommen, um ihren Partner „ s c h a r f " zu machen, z.B. sanftes Streicheln, zärtliches Herumknabbern oder Massage. Wie ein Teilnehmer mal sagte: „Die Gruppe gab mir die Möglichkeit, meine Phantasien zu erkunden und mit meinem Freund durchzuspielen. Das hat neues Leben in unsere Beziehung gebracht." Die Frage, die sich jedem von uns stellt, lautet: „Wie können wir zu bewußten Entscheidungen über sexuelle Aktivitäten und sexuelles Erleben kommen, die uns über das Bewußtsein hinausbringen?" Hier sind ein paar Tips: 1. Entscheiden Sie sich über die Art der Sexualpraktiken und den Typ von Sexualpartner, den Sie sich wünschen, bevor Sie sexuell erregt sind. 2. Praktizieren Sie neue sexuelle Verhaltensweise im Stadium voller Bewußtheit. Legen Sie zum Beispiel ein Kondom an, bevor Sie durch Ihre Erregung total blockiert sind. 3. Lenken Sie sich von Versuchungen ab. Lutschen Sie zum Beispiel an den Brustwarzen Ihres Partners, wenn Sie das Bedürfnis haben, ihn am After zu lecken. 4. Entwicklen Sie Ihre Phantasie. Stellen Sie sich vor, daß seine Brustwarze sein Arschloch wäre, wenn es das ist, was Sie geil macht. 5. Wenden Sie Techniken an, um einen erhöhten Erregungszustand willentlich zu erreichen und wieder zu verlassen. Das wird Ihnen nicht nur nützlich sein, wenn Sie Korrekturen an Ihren Sexualpraktiken anbringen müssen, sondern kann Sie sogar zu höheren Stadien der Erregung bringen.

Sex und Kommunikation Eines der größten Hindernisse bei dem Versuch eines bewußten Zugangs zur Sexualität ist die Kommunikation, das Sprechen über Sex. Eine Menge Schwule kennt sich

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in den ausgefalensten Sexualpraktiken aus, aber mit dem Partner über ihre Wünsche und über die Grenzen zu sprechen, die sie für sich setzen, bringt sie in peinliche Verlegenheit. Es ist ein sowohl unter Schwulen als auch unter Heterosexuellen weitverbreiteter Mythos, das Sex immer spontan kommen muß. Wenn Sie wirklich geil sind, wird es einfach passieren. In früheren Workshops haben die Männer darüber diskutiert, wie das Sprechen über Sex weniger „männlich" oder „ h e i ß " scheint. Um die Dämpfung sexueller Erregung durch ziemlich trockenes wissenschaftliches Reden über Sex zu überwinden, befolgen manche Schwule einen speziellen Code, um auszudrücken, was sie gerne möchten oder nicht möchten. Ein Teilnehmer in einem der früheren Workshops, der erfahrener SM-Anhänger war, demonstrierte uns, wie er die Diskussion über seine Grenzen in eine hocherotische „sexuelle Handlung" eingebaut hatte, die sowohl ihn selbst als auch den Partner geil machte. Wie er es nennt, „schmutzig reden, risikofrei spielen". In jedem Fall müssen die sexuellen Grundregeln aber festgelegt sein, bevor man zur Tat schreitet.

Was tun, wenn Ihre sexuellen Grenzen verletzt werden? In der Hitze des Gefechts kann man leicht schwach werden und ein sich selbst gegebenes Versprechen brechen. Das daraus resultierende Schuldgefühl und Unbehagen war schon für viele mehr, als sie verkraften konnten. Die Menschen reagieren auf derartige Entäuschungen über sich selbst unterschiedlich. Manche entschieden für sich, das Ganze sei einfach zu gefährlich, und vermeiden weitere Sexualkontakte. Andere kommen zu dem Schluß: „Ach scheiß drauf, jeder kommt mal d r a n . " Andere entwickeln ausgefeilte Konzepte, um die von ihnen bevorzugten Sexualpraktiken zu rechtfertigen, etwa nach dem Motto „Ich lecke nur saubere Jungs am Arsch". Schuldgefühl und Enttäuschung können manche Schwule nur schwer ertragen. Sie haben sich so lange wegen ihres Schwulseins schuldig gefühlt, daß sie irgendwann beschlossen haben, sich niemals wieder schuldig zu fühlen. Ähnliches kann auch für Enttäuschung gelten. „Wenn ich nie etwas versuche, das zu hart ist, werde ich auch nie enttäuscht." Für diese Menschen reißt das Erlebnis der Enttäuschung zu viele alte Wunden auf. In den Workshops versuchen wir diesen Menschen zu helfen, den Unterschied zwischen Schuldgefühlen zu begreifen, die mit schwulenfeindlichen Verhaltensregeln zusammenhängen (d.h. das Schuldgefühl, das damit zusammanhängt, daß man schwul ist) und dem Unbehagen über einen gebrochenen persönlichen Vorsatz. Im letzteren Fall kann das Schuldgefühl als Gedächtnisstütze dafür dienen, daß man vorsichtig sein und seinen Körper und seine Gesundheit respektieren muß. Anders ausgedrückt: Es ist kein Beinbruch von Zeit zu Zeit enttäuscht über sich selbst zu sein. Wichtig ist nur, daß man daraus etwas lernt. Wir werden diesen Punkt noch gründlicher diskutieren, wenn wir über internalisierte Homophobie (Angst vor dem Schwulsein) reden.

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Veränderung der Sexualpraktiken Die meisten Männer kommen in die Gesundheits-Workshops, um einige Veränderungen in ihrem Sexual ver halten zu erreichen. Einige möchten gerne solche sexuelle Aktivitäten ausweiten, die sie als risikofrei einschätzen. Andere wollen Verhaltensweisen einschränken, von denen sie annehmen, daß sie sich durch sie dem Risiko einer Aids-Infektion aussetzen. Der erste Schritt bei jedem Projekt zur Verhaltensänderung ist es, sich Klarheit über die derzeitigen Sexualpraktiken zu verschaffen. Ausgehend von dieser Information können Sie dann ihr Ziel in Richtung auf Erweiterung, Reduktion oder Beendigung der betreffenden Aktivität formulieren.

Arbeitsblatt zur Beurteilung des Sexualverhaltens Auf dem Hintergrund der in der Schwulenszene geführten Diskussion über den Zusammenhang von Sexualpraktiken und bestimmten Krankheiten, insbesondere Aids, soll diese Übung Ihnen helfen, Ihr Sexualverhalten zu überprüfen. Jeder von uns muß sich entscheiden, wie er sein Sexualleben gestaltet, welche Art von sexuellen Praktiken er ausübt, mit wem, wie oft und ob er daran etwas ändern will. Ebenso wie die anderen Übungen innerhalb dieses Textes, sollten sie diese hier als Hilfestellung bei Ihren Überlegungen und Ihrer Entscheidungsfindung nutzen und nicht als Anweisung für irgendein bestimmtes Verhalten. (Das genannte Zeitintervall - eine Woche - können Sie bei Bedarf auf Jahr, Monat etc ändern.)

Sexuelle Aktivität nach Praktiken Art der Sexualpraktiken 1.

Küssen Zungenkuß

2.

Analverkehr (Bumsen) aktiv passiv mit Kondom

3.

Oralverkehr (Blasen) blasen sich blasen lassen mit Ejakulation

Wie oft pro Woche, bevor Sie etwas von Aids wußten

Wie oft pro Woche heute

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4.

Oral-analer Verkehr sich am/ im After lecken lassen den Partner am/ im After lecken

5.

Masturbation gegenseitig bei sich selbst privat auf Wichsparties

6.

Faustfick aktiv passiv mit Handschuhen

7.

Goldene Dusche, Natursekt Urin trinken anpinkeln/ sich anpinkeln lassen

8.

Telefonsex

9.

Gebrauch von Sexspielzeug (Dildos etc) gemeinsamer Gebrauch der gleichen Objekte alleinige Benutzung

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10. andere Sexuelle Aktivität nach Partnern Art der Partner 1.

Wie oft pro Woche, bevor Sie etwas von Aids wußten monogamer fester Freund

2.

nicht monogamer fester Freund

3.

feste gelegentliche Sex-Partner

4.

neue Bekanntschaften

5.

anonyme Sexpartner

6.

andere

Wie oft pro Woche heute

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Vorbeugung

Arbeitsblatt zur Änderung des Sexualverhaltens Nachdem Sie den aktuellen Stand Ihrer Sexualpraktiken analysiert haben, wird die folgende Übung Ihnen helfen, sich einen Überblick zu verschaffen über das, was Sie ändern bzw. beibehalten wollen. Die Arten von Sex, die mir am meisten Spaß machen 1 2 3

usw. Die Arten von Sex, die ich am häufigsten praktiziere: 1 2 3

usw. Die Arten von Sex, auf die ich in keinem Fall verzichten will: 1 2 3

usw. Die Arten von Sex, mit denen ich aufgehört habe: 1 2 3

usw.

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Die Arten von Sex, die ich gerne verändern möchte Ich möchte gerne mehr 1 2 3 usw. Ich möchte gerne weniger oder gar nicht 1 2 3 usw.

Übung zur Kommunikation über Sex Nachdem Sie nun festgelegt haben, welche Verhaltensweise Sie ändern wollen, müssen Sie mit Ihren Partnern über Ihre Wünsche und selbstgesetzten Grenzen auch reden können. Nehmen Sie die Liste mit den Praktiken, die Sie gerne häufiger bzw. weniger häufig oder gar nicht anwenden wollen. Schreiben Sie in nüchternen Worten auf, wie Sie das jeweils Ihrem Partner mitteilen könnten: Ich möchte:

Ich möchte nicht:

Jetzt versuchen Sie, das Ganze ein bißchen aufzupeppen, es schärfer klingen zu lassen. Aus „Masturbation" wird „einen runter rubbeln" aus „Ich möchte Analverkehr, aber mit Kondom" wird: „Komm stoß mich, aber zieh Dir einen Präser ü b e r . " Ich möchte:

Ich möchte nicht:

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Wenn Sie Lust haben, könnn Sie - dritter Teil der Übung - noch ein bißchen weitergehen und dadurch mehr Unbefangenheit im Reden über Sex gewinnen, daß Sie einem Freund, Sexpartner oder einen Telefonsexpartner ausführlich erzählen, was Sie gerne tun oder nicht tun würden.

Sex und Aids: Eine persönliche Auseinandersetzung „Niemand hat behauptet, daß es leicht sei, aber ich habe doch nie gedacht, daß durch den Versuch, mein Sexualverhalten zu verändern, soviele Gefühle aufgerührt würden." Wäre es leicht, dann hätten Sie es längst gemacht. Aber für die meisten von uns ist eine Veränderung des Sexualverhalten im Gegenteil gerade sehr schwer. Nachfolgend einige der Gründe, die Teilnehmer an unseren Workshops als Ursache für ihre Schwierigkeiten benannt haben: „Sex ist mein Hauptmittel, um Spannungen und Streß zu mildern." „Wenn ich nicht reichlich oft Sex habe, fange ich an, mich häßlich und ungeliebt zu fühlen." „Wenn ich mich langweile, kann ich mich auf Sex als Gegenmittel immer verlassen." Stellen Sie eine Liste der Wirkungen auf, die Sex für Sie hat und warum es schwer ist, sexuelle Verhaltensweise zu ändern.

Für jeden der vorstehend genannten Punkte können Sie sich alternative Wege der Bedürfnisbefriedigung ausdenken. Wenn Sie nicht zurechtkommen, bitten Sie einen Freund um Hilfe.

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Sex und Kontrolle Nach anderer Leute Regeln zu leben, ist schwer. Das haben die meisten von uns erfahren. Anderenfalls wären wir aus dem System nicht ausgebrochen. So hat uns aber die Fähigkeit, ein System von unsinnigen Regeln zu durchbrechen, zu einem gewissen Teil das Leben bewahrt. „ D u sollst", ,,Du darfst nicht", „Beherrsche Dich" sind Aufforderungen, die noch immer für die meisten von uns einen schrillen Klang haben. Man kann in diesen Tagen leicht wütend werden; Wut ist weiß Gott gerechtfertigt. Nur ist es ziemlich schwer, auf etwas so wenig faßbares wie eine Krankheit wütend zu sein. Politiker und Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden machen es uns oft leicht, ein passendes Ziel für unseren Zorn zu finden. Aber letztlich bleibt doch nichts als die Tatsache, daß Aids und Sex etwas miteinander zutun haben. Wir machen in unseren Workshops manchmal eine Übung, die sehr lustig sein kann. Wir stellen uns die Frage: „Wie würde es aussehen, wenn wir schwule Eltern hätten; was würden sie uns raten zu t u n ? " Je tuntenhafter das ausgespielt wird, desto besser, etwa so: „ O h Schatz, Dein Vater und ich fanden den heißen Typ hinreißend, den Du am Sonntag zum Essen mitgebracht hast. Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich ihn Dir glatt ausspannen. Denk nur daran, daß es sich zur Zeit auszahlt, vorsichtig zu sein. Wir beide lieben Dich sehr, hör auf Deinen Vater." Wenn wir mit einer Unterstützung unseres Schwulseins aufgewachsen wären, würde es uns wohl leichter fallen, in diesem Bereich Grenzen zu ertragen. Wichtig ist deshalb, daß man hier fragt: „Wessen Regeln sind es? Sind sie sinnvoll, beruhen sie auf den besten verfügbaren Informationen oder gehen sie auf Ammenmärchen und Homophobie zurück?"

Sex, Liebe und Intimität Der Blick auf die sexuellen Verhaltsensmuster hat bei vielen Schwulen die Auseinandersetzung mit sich selbst gefördert. Manche Teilnehmer der Workshops haben angedeutet, daß sie mit ihrem Sexualleben vor der Aids-Epidemie durchaus nicht zufrieden waren. „Mir hing dieser Fleischmarkt zum Halse heraus, aber ich wußte nicht, wie ich davon loskommen sollte." Ein anderer Mann drückte es so aus: „Ich kenne mein Problem, völlig klar. Ich habe nur einfach Angst vor der Nähe. Das Problem ist die Intimität, nicht der Sex." Es wäre unmöglich, derart komplexe Probleme wie dieses umfassend und angemessen in diesem Text zu behandeln. Wir können nur einige derartige Fragen aufwerfen. Wir können Ihnen sagen, daß viele andere Schwule die gleichen Fragen stellen. Wir können Ihnen auch sagen, daß es schon ein Teil der Lösung ist, wenn Sie Ihre Sorgen anderen Männern, denen Sie vertrauen, offenlegen. Verbindung mit anderen Menschen, Mut und Offenheit sich selbst gegenüber sind wesentliche Schlüsselbedingungen.

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Vorbeugung

Eine Warnung ist allerdings angebracht: Es scheint unvermeidlich zu sein, daß man zeitweilig mutlos wird, wenn man sich entscheidet, tiefer in die Probleme von Liebe, Sex und Intimität einzudringen. Es kann sein, daß Gefühle, die Sie eine ganze Weile verdrängt hatten, wieder auftauchen: Wut, Traurigkeit, Schuldgefühle und Furcht. Der Schmerz, den Sie erleben, bedeutet nicht, daß Sie etwas falsch machen. Es bedeutet vielleicht einfach nur, daß Sie etwas Neues ausprobieren und sich deshalb unsicher fühlen.

Streß abbauen ein Schlüsselfaktor zum Überleben der Aids-Krise Einleitung Streß kann eine eminent wichtige Rolle für das Funktionieren Ihres Immunsystems spielen. Es ist bekannt, daß Menschen, die unter anhaltendem Streß stehen, auch einem höheren Risiko für Herzkranzgefäßschäden, Bluthochdruck, Magen-Darmprobleme, spastisches Kolon und Geschwüre ausgesetzt sind. In einer Situation, in der Ihr Immunsystem jede nur erdenkliche Unterstützung braucht, sollten Sie unbedingt auf verschiedene Typen von Streß in Ihrem Leben achten und konstruktive Vorbeugung-Maßnahmen treffen. Wenn Sie sich Sorgen über Aids machen, sollten Sie sich Sorgen über Streß machen. Streß wird in diesem Text in drei Kategorien eingeteilt: 1. Der Streß des Alltagslebens: Die Verpflichtungen, die Leben und Arbeiten in einer sich rasch verändernden Welt mit sich bringen, haben Einfluß auf unsere Gesundheit und unser Lebensgefühl. 2. Der Streß, in einer homophoben Welt schwul zu sein: Zusätzlich zu der alltäglichen Begegnung mit einer manchmal feindlichen „normalen" Umwelt, können antischwule Gedanken und Gefühle auch unsere eigene Selbstwahrnehmung durchdringen. Das verursacht internalisierten Streß und stört unsere Beziehungen zu anderen Schwulen. 3. Der Streß der Aids-Krise: Aids konfrontiert uns mit uns selbst und mit unserer Sterblichkeit. Zu einer Zeit, wo wir es am wenigsten erwartet hatten, erleben wir Trauer, Enttäuschung, Wut und wissen nicht mehr weiter. Die Stressoren dieser zutiefst persönlichen Angelegenheiten werden verstärkt durch die allgegenwärtigen Medien, die uns mit einem Sperrfeuer von Information, Theorie und Unglück belegen. Wir möchten Ihr Bewußtsein für diese drei Streßebenen schärfen, denen Schwule gegenüberstehen. Und wir möchten Ihnen Wege zeigen, wie Sie die verschiedenen Streßtypen besser bewältigen können.

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Was ist Streß? Weiter vorne haben wir ein erweitertes Konzept von Gesundheit vorgestellt zum besseren Verständnis, daß Gesundheit über die bloße Abwesenheit von Krankheit hinausgeht, und zur Entwicklung von Methoden, unsere eigene Gesundheit zu beeinflussen. Einen ähnlichen Zugang empfehlen wir für das Verständnis der verschiedenen Dimensionen von Streß und für die Entwicklung von Reaktionen sowohl auf die positiven wie auf die negativen Aspekte von Streß.

Streß allgemein und negativer Streß (,,Distreß") Es muß hier unbedingt betont werden, daß Streß nichts Schlechtes ist. Streß ist eines der Mittel, mit denen sich der Körper verteidigt. Er setzt den Körper in die Lage, wesentliche Anpassungsmechanismen an anstrengende Situationen in Gang zu setzen. Er hat auch eine direkte Funktion bei der Bekämpfung bestimmter Krankheiten. Die Aufgabe des Stresses kann man am besten an seinem Auftreten bei der „Kampfoder-Flucht"-Reaktion beobachten. Wenn ein Tier oder ein Mensch einer gefährlichen Situation gegenübersteht, dann sorgt die Streßreaktion dafür, daß es entweder kämpft oder sich zurückzieht. In unserer heutigen Gesellschaft werden wir dauernd mit Situationen konfrontiert, die als gefährlich wahrgenommen werden können. Das kann zu einer Überaktivierung der Streßreaktion führen, die ihrerseits wieder das zur Folge hat, was man „chronischen Streß" nennt. Die ständige Produktion von biochemischen Botenstoffen für Aktion oder Reaktion ohne die notwendigen Perioden der Entspannung ist mit vielen psychosomatischen Störungen wie Geschwüren, Kopfschmerzen und Verdauungsbeschwerden in Zusammenhang gebracht worden. Hans Selye nennt dieses chronische Streßsyndrom ,,Distreß" (negativer Streß). In diesem Text befassen wir uns hauptsächlich mit dem chronischen Streß, der mit unserer Lebensführung unter dem Eindruck der Aids-Krise zusammenhängt. Wir definieren chronischen Streß als einen länger anhaltenden Zustand, der herrührt aus dem von einem Menschen wahrgenommenen Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und den verfügbaren Mitteln, diesen Anforderungen gerecht zu werden, was wiederum zu verschiedenen Bewältigungsversuchen führt, sich diesen Anforderungen anzupassen. Wir wollen einzelne Bestandteile dieser Definition näher betrachten: Anforderungen: Anforderungen können von innen oder von außen kommen. Zu inneren Anforderungen gehören unsere Bedürfnisse, unsere Erwartungen, unsere Vorgeschichte. Zu den äußeren Anforderungen gehören die Bedürfnisse anderer Menschen und ihre Erwartungen mir gegenüber, Veränderungen oder Ereignisse, die auf unser Familienleben, unsere Arbeit oder unsere Bezugsgruppe einwirken. Verfügbare Mittel, Reserven: Auch hier kann man wieder zwischen inneren und äußeren Quellen unterscheiden. Innere Reserven sind unsere Fähigkeiten, Einstel-

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lungen, Fähigkeiten und Werte. Äußere Reserven sind Freunde und Partner, Geld sowie andere Dinge, die den Streß minimieren helfen können. Bewältigungsreaktionen: Das ist das, was Sie tun, um auf das Ungleichgewicht zwischen den wahrgenommenen Anforderungen und den verfügbaren Reserven zu reagieren. Zu dieser Reaktion gehören sowohl unsere Handlungen als auch unsere Gedanken. Manche Bewältigungsreaktionen sind wirkungsvoll und reduzieren den Streß, andere hingegen nicht. Tatsächlich vergrößern sogar einige Bewältigungsreaktionen wie z.B. starker Alkoholkonsum den Streß. Wahrnehmung: Wahrnehmung ist der Vorgang, bestimmte Ereignisse zu sehen und zu bewerten. Streß wird stärker davon bestimmt, wie ein Mensch eine bestimmte Situation wahrnimmt, als von der Situation selbst. Deshalb kann ein Wechsel der Wahrnehmung ein Schlüssel zur Streßreduktion sein. Die Streßzusammenhänge entwirren Das Ungleichgewicht zwischen den wahrgenommenen Anforderungen und den verfügbaren Reserven zu ihrer Erfüllung kann ohne die Hilfe einer Richtlinie nicht leicht identifiziert werden. Wir sprechen leichthin von „Streß" oder „gestreßt sein", wo aber kommt das in unserem Leben wirklich vor? Das folgende Modell dient dazu, das Beziehungsgeflecht der Stressoren in unserem Leben zu entwirren.

geistiges Wesen

Achten Sie zunächst darauf, wie jeder Aspekt in diesem Modell mit allen anderen verknüpft ist. In ähnlicher Weise ist jeder Aspekt auch mit Streß in einer Art, die Sie wahrnehmen oder nicht wahrnehmen, verbunden. Benutzen Sie dieses Modell, um über die drei Streßebenen nachzudenken, die wir weiter vorne behandelt haben.

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1. 2. 3.

Streß des alltäglichen Lebens. Streß, in einer homophoben Welt schwul zu sein. Streß durch die Aids-Krise. Als nächstes denken Sie über die Anforderungen nach, die jede der drei Streßebenen an die verschiedenen Aspekte des Modells richtet. Zum Beispiel: Welche Anforderungen an meine Gedanken und Gefühle, mein Verhalten, meine Umgebung, mein geistiges Wesen ergeben sich aus 1. dem Streß des alltäglichen Lebens? 2. dem Streß, in einer homophoben Welt schwul zu sein? 3. dem Streß durch die Aids-Krise? Übung zu Anforderung und Reserven Listen Sie nachfolgend die Anforderungen auf, die derzeit an Sie gestellt werden. Achten Sie besonders auf Anforderungen, die sich aus der Aids-Krise ergeben. Unterscheiden Sie dabei, ob es sich um innere oder äußere Anforderungen handelt. Machen Sie das gleiche mit Ihren Reserven. Anforderung

Reserven

Innere

Äußere

Die Physiologie des Stresses Die physiologische Streßreaktion besteht nach Hans Selye (McGill University) aus drei Stadien: Alarmreaktion, Widerstandsstadium und Erschöpfungsstadium. (Anm.: Eine sehr gut verständliche und kurzgefaßte Darstellung gibt Selye in dem Artikel „Geschichte und Grundzüge des Streßkonzepts" in Jürgen R. Nitsch, Hrsg., „Streß - Theorien, Untersuchungen, Maßnahmen", Bern, 1981.) Die Alarmreaktion wird ausgelöst, wenn das Gehirn signalisiert, daß unzureichende Reserven für eine gestellte Anforderung oder einen „Stressor" bereitstehen. Adrenalin wird ausgeschüttet, dadurch erhöht sich der Puls, die Atmung wird flach, Muskeln und Gehirn werden stärker durchblutet. Hände und Füße werden kälter. Der Muskeltonus steigt, insbesondere im unteren Bereich des Rückens, im Nacken und im Schulterbereich. Daraus kann Spannungskopfschmerz entstehen. Der Magen produziert Salzsäure (die normalerweise der Verdauung dient), die das Gewebe im Magen selbst, in der Speiseröhre und im oberen Darmbereich angreift. Große

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Mengen von Vitamin B und C sowie von wichtigen Nährstoffen werden während der Alarmreaktion benötigt und zahlreiche hormonelle Reaktionen ausgelöst. Die Muskelspannung hält oft auch nach dem Ende der sie verursachenden Alarmreaktion an. Sie ist ein Hauptindikator für physiologische Erregung. Deshalb ist die Überwachung und Lösung der Muskelspannung ein Schlüsselelement bei unseren Versuchen, den Streß unter Kontrolle zu bringen und daher auch unsere starke Betonung von Entspannungsübungen in diesem Text. Das Widerstandsstadium folgt auf die Alarmreaktion, wenn das Gehirn weiterhin signalisiert, daß unzureichende Reserven für eine gestellte Anforderung bereitstehen. Innerlich ist der Körper hochgradig zum Kampf gegen den wahrgenommenen Stressor mobilisiert. Äußerlich jedoch haben die Warnsignale der Alarmreaktion nachgelassen oder sind verschwunden. In dieser Phase kann die Muskelspannung zwar anhalten, aber das Individuum registriert sie nicht mehr bewußt. Es wäre gefährlich in diesem Stadium anzunehmen, daß wieder alles in Ordnung ist. Wenn das Widerstandsstadium zu lange dauert, wird der Körper seine physiologischen Reserven aufbrauchen, was zum letzten Stadium des Streß, zum Erschöpfungsstadium, führt. Während des Erschöpfungsstadiums werden die Warnzeichen der Alarmphase wieder sichtbar, allerdings kann das Individuum ihre Existenz leugnen oder ihr Gewicht fehlinterpretieren. Die Immunfunktionen sind gefährdet, was den Körper anfälliger für den Ausbruch von Krankheiten macht und weniger fähig, mit einer ausgebrochenen Krankheit fertig zu werden. Spezifische streßbedingte Krankheiten können in dieser Phase auftreten, z.B. Geschwüre, Hypertonie, Emphyseme, Colitis ulcerosa, spastisches Kolon, Hämorrhoiden, rezidivierende Ausschläge unklarer Herkunft, Migräne. Obwohl es keine klaren Beweise gibt, wird hypothetisch angenommen, daß in diesem Stadium Streß ein Kofaktor für Aids ist. Für eine gewisse Zeit kann der Körper Alarmreaktionen ertragen und Streß und Krankheiten erfolgreich Widerstand entgegenbringen. Streßreaktionen auf negative wie auf positive Stressoren sind ein normaler Teil des Lebens. Die Intensität und Dauer negativen Stresses können minimiert werden, völlig beseitigen kann man ihn aber nicht. Ebenso ist das Widerstandsstadium ein zu erwartender Teil des täglichen Lebens und kann abgekürzt, jedoch nicht vermieden werden. Das Endstadium der Erschöpfung jedoch muß vermieden werden, wann immer es möglich ist. Man sollte unbedingt den Streß während der ersten beiden Stadien im Auge behalten und wirkungsvolle Hilfsmaßnahmen in die Wege leiten. Einzelne Erlebnisse von Alarmreaktion oder Widerstand werden „ a k u t e r " Streß genannt. Wiederholen sich die Alarmreaktionen und der Übergang in das Widerstandstandsstadium und schließlich sogar in das Erschöpfungsstadium immer wieder, dann spricht man von „chronischem" Streß. Wir konzentrieren uns auf den chronischen Streß für Schwule, Streß, der aus drei Quellen gespeist wird: Alltagsleben, Homophobie und Aids-Krise.

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Streßniveau innerhalb des vergangenen Jahres und zur Zeit Forschungsergebnisse belegen, daß ein Weg zum Verständnis des Streßniveaus eines bestimmten Menschen darin besteht, die Anzahl und Art der Veränderungen zu betrachten, die der Betreffende im Laufe eines Jahres bewältigen mußte. Pelletier nennt diese Veränderungen „Streßauslöser". Zwei andere Forscher, Thomas Holmes und Richard Rahe, haben eine Skala entwickelt, mit der man das Maß an Streß, das ein Individuum im Laufe eines Jahres erlebt hat, messen kann. Ihre Untersuchungen zeigen, daß die Wahrscheinlichkeit, krank zu werden, umso größer ist, je mehr Lebensveränderungen einem Menschen innerhalb eines Jahres abverlangt wurden. Testen Sie sich mit der nachstehenden Skala. Wir haben sie geringfügig durch Verwendung anderer Worte für einige Kategorien verändert, um sie dem schwulen Erleben besser anzupassen. Zur Benutzung der Holmes-und-Rahe-Skala überprüfen Sie Ereignisse, die innerhalb des vergangenen Jahres passiert sind, addieren Sie dann die den einzelnen Ereignissen zugeordneten Einzelwerte zu einem Gesamtergebnis. Holmes und Rahe kamen zu dem Ergebnis, daß eine Summe von 150 Punkten auf der Basis des vergangenen Jahres einer Chance, krank zu werden oder jedenfalls eine Veränderung des Gesundheitszustandes zu erleiden, von 50 Prozent entspricht. Wenn jemand ein Gesamtergebnis für ein Jahr von mehr als 300 Punkten erreichte, würde die Wahrscheinlichkeit einer Veränderung des Gesundheitszustandes auf 90 Prozent steigen.

Skala zur Einschätzung der sozialen Anpassung Ereignis Tod des Gatten (Partners) Scheidung (Ende einer Liebesbeziehung) eheliche Trennung Gefängnisaufenthalt Tod eines nahe Familienangehörigen eigene Verletzungen oder Krankheit Heirat (Beginn einer neuen festen Beziehung) Verlust des Arbeitsplatzes eheliche Versöhnung Pensionierung Gesundheits veränderungen bei einem Familienmitglied Schwangerschaft Sexuelle Schwierigkeiten Familienzuwachs

Punktwert 100 73 65 63 63 53 50 47 45 45 44 40 39 39

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Anpassung im Berufsleben Veränderung im finanziellen Status Tod eines nahen Freundes Wechsel auf eine andere Art der Arbeit Wechsel in der Zahl der ehelichen Streitigkeiten Hypotheken oder Darlehen von mehr als 10000 Dollar Kündigung von Hypothek oder Darlehen Wechsel bei der beruflichen Verantwortung Sohn oder Tochter verläßt das Haus Ärger mit den Schwiegereltern nicht erfüllte persönliche Leistungen Gatte hört mit der Arbeit a u f / t r i t t eine Arbeit an Beginn oder Ende der Schule Änderung der Lebensbedingungen Wandel der persönlichen Gewohnheiten Ärger mit dem Chef Wechsel der Arbeitszeit, der Arbeitsbedingungen Wohnungswechsel Schulwechsel Wechsel der Freizeitgewohnheiten Wechsel bei den kirchlichen Aktivitäten Wechsel bei den gesellschaftlichen Aktivitäten Hypothek oder Darlehen unter 10000 Dollar Änderung der Schlafgewohnheiten Änderung der Anzahl von familiären Treffen Änderung der Eßgewohnheiten Weihnachtszeit kleinere Gesetzesübertretungen

39 38 37 36 35 31 30 29 29 29 28 26 26 25 24 23 20 20 20 19 19 19 17 16 15 13 12 11

Ihr Gesamtwert:

Körperliche und seelische Reaktionen auf chronischen Streß Die folgenden Symptome werden mit chronischem Streß in Verbindung gebracht. Kreuzen Sie an, welche Sie innerhalb des vergangenen jahres gehabt haben: Symptom Muskelverspannung Bluthochdruck Kopfschmerzen

• • •

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Nackenschmerzen Rückenschmerzen Magenverstimmung Verdauungsstörungen Geschwüre chronische Verstopfung chronischer Durchfall Muskelkrämpfe Tics Zittern Müdigkeit Schlaflosigkeit Schlafstörungen Neigung zu feindseliger Stimmung Wut Reizbarkeit Ärger Phobien Ängste Suizidgedanken oder-versuche Zwangshandlungen, Zwangsgedanken

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andere



Bitte beachten: Körperliche Symptome können auch rein physiologische Ursachen haben. Konsultieren Sie einen Arzt, um die Möglichkeit solcher rein körperlicher Probleme auszuschließen, ehe Sie weiter von der Annahme ausgehen, Ihre Symptome seien vollständig streßbedingt.

Wie tragen Gedanken zum Streß bei? Gedanken können bei Streß in verschiedener Hinsicht eine Rolle spielen. Zum einen können sie die Streßreaktion provozieren. Zum anderen können sie aber auch das Ergebnis der Streßreaktion sein. Drittens können sie ein Werkzeug zur Überwindung des Streß sein. Gedanken können Streß hervorrufen. Denken Sie daran, daß wir gesagt haben, Streß sei weit mehr von unserer Wahrnehmung einer Situation bestimmt als von der Situation selbst. Wenn wir glauben, daß wir die erforderlichen Mittel nicht haben,, um bestimmten Anforderungen zu genügen, dann beginnen wir, die physiologische Streßreaktion zu erleben. Während eines Schlußexamens können wir uns selber zum

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Beispiel sagen: „Ich hatte nicht genügend Zeit zum Studieren" oder „Ich bin nicht schlau genug, um es zu schaffen". Übung: Denken Sie an eine stressige Zeit in Ihrem Leben. Schreiben Sie alles auf, was Sie zu sich gesagt haben und was die Vorstellung verstärkt hat, Sie seien in Gefahr oder ständen unter dem Druck einer Anforderung. Übung: Nun denken Sie an eine Zeit, in der Sie Streß im Zusammenhang mit der Aids-Krise erlebt haben. Schreiben Sie die Situation auf und das, was Sie gedacht haben und was die Vorstellung verstärkt hat, Sie seien in Gefahr oder ständen unter dem Druck einer Anforderung. Gedanken können die Folge von Streßreaktionen sein. Unsere Gedanken reagieren ebenso wie unser Körper auf das physiologische Erregungsniveau einer Streßreaktion. Gespeist von den besonderen Bedingungen einer Anforderung können sich die Gedanken unnütz wiederholen, z.B. Sorgen über uns selbst oder Annahmen, die unterstellen, eine bestimmte Situation sei hoffnunglos. Gedanken, die immer wieder um dasselbe kreisen tendieren dazu, kreative Lösungen des anstehenden Problems zu blockieren. In solchen Fällen helfen uns Gedanken nicht, den Streß zu bewältigen, sondern halten die physiologische Erregung und das Außer-Fassung-Sein aufrecht oder verstärken es vielleicht sogar. Nehmen wir als Beispiel einen jungen Mann, der in einer Bar sitzt und darauf wartet, daß er mit einem anderen in Kontakt kommt. Nach einer Weile beginnen seine Gedanken zu kreisen: „Wenn ich hübscher wäre, würde mich jemand ansprechen." Übung: Denken Sie an eine stressige Situation in der Vergangenheit. Notieren Sie alle Gedanken, die Ihnen im Kopf kreisten und die den Streß aufrechterhielten oder ansteigen ließen. Gedanken können ein Werkzeug zur Streßbewältigung sein. Wegen der wichtigen Rolle, die Gedanken bei der Festlegung der Streßreaktion spielen, ist das, was wir zu uns selber sagen, was wir denken, von besonderem Gewicht für die Streßkontrolle. Das ist eine gute Nachricht. Es bedeutet, daß eine positive Kontrolle unserer Gedanken zu einer Verbesserung unseres körperlichen Zustands führen kann. Das ist die Körper-Geist-Verbindung. Durchweg wird in diesem Text dafür plädiert, durch positives Denken die Streßbewältigung zu unterstützen. Indem Sie lernen, Situationen richtig zu interpretieren, werden Sie unnützen Streß vermindern, während die Streßreaktion Ihnen bei der Anpassung an wirkliche Gefahrensituationen von Vorteil ist. Um besser zu verstehen, wie unsere Gedanken auf unser Streßniveau einwirken, müssen wir verschiedene Typen von Gedanken unterscheiden können. Die folgende Beschreibung wurde von Ricardo Munoz, University of California S. F., entnommen. Lernen, verschiedene Typen von Gedanken dingfest zu machen: Konstruktives - destruktives Denken: Konstruktives Denken baut Sie auf. Beispiel: „Ich kann lernen, mein Leben zu kontrollieren, damit ich mehr von dem erreiche, was ich gerne erreichen möchte."

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Ihr Beispiel: Destruktives Denken bringt Sie durcheinander, zerstört Sie. Beispiel: „Ich tauge nichts", „Mir geht alles schief." Ihr Beispiel: Notwendiges - überflüssiges Denken: Notwendiges Denken hilft Ihnen zu tun, was getan werden muß. Beispiel: „Ich darf nicht vergessen zu tanken." Ihr Beispiel: Überflüssiges Denken verändert gar nichts, egal wie viel Sie denken. Beispiel: „Jeden Tag könnte es ein Erdbeben geben." Ihr Beispiel: Positives - negatives Denken: Positives Denken hilft Ihnen, sich besser zu fühlen. Beispiel: „Es läuft alles im Moment ziemlich schlecht, aber ich kann wenigstens etwas dagegen tun." Ihr Beispiel: Negatives Denken bewirkt, daß Sie sich schlechter fühlen. Beispiel: „Es hat alles keinen Zweck." Ihr Beispiel: Lernen, verschiedene Typen von Gedankenfehlern dingfest zu machen, die Streß fördern können. Übertreibung: Probleme und der möglicherweise aus ihnen resultierende Schaden werden übertrieben, die Fähigkeit, mit ihnen fertig zu werden, wird unterschätzt. Können Sie ein Beispiel aus Ihrem Leben nennen?

Unzulässige Verallgemeinerung: Es wird eine allumfassende verallgemeinernde Aussage gemacht, die das Negative betont, wie z.B. „Niemand mag mich". Achten Sie auf Worte wie „immer", „nie" oder „vollständig". Beispiel:

Das Positive ignorieren: Man ist beeindruckt von etwas Negativem und erinnert sich nur an negative Ereignisse. Zum Beispiel grübeln Sie nur über die Leute, die nicht zu

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Ihrer Party gekommen sind, statt sich über die zu freuen, die da sind. Beispiel:

Pessimismus: Es wird für wahrscheinlicher gehalten, daß negative Dinge passieren, als daß positive Dinge passieren. Beispiel:

Selbstvorwürfe: Man denkt, daß alles negative, das geschieht immer und ausschließlich von einem selber verursacht wurde. Beispiel:

Die eigene Leistung nicht anerkennen: Man denkt, daß alles Positive grundsätzlich entweder auf Glück zurückzuführen ist oder das Verdienst von anderen, niemals aber der Erfolg der eigenen Bemühungen ist. Beispiel:

Diese und andere negative Gedanken haben die Tendenz ebenso automatisch abzulaufen wie sie unvernünftig sind, aber wenn Sie niedergeschlagen sind, erscheinen sie wahr und einleuchtend. Je unkritischer sie hingenommen werden, umso schlechter fühlen Sie sich.

Einige Wege zu einem Wandel Ihres Denkens Sich anregen: Ein Weg, um sich selbst über die guten Seiten einer Sache nachdenken zu lassen. Wenn man eine Wasserpumpe in Gang setzen will, muß man manchmal erst von oben etwas Wasser einfüllen. Wenn man gefühlsmäßig ganz unten ist, kann es manchmal schwerfallen, mit dem positiven Denken anzufangen. Zur Erleichterung können Sie beispielsweise positive Aussagen über sich und Ihr Leben auf kleine Karteikärtchen schreiben und immer mal wieder während des Tages eines herausziehen, damit Sie sich daran erinnern, daß Sie gute Fähigkeiten haben und daß es schöne Dinge in Ihrem Leben gibt. Nach wenigen Tagen können Sie damit anfangen, leere Karten in den Stapel zu mischen, auf denen kein Gedanke verzeichnet ist, und müssen nun spontan einen positiven Gedanken entwickeln. Diese Technik hilft ihnen die Anzahl der positiven Gedanken zu erhöhen, die Sie im Laufe des Tages haben. Selbstbelohnung (,,Selbstverstärker"): Zum Schönsten, das andere Menschen für uns tun können, gehört das Lob für Dinge, die wir gut machen. Wir freuen uns,

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wenn jemand zur Kenntnis nimmt, was wir geleistet haben und was uns vielleicht viel Mühe gekostet hat. Belohnende Worte zu hören, kann unser Wohlbefinden heben. Da wir aber oft Dinge tun, von denen kein Mensch Notiz nimmt, hilft uns meist schon, wenn wenigstens wir selbst von dem Notiz nehmen, was wir geschafft haben, und uns selber gewissermaßen auf die Schulter klopfen. Manche Menschen erkennen nicht an, was sie geleistet haben. Manche nehmen nicht einmal wahr, was sie im Laufe eines Tages alles zustandebringen. Gedankenabbruch: Man kann die Kette störender Gedanken zerbrechen. Es gibt Zeiten, da geraten wir mit einem bestimmten, meist negativen Gedanken in einen quälenden Trott, aus dem wir den ganzen Tag nicht mehr herauskommen und der dazu führt, daß wir uns schlecht fühlen. Man sollte lernen, diese Gedanken daran zu hindern, uns die Stimmung kaputt zu machen. Dazu gibt es eine ganze Anzahl von Techniken: Eine davon ist, in Gedanken ,,Halt, Stopp" zu schreien und sich auf etwas anderes zu konzentrieren, was Sie gerade tun. Eine andere Technik besteht darin, zu sich selber zu sagen: „Dieser Gedanke macht meine Stimmung kaputt, laß uns zu einem anderen übergehen." Eine Dritte ist, die Sache aufzuschreiben und später weiter über sie nachzudenken - das ist vor allem dann eine gute Methode, wenn es sich um „notwendige" Gedanken handelt, mit denen Sie sich später noch beschäftigen müssen. Die Zeit für Sorgen begrenzen: Wie wir bereits ausgeführt haben, kann es Gedanken geben, die notwendig sind und nicht ganz und gar ignoriert werden können. Auf der anderen Seite wird fortwährendes Denken über ein Problem dieses im allgemeinen nicht lösen, und es kann all Ihre Energie und Aufmerksamkeit aufsaugen, so daß Sie in anderen Bereichen Ihres Lebens versagen. Wenn Sie ein großes Problem am Arbeitsplatz haben, dann können Sie Ihre Familie durch dauerndes Grübeln zuhause unglücklich machen. Wenn Sie umgekehrt ein Familienproblem haben, fangen Sie womöglich an, an der Arbeit zu versagen, weil Sie sich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Statt eines Problems haben Sie plötzlich zwei, oder gar drei, wenn Sie dabei auch noch Ihre Gesundheit ruinieren. Eine Methode, das zu vermeiden, ist die Reservierung einer „ZwangsgedankenZeit", in der Sie dann nichts anderes machen, als sich voll mit dem Problem zu beschäftigen, das Sie bedrückt. Suchen Sie sich einen ruhigen Ort und legen Sie eine bestimmte Zeitspanne fest (10 bis 30 Minuten pro Tag ist etwa die Zeit, die man überhaupt produktiv über ein Thema nachdenken kann). Machen Sie in dieser Zeit nichts anderes als das Problem nach allen Seiten zu überdenken und nach einer Lösung zu suchen. Reden Sie dabei nicht, lesen Sie nicht, essen Sie nicht und schlafen Sie nicht. Zu jeder anderen Zeit des Tages jedoch benutzen Sie die Methode des „Gedankenabbruchs (siehe Nr. 3), um zwanghafte Gedanken bis zu der Zeit zu vertreiben, zu der Sie sich ihnen voll widmen können. Die Aufbausch-Methode: Nehmen Sie es mit Humor. Bei dieser Technik geht es darum, Sorgen so ins Extreme zu aufzubauschen, daß ihre Wirkung verpufft. Wenn Sie zum Beispiel darüber grübeln, kein guter Mensch zu sein, könnten Sie sich vorstellen, daß Ihr Bild auf der Titelseite des San Francisco Chronicle prangt mit der

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Schlagzeile: "Dies ist ein schlechter Mensch.,, Die Technik funktioniert am besten, wenn man eine Besorgnis so übertreiben kann, daß sie komisch und lächerlich wirkt. Wenn es Ihnen gelingt, über die Phantasievorstellung leise vor sich hin zu lachen, dann ist die Technik erfolgreich. Der entscheidende Punkt ist hier, daß bei bestimmten Problemen Grübeln nichts zur Lösung beiträgt. Es ist dann das Beste, mit dem Grübeln einfach aufzuhören, und wenn irgendetwas getan werden kann, dann tun Sie es. Diese Technik sollten Sie auf keinen Fall bei Sorgen anwenden, die tatsächlich das Maß annehmen können, das Sie sich in der Phantasie ausmalen. Was ist das Schlimmste, was passieren könnte? Bei dieser Methode geht es nicht um Humor, sondern darum, sich klar zu machen, was schlimmstenfalls passieren könnte, wenn Ihre Befürchtungen sich bewahrheiten. Sie sind zum Beispiel ernstlich besorgt, ob Sie eine bestimmte Frist einhalten können, und Ihre Furcht hindert Sie daran, es zu schaffen. Wenn Sie nun daran denken, daß im schlimmsten Fall jemand für eine gewisse Zeit wütend auf Sie ist, dann kann das Ihre Furcht gerade soweit verringern, daß Sie Ihre Arbeit schaffen. Einen Zeitsprung machen: Wenn wir deprimiert sind, dann sieht es manchmal so aus, als ob alles schrecklich wäre und auch ewig schrecklich bliebe. Man hat das Gefühl, hinter einem dicken schweren Vorhang festgehalten zu sein, der die Zukunft verbirgt und durch den wir nie in eine bessere Zeit gehen können. In solchen Momenten ist es hilfreich, diesen Vorhang beiseite zu schieben indem man in Gedanken einen Zeitsprung macht auf einen Moment, in dem es besser läuft. Das bedeutet nicht, daß man sich selbst etwas vormacht. Jeder von uns hat in der Vergangenheit Zeiten durchgemacht, in denen er dachte, er schaffe etwas nicht, er werde eine Kränkung, einen Schmerz, ein Leid nicht überwinden. Und doch haben wir alles geschafft, haben jene schlechten Zeiten überlebt. Auch wenn in der Erinnerung noch mancher Schmerz geblieben ist, er nimmt im Laufe der Zeit doch allmählich ab. Die Pause: Es kann Momente geben, in denen es das Beste ist, alles einmal anzuhalten, die Gedanken und Ängste vorbeifließen lassen, ohne uns aktiv auf sie einzulassen. Das ist eine Art von Mini-Meditation, in der Sie Ihren Geist, und sei es auch nur für ein paar Sekunden, sich ausruhen lassen, in der Sie die Chance geben, sich entspannt zu fühlen, still, friedlich, ruhig. Das empfiehlt sich besonders, wenn Sie in Hetze sind, einen hektischen Tag haben oder von Gefühlen überwältigt werden. Allein das Wissen, Entspannungsmöglichkeiten zu haben, kann manchmal bereits genügend Energie mobilisieren, daß Sie sich den Anforderungen des Tages wieder stellen können. Selbstinstruktionen: Selbstgespräche führen ist nicht immer verrückt. Wir alle machen das. Es kann so wirken, als hätten Sie einen Trainer neben sich, der Ihnen Anweisungen gibt. Sie könnten sich darauf hinweisen, die hier beschriebenen Techniken anzuwenden. Oder Sie könnten sich daran erinnern, wie Sie die Dinge anpacken wollten.

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Umgang mit Streß Streßvorbeugung, Streßreduktion Um ein Streßniveau aufrechtzuerhalten, das sich mit einem guten Gesundheitszustand vereinbaren läßt, empfehlen wir zwei miteinander in Wechselbeziehung stehende Taktiken. Die erste Taktik ist, Fähigkeiten zur Vermeidung von chronischem Streß zu entwickeln, die zweite, Fähigkeiten zur direkten Reduktion der physiologischen Effekte von Streß zu entwickeln; mit anderen Worten: zu lernen, wie man sich entspannt. Vielleicht hilft Ihnen ein Bild, diesen Zusammenhang besser zu verstehen. Wenn wir uns Streß als Wasser vorstellen, das in ein Rettungsboot sickert, dann wäre Streßvorbeugung das, was wir tun, damit das Wasser nicht ins Boot kommt, etwa durch Abdichten der Fugen; Streßreduktion wäre das Herausschöpfen des eingesickerten Wassers. Fangen wir mit dem Thema Streßvorbeugung an. Wenn unser Rettungsboot zu undicht wäre, würde alles Schöpfen der Welt es nicht am Sinken hindern. Streß ist das Ergebnis von Wahlentscheidungen, die wir treffen. Manchmal ist es schwer, exakt zurückzuverfolgen, welche Entscheidungen zu dem gegenwärtigen Streß geführt haben. Aber irgendwann haben wir eine Entscheidung oder ein ganzes Bündel von Entscheidungen gefällt, die schließlich unseren jetzigen Streß beeinflußt haben. Das gute daran ist, wenn Wahlentscheidungen Streß hervorrufen, dann können sie uns auch in die Lage versetzen, Streß zu beseitigen. Zur Streßvorbeugung Entscheidungen treffen, Probleme lösen und Pläne aufstellen Wie wir bereits weiter oben ausgeführt haben, ist das Ziel der Streßbewältigung nicht, jeglichen Streß zu beseitigen, sondern sein Maß in erträglichem Rahmen zu halten. Wie kann die Verbesserung Ihrer Entscheidungsfindung diese Bemühungen unterstützen? Sehen wir uns ein Beispiel an. Bob war ein Mechaniker, der in eine Streßgruppe kam. Er klagte darüber, daß er nie Zeit habe, um mit seinem Freund zusammenzusein, weil er zwölf Stunden am Tag arbeitete und das sieben Tage die Woche. Die Gruppe fragte ihn, warum er denn soviele Stunden arbeiten müsse. Er sagte, er wolle als der beste und anständigste Mechaniker der Stadt bekannt sein, was hieße, schnell auf die Probleme der Kunden zu reagieren. Die Gruppe half Bob zu sehen, wie sein Streßniveau mit der Entscheidung zusammenhing, immer auf Kundenprobleme schnell zu reagieren. Durch Nachdenken über diese Entscheidung konnte er eine Firmenpolitik entwickeln, die immer noch mit seinen beruflichen Maßstäben übereinstimmte, ihm aber mehr Zeit zuhause mit seinem Freund ließ. Ungelöste Problemen bedeuten Streß. Jeden Tag stehen wir einer Vielzahl von Problemen gegenüber. Ein Problem kann definiert werden als die Spannung zwischen dem was ist und dem was nach unserer Meinung sein soll. Manche Probleme

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sind Routine, und wir haben uns Routinemethoden angeeignet, mit ihnen umzugehen. Andere Probleme sind komplizierter und erfordern zu ihrer Lösung mehr Nachdenken und Phantasie. Problemlösung ist eine Fähigkeit, die ebenfalls gelernt werden kann. Erziehung besteht zum größten Teil darin, den Menschen beizubringen, wie man Probleme löst. Den Problemlösungs-Ansatz für die Streßprävention oder -reduktion anzuwenden hat vielen Schwulen, mit denen wir zusammengekommen sind, sehr geholfen. Zum Beispiel Terry. Er war neu in der Stadt, als er in die Gruppe kam. Er erzählte uns, daß er einsam sei, sich aber fürchte in Bars oder Saunen zu gehen. Er sei nämlich sehr verängstigt, deprimiert und auf diese Orte wütend, seitdem er von Aids gehört habe. Während er sprach, konnte man sehen, daß er sich dieser Situation gegenüber ohne Hoffnung fühlte. Er sah das Ganze als ein unlösbares Dilemma. Klar war auch, daß er deshalb unter erheblichem Streß stand. Die Gruppe half Terry, seine Einsamkeit als ein Problem anzugehen, an dem man systematisch arbeiten kann. Wir halfen ihm, a. sein Problem zu definieren, b. einen Plan zur Problemlösung aufzustellen, c. die Ergebnisse seiner Bemühungen zu bewerten. Dadurch daß wir Terry halfen, das Problem in konkrete Begriffe zu fassen, konnte er allmählich sehen, daß es zu bewältigen ist. Terry entschied, daß er wenigstens einen neuen Mann in seiner neuen Heimatstadt kennenlernen wollte. Wir halfen ihm, einen Plan aufzustellen, um das zu verwirklichen, und gaben ihm einige nützliche Tips, seine Erfolgschancen zu verbessern. Wir nennen das das ,,Sieben-Fragen-System": 1. Was können Sie meiden? 2. Was können Sie ändern? 3. Was können Sie anpassen? 4. Welche Alternativen haben Sie? 5. Wann müssen Sie handeln? 6. Lassen Sie das Unerwartete zu? 7. Was können Sie akzeptieren und sich darüber freuen? Terry beschloß, Bars und Saunen zu meiden, die ihn anödeten. Er mußte seine Vorstellung ändern, Bars und Saunen seien die einzigen Orte, an denen man mit schwulen Männern zusammenkommen könne. Er lernte sein Auftreten anderen Schwulentreffpunkten angemessen anzupassen. Er fing an, Schwulenzeitungen zu lesen und mit anderen in der Gruppe über alternative Treffpunkte zu reden. Er nahm sich vor, jeweils vor dem Wochenende damit anzufangen, sich nach Aktivitäten umzusehen und diese vorzubereiten, um was auf die Beine zu stellen; denn die Wochenenden waren für ihn die beste Zeit zum Ausgehen. Es kostete Terry mehrere Versuche, bis er in der Lage war, auch das Unerwartete zuzulassen. Einmal war er auf einer Wichsparty aufgetaucht, die abgesagt worden war, und die Gruppe brauchte einige Zeit, ihn zu ermuntern, an seine Plänen festzuhalten und sich nicht entmutigen zu lassen. Und schließlich passierte das Unerwartete: In der Bahn auf dem

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Heimweg von der Arbeit traf er Tom. Er ist heute noch dabei zu lernen, Tom zu akzeptieren und sich an seiner Existenz zu erfreuen. Mit Plänen zur Streßbewältigung kann man eine systematische Kampagne zur Reduktion oder Vermeidung von Streß organisieren. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels leisten wir Ihnen Hilfestellung zur Aufstellung eines persönlichen Streßbewältigungsplans. Ein solcher Plan basiert, wenn er gut ist, auf Ihrer Beurteilung von Niveau und Typ Ihres Stresses. Sorgfalt sowohl bei der Aufstellung wie bei der Durchführung des Plans ist erforderlich, um die Chancen zu steigern, die gesteckten Ziele auch wirklich zu erreichen. Wir haben durchgängig die Erfahrung gemacht, daß ein bißchen Vorausdenken eine Menge Zeit und spätere Mühen spart. Wir raten Ihnen auch, sich der Hilfe von Freunden bei diesen lebensrettenden Maßnahmen zu versichern.

Streßreduktion Der direkteste Weg, die Wirkung des Streß zu beseitigen, ist Entspannungstraining. In seinem „Guide to Stress Reduction" (Peace Press) hat einer der Experten auf diesem Gebiet, L. John Mason, darauf hingewiesen, daß es Ziel jeder Streßreduktionstechnik ist, die Entspannungsreaktion hervorzurufen. Die Entspannungreaktion ist physiologisch das Gegenstück zur Streßreaktion. Streßreduktion ist eine nützliche Fähigkeit, die erlernt werden kann, die aber auch der Übung bedarf. In diesem Abschnitt schlagen wir Ihnen eine Reihe von Streßreduktionstechniken vor. Diese Techniken schreiten von einfachen Atemübungen (lösen) über progessive Muskelentspannung (eine Methode des Anspannens und wieder Lösens) fort bis zu grundlegenden meditativen Erfahrungen, von denen angenommen wird, daß sie eine Zuflucht vor Streß bieten, den Weg zu inneren Hilfsquellen öffnen und die Selbstheilungskräfte mobilisieren. Wir empfehlen ihnen, eine Streßreduktionsübungen zum Bestandteil Ihres Gesundheitsplans zu machen. Die Häufigkeit der Übungen kann vielleicht von dem Maß Ihre Stresses abhängen. Unter extrem streßreichen Umständen sollten die Atemübungen vielleicht mehrere Male am Tag ausgeführt und den spezifischen Bedingungen wie z.B. dem Arbeitsplatz angepaßt werden. Zusätzliche Langzeiteffekte werden jedoch durch tägliche Ausübung von tiefer Entspannung und Meditation erzielt. Wir schlagen eine Dauer jeweils von wenigstens zwanzig Minuten mindestens einmal am Tag vor. Zweimal am Tag wäre noch besser. Die besten Zeiten dafür sind direkt nach dem Aufstehen, gegen 15 Uhr (eine natürliche Unterbrechung für die Regeneration Ihrer Energie) und abends. Eine solche gewohnheitsmäßige Meditation/ Streßreduktion wird schließlich auch chronischen Streß beseitigen, der sich über eine lange Zeit aufgebaut hat. Ein gutes Gegenmittel gegen akuten Streß ist die Atemübung, die verändert (z.B. mit geöffneten Augen durchgeführt) und während der Arbeit etwa vor streßreichen Besprechungen, Gesprächen oder angstauslösenden Situationen praktiziert werden kann.

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Man sollte unbedingt vor und nach einer streßreichen Situation besondere Schritte einleiten, um etwas für sich zu tun. Ein Mittel dazu ist die bildliche Vorstellung. Rufen Sie sich vor Ihr geistiges Auge ein Bild von sich, das Sie als einen Menschen zeigt, der ohne Streß ist, entspannt, voller Vertrauen, zufrieden und der sich wohlfühlt. Wenn Sie das machen, wird Ihr Körper darauf reagieren, als machten Sie einen kurzen Urlaub an einem wunderbar friedlichen Fleckchen Erde. Der folgende Abschnitt führt Sie durch verschiedene Techniken der Streßreduktion. Einmal tief durchatmen Durch bewußteres Atmen nehmen Sie besser wahr, wenn Sie sich unter Streß fühlen. Diese Übung ermöglicht Ihnen einen einzelnen vollen, entspannenden Zyklus des Ein- und Ausatmens. Sie kostet nur einen kurzen Moment und kann im Stehen, Sitzen oder Liegen ausgeführt werden. Anleitung: 1. Tief Ausatmen. Spüren Sie, wie Ihre Bauchmuskeln sich zusammenziehen, während die Luft herausgepreßt wird. 2. Atmen Sie langsam ein. Dehnen Sie Ihren Bauch. 3. Fahren Sie mit dem Einatmen fort, dehnen Sie Ihren Brustkasten. 4. Weiter einatmen. Nun die Schultern sachte zu den Ohren hochziehen. 5. Halten Sie die Luft für wenige Sekunden an, solange es angenehm ist. 6. Atmen Sie langsam aus. Machen Sie die Einatem-Aktionen in umgekehrter Reihenfolge rückgängig: Lassen Sie erst die Schultern langsam sinken, lassen Sie dann den Brustkasten und schließlich den Bauch sich sachte zusammenziehen. 7. Jetzt wieder normal atmen. Tips: — Gehen Sie behutsam vor. Es kann sein, daß Sie ein paar Tage brauchen, um die Abfolge sanft und angenehm hinzubekommen. — Ziehen Sie diese Übung heran, wenn Sie sich bewußt werden, daß Sie verspannt sind. Führen Sie sie schließlich mehrmals am Tag aus. Abwandlungen: — Wenn Sie etwas Praxis haben, können Sie diese Abfolge mehrmals hintereinander wiederholen. Bleiben Sie gelassen, damit Sie nicht hyperventilieren. — Wenn Ihnen die Abfolge klar ist und Sie mit ihr vertraut sind, dann lassen Sie in Gedanken während des Ausatmens bewußt Spannung und Negativität mit heraus. Sagen Sie zu sich selber: „Ich atme alle Spannung und alles Negative aus mir heraus" oder irgendeinen ähnlichen Satz. Progressive Muskelentspannung Manchmal sind die Menschen besorgt über ihre Gedanken oder über Ereignisse, die in ihrem Umkreis passieren. Wenn Ihnen das widerfährt, dann entsteht in Ihnen eine

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physiologische Spannung, die wiederum Ihr Angsgefühl steigert. Progressive Muskelentspannung kann diesen Kreis der Angststeigerung durchbrechen, indem sie für eine tiefgehende Entspannung der Muskulatur sorgt, die mit Angst nicht vereinbar ist. Progressive Muskelentspannung hilft bei Verspannungen, Angst, Schlaflosigkeit, Depression, Abgespanntheit, Krämpfen, Nacken- und Rückenschmerzen, Verstopfung und Bluthochdruck. Nachfolgend werden zwei Übungen beschrieben, das komplette Verfahren und eine Kurzfassung. Das komplette Verfahren führt zu tieferer Entspannung und ist besonders wichtig in der ersten Lernphase. Die Kurzfassung ermöglicht spürbare Entspannung innerhalb kurzer Zeit; Sie können Sie nutzen, wenn Sie erst einmal mit der progressiven Muskelentspannung vertraut sind. Planen Sie jeweils zweimal 15 Minuten pro Tag ein und dies für etliche Wochen, um die Methode gut zu erlernen. Position: Diese Technik funktioniert am besten, wenn Sie auf einem Stuhl mit fester Rückenlehne sitzen, aber sie kann auch unter anderen Bedingungen durchgeführt werden. Anleitung (komplettes Verfahren): 1. Ballen Sie Ihre rechte Faust. Ballen Sie sie fester und fester. Nehmen Sie die Spannung wahr. Nehmen Sie bewußt ihre Faust wahr, Ihre Hand, Ihren Unterarm. Zählen Sie bis fünf. Nun entspannen Sie. Spüren Sie die Gelöstheit in ihrer Hand. Vergleichen Sie dieses Gefühl mit dem der Spannung. Wiederholen Sie diesen Vorgang. Wiederholen Sie ihn mit der linken Hand ebenfalls zweimal (spannen, halten, entspannen; spannen, halten entspannen). Wiederholen Sie nun mit beiden Händen zugleich. 2. Beugen Sie die Ellbogen und spannen Sie Ihren Bizeps. Spannen Sie fester und fester. Nehmen Sie die Spannung war. Halten Sie sie und zählen bis fünf. Nun entspannen Sie sich und strecken Ihre Arme aus. Spüren Sie die Gelöstheit und Entspannung in Ihren Armen. Vergleichen Sie sie mit dem Gefühl der Spannung. Wiederholen Sie den Vorgang. 3. Denken Sie an Ihren Kopf. Stellen Sie sich vor, alles in Ihrem Gesicht würde in Richtung Nase drängen. Schließen Sie fest Ihre Augen. Runzeln Sie die Stirn. Drücken Sie Ihren Mund nach oben in Richtung Nase. Pressen Sie die Kiefer zusammen. Drücken Ihre Zunge gegen den Gaumen. Drücken, drükken, immer fester. Zählen Sie bis fünf. Jetzt entspannen Sie sich und spüren, wie Ihr Gesicht weich und entspannt wird. Vergleichen Sie dieses Gefühl mit dem der Spannung. Wiederholen Sie diesen Vorgang. 4. Pressen Sie Ihren Kopf soweit in den Nacken, wie es noch erträglich ist. Empfinden Sie das Angespanntsein Ihrer Kehle und im Nacken. Heben Sie die Schultern an. Fester und fester. Zählen Sie bis fünf. Nun entspannen Sie sich und nehmen Ihren Nacken, Ihre Kehle und Ihre Schultern wahr. Ver-

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gleichen Sie dieses Gefühl mit dem der Spannung. Wiederholen Sie den Vorgang. Pressen Sie Ihren Kopf vorwärts so tief nach unten, daß Ihr Kinn auf die Brust drückt. Heben Sie Ihre Schultern an. Spüren Sie die Spannung in Ihrem Nacken. Immer fester. Halten Sie diese Spannung und zählen Sie bis fünf. Nun entspannen Sie sich und achten auf Ihren Nacken. Vergleichen Sie dieses Gefühl mit dem der Spannung. Wiederholen Sie den Vorgang. Lassen Sie Ihren ganzen Körper sich einen Augenblick entspannen. Atmen Sie einige Male tief und wohlig durch. Atmen Sie tief ein, und halten Sie die Luft an. Zählen Sie bis fünf. Nun lassen Sie die Luft heraus und atmen wieder normal. Vergleichen Sie Ihr tiefes Atmen mit dem Gefühl der Spannung während des Luftanhaltens. Wiederholen Sie diesen Vorgang einige Male. Ziehen Sie Ihren Bauch zusammen. Stellen Sie sich vor, alle Organe würden nach innen zusammengezogen. Ziehen Sie immer fester zusammen. Halten Sie diesen Zustand und zählen Sie bis fünf. Nun entspannen Sie sich. Nehmen Sie Ihren Bauch und die anderen Organ bewußt wahr. Vergleichen Sie das augenblickliche Gefühl mit dem der Spannung, als Sie die Muskeln zusammenzogen.

Wiederholen Sie diesen Vorgang. Drücken Sie Ihre Beine aneinander. Spannen Sie Ihre Gesäßmuskeln, Ihre Oberschenkel und Ihre Waden an. Drücken Sie immer fester. Zählen Sie bis f ü n f . Nun entspannen Sie sich. Nehmen Sie das Gefühl der Entspannung wahr. Vergleichen Sie es mit dem der Spannung. Wiederholen Sie diesen Vorgang. 9. Heben Sie Ihre Beine in die Luft, stellen Sie die Zehen hoch. Spüren Sie die feste Anspannung in Ihren Waden und Oberschenkeln. Immer fester. Zählen Sie bis fünf. Nun entspannen Sie sich. Nehmen Sie das Gefühl der Entspannung wahr. Vergleichen Sie es mit dem der Spannung. Wiederholen Sie diesen Vorgang. 10. Sitzen Sie für einen Augenblick ruhig da und spüren Sie die Schwere und wohlige Entspanntheit Ihres Körpers. Konzentrieren Sie Ihre Gedanken auf Ihre Füße, Ihre Knöchel, Ihre Waden, Ihre Schienbeine, Ihre Knie, Ihre Oberschenkel und Ihr Gesäß. Spüren Sie die zunehmende Entspannung. Nun denken Sie an Ihren Bauch, Ihren Rücken, Ihre Brust. Lassen Sie die Spannung schwinden und spüren Sie zunehmend Entspannung. Die Entspannung geht tief in Ihre Arme, in Ihre Hände. Nehmen Sie die Entspannung in Ihrem Nacken, Ihrem Kiefer und Ihrem Gesicht wahr. 8.

Atmen Sie ein paarmal tief und wohlig durch. Anleitung (Kurzfassung): 1. Ballen Sie beide Fäuste, spannen Sie Ihre Armmuskeln fest an, bewegen Sie Ihre Fäuste in Richtung Schultern und halten Sie diese Position solange, bis

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Sie bis fünf gezählt haben. Entspannen. Das Ganze wiederholen. 2. Stellen Sie sich vor, alles in Ihrem Gesicht drücke in Richtung Nase. Drükken Sie Ihre Gesichtsmuskeln in diese Richtung. Halten und bis fünf zählen. Entspannen. Das Ganze wiederholen. 3. Ziehen Sie Ihren Bauch zusammen. Halten Sie die Luft an. Zählen Sie bis fünf. Entspannen. Das Ganze wiederholen. 4. Heben Sie Ihre Beine, spannen Sie alle Beinmuskeln fest an, drehen Sie Ihre Zehen hoch. Zählen Sie bis fünf. Entspannen. Das Ganze wiederholen. Tips: Es ist eine gute Idee, von dieser Übung ein Tonband zu machen und es während der Durchführung abzuhören. Achten Sie darauf, daß genügend Zeit reserviert ist, um die jeweilige Stellung halten können, bis Sie bis fünf gezählt haben. Und lassen Sie sich genügend Zeit für die Entspannungsphase danach. Atemmeditation Meditation öffnet das Tor zu genauer Wahrnehmung, dämpft die Emotionen, verleiht dem, der sie ausübt, die Selbstbeherrschung und geistige Gelassenheit. Aus der Biofeedback-Forschung wissen wir, daß während der Meditation das Gehirn Alphawellen produziert. Dieser Alphastatus wird als ein Mittelding zwischen Wachheit und Schlafen beschrieben, in dem intuitive Prozesse sich verstärken, die Atmung verlangsamt und der Blutdruck gesenkt wird. Bei der Meditation wird die Aufmerksamkeit eines Menschen ausschließlich dadurch auf seine geistigen Vorgänge gelenkt, daß er den Verstand sich treiben läßt und das, was am geistigen Auge vorbeifließt, nur wie etwas von ihm Getrenntes beachtet. Beginnen Sie, indem Sie sich in einen Sessel setzen, die Füße gerade und fest auf dem Boden, die Hände in einer offenen, entgegennehmenden Position auf Ihren Oberschenkeln, das Rückgrat gerade und in sich selbst ruhend. Schließen Sie die Augen. Atmen Sie tief ein, langsam wieder aus und sagen Sie sich selbst dabei, daß Sie alle Spannung und Negativität aus sich herauslassen. Ändern Sie die Atmung, indem Sie tief einatmen, den Atem anhalten und dabei bis fünf zählen, langsam ausatmen und dabei erneut bis fünf zählen und schließlich, ohne erneut einzuatmen, noch ein drittes Mal bis fünf zählen (Einatmen durch die Nase, Ausatmen durch den Mund). Wiederholen Sie das Ganze acht- oder neunmal. Nehmen Sie anschließend wieder das normale, entspannte Atmen auf. Sagen Sie sich, daß jede Zerstreuung nur dazu dienlich ist, die Fähigkeit zur Entspannung zu erhöhen. Nun richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das Ausatmen. Atmen Sie ganz langsam und zählen Sie zu jedem Ausatmen bis zehn. Erleben Sie Ihre Gedanken und Gefühle, wie sie kommen, aber richten Sie Ihre Aufmerksamkeit immer wieder auf das Ausatmen. Machen Sie dies fünfzehn Minuten lang. Variation: Wiederholen Sie den Vorgang der vorstehend beschriebenen Meditation, richten

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diesmal aber die Aufmerksamkeit auf genau den Augenblick, wo das Ausatmen von erneutem Einatmen abgelöst wird. Dabei können Sie wieder Ihren Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen, müssen sich aber immer wieder auf den Moment zwischen Aus- und Einatmen konzentrieren. Oder Sie achten besonders auf den Herzschlag. Oder auf den Moment zwischen den einzelnen Schlägen. Durch die angegebene Veränderung des Atmens, vermitteln wir unserem Körper den Reiz, in einen entspannten Zustand überzugehen. Es ist wichtig, daß Sie leise zu sich sagen, bei jedem Wechsel der Atmung entspannten Sie sich tiefer und es werde immer leichter, das zu erreichen. Wenn wir besonders auf die Ausatmung achten, dann betonen wir den Prozeß des Herauslassens, des sich Gehenlassens. Im Gegensatz zur Einatmung, wo wir etwas hineinnehmen, was ein feiner, aber grundsätzlicher Unterschied des Bewußtseins ist. Achten wir besonders auf den Wechselpunkt zwischen Ein- und Ausatmung, dann entwerfen wir damit ein Bild unseres Zentrums, ein Ort der Wertungslosigkeit und Gegensatzlosigkeit, eine Zuflucht vom Streß, ein Ort, an dem wir uns selbst als entspannt und voller Wohlbefinden vorstellen können. Es kann sein, daß Sie während der Übung einschlafen. Bedenken Sie, daß Ihr Körper Erholung braucht, und halten Sie sich vor Augen, daß es auch noch andere Zeiten für die Übung gibt. Mit anderen Worten: wir möchten mit unseren Übungen nicht einen Antagonismus zu den körperlichen Bedürfnissen aufrichten. Aber natürlich kann die Möglichkeit des Einschlafens verringert werden dadurch, daß man die Übung nicht nach dem Essen ausführt und im Sitzen statt im Liegen. Entspannung in inneren Bildern Beginnen Sie, indem Sie sich in einen Sessel setzen, die Füße gerade und fest auf dem Boden, die Hände in einer offenen, entgegennehmenden Position auf Ihren Oberschenkeln, das Rückgrat gerade und in sich selbst ruhend. Schließen Sie die Augen. Atmen Sie tief ein, langsam wieder aus und sagen Sie sich selbst dabei, daß Sie alle Spannung und Negativität aus sich herauslassen. Ändern Sie die Atmung, indem Sie tief einatmen, den Atem anhalten und dabei bis fünf zählen, langsam ausatmen und dabei erneut bis fünf zählen und schließlich, ohne erneut einzuatmen, noch ein drittes Mal bis fünf zählen (Einatmen durch die Nase, Ausatmen durch den Mund). Wiederholen Sie das Ganze acht- oder neunmal. Nehmen Sie anschließend wieder das normale, entspannte Atmen auf. Sagen Sie sich, daß jede Zerstreuung nur dazu dienlich ist, die Fähigkeit zur Entspannung zu erhöhen. Stellen Sie sich vor, daß ein warmes Gefühl der Entspannung Ihre Füße umgibt (wenn Sie nichts fühlen, tun Sie einfach so, als ob). Das warme Entspannungsgefühl wandert aufwärts durch Ihre Waden, durch Ihre Oberschenkel. Stellen Sie sich ein Gefühl von Wärme vor, daß Ihre Genitalien, Ihr Gesäß, Ihren Schließmuskel durchströmt. Das warme Entspannungsgefühl wandert Ihren Rücken hoch, geht durch Ihre inneren Organe. Sie spüren, daß Ihre Brust und Ihre Atmung entspannt ist. Ihre

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Schultern entspannen sich. Die entspannte Wärme durchströmt Ihre Oberarme, dann die Unterarme, die Hände und die Finger. Stellen Sie sich vor, wie das Enstspannungsgefühl durch Ihren Nacken kommt, wie Ihr Mund und Ihr Kiefer sich entspannen, die Gesichtsmuskeln, die Augen, wie sich ihre Kopfhaut und Ihre Augenbrauen entspannen. Sagen Sie sich, daß Sie von Kopf bis Fuß entspannt sind. Lassen Sie vor Ihrem geistigen Auge alle Körperteile noch einmal vorüberziehen und überprüfen Sie, ob irgendwo noch Spannung übriggeblieben ist und entspannen Sie auch diese Bereiche. Sagen Sie zu sich, daß Sie vollkommen und ganz tief entspannt sind. Sitzen Sie einen Moment bloß einfach so da und erleben Sie diese tiefe, vollständige Entspannung. Fangen Sie an, von zehn aus rückwärts zu zählen und sagen Sie dabei zu sich mit jeder Zahl, daß Sie tiefer und tiefer entspannt sind ... neun (die Entspannung wird tiefer) ... acht (die Entspannung wird noch tiefer) ... sieben (Sie fühlen sich noch entspannter) ... sechs (und noch entspannter) ... fünf (ganz entspannt) ... vier (immer entspannter) ... drei (sehr entspannt) ... zwei ... eins. Erleben Sie diese tiefe und umfassende Entspannung und sagen Sie zu sich, daß es Ihnen jedesmal, wenn Sie sich entspannen, leichter fallen wird. Jedesmal werden Sie tiefer entspannt sein. Verbringen Sie soviel Zeit, wie nötig, in diesem entspannten, wohligen Zustand. Wenn Sie fertig sind, fangen Sie an, aufwärts von eins bis zehn zu zählen, und sagen Sie dabei zu sich, daß Sie mit jeder Zahl wacher und energiegeladener und tief entspannt zugleich werden. Eins ...(Sie kehren zurück) ... zwei (Sie werden aufmerksam) ... drei ... vier ... fünf (Sie sind weiter auf dem Rückweg) ... sechs (Sie nehmen allmählich ihre Umwelt wieder wahr) ... sieben (Sie fühlen sich sehr entspannt und sehr energiegeladen)... acht (Sie werden bereit, die Augen zu ö f f n e n ) . . . neun (Sie öffnen die Augen und sind wieder d a ) . . . zehn. Den ganzen restlichen Tag bleibt ein Gefühl des Wohlbefindens und der Zufriedenheit erhalten. Um sich selbst bei der Übung anzuleiten, können Sie die Anweisungen auf ein Tonband sprechen.

Planung der Streßbewältigung Insgesamt soll ein Streßbewältigungsplan helfen, den Streß in Ihrem Leben zu vermindern und ganz allgemein Ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Um diese Ziele zu erreichen, schlagen wir vor, daß Sie einen ganz persönlichen Streßbewältigungsplan ausarbeiten. Zu diesem Zweck haben wir ein Dreistufenmodell entwikkelt, das im äußeren Aufbau ziemlich genau dem auf Seite 279 ff beschriebenen Modell zur Planung einer allgemeinen Gesundheitsverbesserung entspricht: Stufe 1: Beurteilen Sie Ihre Streßniveaus und entscheiden Sie, welche Änderungen einen positiven Effekt auf die Vorbeugung von negativem Streß („Distreß") und auf die allgemeine Förderung des Gesundheitszustandes haben werden.

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Vorbeugung

Stufe 2: Stufe 3:

Arbeiten Sie einen Streßbewältigungsplan aus. Führen Sie diesen Plan aus.

Alle weiteren Einzelheiten zu diesem Modell können Sie dem Abschnitt „Integrierte Gesundheitsplanung" entnehmen, wobei lediglich jeweils sinngemäß das Wort „Gesundheitsverhalten" durch „Streß".zu ersetzen ist und das Wort „Gesundheitsplan" durch „Streßbewältigungsplan" u.ä. Erweitert wird außerdem Stufe 1 durch den folgenden Abschnitt:

Stellen Sie Ihr eigenes Streßreduktionsprogramm auf - ein Anfang Jeder von uns hat seine eigenen Methoden, um mit Streß fertig zu werden, obwohl wir vielleicht nicht in den entsprechenden Begriffen darüber denken. Unser Leben lang haben wir ein spezielles System entwickelt, auf Streß zu reagieren. Manche Techniken beim Umgang mit Streß sind hilfreicher als andere. Zum Beispiel fühlt sich jemand, der regelmäßig mit den hier geschilderten Übungen auf Streß reagiert, besser als jemand, der auf Streß mit Spannungskopfschmerzen antwortet. Das folgende Arbeitsblatt hilft Ihnen, bestimmte Aspekte Ihres Streßbewältigungsprogramms zu untersuchen, und unterstützt Sie dabei, eventuell wünschenswerte Änderungen zu beurteilen. 1.

Notieren Sie die drei Bereiche in Ihrem Leben, in denen Sie am meisten unter Streß stehen. Diese Bereiche können allgemein sein oder genau spezifiziert, das liegt ganz bei Ihnen: A B C

2.

Notieren Sie die drei Bereiche in Ihrem Leben, aus denen Sie den größten persönlichen Gewinn ziehen, weil sie z.B. Spaß machen, befriedigend sind, aufregend, weil Sie ihnen das Gefühl vermitteln, etwas zu leisten und eine gewisse Bedeutung zu haben, oder aus welchem Grund auch immer: D E F

Aids-Gesundheitsprojekt 3.

Notieren Sie die fünf am meisten entspannenden Aktivitäten: G H I J K

4.

Bringen Sie die Quellen von Streß (A, B, C unter Punkt 1) nach folgendem Schema in eine Rangfolge: 1. Am streßreichsten 2. Mittlerer Streß 3. Am wenigsten stressig 1. Am leichtesten zu verändern 2. Mittelschwer zu verändern 3. Am schwersten zu verändern 1. Geht einen sofort und unmittelbar an 2. Nur mittelmäßig 3. Ist am weitesten von den eigenen Angelegenheiten entfernt

5.

Sehen Sie sich die Liste der Bereiche an, in denen Sie am meisten belohnt werden (Punkte D, E, F) und vergleichen Sie sich mit den Bereichen des Streß (A, B, C). Gibt es Bereiche, die sich überlappen? Scheint dieses Überlappen oder sein Fehlen irgendwie bedeutsam?

6.

Bringen Sie Die entspannenden Aktivitäten (G, H, I, J und K) nach folgendem Schema in eine Rangfolge: 1. Vermittelt die größte Entspannung 2. Die zweitgrößte 3. Die drittgrößte 4. Viertgrößte 5. Fünftgrößte Zeitaufwand: 1. Die meiste Zeit verbringe ich mit (auch: wieviel pro Woche) 2. Die zweitmeiste (wieviel?) 3. Die drittmeiste (wieviel?)

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Vorbeugung

4. Die viertmeiste (wieviel?) 5. Die geringste Zeit (wieviel?) 7.

Machen Sie nun eine Liste der drei Haupt-Streßbereiche und geben Sie an, welche entspannenden Aktivitäten so aussehen, als könnten sie dem Streß in diesen Bereichen entgegenwirken: 1. Dem Streß des Bereichs A wirkt entgegen 1. Dem Streß des Bereichs B wirkt entgegen 1. Dem Streß des Bereichs C wirkt entgegen Brauchen Sie noch mehr oder andere Streßreduktionstechniken für Ihre einzelnen Streßbereiche? Wenn, ja, was meinen Sie, könnte nützlich sein? Schätzen Sie jeden Ihrer Streßbereiche separat ein, dann denken Sie an alle zusammen.

8.

Wenn Sie sich das gesamte Arbeitsblatt ansehen, was würden Sie in Ihrem gegenwärtigen Streßbewältigungsprogramm gerne verändern? Welche Veränderung(en) könnten Sie noch in dieser Woche in die Wege leiten?

Integrativer Gesundheits-Workshop Überblick Hinweis für die Workshop-Leiter Der integrative Gesundheits-Workshop hat ein doppeltes Ziel. Erstens soll Schwulen geholfen werden, sich Methoden anzueignen, durch die sie die Gefahr einer Ansteckung mit Aids vermindern können. Zweitens soll denen geholfen werden, die mit den dazu nötigen Änderungen Schwierigkeiten haben. Die Workshops stützen sich auf die aktuelle Theorie und Praxis der Gesundheitspsychologie. Außerdem wurde dieser Ansatz von schwulen Mitarbeitern des Gesundheitswesens entwickelt, die auf die besonderen Bedürfnisse und Empfindlichkeiten von Schwulen Rücksicht nahmen. Die Workshops sind so konzipiert, daß sie realistische Anforderungen an die Teilnehmer ermöglichen und gleichzeitig ein Klima der Sicherheit und Hoffnung schaffen, in dem man seine Gedanken und Gefühle zur Aids-Epidemie erforschen kann. Am Ende eines Workshops sollten die Teilnehmer den Zusammenhang zwischen gesunden Verhaltensweisen und Vorbeugung gegen die Krankheit besser verstehen können. Außerdem werden sie einen persönlichen Gesundheitsplan ausgearbeitet haben, der ihr Risiko einer Ansteckung mit Aids vermindert und ihren gesamten Gesundheitszustand verbessert. Dieser Ansatz wurde vom Team des Aids-Gesundheitsprojektes mit Unterstützung der University of California in San Francisco und dem Gesundheitsamt San Francisco erarbeitet. Wer sollte integrative Gesundheits-Workshops leiten? Gegenwärtig sind die Workshops so angelegt, daß sie von professionell ausgebildeten und erfahrenen Gruppenleitern durchgeführt werden müssen. Diese sollten hinreichend sattelfest in Gesundheitspsychologie sein und sehr sensibel für alle Probleme, die mit Schwulen und der Schwulenszene zusammenhängen. Die Themen der einzelnen Sitzungen I. II. III. IV.

Einführung in den Workshop Gesundheit und Streß Gesundheit und sexuelle Aktivität Wie gehe ich mit meinen Gefühlen im Zusammenhang mit der Aids-Krise um?

Aids Health Project - University of California San Francisco/ San Francisco Department of Public Health, „Integrated Health Workshop", San Francisco, 1984

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Vorbeugung

V. VI. VII. VIII

Die Bedeutung stützender Sozialkontakte für die Gesundheit Wandel des Gesundheitsverhaltens Umsetzung des Wandels: der Gesundheitsplan Der persönliche Gesundheitsplan und Ende des Workshops

Sitzung I: Einführung in den Workshop Ablauf:

1) Ziele, Grundregeln und Ablauf des Workshop 2) Diskussion 3) Hausaufgaben

1. Ziele, Grundregeln und Ablauf des Workshop A. Stellen Sie sich vor, erzählen Sie, wo Sie arbeiten, welche Erfahrungen Sie in der Vergangenheit in Gesundheits- und in schwulen Angelegenheiten gesammelt haben. B. Ziele und Voraussetzungen der Gruppe: Stellungnahme zu den Zielen: „Dieser Workshop wurde für Schwule entwickelt, die spüren, daß sie ihr Gesundheitsverhalten ändern müssen. Unser Ansatz ist dabei einmal, Ihnen zu einem klaren Bild der verschiedenen Faktoren zu verhelfen, die Ihre Gesundheit beeinträchtigen. Wir werden Sie dazu anregen, eine Sicht von Gesundheit zu entwickeln, die umfassend und gleichzeitig integrativ ist. Wir werden Ihnen des weiteren bei der Entscheidung helfen, welche Veränderungen Ihr Ansteckungsrisiko für Aids vermindern und Ihre Gesundheit ganz allgemein verbessern." Beschreibung des Gesundheitsprofils: „Wir haben ein Gesundheitsprofil ausgearbeitet, daß Ihnen helfen soll, das Niveau Ihres Gesundheitsverhaltens zu bestimmen. (Anm.: Das Gesundheitsprofil ist in diesem Buch im Fragebogenpaket am Ende dieses Kapitels enthalten.) Wenn man sich ansieht, welche Bereiche beachtet werden müssen, kann man einen sinnvollen Handlungsplan entwickeln. Das heißt: Sie werden spezifische Verhaltensweisen identifizieren müssen, die Sie entweder reduzieren oder ausweiten wollen. Viele von Ihnen haben bereits positive Veränderungen in Sachen Gesundheit eingeleitet. Das Gesundheitsprofil wird ihnen Ihre Stärken zeigen ebenso wie die Bereiche, die noch einer Änderung bedürfen." Was heißt das: Gesundheit? Es ist in jüngster Zeit schon eine Menge über die Gesundheit und ihre Förderung geschrieben worden. Vielleicht hat es noch nie eine Zeit gegeben, in der sich so viele Menschen so intensiv für ihre Gesundheit interessiert haben. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Grundvorstellung von Gesundheit erweitert. Sie wird nicht mehr als bloße Abwesenheit von Krankheit verstanden. Die heutige Vorstellung von Gesundheit berücksichtigt das Zusammenspiel von biologischen, psychischen, sozialen und geistigen Aspekten eines Menschen. Das Verständnis der Gesundheit als einer Integration verschiedener Lebensaspekte stimmt überein

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mit dem Konzept der Wechselwirkung, das heute auch in anderen Wissenschaftsbereichen, z.B. der Biologie, Chemie und Physik gültig ist. Ein (gesundheits-) wissenschaftlicher Autor, Fritjof Capra, hat Gesundheit kürzlich so definiert: Sie sei „das Erlebnis des Wohlbefindens, das aus einem dynamischen Gleichgewicht sowohl der körperlichen und seelischen Aspekte des Organismus als auch seiner Interaktion mit der Natur und dem sozialen Umfeld hervorgeht" (The Turning Point, 1983). Diese Sichtweise der Gesundheit wird manchmal das „biopsychosoziale Gesundheitsmodell" genannt. Sie ist auch die Sichtweise dieses Workshops. C. Grundregeln: 1. Vertraulichkeit. Der Workshop besteht sowohl aus Gesundheitsinformation als auch aus der Mitteilung sehr persönlicher Angelegenheiten. Deshalb muß großer Wert darauf gelegt werden, daß Äußerungen, die andere in der Gruppe über sich selbst gemacht haben, innerhalb der Gruppe bleiben. Sachliche Informationen in Sachen Gesundheit können natürlich mit Dritten diskutiert werden. Außerdem dürfen die Namen von Gruppenmitgliedern nicht Menschen außerhalb der Gruppe enthüllt werden. 2. Verbindlichkeit. Wir möchten darum bitten, daß jedes Gruppenmitglied sich verpflichtet, zu allen acht Sitzungen zu kommen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Nach unserer Erfahrung erhöht die kontinuierliche Teilnahme von der ersten bis zur letzten Sitzung den Wert der Gruppe für die einzelnen Mitglieder erheblich. Uns haben außerdem viele Teilnehmer gesagt, daß der wichtigste Aspekt der Gruppe die Diskussion mit anderen Gruppenmitgliedern und die moralische Unterstützung war, deren Entstehen im Verlauf der acht Wochen sie spürten. 3. Keine körperliche Gewalt. Das bedarf eigentlich keiner Erwähnung. Aber die Gruppenleiter sind dafür verantwortlich, daß sowohl körperlich eine sichere Umgebung gewährleistet wie auch emotional ein ,,Schutzraum" geschaffen wird, in dem Sie unbeeinträchtigt Ihre Gedanken und Gefühle erforschen können. 4. Kein Alkohol und keine Drogen am Tag der Gruppensitzung. Drogen und Alkohol trüben die Denkfähigkeit und können unsere Gefühle verschwimmen lassen. Diese Gruppe fordert zu klarem Denken und Fühlen auf. Deshalb möchten wir Sie bitten, am Tag der Gruppensitzung weder zu trinken noch irgendwelche bewußtseinsverändernden Drogen zu nehmen, es sei denn, es handele sich um vom Arzt verschriebene Medikamente. D. Hinweise für Gruppenmitglieder: Die Erfahrung mit früheren Gruppen hat uns gelehrt, daß Gruppenmitglieder, die sich aktiv beteiligen, den größten Nutzen aus diesem Erlebnis ziehen. Nachfolgend einige Methoden, die wir empfehlen, um Ihre Beteiligung im Workshop anzuregen. 1. Beteiligen Sie sich an der Diskussion über Gesundheitsfragen und die damit zusammenhängenden Übungen. Der Gruppenleiter wird Diskussionsthemen zu verschiedenen Aspekten der Gesundheit anbieten. Einige

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Vorbeugung Themen werden allein der Informationsvermittlung dienen andere dazu, Ihre Vorstellungen, Meinungen und Bewertungen zu erkunden. Die Gruppenleiter werden auch Übungen präsentieren, mit Hilfe derer Sie Ihr Geschick in Gesundheitsfragen vergrößern können, zum Beispiel durch Techniken zur Streßreduktion. 2. Geben Sie etwas von sich preis. Damit ist gemeint, daß Sie andere Menschen etwas wissen lassen, daß diese nur durch Sie selber erfahren können. Sie können zum Beispiel beschreiben, was Sie in der Vergangenheit gemacht haben, worüber Sie nachdenken, wie Sie sich fühlen. Diese Preisgabe kann von nicht sonderlich privaten Dingen bis zu Ihren innersten Geheimnissen reichen. Jeder von Ihnen muß die Ebene der Preisgabe wählen, die seinen Bedürfnissen und Wertesystemen angemessen ist. 3. Anderen zuhören. Eines der wichtigsten menschlichen Bedürfnisse ist das, gehört und verstanden zu werden. Wenn Mitglieder zufrieden waren, dann war ihr häufigster Kommentar, sie seien ohne Bewertungen einfach angehört worden. Der Workshop bietet reichlich Gelegenheit zum Zuhören wie zum Reden. 4. Interaktion mit anderen Workshop-Teilnehmern. Unter Interaktion oder Wechselwirkung verstehen wir einen intensiveren gegenseitigen Austausch zwischen den Mitgliedern. Während des Workshops werden die Teilnehmer zuweilen auf Kleingruppen von zwei oder drei Leuten aufgeteilt, die ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Übung diskutieren sollen. Eine besondere Fertigkeit, die wir in dem Zusammenhang fördern möchten, ist das Geben und die Annahme von Rückmeldungen (Feedback). Unter Feedback versteht man das Rückmeiden einer gegebenen Information an denjenigen, von dem sie ausgegangen ist. Es ist gewissermaßen die Antwort auf die Frage: „Was denkst Du über das, was ich sage bzw. tue?"

E. Hinweise für Gruppenleiter: Es wäre unmöglich, alles auszuführen, was erforderlich ist, damit man ein erfolgreicher Gruppenleiter wird. Die folgenden Hinweise gehen auf unsere Erfahrungen bei der Durchführung früherer Workshops zurück. Einiges von diesem Material haben wir aus Group Leadership: A Manual for Group Leaders" von Marylin Bates und Clarence Johnson übernommen. 1. Gruppenleiter müssen für ein reibungsloses Wechselspiel zwischen didaktischem Material, Gruppendiskussion und Übungen sorgen. Das erfordert eine gründliche Kenntnis der angesprochenen Gebiete, die Fähigkeit, das Tempo und die erforderliche Zeit für die einzelnen Aufgaben anzugeben und Verständnis für die ablaufenden Gruppenprozesse. Nach unserer Erfahrung läßt es sich besser mit den Ängsten der Teilnehmer vor den Ungewißheiten umgehen, wenn man an einer Standardstruktur für die Gruppensitzung festhält. Alles offen lassende Diskussionen bleiben leicht stecken, und das kann zu einem Gruppengefühl von Hoffnungs- und Hilflosigkeit

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führen. Andererseits muß man die Struktur flexibel genug handhaben, um den speziellen Bedürfnissen der verschiedenen Gruppen gerecht zu werden. 2. Der Gruppenleiter muß eine aktive Rolle bei der Durchführung des Workshops übernehmen. Dazu gehört eine klare Einführung in die jeweilige Sitzung und in die jeweiligen Aufgaben. Dazu gehört auch, daß er für den Gesprächsfluß sorgt und jedem Teilnehmer die Möglichkeit gibt, sich einzubringen (Verkehrsregelungs-Funktion). Und schließlich hat er die Sitzung in definierter Weise zu schließen. 3. Gruppenleiter müssen für eine sichere und rücksichtsvolle Atmosphäre sorgen. Die Mitglieder müssen sicher sein können, daß ihre individuellen Unterschiede berücksichtigt werden und daß ihre Privatsphäre nicht verletzt wird. Es gilt, die feine Linie zwischen Ermutigung zu voller Teilnahme und Aufdringlichkeit zu beachten. Das Maß der Teilnahme ist hochgradig beeinflußt von dem Maß an Vertrauen, das sich in der Gruppe gebildet hat. Gruppenleiter müssen begreifen, daß Vertrauensbildung ein Prozeß allmählichen Wachsens ist. Gruppenvertrauen entwickelt sich über eine gewisse Zeit. Der Gruppenleiter muß sensibel sowohl auf die Individuen als auch auf die Gruppe als Ganzes eingehen und die Entfaltung und Vertiefung der Kommunikation ermuntern. 4. In schwulen Gruppen muß der Gruppenleiter für eine Stimmung sorgen, die eine positive Grundhaltung gegenüber dem Schwulsein nicht nur behauptet, sondern auch glaubhaft macht und die es ermöglicht, eine internalisierte, aber unterdrückte Homophobie aufzudecken (siehe Sitzung IV). 5. Gruppenleiter müssen Vorbild für ein angemessenes Gruppenverhalten sein (siehe Hinweise für Gruppenmitglieder). Sie müssen an Diskussionen und Übungen, die von einem/ einer Co-Leiter(in) durchgeführt werden, teilnehmen und aufmerksam zuhören, wenn er oder sie Informationen gibt bzw. persönliche Meinungen äußert. 6. Gruppenleiter müssen am Ende einer Gruppe um ein auswertendes Feedback bitten.

F. Zweier- und Gruppenübung: Wie hat sich Aids auf Ihr Leben ausgewirkt? Bilden Sie Paare und diskutieren Sie dies mit dem Partner. Dann kehren Sie in die Gesamtgruppe zurück, stellen Ihren Partner der Gruppe vor und berichten, was von dem, was ihr Partner erzählt hat, besonderen Eindruck auf Sie gemacht hat. Als nächstes machen Sie reihum eine Aussage darüber, wie Aids sich auf Ihr Leben ausgewirkt hat und benennen Sie einige der Gefühle, die sie dabei hatten. Anmerkung für den Gruppenleiter: Dies ist der wichtigste Aspekt der Einführungssitzung. Reservieren Sie etwa eine halbe Stunde für diese Übung und Diskussion.

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2. Diskussion Warum soll man einen integrativen Ansatz bei der Behandlung des Thema schwule Gesundheit wählen? Siehe dazu auch „Handbuch für schwule Gesundheit" (Anm.: in diesem Buch das vorige Kapitel). Erarbeitung eines Gesundheitsplans: Wenn Sie sich erst einmal entschieden haben, in welche Richtung Sie gehen wollen, dann werden wir Ihnen helfen, einige neue Fertigkeiten zum Erreichen dieser Ziele lernen. Viele von Ihnen haben vielleicht eine ziemlich klare Vorstellung davon, welche Änderungen des Gesundheitsverhaltens das Risiko einer Ansteckung mit Aids vermindern würden. Sie haben vielleicht auch schon früher versucht, ihr Verhalten zu ändern, es aber nicht geschafft. Manchmal liegt das daran, daß Sie nicht die Wechselwirkung zwischen den Verhaltensweisen, die Sie zu verändern suchen, und anderen Aspekten Ihres Lebens gesehen haben. Manchen Schwulen scheint zum Beispiel das Herumziehen durch Parks und Klappen die einzige Möglichkeit zu sein, andere Schwule kennenzulernen. Wenn sie damit aufhören, gibt es für ihr Bedürfnis, mit anderen Schwulen zusammenzusein, keine Befriedigung mehr. Das führt sicherlich zu tiefgehender Ratlosigkeit. Lernen sie aber, Männer auf andere Art und Weise zu treffen und risikofreie Sexualkontakte vorzuziehen, dann können gewisse risikoreiche Formen des Sexualverhaltens abgebaut werden, während ein gesunder Sozialkontakt immer noch möglich ist. Tatsächlich haben viele Schwule herausgefunden, daß sie mit den neuen Arten, andere Schwule zu treffen und kennenzulernen, glücklicher sind, als sie es vor der AidsKrise waren. Vier Hauptgebiete, die die Gesundheit betreffen, werden im integrativen Gesundheits-Workshop behandelt. Wir werden den Einfluß untersuchen, den Streß, sexuelle Aktivität und Gefühle auf den allgemeinen Gesundheitszustand eines Menschen und insbesondere auf das Risiko, Aids zu bekommen, haben. 3. Zuweisung von Hausaufgaben Lesen Sie den Abschnitt über „Streß und Gesundheit" im „Handbuch für schwule Gesundheit".

Sitzung II: Streß und Gesundheit 1. Aufwärmphase Sofort wenn die Teilnehmer in den Raum kommen, bitten Sie sie, sich paarweise zu gruppieren. Bitten Sie sie, darüber zu diskutieren, wie sie die vergangene Woche verbracht, was sie getan haben, welche Gedanken ihnen zu der Gruppensitzung vor einer Woche oder zu Gesundheitsproblemen gekommen sind, welche Gefühle sie ins-

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besondere im Zusammenhang mit den Gesundheitsfragen hatten. Die Aufwärmphase dauert etwa 20 Minuten. Im Verlauf des Achtwochenkurses lernen die Teilnehmer, ihre Geschicklichkeit in Kommunikation, Zuhören und Preisgeben zu beobachten und einander Feedback darüber zu geben, wie sie die individuellen Gespräche mit jedem einzelnen empfunden haben. Manche Workshop-Leiter fangen mit Aufwärmphasen in Zweiergruppen an und gehen allmählich zu einer Aufwärmphase in der ganzen Gruppe über. 2. Diskussion Was ist Streß? Siehe dazu den entsprechenden Abschnitt im Kapitel „Handbuch für schwule Gesundheit". a. Die Natur des Stresses, Streß und Aids b. Wie Sie bemerken, wenn Sie unter Streß stehen (Interaktion) - Gedanken und Gefühle - Verhalten - Milieu - Physiologie (Körpersignale) c. Veränderung des Stresses - Forderungen/ Hilfsquellen/ Reaktionen - Entspannung 3. Entspannungsübung Progressive Muskelentspannung, Atem-Meditation, „Einmal tief Luft holen" (siehe den entsprechenden Abschnitt in „Handbuch für schwule Gesundheit"). 4. Abschluß und Hausaufgabe Lesen Sie den Abschnitt über „Bewußte Sexualität" im Kapitel „Handbuch für schwule Gesundheit".

Sitzung III: Sexuelle Betätigung und Aids 1. Aufwärmphase (siehe Sitzung II) 2. Entspannungsübung (wählen Sie eine der untenstehenden Übungen) 3. Diskussion über bewußte Sexualität a. Was ist bewußte Sexualität? - in sexuellen Dingen Entscheidungen fällen - bewußte oder unbewußte Entscheidungen

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Vorbeugung - wie wir es vermeiden, bewußte Entscheidungen zu fällen - Sex und Aids b. Die Sexualität verändern, Bereiche für Veränderungen benennen - Sex und Kommunikation - sexuelle Aktivitäten - mehr bekommen, nicht weniger - was tun, wenn man seine sexuellen Grenzen verletzt hat?

4. Übungen Rollenspiel: Entscheiden Sie sich für das aufgrund der Gruppendiskussion angemessene Rollenspiel. Folgende Rollenspiele werden vorgeschlagen: 1. Sie treffen jemand Neuen in einer Bar oder auf einer Party. Bringen Sie ein Gespräch über Sex und Aids in Gang. Diskutieren Sie Ihre Lebensauffassung von Sex und sexuellen Grenzen. 2. Sie treffen jemand Neuen in einer Bar oder auf einer Party. Sie sind daran interessiert, ihn näher kennenzulernen. Bringen Sie ein Gespräch über die nächsten Schritte in Gang, die erforderlich sind, wenn man sich näher kennenlernen will. 3. Sie unterhalten sich mit jemandem. Sie hätten gerne Sex mit ihm. Leiten Sie ein Gespräch mit diesem Menschen ein, in dem sie ihn Ihr sexuelles Interesse und Ihre sexuellen Grenzen wissen lassen. Gruppenleiter sollten, während sie das Rollenspiel arrangieren, aktiv eingreifen („Regisseur"). Sie können die Handlung von Zeit zu Zeit unterbrechen, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, diejenigen Gefühle und Gedanken auszudrücken, die sie nicht zum Ausdruck gebracht haben. Die Zuhörer können darum gebeten werden, von Zeit zu Zeit Vorschläge zur Handlung oder zu den Äußerungen zu machen. Man kann sie auch bitten, den Teilnehmern nach dem Ende des Rollenspiels Feedback zu geben. Manchmal empfiehlt es sich, verschiedene Teilnehmer in das Rollenspiel einzubeziehen. Mit anderen Worten: man sollte mehr als einer Person die Möglichkeit geben, jede einzelne Rolle zu übernehmen. Manchmal ist auch ein Rollenwechsel nützlich, d.h. die Teilnehmer tauschen ihre Rolle in der Mitte des Rollenspiels. Die Situation läßt sich in der Richtung verändern, daß man eine Zurückweisung als ein Element in das „ D r a m a " einbaut. Das Rollenspiel verfolgt ein zweifaches Ziel: Erstens soll den Teilnehmern dabei geholfen werden, ihre Gefühle im Zusammenhang mit der Diskussion sexueller Probleme zu erkennen. Dazu ist ein wertfreier Ansatz erforderlich, in dem es kein „richtig" oder „falsch" gibt und in dem der einzig gültige Aspekt der ist, seine Gefühle zu erkennen. Zweitens geht es darum, daß die Teilnehmer ein Geschick entwickeln und ermutigt werden, mit potentiellen Sexualpartnern zu kommunizieren.

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4. Hausarbeit Lesen Sie im Kapitel „Handbuch für schwule Gesundheit" alles, was sich mit den Emotionen im Zusammenhang mit der Aids-Krise beschäftigt, insbesondere die einleitenden Abschnitte sowie „Sex und Aids".

Sitzung IV: Wie man mit Emotionen im Zusammenhang mit der Aids-Krise umgeht 1. Aufwärmphase (wie Sitzung II und III) 2. Entspannungsübung 3. Diskussion: Durch Aids ausgelöste Emotionen - Homophobie und Aids - wie Gedanken die Art unseres Fühlens beeinflussen (verstandesmäßiger Ansatz) - Einstellungen und Gesundheit: Hoffnungs- und Hilflosigkeit, Entwicklung von hoffnungsvollen und entscheidungsfördernden Einstellungen, der Unterschied zwischen Einstellungen und Gefühlen

4. Diskussion der Gefühle, die die Menschen aufgrund der Gesundheitskrise haben Dies ist eine eher allgemeine Diskussion. Sich Gedanken über das Thema „Wie wird es mir in Zukunft mit meinem eigenen Schwulsein gehen" zu machen, kann ein guter Einstieg in die Diskussion sein. Die meisten Gruppenleiter berichten, daß in diesem Stadium des Gruppenprozesses, die Teilnehmer bereit sind, sich tiefer auf ihre Gefühle einzulassen. Man kann die Diskussion strukturieren, indem man weitverbreitete Themen von sich aus anspricht, Gefühle benennt und die Teilnehmer befragt, wie sie mit starken negativen Gefühlen wie Angst, Trauer und Wut zurechtkommen. Wenn möglich, sollten die Gruppenleiter die Diskussion kurz zusammenfassen. Wiederum sollte den Teilnehmern das Aussprechen ihrer Gefühle ermöglicht werden. Die Rolle der Unterstützung durch Freunde, sollte man besonders betonen. 5. Hausarbeit Eine „Karte" des Netzes von stützenden sozialen Kontakten aufzeichnen. Siehe dazu auch das Fragebogenpaket (nächstes Kapitel).

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Sitzung V: Die Bedeutung stützender Sozialkontakte für die Gesundheit 1. Aufwärmphase Wie in den vorigen Sitzungen. Weisen Sie zusätzlich auf die große Bedeutung der Fähigkeit zuzuhören hin. Lassen Sie die Teilnehmer sich gegenseitig Feedback über ihr Fähigkeit des Zuhörens geben. Hatten Sie das Gefühl, Ihr Gegenüber sei wirklich an dem interessiert, was Sie sagten? Verstand er, was Sie sagen wollten? Den Gehalt des Gesagten, die Gefühle, die Sie dabei hatten? Diskutieren Sie über Ebenen der Preisgabe. Was Sie zum Beispiel den Mitgliedern des Bridge-Klubs Ihrer Mutter sagen würden, einem anderen Schwulen oder einem für Schwulenfragen offenen Menschen, einem engen Freund, vielleicht etwas, was Sie noch niemals jemandem erzählt haben, oder eine neue Einsicht, die Sie erst bekamen, als Sie anfingen zu sprechen. 2. Entspannungsübung

3. Diskussion von stützenden Systemen und Übung dazu Teilen Sie die Gruppe in Paare auf, um eine Karte des Netzes von stützenden sozialen Bezügen aufzuzeichnen (siehe auch Fragebogenpaket). Veranlassen Sie jeden einzelnen Teilnehmer, einen Aspekt festzulegen, in dem er sich eine Veränderung seines Netzes von Sozialkontakten wünscht.

4. Allgemeine Diskussion in der Gesamtgruppe Fortsetzung der Diskussion aus der vorigen Sitzung über Gedanken und Gefühle im Zusammenhang mit Aids. Regen Sie an, daß die sozialen Bezüge diskutiert werden Freunde, Familienangehörige, Partner - und deren Funktion als Stütze in Krisensituationen. Ermutigen Sie die Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern. Das kann bedeuten, daß Gruppenleiter sich ganz allmählich ein bißchen aus der Diskussion zurückziehen. Empfohlene Übungen: a. Manche Gruppen erreichen zu diesem Zeitpunkt ein hohes Nivau gegenseitiger Zuneigung und moralischer Unterstützung. Diese Zuneigung sollten die Gruppenmitglieder durch gegenseitiges Berühren (Umarmen, Hände halten) zum Ausdruck bringen. b. Eine Übung, die ein hohes Maß von Interaktion zwischen den Teilnehmern anregt, ist das „Was ich Dir wünsche". Jeder Teilnehmer teilt reihum mit, was er anderen Gruppenmitgliedern wünscht. Das ist ein gutes Mittel, um Nähe zu zeigen, und könnte unangebracht bei Gruppen sein, bei denen sich dieses Nähegefühl nicht eingestellt hat.

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5. Hausaufgabe Lesen Sie die Abschnitte über den Gesundheitsplan in „Handbuch für schwule Gesundheit".

Sitzung VI: Wandel des GesundheitsVerhaltens 1. Aufwärmphase wie üblich 2. Entspannungsübung 3. Diskussion über den Gesundheitsplan (siehe die entsprechenden Abschnitte im Handbuch) - Warum soll man sich Ziele für sein Gesundheitsverhalten setzen? Auseinandersetzung darum, keine leeren Versprechungen machen. - Was sind Ziele, Verhaltensziele - emotionale Ziele? Unterschiede zwischen Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühlen. - Das Verständnis des Wechselspiels zwischen verschiedenen Aspekten der Gesundheit. - Einzelne Schritte bei der Gesundheitsplanung. 4. Zurück zum Gesundheitsprofil Erklären Sie die Skalen und diskutieren Sie die Ergebnisse, die Gültigkeit und die Fehlermöglichkeiten. 5. Diskussion von Veränderungen im Gesundheitsverhalten Was haben Sie bereits geändert? Was würden Sie immer noch gerne ändern? Was empfinden Sie im Zusammenhang mit diesen Änderungen? Übung: Wählen Sie in Kleingruppen ein Verhaltensziel. Lassen Sie sich von anderen in der Gruppe bei der Entscheidung helfen, ob das Ziel beobachtbar und meßbar ist. Ist das Ziel erreichbar, sinnvoll? Wird das Erreichen dieses Ziels einen positiven Einfluß auf meine Gesundheit haben?

6. Hausaufgabe Lesen Sie den Abschnitt über Durchführung des Gesundheitsplans in „Handbuch für schwule Gesundheit''.

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Sitzung VII: Durchführung der Veränderungen 1. Aufwärmphase Diskutieren Sie mit den Teilnehmern darüber, was aus deren selbstgesetzten Zielen geworden ist. Haben sie sie erreicht? Wenn nein, was hat sie davon abgehalten? Was muß verändert werden? 2. Entspannungsübung 3. Diskussion über die Umsetzung des Gesundheitsplans - Verhaltensvertrag - Verstärkung und Bestrafung - was geschieht, wenn Sie nicht entsprechend Ihrem Verhaltensvertrag leben? - Selbstkritik/ nett zu sich sein 4. Aufteilung in Zweiergruppen und Weiterabeit am Gesundheitsvertrag Der Gruppenleiter steht als Berater zur Verfügung 5. Allgemeine Diskussion Was geschieht mit den Teilnehmern bei der Ausarbeitung des Gesundheitsplans, welche Gefühle haben sie dabei.

Sitzung VIII: Persönlicher Gesundheitsplan, Abschluß des Workshop 1. Aufwärmphase Diskussion über die Fortschritte in Sachen Gesundheitsplan 2. Entspannungsübung 3. Gesundheitsplan Teilen Sie den anderen Gruppenmitgliedern mit, was Sie diese Woche in bezug auf Ihren Gesundheitsplan gemacht haben. Was sind Ihre Ziele für langfristige Veränderungen? Die anderen geben Rückmeldung, Anerkennung und Verstärkung.

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4. Rückblick Rückblick auf das, was in der Gruppe behandelt worden ist. Diskutieren Sie zukünftige Veränderungen.

5. Verbale Bewertung der Gruppe Was war hilfreich? Was nicht? Was wünschen Sie sich noch?

6. Beendigung des Workshops Abschied nehmen. Eine empfehlenswerte Übung ist: „Für den Fall, daß ich Dich niemals wiedersehe, möchte ich Dir gerne noch sagen..." Regen Sie die Interaktion zwischen den Teilnehmern an. Regen Sie an, ganz bewußt die Gefühle zu registrieren, die beim Abschied nehmen auftauchen.

7. Bewertung Verteilen Sie Bewertungsformulare mit folgenden Fragen: Was hat Ihnen an dieser Gruppe am besten gefallen? Was hat Ihnen an dieser Gruppe am wenigsten gefallen? Wie würden Sie die Gruppe verändern? Welche zusätzlichen Kommentare über die Gruppe u n d / oder die Diskussionsleiter möchten Sie abgeben? Bitten Sie um Ausfüllen und Rückgabe der Formulare.

Fragebogenpaket Das Gesundheitsprofil Im nachfolgenden Gesundheitsprofil werden die aus den Fragebogen dieses Paketes ermittelten Werte eingetragen. Man kann die einzelnen Markierungen miteinander verbinden und erhält dadurch eine mehr oder weniger ausgeglichene Linie. Je näher diese Linie der Waagerechte kommt und je höher sie gleichzeitig innerhalb des Profils liegt, desto günstiger ist das Gesundheitsverhalten. Starke Einbrüche nach unten in einzelnen oder allen Skalen signalisieren Bereiche, in denen eine Veränderung des Gesundheitsverhaltens erwogen werden sollte. Beschreibung der einzelnen Fragebögen Netz stützender sozialer Kontakte: Es gibt Beweise, daß stützende soziale Kontake einen direkten und positiven Effekt auf den Gesundheitszustand haben und wie ein Puffer oder Filter für die Wirkungen von physischem und psychischem Streß auf die körperliche und geistig-seelische Gesundheit wirken. Die Unterstützung durch Sozialkontakte hängt eng mit der Anzahl, Tiefe und dem Gewicht der Interaktionen und Beziehungen eines Menschen mit anderen zusammen. Gesundheitspraktiken: Gute Ernährung, regelmäßige körperliche Übungen, angemessener Schlaf, regelmäßige Anwendung von Entspannungtechniken, Beteiligung an Freizeitbeschäftigungen, Zufriedenheit im Beruf und kein oder zurückhaltender Genuß von Kaffee, Zucker, Tabak - alles das trägt zur Widerstandskraft des Individuums gegen Streß und Krankheit bei. Einstellung: Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, daß gewisse Einstellungen, Sichtweisen und Bewältigungs- bzw. Persönlichkeits-Stile die sonst negativen Wirkungen von Streß herabsetzen können. Dazu gehört: — Engagement - Sich voll einsetzen für das, was man tut, anstatt widerwillig heranzugehen. — Sich als handelndes Subjekt begreifen - daran glauben (und danach handeln), daß man die Ereignisse beeinflussen kann, statt machtlos äußeren Kräften ausgeliefert zu sein. — Herausforderungen annehmen - Lebensveränderungen als notwendigen Teil des Lebens und als Stimulans für das persönliche Wachstum auffassen, statt als Gefahr für die Sicherheit. Streß und Anspannung: Diese Skala mißt sowohl den Streß, den Sie erfahren, als auch Ihre Wahrnehmung des Stresses in Ihrem Umfeld. Methoden der erfolgreichen Streßbewältigung tragen zur Ihrem allgemeinen Wohlbefinden und zu Ihrer Widerstandskraft gegen Krankheiten bei. The Aids Health Project, „Your Health Behavior Profile", San Francisco 1984

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Alkoholgenuß: Der „Michigan Alcoholism Screening Test" (MAST) mißt Ihre Abhängigkeit vom Alkohol. Wenn Sie in diesem Punkt Ihren Gesundheitsstatus beurteilen, dann denken Sie gleichzeitig auch an die besonderen Zusammenhänge zwischen Alkoholgenuß und Aids-Risiko: a. Alkohol vernebelt die Urteilsfähigkeit und kann die Fähigkeit, gesundheitsförderndes Verhalten aufrechtzuerhalten, schwächen (Es ist sehr viel wahrscheinlicher, daß Sie in risikoreiche Sexualpraktiken rutschen, wenn Sie trinken.); b. Alkohol ersetzt oft gesündere und wirkungsvollere Methoden der Streßbewältigung; c. Alkohol schwächt die Immunabwehr. Drogenkonsum: Der MAST mißt auch Ihre Abhängigkeit vom Drogen. Wenn Sie in diesem Punkt Ihren Gesundheitsstatus beurteilen, dann denken Sie gleichzeitig auch an die besonderen Zusammenhänge zwischen Drogengenuß und Aids-Risiko: a. Drogen schwächen die Urteilsfähigkeit (wie unter 5. beschrieben); b. Drogen ersetzen oft gesündere und wirkungsvollere Methoden der Streßbewältigung; c. die meisten Drogen haben sich als schwächend für die Immunabwehr erwiesen; d. Der Austausch von Blutprodukten bei der gemeinsamen Benutzung von intravenösen Injektionsnadeln ist erwiesenermaßen eine Form der Aids-Übertragung. Sexualverhalten: Nähere Erläuterungen finden Sie im Fragebogen selbst. Depression: Manche Menschen werden unter dem Einfluß von Streß depressiv. Ein hoher Gesamtwert bei dieser Skala deutet an, daß der Betreffende alternative Methoden der Streßbewältigung entwickeln sollte.

Auswertung Netz stützender sozialer Kontakte: Dies ist eine ,,Eindrucks"-Skala. Das heißt Sie selbst entscheiden, welcher Wert Ihnen für Ihre Situation angemessen erscheint. Entscheidungshilfen: Sehen Sie nach Ausfüllen des entsprechenden Fragebogens Bereiche Ihres Lebens, die Sie gerne ändern würden? Sind Sie zufrieden mit der Zahl und Qualität von Freundschaften, die Sie haben? Hätten Sie gerne zu einer bestimmten Art Menschen mehr Kontakt? Gesundheitspraktiken: Addieren Sie die Einzelwerte. Einstellung: Drehen Sie zunächst die Reihenfolge der angegebenen Werte bei Frage 11, Frage 17, Frage 24 und Frage 26 um, d.h. aus 3 wird 0, aus 2 wird 1, aus 1 wird 2 aus 0 wird 3) Dann addieren Sie die Werte aller Fragen. Streß und Anspannung: Addieren Sie die Einzelwerte. Alkohol- und Drogenkonsum: Diese Werte werden beide mit dem „Michigan Alcoholism Screening Test" (MAST) ermittelt. Sie können den Test so benutzen, daß sie bei bestimmten Fragen, die für Ihren Alkholkonsum zutreffen und nicht für den Drogenkonsum oder umgekehrt, die abweichenden Werte separat eintragen. Mit anderen Worten: Sie machen mit dem gleichen Fragebogen einmal eine Bewertung Ihres Alkoholkonsums und einmal Ihres Drogenkonsums.

332

Vorbeugung

Auswertung des MAST: Nicht mit einem Stern (*) gekennzeichnete Fragen zählen 1 Punkt für jede Ja-Antwort. Mit * gekennzeichnete Fragen zählen 1 Punkt für jede Nein-Antwort. Mit ** gekennzeichnete Fragen zählen 2 Punkte für jede Episode. Mit *** gekennzeichnete Fragen zählen 2 Punkte für jede Festnahme. Addieren Sie alle Punkte. 0 - 2 Punkte: kein Alkoholiker 3 Punkte: möglicherweise Alkoholiker 4 Punkte: Alkoholiker Sexualverhalten: Dies ist eine weitere ,,Eindrucks"-Skala. Nähere Erläuterungen zur Auswertung finden Sie im Fragebogen selbst. Depression: Drehen Sie zunächst die Reihenfolge der angegebenen Werte bei Frage 4, Frage 8, Frage 12 und Frage 16 um, d.h. aus 3 wird 0, aus 2 wird 1, aus 1 wird 2 aus 0 wird 3) Dann addieren Sie die Werte aller Fragen.

Aids-Gesundheitsprojekt

333

Profil Ihres Gesundheitsverhaltens Gesunde Gewohnheiten 100

54

Unter 10

0

0

0-2

0

5

20 5

75

42

50

10

30 25 40

27

0

10

15 20 25

50 15

3

3 50

30

60 35 70 25

20

40

18

75

80 25

45 50

90 Über 100

Über 30

4+

4+

55 60

Ungesunde Gewohnheiten Stützende GesundEinstelStreß und Alkohol Drogen Sexual Depressoziale heits lungen Anspankonsum konsum verhalten 1 sion Kontakte 1 praktiken nung 1 Werte basieren auf dem subjektiven Eindruck, der durch die Selbsteinschätzungsübung gewonnen wurde Notizen und Pläne

ao sc 3

S oj

würde ich Geld leihen würde ihn oder sie in einer Krise anrufen würde von ihm oder ihr in einer Krise angerufen

diskutiere ich über die Arbeit kann ich mir Geld leihen

finanzielle Fragen Gesundheitsbelange persönliche und soziale Fragen sexuelle Angelegenheiten

3 & 5 J5

ich ich ich ich

Bitte o b e n e n t s p r e c h e n d e i n t r a g e n : Beste F r e u n d e Freunde Familienangehörige, Verwandte Kollegen weitere

diskutiere diskutiere diskutiere diskutiere

334 Vorbeugung

Netz der stützenden sozialen Kontakte

e

i

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336

Vorbeugung

Fragebogen zu den Gesundheitspraktiken (Ein unwissenschaftliches Instrument)... Essen: 1. Drei Mahlzeiten pro Tag

Immer gewöhnlich selten nie

3 2 1 0

2.

Wasser

8 + Tassen/ Tag etwa 6 Tassen weniger als 6

3 2 1

3.

Koffein (Cola, Kaffee, Tee)

nie oder selten max. 1 Tasse/ Tag 2 - 3 Tassen/ Tag 4 + Tassen/ Tag

3 2 1 0

4.

Zucker

nie oder selten 2 - 3 mal/ Woche 4 - 7 mal/ Woche 8 + oder exzessiv

3 2 1 0

5.

Frische rohe Früchte

2 + täglich 1 täglich wenige Male/ Woche nie oder selten

3 2 1 0

6.

Frisches rohes Gemüse/ Salat

2 + täglich 1 täglich wenige Male/ Woche nie oder selten

3 2 1 0

7.

Frisches gekochtes Gemüse

2 + täglich 1 täglich wenige Male/ Woche nie oder selten

3 2 1 0

8.

Gewicht

etwa richtig etwas zuviel/ zu wenig ein wenig mehr größeres Über-/Untergew.

3 2 1 0

Aids-Gesundheitsprojekt

Rauchen: 9. Zigaretten

10.

Zigarren, Pfeifen

Schlaf: 11. Menge

12.

Qualität

Körperliche Übungen: 13. für Herz und Gefäße (Laufen, Schwimmen, Radfahren etc.) min destens 20 Minuten pro Mal

14.

Dehnübungen (Yoga, Dehnübung vor den unter 13. genannten)

Entspannung: 15. Entspannungstechniken (Übungen zur Streßreduktion, Meditation, Yoga, tiefes Atmen etc.)

nie oder selten ' max. 3 / Tag mehr

337

3 2 0

nie oder selten max. 3 / Woche mehr

3 2 0

7 - 8 Stdn/Nacht 5 - 6 Stdn/ Nacht weniger oder 10 + Stdn

3 2 1

immer erholsam gewöhnlich erholsam selten erholsam

3 2 1

5 - 7 mal/ Woche 3 - 4 mal/ Woche 1 - 2 mal/ Woche nie oder selten

3 2 1 0

5 -7 mal/ Woche 3 - 4 mal/ Woche 1 - 2 mal/ Woche nie oder selten

3 2 1 0

6 - 7 mal/ Woche 3 - 5 mal/ Woche 1 - 2 mal/ Woche nie oder selten

3 2 1 0

338

Vorbeugung

16.

Freizeitaktivitäten (notieren Sie einige Dinge, die Sie gerne tun und die nichts mit der Arbeit zu tun haben)

Anzahl der Tage, an denen Sie eine oder mehrere dieser Dinge in der vergangenen Woche getan haben

Arbeit: 17. Qualität der Tätigkeit

18.

Einkommen

6 - 7 mal 3 - 5 mal 1 - 2 mal überhaupt nicht

3 2 1 0

sehr dankbare Aufgabe ein bißchen nicht besonders überhaupt nicht

3 2 1 0

vorzüglich angemessen weniger als angemessen ein Hungerlohn!

3 2 1 0

Aids-Gesundheitsprojekt

339

Überblick über die Einstellung Die untenstehenden Aussagen stehen für Einstellungen, denen Sie zustimmen oder nicht zustimmen können. Wie Sie sehen werden, sind einige dieser Aussagen sehr scharf formuliert. Auf diese Weise können Sie deutlicher den Grad Ihrer Zustimmung oder Ablehnung ermitteln. Lesen Sie bitte die einzelnen Aussagen sorgfältig. Achten Sie darauf, daß Sie die Antworten aufgrund ihrer derzeitigen Einstellung geben. Verwenden Sie für die einzelne Aussage nicht zuviel Zeit. Kreuzen Sie die Ziffer an, die am besten Ihrer Reaktion zu der jeweiligen Aussage entspricht.

gar nicht 1. 2. 3.

4.

5.

6.

7.

8.

Ich frage mich, warum ich überhaupt arbeite. Die Politiker kontrollieren unser Lebens. Wenn man sein Bestes gibt, sollte man volle ökonomische Unterstützung von der Gesellschaft erwarten können. Unglücklicherweise bleibt die Arbeit eines Menschen oft unbeachtet, egal wie sehr er sich abgemüht hat. Den größten Teil seines Lebens vergeudet man mit sinnlosen Tätigkeiten. Das meiste, was man tut, wird von gesellschaftlichen Forderungen diktiert. Es gibt keine Bedingungen, die es rechtfertigen, Gesundheit, Ernährung und Obdach seiner Familie oder von sich selbst zu gefährden. Wer für seinen Lebensunterhalt arbeiten muß, der wird von den Bossen manipuliert.

stimmt zum Teil weitgehend

vollkommen

340

Vorbeugung

gar nicht 9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

Jeder Mensch hat Anspruch auf Renten, die hoch genug sind, um ein würdiges Leben zu sichern, wenn Alter oder Krankheit ihn an der Arbeit hindern. Mich in Situationen mit ungewissem Ausgang begeben zu müssen, bringt mich aus der Fassung. Ich neige dazu, eine neue Aufgabe ohne langes Nachdenken über die Vorgehensweise anzupacken. Egal wie sehr man sich auch bemüht, wirklich erreichen kann man seine Ziele anscheinend doch nie. Zu kontrollieren, was die Politiker in ihren Büros aushecken, ist schwierig. Ich kann Menschen nicht verstehen, die die Arbeit, die sie machen, für gesellschaftlich wertvoll halten. Oft könnte man eine Entscheidung, was man tun soll, genausogut durch Werfen einer Münze fällen. Wenn man arbeiten muß, könnte man ebensogut einen Beruf wählen, bei dem man mit Fragen von Leben und Tod zu tun hat. Ich bin gerne mit unberechenbaren Menschen zusammen.

stimmt zum Teil weitgehend

vollkommen

0

1

2

3

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1

2

3

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2

3

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2

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2

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1

2

3

0

1

2

3

0

1

2

3

Aids-Gesundheitsprojekt

gar nicht 18.

19.

20.

21.

22.

23. 24. 25.

26.

27.

28.

Die meisten Menschen merken gar nicht, wie stark ihr Leben von Zufällen bestimmt wird. Die meisten Studenten merken gar nicht, wie sehr ihre Studienergebnisse von Zufällen beeinflußt sind. Ich habe echtes Interesse an Bewußtseinserweiterung durch Drogen. Bevor ich Fragen stelle, arbeite ich genau heraus, was ich schon weiß und was ich noch herausfinden muß. Ohne Rechtsbrüche kann man kein effektiver Anführer sein. Das Leben ist leer und hat für mich keinen Sinn. Ich mache sehr selten detaillierte Pläne. Wer der Chef wird, hängt oft davon ob, wer das Glück hatte, zuerst an der richtigen Stelle zu sein. Erfolg zu haben, ist eine Sache von harter Arbeit; Glück hat damit wenig zu tun. Das Aufregendste sind für mich meine eigenen Phantasien. Oft habe ich das Gefühl, wenig Einfluß auf das zu haben, was mit mir geschieht.

stimmt zum Teil weitgehend

341

vollkommen

342

Vorbeugung

gar nicht 29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

Ich finde es schwierig, in bezug auf meine Arbeit begeistert zu sein. Die vielgepriesene Fähigkeit des Menschen zu denken, ist nicht wirklich ein so großer Vorteil. Manchmal habe ich das Gefühl, nicht genügend Kontrolle über die Richtung zu haben, die mein Leben nimmt. Der Versuch, sich selbst zu verstehen, ist vergebliche Liebesmüh. Wie sehr ich mich auch abmühe, meine Bemühungen führen zu gar nichts. Meistens kann ich nicht verstehen, warum Politiker sich so verhalten, wie sie es tun. Meine Arbeit wird sorgfältig geplant und organisiert, bevor sie getan wird. Ich sehne mich nach einem einfachen Leben, in dem die körperlichen Bedürfnisse das wichtigste sind und man keine Entscheidungen fällen muß.

stimmt zum Teil weitgehend

vollkommen

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1

2

3

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1

2

3

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3

Aids-Gesundheitsprojekt

343

Streß und Spannung Wie gut beschreiben die nachfolgend aufgeführten Verhaltensweisen bzw. Eigenschaften Ihre Person? Kreuzen Sie bitte bei jeder Aussage eine Ziffer an. trifft genau zu 1. 2. 3. 4. 5.

Ich schinde mich und bin sehr auf Wettbewerb aus. Ich stehe gewöhnlich unter Zeitdruck. Ich bin ein Chef-Typ und dominiere meist. Ich muß in allem immer Hervorragendes leisten. Ich esse zu schnell.

ziemlich zutreffend

trifft ein bißchen zu

absolut unzutreffend

4 4

2

4

2

4 4

Am Ende eines durchschnittlichen Arbeitstages: 1. 2.

3.

4. 5.

Fühlen Sie sich unter Zeitdruck? Haben Sie das Gefühl, daß die Arbeit Ihnen bis nach Hause nachläuft und sie auch nach der Arbeitszeit darüber nachdenken müssen? Haben Sie das Gefühl, daß die Arbeit Sie bis zu den absoluten Grenzen Ihrer Energie und Ihres Leistungsvermögens belastet? Fühlen Sie sich oft unsicher, unwohl oder unbefriedigt mit den Ergebnissen Ihrer Arbeit? Bringt es Sie aus der Fassung, wenn Sie auf etwas warten müssen?

Ja 1

Nein 0

1

0

1

0

1

0

1

0

Kreuzen Sie bitte bei den folgenden Fragen an, was Sie zur Zeit ganz allgemein beschreibt: Ja Nein 1. Sind Überstunden oft ein normaler Bestandteil Ihres Arbeitsablaufs? 1 0 2. Gehört es zu Ihrem normalen Arbeitsablauf, daß Sie Fristen oder rigide Terminpläne einhalten müssen? 1 0

344

Vorbeugung

3.

Werden Sie oft durch ein Gefühl der Spannung, Enge, Ruhelosigkeit oder durch Unfähigkeit, sich zu entspannen, gequält? Werden Sie oft durch Nervosität und Zittern beunruhigt? Haben Sie oft Schlaf- oder Einschlaf Störungen? Haben Sie das Gefühl, unter starker Anspannung zu stehen? Haben Sie Probleme, sich zu entspannen? Sind Sie oft so ruhelos, daß Sie nicht längere Zeit stillsitzen können? Haben Sie oft das Gefühl, daß sich die Schwierigkeiten so auftürmen, daß Sie sie nicht mehr bewältigen können? Kommt es oft vor, daß Sie schnell müde sind oder sich andauernd erschöpft fühlen? Leiden Sie oft an Schwindelgefühl oder fühlen sich wackelig auf den Beinen? Haben Sie oft Herzklopfen oder Herzrasen? Werden Sie oft durch Atemlosigkeit, flache Atmung oder Schwierigkeiten, tief Luft zu holen, beunruhigt? Können Sie sich oft nicht konzentrieren oder einen klaren Gedanken fassen?

4. 5. 6. 7. 8. 9.

10. 11. 12. 13. 14.

Ja

Nein

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0

1

0

Aids-Gesundheitsprojekt

345

Michigan Alcoholism Screening Test (MAST) 1.

2.

3.

4.

5. 6. 7.

8.

9. 10.

11.

12.

13. 14.

* Fühlen Sie sich als ein normaler Trinker/ Drogenkonsument? Mit normal meinen wir, daß Sie so viel oder so wenig wie die meisten anderen Menschen trinken /konsumieren. Konnten Sie sich jemals nach einer Nacht, in der Sie getrunken/ Drogen genommen haben, beim Aufwachen an den vorigen Abend nicht mehr erinnern? Haben sich jemals Ehepartner, Eltern oder andere nahe Angehörige über Ihr Trinken, Drogenkonsum, Tabletteneinnahme Sorgen gemacht oder beklagt? * Können Sie ohne Kampf mit dem Trinken/ Drogenkonsum aufhören, nachdem Sie einen oder zwei Drinks/ Joints o.ä. hatten? Haben Sie sich je wegen Ihrer Abhängigkeit vom Trinken/ von den Drogen schuldig gefühlt? * Halten Ihre Freunde oder Verwandten Sie für einen normalen Trinker/ Konsumenten? Haben Sie jemals versucht, Ihr Trinken/ Ihren Konsum auf bestimmte Tageszeiten oder bestimmte Orte zu beschränken? * Können Sie immer sofort mit Trinken, Drogenkonsum, Tabletteneinnahme aufhören, wenn Sie das wollen? Haben Sie jemals ein Treffen der Anonymen Alkoholiker aufgesucht? Sind Sie jemals in einen verbalen oder körperlichen Kampf geraten, wenn Sie tranken/ Drogen einnahmen? Hat das Trinken/ der Drogenkonsum jemals Probleme zwischen Ihnen und Ihrem Ehepartner, Ihren Eltern oder anderen nahe Angehörigen ausgelöst? Hat Ihr Ehepartner (oder andere Familienmitglieder) jemals Dritte wegen Ihres Trinken/ Drogenkonsums um Hilfe gebeten? Haben Sie j emals Freunde oder Liebespartner wegen Ihres Trinkens/ ihres Drogenkonsums verloren? Hatten Sie jemals Schwierigkeiten am Arbeitsplatz wegen Ihres Trinkens/ Drogenkonsums?

Ja

Nein

























































346

Vorbeugung

15.

Haben Sie jemals Ihren Arbeitsplatz wegen Ihres Alkohol-/ Drogenkonsums verloren oder sind einer Kündigung aus diesem Grunde durch eigene Kündigung zuvor gekommen? Haben Sie jemals Ihre Verpflichtungen, Ihre Familie oder Ihre Arbeit für zwei oder mehr aufeinanderfolgende Tage vernachlässigt, weil Sie getrunken/ Drogen genommen hatten? Trinken Sie/ nehmen Sie Pillen oder Drogen ziemlich oft am Vormittag (d.h. am Wochenende) Ist Ihnen mal gesagt worden, Sie hätten Probleme mit der Leber? ** Hatten Sie nach dem Trinken/ Drogenkonsum schon einmal ein Delirium tremens, heftiges Zittern, haben Sie Stimmen gehört oder Dinge gesehen, die gar nicht vorhanden waren? Haben Sie sich schon einmal an jemanden wegen Ihres Trinkens/ Drogengebrauchs um Hilfe gewandt? Waren Sie jemals wegen Alkohol-/ Drogenmißbrauch in einer Klinik? Waren Sie schon einmal Patient in einer psychiatrischen Klinik oder in der psychiatrischen Abteilung eines Allgemeinkrankenhauses, wobei Alkohol/ Drogenkonsum ein Teil des Problems war? Haben Sie sich schon einmal in einer Psychiatrie, bei einem Arzt, Sozialarbeiter oder Geistlichen mit emotionalen Problemen vorgestellt, bei denen Trinken/ Drogenkonsum eine Rolle spielte? *** Sind sie jemals wegen Ihres Verhaltens unter Alkohol/ Drogen festgenommen worden (auch für ein paar Stunden)? Wenn ja, wie oft? * * * Sind Sie jemals wegen Trunkenheit am Steuer/ Fahren unter Drogen festgenommen worden? Wenn ja, wie oft?

16.

17. 18. 19.

20. 21. 22.

23.

24.

25.

Ja

Nein













































Aids-Gesundheitsprojekt

347

Fragebogen zu den Sexualpraktiken - Risikoschätzung Erläuterung Mathematische Risikoschätzungen für die Ansteckung mit Aids sind kompliziert und von fragwürdigem Wert. Eine intuitive Einschätzung ist möglicherweise genauer und für Sie nützlicher. Sehen Sie sich den Fragenkatalog an und denken Sie an das, was wir in der Gruppe behandelt haben. Schätzen Sie nun das Risiko Ihrer gegenwärtigen Sexualpraktiken ein (Fragen 1, 2, 3, 4). Markieren Sie sie mit , , H " für „hohes Risiko", , , M " für „mittleres Risiko", „ N " für „niedriges Risiko" und „ K " für „kein Risiko". Berücksichtigen Sie bei der Einschätzung die Zahl der Partner, mit denen Sie die jeweilige Praktik ausgeübt haben. Eine bestimmte Aktivität könnte z.B. als mittleres Risiko eingeschätzt werden, wenn Sie mit einem Partner ausgeübt wurde, jedoch bei zwanzig Partnern als hohes Risiko. Dann sehen Sie sich die Einstellungsfragen an (Fragen 7, 8, 9). Eine allgemein positive Einstellung zu Ihrer Sexualität trägt zu Ihrem Gesamteindruck von Wohlbefinden bei. Manchmal ist es schwierig, das beizubehalten, wenn es um Aids oder andere Probleme geht. Schließlich sehen Sie sich Ihre Geschichte sexuell übertragener Krankheiten an. Wenn Sie in den ungefähr letzten fünf Jahren mehrere Infektionen durch sexuell übertragene Krankheiten hatten, dann bevorzugen Sie ganz offensichtlich Praktiken, die Sie dem Risiko einer sexuellen Ansteckung mit Aids aussetzen. (Denken Sie daran, daß die Tatsache, noch keine sexuell übertragenen Krankheiten gehabt zu haben, zwar ein gutes Zeichen ist, sie aber nicht vor einer Aids-Übertragung schützt, wenn Sie sich auf risikoreiche Praktiken mit einem Träger der Krankheit einlassen!) Geben Sie sich unter Berücksichtigung aller dieser Aspekte einen intuitiven Punktwert hinsichtlich Ihres gegenwärtigen Risikos einer sexuell verursachten Aids-Ansteckung (0 = kein Risiko, 100 = höchstes Risiko). Seien Sie sich selbst gegenüber so ehrlich wie möglich. Sie werden die besten Entscheidungen fällen, wenn Sie Ihr eigenes Verhalten ungeschminkt in den Blick bekommen. Fragebogen 1.

Die folgenden sexuellen Aktivitäten praktiziere ich:

348

Vorbeugung

2.

Die folgenden sexuellen Aktivitäten gefallen mir am besten:

3.

Die folgenden sexuellen Aktivitäten kommen bei mir am häufigsten vor:

4.

Die folgenden sexuellen Aktivitäten möchte ich gerne beibehalten:

5.

Mit den folgenden sexuellen Aktivitäten habe ich aufgehört:

Aids-Gesundheitsprojekt 6.

Folgende Veränderungen würde ich gerne vornehmen: Das würde ich gerne mehr machen Dies weniger

7.

Zufriedenheit mit dem derzeitigen Ausmaß sexueller Aktivität: sehr befriedigt befriedigt ein bißchen unbefriedigt sehr unbefriedigt wenn ein bißchen/ sehr unbefriedigt: hätte gerne mehr Aktivität hätte gerne weniger Aktivität

8.

9.

Zufriedenheit mit den derzeitigen Sexualpartnern (Anzahl der Partner, Grad des Vergnügens am Sex mit ihnen, Grad der Befriedigung usw.) sehr befriedigt befriedigt ein bißchen unbefriedigt sehr unbefriedigt Folgende Veränderungen würde ich mir wünschen:

Meine gegenwärtige Einstellung und meine Gefühle gegenüber meinen Sexualpraktiken: ich fühle mich sehr gesund, befriedigt und positiv ich fühle mich in Ordnung ich habe das Gefühl, einige Schwierigkeiten zu haben (Schwierigkeiten mit Veränderungen oder Gefühle von Trauer, Wut, Ratlosigkeit, Unzufriedenheit usw.) ich habe das Gefühl, eine Menge Schwierigkeiten zu haben

349

• • • • • •

• • • •

• •

• •

350

Vorbeugung

10. Geschichte sexuell übertragener Krankheiten Welche: Wie oft:

Datum:

Aids-Gesundheitsprojekt

351

Depressions-Fragebogen Nachstehend finden Sie eine Liste von Gefühlen und Verhaltensweisen, die auf Sie zutreffen könnten. Kreuzen Sie bitte neben jeder Aussage an, inwieweit Sie sich in der beschriebenen Weise innerhalb der letzten Woche gefühlt haben. 0 = Dies kreuzen Sie an, wenn es selten oder überhaupt nicht vorkam (weniger als ein Tag) 1 = Dies kreuzen Sie an, wenn es wenige Male vorkam (ein bis zwei Tage) 2 = Dies kreuzen Sie an, wenn es gelegentlich oder in mäßigem Ausmaß vorkam (drei bis vier Tage) 3 = Dies kreuzen Sie an, wenn es meistens oder immer so war (fünf bis sieben Tage) 1.

2. 3.

4.

5.

6. 7. 8.

war ich über Dinge besorgt, über die ich gewöhnlich nicht besorgt bin, hatte ich keine Lust zum Essen, hatte wenig Appetit, hatte ich das Gefühl, die trüben Gedanken nicht verscheuchen zu können, auch nicht mit Hilfe meiner Familie und meiner Freunde, hatte ich das Gefühl, genauso viel wert zu sein wie andere Menschen, hatte ich Mühe, mit den Gedanken bei dem zu bleiben, was ich gerade machte, fühlte ich mich deprimiert, kam mir alles, was ich tat, wie eine Last vor, sah ich hoffnungsvoll in die Zukunft,

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Vorbeugung

Weniger als ein Tag In der vergangenen Woche 9. dachte ich, mein Leben sei verpfuscht, 10. war ich voller Furcht, 11. war mein Schlaf nicht erholsam 12. war ich glücklich, 13. sprach ich weniger als gewöhnlich, 14. fühlte ich mich allein, 15. waren die Leute unfreundlich, 16. machte mir das Leben Spaß, 17. hatte ich Weinkrämpfe, 18. war ich traurig, 19. spürte ich, daß die Leute mich nicht mochten, 20. kam ich nicht in Gang.

Ein oder zwei Tage

Drei bis vier Tage

Fünf bis sieben Tage

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3 3

Das „Stop Aids"-Projekt Der Versuch, die Aids-Epidemie durch eine allgemeine Änderung des Sexual Verhaltens aufzuhalten, ist sehr kühn, um nicht zu sagen, vermessen. Es gibt ernstzunehmende Leute, die schon die bloße Möglichkeit bezweifeln, und andere, die so viele Hindernisse und Schwierigkeiten sehen, daß alle Anstrengungen in dieser Richtung auf jeden Fall praktisch zum Scheitern verurteilt sind. Solche Einwände sind durchaus nicht billig oder töricht. Sie mögen sich generell und auf lange Sicht - wenigstens zum Teil - sogar als realistisch erweisen. Dennoch wäre es falsch, heute auf die Zweifler zu hören. Wir befinden uns in einer konkreten Notsituation zusammen mit ganz bestimmten Menschen, die wir kennen oder kennenlernen können und die vielleicht auf die eine oder andere Weise zu ihrem eigenen und unser aller Besten beeinflußbar sind. Ein gewisses Maß an Zuversicht scheint also mindestens ebenso berechtigt wie die bekannte Skepsis. Wie dem aber auch sei, wir haben auf jeden Fall die Verpflichtung, den Versuch der Vorbeugung zu machen, d.h. alles zu tun, was wir können, um uns selbst und unsere Mitmenschen vor Infektion zu schützen. Die Idee des sexuellen Selbstschutzes kann durch sehr verschiedene Strategien und unter Benutzung sehr verschiedener Medien propagiert werden - vom Faltblatt bis zum Plakat, vom öffentlichen Vortrag bis zum Gespräch unter vier Augen, von der Zeitungsreportage bis zur Fernsehreklame. Bei alledem sollte ein Aufklärer aber ein wichtiges Prinzip nicht vergessen, das da heißt: „Warte nicht, bis die Leute zu Dir kommen und Dich fragen, sondern geh hinaus zu ihnen! Suche sie da auf, wo sie sind - auf der Straße, im Büro, in der Fabrik, auf dem Sportplatz, im Kino, zuhause - und sprich sie direkt persönlich a n ! " Dieses Prinzip liegt auch dem „Stop Aids"-Projekt zugrunde, das auf alle erdenkliche Weise Kontakt zu infektionsgefährdeten Menschen sucht, um sie in kleine, private Gesprächszirkel hineinzuziehen. Dort können dann alle Fragen, Probleme, Ängste, Hemmungen und Bedenken ausführlich besprochen werden. Das Projekt hat seit seiner Gründung Anfang 1985 Tausende von Interessierten gefunden und durch sein Programm geführt. Die einzelnen Treffen, zumeist in der Wohnung eines Teilnehmers, sind klar strukturiert. Sie laufen aber in einer so informellen, freundlichen Atmosphäre ab, daß wirklich alle Anwesenden zu Wort kommen und ihre innersten Gedanken und Gefühle aussprechen können. Dadurch entsteht eine sehr machtvolle Gruppendynamik, eine Solidarität, die neue Entschlüsse zur Verhaltensänderung wirksam stützt. Außerdem bieten die Treffen natürlich auch eine vielen willkommene Gelegenheit, Partner kennenzulernen, die (schon durch ihr bloßes Erscheinen) demonstrieren, daß sie an „Safer Sex" interessiert sind. Es ist unvernünftig zu erwarten, daß Einzelne für sich allein durch einsame Ent-

354

Vorbeugung

schlüsse im stillen Kämmerlein ihr Sexualverhalten ändern. Sie werden, ja sie können das erst dann erfolgreich tun, wenn sie deshalb von potentiellen Partnern nicht mehr beargwöhnt, belächelt oder gar abgewiesen werden. Es ist also zumindest immer eine Zweierbeziehung im Spiel. Manchmal entscheidet aber auch der Bewußtseinsstand einer ganzen Gruppe, etwa bei jugendlichen „Cliquen", unter ,,Fixern", in Bordellen oder Sex-Klubs oder im sexuellen Untergrund. In San Francisco hat man aus dieser Einsicht heraus von vornherein verschiedene „Safer Sex"-Seminare „vor Ort" in verschiedenen Milieus veranstaltet, etwa in „Herrensaunen" oder Sadomasochistenklubs. Diese Seminare erfordern eigentlich eine eigene Darstellung. Das hier näher beschriebene „Stop Aids"-Projekt ist aber sicher eines der erfolgreichsten Vorbeugungsprogramme. Seine ohne weiteren Kommentar übersetzten Dokumente erklären sich selbst. Zum Schluß noch eine Bemerkung zu den Ausdrücken „Safe Sex" und „Safer Sex". In San Francisco werden mittlerweile ohne große Unterscheidung beide gebraucht. Einige Leute ziehen „Safer Sex" vor, weil „Safe" eine nicht wirklich vorhandene Sicherheit vortäusche. Es sei besser, den Begriff zu relativieren. Im Grunde ist dieser Streit aber müßig, denn die Leitlinien, auf die es ankommt, bieten (und boten schon immer) eine ausreichende Differenzierung.

Aids-Vorbeugung und ,, Schwulenpolitik ' '

Unsere Bevölkerungsgruppe hat inzwischen wenigstens vier Jahre Erfahrung mit der Aids-Epidemie. In San Francisco konnten wir von einer mehr als zweijährigen Erfahrung mit hinreichend ausgestatteter Aids-Vorbeugung und Erziehungsprogrammen profitieren. Wir können uns jetzt ein erheblich klareres Bild von Aids und seiner Prognose unter schwulen Männern in Amerika machen.

Es kann sein, daß wir den Kampf gegen Aids verlieren. Man vergegenwärtige sich das folgende, durchaus nicht unrealistische Szenario:

— Anfang 1987 waren in den Vereinigten Staaten fast 30.000 Aids-Fälle unter schwulen und bisexuellen Männern bekannt, und es gibt nichts, was man dagegen tun könnte. Für diese Männer kommt jede Vorbeugung zu spät, und eine Heilmethode, wenn es sie je geben sollte, liegt in viel zu weiter Ferne. — Ende 1987 könnten es gut und gerne über 40.000 Aids-Fälle unter schwulen und bisexuellen Männern in den USA geben, und auch hier dürfte wohl nur wenig zu machen sein. Angesichts der langen Inkubationszeit dieser Krankheit, dürfte eine Prävention für viele dieser Männer zu spät kommen, und es ist höchst unwahrscheinlich, daß geeignete Behandlungsverfahren für die meisten von ihnen rechtzeitig auftauchen werden. Vorbeugung kann aber dafür sorgen, daß die Zahl der Kranken nicht allzu sehr über diese Prognose hinausgeht. — Ende 1988 könnten wir leicht auf 80.000 Aids-Fälle unter schwulen und bisexuellen Männern in Amerika kommen, wenn diese - und sei es auch in stark verringertem Maße - mit risikoreichen Sexualpraktiken fortfahren. — Zusätzlich bleibt auch in lesbischen wie in schwulen Kreisen der Drogenkonsum mit Spritzen ein Problem. Gemeinsame Benutzung von intravenösen Nadeln ist einer der Übertragungswege von Aids. — In größeren Städten wie San Francisco sind an die fünfzig Prozent aller schwulen Männer bereits mit dem Aids-Virus infiziert. Die Gefahr, daß sie auch noch die verbleibenden fünfzig Prozent infizieren, wächst von Tag zu The Stop Aids Project, San Francisco, „Aids Prevention and The National Lesbian/ Gay Political Agenda", ausgearbeitet für die „National Conference of Elected and Appointed Lesbian & Gay Officials November 1985"

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Tag. Auch seltene Kontakte mit risikoreichen Sexualpraktiken sind nun gefährlich. Es wäre ein fahrlässiger Optimismus, innerhalb der nächsten drei Jahre die Entwicklung einer allgemein wirksamen Behandlung für Aids zu erwarten; selbst wenn die Forschung hinreichend gefördert würde. Inzwischen können wir in unserer eigenen Bevölkerungsgruppe Tausende von weiteren Menschen mit Aids anstecken, es sei denn, die Aids-Prävention wird schnell nationale Realität. Wegen der Verdoppelung der Krankheitsfälle etwa alle zwölf Monate wird der soziale, politische und ökonomische Schaden für unsere Bevölkerungsgruppe während der nächsten zwei bis vier Jahre verheerend sein. Auch wenn die Wachstumsrate verringert werden könnte, etwa auf eine Verdoppelung alle fünfzehn oder gar achtzehn Monate, so wären die Zahl der Kranken und die sich daraus ergeben Folgen trotzdem katastrophal, und der Zeitraum bliebe immer noch sehr kurz. Forschung ist ein deprimierend langsamer Prozeß, Aids eine Krankheit, mit der zurechtzukommen besonders schwierig ist. Zweierlei muß bei der Behandlung erreicht werden: Erstens muß das Retrovirus, das Aids hervorruft, vernichtet werden; das ist innerhalb des menschlichen Körpers noch nicht gelungen; zweitens muß das geschädigte Immunsystem wiederhergestellt werden, wobei der Körper vorsichtig angeregt werden muß, die zerstörten Lymphozyten zu ersetzen. Ebenso wie wir nach jahrzehntelanger Forschung immer noch kein Mittel gegen Krebs haben, ist womöglich über viele Jahre keine echte Heilmethode für Aids in Sicht. Alles, was wir haben, ist Vorbeugung. Wie wird es mit den für Aids-Kranke verfügbaren Mitteln aussehen, wenn die Zunahme sich verdoppelt, verdreifacht oder gar vervierfacht? Was müssen wir, angesichts der sich bereits jetzt anbahnenden Reaktionen gegen unsere Bevölkerungsgruppe, gewärtigen, falls die Zunahme 50.000, 80.000 oder 100.000 Fälle erreicht? Ganz zu schweigen von dem, was passiert, wenn die Zahl ihre theoretisch mögliche Höhe erreicht. Was können wir an öffentlichen und politischen Reaktionen erwarten, wenn Schwule fortfahren, das Virus in unseren eigenen Reihen auszubreiten, wo wir doch seit wenigstens zwei Jahren wissen, wie die Ausbreitung von Aids gestoppt werden kann? Wie verkümmert wird die Fähigkeit unserer Bevölkerungsgruppe sein, politisch zu reagieren, wenn Zehntausende von Schwulen dieses tragische persönliche Schicksal bewältigen müssen? Was wird mit unseren ökonomischen Einrichtungen passieren? Welche Folgen werden sich aus der Aids-Epidemie für die Bemühungen der Lesben um Bürgerrechte in den Bereichen Diskriminierung im Beruf und Sorgerecht für die Kinder ergeben? Kann es im Programm der schwul-lesbischen Bürgerrechtsbewegung in Amerika etwas geben, das eine größere Dringlichkeit besäße - das eine

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größere Chance bedeutete - als die Förderung der Aids-Prävention in unseren eigenen Reihen? Für Schwule heißt Vorbeugung nicht mehr nur: Reduktion der Partner gleich Reduktion des Risikos. Die Zahl der infizierten Schwulen ist derart angewachsen, daß Prävention nun die völlige Beseitigung risikoreicher Sexualpraktiken während der gesamten Dauer der Epidemie bedeutet. Die Beendigung von Analverkehr bzw. die schlichte Verwendung von Kondomen beim Analverkehr könnte schon für sich genommen die Anzahl der zukünftigen Fälle enorm verringern. Aids-Prävention ist also vergleichsweise einfach. Und sie kann auch sehr wirksam sein. Wir haben in San Francisco die Erfahrung gemacht, daß eine hinreichend große Zahl von Männern vor genügend langer Zeit mit risikoreichen Sexualpraktiken Schluß gemacht hat, um eine Verminderung der Erkrankungen bewirken zu können. Auch das Niveau der Neuerkrankungen ist seit fast einem Jahr stabil. Wir halten dieses Ergebnis nicht für optimal, aber es zeigt, daß der Erfolg der Prävention direkt proportional zu der Anzahl der Männer ist, die an ihr teilnehmen. Der Kampf um die Eindämmung der Aids-Epidemie entscheidet sich an zwei Fronten: Zum einen geht es um die Mittel, die nur die Regierung besitzt und die nur sie zur Verfügung stellen kann: Förderung der Forschung, Förderung von Vorbeugungsprogrammen, medizinische Versorgung der Kranken, Schutz der Bürgerrechte. Unsere Politik muß bleiben, auf der Erfüllung dieser Forderungen zu beharren. Zum anderen jedoch geht es um die Mittel, die ausschließlich wir selbst bereitstellen können. Nur wir können aufhören, einander durch risikoreiche Sexualpraktiken oder gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln anzustecken. Niemand kann uns das abnehmen. Nur wir können Schluß mit risikoreichen Sexualpraktiken machen und, indem wir dies tun, diese Epidemie beenden. Eine wesentliche Aufgabe unserer politischen Führer bleibt der Druck auf die Regierung, damit sie das tut, was in ihrer Macht steht. Aber diese Bemühungen, so wichtig sie auch sind, greifen letztlich zu kurz, wenn wir die andere Seite der Medaille vernachlässigen - unsere eigene Fähigkeit, das Anwachsen der Zahl der AidsKranken zu stoppen, solange eine medizinische Lösung noch entwickelt wird. Wenn auch finanziell gut ausgestattete Aufklärungsprogramme wesentlicher Bestandteil aller Präventionsbemühungen sind, so sind sie für sich genommen nach unserer Erfahrung in San Francisco nicht ausreichend. Massenkampagnen mit Anzeigen, Flugblättern, Stelltafeln usw. haben für sich genommen noch keinem politischen Kandidaten zur Wahl verholfen oder die Wahlbeteiligung erhöht. Aufklärungs-Kampagnen in den Massenmedien, so brillant sie auch waren, haben nicht den Vietnamkrieg beendet oder der Schwulenbewegung ihre wichtigen Siege beschert. Wenn man gesellschaftlich etwas verändern will, dann muß man immer Basisarbeit leisten, in der direkten Kontaktaufnahme ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Aufklärung der Menschen kann das dann vorzüglich ergänzen. Wenn wir Erfolg bei der Aids-Prävention haben wollen, dann müssen wir sie zu

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Vorbeugung

unserer ureigenen Sache machen. Es ist unerläßlich, die Hilfe und Teilnahme von Hunderten, ja Tausenden, schließlich Zehntausenden von Schwulen und Lesben für die Sache der Aids-Vorbeugung zu gewinnen. Um das zu erreichen, brauchen wir die aktive Unterstützung derjenigen unter uns, die am besten wissen, wie man die Leute für eine Sache motiviert: die politischen Führer der Schwulen- und Lesbenbewegung. Aids-Prävention ist der einzige Weg, um sicherzustellen, daß nicht weitere Schwule und Lesben mit der tödlichen Krankheit infiziert werden. Wenn es gelänge, ihre zusätzliche Ausbreitung zu stoppen, dann könnten wir alle unsere Kräfte darauf konzentrieren, die Bürgerrechte zu schützen und eine optimale Behandlung für die Kranken durchzusetzen. Von der konservativen republikanischen Regierung können wir da nicht viel Vorantreibendes erwarten. Und auch unsere heterosexuellen Verbündeten in den Parlamenten der einzelnen Staaten und Städte werden nicht in der Lage sein, uns beizustehen. Die vorantreibende Kraft müssen allein wir selber sein. Du kannst Deinen Einfluß in der Szene auf vielfältige Weise geltend machen: — Sorge dafür, daß Du immer bestens über die Epidemie informiert bist und nutze Deine Position in der Schwulen- und Lesbenbewegung, um auch andere zu informieren. — Beziehe, solange die Epidemie andauert, klar Stellung gegen risikoreiche Sexualpraktiken und gemeinsamen Gebrauch von Injektionsnadeln. Unterstütze andere, die den gleichen entschlossenen Standpunkt einnehmen. — Arbeite daran mit, daß in Deinem Staat und Deiner Gemeinde wirkungsvolle und hinreichend finanziell ausgestattete Programme zur Aids-Vorbeugung abgewickelt werden. Mach den Politikern klar, daß es mehr Geld kostet, für eine Handvoll Aids-Patienten zu sorgen als ein gemeindenahes Vorbeugungsprogramm zu finanzieren. — Beteilige dich aktiv an der Entwicklung von Vorbeugungs-Programmen. Es gibt keine Experten für Aids-Vorbeugung. Du verstehst mehr davon, wie man Schwule und Lesben anspricht und motiviert, als irgendein Profi in Sachen Gesundheitsaufklärung und Krankheits-Prävention mit entsprechenden Zertifikaten. — Beharre auf dieser Botschaft: Wir haben die Macht, die Epidemie zu beenden, jetzt und aus eigener Kraft, noch ehe es eine medizinische Lösung gibt. — Beharre darauf, daß Aids-Vorbeugungsprogramme umfassende Kampagnen für gesellschaftliche Veränderungen werden und nicht in bloß passiver Informationsverbreitung stecken bleiben. Plakate, Handzettel und Werbung in den Massenmedien sind nicht genug. Aids-Vorbeugung muß auch - genauso wie politische Kampagnen - eine zwischenmenschliche Komponente haben. Es muß Freiwillige geben, die an der Basis arbeiten. Bei ihrer Arbeit geht es darum, Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, Bewußtsein zu entwickeln und dem Einzelnen Überzeugungskraft zu vermitteln. Wenn wir et-

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was erreichen wollen, dann müssen wir uns für Motivation ebenso einsetzen wie für Information. — Vergegenwärtige Dir, daß die Vorbeugungs-Programme auch jenseits der eigentlichen Aids-Prävention von Nutzem sind. Denn sie ermuntern die Menschen, Hoffnung zu schöpfen. Vorbeugungs-Programme regen sie an, sich aktiv zu betätigen. Für viele ist das das erste Mal in ihrem Leben. Und sie geben unserer Gemeinschaft die Kraft, zu einer Zeit, in der unsere Zukunft bedroht ist, engeren Zusammenhalt zu gewinnen. — Nutze das „Stop Aids"-Projekt als Modell, das man auf die jeweiligen örtlichen Bedürfnisse anpassen kann.

Über das „Stop Aids"-Projekt Das „Stop Aids"-Projekt begann Anfang 1985, Programme vornehmlich für Schwule und Lesben zu entwickeln. Das Ziel dabei war, die weitere Ausbreitung von Aids in unserer Bevölkerungsgruppe zu unterbrechen. Das „Stop Aids"-Projekt arbeitet eng mit der San Francisco Aids Foundation zusammen und ist ein Teil des Gesamtsystems von Einrichtungen zur Aids-Vorbeugung, die vom Gesundheitsamt San Francisco finanziell gefördert werden.

Aufbau des "Stop Aids "-Programms Die Geschichte des „Stop Aids"-Projekts Im Jahre 1984 vereinbarte die vom Gesundheitsamt San Francisco geförderte San Francisco Aids Foundation mit der Research & Decision Corporation eine Erhebung über schwule und bisexuelle Männer in der Stadt. Die Foundation wollte sich Klarheit darüber verschaffen, was diese Männer über Aids wußten, welches ihre Sorgen auf persönlicher Ebene und als Mitglieder einer bestimmten Bevölkerungsgruppe sind und ob und wenn ja welche Wirkungen Aids auf ihr Sexualverhalten habe. Diese Informationen sollten der Foundation dazu dienen, zukünftige Aufklärungsund Vorbeugungsprogramme in der gesamten Bevölkerung zu planen. Die Research & Decision Corporation führte daraufhin eine Reihe von Experimentalgruppen durch, um die gewünschten Informationen zu gewinnen. Kleine Gruppen von schwulen und bisexuellen Männern wurden zu einer Serie von Gruppengesprächen zusammengeholt. Alle diese Männer waren sexuell aktiv und konnten als Risikopersonen gelten. Die Rückmeldung der Gruppenmitglieder sowie spätere Nach-Interviews machten deutlich, daß die Teilnahme an dem Gruppenprozeß einen Wert hat. Die meisten berichteten, daß sich ihr Verhalten aufgrund der Teilnahme verändert habe. Danach konnte man annehmen, daß die Dynamik in kleinen Gruppen ein geeignetes Mittel ist, mit hohem Risiko belastete Männer zur Beendigung der Aids-Übertragung anzuregen. Nach Abschluß der Untersuchung wurde das Modell der Experimentalgruppen insofern modifiziert, als nunmehr die Informationsbeschaffung nicht mehr ihr Hauptzweck sein sollte. Es wurde nun eine Struktur gewählt, die einen echten Dialog unter Schwulen und Bisexuellen über Aids-Vorbeugung und die damit zusammenhängenden Gesundheitsfragen in Gang setzen sollte. Das Ganze stellte man sich als eine Art ,.Kommunikationsexperiment'' vor. Das Konzept wurde im Dezember 1984 dem Gesundheitsamt von San Francisco vorgestellt. Daraufhin zahlte die Stadt einmalig 75.000 Dollar, mit denen ein Pilotprojekt für tausend Schwule und Bisexuelle durchgeführt werden konnte. Anfang Februar 1985 wurden Gruppenleiter ausgewählt und umfassend an der geplanten Struktur geschult. Das anfangs kleine Team von Mitarbeitern und Beratern rekrutierte nun Teilnehmer für die ersten Gruppensitzungen, die „Stop Aids"-Treffen genannt wurden. Mit Beginn der ersten Märzwoche 1985 wurden Gruppentreffen überall in der Stadt und fast jeden Tag abgehalten, Wochenenden eingeschlossen. Als Anfang Aus Arbeitspapieren des „Stop Aids"-Projekt, San Francisco 1986

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Juni das Pilotprojekt beendet war, hatten annähernd 950 Männer und Frauen an diesen „Stop Aids"-Treffen teilgenommen. Der Erfolg des Pilotprojektes als wichtiges Zusatzangebot zu den bereits bestehenden Programmen zur Aids-Prävention führte zur Gründung der gemeinnützigen Stop Aids Project, Inc. Zum 1. Juli 1985 wurde dann mit dem Gesundheitsamt San Francisco ein Vertrag geschlossen, der ,,Stop Aids"-Treffen für das gesamte Haushaltsjahr 1985/ 86 ermöglichte. Während dieser Zeit meldeten sich über 3.000 Menschen zu den „Stop Aids"Treffen. Zusätzlich wurden 7.000 durch Einladungsteams auf der Straße, durch Haus-zu-Haus-Werbekampagnen und das Rednerbüro des Projekts angesprochen. Alles in allem haben mehr als 10.000 Menschen eine direkte, im persönlichen Gespräch gegebene Information über Aids-Vorbeugung und über Mitwirkung an Möglichkeiten zur Beendigung der Epidemie erhalten. Das „Stop Aids"-Projekt ist der festen Überzeugung, daß es mit dem engagierten Einsatz seiner 350 ehrenamtlichen Helfer deutliche Verhaltensänderungen bei schwulen und bisexuellen Männern San Franciscos herbeiführen konnte. Als Zeichen für die Bedeutung des Beitrages des „Stop Aids"-Projektes mag dienen, daß es von der Gesundheitsbehörde des Staates Kalifornien für den National Secretary's Community Health Promotion Award (einen Preis für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung) benannt wurde. Das „Stop Aids"-Projekt ist damit eines von sechs Programmen, die in Kalifornien für den Preis nominiert wurden, und das einzige, das sich mit Aids befaßt. Außerdem wird das Projekt mit einer Verdiensturkunde der Behörde für Gesundheit und Soziales ausgezeichnet.

Organisatorischer Grundgedanke Zahlreiche Studien haben gezeigt, daß bloße Belehrung über die Risiken für sich genommen nicht ausreicht, um Verhaltensänderung zu bewirken. Wenn es jedoch gelingt, einen Wandel der Gruppennormen zu erzielen, dann kann man eine positive Veränderung des Verhaltens schaffen. Die Aids-Epidemie hat die bedeutendsten Änderungen des schwulen Lebensstils seit Gründung der modernen Schwulenbewegung 1969 ausgelöst. Wir leben in einer Zeit großer Furcht und Sorge. Für viele ist es sogar eine Zeit tiefer Qual, eine Zeit intensiver Zweifel und rigorosen Infragestellens persönlicher Wertesyteme und Einstellungen. Für viele Männer ist die gegenwärtige Krise Anlaß, bestimmte Aspekte des schwulen Lebensstils, zum Beispiel den Drogenmißbrauch, den problematischen Umgang mit Intimität und Liebesbeziehungen sowie die damit zusammenhängenden Gesundheitsfragen kritisch zu hinterfragen. Wenn man die Aids-Vorbeugung mit solchen allgemeineren Änderungen des Lebensstils verbindet, dann hat man die beste Chan-

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ce, die Aufmerksamkeit und Vorstellungskraft unserer Bevölkerungsgruppe anzusprechen. Wir müssen die Diskussion über diese Veränderungen ermutigen, Basisarbeit leisten, um bei Risikopersonen in Stadt und Bezirk San Francisco persönliches Verantwortungsgefühl für die Aids-Vorbeugung zu wecken. Wenn uns das gelingt, dann werden nicht nur Hunderttausende von guten Ideen und Projekten entstehen, ebenso werden auch die, die mitmachen, selbst dazu angeregt, ihr eigenes Verhalten zu ändern. Die herrschenden Gruppennormen können dann verändert und das stark risikoträchtige Verhalten kann zurückgedrängt werden. Zweck dieses gemeindenahen Projektes zur Aids-Vorbeugung ist es, die Rahmenbedingungen für eine Beendigung der Aids-Übertragung zu schaffen, indem schwule und bisexuelle Männer und andere Risikopersonen unterstützt werden, von hoch risikoträchtigem Sexualverhalten auf wenig risikoträchtige Formen des Sexuallebens umzusteigen. Diese Unterstützung muß unter zwei Voraussetzungen geleistet werden: auf der Basis eines positiven Verhältnisses zur Sexualität im allgemeinen und zur Homosexualität im besonderen. Gruppennormen zu verändern ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Aids-Vorbeugungsstrategie. Wenn die vor der Epidemie herrschenden Normen, die anonymen Sex mit vielen Partner gutheißen, von einer hinreichend großen Zahl von Schwulen und Bisexuellen hinterfragt werden, dann wird es einen Fortschritt geben. Dieser Vorgang des Hinterfragens ist bereits eingeleitet. Unsere Herausforderung besteht darin, mehr Menschen in diesen Dialog mit einzubeziehen. Aufgrund unserer in den vergangenen achtzehn Monaten gesammelten Erfahrung kommen wir zu zwei Schlüssen: Erstens wirkt sich die Aids-Epidemie auf immer mehr Menschen aus, und je tiefer wir in die Bevölkerungsgruppe eindringen, desto mehr wachsen die Schwierigkeiten, einzelne Männer zur Teilnahme an einer unserer Gruppensitzungen zu ermuntern, und desto mehr wachsen auch die Kosten. Von den Männern, die persönlich auf eine Teilnahme an einem „Stop Aids"Treffen angesprochen wurden, war etwa die Hälfte bereit, sich einer konkreten Gruppe zuweisen zu lassen. Und von denen, die ihre Zustimmung zur Teilnahme an einer bestimmten Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt gaben, erschien wiederum nur die Hälfte. Nach unserer Erfahrung hat die Ausfallquote im Laufe der Zeit stetig in dem Maße zugenommen, wie wir mehr und mehr an die Männer herantraten, die es zunehmend ablehnen, über die Epidemie überhaupt zu diskutieren. Deshalb müssen wir, um schließlich 3.500 Menschen für die Teilnahme an einer kompletten Gesprächsreihe zu gewinnen, 7.000 rekrutieren und den Gruppen zuweisen und dafür wiederum 14.000 persönlich ansprechen. Der Umgang mit einer solchen Anzahl von Menschen ist immens personalintensiv und erfordert zusätzliche Mitarbeiter. Zweitens haben sich andererseits seit dem ersten „Stop Aids"-Treffen im Februar 1985 die Sexualnormen unserer Bevölkerungsgruppe deutlich verändert. „Safer Sex" hat sich unter den schwulen und bisexuellen Männern von San Francisco zunehmend als Norm durchgesetzt. Diese Veränderung wurde durch Teilnahme an „Stop Aids"-Treffen beschleunigt.

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Das „Stop Aids"-Projekt war nicht gedacht als ein Weg, um das individuelle Verhalten jedes einzelnen Schwulen oder Bisexuellen in San Francisco zu verändern, sondern um auf Gruppenebene die gesellschaftliche Grundeinstellung hinsichtlich Akzeptanz oder Nichtakzeptanz von „Safer Sex" zu verändern. Nach unserer Ansicht wird die Aufgabe des hier entwickelten und angewandten Modells der Aufklärung innerhalb des nächsten Jahres erfüllt sein. Obwohl die Aufklärung über Aids in verschiedenen Formen fortgesetzt werden muß, bis die Epidemie gebannt ist, können wir doch befriedigt feststellen, daß der Zweck unseres Aufklärungsmodells im Juni 1987 voll erreicht sein wird und deshalb danach nicht fortgesetzt werden muß. Damit dieses Modell funktioniert, müssen keineswegs alle Schwulen und Bisexuellen - oder auch nur eine Mehrheit von ihnen - an einer der Gruppen teilnehmen. Im Sommer 1987 werden etwa 10 Prozent der schwul/ bisexuellen männlichen Bevölkerung der Stadt vier Stunden in einer unserer Gruppensitzungen verbracht haben. Und das markiert genau die „kritische Masse", die nötig ist, um die Veränderungen zu ermöglichen, die dieses Projekt sich zum Ziel gesetzt hat.

Aufbau des Programms Das Problem und was getan werden muß Bemühungen zur Aids-Vorbeugung konzentrierten sich anfangs auf die Verbreitung von Informationen über mögliche Risikominderung. Doch muß darüber hinaus beim Einzelnen eine Motivation dafür geschaffen werden, die risikomindernden Praktiken auch tatsächlich zu übernehmen. Eine Veränderung der Gruppennormen über das, was verantwortliches Sexualverhalten während der Epidemie ausmacht, ist ein stark motivierender Faktor. Das belegen neueste Untersuchungen der Research & Decision Corporation und anderer Forscher. Um diesen Wandel in Gang zu setzen bedarf es ganz persönlicher Kommunikationswege. Aufklärung, die über die Massenmedien läuft, reicht da alleine nicht aus. Das „Stop Aids"-Projekt wird dieser Notwendigkeit gerecht, indem es die wesentliche zwischenmenschliche Komponente in die Vorbeugung-Kampagne einbringt. Die „Stop Aids"-Treffen und andere Aktivitäten des Projekts geben den einzelnen Risikopersonen die Gelegenheit, * ihre Gedanken und Gefühle in Sachen Aids und die Auswirkung der Epidemie auf ihre Lebensführung zu klären, * von anderen zu lernen, wie sie sich auf die Epidemie eingestellt haben, und ihre eigenen Erfahrungen wiederum diesen anderen zur Verfügung zu stellen, * zu begreifen, wie das Aids-Virus übertragen wird, * sich mit anderen über ihre Gefühle und Sorgen hinsichtlich risikoreicher Sexualpraktiken und „Safer Sex" auszutauschen,

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festzustellen, welche Änderungen sich im schwulen Lebensstil ergeben haben - Änderungen der Sexualpraktiken , Änderungen im Gebrauch von Drogen und Alkohol, Änderungen im Umgang mit Beziehungen und Änderungen in anderen Lebensbereichen, * sich über Aktivitäten zur Aids-Prävention und über Möglichkeiten, daran teilzunehmen, zu informieren, * ihre Ansichten über Aids-Vorbeugung in unserer Bevölkerungsgruppe darzulegen, * weitere Sorgen vorzutragen, die an die San Francisco Aids Foundation oder entsprechende andere staatliche oder kommunale Einrichtungen weitergeleitet werden sollten. Die Ergebnisse einer Teilnahme an den „Stop Aids"-Sitzungen sind folgende: 1. Teilnehmer gewinnen eine größere Klarheit über die eigene Verantwortlichkeit für ein Ende der Epidemie. 2. Sie merken, daß „Safe Sex" zu einer Verhaltensnorm in unserer Bevölkerungsgruppe geworden ist und daß „Safe Sex" eine breite Unterstützung findet. 3. Viele Männer verpflichten sich, das Virus nicht durch risikoreiche Sexualpraktiken zu verbreiten. 4. Viele sind bereit, sich als ehrenamtliche Helfer dem „Stop Aids"-Projekt, dem Shanti-Projekt oder anderen Aids-Gruppen anzuschließen. Personelle Besetzung Das Team des „Stop Aids"-Projektes besteht aus vier bezahlten Angestellten, einem Geschäftsführer, einem Mitarbeiter, der für die Außenarbeit in der Zielgruppe zuständig ist, einem Mitarbeiter für Terminplanung und Verwaltung und einem, der die Gewinnung und Ausbildung von ehrenamtlichen Helfern organisiert. Das Projekt wird außerdem unterstützt von einem Berater für Gesundheitserziehung, der für das Projekt das Programm und seine Abwicklung entwirft. Das „Stop Aids"-Projekt organisiert in Basisarbeit die schwule und bisexuelle Gemeinschaft mit dem Ziel, die Übertragung des Aids-Virus zu beenden. Weil es wichtig ist, vielfältige Gelegenheiten zur Teilnahme an vorbeugenden Maßnahmen anzubieten, wurde ein umfangreiches Programm ehrenamtlicher Mitarbeit zu einem wesentlichen Bestandteil der täglichen Projektarbeit gemacht. Eine Gruppe von zwölf ehrenamtlichen Helfern ist an der Arbeit des „Stop Aids"-Projekts in all seinen Aspekten beteiligt, z.B. an den Einladungsteams, die auf den Straßen tätig sind, in den Gremien, die Geld heranschaffen, in den Gruppen, die Büroarbeit und Telefonberatung machen, sowie in anderen vom Kernteam entwickelten Arbeitsgruppen. Auch die Gruppenleiter, die die „Stop Aids"-Treffen und andere spezielle Veranstaltungen durchführen, arbeiten als ehrenamtliche Helfer, bekommen aber im Haushaltsjahr 1986/ 87 eine monatliche Aufwandsentschädigung von 100 Dollar. Weitere ehrenamtliche Helfer arbeiten im Projekt an einer Vielzahl von Angeboten mit.

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Programm-Plan Das „Stop Aids"-Projekt arbeitet weiterhin nach dem Modell, das während des Pilotprojektes entwickelt worden ist. Kleine Gruppen mit je fünfzehn Teilnehmern treffen sich unter Anleitung eines entsprechend ausgebildeten Gruppenleiters. Die Treffen sind informell und finden in der Wohnung eines der Mitglieder statt. Dort werden die persönlichen Probleme diskutiert, die in Bezug auf Aids und allgemeine Gesundheitsfragen auftauchen, und auch solche, die in diesem Zusammenhang die Beziehungen untereinander und die Gruppe der Schwulen betreffen. „Stop Aids"-Gruppentreffen werden während der Woche und auch an Wochenenden angeboten, damit möglichst viele kommen können. Gewinnung und Training der Gruppenleiter Entsprechend dem Konzept der Basisarbeit, das hinter dem Programm steht, wurden Gruppenleiter für das Pilotprojekt aus der gesamten Bevölkerungsgruppe ausgewählt. Sie repräsentieren eine nach Beruf und sozioökonomischem Hintergrund große Vielfalt. Von den elf Gruppenleitern, die ursprünglich angeworben worden waren, haben sich zehn bereit erklärt, „Stop Aids"-Gruppen während des nächsten Jahres weiter durchzuführen. Fünf neue Gruppenleiter werden zur Zeit ausgebildet. Weitere werden den Erfordernissen des kommenden Jahres entsprechend dazukommen. Potentielle Gruppenleiter werden vom Kernteam und Beratern begutachtet. Gruppenleitertraining findet nach Bedarf während des ganzen Jahres statt. Gewinnung und Anmeldung von Teilnehmern Die Anwerbung von Teilnehmern an den „Stop Aids"-Treffen fällt in die Verantwortlichkeit des Kernteams, das von Leuten, die in der Szene Einfluß haben, und anderen ehrenamtlichen Helfern unterstützt wird. Potentielle Gruppenmitglieder werden so erreicht: * Durch direkte Mobilisierung auf der Straße oder bei Straßenfesten und anderen besonderen Gelegenheiten. * Durch das Rednerbüro. Redner werden bei den Treffen ausgesuchter Organisationen der Risikogruppen eingesetzt. * Durch Werbung. In verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften, die die Zielgruppen erreichen, werden Anzeigen geschaltet. * Durch spezielle Projekte, die die Beteiligung von schwierig zu erreichenden Risikogruppen organisieren sollen, z.B. von schwulen und bisexuellen Männern, die Aids verleugnen, von Fixern und von Heterosexuellen mit häufig wechselnden oder hoch risikobehafteten Sexualpartnern. * Durch spezielle Projekte, die Meinungsführer in Schlüsselpositionen innerhalb der Risikogruppen erreichen und beteiligen sollen, wie etwa Ärzte, Schauspieler, Mitarbeiter der Massenmedien usw.

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Menschen auf der Straße anzusprechen und einzuladen, ist das Hauptmittel zur Gewinnung von Gruppenteilnehmern. Es gibt zwar auch Mundpropaganda, aber sie reicht nicht aus. Deshalb sind die Einladungsteams auf der Straße äußerst wichtig. Diese Teams werden aus den Reihen der früheren Teilnehmer an „Stop Aids"Gruppen angeworben und intensiv vom Kernteam geschult. Der durchschnittliche ehrenamtliche Helfer im Straßenteam verpflichtet sich zur einer dreimonatigen Mitarbeit. Somit rekrutiert und schult das Projekt fortlaufend ehrenamtliche Helfer für die Straßenteams. Pro Woche sind jederzeit zwei bis drei solcher Teams mit je sechs bis acht ehrenamtlichen Helfern unterwegs. Angeleitet werden alle diese StraßenAktivitäten von dem für Außenarbeit zuständigen Mitglied des Kernteams. Die Straßenteams bauen ihre Stände samstags und sonntags im Castro-Bezirk und, vorausgesetzt es sind genügend ehrenamtliche Helfer verfügbar, auch in der Polk- und der Haightstreet auf. Bei Regen fällt der Einsatz aus. Während eines Monats werden durch die Mitarbeiter der Straßenteams an die 1.200 Menschen auf eine Gruppenteilnahme hin angesprochen. Von diesen Gesprächpartnern unterzeichnen etwa 600 eine Bereitschaftserklärung. Von diesen wiederum sind rund 450 damit einverstanden, für eine bestimmte Gruppe eingeteilt zu werden, wenn man sie deshalb anruft. Tatsächlich nehmen dann etwa 250 bis 300 an den Gruppensitzungen teil. Nach dem sechsmonatigen Pilotprojekt hatten wir nicht erwartet, daß die Schwierigkeiten so groß sein würden. Infolgedessen war ein erheblich größerer Einsatz nötig als erwartet, um einen größeren Bestand an geschulten ehrenamtlichen Mitarbeitern für die Straßenteams zu unterhalten und um mehr Gruppenmitglieder zu gewinnen. Für jeden Kontakt, den das Straßenteam hergestellt hat, ist ein Nachfassen erforderlich. Diese Nachkontakte werden von ehrenamtlichen Mitarbeitern hergestellt, die jeden zukünftigen Gruppenteilnehmer anrufen und mit ihm Termin und Ort der Gruppensitzungen absprechen. Diese telefonische Terminplanung findet im Büro von montags bis samstags tagsüber und auch abends statt. Die Bemühungen um neue Teilnehmer werden von freiwilligen Helfern im Büro unterstützt. Diese bereiten die Bestätigungsschreiben nach der Terminvergabe vor und senden sie ab, halten Kontakt zu den Teilnehmern, sorgen dafür, daß sich Gastgeber für die Treffen zur Verfügung stellen, haken bei denen, die nicht erschienen sind, nach und übernehmen andere wichtige Aufgaben im Projekt. Im Wochendurchschnitt sind fünfzig freiwillige Helfer im Projekt tätig, davon achtzehn auf der Straße und der Rest im Büro. Diese Helfer konzentrieren sich allesamt auf die Gewinnung neuer Teilnehmer für die „Stop Aids"-Treffen. Kennzeichen und Bestandteile der Gruppendiskussionen Die Diskussionen in den „Stop Aids"-Gruppen basieren in den Grundzügen auf dem, was während der Pilotphase entwickelt wurde. Diese Grundzüge wurden jedoch korrigiert, um den Veränderungen, die sich in der vergangenen sechs Monaten

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in den Risikogruppen abgespielt haben, Rechnung zu tragen. Und sie werden während des kommenden Jahres nach Bedarf weiter revidiert werden. Weil die „Stop Aids"-Gruppen für die Teilnehmer eine auf 3-4 Stunden begrenzte einmalige Erfahrung darstellen, muß großer Wert auf die Behandlung vieler Einzelthemen gelegt werden, wobei auch noch möglichst alle Gesichtspunkte zur Sprache kommen sollen. Die Diskussion der „Safer Sex"-Regeln ist außerordentlich wichtig, und der Gruppenleiter muß sehr darauf achten, daß ein Schutzraum entsteht, in dem dieses Thema frei und in völliger Offenheit diskutiert werden kann. Ein gemeinsames Gespräch über das eigene Sexualverhalten und über die Bedeutung der „Safer Sex"Regeln für jeden Einzelnen ist ein integraler Bestandteil für das Verständnis dessen, daß man für die Weiterverbreitung des Virus selbst verantwortlich ist. Man sollte aber die Angelegenheit nicht nur auf persönlicher Ebene abhandeln, wertvoll ist es auch, die eigene Rolle (und wiederum Verantwortlichkeit) innerhalb der größeren Gruppe von Bezugspersonen zu bedenken. Die Teilnehmer müssen merken, daß ihr Leben in einem über ihre Person hinausgehenden Zusammenhang steht. Aids-Vorbeugung muß bei einem selbst beginnen, dann aber weitergehen auf die Ebene der Gemeinschaft. Die Aids-Vorbeugung und die Frage, wie die einzelnen darin einbezogen werden können, wird in jeder Gruppe ausgiebig besprochen. Im Verlauf des Gruppenprozesses gewinnen die Teilnehmer eine Entscheidungsfähigkeit für ihr Handeln: Dies kann ich unbedenklich tun, das ist ohne Furcht machbar und wenn ich jenes unterlasse, brauche ich die Hoffnung nicht zu verlieren. In dem Maße, in dem das persönliche Engagement bekräftigt wird und die eigenen Entscheidungen sich als gültig erweisen, steigt auch die Selbstachtung. Wenn die Männer merken, wieviel innere Kraft sie haben, dann wird auch ihr Einsatz für ein bewußtes Leben gestärkt. Wenn klar wird, daß es tatsächlich die Sachlage völlig ändert, wenn man sich so oder so entscheidet, und wenn weiter klar wird, daß dies auch nötig ist, dann wächst die Bereitschaft, die Veränderung zu seiner eigenen Sache zu machen.

Andere Maßnahmen zur Aids-Vorbeugung Zusätzlich zu den „Stop Aids"-Treffen bietet das Projekt eine Anzahl anderer Maßnahmen zur Aids-Prävention an: a. Straßenagitation: Die Straßenagitation besteht aus einem drei- bis fünfminütigen Gespräch über das „Stop Aids"-Projekt und über die Notwendigkeit, die Virusübertragung zu beenden. Dieses Gespräch findet üblicherweise auf der Straße oder bei großen öffentlichen Ereignissen statt. Hauptzweck ist zwar die Propagierung der „Stop Aids"-Treffen, aber es dient auch selbst der Aids-Vorbeugung. Da das Projekt vor allem die sozialen Normen innerhalb der Zielgruppe so ändern soll, daß die Absicht, die Vi-

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rusübertragung zu beenden, Allgemeingut wird, ist das Ansprechen der Menschen auf der Straße ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Gerade die Summe verschiedener Maßnahmen beschleunigt diesen Wandel der Normen. b. Rednerbüro: Das Kernteam und die ehrenamtlichen Helfer suchen nachdrücklich nach Gelegenheiten, bei denen unsere speziell geschulten Redner vor Organisationen der angepeilten Risikogruppen auftreten können. Das Ergebnis ist, daß Hunderte von Menschen zusätzlich mit unserer Kampagne konfrontiert werden. c. Organisierung von Meinungsführern, die Schlüsselpositionen innerhalb der Risikogruppen innehaben, zum Beispiel Ärzte, Schauspieler, Mitarbeiter der Massenmedien usw.: Ärzte, Therapeuten, Krankenpfleger und Sozialarbeiter haben an speziellen Veranstaltungen teilgenommen, die vom „Stop Aids"-Projekt ausgerichtet wurden, um sie zu verstärktem Einsatz in der Gesundheitserziehung während der Aids-Epidemie anzuregen. Außerdem wurde eine „Künstler für Stop Aids "-Organisation gegründet. Weitere Initiativen zur Gewinnung anderer Gruppen von Meinungsführern werden folgen. Anstrengungen in dieser Richtung sind entscheidend, wenn man das Ziel hat, Normen innerhalb einer Bevölkerungsgruppe zu ändern. Meinungsführer spielen eine zentrale Vermittlerrolle zwischen denen, die die Kommunikation suchen, und denen, die sie erreichen wollen. d. Gelegenheit zu ehrenamtlicher Mitarbeit im „Stop Aids"-Projekt: Wenn auch das Schwergewicht unserer Arbeit auf der Straßenagitation, dem Rednerbüro und anderen Organisierungs-Aktivitäten liegt, so gibt es doch unzählige Möglichkeiten, an der Arbeit des „Stop Aids"-Projektes teilzunehmen. Diese ehrenamtliche Mitarbeit muß selbst als Maßnahme zur AidsVorbeugung gesehen werden. Denn die Teilnahme am Projekt stärkt erheblich die Antriebskraft für gesundes Verhalten auf Seiten der Mitarbeiter. Sie trägt so auch zu ihrem Gewicht als Vorbilder für die Mitglieder ihres gesellschaftlichen Bezugssystems bei. Man könnte das „Stop Aids"-Projekt am besten als eine vielschichtige zwischenmenschliche Kommunikationskampagne charakterisieren. Es will Risikogruppen auf das Ziel hin organisieren, die Übertragung des Aids-Virus zu beenden. Die Hauptstrategie dieser Kampagne ist es, die herrschenden Normen des Sexualverhaltens zu verändern. Das Hauptaugenmerk gilt deshalb nicht den Einzelpersonen, sondern der Gruppe, genauer den verschiedenen Risikogruppen. Das Projekt unterscheidet sich insofern von traditionellen Maßnahmen der Gesundheitserziehung. Ja, man könnte es mit sehr viel Berechtigung eher als eine Bewegung für soziale Veränderungen denn als Aufklärungsunternehmen bezeichnen. Es gibt eindrucksvolle Belege für die Annahme, daß die meisten Teilnehmer an „Stop Aids"-Treffen nach Abschluß der Gesprächsreihe mit ihren Sexualpartnern, Freunden und Bekannten über die Kampagne gegen das Virus sprechen. Man darf nicht übersehen, daß es „Kreise zieht", wenn jemand an einem „Stop Aids"-Treffen oder einer anderen Aktivität des Projektes teilgenommen hat.

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Sammeln und Verbreiten von Informationen Aufgrund unserer täglichen Diskussionen mit Schwulen und Bisexuellen unterrichten wir regelmäßig die San Francisco Aids Foundation über Veränderungen, die sich in dieser Bevölkerungsgruppe durchgesetzt haben, über vorhandene Fehlinformationen zu Aids und die Notwendigkeit zusätzlicher Informationen und über Strategien, mit denen man nach unserem Eindruck Verhaltensänderungen bewirken kann. Diese Informationen erlauben es der Foundation, kontinuierlich ihre Aufklärungskampagnen zu aktualisieren. Im Haushaltsjahr 1985/ 86 wurden auf dieser Grundlage durch die Foundation eine ganze Anzahl von Beilagen für die schwule Presse entwickelt. „Stop Aids"-Treffen wirkten so als eine Art Dauer-Untersuchungsgruppen, durch die neue Aufklärungsstrategien für andere, vom Gesundheitsamt geförderte Aids-Gruppen entwickelt werden konnten. Das Projekt gibt ein regelmäßiges Informationsblatt heraus, das an die Gruppenteilnehmer verschickt wird. Zusätzlich wurden zwei populär aufgemachte Beilagen zur massenhaften Verteilung in der Bevölkerungsgruppe hergestellt.

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Vertraulichkeitserklärung der Gruppenteilnehmer Durch Ihre untenstehende Unterschrift erklären Sie, daß Sie alle Äußerungen von Teilnehmern an der heutigen Diskussion vertraulich behandeln werden. Insbesondere versichern Sie, daß Sie keinen Namen von anderen Gruppenteilnehmern an Dritte weitergeben werden. Sie können aber mit anderen über die geäußerten Standpunkte und ihre Meinung dazu diskutieren, solange Sie den Namen der jeweiligen Person nicht preisgeben, die die betreffende Ansicht während der Gruppensitzung vertreten hat. Name in Druckbuchstaben

Nummer der Gruppe Wochentag und Datum Uhrzeit Gruppenleiter

Unterschrift

Diskussionsleitfaden für Gruppenleiter I. Begrüßung

II. Stellen Sie sich und den Gastgeber vor. Erklären Sie, daß die Rolle des Hausherrn darin besteht, die Räumlichkeiten und seine Gastfreundschaft zur Verfügung zu stellen, und daß Ihre Rolle darin besteht, die Diskussion zu ermöglichen.

III. Informationen über das „Stop Aids"-Projekt (5 Minuten)

A. Notwendigkeit des Projektes 1. Hier ist die Wahrheit über die Gesundheitskrise, der sich Schwule und Bisexuelle gegenüber sehen - die statistischen Angaben wöchentlich aktualisieren: (Anm.: Im Original folgt nun ein Text, der weitgehend wortgleich mit dem „Szenario" am Anfang des Kapitels „Aids-Vorbeugung und ,Schwulenpolitik"' ist und deshalb hier nicht noch einmal abgedruckt wird; siehe Seite 355 f.) 2. Die Zeit ist kurz, die Fragen sind drängend: a. Wie können wir die Ausbreitung des Virus stoppen, solange wir auf eine medizinische Lösung noch warten müssen? b. Wie können wir uns am besten auf die unglaublichen Veränderungen der schwulen Sexualität, des schwulen Lebensstils und sogar unseres Wertesystems einstellen? c. Was haben wir für die Zukunft unserer Gemeinschaft zu erwarten? d. Was kann ein jeder von uns dazu beitragen, daß die Epidemie eingedämmt wird? Wie können wir unsere Bevölkerungsgruppe organisieren, damit sie uns dabei unterstützt? 3. Die „Stop Aids"-Treffen bieten einen Ort für schwule und bisexuelle Männer, wo sie sich treffen und mit diesen Fragen auseinandersetzen können. The Stop Aids Project, San Francisco, „Stop Aids Meeting Discussion Outline for Group Leaders", San Francisco 1986

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B. Das Projekt gründet sich auf vier Schlüsselüberlegungen: 1. Wir (schwulen und bisexuellen Männer) brauchen ein Innehalten... und Zeit, diese Fragen zu durchdenken. Es ist eine Sache von Leben und Tod. 2. Wir müssen eine Lobby bilden, die mehr Geld für die Forschung fordert, aber unterdessen können wir uns nicht total davon abhängig machen, daß die Regierung das Problem für uns löst. Wenn nicht Schluß mit der Übertragung des Virus gemacht wird, kommt ein Impfstoff oder ein Heilmittel zu spät. Wir müssen selbst zur treibenden Kraft werden und dürfen nicht davon abhängig werden, daß die Regierung es an unserer Stelle wird. 3. Das Programm weiß nicht alle Antworten. Wir haben auch nicht die Absicht, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen. Unsere Absicht ist es, Menschen zu einem Gedankenaustausch und zu einem gegenseitigen Zuhören zusammenzubringen. Aus dieser Kommunikation werden entsprechende Handlungen erwachsen. 4. Unsere Erfolgschance ist dann am größten, wenn so viele von uns wie möglich an diesem Prozeß teilhaben. Wir sehen sehr wohl, daß wir alle verschieden sind. Jeder von uns hat andere Erfahrungen; und diese Unterschiede gelten etwas. Nur wenn wir alle unterschiedlichen Ansichten anhören, können wir Erfolg haben. C. Die „Stop Aids"-Treffen sollen ein Kommunikationsforum über Aids-Vorbeugung und damit zusammenhängende Gesundheitsfragen für schwule und bisexuelle Männer schaffen. D. Weitere Fakten über das Projekt (Zahlen alle Monate aktualisieren): 1. Seit Februar 1985 haben 2.200 Schwule und Bisexuelle an über 200 „Stop Aids"-Treffen teilgenommen. Unser Ziel sind 4.500 Teilnehmer bis Juli 1986. 2. Aufgrund der Gruppenstruktur (Kleingruppen mit Anleitung, Zusammensetzung quer durch die ganze Bevölkerungsgruppe, Anonymität etc) erhalten die Teilnehmer Gelegenheit, über Themen zu sprechen, über die man mit Freunden, Kollegen oder Liebespartnern nicht so leicht reden kann. Besonders wichtig: Hunderte von Leuten, die an den Treffen teilgenommen haben, verpflichteten sich, Schluß mit der Virusübertragung zu machen, Zeit für ehrenamtliche Mitarbeit zu opfern und Geld für die Kampagne zur Beendigung der Epidemie zu spenden. 3. Neben den „Stop Aids"-Treffen versucht das Projekt auch auf anderen Wegen, Menschen am Kampf zur Beendigung der Epidemie zu beteiligen: Durch Werbekampagnen von Haus zu Haus, durch Straßenagitation und durch Redner, die bei Organisationen aus der schwulen Szene sprechen.

„Stop Aids"-Projekt

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4. Das Projekt ist kein politisches Projekt. Es unterstützt kein Gesetzgebungsvorhaben, keinen Kandidaten, keine Ideologie und kein Programm. 5. Das Projekt ist nicht darauf aus, das Sexualverhalten oder den Lebensstil von irgendjemand zu verändern. Das Projekt hat nur einen Gesichtspunkt vor Augen: Aids kann im Augenblick nur durch Beendigung der Übertragung gestoppt werden. Wir wollen so vielen Menschen wie möglich die Chance geben, sich diesem Wege anzuschließen. 6. Das Projekt ist ein Experiment. Nichts Vergleichbares ist je vorher versucht worden. Die Experten schließen Wetten darauf ab, daß wir keinen Erfolg haben, daß Aids-Vorbeugung nicht funktioniert, daß wir durch die Krankheit vernichtet werden. Wir glauben, daß die Experten auf dem Holzweg sind. Dieses Projekt ist eine Gelegenheit für uns, über unsere eigene Zukunft zu entscheiden. F. Die finanziellen Mittel dieses Projektes kommen von privaten Spendern und von der Stadt und dem Bezirk San Francisco.

IV. Zweck der „Stop Aids"-Treffen (3 Minuten) Verteilen Sie , wenn nötig, Stellungnahmen über den Zweck und sprechen Sie kurz mit der Gruppe darüber.

V. Grundregeln (5 Minuten) Bei der Durchführung dieser Treffen haben wir festgestellt, daß einige wenige Grundregeln für einen glatten Gesprächsverlauf sorgen: A. Entspannen Sie sich und sitzen Sie bequem. B. Bedienen Sie sich mit Essen und Erfrischungen während des Abends. C. Die Toilette ist... (geben Sie an, wo). D. Bringen Sie sich voll ein. Teilen Sie Ihre Gedanken, Gefühle, Vorstellungen und Sorgen mit. „Zuviel Gerede" gibt es hier nicht. E. Äußern Sie Zustimmung und auch Ablehnung zu dem, was andere sagen. Betonen Sie, daß es weder „richtige" noch „falsche" Antworten gibt. Wir sind alle ver-

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schieden, haben eine unterschiedliche Herkunft, Erfahrungen, Werte, Ansichten. Unterschiedliche Meinungen sind das, was das Leben gerade interessant macht. F. Sprechen Sie nicht durcheinander und richten Sie alle Stellungnahmen an die ganze Gruppe. Nebengespräche hindern andere daran, Ihnen zuzuhören und auf das, was Sie zu sagen haben, zu reagieren. G. Hat jeder die Vertraulichkeitserklärung gelesen und unterschrieben? Die Vertraulichkeitserklärung besprechen! H. Meine Rolle hier ist es, die Diskussion zu leiten. Hat jemand von Ihnen schon einmal an einer angeleiteten Gruppe teilgenommen? Im Kern möchte ich dafür sorgen, daß die Dinge in Bewegung bleiben und jeder eine Chance bekommt zu sprechen. I. Ich habe ein Gerüst von Themen, die ich möglicherweise von Zeit zu Zeit vortragen werde. Dieses Gerüst ist notwendig, weil wir im großen und ganzen eine Rückmeldung für die gleichen Fragen aus jeder Gruppe haben möchten. Aufgrund unseres Aufgabengebietes und den Bedingungen unserer finanziellen Förderung müssen wir natürlich unsere Aufmerksamkeit auf Aids-Vorbeugung und die damit zusammenhängenden Gesundheitsfragen konzentrieren. Trotz dieses Gerüstes haben Sie aber die Freiheit alles zu sagen, was Sie möchten, und es wird später in der Diskussion die Möglichkeit geben, Themen zu behandeln, die nicht auf meinem Zettel stehen. J. Ich will Sie nicht etwa davon überzeugen, daß Sie Sex in irgendeiner bestimmten Weise oder irgendetwas zur Aids-Vorbeugung machen sollten. Ich werde Ihnen jedoch vielleicht einige meiner eigenen Erfahrungen mitteilen. Ich werde zusammenfassen was ich aus dem Gruppengespräch herausgehört habe, und Sie bitten, dem Gesagten entweder zuzustimmen oder es abzulehnen. Vielleicht spiele ich auch mal den Advocatus Diaboli. Alle meine Stellungnahmen haben diesen Zweck: 1. Ideen in die Diskussion zu werfen, die vielleicht niemand in der Gruppe zur Sprache gebracht hat oder 2. Diskussionen in der Gruppe zu provozieren. Hat jemand eine Frage zu meiner Aufgabe hier? (Fragen und Widerspruch jetzt behandeln.) K. Ich bin kein Fachmann auf dem Gebiet der Aidsübertragung oder für den Wandel, der sich anscheinend bei schwulen und bisexuellen Männern abspielt.Wir werden diese Themen diskutieren und Sie werden einige Informationen mit nach Hause

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nehmen. Ich werde mein Bestes tun, Ihre Fragen zu beantworten. Wo ich es nicht kann, werde ich Sie an jemanden weiterverweisen, der die Antwort weiß. L. Unsere Sitzung wird etwa drei bis vier Stunden dauern, je nachdem, was Sie diskutieren möchten. Etwa nach der Hälfte der Zeit werden wir eine kurze Pause machen. Muß irgendjemand früher gehen? (Darüber sollte jetzt geredet werden.) M. Muß irgendjemand im Laufe des Abends telefonieren oder erwartet er einen Anruf? Wenn ja, dann wäre es sehr schön, wenn Sie das gleich erledigen könnten, damit die Diskussion später nicht unterbrochen werden muß. (Hier gegebenenfalls abwarten, bis Telefonate abgewickelt sind.) N. Mancher wird vielleicht den Eindruck haben, daß wir viele Themen heute abend nur flüchtig streifen. Wir wissen aber von früheren Treffen, daß die Zeit nicht reicht, jeden eingebrachten Gesichtspunkt auszudiskutieren. Ich bin dafür verantwortlich, daß die Diskussion nach 3-4 Stunden zuende ist, deshalb möchte ich gleich zu Beginn zugeben, daß wir uns auf ein Überfliegen beschränken müssen. O. Wie steht die Gruppe zum Rauchen während der Sitzung? P. Unser Gastgeber hat uns um die Beachtung folgender „Hausordnung" gebeten... (genauer ausführen). Q. Hat jemand Fragen zu diesen einfachen Grundregeln oder Probleme mit ihnen? (Gegebenenfalls unterbrechen und diese Fragen oder Probleme behandeln.)

VI. Vorstellung (15 Minuten) (Lassen Sie die Teilnehmer sich miteinander bekanntmachen und mit Namen vorstellen, erzählen, wo der einzelne in der Stadt wohnt, wie lange er schon in San Francisco lebt, welchen Beruf er hat, ob er fest befreundet ist und alles, was er sonst noch der Gruppe mitteilen möchte. Erzählen Sie auch etwas über sich selber.)

VII. Einstimmung auf die Diskussion: Besorgnis über die Aids-Epidemie (10 - 15 Minuten) A: Welche Sorgen machen Sie sich in Bezug auf Aids und die Epidemie? (Veranlassen Sie die Teilnehmer, den Grad ihrer Besorgnis zu beschreiben. Diese Frage bricht das Eis. Nehmen Sie sich die Zeit, jeden einmal zu Wort kommen zu lassen.)

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B: Worüber machen Sie sich im einzelnen Sorgen? (Testen Sie das gegebenenfalls aus: ist es die Angst, Aids selber zu bekommen, andere mit dem Virus anzustecken, negative Auswirkungen auf die Schwulenszene, Schaden für die Schwulenbewegung und/ oder das Ansehen der Schwulen, persönliche Furcht vor ganz bestimmten Dingen usw.)

VIII. Die Auswirkung der Epidemie auf unser Leben (15 Minuten) A. Wie hat sich die Epidemie für Sie ganz persönlich ausgewirkt? (Haken Sie gegebenenfalls nach: Anzahl der Partner, Art des Sex, Umfang des Sexuallebens insgesamt, Genuß von Alkohol und Drogen, Beziehungen, Gesundheitsbewußtsein ganz allgemein usw.) B. (Wenn sich die Epidemie ausgewirkt hat:) Wie beurteilen Sie diese Änderungen in ihrem Leben? C. Hat sich die Epidemie auf Menschen aus Ihrem Bekanntenkreis genauso stark ausgewirkt wie auf Sie? Wenn ja, hat sich deren Leben in gleicher Weise geändert wie das Ihre?

IX. Schluß machen mit der Virusübertragung durch Schluß machen mit risikoreichen Sexualpraktiken (30 Minuten) A. Manche Sexualpraktiken sind mit einem höheren Ansteckungsrisiko verbunden als andere. Sind Sie mit den „Safer Sex"-Richtlinien vertraut? (Geben Sie die „Safer Sex"-Richtlinien jetzt aus.) B. Finden Sie dabei irgendetwas unklar oder verwirrend? Wenn ja, will ich mein Bestes tun, Ihnen zu antworten. (Ermutigen Sie die Teilnehmer, Fragen zu stellen, und beantworten Sie diese. Wenn Sie das nicht können, sagen Sie zu, sich mit der Person, die die entsprechende Information hat, in Verbindung zu setzen. Versuchen Sie, so viel Gewißheit zu vermitteln wie möglich. Denken Sie daran: Ihr Standpunkt ist nicht „Safer Sex ist besser", sondern „manche Sexualpraktiken bedeuten eine größere Ansteckungs-Wahrscheinlichkeit als andere". Wenn Teilnehmer die Vorstellung in Frage stellen, daß bestimmte Sexualpraktiken das Virus verbreiten, hören Sie sich das geduldig an, betonen dann aber, daß nach allen wissenschaftlichen Belegen Aids eine sexuell übertragbare Krankheit ist.)

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C. Was halten Sie von „Safer Sex"-Richtlinien? (Veranlassen Sie die Teilnehmer, ihre grundsätzliche Zustimmung oder Ablehnung zu äußern. Lassen Sie sie dazu sagen, was immer sie möchten.) D. Welche Vorschläge beachten Sie selber? Welche nicht? (Fortsetzung der allgemeinen Diskussion über die „Safer Sex"-Richtlinien.) E. Ich möchte ganz sicher sein, daß ich den genauen Standpunkt zu diesen Richtlinien von jedem von Ihnen richtig verstanden habe: 1. Wie viele von Ihnen machen risikoreichen Sex, allerdings nicht so oft wie früher? 2. Wie viele von Ihnen machen nur risikofreien oder risikoarmen Sex? Mit anderem Worten: Sie lassen es nicht zu einer Ejakulation in den Mund oder After kommen und sie machen nichts aus der Liste der risikoreichen Sexualpraktiken. 3. Wie viele von Ihnen haben ausschließlich risikofreien Sex? 4. Wie viele von Ihnen würden diese Fragen für den Verkehr mit Ihrem festen Freund - wenn Sie einen haben - anders beantworten als für den mit anderen Partnern? 5. Wie viele von Ihnen haben die Zahl ihrer Sexualpartner vermindert? 6. Wie viele von Ihnen haben zur Zeit eine feste Beziehung. Wenn Sie eine haben, ist sie monogam? Oder hat jeder auch noch andere Sexualpartner? 7. Lebt jemand von Ihnen enthaltsam? 8. Wie viele von Ihnen machen Analverkehr ohne Präservativ? 9. Wie viele von Ihnen machen Oralverkehr bis zum Orgasmus? (Veranlassen Sie die Teilnehmer, sich ehrlich einzugestehen, wo sie in bezug auf diese Fragen stehen. Lassen Sie genügend Zeit, um alle Verhaltensweisen zu besprechen. Handeln Sie diesen Punkt nicht zu hastig ab.) F. Warum sind einige von diesen Vorschlägen leichter zu beachten als andere? (Sorgen Sie dafür, daß die Ansichten der Teilnehmer darüber, welche Praktiken befriedigend sind, offengelegt werden. Wenn nötig, teilen Sie Ihre eigenen Erfahrungen mit, aber verabsolutieren Sie sie nicht.) G. Wie fühlen Sie sich bei diesen Veränderungen Ihres Lebens? (Lassen Sie die Teil-

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nehmer Ärger, Betrübtheit, Furcht, Trauer und andere Stimmungen zum Ausdruck bringen. Nennen Sie die Stimmungen beim Namen, damit die Teilnehmer sich darüber klar werden. Es könnte sein, daß gerade die Stimmungen die Teilnehmer auf einer Widerstandshaltung gegenüber ,,Safer Sex" festhalten. Wenn sich einer aufgrund der Aids-Epidemie in die Enthaltsamkeit zurückgezogen hat, fragen Sie nach den Gefühlen, die sich daraus ergeben.)

X. Virusübertragung und Drogenmißbrauch (20 Minuten) A. Starker Genuß von Alkohol und Drogen spielt bei der Fortdauer der Epidemie eine Rolle. Ist Ihnen der Zusammenhang zwischen Drogenmißbrauch und Aids bekannt? Wenn nein, beantworte ich gerne Ihre Fragen. (Ermutigen Sie Fragen zu diesem Thema und beantworten Sie sie. Wo Ihnen die Antwort nicht möglich ist, vereinbaren Sie, sich mit einer kundigen Person in Verbindung zu setzen. Geben Sie auch hier klare Antworten und untermauern Sie sie mit Faktenmaterial über Drogenmißbrauch und Aids. Geben Sie kein Werturteil über persönliche Ansichten und Verhaltensweisen ab.) B. Hat jemand von Ihnen Drogen gespritzt? Wenn ja, wann zuletzt? Wie oft spritzen Sie? Welche Drogen? Mit wem zusammen tun Sie es. (Sorgen Sie ebenso wie bei den Sexualpraktiken dafür, daß die Teilnehmer ihre Position in dieser Frage rückhaltlos offenlegen.) C. Wie viele von Ihnen trinken regelmäßig Alkohol, rauchen Marihuana (oder Haschisch), nehmen Kokain oder andere Drogen? Gibt es Ihrer Meinung nach einen Zusammenhang zwischen Ihrem Alkohol- bzw. Drogengenuß und risikoreichem Sex? Oder mit Ihrem allgemeinen Gesundheitszustand? D. Hat einer von Ihnen sein Verhalten gegenüber Drogen oder Alkohol verändert? Wenn ja, wie? Wie fühlen Sie sich mit diesen Veränderungen? (Lassen Sie die Teilnehmer ihre Gefühle ausdrücken und benennen Sie sie.)

XI. Welche Änderungen haben sich in der Schwulenszene gezeigt? (20 Minuten) A. Bis jetzt haben wir über verschiedene Änderungen in Ihrem eigenen Leben geredet. Welche Veränderungen haben sich, falls überhaupt, in der Szene ergeben? (Machen Sie hier eine Pause, um einen oder zwei Teilnehmer antworten zu lassen. Dann fahren Sie fort.)

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B. Es gibt eine Reihe von Anzeichen dafür, daß bedeutsame Änderungen sich durchgesetzt haben: — Die Zahl der sexuell übertragenen oder mit Sexualverkehr zusammenhängenden Krankheiten hat unter Schwulen und Bisexuellen in San Francisco abgenommen. — Die meisten Schwulen berichten, sie hätten weniger Sexualpartner. Nach Studien, die von der San Francisco Aids Foundation durchgeführt wurden, ist die Anzahl der angegebenen Sexualpartner zwischen Herbst 1984 und Frühjahr 1985 um 50 Prozent gesunken. — Die überwältigende Mehrheit der Schwulen und Bisexuellen (April 1985: 80%) erklären nun, entweder enthaltsam, monogam oder mit „Safer Sex" zu leben. — Es sieht so aus, als werde „Safer Sex" inzwischen gesellschaftlich besser akzeptiert. In der Studie vom April 1985 gaben 50% der Befragten an, daß ihre Freunde risikoreiche Sexualpraktiken als unakzeptabel ansähen. (Wenn nötig, berichten Sie hier von Ihren eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet, um das Ganze zu betonen.) — Bei Befragungen ergab sich, daß der Alkohol- und Drogenkonsum zurückgegangen ist, mehr Wert auf Intimität und Beziehungen gelegt wird und mehr Anteil am Befinden der gesamten schwulen Bevölkerungsgruppe genommen wird. (Wenn nötig, bringen Sie Zitate aus der Studie von Research & Decision, die diese Veränderungen belegen.)

C. Was passiert in der Szene? Nehmen Sie Veränderungen wahr? (Bestehen Sie darauf, daß die Teilnehmer ihre Aufmerksamkeit auf Änderungen richten, die sich in ihrer Umwelt abspielen, Veränderungen bei anderen Menschen und/ oder in der Schwulenszene allgemein.) D. Wie fühlen Sie sich bei diesen Veränderungen? (Auch hier nehmen Sie sich bitte genügend Zeit, um die Teilnehmer ihre Traurigkeit, ihren Ärger oder ihre Furcht aufgrund der veränderten Szene-Normen äußern und als solche erkennen zu lassen.) E. Manche meinen, eine an sich sehr nötige Ära sexueller Freiheit und Experimentierfreudigkeit gehe nun wegen der Aids-Epidemie zuende. Gar nicht mal nur im sexuellen Bereich könnte sich unser Selbstbild als schwule Männer tiefgreifend ändern. Stimmen Sie dem zu? Oder nicht? Warum? F. Manche meinen, vor dem Aufkommen von Aids seien die meisten Einrichtungen der Schwulenszene schon von vorneherein nur auf Sexualität ausgerichtet gewesen, z.B. Bars, Saunen, Sexklubs usw. In der Folge der stattfindenden Veränderungen seien auch neue Einrichtungen erforderlich. Finden Sie das auch?

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G. Gibt es im Kielwasser der Epidemie eine größere Solidarität unter Schwulen? Ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl? Wie denken Sie darüber? H. Gibt es weitere Veränderungen in der Szene oder in Ihrem eigenen Leben? Wie stehen Sie dazu? (Forschen Sie nach Veränderungen in bezug auf Intimität und Beziehungen, bewußte Einstellung zur Gesundheit allgemein, Gemeinschaftsgefühl. Lassen Sie die Teilnehmer nun über persönliche wie über gesellschaftliche Veränderungen reden.) I. Es sind nur noch wenige Jahre bis 1990. Die schwule Gemeinde von San Francisco wird dann zwanzig Jahre alt sein. Denken Sie einmal über die folgende Frage nach: Wie soll unserer Ansicht nach unsere Gemeinde dann aussehen? Ich möchte, daß Sie jetzt für eine Minute eine Pause machen und über diese Frage nachdenken; ich finde nämlich, daß sie schwer zu beantworten ist. Welche Art von Gemeinschaft wollen wir haben? Mit welchen Worten würden wir sie beschreiben? Welche Phantasien kommen uns dabei? (Nehmen Sie sich Zeit, so viele Teilnehmer wie möglich zu Wort kommen zu lassen. Kommentieren Sie den Grad der Übereinstimmung der Zukunftsvisionen innerhalb der Gruppe.)

XII. Aids stoppen (15 Minuten) A. Lassen Sie mich eine weitere sehr spekulative Frage aufwerfen. Stellen Sie sich den Tag vor, an dem die Aids-Epidemie für schwule und bisexuelle Männer zuende ist. Wie können wir das Kommen dieses Tages beschleunigen? (Fragen Sie, was wenn überhaupt - mit unserer Art, Sexualität zu leben, was mit unserem Lebensstil, was mit unseren zwischenmenschlichen Beziehungen passieren muß. Geben Sie sich nicht mit Antworten zufrieden, die auf die Regierung und auf die mögliche Entdekkung eines Heilmittels oder Impfstoffes durch die medizinische Forschung verweisen.) B. Was sollte nach Ihrem Wunsch in San Francisco zur Aids-Vorbeugung getan werden? Was sollten wir als schwule Gemeinde oder als Bürger dieser Stadt tun, um die Verbreitung der Krankheit zu vermindern? (Sorgen Sie dafür, daß die Antworten sich auf Programme zur Verminderung der Virusübertragung konzentrieren.) C. Hat dieses Treffen etwas für Sie gebracht? Wenn ja, in welcher Hinsicht? (Wir wollen eine klare Stellungnahme hierzu, bevor die Teilnehmer sich verpflichten und an der Arbeit beteiligen.)

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XIII. Wo stehen wir? (15 - 20 Minuten) A. Vermitteln Sie den Teilnehmern Ihre Anerkennung für ihr Kommen, ihre Beteiligung, ihre Offenheit und ihre Bereitschaft, anderen etwas zu geben. B. Vermitteln Sie den Teilnehmern Ihre Anerkennung für den Gewinn, den Ihnen die Leitung dieser Gruppendiskussion gebracht hat. C. Teilen Sie mit, welche weiteren Aktionen Sie sich zukünftig auf dem Gebiet der Aids-Vorbeugung vorstellen. Berichten Sie über das ,,Stop Aids"-Projekt, über andere Aktivitäten, an denen Sie beteiligt sind und die mit Aids zu tun haben, und über Ihre Absichten in bezug auf Sexualität und persönliche Gesundheit. Halten Sie sich nicht zurück - jetzt ist der Moment, wo man beredsam sein und die Teilnehmer mobilisieren sollte. D. Jeder von uns hat heute abend eine Menge darüber gesagt, wo wir in Sachen Aids-Risiko stehen und was wir hier in San Francisco selbst tun können, um der Krankheit Einhalt zu gebieten. Und wie wir den Typ von schwuler Gemeinschaft aufbauen können, den wir uns für die Zukunft wünschen. Ich habe Sie wissen lassen, was ich selbst zur Zeit tue, um dieses Ziel zu verwirklichen. Wie steht's mit Ihnen? (Gehen Sie die einzelnen Teilnehmer durch und veranlassen Sie jeden einzelnen, eine Verpflichtungserklärung zur Aids-Vorbeugung abzugeben.)

XIV. Teilnahme an der Kampagne zur Beendigung der Epidemie und Engagement in der Szene überhaupt (20 Minuten) A. Vermitteln Sie Ihre Anerkennung für die Zukunftserwartung und das Engagement, das die Gruppenmitglieder im bisherigen Verlauf geäußert haben. B. Erklären Sie, wie wichtig es ist, sich an der Kampagne und überhaupt in der schwulen Gemeinschaft zu beteiligen: 1. Die schwule Gemeinde von San Francisco hat enorme Fähigkeiten und Mittel. Die Untersuchungen der San Francisco Aids Foundation haben zum ersten Mal ein Profil der sozialen Zusammensetzung dieser Gemeinde geliefert: — 57% haben einen höheren Schulabschluß gegenüber 28% der erwachsenen Gesamtbevölkerung von San Francisco. — 44% haben ein Einkommen von mehr als 25.000 Dollar im Jahr gegenüber 28% der erwachsenen Gesamtbevölkerung von San Francisco.

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Es wird geschätzt, daß unsere Gemeinschaft ein Gesamtjahreseinkommen von 1,5 Milliarden Dollar hat, wovon ein größerer Prozentsatz frei verfügbar ist als in irgendeiner anderen Untergruppe der Bevölkerung. 2. Unsere schwule Gemeinschaft und diese Stadt überhaupt ist gut für uns. Wir haben eine starke Gemeinschaft, die uns eine sichere, tolerante und hilfreiche Umgebung bietet, in der wir so sein können, wie wir sind. Viele Menschen haben nun das Gefühl, sie sollten als Gegenleistung ebenfalls etwas geben. 3. Die Notwendigkeit ist groß: Wir können die Epidemie beenden und weiter daran arbeiten, uns eine bessere Gemeinschaft aufzubauen. Wenn wir der Epidemie nicht Einhalt gebieten, werden wir nicht nur mehr Menschenleben verlieren. Wir laufen auch Gefahr, einen politischen Rückschlag zu erleiden, der alles vernichten kann, was wir im Laufe der letzten 10 bis 15 Jahre errungen haben. 4. Wir machen Fortschritte im Kampf gegen die Epidemie. In San Francisco hat sich die Zahl der Neuerkrankungen abgeschwächt. Es gibt eine reale Chance, der Epidemie Einhalt zu gebieten. Jetzt. Zum ersten Mal. 5. Ihre Teilnahme über dieses Treffen heute abend hinaus kann genau den entscheidenden Unterschied im nächsten Jahr bewirken. Wir können der Epidemie ein Ende machen, wenn wir mehr Menschen ansprechen, ihren Bewußtseinsstand heben und sie befähigen, ihre eigene Entscheidung für ein Ende der Virusübertragung zu treffen. C. Sich an dieser Kampagne zu beteiligen hat einen Wert für Sie selber, für Ihre direkten Bezugspersonen und für unsere Gemeinschaft als Ganzes. (Teilen Sie den Teilnehmern mit, wie wertvoll nach Ihrer Erfahrung die Mitarbeit für Sie selber ist. Halten Sie sich nicht zurück, mobilisieren Sie die Leute.) D. Am dringendsten braucht die Kampagne Männer, die bereit sind, andere zu derartigen „Stop Aids"-Treffen einzuladen. Erklärung. Der Wert der Treffen besteht darin, daß sie Gelegenheit bieten, daß Menschen in Sachen Aids-Übertragung eine Wahl treffen können. Ohne Ihre aktive Beteiligung kann das „Stop Aids"-Projekt keine „Stop Aids"Treffen abhalten. Jeder, der zu einem solchen Treffen kommt, tut dies, weil er ganz persönlich von jemandem, der selber früher an einem Treffen teilgenommen hatte, dazu eingeladen wurde. Wir haben kein bezahltes Personal, das diese Einladungen bearbeitet. Es gibt zwei Möglichkeiten, an unserer Außenarbeit teilzunehmen: — Sie können bei einem Einladungsteam auf der Straße mitmachen. Die Teams sind jeden Samstag und Sonntag im Castro-Bezirk und anderen Bezirken der Stadt unterwegs.

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— Sie können bei einem Team mitmachen, das Freunde und Kollegen, also Leute, die man schon kennt, dazu einlädt, an einem Treffen teilzunehmen. E. Fragen Sie, wie viele von den Anwesenden an einer der beiden Arten der Mitarbeit interessiert sind oder mehr Informationen darüber haben wollen. (Lassen Sie die Hände heben. Wenn sich kein oder nur geringes Interesse zeigt, sprechen Sie darüber, als wie wertvoll Sie selber die Teilnahme erfahren haben, und bitten Sie erneut um Meldungen. Bitten Sie um Fragen über die Einladungsteams und beantworten Sie sie. Bitten Sie die Interessierten, ihr Interesse auf dem Teilnahmeformular, wenn es verteilt wird, zu vermerken.) F. Weitere freiwillige Helfer werden gebraucht für die Terminplanung und -abspräche am Telefon und für die Büroarbeit. Erklärung: Ohne Helfer, die mit denjenigen, die Sie auf der Straße eingeladen haben, erneut Kontakt aufnehmen, könnten wir nicht — eine Wahlmöglichkeit für die Termine der „Stop Aids"-Treffen anbieten, — eine breit gestreute Zusammensetzung der Teilnehmerschaft organisieren, wobei möglichst alle Untergruppen der Gemeinschaft vertreten sind, und — die wirkungsvollen Kommunikationsbedingungen schaffen, die sich aus der Mischung der verschiedensten einander fremden Persönlichkeiten ergibt. Die Terminplaner rufen Leute an, die von anderen eingeladen wurden, und helfen ihnen bei der Wahl eines Gruppentermins, der ihnen gut paßt. Sie erklären auch das Projekt und bieten denen Hilfe an, die zwar gerne an einer Gruppe teilnehmen möchten, aber Befürchtungen und Fragen haben, die erst einmal geklärt werden müssen. Die Bürohelfer sind eine unentbehrliche Stütze für die Terminplaner, weil sie die Bestätigungsschreiben absenden, ankommende Telefonate an die richtigen Leute weiterverbinden, Absprachen mit den Gastgebern der Gruppen treffen usw. G. Fragen Sie erneut, wie viele interessiert sind oder mehr Informationen haben wollen. (Lassen Sie auch jetzt wieder die Hände heben. Wenn das Interesse gering oder gar nicht vorhanden ist, erzählen Sie, welchen Wert Ihrer Erfahrung nach diese Art der Mitarbeit für Sie gehabt hat. Bitten Sie die Interessierten, auf dem Teilnahmeformular, wenn es verteilt wird, ihre Bereitschaft für eine der beiden Formen der Mitarbeit oder gar beide zu vermerken.) H. Geben Sie jedem Gruppenmitglied die Teilnehmerkarte und einen Kugelschreiber. Bitten Sie die Anwesenden, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen, um die Teilnehmerkarte zu besprechen und Fragen beantworten zu lassen. Zeigen Sie denen, die Interesse an einer Mitarbeit in den Einladungsteams gezeigt haben, die entsprechende Stelle auf dem Formular. Tun Sie das Gleiche bei denen, die sich für Terminplanung und Büroarbeit gemeldet haben.

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I. Finanzielle Beteiligung ist ein geeignetes Mittel der Beteiligung für jedermann. Wieviel einer gibt, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, daß möglichst viele Menschen sich finanziell beteiligen. Erklärung: 1. Das Gesundheitsamt finanziert 85% unserer Kosten, aber den Rest müssen wir aus Spenden unserer Gruppenteilnehmer aufbringen. 2. Es kostet ungefähr 50 Dollar pro Person, dieses Treffen heute abend zustandezubringen. Wenn es Ihnen etwas gebracht hat, so möchten wir Sie bitten uns wenigstens so viel zu geben, wie Sie für ein Abendessen plus Kinobesuch hätten ausgeben müssen - 10 oder 20 Dollar. Wenn jeder der hier Anwesenden 10 Dollar gäbe, dann bekämen wir 150 Dollar oder ein Fünftel der tatsächlichen Kosten. 3. Der wahre Wert Ihrer Spende läge aber darin, daß sie Ihre aktive, einsatzbereite und engagierte Teilnahme an dieser Kampagne zur Beendigung der Aids-Epidemie dokumentiert. 4. Teilen Sie den Anwesenden mit, welchen Wert die finanzielle Beteiligung an diesem Projekt oder anderen Aktivitäten für Sie selber gehabt hat. 5. Sie können finanziell zum heutigen Abend auf drei Wegen etwas beitragen. Sie können einen Scheck ausstellen oder eine Summe in bar spenden. Sie können auch über Visa- oder Mastercard zahlen. Oder eine Spende heute abend versprechen und später überweisen. J. Geben Sie Formulare für die finanzielle Beteiligung aus. Bitten Sie jeden Anwesenden, das Formular zu besprechen und sich Fragen beantworten zu lassen. Dann sammeln Sie die Formulare und das Geld bzw. die Schecks ein. K. Es gibt eine ganze Anzahl von Organisationen, die sich mit der Aids-Epidemie in San Francisco befassen. Alle haben erheblichen Bedarf an ehrenamtlichen Mitarbeitern und finanzieller Unterstützung. (Verteilen Sie die Liste der genannten Organisationen, besprechen Sie sie kurz und drängen Sie auf Unterstützung all dieser Organisationen. Lenken Sie die Aufmerksamkeit auf andere Einrichtungen auf dieser Liste.)

XV. Andere Themen, die Sie gerne diskutieren möchten (10 Minuten) Möchten Sie gerne noch über etwas anderes reden? (Sorgen Sie dafür, daß die Diskussion in einem Zusammenhang mit unseren Zielen steht. Die Themen sollten ir-

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gendetwas mit der Aids-Vorbeugung und damit zusammenhängenden Gesundheitsproblemen zu tun haben.)

XV. Was kommt als Nächstes (5 Minuten) A. „Stop Aids"-Treffen werden bis Juni 1986 fortgesetzt. Bis dahin werden etwa 4.500 Männer teilgenommen haben. Jeder von ihnen ist dann zwei- oder dreimal vom Straßenteam, von den Terminplanern oder anderen ehrenamtlichen Helfern angesprochen worden. Die Gruppenteilnehmer ihrerseits kommen mit Tausenden von Freunden, Bekannten und Kollegen zusammen. B. Um noch mehr Menschen zu erreichen, veranlaßt das Projekt eine sich über die ganze Stadt erstreckende Werbekampagne an den Haustüren. Hunderte von freiwilligen Helfern werden überall in der Stadt an die Türen klopfen. C. Das Projekt startet gerade eine Kampagne-Zeitung, die gleichermaßen über das berichtet, was wir tun, als auch ein Kommunikationsorgan über die zunehmenden gesellschaftlichen Veränderungen darstellt.

XVII. Ich habe eine Bitte an Sie: führen Sie dieses Gespräch mit Ihren Liebespartnern, Freunden und anderen Bezugspersonen fort (2 Minuten) Die Auseinandersetzung während des Treffens ist toll, aber richtig ernst wird es, wenn Sie wieder draußen sind. Es gibt etwas, das wir in Sachen Aids tun können. Wir sind nicht machtlos. Denken Sie an Ihre Verpflichtung und handeln Sie danach. Verbreiten Sie diese Botschaft.

XVIII. Danken Sie den Teilnehmern für ihr Kommen und dem Hausherrn für seine Gastfreundschaft und schließen Sie das Treffen.

(Gesamtzeit: 190 - 200 Minuten)

Safer Sex Das Konzept des ansteckungssicheren Sexualverhaltens stammt, wie schon erwähnt, aus der zunächst von Aids betroffenen Schwulenszene. Nachdem es gelungen war, dies Konzept auch beim städtischen Gesundheitsamt San Franciscos als eine von mehreren Vorbeugestrategien durchzusetzen, wurden „Leitlinien für sicheren Sex" erarbeitet, mehrfach ergänzt, detailliert und revidiert, bis sie für alle Bevölkerungsgruppen - auch die heterosexuelle Mehrheit - brauchbar waren. Gleichzeitig wurden Auszüge oder Spezialversionen für besondere Untergruppen hergestellt, wie etwa Lesbierinnen oder weibliche und männliche Teilnehmer an den II. „Schwulen (Olympischen) Spielen" in San Francisco 1986. Überhaupt versuchten die Leitlinien von Anfang an, soviele Menschen wie möglich anzusprechen. Daher auch die Differenzierung und Ausführlichkeit, die penible Auflistung und Gliederung aller möglichen Sexualpraktiken in drei Hauptrubriken: Risikoreich (unsafe), risikoarm (possibly safe) und risikofrei (safe). Diese Akribie wurde in Deutschland aber als sehr befremdlich empfunden, als man auch dort verschiedene „Safer Sex"-Programme vorstellte. In dieser Reaktion drückt sich unter anderem auch ein kultureller Unterschied aus. San Francisco mit seinem Völker- und Rassengemisch ist, eigentlich schon seit der Goldrauschzeit, eine Stadt von außerordentlicher sexueller Toleranz. Infolgedessen lagen und liegen hier viele sexuelle Tatbestände offen zutage, die sich anderswo im Dunkeln verbergen. In San Francisco ist den meisten Bürgern klar, daß ihre Stadt nicht nur eine große ethnische, sondern auch sexuelle Vielfalt beherbergt. So war es denn selbstverständlich, daß man bei der Aids-Aufklärung gleich in Details ging, die an weniger kenntnisreichen Orten als unnötig oder frivol betrachtet wurden. Im deutschen Sprachraum etwa stießen ausführlichere Versionen der Leitlinien aus San Francisco teilweise auf Ablehnung, weil sie angeblich zu kompliziert, zu unpraktisch, zu seelenlos oder zu technisch wären. Ja, einige Kritiker verstiegen sich in ihrer Abwehr sogar zu Äußerungen wie: „Safe Sex ist Ausdruck des US-amerikanischen Moral-Imperialismus" oder: „Für die 'Safer Sex'-Bewegung sind die Perversionen der ideale Fluchtpunkt. Statt Bestrafung, Prämierung von Exhibitionisten. Orden der Volksgesundheit für Spanner und Fetischisten. Was soll die Sexualwissenschaft bei diesem Treiben?" Diesen und ähnlichen Ausfällen liegt ein Normierungsdenken zugrunde, das in San Francisco nicht nur den verschiedenen sexuellen Minderheiten, sondern auch den mit ihnen kooperierenden Fachleuten völlig fremd ist. Es geht hier nicht um moralische Werturteile, um eine Einteilung der menschlichen Sexualität in sogenanntes Normalverhalten und sogenannte Perversionen. Es geht auch nicht um die Bestrafung oder Prämierung bestimmter sexueller Stile, son-

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dern allein darum, jeder Frau und jedem Mann, so wie sie nun einmal sind, beim Überleben zu helfen. Und das auch noch so, daß jeweils ein Maximum sexueller Erfüllung erhalten bleibt. Dies ist eine Aufgabe, vor der gerade Sexualwissenschaftler sich nicht drücken dürfen, wenn ihr Fach eine Existenzberechtigung behalten soll. Die „Safer Sex"-Leitlinien sind nicht deshalb so weit gefaßt, weil wir in San Francisco glauben, daß alle Menschen alles tun, was hier beschrieben wird. Oder daß sie alles tun sollten, was risikofrei ist. Oder daß sie alles vermeiden müssen, was risikoarm ist. Oder daß sie überhaupt etwas müssen. Die Leitlinien sind nicht mehr und nicht weniger als das, was ihr Name besagt - Wegweiser, Markierungsspuren, Geländer, an denen man gedanklich entlanggehen kann, um sein eigenes Sexualverhalten auf Infektionsrisiken zu überprüfen und vielleicht zu ändern. Sie zeigen Möglichkeiten auf, die man selbst, je nach dem Grad der eigenen Verängstigung oder Experimentierfreudigkeit, langsam oder schnell, zaghaft oder kühn explorieren kann. Sie bieten kein Patentrezept, sondern eine Auswahl, die selbst in ihrer expansivsten Fassung nicht erschöpfend sein kann. Im völligen Gegensatz zu gewissen deutschen Programmen, besteht man in San Francisco also darauf, in soviele Einzelheiten zu gehen wie nur möglich. Die Absicht dabei ist, eine Palette zu schaffen, ein Spektrum anzubieten, in dessen größeren oder kleineren Segmenten verschiedene Individuen ihre eigenen sexuellen Interessen repräsentiert finden. Man sieht darin den besten Weg, möglichst viele zur Änderung ihres Verhaltens zu bewegen, falls dieses noch infektionsgefährdet ist. Sehr bewußt hat man also nicht den einfachen Weg gewählt, nur schlicht den Kondomgebrauch zu empfehlen. Dieser Rat mag bei vielen ausreichen, aber sicher längst nicht bei allen. Auch in Deutschland blühen im Verborgenen verschiedene sexuelle Subkulturen, und es ist mehr als naiv zu glauben, jedes deutsche Paar praktiziere nur einen „coitus simplex Germanicus". Wir dürfen nicht so tun, als gäbe es ein einziges, universales, korrektes Sexualverhalten, und dieses ändern zu wollen, träfe uns alle ins Mark. Wir dürfen auch nicht solche Verhaltensweisen, die uns persönlich fremd sind, mit Hilfe psychiatrischer Schimpfwörter abwerten und somit gleichzeitig die Vorbeugung behindern. Vor allem ist es heute unverantwortlich, gewisse ansteckungssichere Sexualkontakte mit dogmatischen Sprüchen als minderwertig suspekt zu machen und ungeschützte traditionelle Praktiken als irgendwie überlegen hinzustellen. Für solche ideologischen Spielereien ist keine Zeit mehr, da es um Menschenleben geht. Die Empfehlung eines Kondoms, so wertvoll sie ist, reicht aber ohnehin für sich allein kaum aus, jemanden vor Ansteckung zu schützen. Nicht nur müssen dazu bestimmte Gleitmittel (auf Wasserbasis) empfohlen und andere (die auf Ölbasis) abgelehnt werden, weil sie das Kondom angreifen - nein, zusätzlich muß sehr oft auch noch der Kondomgebrauch eingeübt werden. Wir wissen ja, daß Kondome auch als empfängnisverhütende Mittel versagen können, wenn sie falsch angewendet werden. Hier könnte sich die Kondomindustrie nützlich machen, indem sie jeder einzelnen Packung einen kleinen Bilderstreifen mit expliziter Gebrauchsanweisung beilegt. Und schließlich noch etwas anderes: Vorläufige Studien, die etwa verschiedene

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Arten des Oralverkehrs in bezug auf eine HIV-Infektion für ungefährlich erklären, sind noch nicht hundertprozentig stichhaltig. Sollte der unwiderlegliche Beweis eines Tages vorliegen, so wird man auch in San Francisco wieder die Pionierrolle übernehmen und die Leitlinien entsprechend revidieren. Sie sind ohnehin nicht in Marmor gemeißelt, sondern verändern sich im ständigen Dialog mit allen interessierten Gruppen. Einstweilen aber ziehen die Verantwortlichen der Stadt es noch vor, eventuell übervorsichtig zu sein und die offiziellen Empfehlungen so zu belassen, wie sie seit längerer Zeit von der Bevölkerung akzeptiert worden sind. Im folgenden werden einige Versionen der Leitlinien vorgestellt, die von der San Francisco Aids Foundation vertrieben werden. Grundsätzlich sind diese inzwischen auch in Deutschland bekannt, wenigstens bei den bisherigen Selbsthilfegruppen. Als ein für Deutsche vielleicht ungewöhnliches Beispiel wird aber hier auch ein Vorbeugungstext für Lesbierinnen ganz abgedruckt, an dessen Ende besonders ausführliche Leitlinien stehen. Schließlich werden noch verschiedene Ankündigungen für „Safer Sex"-Seminare abgebildet und übersetzt, um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie man die Leitlinien praktisch ,,an den M a n n " (und an die Frau) bringt.

„Safe Sex"-Leitlinien Risikofreier Sex — — — —

Massage, Schmusen Mutuelle Onanie (gegenseitige Masturbation) Einfache Küsse Körperreiben

— Voyeurismus, Exhibitionismus, Phantasie

Risikoarmer Sex — Zungenküsse — — — — —

Analverkehr mit Kondomen Vaginalverkehr mit Kondomen Blasen - wenn man vor dem Orgasmus aufhört Cunnilingus Goldene Dusche

— (Das Risiko steigt mit der Zahl der Partner)

Risikoreicher Sex — Lecken um und im After — — — — — —

Faustfick Blutkontakt Die gemeinsame Benutzung von Sexspielzeug und Injektionsnadeln Samen oder Urin im Mund Analverkehr ohne Kondom Vaginalverkehr ohne Kondom

San Francisco Aids Foundation, Bay Area Pysicians For Human Rights, „Aids Safe-Sex Guidelines", San Francisco ohne Jahr

Lesben und Aids Wo liegt der Zusammenhang? Aids - Acquired Immune Deficiency Syndrome - wird von einem Virus verursacht, das einen Teil der körpereigenen Immunabwehr zusammenbrechen läßt. Im Juni 1986 waren in den USA 21.000 Menschen als Träger des Aids-Virus gezählt. Ungefähr 7 Prozent der Aids-Patienten in den USA sind Frauen - 50 Prozent davon sind Schwarze, 23 Prozent sind spanischsprechend und 26 Prozent sind Weiße. Lesben stehen nicht unter einem erhöhten Ansteckungs- oder Übertragungsrisiko, es sei denn, sie spritzen Drogen oder haben risikoreiche Sexualkontakte mit Menschen aus Risikogruppen.

Trage ich ein Risiko? Das Aids-Virus wird vor allem über Blut und Samen übertragen, deshalb tragen solche Lesben ein Risiko, die: — Beim Drogenkonsum Injektionsnadeln oder anderes Spritzbesteck mit anderen austauschen, dies ist der hauptsächliche Risikofaktor für Lesben. — Sex hatten mit Fixern/Fixerinnen, Männern, die seit 1979 schwulen Sex hatten, Menschen beiderlei Geschlechts, deren Sexualgeschichte unbekannt ist, Hämophilen oder Menschen, die zwischen 1979 und 1985 Bluttransfusionen oder Blutprodukte erhielten, — für eine künstliche Befruchtung den Samen eines Spenders aus einer der Hauptrisikogruppen erhielten, der Aids- positiv ist, oder dessen Risiko, Aids-infiziert zu sein, nicht bekannt ist, — Frauen, die zwischen 1979 und 1985 selber Bluttransfusionen oder Blutprodukte erhielten.

Women's Aids Network, „Lesbians and Aids, What's The Connection", Produktion und Vertrieb durch San Francisco Aids Foundation, San Francisco 1986

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Vorbeugung

Was soll ich tun, wenn ich denke, ich sei mit Aids in Berührung gekommen? Sie können einen Aids-Test machen lassen, und zwar dort, wo Ihre Anonymität garantiert ist. Wenn Sie mit dem Aids-Virus infiziert sind, dann produziert Ihr Körper Antikörper. Danach sucht der Aids-Antikörpertest. Einige der Aids-Infizierten entwickeln nicht das Vollbild Aids, können aber zeitlich unbegrenzt Aids übertragen. Sie möchten vielleicht den Test machen lassen, wenn Sie eine Schwangerschaft planen, oder wenn Sie wissen wollen, ob Sie infiziert sind. Teilen Sie nie Injektionsnadeln oder anderes Zubehör mit anderen Fixern! Reinigen Sie das Spritzbesteck nach jedem Gebrauch mit Alkohol oder Desinfektionsmitteln und Wasser. (Anm.: Verwenden Sie am besten Einmalkanülen!) Richten Sie sich nach den Grundsätzen für Safer Sex!

Aids und Schwangerschaft Frauen, die mit Aids infiziert sind, können es auf ihr ungeborenes Kind übertragen und zwar sowohl während der Schwangerschaft, als auch unter der Geburt. Das Aids-Virus kann auch mit der Muttermilch übertragen werden. Aids-infizierte Frauen können mit ihrer Schwangerschaft möglicherweise ihr Risiko erhöhen, das Vollbild Aids zu entwickeln.

Aids und künstliche Befruchtung Wenn Sie eine Schwangerschaft mittels heterologer Insemination planen, dann könnten Sie den untenstehenden Ratschlägen folgen. Sie empfehlen Screening-Methoden, die Ihr Risiko verringern können, dem Aids-Virus zu begegnen. — Sie müssen das Risiko Ihrer Spender einschätzen können, und zwar bei jedem einzelnen Mann. Falls Sie einen schwulen Mann als Spender haben möchten, dann führen Sie sich vor Augen, daß viele, aber nicht alle Schwulen mit dem Aids-Virus infiziert sind. Nicht alle haben sich risikoreich verhalten. — Besorgen Sie sich Informationen über die Gesundheit Ihres Spenders, seine medizinische und sexuelle Geschichte. — Angesichts der leichten Verfügbarkeit des Aids- Antikörpertestes wollen viele Lesben, daß sich ihre Spender testen lassen. Sie müssen aber sehr darauf achten, daß Ihr Spender da getestet wird, wo Anonymität und Ver-

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traulichkeit garantiert sind. Es gibt eine geringe Gefahr, daß jemand, dessen Antikörpertest negativ ausfällt, trotzdem Virusträger ist, besonders wenn er aus einer der Hauptrisikogruppen kommt. — Der Antikörpertest sollte vor der Insemination zweimal gemacht werden, mit einem Zwischenraum von 3 bis 6 Monaten zwischen den Tests. Der Spender muß sich zwischen den Tests auf Safer Sex beschränken. — Alle Samenbanken und Ärzte sind angewiesen worden, Samenspender auf Aids-Antikörper zu testen.

Was hat das alles mit mir zu tun, wenn ich gar kein Aids-Risiko habe? — Viele Lesben wurden von Aids-Krankheit oder dem Aids-Tod nahestehender Menschen getroffen. — Vermehrte Schwulenfeindlichkeit und Diskriminierung als Ergebnis der Aids-Hysterie betreffen Lesben genauso wie Schwule. — Die Aids-Epidemie fordert von der Lesbengemeinde mehr Aufmerksamkeit für den Drogenmißbrauch, insbesondere für das Problem des Fixens. — Die Wahl von Samenspendern und die Partnerwahl für Schwangerschaften wird jetzt von Aids eingeschränkt. — Viele Lesben sind, als ehrenamtliche Helfer oder bezahlt, an der Aids-Arbeit beteiligt. Die Arbeit der Lesben hat die gesamte Schwulen- und Lesbengemeinde gestärkt und bereichert und den Kampf gegen Aids vorangetrieben. Weil diese und andere Themen im Zusammenhang mit Aids ein Teil unseres Lebens bleiben werden, müssen wir schöpferisch und effektiv Wege finden, einander zu unterstützen.

Safer Sex- Richtlinien für Lesben, die ein Risiko tragen Diese Richtlinien zielen ab auf die Lesben, die begründet glauben, daß sie mit Aids infiziert sind, oder deren Handlungen sie in Aids-Gefahr bringen. Hat eine Frau möglicherweise Aids, so darf sie ihr Menstrualblut, ihre Vaginalsekrete, Urin, Stuhl oder Muttermilch nicht an den Körper ihrer Partnerin/ihres Partners kommen lassen. Der Mund, das Rektum, die Vagina oder Hautverletzungen sind mögliche Übertragungswege. Es gibt keinen Beweis, daß das Virus durch Speichel übertragen wird, obwohl es auch im Speichel gefunden wurde.

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Risikofreier Sex — — — — — — —

Massage, Schmusen einfache Küsse Körperreiben Voyeurismus, Exhibitionismus, Phantasien Berührung der eigenen Genitalien (Masturbation) Vibratoren und anderes Sexspielzeug, wenn Sie die eigenen benutzen. S / M und andere Praktiken, wenn sie nicht zum Austausch von Körperflüssigkeiten führen.

Risikoarmer Sex — Oral-Genitaler Sex (Cunnilingus), wenn ein dünnes Latextuch zwischen Vulva und Zunge gelegt wird — Hand-, Fingerkontakt mit den Genitalien, Eindringen von Fingern in Vagina oder Anus, wenn ein Latexhandschuh oder Fingerling benutzt wird — Zungenküsse — Kontakt mit Urin außerhalb des Körpers — Anal-Oraler Kontakt mit einem Latextuch Risikoreicher Sex — Ungeschützter Cunnilingus (besonders während der Menstruation) — Ungeschützter Kontakt von Hand/Finger zu Vagina und Anus, besonders, wenn Sie Verletzungen an der Hand haben. — Die gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln (intravenöse Nadeln, subkutane Nadeln) — Blutkontakte jeder Art, einschließlich dem mit Menstrualblut und dem Austausch intravenöser Nadeln. — Urin oder Stuhl in Mund oder Vagina — Ungeschützter anal-oraler Kontakt — Hand in Rektum, Vagina — Die gemeinsame Benutzung von Sexspielzeug, das mit Körperflüssigkeiten Kontakt hat. Wenn Sie mit einem Mann aus Hauptrisikogruppen Sex haben, dann müssen Sie den Gebrauch von Kondomen lernen und immer eines benutzen. Wenn Sie eine neue Sexualpartnerin haben, dann fragen Sie sie nach ihrer sexuellen Geschichte und berichten Ihre eigene. Trägt eine von Ihnen ein hohes Risiko? Sie sind ebenso verantwortlich dafür, wichtige Informationen über Ihre Aids-Gefährdung zu gewinnen, wie Ihre neue Partnerin.

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Wenn Sie mehr Informationen möchten, dann rufen Sie bitte bei der San Francisco Aids Foundation an: in San Francisco: 863-Aids gebührenfrei in NordKalifornien: (800) FOR-AIDS TDD: 3864-6606 Montag bis Freitag, 9 Uhr vormittags bis 21 Uhr Samstag und Sonntag 11 Uhr bis 17 Uhr

„Safe Sex"-Leitlinien für Frauen, die ein Aids-Risiko tragen Allgemeine Leitlinien Wenn Sie der Meinung sind, daß Sie selbst oder Ihr Sexpartner/ Ihre Sexpartner mit dem Aids-Virus infiziert sein könnten, oder wenn Sie sich dessen nicht sicher sind, dann müssen Sie sexuelle Handlungen vermeiden, die einen Kontakt mit Körperflüssigkeiten zur Folge haben. Das Aids-Virus wird durch direkten Kontakt mit infiziertem Blut, Samen, Urin, Stuhl und möglicherweise den Vaginalsekreten übertragen. Obwohl das Aids-Virus auch in Speichel und Tränen gefunden wurde, gibt es gegenwärtig keinen Beweis dafür, daß es durch diese Flüssigkeiten verbreitet wird. Körperflüssigkeiten können durch gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln beim Fixen (Blut) oder durch ungeschützten Sexualkontakt mit einem/ einer Infizierten ausgetauscht werden. Vermeiden Sie deshalb Kontakt mit Körperflüssigkeiten, wenn Sie glauben, daß Ihr/ Ihre Sexualpartner mit dem Aids-Virus infiziert sein könnten oder wenn Sie sich dessen nicht sicher sind. Männer, die mit anderen Männern Sex haben und Männer und Frauen, die fixen oder die Bluttransfusionen oder Blutprodukte erhalten haben sowie deren Sexualpartner stehen unter einem größeren Risiko, mit dem Aids-Virus in Kontakt zu kommen und möglicherweise mit ihm infiziert zu werden.

Spezielle Leitlinien für sexuelle Aktivitäten Risikoarm (Safe Sex) — — — — — —

Massage Schmusen Körperreiben Einfaches Küssen Voyeurismus, Exhibitionismus, Phantasie Berührung der eigenen Genitalien (Masturbation)

Women's Aids Network, Coyote, Project Aware und The Lesbian Insemination Project, „Safe Sex Guidelines for Women at Risk for Aids Transmission", San Francisco 1986

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Risikoarm (possibly safe) Vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr mit einem Kondom Fellatio/ Blasen mit einem Kondom Cunnilingus/ oraler Sex mit einem Latextuch dazwischen Hand/ Finger-Kontakt mit den Genitalien mit einem Latextuch, Gummihandschuhen oder Fingerlingen (gegenseitige Masturbation, Fummeln, Eindringen in Vagina oder Anus mit Fingern) — Zungenküsse — Goldene Dusche (außerhalb des Körpers)

— — — —

Möglicherweise risikoreich (possibly unsafe) — Cunnilingus/ oraler Sex ohne Latextuch dazwischen — Hand/ Finger-Kontakt mit den Genitalien ohne Latextuch oder Gummihandschuh oder Fingerlinge Risikoreich (Unsafe Sex) Vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr ohne Kondom Fellatio/ Blasen ohne Kondom Samen oder Urin im Mund Blutkontakt jeder Art (einschließlich des Kontaktes mit Menstrualblut und der gemeinsamen Benutzung von Injektionsnadeln) — Lecken am oder im Anus (oral-analer Kontakt) — Faustfick (Hand in Rektum/ Vagina) — Die gemeinsame Benutzung von Sexspielzeug, das mit Körperflüssigkeiten Kontakt hatte. — — — —

In jeder Situation, ob in einer sexuellen oder einer anderen, ist die gemeinsame Benutzung von Injektionsnadeln gefährlich.

Vorbeugende Maßnahmen Kondome, Spermizide, Handschuhe und andere Schutzmittel Kondome: Kondome sind seit langem für ihren Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten, wie Gonorrhoe, Syphilis, Herpes und Chlamydienbefall bekannt. Neuere Studien haben gezeigt, daß Kondome im Labor die Übertragung des AidsVirus verhindern. Deshalb meinen die meisten Wissenschaftler, daß Kondome, richtig angewandt, einen gewissen Schutz vor dem Virus bieten können. Es ist sehr wich-

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tig, eins zu finden, das für Sie selbst und ihren Partner gut ist. Eine kleine Menge eines Spermizids oder eines wasserlöslichen Gleitmittels (es darf nicht Vaseline sein) im Inneren der Kondomspitze erhöht die Gefühlsfähigkeit des Mannes, aber zuviel davon kann bewirken, daß das Kondom abgleitet. Spermizide: Nonoxinol 9, der aktive Bestandteil der meisten Spermizide (Schaum, Creme, Gelees), tötet in einigen Laborsituationen den Aids-Erreger ab, wir sind aber nicht sicher, daß es das Virus auch im Körper abtötet. Trotzdem meinen Wissenschaftler, daß es eine gute Idee ist, ein Nonoxinol 9 enthaltendes Spermizid zur Sicherheit einzusetzen, falls das Kondom vom Glied abgleiten oder einreißen sollte. Einige Gleitmittel können Nonoxinol enthalten, es aber auf dem Etikett nicht ausweisen. Sprechen Sie mit dem Apotheker, um sicher zu sein. Warnung: Manche Menschen sind gegen Nonoxinol allergisch. Überprüfen Sie das auf der Innenseite Ihres Handgelenkes, bevor Sie es benutzen. Wenn es schmerzt oder Sie irgendwie anders auf das Mittel reagieren sollten, dann versuchen Sie, die Marke zu wechseln. Latexhandschuhe, Gummihandschuhe und Fingerlinge: Wenn Sie Schnitte, Kratzer oder eine Nagelbettentzündung an Fingern oder Hand haben, dann werden ÄrzteLatexhandschuhe, Gummihandschuhe oder Fingerlinge sie davor bewahren, bei einem Hand-genitalen oder Hand-oralen Kontakt mit einem Partner mit dem Aids-Virus in Kontakt zu kommen. Fingerlinge können in einer Apotheke, Latexhandschuhe können in jedem Geschäft mit Zahnarzt- oder Ärztebedarf gekauft werden. Latex oder Gummi als Schutz: Einige Sexualwissenschaftler äußern, daß ein Cunnilingus sicher wäre, wenn eine Barriere benutzt wird, die den Austauch von Flüssigkeiten zwischen Zunge und Vulva verhindert. Gummiblättchen sind eine dünne Latexschicht, die es in verschiedenen Größen gibt und die in etwa so dünn sind wie Chirurgiehandschuhe (in Amerika gibt es sie sogar mit Vanillegeschmack). Ob sie wirklich einen effektiven Schutz bieten, ist bis jetzt noch nicht bekannt. Menschen, die sie schon verwendet haben, finden diese Schutzmittel unangenehm. Trotzdem sollten sie für eine Benutzung in Erwägung gezogen werden, wenn es ein deutliches Risiko für eine Aids-Übertragung gibt. Anmerkung Kondome, Spermizide, Latexhandschuhe und andere Methoden des Schutzes können unter Idealbedingungen die Übertragung von Aids verhindern. Aber, das wirkliche Leben ist oft nicht ideal. Nur Sie selbst und ihr Sexpartner, ihre Sexpartnerin, können entscheiden, was ein vertretbares Risiko ist und was nicht. Diese Leitlinien sind als Hilfe dafür gedacht, daß Sie Ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Angesichts der langen Inkubationszeit von Aids kann nur der Lauf der Zeit zeigen, wie effektiv diese oder andere Maßnahmen sind.

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mission and safe sex. We want you to take home voonderful memories of exciting events and of warm newfriendships— and accurate information about AIDS for yourself and your friends at home. We dont want you to take home the AIDS virus—or leave it with us. Play to win, and play to live. Enjoy the Games! s \ FOUNDATION

THE SAN FRANCISCO AIDS FOUNDATION 333 Valencia St. 4th Floor San Francisco, CA 94103 415-863-AIDS 1611 free in Northern California: 8OO-FOR-AIDS TDD: 415-864-6606

Major funding (or the educational programs of the San Francisco AIDS foundation is provided by the San Francisco Department of Public Health.

Eine Botschaft über Aids - für die männlichen Athleten und Besucher der II. Schwulen (Olympischen) Spiele

Willkommen in San Francisco und zu den II. Schwulen Spielen. Diese Spiele werden eine Fülle aufregender und mitreißender Ereignisse bieten. Wir wünschen Ihnen, daß Sie einen schönen Aufenthalt haben. Wir sind froh, daß Sie da sind. Denken Sie aber bitte daran, daß wir uns mitten in einer tödlichen sexuell übertragbaren Epidemie befinden. Niemand möchte als Vermächtnis einer so positiven und gesunden Veranstaltung einen weltweiten Anstieg der Aids-Fälle erleben. Die Vorsichtsmaßnahmen im Sexualbereich, die Männer vornehmen müssen, sind sehr einfach und zwingend. Machen Sie bitte keinen risikoreichen Sex, während Sie hier sind. Angesichts dieser Epidemie werden sich die meisten schwulen und bisexuellen Männer in San Francisco von vorneherein weigern, risikoreichen Sex mitzumachen. Diejenigen aber von ihnen, die zu risikoreichem Sex bereit sind, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit schon infiziert. Der einzige Weg, das Virus zu stoppen, ist risikoreichen Sex zu stoppen besonders Analsex ohne Kondom, den Haupt weg der Aids-Ausbreitung. Die Männer in San Francisco sind Experten darin, zwischen risikofreiem und risikoreichem Sex zu unterscheiden. Wenn Sie Hilfe brauchen oder aber auch Informationen darüber, wo es Kondome zu kaufen gibt, dann fragen Sie einfach einen von ihnen. Unsere Telefonberatung ist für Sie zur Information über Aids-Prävention erreichbar. Rufen Sie uns unter 863-AIDS an, zur umfassenden Information über die Aids-Übertragung und Safe Sex. Wir möchten, daß Sie wundervolle Erinnungen an aufregende Ereignisse und schöne neue Freundschaften mitnehmen - und auch genaue Informationen über Aids - für Sie selbst und Ihre Freunde zu Hause. Wir wollen nicht, daß Sie das Aids-Virus mit nach Hause nehmen - oder es uns hierlassen. Kämpft um zu gewinnen und kämpft, um zu leben. Viel Spaß bei den Spielen! The San Francisco Aids Foundation

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EROTICIZING SAFE SEX FOR HETEROSEXUALS

An Intensive Workshop by Professional Sexologists The workshop will focus upon sex positive ways in which heterosexually active people can incorporate the AIDS prevention guidelines into their sexual lifestyles. The workshop is designed to: • Make safe sex enjoyable, exciting, satisfying, and fulfilling; • Teach AIDS prevention technology—condoms, spermicides, etc.; • Enhance heterosexual communication skills around sex and AIDS. WHERE: McKenna Theatre—School of Creative Arts Bldg. SAN FRANCISCO STATE UNIVERSITY 1600 Holloway Avenue WHEN: SATURDAY, NOVEMBER 16, 2:00-6:00 PM FREE—OPEN TO THE PUBLIC FOR INFORMATION CALL:

863-AIDS or 469-2444

THE SAN FRANCISCO AIDS FOUNDATION in association with the Sexologists Sexual Health Project, The Institute for Advanced Study of Human Sexuality, and The AIDS Prevention Project, Associated Students, San Francisco State University Funding for this message is provided by the San Francisco Department of Public Health

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Aufreizender ,, Safe Sex" für Heterosexuelle Ein intensiver Workshop, geleitet von Sexualwissenschaftlern Der Workshop wird sich auf sexbejahende Wege konzentrieren, auf denen heterosexuell aktive Menschen die Richtlinien zur Aids-Prävention in ihr sexuelles Leben integrieren können. Der Workshop — soll risikofreien Sex genußreich, aufregend, befriedigend und erfüllt machen, — soll Ihnen Aids-Präventionsmethoden beibringen - Kondome, Spermizide usw. — soll die Fähigkeiten zu heterosexueller Kommunikation über Sex und Aids stärken. Wo: Mc Kenna Theatre - School of Creative Arts Building San Francisco State University 1600 Holloway Avenue Wann: Samstag, 16. November, 14 Uhr bis 18 Uhr Kostenlos und öffentlich Zur Information: Rufen Sie 863/AIDS oder 469-2444 an

Adressenliste Stand:Januar 1987 Stellen, die Informationsmaterial abgeben Bundesvereinigung für Gesundheitserziehung e.V., Bernkasteler Str. 53,5300 Bonn 2 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Postfach 91 01 52,5000 Köln 91 Deutsche AIDS-Hilfee.V., Bundesverband, Berliner Str. 37,1000 Berlin 31 Aids-Aufklärung e.V., Verein zur Förderung von Informationen über die HIV-Infektion, Oberhöchstädter Weg 42, 6000 Frankfurt am Main 90, Tel.: 069/ 76 29 33 u n d 7 6 10 55 Bundesgesundheitsamt — AIDS-Arbeitsgruppe am Robert-Koch-Institut, Nordufer 20,1000 Berlin 65 Der Senator für Gesundheit und Soziales, An der Urania 12, 1000 Berlin 30 idis — Institut für Dokumentation und Information über Sozialmedizin und öffentliches Gesundheitswesen, Postfach 20 10 12,4800 Bielefeld 1 Bundesminister für Forschung und Technologie — Öffentlichkeitsarbeit — Projektträger Forschung im Dienste der Gesundheit — DFVLR, Südstr. 125,5300 Bonn 2 Bundesverband der Ortskrankenkassen, Kortrijker Str. 1,5300 Bonn 2 Gesundheitsamt der Stadt Bonn, Engeltalstr. 6,5300 Bonn 1 Gesundheitsamt Düsseldorf, Abt. 6 — Sprechstunde für sexuell übertragbare Krankheiten, Kölner Str. 180, 4000 Düsseldorf 1 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NW, Horionplatz 1,4000 Düsseldorf Gesundheitsamt der Stadt Essen, Bernestr. 7,4300 Essen 1 Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Steindamm 98-106,2000 Hamburg 1 Hamburger Arbeitskreis AIDS, c / o Gesundheitsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, Tesdorpfstr. 8, 2000 Hamburg 13 Niedersächsischer Sozialminister, Ref. Presse- und Öffentlichkeit, Postfach 141, 3000 Hannover Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Karlsruhe, AIDS-Informationsstelle, Stefanienstr. 72,7500 Karlsruhe Deutscher Ärzte-Verlag, Postfach 40 02 65,5000 Köln 40 (Merkblatt für Ärzte über AIDS) Landeszentrale für Gesundheitserziehung in Rheinland-Pfalz e.V., Karmeliterplatz 3,6500 Mainz Deutsches Grünes Kreuz, Schuhmarkt 4, 3550 Marburg/Lahn Hess. Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitserziehung e.V., Nikolaistr./Ecke Kirchplatz, 3550 Marburg/Lahn Gesundheitsamt Mettmann (Kreis Mettmann), Düsseldorfer Str. 26,4020 Mettmann Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Winzererstr. 9,8000 München 40 Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. (DVV), Pettenkoferstr. 9a, 8000 München 2 Gesundheitsbehörde München, Dachauer Str. 90, 8000 München 2 Bayerisches Staatsministerium des Innern, Interministerielle Arbeitsgruppe AIDS, Pressestelle, Odeonsplatz 3, 8000 München 22 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung des Saarlandes, Postfach 10 10,6600 Saarbrücken 1 Staatl. Gesundheitsamt Saarbrücken, AIDS-Beratungsstelle im „ H a u s der Gesundheit", Malstatter Str. 17, 6600 Saarbrücken

Adressenliste

Landeshauptstadt Stuttgart, Gesundheitsamt, Hohe Str. 28,7000 Stuttgart 1 Hess. Minister für Arbeit, Umwelt und Soziales, Dostojewskistr. 4,6200 Wiesbaden

Ärztliche Beratung und Hilfe Aidsberatungsstelle der medizinischen Einrichtungen der R W T H Aachen, Klinikum, Prof. Dr. Dr. Gillissen, Pauwelstraße, 5100 Aachen, Tel.: 0241/ 808 95 10 Gesundheitsamt der Stadt Aachen — Aidsberatungsstelle, Vereinsstr. 25, Zim. 402,5100 Aachen, Tel.: 0241/ 432 53 02 Gesundheitsamt der Stadt Aachen — Aidsberatung und Antikörpertestung, Oppenhofallee 84, 5100 Aachen, Tel.: 0241/ 541 648 Gesundheitsamt des Kreises Aachen — Sozialpsychiatrischer Dienst, Zollernstr. 10, 5100 Aachen Sozialpsychologisches Zentrum (Klären bei Fragen zu Aids bei Drogenabhängigen), Scheibenstr. 12, 5100 Aachen, Tel.: 0241/ 50 60 11 Staatl. Gesundheitsamt Aalen, Ziegelstr. 27,7080 Aalen 1 Staatl. Gesundheitsamt, Schloßplatz 5, 8890 Aichach Staatl. Gesundheitsamt, Gartenstr. 42-43,7470 Albstadt 1 Gesundheitsamt Landkreis Hildesheim, Nebenstelle Alfeld, Dr. Reimers, Ständehausstr. 1,3220 Alfeld/Leine Gesundheitsamt des Vogelbergkreises, Färbergasse 3,6320 Alsfeld 1 Gesundheitsamt Altenkirchen, In der Malzdürre, 5230 Altenkirchen Staatl. Gesundheitsamt, Neuöttinger Str. 10, 8262 Altötting Staatl. Gesundheitsamt Amberg, Schloßgraben 5,8450 Amberg Gesundheitsamt Mayen, Nebenstelle Andernach, Frau Dr. Fricke, Breite Str. 109, 5470 Andernach Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises, Nebenstelle Arnsberg, Eichholzstraße, 5760 Arnsberg 2 Staatl. Gesundheitsamt Augsburg, Jesuitengasse 13,8900 Augsburg Aids-Beratungsstelle des Gesundheitsamtes der Stadt Augsburg, Prof. Dr. J. G. Gostomzyk, Herr R. Schuster, Hoher Weg 8,8900 Augsburg, Tel.: 0821/ 32 42 051 Staatl. Gesundheitsamt Bad Kissingen, Nebenstelle Bad Brückenau, Frau Dr. Jahn, Kirchgasse 6, 8788 Bad Brückenau Gesundheitsamt des Landkreises Northeim, Nebenstelle Bad Gandersheim, Frau Dr. med Zinser-Schulz, Alte Gasse 26, 3353 Bad Gandersheim Gesundheitsamt des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, Friedloser Str. 12,6430 Bad Hersfeld Gesundheitsamt des Hochtaunuskreises, Taunustr. 3,6380 Bad Homburg v.d.H. Staatl. Gesundheitsamt Bad Kissingen, Salinenstr. 1, 8730 Bad Kissingen Gesundheitsamt Bad Kreuznach, Ringstr. 4, 6550 Bad Kreuznach Staatl. Gesundheitsamt Tauberbischofsheim, Außenstelle Bad Mergentheim, Herrenmühlstr. 20, 6990 Bad Mergentheim Gesundheitsamt Bad Neuenahr-Ahrweiler, Wihelmstr. 75,5483 Bad Neuenahr-Ahrweiler Staatl. Gesundheitsamt Bad Neustadt, Dr. Kriener, Otto-Hahn-Str. 17,4740 Bad Neustadt a. d. Saale Gesundheitsamt des Kreises Stormarn, Postfach 14 20,2060 Bad Oldesloe 1 Staatl. Gesundheitsamt, Salinenstr. 1,8230 Bad Reichenhall, Tel.: 08651/ 40 31 Gesundheitsamt des Rheingau-Taunus-Kreises, Gartenfeldstr. 15,6208 Bad Schwalbach

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Gesundheitsamt des Kreises Segeberg, 2360 Bad Segeberg Staatl. Gesundheitsamt, Beckstr. 5, 7460 Balingen Staatl. Gesundheitsamt Bamberg, Frau Dr. Spies, Kapuzinerstr. 25, 8600 Bamberg Staatl. Gesundheitsamt, Friedrichstr. 14, 8580 Bayreuth Bundesgesundheitsamt, Robert-Koch-Institut, Arbeitsgruppe AIDS, Prof Dr. M.A. Koch, Dr. L'Age-Stehr, Dr. Marcus u.a., Nordufer 20, 1000 Berlin 65, Tel.: 030/ 45 03 243 Beratungsstelle Geschlechtskrankheiten — AIDS-Beratungsstelle — Frau Dr. Kriester, Nazarethkirchstr. 49 a, 1000 Berlin 65 Gesundheitsamt Berlin-Charlottenburg, Wilmersdorfer Str. 98-99, 1000 Berlin 12 Gesundheitsamt Charlottenburg — Sozialmedizinischer Dienst für Schwangerschaft, Schwangerschaftskonflikt, Familienplanung und Eheberatung, Sophie-Charlotten-Str. 117,1000 Berlin 19, Tel.: 030/ 32 03 418 (563/504) Gesundheitsamt Berlin-Kreuzberg — Aids-Beratungsstelle, Urbanstr. 24,1000 Berlin 61, Mühlenhoffstr. 17, 1000 Berlin 61 (Ltd. Med. Dir. Ch. Spahn) Gesundheitsamt Berlin-Neukölln, Karl-Marx-Str. 83-85,1000 Berlin 44 Gesundheitsamt Berlin-Reinickendorf, Eichborndamm 215, (Ges. IVb), 1000 Berlin 26 Gesundheitsamt Berlin-Schöneberg, Aids-Beratungsstelle, Erfurter Str. 8, 1000 Berlin 62 Gesundheitsamt Spandau, Aids-Beratungsstelle, Carl-Schurz-Str. 17,1000 Berlin 20, Tel.: 030/ 33 03 23 53 Gesundheitsamt Berlin-Steglitz, Schloßstr. 80,1000 Berlin 41 Gesundheitsamt Berlin-Tempelhof, Aids-Beratungsstelle, Rathausstr. 27,1000 Berlin 27 Gesundheitsamt Berlin-Tiergarten, Aids-Beratungsstelle, Turmstr. 22, 1000 Berlin 21 Gesundheitsamt Berlin-Wedding, Aids-Beratungsstelle, Reinickendorfer Str. 60 b, 1000 Berlin 65 Gesundheitsamt Berlin-Wilmersdorf, Aids-Beratungsstelle, Sigmaringer Str. 1,1000 Berlin 31 Gesundheitsamt Berlin-Zehlendorf, Potsdamer Str. 8,1000 Berlin 37 Institut für Klinische und Experimentelle Virologie, Prof. Dr. med K.-O. Habermehl, Hindenburgdamm 27, 1000 Berlin 45 Klinikum Berlin-Steglitz, Prof. Dr. Hartmut Lode, 1000 Berlin-Steglitz Landesinstitut für Tropenmedizin, Dr. Bienzle, Königin-Elisabeth-Str. 32-42,1000 Berlin 19, Tel.: 030/ 302 60 31 Rudolf-Virchow-Krankenhaus, II. Innere Klinik, Chefarzt Prof. Dr. H. Pohle, Augustenburger Platz 1, 1000 Berlin 65, Tel.: 030/ 45 05 22 62 Gesundheitsamt Landkreis Osnabrück, Mittelstr. 2, 4558 Bersenbrück Gesundheitsamt der Stadt Bielefeld, August-Bebel-Str. 92,4800 Bielefeld 1 Gesundheitsamt Bitburg, Brodenheckstr. 13/15,5520 Bitburg Gesundheitsamt der Stadt Bochum, Westring 28-30, 4630 Bochum Staatl. Gesundheitsamt Böblingen, Parkstr. 4,7030 Böblingen Gesundheitsamt des Rhein-Sieg-Kreises, Nebenstelle Bonn, Wittelsbacher Ring 16,5300 Bonn Gesundheitsamt der Stadt Bonn, Engeltalstr. 6, 5300 Bonn 1 Institut für Exp. Hämatologie und Bluttransfusionswesen der Universität Bonn, Prof. Dr. H . Egli, Annaberger Weg (Venusberg), 5300 Bonn l , T e l . : 0228/ 19-21 75 Medizinische Universitätsklinik Bonn, Prof. Dr. med H.-J. Dengler, Venusberg, 5300 Bonn 1 Universitäts-Hautklinik und Poliklinik, Prof. Dr. R. Bauer, Dr. Wehrmann, Sigmund-Freud-Str. 25, 5300 Bonn l , T e l . : 0228/ 28 02 549

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Gesundheitsamt des Landkreises Wesermarsch, Rönnelstr. 10,2880 Brake Gesundheitsamt Braunschweig, Dr. Pfingsten-Würzburg, Postfach 33 09, Hamburger Str. 226,3300 Braunschweig, Tel.: 0531/ 470-7-254 Hauptgesundheitsamt Bremen, Aids-Beratungsstelle, Horner Str. 60-70,2800 Bremen, Tel.: o421/ 497 55 85 o. 51 21 Städtisches Gesundheitsamt Bremerhaven, Wurster Str. 49, 2850 Bremerhaven Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises, Verwaltungstelle Brilon, Heinrich-Jansen-Weg, 5970 Brilon Staatl. Gesundheitsamt Karlsruhe, Außenstelle Bruchsal, Schönbornstr. 3-5, 7520 Bruchsal Kreisgesundheitsamt des Wetteraukreises, Seemenbachstr. 3, 6470 Büdingen Staatl. Gesundheitsamt Calw, Dr. med. R. Lerch, 7260 Calw Gesundheitsamt des Landkreises Celle, Trift 26,3100 Celle Gesundheitsamt Cochem, Dr. Raaf, Bergstr. 25,5590 Cochem-Cond Gesundheitsamt des Landkreises Cuxhaven, Postfach 328, Vincent-LUbeck-Str. 2,2190 Cuxhaven Staatl. Gesundheitsamt Dachau, Krankenhausstr. 11,8060 Dachau, Tel.: 08131/ 6094-97 Gesundheitsamt Daun, Richardstraße, 5568 Daun Gesundheitsamt Stadt Delmenhorst, Lange Str. la, 2870 Delmenhorst Gesundheitsamt Diepholz, Sozialpsychiatrischer Dienst, Wellestr. 19,2840 Diepholz 1 Gesundheitsamt Lahnstein, Nebenstelle Diez, Wilhelmstr. 42a, 6252 Diez, Tel.: 06432/ 52 12 Gesundheitsamt Dillenburg, Bismarckstraße, 6340 Dillenburg Staatl. Gesundheitsamt, Weberstr. 14, 8880 Dillingen a.d. Donau Staatl. Gesundheitsamt, Außenstelle Donaueschingen, Moltkestr. 8,7710 Donaueschingen, Tel.: 0771/ 20 94-95 Staatl. Gesundheitsamt Donauwörth, Langemarck-Str. 1, 8850 Donauwörth Gesundheitsamt der Stadt Dortmund, Hövelstr. 8,4600 Dortmund l , T e l . : 0231/ 54 21 AIDS-Sprechstunden für Ärzte, Ärzte-Zeitung, z.H. Herrn Dr. med E.B. Wahler, Tel.: 06102/ 506-170, Postfach 10 10 47,6072 Dreieich 1 Gesundheitsamt Göttingen, Nebenstelle Duderstadt, Ebertring 25,4308 Duderstadt, Tel.: 05527/ 29 50 Gesundheitsamt Düren, Postfach 296, Marienstr. 19,5160 Düren Gesundheitsamt Düsseldorf, Abt. 6 — Sprechstunde für sexuell übertragbare Krankheiten, Dr. med Rainer Vossel, Kölner Str. 180,4000 Düsseldorf 1, Tel.: 0211/ 899-2662 Hygienisch-bakteriologisches Landesuntersuchungsamt, Prof. Dr. K. H o f f m a n n , A u f m Hennekamp 70, 4000 Düsseldorf, Tel.: 0211/ 34 20 75 Medizinische Klinik der Universität Düsseldorf, Prof. Dr. B. Miller, Dr. R.D. Hanrath, Moorenstr. 5, 4000 Düsseldorf, Tel.: 0211/ 311 78 33 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NW, P D Dr. Segerling, Horionplatz 1,4000 Düsseldorf, Tel.: 0211/ 837-35 82 Zentrum für Innere Medizin, Abt. für Gastroenterologie der Universität Düsseldorf, Dr. med J. P u r r m a n n u . Dr. Geliert, Moorenstr. 5,4000 Düsseldorf, Tel.: 0211/ 311 8938-7795 Staatl. Gesundheitsamt, Von-Feury-Str. 10,8017 Ebersberg, Tel.: 08092/ 210 82-3 Staatl. Gesundheitsamt Eichstätt, Frau Dr. Rott, Römerstr. 30,8078 Eichstätt, Tel.: 08421/ 40 96 Gesundheitsamt der Stadt Emden, A m alten Binnenhafen 2,2970 Emden, Tel.: 04921/ 2 50 04 Kreisgesundheitsamt des Odenwaldkreises, Michelstädter Str. 12, 6120 Erbach

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Institut für Klinische Virologie der Universität Erlangen-Nürnberg, Loschgestr. 7, 8520 Erlangen, Tel.: 09131/ 8535 63 Institut und Poliklinik für klinische Immunologie, Prof Kalden, Krankenhausstr. 12, 8520 Erlangen, Tel.: 09131/ 85-33 63 Staatl. Gesundheitsamt Erlangen, Schubertstr. 14, 8520 Erlangen Gesundheitsamt des Werra-Meißner-Kreises, Luisenstr. 23 c, 3440 Eschwege Gesundheitsamt Essen, Bernestr. 7,4300 Essen l . T e l . : 0201/ 181-26 21 Institut für med. Virologie und Immunologie, Prof. Dr. Scheiermann, Universitäts-Kliniken, Hufelandstr. 55, 4300 Essen l . T e l . : 0201/ 79 91 35 50-551 Medizinische Klinik, Prof. W. Pöttgen, Alfred-Krupp-Str. 21,4300 Essen l , T e l . : 0201/ 434-25 25 0 . 35 35 Path. Institut, Universitätsklinikum, Prof. Dr. L. Leder, Hufelandstr. 55,4300 Essen, Tel.: 0201/ 79 91-28 90 Kreisgesundheitsamt Euskirchen, Jülicher Ring 32, 5350 Euskirchen Gesundheitsamt des Landkreises Soltau-Fallingbostel, Postfach 80, Vogteistr. 19,3032 Fallingbostel 1 Gesundheitsamt Flensburg, Nordernstr. 58-60,2390 Flensburg Staatl. Gesundheitsamt, Frau Dr. med Fromm, A m Streckerplatz 3, 8550 Forchheim Kreisgesundheitsamt, Nebenstelle, Bahnhofstr. 8, 3558 Frankenberg (Eder) Gesundheitsamt Ludwigshafen, Nebenstelle Frankenthal, Frau Dr. Diehl, Gabelsbergerstr. 18,6710 Frankenthal Paul-Ehrlich-Insitut, Bundesamt für Sera + Impfstoffe, Prof Dr. R. Kurth, Paul-Ehrlich-Str. 22-24, 6000 Frankfurt am Main Aids-Beratungsstelle des Stadtgesundheitsamtes im Universitäts-Klinikum, Zentrum der Inneren Medizin, Dr. A. Jötten, Sandhofstr., Haus 68,6000 Frankfurt am Main 70, Tel.: 069/ 63 01-67 00 o. 67 02 Gesundheitsamt des Main-Taunus-Kreises, Dr. med Bretschneider, Bolongarostr. 101,6230 Frankfurt-Höchst Universitäts-Klinik, Zentrum für Innere Medizin, Frau Dr. E.B. Helm, Dr. Stille, Theodor-Stern-Kai 7, 6000 Frankfurt am Main 70, Tel.: 069/ 63 01 66 13 Albert-Ludwigs-Universität, Med. Universitätsklinik, Abt. Klin. Immunologie, Prof. Dr. med H . H . Peter, Prof. Dr. med F. Daschner, Hugstetter Str. 55,7800 Freiburg, Tel.: 0761/ 270-35 28 Universitäts-Hautklinik, Prof. Dr. med E. Schöpf, Dr. G. Gross, Hauptstr. 7,7800 Freiburg, Tel.: 0761/ 270 77 416 Staatl. Gesundheitsamt Freising, Dr. med A. Sulzinger, Johannisstr. 8, 8050 Freising Staatl. Gesundheitsamt, Reichsstr. 11, 7290 Freudenstadt Staatl. Gesundheitsamt, Dr. G. Gregori, Bahnhofstr. 10, 8393 Freyung Kreisgesundheitsamt des Wetteraukreises, Dr. Amann, Kaiserstr. 136,6360 Friedberg Staatl. Gesundheitsamt Friedrichshafen, Frau Dr. med Gisela Lamparter, Schmidtstr. 7-9,7990 Friedrichshafen 1, Tel.: 07541/ 210 86 Staatl. Gesundheitsamt Fürstenfeldbruck, Dr. Lehrnbecher, Postfach 16 51, Hans-Sachs-Str. 9, 8080 Fürstenfeldbruck Staatl. Gesundheitsamt, Dr. med Henkel, Stresemannplatz 8, 8510 Fürth/Bayern Gesundheitsamt des Landkreises Fulda, Dr. med Ewald, Otfried-von-Weißenburg-Str. 3, 6400 Fulda Staatl. Medizinaluntersuchungsamt, Dr. med K. Kruse, Marquardstr. 31,6400 Fulda, Tel.: 0661/ 60 10 71/72 Staatl. Gesundheitsamt, Partnachstr. 26, 8100 Garmisch-Partenkirchen Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises, Dr. med C. Schubert, Barbarossastr. 20,6460 Gelnhausen Gesundheitsamt Germersheim, Hauptstr. 25, 6738 Germersheim

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Gesundheitsamt des Landkreises Gießen, Ostanlage 45,6300 Gießen, Tel.: 0641/ 30 14 17 Gesundheitsamt Gifhorn, Allerstr. 21,3170 Gifhorn Staatl. Gesundheitsamt Göppingen, Burgstr. 14,7320 Göppingen Kreisgesundheitsamt Groß-Gerau, Wilhelm-Seipp-Str. 4, 6080 Groß-Gerau Gesundheitsamt Hagen — Beratungsstelle, Grashofstr. 41,5800 Hagen Aids-Beratungs- und Informationsstelle der Gesundheitsbehörde im AK St. Georg, Lübeckertordamm 5, 2000 Hamburg l , T e l . : 040/ 24 88-24 88 o. 34 43 Allgemeines Krankenhaus St. Georg, Hautabteilung, Dr. med Th. Dettke, Lohmühlenstr. 5,2000 Hamburg 1, Tel.: 040/ 24 88-01 Bernhard-Nocht-lnstitut für Schiffs- und Tropenkrankheiten, Prof. Dr. med. M. Dietrich, Dr. Thöne, Dr. Kern, Bernhard-Nocht-Str. 74,2000 Hamburg 4, Tel.: 040/ 31 10 23 90 Gesundheitsamt (Bock), Max-Brauer-Allee 152,2000 Hamburg 50, Tel.: 040/ 3807-21 95 Gesundheitsamt des Bezirksamtes Hamburg-Nord, Kümmellstr., 2000 Hamburg 20 Institut für Med. Mikrobiologie und Immunologie, Universität Hamburg, Prof. Dr. R. Laufs, Martinistr. 52, 2000 Hamburg 20, Tel.: 040/ 468-20 26/ 2896/ 3147 Gesundheitsamt der Stadt Hamm, Heinrich-Reinköster-Str. 8, 4700 Hamm 1 Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises, Eugen-Kaiser-Str. 9,6450 Hanau 1 Beratungsstelle des Gesundheitsamtes der Landeshauptstadt Hannover, Ricklinger Str. 3 B, 3000 Hannover 1, Tel.: 0511/ 168 38 90/ 3590/ 3229 Gesundheitsamt des Landkreises Hannover, Dr. Plentz, Hildesheimer Str. 20, 3000 Hannover Immunologische Ambulanz der Med. Hochschule, Prof. Dr. Deicher, Konstanty-Gutschow-Str. 8,3000 Hannover, Tel.: 0511/ 532 30 14 Modell Sexualmedizin der Med. Hochschule Hannover, Dr. W. Müller, Dr. K. Pacharzina, Karl Wiechert-Allee 9, 3000 Hannover 61, Tel.: 0511/ 532 52 58 o. 31 75 Staatl. Medizinaluntersuchungsamt Hannover, Prof. Dr. Höpken, Frau Dr. Willers, Roesebeckstr. 4, 3000 Hannover 91, Tel.: 0511/ 44 43 71 Staatl. Gesundheitsamt Haßfurt, Heideloffplatz 14, 8728 H a ß f u r t Staatl. Gesundheitsamt, Zollernstr. 25,7450 Hechingen Gesundheitsamt des Kreises Dithmarschen, Neue Anlage 18,2240 Heide, Tel.: 0481/ 97-350 Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universitäts-Hautklinik, Prof. Dr. D. Petzold u.a., Voßstr. 2, 6900 Heidelberg l . T e l . : 06221/ 56 49 58 o. 55 36 Staatl. Gesundheitsamt, Karlstr. 17, 7920 Heidenheim/Brenz, Tel.: 07321/ 34 21 Staatl. Gesundheitsamt Heilbronn, Uhlandstr. 12,7100 Heilbronn Kreisgesundheitsamt, Valkenburger Str. 45,5138 Heinsberg Gesundheitsamt des Landkreises Hildesheim, Dr. Reimers, Ludolfingerstr. 2, 3200 Hildesheim Gesundheitsamt des Kreises Höxter, Moltkestr. 12,3470 Höxter 1 Staatl. Gesundheitsamt Hof, Theaterstr. 8,7680 Hof/Saale Gesundheitsamt des Landkreises Kassel, Bahnhofstr. 22-26, 3520 Hofgeismar Gesundheitsamt des Landkreises Schwalm-Eder-Kreis, Dr. Schröder, Freiheiter Str. 29, 3588 Homberg (Efze) Gesundheitsamt Steinfurt, Nebenstelle Ibbenbüren, Dr. Stolte, Oststr. 30,4530 Ibbenbühren Gesundheitsamt Idar-Oberstein, Mainzer Str. 159, 6580 Idar-Oberstein Staatl. Gesundheitsamt Eichstätt, Nb. Ingolstadt, Frau Dr. Rott, Esplanade 29, 8070 Ingolstadt

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Gesundheitsamt des Kreises Steinburg, Aids-Beratungsstelle, Viktoriastr. 17, 2210 Itzehoe Gesundheitsamt Kaiserslautern, Pfaffstr. 40,6750 Kaiserslautern Staatl. Gesundheitsamt, Schillerweg 9, 8782 Karlstadt, Tel.: 09353/ 75 36 Gesundheitsamt Kassel, Aids-Beratungstelle, Frau Dr. Hirsch, Obere Königstr. 3,3500 Kassel, Tel.: 0561/ 7875044/ 5048 Staatl. Gesundheitsamt Sonthofen, Dienststelle Kempten, Pfeilergraben 14, 8960 Kempten Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Kiel, Dr. med E. Tsokos-Seifert, Fleethörn 18-24,2300 Kiel 1, Tel.: 0431/ 90 12 122 Staatl. Gesundheitsamt, Friedenstr. 7, 6719 Kirchheimbolanden, Tel.: 06352/ 35 44 Staatl. Gesundheitsamt, Bismarckstr. 7, 8710 Kitzingen Gesundheitsamt des Kreises Kleve, Nassauer Allee, 4190 Kleve Gesundheitsamt und Medizinaluntersuchungsamt Koblenz, Neversstr. 4-6, 5400 Koblenz 1 Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz, Emst-Rodenwaldt-Institut, Oberstabsarzt Dr. Zöller, Viktoriastr. 11-13,5400 Koblenz, Tel.: 0261/ 1 00 21-368/ 345 (nur für die Bundeswehr) Aids-Beratung beim Gesundheitsamt der Stadt Köln, Neumarkt 15-21,5000 Köln 1, Tel.: 0221/ 221 46 02 Med. Universitäts-Klinik II — Poliklinik, Dr. M. Schrappe-Bächer, Josef-Stelzmann-Str. 9, 5000 Köln 41 Sektion Virologie der Dtsch. Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, Fürst-Pückler-Str. 56, 5000 Köln 41, Tel.: 0221/ 478-44 81 Universitäts-Hautklinik, Dr. Rasokat, Dr. Minnemann, Joseph-Stelzmann-Str. 9,5000 Köln 41, Tel.: 0221/ 47 84 543 Kreisgesundheitsamt, Am Kniep 50, 3540 Korbach Gesundheitsamt Krefeld, Frau Dr. med. Waldmann, Westparkstr. 99,4150 Krefeld Staatl. Gesundheitsamt Kronach, Langer Steig 10, 8640 Kronach Gesundheitsamt, Dr. Seiler, Triererstr. 49,6798 Kusel Gesundheitsamt Lahnstein, Bodewigstr. 32, 5420 Lahnstein Gesundheitsamt, Reiterstr. 16, 6740 L a n d a u / P f a l z Staatl. Gesundheitsamt, Dr. med Rulf, Kohlstattstr. 8, 8910 Landsberg a. Lech Staatl. Gesundheitsamt Lauf a.d.P., Waldluststr. 3,8560 Lauf a.d. Pegnitz Kreisgesundheitsamt des Vogelbergkreises, Bahnhofstr. 51,6420 Lauterbach Gesundheitsamt Lemwerder, Eschhofstr. 14, 2874 Lemwerder Staatl. Gesundheitsamt Ravensburg, Nb. Leutkirch, Dr. V. Baumann, Wangener Str. 12, 7970 Leutkirch Staatl. Gesundheitsamt Lindau, Ludwig-Kick-Str. 22, 8990 Lindau (B) Gesundheitsamt des Kreises Soest, 4870 Lippstadt Staatl. Gesundheitsamt Lörrach, Humboldtstr. 12,7850 Lörrach l . T e l . : 07621/ 86 091 Staatl. Gesundheitsamt Ludwigsburg, Stuttgarter Str. 28,7140 Ludwigsburg Gesundheitsamt Ludwigshafen, Dörrhorststr. 36, 6700 Ludwigshafen a. Rhein Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck, Aids-Beratung, Schmiedestr. 7,2400 Lübeck 1, Tel.: 0451/ 12-25 350/ 301 Medizinische Universität zu Lübeck, Klinik für Dermatologie u. Venerologie, Prof. Dr. med. Wolff, Ratzeburger Allee 120 o. 160,2400 Lübeck l , T e l . : 0451/ 500-2510 Gesundheitsamt des Landkreises Lüchow-Dannenberg, Dr. Lindemann-Str. 30,3130 Lüchow

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Gesundheitsamt des Märkischen Kreises, Dr. Festl, Heedfelder Str. 45,5880 Lüdenscheid, Tel.: 02351/ 67-14 80 Gesundheitsamt des Landkreises Lüneburg, Bardowicker Str. 32,2120 Lüneburg, Tel.: 04131/ 26 470 Gesundheitsamt des Kreises Unna, Nebenstelle Lünen, Viktoriastr. 5,4670 Lünen Gesundheitsamt Mainz, Große Langgasse 29,6500 Mainz, Tel.: 06131/ 22 53 53 I. Med. Klinik und Poliklinik der Joh. Gutenberg-Universität, Prof. Dr. Dr. Meyer zum Büschenfelde, Langenbeckstr. 1,6500 Mainz, Tel.: 06131/ 17 71 97 Staatl. Gesundheitsamt — Aids-Beratungstelle, Dipl. Soz. Päd. Astrid Müller, Dr. U. Spohr, LI, 1, 6800 Mannheim, Tel.: 0621/ 292 32 57 Med. Poliklinik der Universität Marburg, Hämatologische Ambulanz, Baldinger Straße, 3550 Marburg, Tel.: 06421/ 28 49 48 Gesundheitsamt Marburg-Biedenkopf, Schwanallee23, 3550 Marburg/Lahn, Tel.: 06421/ 24 091 Gesundheitsamt des Landkreises Osnabrück, Nebenstelle Melle, Wallgarten 1,4520 Melle 1 Staatl. Gesundheitsamt Mindelheim, Dienststelle Memmingen, Bismarckstr. 1, 8940 Memmingen Gesundheitsamt Landkreis Emsland, Dr. med. Mickat, Ordeniederung 1,4470 Meppen Staatl. Gesundheitsamt Merzig-Wadern, Dr. Pitzer, Postfach 10 044,6640 Merzig Gesundheitsamt des Hochsauerlandkreises, Am Rautenschemm, 5778 Meschede Gesundheitsamt des Kreises Mettmann, Düsseldorfer Str. 26,4020 Mettmann, Tel.: 02104/ 790 537 (mit Dienststellen in Hilden, Langenfeld, Monheim, Ratingen und Velbert) Staatl. Gesundheitsamt, Brückenstr. 23, 8760 Miltenberg/Main Staatl. Gesundheitsamt, Bahnhofstr. 18,8948 Mindelheim Gesundheitsamt des Kreises Minden-Lübbecke, Dr. Lingesleben, Portastr. 13,4950 Minden Städt. Gesundheitsamt Mönchengladbach, Am Steinberg 55,4050 Mönchengladbach Gesundheitsamt des Kreises Wesel, Hauptstelle Moers, Augustastr. 1,4130 Moers 1 Gesundheitsamt Montabaur, Fürstenweg 16, 5430 Montabaur Staatl. Gesundheitsamt, Lohrtalweg 2, 6950 Mosbach/Baden, Tel.: 06261/ 8-1 Staatl. Gesundheitsamt Mühldorf a. Inn, Töginger Str. 18b, 8260 Mühldorf a. Inn, Tel.: 08631/ 20 22 24 Gesundheitsamt der Stadt Mülheim a.d. Ruhr, Ruhrstr. 40-42,4330 Mülheim a.d. Ruhr Anonyme Aids-Beratungsstelle der Städt. Gesundheitsbehörde München, Dachauer Str. 90,8000 München 2, Tel.: 089/ 5207-270 Arbeitsgruppe AIDS, I. Med. Abt. des Städt. Krankenhauses Schwabing, Kölner Platz 1,8000 München 40, Tel.: 089/ 30 68 74 33 Dermatologische Klinik und Poliklinik der Universität, Männerambulanz, Prof. Dr. Ring u.a., Frauenlobstr. 9-11, 8000 München 2, Tel.: 089/ 53 97-644 Dermatologische Klinik und Poliklinik, Techn. Universität, Dr. R. Engst, Biedersteiner Str. 29, 8000 München 40, Tel.: 089/ 38 491 Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V., Prof. Dr. med F. Deinhardt, Max v. Pettenkofer-Institut für Hygiene und Med. Mikrobiologie der Universität München, Pettenkofer Str. 9a, 8000 München 2, Tel.: 089/ 53 93 21 Institut für Immunologie, Prof Dr. Riethmüller, Schillerstr. 42,8000 München 2, Tel.: 089/ 599 63 96 Med. Klinik, Universität München, Prof. Dr. Goebel, Prof. Dr. R. Hehlmann, Pettenkoferstr. 8a, 8000 München 2, Tel.: 089/ 51 60 35 56 Hautklinik der Universität Münster, Prof. Dr. J. Knop, Frau Dr. Bonsmann, Von-Esmarch-Str. 56, 4400 Münster, Tel.: 0251/ 83 65 01

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Hygienisch-bakt. Landesuntersuchungsamt, Prof. Dr. G. Maass, Von-Stauffenbergstr. 36, 4400 Münster, Tel.: 0251/ 79 058 Staatl. Gesundheitsamt Calw, Dienststelle Nagold, 7270 Nagold Staatl. Gesundheitsamt Neuburg/Donau, Müller-Gnadenegg-Weg 1,8858 Neuburg/Donau, Tel.: 08431/ 9025 o. 9026 Med. Klinik II des Lukaskrankenhauses, Prof. Dr. med P. Szygan, Preußenstr. 84,4040 Neuss, Tel.: 02101/ 888 27 10 Staatl. Gesundheitsamt, Ansbacher Str. 8, 8530 Neustadt a.d. Aisch Gesundheitsamt Neustadt, Neumayerstr. 10,6730 Neustadt a.d. Weinstraße Staatl. Gesundheitsamt Neu-Ulm, Donaustr. 24,7910 Neu-Ulm, Tel.: 0731/73 088 Gesundheitsamt Neuwied, Ringstr. 70, 5450 Neuwied 1 Gesundheitsamt Niebüll, Gather Landstr. 75,2260 Niebüll Gesundheitsamt Landkreis Nienburg, Triemerstr. 17,3070 Nienburg Staatl. Gesundheitsamt Donauwörth, Dienststelle Nördlingen, Bürgermeister-Reiger-Str. 25, 8860 Nördlingen Gesundheitsamt Norden, Am Sportplatz 23,2980 Norden 1 Gesundheitsamt Nordenham, Albert-Schweitzer-Str., 2890 Nordenham Gesundheitsamt des Landkreises Grafschaft Bentheim, Am Bölt 27,4460 Nordhorn Gesundheitsamt des Landkreises Northeim, Wolfshof 10,3410 Northeim 1 Staatl. Gesundheitsamt Esslingen, Außenstelle Nürtingen, Ersbergstr. 42, 7440 Nürtingen Gesundheitsamt der Stadt Oberhausen, Tannenbergstr. 11/13, 4200 Oberhausen Staatl. Gesundheitsamt Miltenberg, Dienstelle Obernburg, 8753 Obernburg Aids-Beratungstelle des Stadtgesundheitsamtes, Dreieichring 24,6050 Offenbach, Tel.: 069/ 80 65 21 11 Staatl. Gesundheitsamt Offenburg, Frau Dr. Safi, Wilhelmstr. 5,7600 Offenburg, Tel.: 0781/ 476 700

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Gesundheitsamt der Stadt Oldenburg, Rummelweg 18,2900 Oldenburg Gesundheitsamt des Kreises Olpe, Dr. J. Haase, Westfälische Str. 32,5960 Olpe, Tel.: 02761/ 81-435 Gesundheitsamt der Stadt Osnabrück, Hakenstr. 6, 4500 Osnabrück Gesundheitsamt des Landkreises Osnabrück, A m Schölerberg 1, 4500 Osnabrück Med. Klinik d. Stadt. Kliniken, Dr. med St. Gesenhues, Natruper-Tor-Wall 1,4500 Osnabrück, Tel.: 0541/ 323 31 14 Gesundheitsamt Kreis Paderborn, Dr. Eicker, Aldegreverstr. 10-14,4790 Paderborn Staatl. Gesundheitsamt, Schmiedpeunt 11,8570 Pegnitz Gesundheitsamt Landkreis Peine, Maschweg 21,3150 Peine, Tel.: 05171/ 17 007 Kreisgesundheitsbehörde Pinneberg, Moltkestr. 8,2080 Pinneberg Gesundheitsamt Pirmasens, Fabrikstr. 41/43,6780 Pirmasens Gesundheitsamt Bitburg, Nebenstelle Prüm, Teichstr., 5540 Prüm, Tel.: 06551/ 525-526 Staatl. Gesundheitsamt Rastatt, Kehler Str. 3,7550 Rastatt, Tel.: 07222/ 387 480 Staatl. Gesundheitsamt, Guntherstr. 12, 8370 Regen Staatl. Gesundheitsamt, Sedanstr. 1, 8400 Regensburg, Tel.: 0941/ 79 81 01 Gesundheitsamt Remscheid, Hastener Str. 15,5630 Remscheid

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Kreisgesundheitsamt Rendsburg-Eckernförde, Kaiserstr. 8, 2370 Rendsburg Staatl. Oesundheitsamt, Dr. U . W o l f , St. Wolfgang-Str. 13,7410 Reutlingen 1 Gesundheitsamt des Rhein-Sieg-Kreises, Frau Dr. Brandis, Langgasse 6,5308 Rheinbach, Tel.: 02226/ 20 63 Gesundheitsamt Rinteln, Breite Str. 17,3260 Rinteln Gesundheitsamt, Wiesenstr. 2b, 6760 Rockenhausen, Tel.: 06361/ 72 97 Staatl. Gesundheitsamt, Rathausstr. 30, 8200 Rosenheim Gesundheitsamt des Landkreises Rotenburg (Wümme), Bahnhofstr. 15,2720 Rotenburg (Wümme) Staatl. Gesundheitsamt, Kaiserstr. 6,7210 Rottweil, Tel.: 0741/ 24 36 60 Kreisgesundheitsamt Groß-Gerau, Nebenstelle Rüsselsheim, Hans-Sachs-Str. 56, 6090 Russelsheim Aids-Beratungstelle Gesundheitsamt, Dr. R. Göbel, Malstatter Str. 17,6600 Saarbrücken, Tel.: 0681/ 58 65 416 Gesundheitsamt Trier, Nebenstelle Saarburg, Auf dem Graben 9,5510 Saarburg Staatl. Gesundheitsamt Saarlouis, Choisy-Ring 5,6630 Saarlouis Gesundheitsamt Stadt Salzgitter, Postfach 10 06 80,3320 Salzgitter 1 Staatl. Gesundheitsamt St. Wendel, Mommstr. 31,6690 St. Wendel, Tel.: 06851/ 50 06 Gesundheitsamt des Kreises Schleswig-Flensburg, Lutherstr. 8,2380 Schleswig Staatl. Gesundheitsamt Roth, Dienststelle Schwabach, Bahnhofstr. 26,8540 Schwabach/Bayern Staatl. Gesundheitsamt, Bahnhofstr. 26,7170 Schwäbisch Hall Gesundheitsamt Ennepe-Ruhr-Kreis, Hauptstr. 92, 5830 Schwelm Staatl. Gesundheitsamt Wunsiedel, Außenstelle Selb, Lessingstr. 2, 8672 Selb Gesundheitsamt Simmern, Hüllstr. 13,6540 Simmern Gesundheitsamt des Kreises Soest, Frau Dr. Müller, Hoher Weg 1-3,4770 Soest Gesundheitsamt Solingen, Merscheider Str. 1, 5650 Solingen 11 Gesundheitsamt Ludwigshafen, Nebenstelle Speyer, Maximilianstr. 8/9,6720 Speyer Gesundheitsamt Stadthagen, Probsthäger Str. 6,3060 Stadthagen Staatl. Gesundheitsamt Starnberg, Dampfschiffstr. 2a, 8130 Starnberg Gesundheitsamt, Frau Dr. Tottleben, Hohe Str. 28,7000 Stuttgart l . T e l . : 0711/ 216 2602 o. 2559 Katharinenhospital Stuttgart, Abt. f. Innere Medizin, Prof. Dr. P. Jipp, Kriegsbergstr. 60,7000 Stuttgart 1 Robert-Bosch-Krankenhaus, Zentrum für Innere Medizin, Prof. Dr. Schumacher, Auerbachstr. 110, 7000 Stuttgart, Tel.: 0711/ 8101-506 Staatl. Gesundheitsamt Amberg, Dienststelle Sulzbach-Rosenberg, Bayreuther Str. 8, 8458 Sulzbach-Rosenberg Gesundheitsamt Syke, Sozialpsychiatrischer Dienst, Schloßweide, 2808 Syke Staatl. Gesundheitsamt Traunstein, Dr. Wacker, Bachmeyerstr. 13, 8220 Traunstein Gesundheitsamt Trier, Paulinstr. 60,5500 Trier Staatl. Gesundheitsamt, Freiburger Str. 42,7200 Tuttlingen, Tel.: 07461/ 29 90 Staatl. Gesundheitsamt Friedrichshafen, Außenstelle Überlingen, Frau Dr. Miller, Mühlenstr. 26,7770 Überlingen, 07551/ 40 31 Gesundheitsamt, Frau Dr. Kaiser, Auf dem Rahlande 15,3110 Uelzen Universität Ulm, Zentrum für Innere Medizin, Prof. Dr. H . Heimpel, Oberer Eselsberg, 7900 Ulm/Donau

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Gesundheitsamt des Kreises Unna, Wesselstr. 25,4750 Unna Gesundheitsamt des Landkreises Vechta, Dr. Rumphorst, Neuer Markt 8, 2848 Vechta, Tel.: 04441/ 16-281 Gesundheitsamt Landkreis Verden, Ostertorstr. 11,2810 Verden (Aller) Staad. Gesundheitsamt, Bahnhofstr. 54,7050 Waiblingen Staatl. Gesundheitsamt Waldshut, Eisenbahnstr. 9, 7890 Waldshut-Tiengen 1 Gesundheitsamt Kreis Warendorf, Dr. Klein, Waldenburger Str. 2,4410 Warendorf, Tel.: 02581/ 530 Staatl. Gesundheitsamt, Maistr. 7-9, 8480 Weiden i.d. Opf. Staatl. Gesundheitsamt, Rothenburger Str. 45, 8832 Weißenburg Gesundheitsamt des Lahn-Dill-Kreises, Philosophenweg 11, 6330 Wetzlar Gesundheitsamt des Kreises Werra-Meißner-Kreis, Gelsterstr. 12, 3430 Witzenhausen 1 Gesundheitsamt Landeshauptstadt Wiesbaden, Dotzheimer Str. 38/40,6200 Wiesbaden Gesundheitsamt der Stadt Wilhelmshaven, Virchowstr. 17, 2940 Wilhelmshaven Gesundheitsamt des Landkreises Harburg, Dr. Markus, Schloßplatz 6,2940 Winsen (Luhe) Staatl. Gesundheitsamt, Kurfürstenstr. 67,5560 Wittlich Gesundheitsamt der Stadt Wolfsburg (Erstkontakt mit Frau Bogatzki), Rosenweg la, 3180 Wolfsburg, Tel.: 05361/ 51 031 Gesundheitsamt Alzey-Worms, Andreastr. 19,6520 Worms Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg, Versbacher Str. 7, 8700 Würzburg, Tel.: 0931/ 201 39 51 Medizinische Poliklinik der Universität Würzburg, Klinikstr. 6-8,8700 Würzburg, Tel.: 0931/ 31 431 Medizinische Klinik (Luitpoldkrankenhaus) der Universität Würzburg, Josef-Schneider-Str. 2, 8700 Würzburg, Tel.: 0931/ 201 31 88 Staatl. Gesundheitsamt, Dr. Heim, Theaterstr. 23, 8700 Würzburg Staatl. Gesundheitsamt Wunsiedel, Dr. Wiedemayer, Sechsämterlandstr. 8, 8592 Wunsiedel Gesundheitsamt Zweibrücken, Gutenbergstr. 31,6660 Zweibrücken

AIDS-Selbsthilfegruppen Bundesverband: Deutsche AIDS-Hilfe e.V., Berliner Str. 37,1000 Berlin 31, Tel.: 030/ 86 06 51 Aachener AIDS-Telefon, Ärzte beim Arbeitersamariterbund, Kaiserplatz 11,5100 Aachen AIDS-Hilfe Aachen e.V., Schloßstr. 2 oder Bachstr. 27,5100 Aachen,Tel.: 0241/ 53 25 58(Dil0-12h) Arbeitskreis AIDS c / o Fachschaft 6/1 der RWTH Aachen, Templergraben 83,5100 Aachen, Tel.: 0241/ 80 60 01 AIDS-Hilfe Ahlen e.V., Königstr. 9,4730 Ahlen Augsburger AIDS-Hilfe e.V., Postfach 11 01 25,8900 Augsburg 11, Tel.: 0821/ 15 38 06(Mil9-21h) Berliner AIDS-Hilfe, Meinekestr. 12,1000 Berlin 15, Tel.: 030/ 882 55 53 BASG e.V. — Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule im Gesundheitswesen, Ärzte & Therapeuten e.V., Bleibtreustr. 15/16, 1000 Berlin 12, Tel.: 030/ 883 65 90 Mann-o-Meter (Dipl.Psych. Marc Wiltzius) Information + Treffpunkt für Schwule, Mansteinstr. 16, 1000 Berlin 30 AIDS-Hilfe Bielefeld e.V., Alfred-Bozi-Str. 10,4800 Bielefeld, Tel.: 0521/ 17 39 25 (Mo-Do 10-13h) AIDS-Hilfe Bonn, Rathausgasse 30,5300 Bonn l , T e l . : 0228/ 63 14 68/ 69 (Mo, Di, Mi 14-17h)

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Braunschweiger AIDS-Hilfe, Postfach 16 43,3300 Braunschweig, Tel.: 0531/ 75 902 AIDS-Hilfe Bremen e.V., Friedrich-Karl-Str. 20a, 2800 Bremen, 0421/ 44 49 47 AIDS-Hilfe Bremerhaven, Postfach 21 05 30, Grashofstr. 23a, 2850 Bremerhaven AIDS-Hilfe Dortmund e.V., Gerichtsstr. 5,4600 Dortmund l , T e l . : 0231/ 55 11 87 AIDS-Hilfe Düsseldorf e.V., Kölner Str. 216,4000 Düsseldorf l . T e l . : 0211/ 72 20 48 Institut für Lebens- und Sexualberatung der DGSS (Arbeitskreis AIDS), Gerresheimer Str. 20,4000 Düsseldorf 1, Tel.: 0211/ 35 45 91 Pro Familia —Homosexuellenberatung, Johanniterstr., 4100 Duisburg, Tel.: 0203/ 66 32 33 Duisburger AIDS-Hilfe e.V., Musfeldstr. 163-166,4100 Duisburg l , T e l . : 0203/ 66 66 33 (Mo + Do 20-22h) Verein,,AIDS-Hilfe" e.V. Essen, Geschäftsräume der AWO, Pferdemarkt 5,4300 Essen 1 AIDS-Selbsthilfegruppe, Bernd Neufurth, Attendorner Str. 5,5950 Finnentrop Verein Arbeits- und Erziehungshilfe e.V. (Frankfurter Projekt für Männer und Frauen, die sich seit einem halben Jahr von der Drogenbindung gelöst haben und HTLV-lII-positiv sind), Karlsruher Str. 9, 6000 Frankfurt am Main 1 AIDS-Hilfe Frankfurt am Main, Eschersheimer Landstr. 9,6000 Frankfurt am Main l , T e l . : 069/ 59 00 12 Freiburger AIDS-Hilfe e.V., Postfach 17 55, Eschholzstr. 19, 7800 Freiburg i.Br., Tel.: 0761/ 27 69 24(Mi + Fr 19-21h) AIDS-Hilfe Göttingen e.V., Postfach 11 14,3400 Göttingen, Tel.: 0551/ 43 735 (Di 19-21h, So ll-13h) AIDS-Hilfe Hamburg e.V. im Magnus Hirschfeld Zentrum, Dipl.-Psych. H . G . F l o ß , Borgweg 8,2000 Hamburg 60, Tel.: 040/ 270 53 30 u. 53 23 AIDS-Koordination im Gesundheitsladen Hamburg e.V., Nernstweg 32,2000 Hamburg 50, Tel.: 040/ 24 02 02 (Mi + Fr 19-22h), 33 58 45 (Di 18-20h, So 15-18h) Anonyme Drogenberatung Kö 16 A, Königstr. 16a, 2000 Hamburg 50, Tel.: 040/ 3807-2666 Beratungsstelled. INTERVENTION e.V., St.-Georgs-Kirchhof 26,2000 Hamburg l , T e l . : 040/ 24 04 02 Betreuungszentrum der AIDS-Hilfe Hamburg e.V. — Struensee Centrum — Hallerstr. 72,1. Stock, 2000 Hamburg 13, Tel.: 040/ 44 16 31 Familienplanungszentrum (im Rahmen der Schwangerschaftsberatung und Sexualaufklärung), Bei der Johanniskirche 20,2000 Hamburg 50, Tel.: 040/ 439 28 22 Frauen in der Kaffeeklappe (für Prostituierte), Seilerstr. 34,2000 Hamburg 4, Tel.: 040/ 31 64 95 Homosexuellenberatung des Beratungszentrums St. Petri, Kreuslerstr. 8, 2000 Hamburg 1, Tel. : 040/ 33 58 45 Gruppe Homosexuelle und Kirche (HuK), R. Sauer, Tel.: 040/ 229 86 85 Kontakte zu Politikern, Behörden, Fachleuten und Verbänden: Dieter Tel.: 43 60 93 und Fritz Tel.: 430 08 48 Kodrobs Drogenberatung c / o , . J u g e n d hilft J u g e n d " , Max Brauer-Allee 116,2000 Hamburg 50, Tel.: 040/ 380 95 47 P r o Familia, Poppenhusenstr. 12, III. Etage, 2000 Hamburg 60, Tel.: 040/ 29 07 02 P r o Familia, Schlüterstr. 14, II. Etage, 2000 Hamburg 13, Tel.: 040/ 45 78 38 Selbsthilfe-Information: KISS, Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen, Gaußstr. 21,2000 Hamburg 50, Tel.: 040/ 39 57 67 Sexualberatungsstelle der Universität Hamburg, Poppenhusenstr. 12, 2000 Hamburg 60, Tel.: 040/ 29 84 24 98 AIDS-Hilfe Hamm e.V., Rosa Luxemburgstr. 41,4700 Hamm 5, Tel.: 02381/ 68 041 Hannoversche AIDS-Hilfe e.V., Johannsenstr. 8,3000 Hannover, Tel.: 0511/ 32 77 71 o. 32 77 72 Schwule Selbsthilfe — Rosa Hilfe Hannover, Wedekindstr. 1,3000 Hannover, Tel.: 0511/ 34 11 75(19-21h) AIDS-Hilfe Heidelberg e.V., Postfach 10 12 43 o. 10 12 49,6900 Heidelberg, Tel.: 06221/ 16 17 00 AIDS-Hilfe Unterland e.V., Uhlandstr. 12,7100 Heilbronn, Tel. : 07131/ 64 37 66

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Jugend- und Drogenberatung für den Main-Taunus-Kreis, Hattersheimer Str. 5, 6238 Hofheim a.T. AIDS-Hilfe im Kreis Unna e.V., Postfach 11 03,4708 Kamen AIDS-InitiativeKarlsruhe, Postfach 12 66, Kronenstr. 2,7500 Karlsruhe l . T e l . : 0721/ 69 34 04(Do20-22h) AIDS-Hilfe Kassel im FISB (Verein zur Förderung der Interessen sozial Benachteiligter) Leipziger Str. 239, 3500 Kassel, Tel.: 0561/ 535 42 AIDS-Hilfe Kiel c / o Ludwig Bockel, Saarbrücker Str. 177,2300 Kiel, Tel.: 0431/ 67 77 99 u. 68 72 49 AIDS-Hilfe Köln e.V., Hohenzollernring 48,5000 Köln l . T e l . : 0221/ 24 92 09 AIDS-Hilfe Konstanz e.V., Friedrichstr. 21,7750 Konstanz, 07531/ 56 062 (Mi 20-22h) Anonym. „Rosa Telefon" der Gruppe HIOB e.V., Postfach 11 71,7630 Lahr, Tel.: 07821/ 38 383 (Mo 20-22h) Lübecker AIDS-Hilfe, Gerade Querstr. 2, Postfach 19 31,2400 Lübeck l . T e l . : 0451/ 12 25 747 (Di 19-21h) AIDS-Hilfe Mainz, Postfach 11 73, Hopfengarten 19,6500 Mainz, Tel.: 06131/ 22 10 20 u. 22 22 75 AIDS-Hilfe Mannheim, Postfach 161, Schwetzinger Str. 69,6800 Mannheim l . T e l . : 0621/ 74 57 43(Do20-23h) Pro Familia e.V., Universitätsstr. 42,3550 Marburg/Lahn Drogenberatungsstelle für den Kreis Minden-Lübbecke, Scharn 6, 4950 Minden Münchner AIDS-Hilfe e.V., Müllerstr. 44,8000 München 5, Tel.: 089/ 26 43 61 u. 26 90 40 (Mo-Sa 19-22h) AIDS-Hilfe Münster, Postfach 19 24, Bahnhofstr. 15,4400 Münster, Tel.: 0251/ 444 11 (Di-Fr 14-15 + 18-19h) AIDS-Hilfe Nürnberg-Erlangen e.V., Irrerstr. 2-6,8500 Nürnberg 1, Tel.: 0911/ 20 90 06 u. 20 90 09 Jugend- und Drogenberatungsstelle der Offenbacher AG — Wildhof e. V., Herrnstr. 16,6050 Offenbach AIDS-Hilfe Osnabrück e.V., c / o DPWV, Kurt-Schumacher-Damm 8,4500 Osnabrück, 0541/ 47 026 (Mi 20-22h) Positiven-Selbsthilfegruppe, Tel.: 0541/ 22 454 AIDS-Hilfe e.V., Postfach 124, Schloßberg 10,7530 Pforzheim, Tel.: 07231/ 10 13 13 Rosa Hilfe — Schwulenberatung der REST e.V. (Regensburger Schwuleninitiative), Blaue Liliengasse 1, 8400 Regensburg AIDS-Hilfe Saar e.V., Alte Feuerwache, Am Landwehrplatz (Hintereingang), 6600 Saarbrücken 3, Tel.: 0681/ 31 112 (19-22h) AIDS-Hilfe Stuttgart e.V., Schwabs». 44,7000 Stuttgart 1,0711/ 61 08 48 u. 49 Ev. Gesellschaft Stuttgart e.V. — Psychosoziale Hilfen bei HTLV-III und AIDS, Dipl.-Psych. Christel BeckerKolle, Haus der Diakonie, Büchsenstr. 34-36,7000 Stuttgart l , T e l . : 0711/ 20 54 388 AIDS-Hilfe Trier e.V., Postfach 20 22, Paulinstr. 19,5500 Trier, Tel.: 0651/ 12 700 (Di 10-12h, Do 14-17h), Beratung: Tel. 0651/ 12 777 (Mi 19-21h) Jugend- und Drogenberatungstelle, Am Schwimmbad, 6204 Taunusstein-Hahn AIDS-Hilfe Tübingen e.V., Postfach 11 22,7400 Tübingen, Tel.: 07071/ 34 151 (Di 20-22h) AIDS-Hilfe Wiesbaden e.V., Postfach 11 41, Kl. Schwalbacher Str. 14,6200 Wiesbaden, Tel.: 06121/ 30 92 11 (Fr 20-22h)

Stichwortverzeichnis Abgrenzung gegenüber Klienten (Shanti) 135 Abhängigkeit von Drogen und Alkohol, Probleme der 133 ff Acquired Immune Deficiency Syndrome (Aids), Erklärung 97 — Definition 194 Acyclovir 186 Aggressive Therapieformen, Verteidigung 165 Aids (Acquired Immune Deficiency Syndrome), Definition 194 — wer bekommt 266 f Aids am Arbeitsplatz, Aufklärung der Mitarbeiter 251 — grundlegende Fakten 240 ff — Handbuch für die Betriebsleitung 237 — häufig gestellte Fragen zu 255 ff — Leitfaden für Arbeitnehmer 269 Aids in der Familie, ein Wegweiser 89 ff Aids Related Conditions (ARC) 1 Aids und geistig-seelische Gesundheit 106 ff Aids, Angst vor 94 f — Begriffserklärung 97 — Behandlungsmethode 266 — grundlegende Fakten 240 ff — Kind und 97 ff — medizinische Begriffe 194 ff — Ursache 98, 241 — Ursprung 241 Aids-Antikörpertest siehe auch HIV-Antikörpertest Aids-Antikörpertest 259 f — Ergebnismitteilung 81 ff Aids-Aufklärung im Betrieb 235 ff — empfohlene Vorgehensweise 252 f — Folgen 247 — moralische Fragen 261 f Aids-bezogene Zustände (ARC) 235, 242, 265 f Aids-Gesundheitsprojekt 81, 106, 273 Aids-Infizierte, Arbeitsfähigkeit 270 — Hilfsgruppen für 219 — Zahlen, USA 355 f

Aids-Patienten im Krankenhaus 177 — Arbeitsfähigkeit 235 — durchschnittliche Behandlungskosten in den USA 102 — durchschnittliche Lebenserwartung in den USA 102 — Kontakte untereinander 178 — Lebensveränderung 89 — Probleme von Nichtschwulen 114 — Rechte 180 — Sexualverhalten von homosexuellen und bisexuellen (Fragenliste) 40 ff Aids-related Conditions (ARC) I, 242, 265 f Aids-Test 74 Aids-Übertragungswege 242 ff, 249, 270 Aids-Virus, Wirkung auf das Immunsystem 241 f Aids-Vorbeugung und Schwulenpolitik 355 ff Aktives Zuhören 156 ff — konkrete Anwendung 159 ff Akuter Streß 296 Akzeptanz von Gefühlen 156 f Alarmreaktion (Streß) 295 f Alkohol, Cofaktor für Aids 183 Alkoholabhängigkeit, Probleme der 133 ff Alkoholkonsum von Klienten, Umgang mit (Shanti) 132 - von Shanti-Helfern 131 — Fragebogen zum 345 f Alkoholmißbrauch 183 Allgemeinangst 112 Alternative Teststationen 74 ff Alternative Therapien, Verhalten gegenüber 209 f Amikacin 189 Amphotericin B 184 Amylnitrit 29 Analverkehr, erhöhtes Ansteckungsrisiko durch Ejakulation 282 — Fragen zum 50 ff — Risikoverminderung 357 Angst, psychiatrische Definition 112 Angst vor Aids 94 f

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Stichwortverzeichnis

Anpassung, psychische an die Erkrankung 107 Ansteckungsrisiko am Arbeitsplatz 248 Ansteckungsrisiko, Erhöhung durch Ejakulation bei Analverkehr 282 Ansteckungsrisiko, Oralverkehr 37 Antikörper, Funktionsweise 259 Arbeitsblatt zur Änderung des Sexualverhaltens 288 f — zur Beurteilung des Sexualverhaltens 286 f Arbeitsfähigkeit von Aids-Infizierten 235, 270 Arbeitsplatz, Ansteckungsrisiko am 248 ARC (Aids-related Conditions) 1, 242, 265 f Arzneimittel bei Folgeerkrankungen von Aids und Nebenwirkung 184 ff AT & T 237 Atemmeditation 311 f Atemübung 308 Atypisches Mycobakterium, Beschreibung 194 Aufbau des „Stop Aids"-Programms 360 ff Aufbauschmethode 303 f Aufhänger für Erinnerungen 13 f Aufklärung an Universitäten 231 f — der Mitarbeiter 251 — und Beratung XII Aufreizender „Safe Sex" für Heterosexuelle 409 Aufzeichnung einer individuellen Sexualgeschichte 6 ff Augen, mit geschlossenen (Übung) 214 f, 229 f Ausarbeitung eines Gesundheitsplans 279 f Ausbildung der Shanti-Berater 125 Ausführung des Gesundheitsplans 280 f Aussehen von Virusträgern 261 Änderung des Sexualverhaltens, Arbeitsblatt zur 288 f Ängste vor Aids im Betrieb 245 BankAmerika 237 Barksdale, Bill 212 Bay Area Physicians for Human Rights 73 Beck, Robert N. 237

Bedürfnisse, psychosoziale, von AidsPatienten 176 f — sexuelle, Kommunikation über 284 f — sexuelle, Kommunikation über (Übung) 289 f Befruchtung, künstliche 392 Begriffe, medizinische, im Zusammenhang mit Aids 194 ff Behandlungskosten, durchschnittliche in den USA 102 — San Francisco 102 Behandlungsmethode für Aids 266 Benemortasie 166, 167 — Euthanasie, Abgrenzung 170 f — Worterklärung 173 f Bennet, John 173 Benutzung, gemeinsame, von Geschirr 245, 270 — von Schreibmaschinen 270 — von Tastaturen 245 — von Telefonen 245, 270 — von WC-Sitzen 245, 270 — von Werkzeug 245, 270 Berater, ehrenamtliche (Shanti) 122 Beratung bei Problemen der geistig-seelischen Gesundheit 117 f — nach der Diagnose 176 — von depressiven Menschen 151 Beschönigung (Euphemismus) 16 f Besteck, gemeinsame Benutzung von 182 Besuchsrecht im Krankenhaus 177 Betreuer, Supervisions-/ Helfergruppen für ehrenamtliche (Shanti) 216 ff Betreuung 101 ff — der Betreuer l l l f Betrieb, Aids-Aufklärung im 235 ff Betriebsleitung, Handbuch für 237 ff Beurteilung des Sexualverhaltens, Arbeitsblatt zur 286 f Bewältigungsstrategien 91 ff Bewerbungsformular für ehrenamtliche Helfer (Shanti) 221 ff Bewerten, Kritik an 162 Bewußte Sexualität 283 Bewußtseinsveränderung in der Sexualität 283 f Beziehungsebene, Unterscheidung zwischen Inhalts- und 156 Beziehungskrisen bei Aids-Erkrankung 110 Bilanz-Suizid 141 f

Stichwortverzeichnis Biopsychosoziales Gesundheitsmodell 319 Blastomykose, Beschreibung 194 Bleomycin 191 Blutkontakt 260, 271 Blutspender 243, 261 — Maßnahmen 72 f Bluttransfusionen 243 Buddy Connection 405 Business Leadership Task Force of the Bay Area 237 Butylnitrit 29 Candida-Infektion, Therapie, Nebenwirkungen 184 Candidiasis, Beschreibung 194 Capra, Fritjof 319 Centers For Disease Control (CDC) 238, 240, 242, 245, 248, 252, 255, 257, 266 Checklisten bei der Sexualanamnese 15 Chevron 237 Chronischer Streß, Definition 293 — körperliche und seelische Reaktionen (Fragebogen) 298 f Chronisches Streßsyndrom (Distreß) 293 Clark, Don 278 Clofazimin 189 Clotrimazol 184 CMV (Cytomegalievirus), Beschreibung 195 Coitus simplex Germanicus 388 Coro Foundation 237 Cotrimoxazol 185 Cryptococcose, Beschreibung 194 Cryptococcus-Infektion, Therapie, Nebenwirkungen 184f Cryptosporidiosis, Beschreibung 195 Cyclophosphamid 192 Cycloserin 189 Cytomegalievirus (CMV), Beschreibung 195 Datenschutz bei Beratung 136 f Denken, ein Weg zum Wandel Ihres 302 ff — konstruktives — destruktives 300 f — notwendiges — überflüssiges 301 — positives — negatives 301 — Übertreibung 301 Depression, Beschreibung und Behandlungsvorschläge 113 f — Symptome 152 Depressions-Fragebogen 351 f

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Depressive Menschen, Beratung von 151 Desorientierung als geistig-seelische Störung 115 Destruktives — Konstruktives Denken 300 f Deutsche Aids-Hilfe e.V. X Deutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung (DGSS) X, 3 Diffuses, wenig differenziertes Non-Hodgkin Lymphom (DUNHL), Beschreibung 195 Dilley, James W. 81, 106 Diskussionsleitfaden für Gruppenleiter („Stop Aids"-Projekt) 371 ff Distreß - Streß 293 f Dlugosch, Gabriele 81 Doppelwirkung von Medikamenten 172 Doxorubicin 190 Dreistufenmodell des Gesundheitsplans 279 Drogen, Co-Faktoren für Aids 183 — Fragen zu 64 — Fragen zu Drogen und Sexualität 35 — Umgang mit (Shanti) 131 — Mißbrauch 183 — Mißbrauch bei Aids-Kranken 114, 378 — Mißbrauch bei Klienten (Shanti) 206 — Abhängigkeit, Probleme der 133 ff — Gebrauch, Verbreitung von 243 — Konsum, Fragebogen zum 345 f DUNHL (Diffuses, wenig differenziertes Non-Hodgkin Lymphom), Beschreibung 195 Dunkelfelduntersuchung 26 EBV (Epstein-Barr Virus), Beschreibung 195 Ehrenamtliche Betreuer, Supervisions-/ Helfergruppen für (Shanti) 216 ff — Helfer, Bewerbungsformular für (Shanti) 221 ff — Mitarbeiter, Vertrag mit (Shanti) 226 f Einschätzung der sozialen Anpassung, Skala zur 297 f Einstellungsfragebogen 339 ff Elyon, Flo 207 Endstadium der Krankheit, psychische Folgen 110 ff Entspannung in inneren Bildern 312 f

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Stichwortverzeichnis

Epidemien, andere in diesem Jahrhundert 268 Epstein-Barr Virus (EBV), Beschreibung 195 Ergebnismitteilung 81 ff Erlebe Deinen Tod (Übung) 206 f, 223 ff Ernährung von Aids-Kranken 96 Erschöpfungsstadium (Streß) 295 f Essen, gemeinsames 270 Ethambutol 188 Euphemismen 16 f Euthanasie 166, 167f Euthanasie — Benemortasie, Abgrenzung 170 f Euthanasie, Worterklärung 174 Exhibitionismus, Fragen zu 60 ff Fachbegriffe — normaler Wortschatz 17 f Familie und Freunde, Hilfsgruppen für 220 f Familie, „erweiterte" 89 f — Aids in der, ein Wegweiser 89 ff Familie 87 ff — Verhalten der Shanti-Helfer gegenüber der 128 f Faustfick 24 Feedback 320 — Definition 199 Fehldiagnosen 24 Fellatio 29 Felman, Yehudi M. 26 Fettgeschwülste, rektale 29 Field, Danny 212 Filzläuse 29 Flax, Carol C. 6 Fletcher, John 172 Flexibilität, organisatorische XII Flucytosin 185 Food & Drug Administration 259 Fördergruppen für ehrenamtliche Betreuer (Shanti) 209 Frage, geschlossene 146 Frage, Kunst der offenen 146 f Fragebogen zu den Gesundheitspraktiken 336 — zu den Sexualpraktiken — Risikoschätzung 347 ff — zu Streß und Spannung 343 f — zum Alkohol/ Drogenkonsum 345 f — zum Netz der stützenden sozialen Kontakte 334 f

— zur Depression 351 f — zur Einstellung 339 ff Fragebogenpaket (des Aids-Gesundheitsprojekts) 330 ff Fragen, häufig gestellte zu Aids am Arbeitsplatz 255 ff Frauen, „Safe-Sex"-Leitlinien für 397 Freunde und Familie, Hilfsgruppen für 220 f Funktionsstörungen, sexuelle, Fragen über 62 f Furcht, psychiatrische Definition 112 Garfield, Charles 121, 127 f, 205 Geary, Jim 218 Gebote, die acht, der Hilfe zur Selbsthilfe 144 Gedanken und Streß 299 ff Gedanken über Leben und Tod 165 ff Gedankenabbruch 303 Gefühle mitteilen 162 — Akzeptanz 156 f — die Wurzel fast aller Probleme 147 ff — Vorrang der 143 Geistig-seelische Gesundheit, Aids und 106 ff Geistig-seelische Störungen, Leitlinien zur Diagnose 115f Geldgeber, öffentliche und private, Zusammenarbeit XII Gemeinsame Benutzung von Geschirr 182, 245, 270 — von Schreibmaschinen 270 — von Tastaturen 245 — von Telefonen 245, 270 — von WC-Sitzen 245, 270 — von Werkzeug 245, 270 Gemeinsames Essen 270 Geschenke, Annahme von (Shanti) 130 Geschichte sexueller Praktiken (GsP) 24 Geschirr, gemeinsame Benutzung von 182, 245, 270 Geschlechtskrankheiten, homosexuelles Verhalten und 24 ff Geschlossene Augen (Übung) 214 f, 229 f Geschlossene Fragen 146 Geschlossener Kreis (Übung) 216 Gesellschaft für praktische Sexualmedizin (GPS) 3 Gesundheit aus der Schwulenperspektive 278 f

Stichwortverzeichnis Gesundheit, Definition 319 — geistig-seelische, Aids und 106 ff — Handbuch für Schwule 277 ff — integrative Sicht 275 — Schwule in der Aids-Krise 277 — was heißt das 318 f — als Integrationsprozeß 275 Gesundheits-Workshop, integrativer 317 ff Gesundheitsamt San Francisco 97 Gesundheitsbehörden, Zusammenarbeit mit Privatwirtschaft 235 f Gesundheitsmodell, biopsychosoziales 319 Gesundheitsplan, Ausarbeitung eines 279 f — Ausführung 280 f — Dreistufenmodell 279 — wichtige Elemente eines umfassenden 275 f Gesundheitsplanung, integrierte 279 ff Gesundheitspraktiken, Fragebogen zu den 336 ff Gesundheitsprofil 330 ff Gesundheitsverhalten beurteilen 279 Gesundheitsverhalten, Profil des 333 Glasscock, Patrick 40 Gleitmittel 29, 388 Gnadentod 166, 168 f — rechtliche Situation in den USA 172 Gold, Marc 81 Goldblum, Peter B. 106, 275 Gong, Victor 106 Gonorrhoe 29 GPS (Gesellschaft für praktische Sexualmedizin) 3 Grundannahmen gegenüber Homosexualität 278 Grundannahmen zur Verhaltensänderung 274 Grundlegende Fakten 240 ff Grundsätze für die Kunst des Sexualinterviews 5 ff Gruppendiskussion, Kennzeichen und Bestandteile („Stop Aids"-Projekt) 366 f Gruppensex, Fragen zu 59 GsP (Geschichte sexueller Praktiken) 24 Haas, Robert 247 Haeberle, Erwin J. 40 Handbuch für die Betriebsleitung 237 ff Handbuch für schwule Gesundheit 277 ff

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Haushalt, Hygieneregeln 95 f, 182 Haustiere und Aids-Kranke 95 f, 182 Heilungsversuch, unablässiger 165 Helfer-/ Supervisionsgruppen für ehrenamtliche Betreuer (Shanti) 216 ff Helfer-Kriterien bei Shanti 123 Helquist, Michael 89, 212 Herpes progenitalis 29 Herpes simplex Virus I (HSV I), Beschreibung 195 f Herpes simplex Virus II (HSV II), Beschreibung 196 Herpes Varizellen-Zoster (HVZ), Beschreibung 196 Herpes, Übertragung 26 Herpes-Infektionen, Therapie, Nebenwirkungen 186 f Herpes-Viren 268 Heterologe Insemination 392 HI-Virus, Wirkung auf das Immunsystem 241 f Hilfe zur Selbsthilfe 143 ff — erforderliche Fertigkeiten 143 f Hilfsgruppen für Aids-Infizierte 219 f — für die Betroffenen 218 ff — für Freunde und Familie 220 f Hirnorganische Störungen bei Aidskranken 111 HIV-Antikörpertest 69 ff, 259 f — in alternativen Teststationen 74 ff — Aussage 74 — Vorgeschichte 72 f Holmes, Thomas 297 Holmes- und Rahe-Skala 297 f Homophobie 13 Homosexualität, bei Tieren 8 Homosexualität, Grundannahmen gegenüber 278 — positives Verhältnis zur 362 — Warnung vor Schablonendenken 37 Homosexuelle Männer, sexuell übertragene Krankheiten 26 ff Homosexuelle und bisexuelle Aids-Patienten, Sexualverhalten von (Fragenliste) 40 ff Homosexuelles Verhalten und Geschlechtskrankheiten 24 ff Hospice, Selbstdarstellung 102 f HSV I (Herpes simplex Virus I), Beschreibung 195 f

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Stichwortverzeichnis

HSV II (Herpes simplex Virus II), Beschreibung 196 HVZ (Herpes Varizellen-Zoster), Beschreibung 196 Hygieneregeln 95 f, 181 f Identität, schwule, — schwules Verhalten 282 f Idiopathische Zytopenische Purpura (ITP), Beschreibung 196 Immunsystem 241 f Imperativ, der medizinische 165 Impotenz, Alkohol 13 Indirekte Botschaften, Kritik an 162 f Infektionen, opportunistische 242 Infektionsrisiko, Oralverkehr 37 Information der Öffentlichkeit 179 f Inhaltsebene, Unterschied zur Beziehungsebene 156 Innere Bilder, Entspannung in 312 f Insemination, heterologe 392 Institute for Advanced Study of Human Sexuality 5, 37, 40 Integration 151 f Integrationsprozeß, Gesundheit als 275 Integrative Sicht der Gesundheit 275 Integrativer Gesundheits-Workshop 317 ff Integrierte Gesundheitsplanung 279 ff Interview, sexologisches, mit homosexuellen und bisexuellen Patienten 37 ff Interview-Techniken 10 ff Isensee, Rik 205 Isoniazid 187 ITP (Idiopathische Zytopenische Purpura), Beschreibung 196 Jargon, gruppenspezifischer 18 Juckreiz, anal 26 Kaposi-Sarkom (KS), Beschreibung 196 — Therapie, Nebenwirkungen 189 ff Karnofsky, David A. 165 Kind und Aids 97 ff Kinder, Ansteckungsgefahr 97 ff — Gefahr in der Schule 99 f — Kontakte mit anderen Kindern 98 Kinderschänder 7 Kinsey, Alfred C. 5 Kinsey-Skala 37 f

Kleinste Ermunterungen 144 Kommunikation über sexuelle Bedürfnisse 284 f Kommunikation über sexuelle Bedürfnisse (Übung) 289 f Kondom, Uberprüfung 268 Kondomgebrauch, Beratung XIII — Empfehlung 388 Konfliktlösungswege für Shanti-Helfer 127 Kongruente Selbstmitteilung 162 ff Konsequenzen-Liste (bei Verhaltensänderung) 281 Konstruktives — destruktives Denken 300 f Kontakte, soziale, Netz der stützenden (Fragebogen) 334 f Kontinuum zwischen homosexueller und heterosexueller Orientierung nach Kinsey 37 ff Kontrolle, Sex und 291 Kontrollverlust llOf Körperkontaktübung 204 f Körperliche und seelische Reaktionen auf chronischen Streß (Fragebogen) 298 f Krankenhaus, Aids-Patienten im 177 — Besuchsrecht im 177 Krankenhauspersonal, Verhalten gegenüber 92 f Krankheiten, sexuell übertragene, bei homosexuellen Männern 26 — sexuell übertragene, Fragen zu 65 — spezifische streßbedingte 296 — Vorgeschichte sexuell übertragener, Fragen zu 32 ff — Zusammenhang mit spezifischen Sexualpraktiken 29 ff Krätze 29 Kreis, der geschlossene (Übung) 216 Krisenintervention, psychosoziale 117 KS (Kaposi-Sarkom), Beschreibung 196 Lebenserwartung, durchschnittliche, von Aids-Kranken in den USA 102 Lesben und Aids, wo liegt der Zusammenhang 391 Lesben, „Safe Sex"-Richtlinien für 393 Levi's 237 Lusby, Grace 183 Lymphadenopathie, Beschreibung 196

Stichwortverzeichnis Lymphome, Therapie, Nebenwirkungen 191 ff Lymphozyten 241 f, 269 Mason, John L. 307 MAST (Michigan Alcoholism Screening Test) 345 f Masturbation, siehe Selbstbefriedigung Maxey, Linda 197, 208, 210 Medical Society San Francisco 97 Medikamente und Nebenwirkungen 184 ff Medizinische Begriffe im Zusammenhang mit Aids 194 ff Medizinischer Imperativ 165 Mehrfachfragen 18 Mervyn's 237 Methotrexat 191 f Michigan Alcoholism Screening Test (MAST) 345 f Mitteilen einer Lösung, Kritik an 162 Mittleres Stadium der Krankheit, psychische Folgen 109f Modell San Francisco X Moderatoren (Shanti) 199 Moralische Fragen bei der Aids-Aufklärung im Betrieb 261 f Mundtripper 29 Muskelentspannung, progressive 308 ff Muskelspannung (Streß) 296 Mycobakterien-Infektion, Therapie, Nebenwirkungen 187 ff Mycobakterium, atypisches, Beschreibung 194 Nahrungsmittel 265 Natürlich 7 Nebenwirkungen von Medikamenten 184 ff Negatives — positives Denken 301 Netz der stützenden sozialen Kontakte (Fragebogen) 334 f Neubert, Diether 193 Neuerkrankungen, Entwicklung in San Francisco 357 Neurologische Störungen bei Aids-Erkrankung 111, 114f Nichtschwule Aids-Patienten 114 NichtÜbertragung 244, 245, 250, 270 Nitsch, Jürgen R. 295 Non-Hodgkin Lymphom, Diffuses, wenig differenziertes (DUNHL), Beschreibung 195

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Nonoxinol 399 Normal 6 Normal, Konzept von Schädlichkeit/ Unschädlichkeit 9 f Normal, statistisches Konzept 7 Normaler Wortschatz — Fachbegriffe 17 f Notwendiges — überflüssiges Denken 301 No verbale Begleitung 144 Nystatin 184 Obdachlose Aids-Kranke, San Francisco 104 Obermaier, Alfred 26 Offene Fragen H ö f Opportunistische Erreger, Definition 196 — Infektionen 242 Oralverkehr, Aids-Gefahr 37 Ostrow, David G. 26 Öffentlichkeit, Information der 179 f Pacific Telesis 237 Panik, psychiatrische Definition 112 Paraphrasierende Zusammenfassung 145 Patienten-Testament 175 f PCP (Pneumocystis carinii Pneumonie), Beschreibung 197 Pediculosis pubis 29 Perversionen 387 f Petting, heterosexuell, Fragen zum 48 f Petting, homosexuell, Fragen zum 47 f Pharyngitis, nichtgonorrhoische 29 Physiologie des Stresses 295 f Planung der Streßbewältigung 313 ff Pneumocystis carinii Pneumonie (PCP), Beschreibung 197 — Therapie, Nebenwirkungen 185 Pomeroy, Wardell B. 5, 6 Poppers 29 Positives — negatives Denken 301 Positives Verhältnis zur Sexualität 362 Prednison 193 Privatwirtschaft, Zusammenarbeit mit Gesundheitsbehörden 235 f Procarbazin 193 Profil Ihres Gesundheitsverhaltens 333 Progressive Muskelentspannung 308 ff Prostitution bei Tieren 8 Prostitution, Fragen zu 58 f Psychosoziale Bedürfnisse von AidsPatienten 176 f

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Stichwortverzeichnis

Psychosoziale Beratung für Aids-Patienten 117 Psychosoziale Dienste in San Francisco 116 Pyrimethamin 186 Rahe, Richard 297 Ramsey, Paul 166 Reaktion auf die Aids-Diagnose 108 f Realangst 112 Rechte von Menschen mit Aids 180 Rednerbüro („Stop Aids"-Projekt) 368 Reliabilität 20 f Research & Decision Corporation 360 Reverse Transkiptase 241 f Rifampicin 187 Risikogruppen 79 Robert Wood Johnson Foundation X I Rollenspiel 124 f, 200, 212 ff, 324 Rudnick, Norman 106 Rückmeldung (Feedback) 12, 217, 320 — Definition 199 Safe Sex - Safer Sex 354 Safe Sex-Leitlinien für Frauen 397 — allgemein 390 — für Lesben 393 Safer Sex 387 ff Safer Sex - Safe Sex 354 Safer Sex, Ablehnung in der B R D 387 Safer-Sex-Kampagne, Entstehung 233 San Francisco Aids Foundation X I I , 74, 97, 360, 401 San Francisco Unified School District 97 San Francisco, behördliche Kontrolle, X I I — finanzieller Einsatz, X I Sandholzer, Terry 26 Saunders, Cecile 102 Scabies 29 Schamgefühl, falsches, und seine Folgen 24 Schietinger, Helen 208 Schirner, Michael 232 Schreibmaschinen, gemeinsame Benutzung von 270 Schwangerschaft 243, 249, 392 Schweiß 256 Schwimmbäder 264 Schwule (Olympische) Spiele 401 Schwule Bevölkerung, Sozialstruktur in San Francisco 381 f

— Veränderung der Sexualnormen 362, 378 f Schwule Gesundheit in der Aids-Krise 277 Schwule Selbsthilfe, Grundsätze 358 f Schwulenbewegung, moderne 361 Schwulenperspektive, Gesundheit aus der 278 f Schwulenpolitik, Aidsvorbeugung und 355 ff Schwules Selbstverständnis 282 f Selbstanleitung für Berater 198 Selbstbefriedigung 7 — bei Erwachsenen 9 — bei Tieren 8 — Fragen zur 44 ff — in der Ehe 13 — juristische Bewertung 9 — kirchliche Bewertung 9 Selbstbelohnung 302 f Selbsthilfe, Hilfe zur 143 ff — schwule, Grundsätze 358 Selbstinstruktionen 304 Selbstmitteilung, kongruente 162 ff Selbstmord, siehe Suizid Selbstverständnis, schwules 282 f Selye, Hans 293 Sex ohne Ziel der Fortpflanzung, Tiere 8 — Kommunikation 284 f — Kontrolle 291 Sexologisches Interview mit homosexuellen und bisexuellen Patienten 37 ff Sexualanamnese 3 ff — Checklisten 15 — Haltung des Interviewers 22 — mögliche Verfälschung 21 f — wertfreie Einstellung 6, 28 Sexualität als veränderter Bewußtseinszustand 283 f — mit Kindern 8 — und Aids 282 — bewußte 283 — positives Verhältnis zur 362 Sexualkontakte mit Tieren, Fragen über 57 Sexually Transmitted Disease (STD) 26 Sexualnormen, Veränderung in der schwulen Bevölkerung 362, 378 f Sexualpraktiken, Fragebogen zu den, — Risikoschätzung 347 ff — Fragen zu 33 f — spezifische, und Krankheiten 29 ff

Stichwortverzeichnis Sexualverhalten von homosexuellen und bisexuellen Aids-Patienten (Fragenliste) 40 ff Sexualverhalten, Arbeitsblatt zur Änderung des 288 f — Arbeitsblatt zur Beurteilung des 286 f — Variationsbreite 4 — zwanghaftes 206 Sexualwissenschaft der BRD 3 Sexuell übertragene Krankheiten bei homosexuellen Männern 26 ff — Fragen zu 65 Sexuelle Bedürfnisse, Komunikation über (Übung) 289 f Sexuelle Grenzen, Verletzung der 285 Sexuelle Identität, Fragen zu 36 Sexuelle Orientierung, Fragen zu 32 f — Kontinuum Homosexualität — Heterosexualität 37 — Kritik am Alles-oder-nichts-Schema 27 Sexuelle Toleranz, Ursachen, San Francisco 387 Shanti, Annahme von Geschenken 130 — Ausbildung der Berater 125 — Auswahl der Helfer 123 ff — Bewerbungsformular für ehrenamtliche Helfer 221 ff — Datenschutz für Klienten 136 f — ehrenamtliche Berater 122 — Fördergruppen für ehrenamtliche Betreuer 209 — Geschichte und Aufgabe 121 ff — Helfer und Alkohol 131 — Konfliktlösungswege für Helfer 127 — Moderatoren 199 — sexuelles Verhalten von Mitarbeitern und Helfern 130f — Umgang mit Alkoholkonsum von Klienten 132 — Umgang mit Drogen 131 — Vertrag mit dem ehrenamtlichen Mitarbeiter 226 f — Worterklärung 119 Shanti-Modell 119 ff Shanti-Training 198 ff Smith, Tom 183, 205 Solidarität (sexueller Selbstschutz) 353 Soziale Anpassung, Skala zur Einschätzung der 297 f

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Sozialstruktur der schwulen Bevölkerung in San Francisco 381 f Spannung und Streß (Fragebogen) 343 f Speichel 245, 256 Spermizide 399 Spülungen 29 STD (Sexually Transmitted Disease) 26 — Fragen zu 65 f — Fragen zur Vorgeschichte 32 Stechmücken 257 Sterbebegleitung 167 — Doppelwirkung von Medikamenten 172 — Hospice-Modell 102f Stereotype Raster 19 Stillen 243, 249, 392 „Stop Aids"-Projekt 353 ff — Aufbau 360 ff — Aufbau des Programms 363 — Diskussionsleitfaden für Gruppenleiter 371 ff — erforderlicher Aufwand zur Rekrutierung der Teilnehmer 362 — Finanzierung 360 f — Geschichte 360 f — Gewinnung der Teilnehmer 365 f — Gewinnung und Training der Gruppenleiter 365 — Organisatorischer Grundgedanke 361 f — Personelle Besetzung 364 — Programm-Plan 365 — Teilnehmerzahlen 361, 372 — Vertraulichkeitserklärung der Teilnehmer 370 — Straßenagitation 366 Streptomycin 188 Streß - Distreß 293 f Streß, abbauen, ein Schlüsselfaktor zur Überwindung der Aids-Krise 292 ff — und Spannung (Fragebogen) 343 f — akuter 296 — chronischer, Definition 293 — chronischer, körperliche und seelische Reaktionen auf (Fragebogen) 298 f — drei Kategorien des 292 — negativer, siehe Distreß — Physiologie 295 f — Umgang mit 305 ff — was ist 293 ff — wie tragen Gedanken zum Streß bei 299 ff

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Stichwortverzeichnis

Streßbedingte Krankheiten 296 Streßbewältigung, Planung der 313 ff Streßreduktion 305, 307 ff Streßsyndrom, chronisches (Distreß) 293 Streßvorbeugung 305 Streßzusammenhänge 294 f Stützende soziale Kontakte, Netz der (Fragebogen) 334 f Suizid 166, 169 — Einweisung in die Psychiatrie 140 — Recht auf 172 f — rechtliche Pflichten bei 139 — rechtliche Pflichten bei 141 f — Umgang mit (Shanti) 139 ff — Warnsignale 138 — Gefahr, Interventionsschritte 152 ff — Gefährdung, Verhalten bei 206 Sulfonamide 186 Supervision der Shanti-Helfer 126 Supervisions-/ Helfergruppen für ehrenamtliche Betreuer (Shanti) 216 ff Supervisionsgruppenleiter, Auswahlprozeß (Shanti) 126f Symptome von Aids 258 f T-Helfer-Lymphozyten 241 f T-Helferzellen 197, 241 f T-Helferzellen/ T-Suppressorzellen, Beschreibung 197 Tastaturen, gemeinsame Benutzung von 245 Telefone, gemeinsame Benutzung von 245, 270 Test, Beratung nach dem 83 ff — Beratung vor dem 81 f Testergebnisse, Bedeutung der 75 ff Tests, Entscheidung 78 — Mißbrauch von 69 — verschiedene Arten von 69 Teststationen, alternative, HIV-Antikörpertest 74 ff Therapien, alternative, Verhalten gegenüber 209 f Tiere, Sex ohne Fortpflanzungsziel 8 Tod, erlebe Deinen (Übung) 206 f, 223 ff — Gedanken über Leben und 165 ff — Hinauszögern 166 Toxoplasmosis, Beschreibung 197 — Therapie, Nebenwirkungen 186 Tracey, Bea 212

Transkriptase, reverse 241 f Transvestitismus, Fragen zu 60 Trauer herauslassen (Übung) 227 f Trauerarbeit, Einführung in die 210 ff Tränen 245, 256 Träume, Fragen über 46 Tuberkel-Bakterien-Infektion, Therapie, Nebenwirkungen 187 ff Tzanck-Test 26 Uneffektives Zuhören 158 f Universitäten, deutsche 231 f Untersuchung der geistig-seelischen Gesundheit 117 Unzulässige Verallgemeinerung 301 Ursache und Ursprung von Aids 241 Überflüssiges — notwendiges Denken 301 Übertragungswege 242 ff, 249 — im Betrieb, Ausschluß von 245 — Ausschluß von 244 — wie ermittelt 240 Übertreibung 301 Vaginal-Verkehr, Fragen zum 55 ff Validität 20 f Verallgemeinerung, unzulässige 301 Veränderung der Sexualnormen in der schwulen Bevölkerung 362, 378 f Verfügung an die Ärzte (Patienten-Testament) 175 f Vergewaltiger 7 Vergewaltigung, Fragen zu 62 Verhalten, schwules, — schwule Identität 282 f Verhaltensänderung, Grundannahmen zur 274 Vertrag mit dem ehrenamtlichen Mitarbeiter (Shanti) 226 f Vertraulichkeit bei Shanti 128 Verwirrtheitszustände 115 Vinblastin 189 Vincristin 190 Virusträger, Aussehen 261 Vorbeugende Maßnahmen 398 Vorbeugung 231 ff — Grundannahmen zur Verhaltensänderung 274 — Vorschläge 79 Vorgehensweise, empfohlene, für AidsAufklärung im Betrieb 252 f

Stichwortverzeichnis Vorsichtsmaßnahmen beim Zusammenleben mit Aids-Kranken 180 ff Vorurteil, moralisches, des Arztes 28 Voyeurismus, Fragen zu 60 ff Wahrscheinlichkeit der Ansteckung bei Analverkehr 282 Wandel des Denkens, ein Weg zum 302 ff Wäsche, Reinigung 95 WC-Sitze, gemeinsame Benutzung von 245, 270 Wechselwirkung, Konzept der 319 Wegweiser zum Thema „Aids in der Familie" 89 ff Wells Fargo 237 Werkzeug, gemeinsame Benutzung von 245, 270 Wertfreie Einstellung bei Sexualanamnese 6, 28

Wheeler, Connie Christine 6 Whirlpools 264 Wichsparty 306 Widernatürlich 7 Widerstandsstadium (Streß) 295 f Wie das Virus im Körper wirkt 241 f Wiederholung, die Kunst und Wissenschaft der 145

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Wiederholung, Gründe für den Gebrauch der 145 Wirkung des Aids-(HI-)Virus auf das Immunsystem 241 f Workshops über heißen und gesunden Sex 403 Young, Ernl'e W.D. 173, 174 Zahlen, Aids-Infizierte in den USA 70, 355 f — Voraussagen für die USA 232 Zeitsprung machen 304 Zuhören, aktives 156 ff — aktives, konkrete Anwendung 159 ff — uneffektives 158 f Zusammenarbeit Privatwirtschaft — Gesundheitsbehörden 235 f Zusammenfassung und Integration 151 — paraphrasierende 145 Zusammenleben mit Aids-Kranken, Vorsichtsmaßnahmen 95 f, 180 ff Zwanghaftes Sexualverhalten 206 Zwangsmaßnahmen 232 Zwangstests, amerikanische Programme 70 f — Folgen 70

E. J. Haeberle

Die Sexualität des Menschen

Handbuch und Atlas • 2., erweiterte Auflage 21,5x 27,8cm. XII, 607 Seiten. 295 Abbildungen. 7 Tabellen. 1985. Broschiert D M 5 9 - ISBN 311 0106940 Gebunden DM88,- ISBN 311 0106930 Die Sexologie - nach wie vor ein Stiefkind der Medizin - wird in diesem reichbebilderten Handbuch unter folgenden Aspekten behandelt: Physiologische und psychologische Grundlagen • Formen und Varianten menschlicher Sexualität • Sexuelle Funktionsstörungen • Sexualität und Partnerschaft - Ehe, Familie, Emanzipation • Sexualität und Gesellschaft - Konformität und Abweichung in Geschichte, Kunst und Recht. Eine reichhaltige photographische Dokumentation erlaubt auch auf visuellem Wege den Zugang zum vielgestaltigen Inhalt: Die Sexualität des Menschen. Die 2. Auflage wurde vom Autor in einem Anhang aktualisiert und dabei um folgende wichtige Kapitel erweitert: • • • • • •

AIDS - „Aufgegriffenes" Immun-Defekt-Syndrom Audiovisuelle Hilfsmittel in der Sexualtherapie Die Gräfenberg-Zone („G-Spot") Sexualwissenschaft: Neuere Entwicklungen Sexuelle Menschenrechte Sexualwissenschaftliche Testfragen.

Pressestimmen zur 1. Auflage: „Haeberle hat mit seinem Handbuch die seit langem umfassendste Darstellung der Sexualforschung geschaffen, die auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Daneben ist ihm zugleich das Kunststück gelungen, ein wirklich allgemeinverständliches und im besten Sinne populärwissenschaftliches Buch zu schreiben, das sich wegen seiner klaren Gliederung und seines Registers ausgezeichnet als Nachschlagewerk eignet

"

Süddeutsche

Zeitung

Tatsächlich gibt es wohl kein zweites Fachbuch, das die Vielfalt menschlichen Sexuallebens so reichhaltig und freizügig, dabei durchaus ästhetisch in Bildern historischen und realistischen - , darbietet wie dieses." Frankfurter Rundschau

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de Gruyter