Adam Smith als Rechtstheoretiker 9783110283525, 9783110283471

Adam Smith was not just a pioneer of political economy; he was also a moral philosopher who aspired to write a systemati

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Table of contents :
Einleitung
§ 1 Adam Smith und die Jurisprudenz
I. Die Moralphilosophie als Fundament der Nationalökonomie
1. Rezeptionsgeschichte
2. Moralisch fundierte Kautelarjurisprudenz bei Hume und Smith
II. Adam Smith und die ,Wissenschaft der Gesetzgebung
1. Interdisziplinarität
a) Rechtstheorie als Teil der geplanten Kulturgeschichte
b) Smith und die (kognitive) Psychologie
2. Gegenstand und Methode
a) Smiths Vorrede zur sechsten Auflage
b) Lectures on Jurisprudence
c) Folgerung und Reihenfolge der Behandlung
d) Werkimmanenter Zusammenhang
aa) Naturrechtliche Grundausrichtung beider Werke
bb) Vorrang der ökonomischen Betrachtung?
3. Gerechtigkeit und Gesellschaft bei Smith
a) Gesetze der Gesellschaft
b) Begriff der Gerechtigkeit
4. Das so genannte „Adam-Smith-Problem“
a) Geistiger Umschwung?
b) „Synthese des Gegensatzes“
c) Wechselseitige Beeinflussung von Sympathie und Eigeninteresse
III. Die Adam Smith-Rezeption in der Rechtslehre Kants und der Rechtsphilosophie Hegels
1. Kants Rezeption der Werke von Adam Smith
a) Kants Kenntnis der Moralphilosophie Smiths
aa) „Der Engländer Smith Kants Liebling“
bb) Vernünftiger und unparteiischer Zuschauer
b) Der Wohlstand der Nationen im Spiegel von Kants Werk
aa) Empirischer und intellektueller Begriff des Geldes bei Kant
bb) Unsichtbare Hand im Ewigen Frieden?
2. Hegels Bezugnahme auf Adam Smith in der Rechtsphilosophie
a) Hegels „System der Bedürfnisse“
aa) „Wimmeln der Willkür“ und unsichtbare Hand
bb) „Wirtschaftsastronomie“ und “invisible hand of Jupiter“
b) Rezeptionsgeschichtliche Linie von Smith über Hegel zu Marx
c) Unsichtbare Hand und List der Vernunft
§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie
I. Rechtstheoretische Voraussetzungen
1. Pragmatisches und empiristisches Vorgehen
2. Abwendung von Humes Utilitarismus
3. Gerechtigkeit und Nutzen
a) Vorrang der Regeln der Gerechtigkeit
b) Psychologische Gründe perpetuierender Unrechtsbegehung
c) Rational und Social Choice Theory
II. Anthropologische Grundannahme
1. Der Basissatz der Moralphilosophie
a) Sympathie
b) Beurteilungsmaßstab
2. Das „gerechte Gefühl“ des unparteiischen Zuschauers
a) Veredelung des Vergeltungsgefühls
b) Anwendung auf den Wohlstand der Nationen
c) Impartial spectator
d) Der unparteiische Zuschauer im Spiegel der Forschung
aa) “Impartial jurist”
bb) Sens Wiederbelebung des unparteiischen Zuschauers
cc) Bewertung und werkimmanente Zusammenschau
e) Der unparteiische Geschworene in den Lectures on Jurisprudence
aa) Informationsvorsprung durch Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten
bb) Folgerung
III. Gesetze der Gerechtigkeit
1. Sympathie und Gerechtigkeitssinn
2. Gerechtigkeit als höchste Tugend
a) Kommutative Gerechtigkeit
b) Gerechtigkeit gegenüber den Menschen und Dingen
3. Die „heiligsten Gesetze der Gerechtigkeit“
a) Reihenfolge der Schutzgüter
b) Religiöser Ursprung der Rechte?
aa) Heiligkeit der Gesetze
(1) Sklaverei im Spiegel der Lectures on Jurisprudence
(2) Bekräftigung des naturrechtlichen Ursprungs
bb) Wissenschaftstheoretische Relevanz des ethischen Gefühls
(1) Naturrechtliche Begründung
(2) Gesetze als allgemeine Regeln
(3) Das „moralische Gesetz in mir“
cc) „Philosophen und Theoretiker“
c) Deistische Ausrichtung?
aa) Der Mensch als naturgemäßer Richter des Menschen
bb) Zurückhaltung gegenüber jenseitiger Gerechtigkeit
d) Heiligkeit des Eigentums
aa) „Normative Jurisprudenz“
bb) Rechtsbegriff in den Lectures on Jurisprudence
4. Gefühlsgemäße Unrechtsbegründung
a) Unrecht als Verletzung der Gerechtigkeit
b) Rechtsdurchsetzung im Wohlstand der Nationen
c) Rechtstheoretische Kompetenz in der Zusammenschau
5. Vorschriften zur Förderung des gedeihlichen Gemeinwesens
6. Pflichten des Gesetzgebers
7. Schutzzwecktrias: Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit
a) Rangverhältnis
b) Die Rolle der Gleichheit
aa) Beleg für die Umschwungtheorie unter französischem Einfluss?
bb) Interdependenz der Freiheit, Gleichheit und Sicherheit
cc) Zusammenfassung
8. Regeln der Rechtlichkeit
a) Verschwiegenheitspflichten und Wettbewerbsverbote
b) Pflicht zur Genauigkeit
aa) Weitumspannendes Gerechtigkeitsgebot
bb) Rechtsethisches Gebot
c) Gerechtigkeit als Grammatik
9. System positiver Gesetze
a) Bindung des Wohlstands der Nationen an die Moraltheorie
aa) Moralphilosophie als Fundament des Staates
bb) Behandlung der Moralphilosophie im Wohlstand der Nationen
b) Gerechtigkeit und Fairness
c) Vergleich mit dem Schachspiel
IV. System des Naturrechts
1. Die Wissenschaft vom Naturrecht
a) Naturrecht und positives Recht
b) Forschungsstand
2. System des positiven Rechts als Versuch des Systems des Naturrechts
a) Smiths Systemdenken
b) Ethische Notwendigkeit staatlicher Rechtspflege
c) Positives Recht als konkretisiertes Naturrecht
d) Naturrecht als hypothetische Kodifikation
e) Notwendige Divergenz zwischen Naturrecht und positivem Recht
aa) Vorwegnahme späterer Forschungsinteressen
bb) Evolution und Unschärfe des positiven Rechts
f) Gesetze der Verwaltung und Gesetze der Gerechtigkeit
§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen
I. Rechtstheoretische Herausforderungen
1. Regulierungsbedürftige Ungleichgewichte?
a) Interessenanalyse
aa) Subjektive Beweggründe und objektive Gegebenheiten
bb) Interessenbewertung im internationalen Vergleich
cc) Rechtsstaatlichkeit als conditio sine qua non
b) Rudimentäre Rechtstatsachenanalyse
c) Koalitionsfreiheit versus Kartellierung
d) Mindestlohngebot
e) Rechtstatsachenbefund und dogmatische Folgerung
aa) Rechtstheoretische Fundierung des Günstigkeitsprinzips
bb) Unternehmer ohne Gesetzgebungskompetenz
cc) „Gesetze Drakons“
dd) Gefahr der Interessentenjurisprudenz
ee) Ausnahme bei zufälliger Interessenkonvergenz
f) Gerechtigkeitsbewertung und ökonomische Folgen
g) Ungerechtigkeit menschlicher Gesetze
2. Gesetzliche Anordnung beruflicher Zulassungsbeschränkungen
a) Unausgesprochener Rechtspaternalismus
b) Die guten und die wahren Gründe der Gesetze
aa) Rolle des Römischen Rechts
bb) Recht der Parteien
c) Zwischenergebnisse
d) Methodologische Fundierung
aa) Wortlautanalyse und mangelnde Teleologie des Gesetzes
(1) Sinnwidrige Gesetze
(2) Berücksichtigung ökonomischer Gegebenheiten bei der Bestimmung des Gesetzeszwecks
(3) Folgerung für die Bewertung staatlicher Eingriffe
bb) Europarechtliche Betrachtung avant la lettre
(1) Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit
(2) Europäische Wirtschaftspolitik
e) Wirtschaftspolitische Regeln als legitimationsbedürftiges Argument
f) Verstoß gegen natürliche Freiheit und Gerechtigkeit
g) Niederlassungsfreiheit versus Ausschluss aus der bürgerlichen Gesellschaft
II. Freiheit und Gesetzgebung in der Geldwirtschaft
1. „Bau einer gemeinsamen Brandmauer“: Bankenregulierung
a) Unentbehrlichkeit des freien Wettbewerbs
aa) Einzelinteresse als „sehr mächtiges Prinzip“
bb) Differenzierte Betrachtung positiven Rechts
cc) Zwischenergebnis
b) Ungehinderte Bankgeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen
aa) Nützliches Gesetz über den Bankenverkehr
bb) Einschränkungen
c) Smiths Vorschlag eines Bankgesetzes
aa) Gesetzliche Verletzung der persönlichen Freiheit?
bb) Missbräuchliche Ausübung des „Naturrechts“
cc) Brandmauer als Paradigma
(1) Brillanz des Beispiels
(2) Individuelle Freiheitsbeschränkung im Interesse kollektiver Selbsterhaltung
2. Zinsgesetzgebung
a) Ungeeignetheit eines gesetzlichen Zinsverbots
aa) Effektive Durchsetzung der Vertragserfüllung
bb) Rechtstheoretische Untermauerung durch die Versicherung
b) Gesetzlicher Höchstzins
c) Legitime Eingriffe und rechtstheoretische Folgerung
III. Systeme der Politischen Ökonomie
1. Staats- und Gesetzgebungswissenschaft
a) Staatsmann und Gesetzgeber als Adressaten
aa) Vergeltungsgesichtspunkte in der Zollgesetzgebung?
bb) Unveränderliche und allgemeingültige Grundsätze als Maßstab der Gesetzgebung
b) Stellenwert der Rechtstheorie
2. Die unsichtbare Hand
a) Faktizität der unsichtbaren Hand
aa) Rechtstheoretischer Gehalt der unsichtbaren Hand
bb) Sein und Sollen
cc) Informationsvorsprung des Marktes
b) Die unsichtbare Hand im übrigen Werk
aa) ‘The invisible Hand of Jupiter’
bb) Die unsichtbare Hand in der Moralphilosophie
(1) Iustitia distributiva und iustitia commutativa
(2) Erklärungsmodell der Güterverteilung
(3) Mögliche Regulierungsbedürftigkeit des Kapitalmarkts
c) Abschied von der unsichtbaren Hand?
aa) Fortwirkung der Missverständnisse
(1) Bankenregulierung als Bedingung
(2) Zeitgenössische schottische Bankenkrise
(3) Zwischenergebnis
bb) Deismus und Gerechtigkeitsdefizit
cc) Moralphilosophie als Determinante der unsichtbaren Hand
3. Außenhandelsgesetze und internationaler Handelsverkehr
a) Gefahr des Lobbyismus’ im Gesetzgebungsverfahren
b) Rechtstheoretische Bedeutung der unsichtbaren Hand
c) Vorgebliche Hemmnisse durch staatliche Eingriffe
d) Wirkliche Hemmnisse in Gesetzesform
aa) Prinzipielle Unvorgenommenheit gegenüber handelshemmenden Gesetzen
bb) Widersinnigkeiten in der Gesetzgebung
(1) Monopolisierung und Marktbeherrschung
(2) Schutzzweckdivergenz und materielle Gerechtigkeit
cc) Ungeeignetheit gesetzlicher Regelungen
dd) Primat des Einzelnen gegenüber dem Gesetzgeber bei der Interessenwahrnehmung
e) Zusammenhang zwischen Rechts- und Moraltheorie
aa) Smiths Vergleich von Getreidehandel und Religionsausübung
bb) Utopie des „vernünftigen Systems“
(1) Immanente Grenzen des positiven Rechts
(2) Ruhe und Ordnung – Freiheit und Sicherheit
f) „Gesetze Solons“
4. System der natürlichen Freiheit
a) Freiheitsbestimmung
aa) Zusammenhang mit der Moraltheorie
bb) Unterschied zu Hobbes, Pufendorf und Mandeville
(1) Mandevilles Bienenfabel
(2) Smiths Ablehnung
(3) Intellektuelle Redlichkeit des Moralphilosophen
(4) Mandeville in den Lectures on Jurisprudence
(5) Moraltheoretisches Fundament der Gesellschaft
cc) Naturrecht und Vernunft als Korrektive
b) Einschränkungen: Kompromisse nach Art der „Gesetze Solons“
aa) Allfällige Berücksichtigung der Moralphilosophie
bb) Verfehlte Vereinnahmung
5. Folgerungen
a) Vorrang von Gesetz und Recht
b) Präzisierung des Tatbestands der Intervention
c) Prinzipielle Staatsbejahung
IV. Aufgaben und Befugnisse des Staates
1. Einrichtung des Justizwesens
a) Rechtsgeschichtliche Entwicklung und moralische Überwindung
aa) Vierstadientheorie und Bedarf an Recht
bb) Montesquieu als geistiger Vorläufer
cc) Faktische Ungleichheit vor dem Gesetz
dd) Unsoziale Affekte als Hüter der Gerechtigkeit
b) Genese des Rechts
aa) Gerechtigkeit durch staatliche Richterbesoldung
bb) Gewaltenteilung
c) Zwischenergebnis
2. Errichtung und Erhaltung öffentlicher Einrichtungen
a) Befugnis zum staatlichen Zwang
b) Legitimer Paternalismus
c) Gefahrenabwehr und Verkehrsschutz
3. Erhebung von Steuern
a) Legitimation der Besteuerung
aa) Formale Begründung: Finanzierung des Aufwands
bb) Materielle Begründung: Gegenleistung für den Schutz
b) Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit
c) Ungleichheit und Unbestimmtheit
aa) Steuergerechtigkeit im Interesse der Minderprivilegierten
bb) Bestimmtheit und Ungleichheit beim Erstgeburtsrecht
cc) Interdependenz von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit
d) „Grundgesetz des Staates“
aa) Grundrente der Ökonomisten
bb) Legislatorische Konstanz in der Besteuerung
e) Rechtsfolgen und moraltheoretische Bewertung von Verstößen gegen die Finanzgesetze
aa) Partikularinteressen an der Bestrafung
(1) Analyse der Rechtsverhältnisse und moralische Bewertung
(2) Gesetzgeberische Beseitigung des Grundübels
bb) Gesetzesverletzung und Naturrecht
(1) Schmuggel als Paradigma
(2) Hypothetische Naturrechtsbetrachtung
(3) Jurisprudenz und Rhetorik
§ 4 Zusammenfassung und Folgerung
Literaturverzeichnis
I. Werke von Adam Smith
II. Übersetzungen
III. Sekundärliteratur
Personenverzeichnis
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Adam Smith als Rechtstheoretiker
 9783110283525, 9783110283471

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Jens Petersen Adam Smith als Rechtstheoretiker 2. Lauf

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 08.05.2012

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 08.05.2012

Jens Petersen

Adam Smith als Rechtstheoretiker

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 08.05.2012

Prof. Dr. iur. Jens Petersen, Universität Potsdam

ISBN 978-3-11-028347-1 e-ISBN 978-3-11-028352-5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Datenkonvertierung/Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 08.05.2012

Meinem verehrten Lehrer Claus-Wilhelm Canaris zum 75. Geburtstag

2. Lauf

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 09.05.2012

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 09.05.2012

Vorwort 2. Lauf Die Idee zu dieser Abhandlung geht zurück auf mein Buch über Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, dessen zweite Auflage die Rechtstheorie Adam Smiths stärker noch berücksichtigte als schon die erste. Bereits der Vergleich mit Humboldts Rechts- und Staatsverständnis zeigte, um wie viel fortschrittlicher, weitsichtiger und folgerichtiger dasjenige des schottischen Aufklärers war, und wie wenig es gleichwohl im bisherigen Schrifttum behandelt wurde. Die sich 2008 anbahnende Weltwirtschaftskrise war also nicht der Beweggrund dieser Arbeit, die allerdings in deren weiterem Verlauf, namentlich während der Sommermonate 2010 und 2011, entstand. Die Wirtschaftskrise bestätigte jedoch auf Schritt und Tritt, wie viele Missstände zu ihren Auswüchsen führten, die bereits Adam Smith seinerzeit erkannt und mit – freilich unerhörten – Rezepten versehen hatte. Das Meiste verdankt diese Studie der Lektüre des ‚Wohlstands der Nationen‘, dessen rechtsrelevante Gedanken sie auf der Grundlage der Smithschen Moraltheorie einzuordnen versucht. So ist das Buch über seinen Titel hinaus und als unbeabsichtigte Folge der Beschäftigung mit Smiths ‚Theorie der ethischen Gefühle‘ auch eines zum Internationalen Wirtschaftsrecht geworden. Einige Grundgedanken dieser Arbeit durfte ich im April 2011 dank der Vermittlung von Prof. Dr. Adrian Loretan am Institut für juristische Grundlagenforschung der Universität Luzern (lucernaiuris) vorstellen. Dem geschäftsführenden Direktor dieser wichtigen Einrichtung, Prof. Dr. Michele Luminati, sei für die Einladung herzlich gedankt! Herrn Thomas Lasch und Herrn Roy F. Bär danke ich dafür, dass sie die zitierten deutschen Übersetzungen mit den in den Fußnoten wiedergegebenen Originalzitaten aus der Glasgow Edition abgeglichen haben. Ich widme das Buch meinem verehrten Lehrer Prof. Dr. Dr. h. c. mult. ClausWilhelm Canaris zum 75. Geburtstag in dankbarer Verbundenheit. Potsdam, im Mai 2012

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

Inhaltsverzeichnis

IX

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung ______ 12. Lauf Inhaltsverzeichnis § 1 Adam Smith und die Jurisprudenz ______ 9 I. Die Moralphilosophie als Fundament der Nationalökonomie ______ 9 1. Rezeptionsgeschichte ______ 9 2. Moralisch fundierte Kautelarjurisprudenz bei Hume und Smith ______ 11 II. Adam Smith und die ‚Wissenschaft der Gesetzgebung‘ ______ 13 1. Interdisziplinarität ______ 13 a) Rechtstheorie als Teil der geplanten Kulturgeschichte ______ 14 b) Smith und die (kognitive) Psychologie ______ 15 2. Gegenstand und Methode ______ 17 a) Smiths Vorrede zur sechsten Auflage ______ 17 b) Lectures on Jurisprudence ______ 19 c) Folgerung und Reihenfolge der Behandlung ______ 21 d) Werkimmanenter Zusammenhang ______ 22 aa) Naturrechtliche Grundausrichtung beider Werke ______ 23 bb) Vorrang der ökonomischen Betrachtung? ______ 24 3. Gerechtigkeit und Gesellschaft bei Smith ______ 26 a) Gesetze der Gesellschaft ______ 26 b) Begriff der Gerechtigkeit ______ 27 4. Das so genannte „Adam-Smith-Problem“ ______ 28 a) Geistiger Umschwung? ______ 29 b) „Synthese des Gegensatzes“ ______ 29 c) Wechselseitige Beeinflussung von Sympathie und Eigeninteresse ______ 31 III. Die Adam Smith-Rezeption in der Rechtslehre Kants und der Rechtsphilosophie Hegels ______ 32 1. Kants Rezeption der Werke von Adam Smith ______ 32 a) Kants Kenntnis der Moralphilosophie Smiths ______ 33 aa) „Der Engländer Smith Kants Liebling“ ______ 34 bb) Vernünftiger und unparteiischer Zuschauer ______ 35 b) Der Wohlstand der Nationen im Spiegel von Kants Werk ______ 36 aa) Empirischer und intellektueller Begriff des Geldes bei Kant ______ 36 bb) Unsichtbare Hand im Ewigen Frieden? ______ 37

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

X

Inhaltsverzeichnis

2. Hegels Bezugnahme auf Adam Smith in der Rechtsphilosophie ______ 38 a) Hegels „System der Bedürfnisse“ ______ 38 aa) „Wimmeln der Willkür“ und unsichtbare Hand ______ 39 bb) „Wirtschaftsastronomie“ und “invisible hand of Jupiter” ______ 39 b) Rezeptionsgeschichtliche Linie von Smith über Hegel zu Marx ______ 40 c) Unsichtbare Hand und List der Vernunft ______ 41 § 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie ______ 44 I. Rechtstheoretische Voraussetzungen ______ 44 1. Pragmatisches und empiristisches Vorgehen ______ 44 2. Abwendung von Humes Utilitarismus ______ 45 3. Gerechtigkeit und Nutzen ______ 46 a) Vorrang der Regeln der Gerechtigkeit ______ 47 b) Psychologische Gründe perpetuierender Unrechtsbegehung ______ 48 c) Rational und Social Choice Theory ______ 49 II. Anthropologische Grundannahme ______ 51 1. Der Basissatz der Moralphilosophie ______ 51 a) Sympathie ______ 53 b) Beurteilungsmaßstab ______ 54 2. Das „gerechte Gefühl“ des unparteiischen Zuschauers ______ 55 a) Veredelung des Vergeltungsgefühls ______ 56 b) Anwendung auf den Wohlstand der Nationen ______ 57 c) Impartial spectator ______ 58 d) Der unparteiische Zuschauer im Spiegel der Forschung ______ 60 aa) “Impartial jurist” ______ 60 bb) Sens Wiederbelebung des unparteiischen Zuschauers ______ 61 cc) Bewertung und werkimmanente Zusammenschau ______ 62 e) Der unparteiische Geschworene in den Lectures on Jurisprudence ______ 63 aa) Informationsvorsprung durch Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten ______ 63 bb) Folgerung ______ 65 III. Gesetze der Gerechtigkeit ______ 65

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

Inhaltsverzeichnis

XI

1. Sympathie und Gerechtigkeitssinn ______ 66 2. Gerechtigkeit als höchste Tugend ______ 68 a) Kommutative Gerechtigkeit ______ 68 b) Gerechtigkeit gegenüber den Menschen und Dingen ______ 70 3. Die „heiligsten Gesetze der Gerechtigkeit“ ______ 72 a) Reihenfolge der Schutzgüter ______ 72 b) Religiöser Ursprung der Rechte? ______ 73 aa) Heiligkeit der Gesetze ______ 73 (1) Sklaverei im Spiegel der Lectures on Jurisprudence ______ 74 (2) Bekräftigung des naturrechtlichen Ursprungs ______ 75 bb) Wissenschaftstheoretische Relevanz des ethischen Gefühls ______ 76 (1) Naturrechtliche Begründung ______ 77 (2) Gesetze als allgemeine Regeln ______ 78 (3) Das „moralische Gesetz in mir“ ______ 79 cc) „Philosophen und Theoretiker“ ______ 80 c) Deistische Ausrichtung? ______ 80 aa) Der Mensch als naturgemäßer Richter des Menschen ______ 81 bb) Zurückhaltung gegenüber jenseitiger Gerechtigkeit ______ 82 d) Heiligkeit des Eigentums ______ 83 aa) „Normative Jurisprudenz“ ______ 84 bb) Rechtsbegriff in den Lectures on Jurisprudence ______ 85 4. Gefühlsgemäße Unrechtsbegründung ______ 86 a) Unrecht als Verletzung der Gerechtigkeit ______ 86 b) Rechtsdurchsetzung im Wohlstand der Nationen ______ 88 c) Rechtstheoretische Kompetenz in der Zusammenschau ______ 89 5. Vorschriften zur Förderung des gedeihlichen Gemeinwesens ______ 90 6. Pflichten des Gesetzgebers ______ 91 7. Schutzzwecktrias: Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit ______ 92 a) Rangverhältnis ______ 93 b) Die Rolle der Gleichheit ______ 94 aa) Beleg für die Umschwungtheorie unter französischem Einfluss? ______ 94 bb) Interdependenz der Freiheit, Gleichheit und Sicherheit ______ 95 cc) Zusammenfassung ______ 96 8. Regeln der Rechtlichkeit ______ 97

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Verschwiegenheitspflichten und Wettbewerbsverbote ______ 97 b) Pflicht zur Genauigkeit ______ 98 aa) Weitumspannendes Gerechtigkeitsgebot ______ 99 bb) Rechtsethisches Gebot ______ 100 c) Gerechtigkeit als Grammatik ______ 100 9. System positiver Gesetze ______ 101 a) Bindung des Wohlstands der Nationen an die Moraltheorie ______ 102 aa) Moralphilosophie als Fundament des Staates ______ 102 bb) Behandlung der Moralphilosophie im Wohlstand der Nationen ______ 104 b) Gerechtigkeit und Fairness ______ 105 c) Vergleich mit dem Schachspiel ______ 107 IV. System des Naturrechts ______ 109 1. Die Wissenschaft vom Naturrecht ______ 109 a) Naturrecht und positives Recht ______ 110 b) Forschungsstand ______ 111 2. System des positiven Rechts als Versuch des Systems des Naturrechts ______ 113 a) Smiths Systemdenken ______ 114 b) Ethische Notwendigkeit staatlicher Rechtspflege ______ 115 c) Positives Recht als konkretisiertes Naturrecht ______ 116 d) Naturrecht als hypothetische Kodifikation ______ 117 e) Notwendige Divergenz zwischen Naturrecht und positivem Recht ______ 118 aa) Vorwegnahme späterer Forschungsinteressen ______ 118 bb) Evolution und Unschärfe des positiven Rechts ______ 119 f) Gesetze der Verwaltung und Gesetze der Gerechtigkeit ______ 120 § 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen ______ 122 I. Rechtstheoretische Herausforderungen ______ 122 1. Regulierungsbedürftige Ungleichgewichte? ______ 123 a) Interessenanalyse ______ 123 aa) Subjektive Beweggründe und objektive Gegebenheiten ______ 124 bb) Interessenbewertung im internationalen Vergleich ______ 125 cc) Rechtsstaatlichkeit als conditio sine qua non ______ 126 b) Rudimentäre Rechtstatsachenanalyse ______ 127 c) Koalitionsfreiheit versus Kartellierung ______ 129 d) Mindestlohngebot ______ 130

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....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

Inhaltsverzeichnis

XIII

e) Rechtstatsachenbefund und dogmatische Folgerung ______ 131 aa) Rechtstheoretische Fundierung des Günstigkeitsprinzips ______ 132 bb) Unternehmer ohne Gesetzgebungskompetenz ______ 133 cc) „Gesetze Drakons“ ______ 134 dd) Gefahr der Interessentenjurisprudenz ______ 135 ee) Ausnahme bei zufälliger Interessenkonvergenz ______ 136 f) Gerechtigkeitsbewertung und ökonomische Folgen ______ 136 g) Ungerechtigkeit menschlicher Gesetze ______ 137 2. Gesetzliche Anordnung beruflicher Zulassungsbeschränkungen ______ 139 a) Unausgesprochener Rechtspaternalismus ______ 139 b) Die guten und die wahren Gründe der Gesetze ______ 140 aa) Rolle des Römischen Rechts ______ 141 bb) Recht der Parteien ______ 143 c) Zwischenergebnisse ______ 144 d) Methodologische Fundierung ______ 145 aa) Wortlautanalyse und mangelnde Teleologie des Gesetzes ______ 146 (1) Sinnwidrige Gesetze ______ 146 (2) Berücksichtigung ökonomischer Gegebenheiten bei der Bestimmung des Gesetzeszwecks ______ 147 (3) Folgerung für die Bewertung staatlicher Eingriffe ______ 149 bb) Europarechtliche Betrachtung avant la lettre ______ 150 (1) Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit ______ 151 (2) Europäische Wirtschaftspolitik ______ 152 e) Wirtschaftspolitische Regeln als legitimationsbedürftiges Argument ______ 154 f) Verstoß gegen natürliche Freiheit und Gerechtigkeit ______ 154 g) Niederlassungsfreiheit versus Ausschluss aus der bürgerlichen Gesellschaft ______ 156 II. Freiheit und Gesetzgebung in der Geldwirtschaft ______ 157 1. „Bau einer gemeinsamen Brandmauer“: Bankenregulierung ______ 157 a) Unentbehrlichkeit des freien Wettbewerbs ______ 157 aa) Einzelinteresse als „sehr mächtiges Prinzip“ ______ 158 bb) Differenzierte Betrachtung positiven Rechts ______ 159 cc) Zwischenergebnis ______ 161

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Ungehinderte Bankgeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen ______ 161 aa) Nützliches Gesetz über den Bankenverkehr ______ 162 bb) Einschränkungen ______ 162 c) Smiths Vorschlag eines Bankgesetzes ______ 164 aa) Gesetzliche Verletzung der persönlichen Freiheit? ______ 164 bb) Missbräuchliche Ausübung des „Naturrechts“ ______ 165 cc) Brandmauer als Paradigma ______ 166 (1) Brillanz des Beispiels ______ 167 (2) Individuelle Freiheitsbeschränkung im Interesse kollektiver Selbsterhaltung ______ 167 2. Zinsgesetzgebung ______ 169 a) Ungeeignetheit eines gesetzlichen Zinsverbots ______ 169 aa) Effektive Durchsetzung der Vertragserfüllung ______ 170 bb) Rechtstheoretische Untermauerung durch die Versicherung ______ 171 b) Gesetzlicher Höchstzins ______ 172 c) Legitime Eingriffe und rechtstheoretische Folgerung ______ 173 III. Systeme der Politischen Ökonomie ______ 174 1. Staats- und Gesetzgebungswissenschaft ______ 175 a) Staatsmann und Gesetzgeber als Adressaten ______ 175 aa) Vergeltungsgesichtspunkte in der Zollgesetzgebung? ______ 176 bb) Unveränderliche und allgemeingültige Grundsätze als Maßstab der Gesetzgebung ______ 178 b) Stellenwert der Rechtstheorie ______ 180 2. Die unsichtbare Hand ______ 180 a) Faktizität der unsichtbaren Hand ______ 183 aa) Rechtstheoretischer Gehalt der unsichtbaren Hand ______ 183 bb) Sein und Sollen ______ 186 cc) Informationsvorsprung des Marktes ______ 187 b) Die unsichtbare Hand im übrigen Werk ______ 189 aa) ‘The invisible Hand of Jupiter’ ______ 189 bb) Die unsichtbare Hand in der Moralphilosophie ______ 191 (1) Iustitia distributiva und iustitia commutativa ______ 191 (2) Erklärungsmodell der Güterverteilung ______ 192 (3) Mögliche Regulierungsbedürftigkeit des Kapitalmarkts ______ 193 c) Abschied von der unsichtbaren Hand? ______ 194 aa) Fortwirkung der Missverständnisse ______ 195

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

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Inhaltsverzeichnis

XV

(1) Bankenregulierung als Bedingung ______ 195 (2) Zeitgenössische schottische Bankenkrise ______ 196 (3) Zwischenergebnis ______ 197 bb) Deismus und Gerechtigkeitsdefizit ______ 197 cc) Moralphilosophie als Determinante der unsichtbaren Hand ______ 199 3. Außenhandelsgesetze und internationaler Handelsverkehr ______ 201 a) Gefahr des Lobbyismus’ im Gesetzgebungsverfahren ______ 202 b) Rechtstheoretische Bedeutung der unsichtbaren Hand ______ 202 c) Vorgebliche Hemmnisse durch staatliche Eingriffe ______ 203 d) Wirkliche Hemmnisse in Gesetzesform ______ 204 aa) Prinzipielle Unvorgenommenheit gegenüber handelshemmenden Gesetzen ______ 205 bb) Widersinnigkeiten in der Gesetzgebung ______ 205 (1) Monopolisierung und Marktbeherrschung ______ 205 (2) Schutzzweckdivergenz und materielle Gerechtigkeit ______ 206 cc) Ungeeignetheit gesetzlicher Regelungen ______ 207 dd) Primat des Einzelnen gegenüber dem Gesetzgeber bei der Interessenwahrnehmung ______ 209 e) Zusammenhang zwischen Rechts- und Moraltheorie ______ 210 aa) Smiths Vergleich von Getreidehandel und Religionsausübung ______ 211 bb) Utopie des „vernünftigen Systems“ ______ 211 (1) Immanente Grenzen des positiven Rechts ______ 212 (2) Ruhe und Ordnung – Freiheit und Sicherheit ______ 212 f) „Gesetze Solons“ ______ 214 4. System der natürlichen Freiheit ______ 215 a) Freiheitsbestimmung ______ 215 aa) Zusammenhang mit der Moraltheorie ______ 216 bb) Unterschied zu Hobbes, Pufendorf und Mandeville ______ 217 (1) Mandevilles Bienenfabel ______ 218 (2) Smiths Ablehnung ______ 219 (3) Intellektuelle Redlichkeit des Moralphilosophen ______ 220 (4) Mandeville in den Lectures on Jurisprudence ______ 221 (5) Moraltheoretisches Fundament der Gesellschaft ______ 222 cc) Naturrecht und Vernunft als Korrektive ______ 223

Petersen: Adam Smith als Rechtstheoretiker

....................................................... 2. Lauf, 07.05.2012

XVI

Inhaltsverzeichnis

b) Einschränkungen: Kompromisse nach Art der „Gesetze Solons“ ______ 225 aa) Allfällige Berücksichtigung der Moralphilosophie ______ 225 bb) Verfehlte Vereinnahmung ______ 227 5. Folgerungen ______ 228 a) Vorrang von Gesetz und Recht ______ 229 b) Präzisierung des Tatbestands der Intervention ______ 229 c) Prinzipielle Staatsbejahung ______ 230 IV. Aufgaben und Befugnisse des Staates ______ 231 1. Einrichtung des Justizwesens ______ 233 a) Rechtsgeschichtliche Entwicklung und moralische Überwindung ______ 233 aa) Vierstadientheorie und Bedarf an Recht ______ 234 bb) Montesquieu als geistiger Vorläufer ______ 235 cc) Faktische Ungleichheit vor dem Gesetz ______ 236 dd) Unsoziale Affekte als Hüter der Gerechtigkeit ______ 237 b) Genese des Rechts ______ 238 aa) Gerechtigkeit durch staatliche Richterbesoldung ______ 239 bb) Gewaltenteilung ______ 240 c) Zwischenergebnis ______ 242 2. Errichtung und Erhaltung öffentlicher Einrichtungen ______ 242 a) Befugnis zum staatlichen Zwang ______ 243 b) Legitimer Paternalismus ______ 244 c) Gefahrenabwehr und Verkehrsschutz ______ 245 3. Erhebung von Steuern ______ 245 a) Legitimation der Besteuerung ______ 246 aa) Formale Begründung: Finanzierung des Aufwands ______ 246 bb) Materielle Begründung: Gegenleistung für den Schutz ______ 248 b) Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit ______ 248 c) Ungleichheit und Unbestimmtheit ______ 250 aa) Steuergerechtigkeit im Interesse der Minderprivilegierten ______ 251 bb) Bestimmtheit und Ungleichheit beim Erstgeburtsrecht ______ 251 cc) Interdependenz von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit ______ 253 d) „Grundgesetz des Staates“ ______ 254 aa) Grundrente der Ökonomisten ______ 254 bb) Legislatorische Konstanz in der Besteuerung ______ 255

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e) Rechtsfolgen und moraltheoretische Bewertung von Verstößen gegen die Finanzgesetze ______ 256 aa) Partikularinteressen an der Bestrafung ______ 257 (1) Analyse der Rechtsverhältnisse und moralische Bewertung ______ 257 (2) Gesetzgeberische Beseitigung des Grundübels ______ 258 bb) Gesetzesverletzung und Naturrecht ______ 260 (1) Schmuggel als Paradigma ______ 260 (2) Hypothetische Naturrechtsbetrachtung ______ 262 (3) Jurisprudenz und Rhetorik ______ 264 § 4 Zusammenfassung und Folgerung ______ 266 Literaturverzeichnis ______ 271 I. Werke von Adam Smith ______ 271 II. Übersetzungen ______ 271 III. Sekundärliteratur ______ 271 Personenverzeichnis ______ 291

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Einleitung

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Einleitung 3. Lauf Einleitung Einleitung Adam Smiths Annahmen wurden zumeist von Ökonomen, seltener von Philosophen, am wenigsten von Juristen überprüft. Das ist umso erstaunlicher, als es seinerzeit die Nationalökonomie im Unterschied zur Jurisprudenz noch nicht als eigenständige Disziplin gab. Das Titelblatt der Erstausgabe des Wealth of Nations weist den Autor als LLD, Doktor der Rechte, aus.1 Dessen ungeachtet gilt Adam Smith nach wie vor als einer der Begründer der modernen Nationalökonomie und auch aus heutiger Sicht noch als einer der größten Wirtschaftswissenschaftler aller Zeiten.2 Elementare Einsichten etwa zur soziologischen Armutsanalyse, die auch heute noch Bestand haben, finden sich zuerst bei ihm.3 Mehrere Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften – etwa 1972 an Kenneth Arrow und 1983 an Gerard Debreu,4 aber auch noch im Jahre 2007 an Leonid Hurwicz, Eric Maskin und Roger Myerson, jeweils zur Erforschung der “invisible hand” – wurden in den vergangenen Jahrzehnten für Arbeiten zugesprochen, die allesamt Annahmen untersuchten, die Adam Smith zwei Jahrhunderte zuvor in seinem Hauptwerk über den Wohlstand der Nationen in völliger Abgeschiedenheit eigenständig erdacht hatte, wie er brieflich bekannte: „Nach Großbritannien zurückgekehrt, ließ ich mich an meinem schottischen Geburtsort (sc. Kirkcaldy) nieder, wo ich nun schon sechs Jahre lang in großer Ruhe und fast völlig zurückgezogen lebe. In dieser Zeit habe ich mich hauptsächlich damit beschäftigt, meine Untersuchung über den Wohlstand der Nationen zu schreiben und (ohne großen Erfolg) die Botanik und andere Wissenschaften zu studieren, die ich bisher nur vom Hörensagen kannte.“5 Weltberühmt wurde er indes weder als Botaniker, Astronom oder Rhetoriker, um nur einige andere Forschungsgebiete zu nennen, sondern als maßgeblicher Begründer der Nationalökonomie. Das

_____ 1 Ross (1998) Abbildung S. 386. 2 Samuelson/Nordhaus (2007) S. 21; Samuelson (1977) S. 42; ders. (1978) S. 1426; Boulding (1971) S. 225; Weizsäcker (1982) S. 325, 337 („Einfluss welthistorischen Ausmaßes“). 3 Runciman (1966); Townsend (1979); Sen (2003) S. 112. 4 Lindbeck (1992) S. 109 f.; Mäler (1992) S. 88, 98. 5 Corr.No. 208, p. 249, 252: “Upon my return to Britain I retired to a small Town in Scotland the place of my nativity, where I continued to live for six years in great tranquillity, and almost in complete retirement. During this time I amused myself principally with writing my Enquiry concerning the Wealth of Nations, in studying Botany (in which however I made no great progress) as well as some other sciences to which I had never given much attention before.” Hier und im Folgenden in der Übersetzung von Holl, in: Ross (1998).

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Schrifttum zur ökonomischen Leistung von Adam Smith ist daher auch praktisch unüberschaubar.6 Weniger bekannt ist, dass die Nationalökonomie nur ein Gebiet war, mit dem sich Adam Smith beschäftigt hat und dass er vorrangig Professor für Moralphilosophie war,7 was übrigens ebenfalls auf dem Deckblatt der Erstausgabe des Wealth of Nations vermerkt ist. Mehr noch: Er selbst hielt sein moralphilosophisches Hauptwerk, die Theorie der ethischen Gefühle, für bedeutsamer als seinen Wohlstand der Nationen. Einem zeitgenössischen Rechtsanwalt zufolge „hielt er die Theory immer für das eindeutig wichtigere Werk als den Wealth“.8 Interessant ist vor allem, dass die Wissenschaft vom Naturrecht für ihn die „von allen Wissenschaften weitaus wichtigste“ war.9 Die ‘Natural Jurisprudence’, die Smith meinte und lehrte,10 bedeutete seinerzeit sowohl Rechtsphilosophie als auch Rechtpolitik.11 In diesem Rahmen hielt er nachweislich 1762/63 und 1766 in Mitschriften überlieferte Lectures on Jurisprudence,12 die umso wichtiger sind, als seine eigenen Arbeiten über das Recht, denen er höchste Aufmerksamkeit schenkte, unvollendet blieben und auf seinen Wunsch von seinen beiden Testamentsvollstreckern Black und Hutton eine Woche vor seinem Tod zusammen mit den meisten seiner Manuskripte13 – insgesamt sechzehn Bände – verbrannt wurden.14 Smith hatte eine Geschichte des Rechts- und Staatswesens entworfen, das erforderliche Material umfassend gesichtet und in jahrelanger Kleinarbeit teilweise ausgearbeitet, aber krankheitsbedingt nicht mehr vollendet. Sein erklärtes Ziel war “an account of the general principles of law and government and of the different revolutions they have undergone in the different ages and periods of society, not only in what concerns justice but in (…) whatever else is the object of law.”15 Die Arbeit sollte Teil einer umfassenden Kulturgeschichte werden,16 deren mo-

_____ 6 Franklin/Cordasco (1950); Lightwood (1984). 7 Morrow (1927) S. 321. 8 Romilly (1840) S. 403. 9 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2: “of all sciences by far the most important”). 10 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 35 (LJ(A) i.1; LJ(B) p. 5). 11 Eckstein (1926/27) S. 378, 390. 12 Cannan (1896), redigierte die erste Ausgabe. 13 ‘Essays on Philosophical Subjects’ (EPS) ist die Aufsatzsammlung überschrieben, die Smith von der Vernichtung ausgenommen hatte. 14 Raphael (1991) S. 38. 15 Dazu Klenner (1990) S. 267, 268. 16 Oncken (1874).

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ralphilosophische und nationalökonomische Bereiche auf uns gekommen sind.17 Ursprünglich wollte Smith sogar die Nationalökonomie im Rahmen der Jurisprudenz abhandeln,18 wie dies auch in den Lectures on Jurisprudence anklingt,19 hat davon aber schließlich abgesehen und den Wohlstand der Nationen als eigenständiges Werk konzipiert. Daher lassen sich auch seine rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Gedanken nicht vollständig erschließen.20 Smith selbst war sich dessen am besten bewusst, da er im Vorwort der sechsten Auflage seiner Theorie der ethischen Gefühle zwar festhalten konnte, dass er das Versprechen einer umfassenden Darstellung der Jurisprudenz im letzten Teil des Wohlstands der Nationen teilweise eingelöst habe, im Übrigen aber schonungslos einräumt: „Das auszuführen, was noch übrig bleibt – nämlich eine Theorie des Rechts, welche ich lange Zeit geplant habe, – daran bin ich bisher (…) verhindert worden (…). Mein bereits sehr vorgerücktes Alter lässt mir, wie ich wohl weiß, zwar sehr wenig Hoffnung, dass ich noch jemals imstande sein werde, dieses große Werk so, wie ich es wünschen würde, auszuführen.“21 Da er dies kurz vor seinem Tod bei stark geschwächter Gesundheit schrieb, spricht einiges dafür, dass auch die Moraltheorie als ein Vermächtnis an die Gesetzgeber gedacht war.22 Die Lectures on Jurisprudence, deren rechtsphilosophische Durchdringung mitnichten abgeschlossen ist,23 und die man als ein regelrechtes Kompendium der Rechtstheorie begreifen kann, legen die Annahme nahe, dass Nationalökonomie und Moralphilosophie in Smiths Werk kompatibel sind,24 ja dass womöglich gerade die Rechtstheorie beide sinnvoll miteinander ver-

_____ 17 Recktenwald (2003) S. XXXII („Torso einer Kulturgeschichte“). Siehe auch Rothschild (2001). 18 Aßländer (2007) S. 148. 19 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 35: „Unter diesem Kapitel wollen wir den Reichtum eines Staates betrachten“ (LJ(A) i.2; LJ(B) p. 5: “Under his head we will consider the opulence of a state.”). 20 Wichtige Ansätze finden sich im Schrifttum etwa bei Raphael (1975) S. 105 ff.; Verburg (2000) S. 23. 21 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 2 (TMS Advertisement.2: “What remains, the theory of jurisprudence, which I have long projected, I have hitherto been hindered from executing (…). Though my very advanced age leaves me, I acknowledge, very little expectation of ever being able to execute this great work to my own satisfaction”); Hervorhebung nur hier. 22 Ross (1998) S. 533, 507 ff. 23 Meek (1976) S. 439; Pesciarelli (1986) S. 74. 24 Aßländer (2007) S. 8 („anschlussfähig“); S. 9, wonach „Moralphilosophie, Rechtsphilosophie und Ökonomie für Smith eine gewisse Einheit bilden“.

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klammert. Einer der vergleichsweise wenigen Wissenschaftler, die sich mit der Rechtstheorie des Adam Smith ausdrücklich befasst haben, hat vor allem die Vorlesungsmitschriften ausgewertet.25 Allerdings reicht es nicht aus, die Rechtstheorie allein oder auch nur überwiegend aus den Vorlesungen zu rekonstruieren, weil nur die beiden Hauptwerke authentisch und von letzter Hand vorliegen.26 Die Vorlesungsmitschriften sind also eher hermeneutisches Komplement als ausschließliche Quelle.27 Aus ihnen ergibt sich immerhin, dass der Vorwurf des Eklektizismus, der Smith mitunter gemacht wurde,28 letztlich ebenso fernliegend ist,29 wie der Umstand, dass ihm vereinzelt die Originalität abgesprochen wurde.30 Es ist im Gegenteil interessant zu sehen, wie gerade in einer vergleichsweise weltfernen Abgeschiedenheit, von der die Schottische Aufklärung ausging,31 Gedankengebäude entstehen konnten,32 die für die globale Wirtschaft in ihrer heutigen Komplexität Antworten bereithält.33 Zugleich muss man sich natürlich vor vorschnellen Analogien von schottischen Getreidegesetzen des 18. Jahrhunderts auf die Anforderungen der globalisierten Weltwirtschaft hüten, wenn auch die Gesetzmäßigkeiten mutatis mutandis ähnliche sein können. Erst im Wege wertender Abstraktion lässt sich der rechtstheoretische Kern freilegen. So soll dieser erste einleitende Überblick zunächst von der zutreffenden Einschätzung Mestmäckers ausgehen, dass Smiths Erörterung der Rechts- und Wirtschaftsordnung „zentrale Gegenstände der Rechtstheorie“ betreffe.34 Hier wird in aller Deutlichkeit ausgesprochen, dass Adam

_____ 25 Stein (1979 a) S. 621. 26 Wichtig auch MacCormick (1981) S. 243. 27 Etwas anders Haakonssen (1981) S. 3, im Hinblick auf die 1978 aufgefundene weitere Vorlesungsmitschrift; in ihr erblickt er „the heart of the system of jurisprudence which we needed to know so much more about“. 28 Viner (1927) S. 198: “Smith war der große Eklektiker”; dagegen überzeugend Recktenwald (1986 a). 29 Eckstein (2004) S. XIX. 30 Schumpeter (1954) S. 184: “The fact is that the Wealth of Nations does not contain a single analytic idea, principle, or method that was entirely new in 1776.” Dazu Lindgren (1969) S. 897. 31 Herman (2001). 32 Buchan (2003). 33 Sen (2009 a) S. xxiv: “The continuing global relevance of Smith’s ideas is quite astonishing, and it is a tribute to the power of Smith’s mind that this global vision is so forcefully presented by someone who, a quarter of a millenium ago, lived most of his life in considerable seclusion in a tiny coastal Scottish town”. 34 Mestmäcker (1978) S. 139, 143.

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Smith als Moralphilosoph und Pionier der (politischen) Ökonomie notwendigerweise auch Rechtstheoretiker war. Zum Beweis dieser Einschätzung ist die eingehende Behandlung der Hauptwerke Adam Smiths im Hinblick auf alle rechtsrelevanten Aussagen und Folgerungen erforderlich. Den Ausgangspunkt dieser Analyse soll eine wichtige Einschätzung Hayeks machen, die den geistesgeschichtlichen und juristischen Ausgangspunkt der Schottischen Aufklärung bildet und die daher auch trotz ihrer Ausführlichkeit wörtlich wiedergegeben sei: „Es ist selbstverständlich richtig, dass man die Freiheit durch Gesetze zerstören kann, denn nicht jedes Produkt der Legislative ist ein Gesetz zum Schutz der Freiheit, wie John Locke oder David Hume oder Adam Smith oder Immanuel Kant oder die späteren englischen Whigs es sahen. Wenn sie vom Gesetz als unerlässlichem Wächter der Freiheit sprachen, dachten sie nur an solche Verhaltensregeln, aus denen sich das Privat- und Strafrecht zusammensetzt,35 aber nicht an jeden Befehl, der von einer gesetzgebenden Autorität erlassen wird.“36 Sind diese Prämissen auf alle namentlich genannten Exponenten der Aufklärung bezogen, so dürfte das Folgende vor allem für die Vertreter der Schottischen Aufklärung, ganz besonders aber für Adam Smith und sein Rechtsverständnis gelten: „Um als Gesetz in dem Sinne zu gelten, in dem der Begriff in der englischen liberalen Tradition verwendet wurde, um die Bedingung der Freiheit zu beschreiben, die das englische Common Law notwendigerweise besaß, aber nicht jedes Produkt der Legislative: sie mussten allgemeine Regeln individuellen Verhaltens sein, auf jedermann anwendbar, gültig für eine unbekannte Anzahl zukünftiger Fälle, sie mussten den geschützten Bereich des einzelnen definieren und deshalb im Wesentlichen Verbote sein, nicht aber besondere Anordnungen.“37 Der letztgenannte Gesichtspunkt wird uns besonders beschäftigen; es ist aber bereits an dieser

_____ 35 Brühlmeier (1988) S. 44 f., begründet den Zusammenhang zwischen Zivil- und Strafrecht: „Smiths Rechtssystematik wird gekrönt durch die Tatsache, dass Strafrecht (delinquency) beinahe exklusiv als Teil des Privatrechts verstanden wird, denn Strafe kann so direkt als Antwort auf die Privatverletzung verstanden werden“. 36 Hayek (2002) GS A 5, S. 88, 102. 37 Hayek (2002) GS A 5, S. 88, 102 (Hervorhebung nur hier), zum Verständnis der Rechtsbegriffe und des Gerechtigkeitsbegriffs der von Smith vorausgesetzten angelsächsischen Rechtstradition ders., ebenda, S. 69, 71. Siehe auch ders. (2005) GS B 3, S. 71: „Was wir die ‚britische Überlieferungʻ nannten, wurde hauptsächlich von einer Gruppe schottischer Moralphilosophen unter der Führung von David Hume, Adam Smith und Adam Ferguson, unterstützt von ihren englischen Zeitgenossen Josiah Tucker, Edmund Burke und William Paley und unter Anlehnung an die Überlieferung der common law Jurisprudenz entwickelt.“ (Hervorhebung nur hier).

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Stelle wichtig zu sehen, wie begründungsbedürftig von dieser auch im modernen Sinne rechtsstaatlichen Rechtstradition her gesehen einschränkende Anordnungen sind, welche die Freiheit des Einzelnen zugunsten der Allgemeinheit beschränken. Hören wir aber noch kurz auf die Folgerungen, die Hayek aus den genannten Postulaten, durchaus im Sinne Smiths, zieht: „Deshalb sind sie auch nicht zu trennen von der Einrichtung des Privateigentums. Innerhalb der Grenzen, die diese Verhaltensregeln setzen, sollte der einzelne frei sein, seine eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten für seine eigenen Zwecke einzusetzen, wie er es für richtig hielt.“38 Die Schriften der Wirtschaftsnobelpreisträger Hayek, Buchanan und Sen enthalten bei allen Unterschieden im einzelnen womöglich mehr über die Rechtstheorie des Adam Smith als die wenigen diesem Gegenstand ausdrücklich gewidmeten Arbeiten zusammen39 – und dies nicht obwohl, sondern gerade weil diese Ökonomen seine Moralphilosophie entscheidend berücksichtigen. Es ist für das Verständnis seiner Rechtstheorie nämlich nicht unwichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die gesetzlichen Bedingungen und Begrenzungen der Freiheit ihrer ungehemmten Ausübung vorangehen und diese nur gestattet ist, wenn jene gewährleistet sind. Die Themenstellung kann sich jedoch nicht damit begnügen, nur den rechts- und moralphilosophischen Gehalt der Gedanken Smiths zutage zu fördern. Vielmehr muss zugleich ein gewisses Verständnis der Wirtschaftsordnung vorausgesetzt und unter Beweis gestellt werden. Zur Ausarbeitung dieses notwendigerweise interdisziplinären Vorhabens muss sich der Blick bei aller rechts- und moralphilosophischen Ausrichtung auch hin zu einer wirtschaftlichen Betrachtung richten, um deren Eigen- und Sachgesetzlichkeiten nicht unberücksichtigt zu lassen und damit Gefahr zu laufen, die Rechtstheorie Adam Smiths letztlich doch zu verfehlen.40 Nicht minder wich-

_____ 38 Hayek (2002) GS A 5, S. 88, 102 f.; ebenso Stein (1979 a) S. 621, 630 f.: “Locke had expressed something of this idea, but Smith made it the basis of his whole treatment of rights”. Zum Verhältnis zu Lockes Eigentumsverständnis auch Haakonssen (1981) S. 106. 39 Eine Ausnahme im deutschsprachigen Bereich bildet neben Brühlmeier (1988) beispielsweise die außerordentlich gehaltvolle Schrift von Mestmäcker (1978) S. 139, die allerdings auch nicht explizit, wohl aber implizit seine Rechtstheorie behandelt. 40 Zeitlos gültig die Forderung von MacCormick (1981) S. 243, 254: “Smith’s work has a clear lesson, even today, for any gathering of jurists and economists: neither group can regard the other’s field of work as alien to its own interests and concerns. Economists ought not treat legal relationships either as indifferent to their questions or as mere background data assumed as invariant elements of the economic landscape. Jurists ought not regard

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tig ist die stete Einbeziehung rechtssoziologischer Gedanken, weil diese, wie zu zeigen ist, – wenngleich avant la lettre – der Sache nach auch von Smith berücksichtigt wurden, weil sonst die Ordnung des Handelns, um die es Smith letztlich auch geht, nicht vollends erfasst würde. Hayek hat das in einem hier deshalb abermals ungekürzt wiedergegebenen Gedanken zusammengefasst, der zugleich einen Aufruf an die Rechtsphilosophie wie ein dringendes Desiderat an die Adresse der Ökonomen zum Ausdruck bringt: „Erst in der Rechtstheorie, in der Formulierung und Ausarbeitung jener allgemeinen Grundsätze, erhebt sich die wesentliche Frage, in welchem Verhältnis diese zu einer funktionierenden Handelnsordnung stehen. Für solch eine Formulierung und Ausarbeitung ist das Verständnis dieser Ordnung absolut unerlässlich, wenn eine überlegte Wahl zwischen alternativen Grundsätzen getroffen werden soll. In den letzten zwei oder drei Generationen war die Rechtsphilosophie jedoch eher von einem Missverständnis als vom Verständnis des Wesens dieser Ordnung geprägt. Die Ökonomen ihrerseits – zumindest nach der Zeit von Hume und Smith, die ja auch Rechtsphilosophen waren – bewiesen sicherlich kein besseres Urteil, was die Bedeutung des Systems von Rechtsregeln anlangt, die sie in ihrer Argumentation stillschweigend als vorhanden voraussetzten. Selten fassten sie ihre Erklärung der Bestimmungsgründe einer spontanen Ordnung in eine Form, die dem Rechtstheoretiker sonderlich hätte nutzen können.“ 41 Im Umkehrschluss folgt daraus („nach der Zeit“), dass gerade Adam Smith als Rechtsphilosoph und Ökonom das von Hayek geforderte Urteil besaß, so dass man von ihm gerade dieses System von Rechtsregeln noch lernen konnte, weil er es selbstverständlich voraussetzte. Dieses rechtliche System darzustellen und mit den modernen Anforderungen abzugleichen, stellt eine wichtige rechtstheoretische Aufgabe dar, der sich die vorliegende Abhandlung unterzieht. Mit den darüber hinaus, wenngleich natürlich damit zusammenhängend, von Hayek genannten Bestimmungsgründen der spontanen Ordnung ist zudem nicht zuletzt die rechtstheoretische Bedeutung der berühmten unsichtbaren Hand angesprochen, deren Vielschichtigkeit sich etwa daran zeigt, dass sie nicht nur im Wohlstand der Nationen, sondern auch in der Theorie der ethischen Gefühle, ja sogar in den Vorlesungen über die Geschichte der Astronomie be-

_____ economic relationships as existing apart from and indifferent to legal relations, for the latter are indeed an intrinsic part of the former”. 41 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 70; Hervorhebung nur hier.

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gegnet,42 woran sich beispielhaft zeigt, dass bei Smith alles mit allem zusammenhängt und man seine Bedeutung als Rechtstheoretiker nur ermessen kann, wenn man sein Gesamtwerk berücksichtigt. Denn Adam Smith war in einem Maße Systematiker, wie es im modernen angloamerikanischen Rechtskreis kaum mehr eine Entsprechung finden dürfte,43 so dass das Verständnis seiner Rechtstheorie vielleicht gerade aus dem Blickwinkel eines römischrechtlich geprägten, kontinentaleuropäischen Rechtsdenkens eine zusätzliche Perspektive erfahren kann.

_____ 42 Myers (1976) S. 560, 568, hat anhand von Smiths Arbeiten über die Astronomie auf seine mathematischen Kenntnisse rückgeschlossen und danach ermessen, dass sie ausreichend gewesen sein dürften, um seine Vorstellung vom Marktgleichgewicht auch mathematisch auszudrücken (“Apparently Smith’s model would lend itself to mathematical expression, and as can be seen from his History of Astronomy, his knowledge of mathematics probably would have been sufficient for the task”). – Aber womöglich war Smith, in dessen Wealth of Nations sich keine einzige mathematische Formel findet, auch schlicht der Ansicht, dass man ökonomische Theorien erschöpfend in Worten darstellen könne, ohne zwangsläufig unwissenschaftlich zu arbeiten. 43 Anders als früher; vgl. Pound (1931) S. 697; Riesenfeld (1993) S. 89; Herget (1993) S. 203; Oechsler (1996) S. 91, 106 mit Fußnote 76.

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I. Die Moralphilosophie als Fundament der Nationalökonomie

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§ 1 Adam Smith und die Jurisprudenz § 1 Adam Smith und die Jurisprudenz

I. Die Moralphilosophie als Fundament der Nationalökonomie I. Die Moralphilosophie als Fundament der Nationalökonomie Adam Smiths Theorie der ethischen Gefühle und sein Wohlstand der Nationen enthalten so viele und zentrale Stellen über das Recht, dass eine rechtsphilosophische und rechtstheoretische Durchdringung möglich ist und im angloamerikanischen Schrifttum seit Jahren unternommen wird.1 Im Wohlstand der Nationen geht er nur an vergleichsweise versteckter Stelle auf die Moralphilosophie ein und bezeichnet sie als den „bei weitem wichtigsten Zweig der Philosophie“.2 So gesehen war Smith in der Tat „der letzte Moralphilosoph und der erste Ökonom“.3

1. Rezeptionsgeschichte Der grandiose Erfolg seines Buchs über den Wohlstand der Nationen, das Schumpeter als erfolgreichstes Buch über die ökonomische Wissenschaft bezeichnete,4 hat in Vergessenheit geraten lassen, dass Adam Smith nicht nur einen wesentlichen Teil seines Werks der Moralphilosophie gewidmet hat, sondern diese Disziplin auch lehrte. Er war seit 1752 Nachfolger seines Lehrers Francis Hutcheson5 auf dem Lehrstuhl für Moralphilosophie an der Universität Glasgow.6 In Erinnerung gerufen wurde die Zentralität der Moralphilosophie von Adam Smith in Deutschland nicht erst durch Ernst Tugendhat,7 während ihre Bedeutung im angloamerikanischen Schrifttum ohnehin seit jeher außer Frage stand, wenngleich Amartya Sen mit Recht bemerkt, dass „es ganz allgemein verwunderlich ist, dass der Professor der Moralphilosophie (...), der das philosophische Denken seiner Zeit (auch Kants) so deutlich beeinflusste, von den Moralphilosophen unserer Zeit so wenig beachtet

_____ 1 Salter (1994) S. 299. 2 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 655 (Book V.i.f.30, p. 771: “By far the most important of all the different branches of philosophy”). 3 Patten (1899) S. XXIII. 4 Paradigmatisch zur ungebrochenen Aktualität M. Friedman (1977) S. 50. 5 Zu ihm Jensen (1971); Leidhold (1985). 6 Scott (1937). Zur Moralphilosophie der beiden Denker vergleichend Hope (1989). 7 Tugendhat (1993) S. 282 ff. Hellsichtig Henrich (2011) S. 59: „Auch die schottische Ethik hat von Hutcheson über Hume bis Adam Smith eine ähnliche innere Konsequenz im Fortgang ihrer Fundierung unter ein und derselben Grundannahme gezeigt“.

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§ 1 Adam Smith und die Jurisprudenz

wird.“8 Aber auch seinerzeit hat die Theorie der ethischen Gefühle schon über die Grenzen hinaus gewirkt, wenn man sich etwa Lessings Laokoon vergegenwärtigt, in dem es mit etwas herablassender Ironie, aber nicht ohne eine unverkennbare Hochachtung heißt: „Es war ein Engländer (sic!), welcher diesen Einwurf macht; ein Mann also, bei dem man nicht leicht eine falsche Delikatesse argwohnen darf. (…) Alle Empfindungen und Leidenschaften, sagt er, mit welchen andere nur wenig sympathisieren können, werden anstößig, wenn man sie zu heftig ausdrückt“.9 Smiths Werk über die Theorie der ethischen Gefühle10 legt die moralphilosophische Grundlage für sein nationalökonomisches Hauptwerk.11 Das hat im Schrifttum zu der Annahme geführt, dass die von Smith intendierte Analogie zwischen moralischem und ökonomischem Markt eine Verbindungslinie seiner Werke zur Moralphilosophie mit dem Wohlstand der Nationen bildet.12 Michel Foucault erblickte darin – allerdings die Moralphilosophie zu wenig berücksichtigend13 – eine Hinwendung zum homo oeconomicus, der „sein Leben verbringt, verbraucht und verliert, indem er versucht, der Drohung des Todes zu entgehen.“14 Nach anderer Ansicht begriff Smith die politische Ökonomie sogar als einen „Zweig der Moralphilosophie“.15 Es spricht in der Tat viel dafür, dass sein moralphilosophisches Hauptwerk, die Theory of Moral Sentiments (Theorie der ethischen Gefühle), geradezu die Basis für sein aus heutiger Sicht als Hauptwerk geltendes Buch über den Wohlstands der Nationen darstellt,16 so dass dieses nur verständlich ist, wenn man jene in die Betrachtung einstellt.17 Diese Einsicht beginnt sich allmählich in der Moralphilosophie durchzusetzen, die damit Adam Smith seit einigen Jahren entdeckt.18 Stellvertretend

_____ 8 Sen (2010) S. 165 Fußnote 1 am Ende. 9 Lessing (1766) S. 189. 10 Theorie (Üb. Eckstein, 2004). Die folgenden Auflagen hat Smith übrigens (etwa die 3. Auflage 1776) durch eine „Abhandlung über den Ursprung der Sprachen“ erweitert. 11 Macfie (1959) S. 209; ders. (1967); aus dem älteren Schrifttum Hasbach (1891); Bonar (1922). 12 Otteson (2002 b) Kapitel 7; siehe auch dens. (2002 a) S. 65. 13 Sen (2010) S. 212 f. 14 Foucault (1971) S. 315. 15 Griswold (2005) S. 128, 131. Siehe auch Myers (1976) S. 560. 16 Fitzgibbons (1995); T. D. Campbell (1971); Aßländer (2007) S. 5 ff.; aus dem älteren Schrifttum Skarzynski (1878). 17 Teichgraeber (1986). 18 Tugendhat (1993) S. 15.

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I. Die Moralphilosophie als Fundament der Nationalökonomie

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hierfür ist ein wichtiger Sammelband, der den Oberbegriff „Adam Smith als Moralphilosoph“ trägt.19 Der hier gewählte Titel, dessen prädikative Formulierung („als“) keine Ausschließlichkeit postuliert, hat somit einen doppelten Hintergrund: Zum einen geht es zunächst um die Ausarbeitung des gleichsam komplementär erscheinenden Bandes über Adam Smith als Rechtstheoretiker, wenngleich im Unterschied zu dem genannten Sammelband von einer Hand, damit die systematischen Verschränkungen zwischen der Rechts- und Moralphilosophie Adam Smiths und ihrer rechtstheoretischen Auswirkungen besser im Blick gehalten werden können. Zum anderen wird bewusst auf den Titel der ersten deutschsprachigen Veröffentlichung zu Beginn der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts Bezug genommen, 20 in welcher – jedoch noch durchaus rudimentär, vorwiegend strafrechtlich orientiert und auf nur wenigen Seiten skizziert, aber mit beeindruckendem Pioniergeist – die Rechtsphilosophie Adam Smiths überhaupt zur Diskussion gestellt wurde. Seither ist im angelsächsischen Bereich einiges,21 im deutschsprachigen dagegen vergleichsweise wenig in dieser Richtung veröffentlicht worden.22

2. Moralisch fundierte Kautelarjurisprudenz bei Hume und Smith Vorbildhaft und ohne die mitunter anzutreffende interdisziplinäre Attitüde sind vor allem einige englischsprachige Arbeiten der letzten Jahrzehnte, die zwar mitunter David Hume in den Mittelpunkt rücken,23 aber auch Adam Smith nicht unberücksichtigt lassen.24 Hervorhebung verdient die Untersuchung von Knud Haakonssen, der die Naturrechtslehre von Hume und Smith analysiert hat und zeigen konnte, inwieweit Smith auf den Erkenntnissen seines älteren Freundes aufbauen und von daher zu seiner eigenen Sicht auf das Recht gelangen konnte.25 Humes Bedeutung ist für den vorliegenden Zusam-

_____ 19 Adam Smith als Moralphilosoph (Hg. Fricke/Schütt, 2005). 20 Eckstein (1926/27) S. 378. 21 Stein (1979 a, 1979 b); MacCormick (1981); Kennedy (2005); Sen (2009 a, 2009 b). 22 Siehe aber Mestmäcker (1978) S. 139; Trapp (1987); Brühlmeier (1988); dazu Klenner (1987) S. 278; vgl. auch Klaiber (1997). 23 Miller (1984); Hayek (1969 a) S. 232; in russischer Sprache ist erschienen: Narski (1973). Aus Italien ist vor allem zu nennen Bagolini (1952) S. 60, nach dem für Smith bezeichnend ist „il problema del diritto e della giustizia dal punto di vista dell’ingiustizia“. Ferner Giuliani (1954) S. 505; Salvucci (1966); Merolle (1980) S. 317. 24 Raphael (1977). 25 Haakonssen (1981).

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§ 1 Adam Smith und die Jurisprudenz

menhang auch deshalb weiterführend, weil Adam Smith und David Hume als Exponenten der Schottischen Aufklärung26 miteinander befreundet waren.27 Zudem hatten beide Moralphilosophie bei Francis Hutcheson studiert,28 dem berühmten Lehrer berühmterer Schüler.29 Wie sehr namentlich David Hume Smith beeinflusste, veranschaulicht eine Stelle aus dem Wohlstand der Nationen, in der er sich mit den Pflichten des Staates zur Errichtung bestimmter Einrichtungen auseinandersetzt: 30 „Der bei weitem berühmteste Philosoph und Historiker unserer Zeit (sc. Hume) vertritt die Meinung, dass ‚die Handwerke und Berufe in einem Staat zumeist so beschaffen sind, dass sie, während sie das Wohl der Allgemeinheit fördern, gleichzeitig auch einzelnen Personen nützlich und angenehm sind. (…) Die Handwerker werden ihr Können und ihren Fleiß soweit wie möglich steigern, sobald sie erkennen, dass sie ihren Gewinn erhöhen können, wenn sie dadurch die Gunst ihrer Kunden gewinnen, und solange die Dinge nicht durch irgendeine unkluge Einmischung gestört werden, kann man immer sicher sein, dass sich die Ware jederzeit der Nachfrage ziemlich genau anpasst‘.“ 31 Gerade die hervorgehobene Bedingung zeigt, wie sehr Smith auf den Erkenntnissen des zwölf Jahre älteren Freundes aufbauen konnte, gehört doch die Störung des natürlichen Laufs der Dinge durch unkluge Einmischung zu den zentralen Thesen des Wohlstands der Nationen. Dass auch Hume ebenso wie Smith den Blick immerzu auf den Gesetzgeber gerichtet hat, wie dies Hayek treffend beobachtet,32 veranschaulicht einige Zeilen später die Wendung: „was jeder kluge Gesetzgeber möglichst verhindern will“.33 Gerade der Rekurs auf den klugen und vorausschauenden Gesetzgeber als einer glei-

_____ 26 Waszek (1988 a); Brühlmeier (1996 a) S. 23; ferner Hook/Sher (1995). 27 Zum Verhältnis beider zueinander Ballestrem (2005) S. 331; Mackie (1980). 28 Hutcheson (1747). Siehe dazu auch Skinner (1985) S. 165; Taylor (1965). 29 Zu Unrecht geht Marx (1867) Band I S. 137 Fußnote 78, davon aus, dass Adam Ferguson Smiths Lehrer gewesen sei. 30 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 670 (Book V.i.g.3, p. 790: “‘Most of the arts and professions in a state,’ says by far the most illustrious philosopher and historian of the present age, ‘are of such a nature, that, while they promote the interests of the society, they are also useful or agreeable to some individuals; (…). The artizans finding their profits to rise by the favour of their customers, increase, as much as possible, their skill and industry; and as matters are not disturbed by any injudicious tampering, the commodity is always sure to be at all times nearly proportioned to the demand’.”). 31 Hume (1773) Kapitel 29, Band 4, S. 30; Hervorhebung nur hier. 32 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 58. 33 Hume (1773) Kapitel 29, Band 4, S. 31.

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II. Adam Smith und die ‚Wissenschaft der Gesetzgebung‘

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chermaßen juristischen wie moralischen Instanz verrät ein bemerkenswertes Verständnis einer moralisch fundierten Kautelarjurisprudenz.

II. Adam Smith und die ‚Wissenschaft der Gesetzgebung‘ II. Adam Smith und die ‚Wissenschaft der Gesetzgebung‘ Der Blick auf Adam Smith als Rechtstheoretiker kann womöglich zugleich einen Beitrag leisten, den Stellenwert der Ökonomie für die Rechtstheorie besser zu bestimmen, der nicht zuletzt für die Einlösung des Wissenschaftsanspruchs der Jurisprudenz von absehbarer Bedeutung sein dürfte.34 Diese in die Zukunft gewendete Facette der Themenstellung veranschaulicht, dass es sich ungeachtet des notwendigen historischen Ausgangspunkts um ein zeitloses Vorhaben handelt, das dahin zielt, ohne forcierenden Aktualisierungseifer die heutige und künftige Bedeutung von Adam Smith als Rechtstheoretiker aufzuzeigen. Gerade die gegenwärtig zu beobachtenden Grenzen einer nur dem freien Spiel der Kräfte vertrauenden Sicht auf den Kapitalmarkt, die sich oft und in dieser Pauschalität zu Unrecht auf Adam Smith beruft, zeigt, wie aktuell die Problematik nicht nur in rechtspolitischer, sondern auch in rechtstheoretischer Hinsicht ist.

1. Interdisziplinarität Friedrich August von Hayek hat das damit verbundene Desiderat in einer für den vorliegenden Zusammenhang passenden Weise zusammen gefasst: „Nirgends tritt der verderbliche Einfluss der Teilung in Spezialgebiete deutlicher zutage als in den zwei ältesten dieser Disziplinen, der Ökonomie und dem Recht. Jene Denker des achtzehnten Jahrhunderts, denen wir die Grundvorstellungen liberalen Verfassungsdenkens verdanken, David Hume und Adam Smith, befassten sich nicht weniger als Montesquieu noch mit dem, was manche von ihnen als die ‚Wissenschaft der Gesetzgebung‘ bezeichneten.“35 Von David Humes Einfluss auf Adam Smith war schon die Rede; über Montesquieus eminente Bedeutung für ihn wird weiter unten noch zu sprechen sein. Einstweilen soll vor allem interessieren, dass Hayek neben der verhängnisvollen Zersplitterung der Ökonomie auch die des Rechts in Einzelgebiete beklag-

_____ 34 Ernst (2007) S. 3; vgl. auch Petersen (2008 a) S. 159 ff. 35 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 6; ferner Buchanan (1984) S. 316 ff.; 330 ff.; zu ihm Petersen (2007 b) S. 317, 331 ff.

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te, und wie sich der damit unausgesprochen behauptete Zusammenhang gerade aus Smiths Sicht darstellte.

a) Rechtstheorie als Teil der geplanten Kulturgeschichte Für Smith hingen Ökonomie und Recht offenbar zunächst noch untrennbar zusammen, wie sich schon daraus ergibt, dass er ursprünglich beabsichtigte, die Wirtschaft im Rahmen der Jurisprudenz abzuhandeln.36 Dessen ungeachtet ist die mangelnde Berücksichtigung der Rechtstheorie Adam Smiths paradoxerweise ebenso überraschend wie verständlich; überraschend deshalb, weil einer der größten Denker der Schottischen Aufklärung und einer der wirkungsmächtigsten Wissenschaftler weltweit, von der Jurisprudenz vernachlässigt wurde,37 die ihn entweder nicht als Juristen kannte oder von ihm zumindest keine Antworten auf ihre Fragen erwartete.38 Denn – und hierin liegt die verständliche, wenngleich zumeist nicht bewusst wahrgenommene Außerachtlassung – eine einheitliche Rechtstheorie des Adam Smith gibt es zumindest nicht in der Form und Weise wie es bei der Moralphilosophie und Nationalökonomie der Fall ist.39 Das liegt vorderhand an einer biographischen Besonderheit, vor allem aber – freilich damit zusammenhängend – an einem Grundzug seines Denkens. Adam Smith wollte nämlich, wie erinnerlich, eine gesamte Kulturgeschichte verfassen,40 sogar seinerzeit eine Herkulesarbeit, zu welcher der Wohlstand der Nationen nur ein – eben der nationalökonomische – Teil des Ganzen war, der wiederum in der Moralphilosophie gründete.41 Die Theorie und Philosophie des Rechts sollte dementsprechend ein weiterer Grundstein dieser Kulturgeschichte werden. Doch ist sie wegen Krankheit und Arbeitsüberlastung nicht mehr zum Abschluss gekommen,

_____ 36 Aßländer (2007) S. 148; dazu bereits in der Einleitung. 37 Im englischsprachigen Bereich sind zu nennen Stein (1979 b) S. 263; MacCormick (1982 a) S. 150. 38 Mestmäcker (1978) S. 139, 141: „Innerhalb der Rechtswissenschaft im wesentlichen gleich geblieben ist jedoch die überwiegend stillschweigende Annahme, dass von dem Vorkämpfer des nationalen und internationalen Freihandels und des Wettbewerbs, dem Kritiker merkantilistischer Staatswirtschaft, nationaler Handelsmonopole und privilegierter Kooperationen kein Beitrag zum Verständnis des Rechts zu erwarten ist.“ Er bietet im Folgenden gute Gründe für die Gegenansicht. Siehe auch Heinemann (2011) S. 38; ders. (1996) S. 10 ff. 39 Siehe aber die Untersuchung von Haakonssen (1981). Vgl. auch Morrow (1923). 40 Recktenwald (2003) S. XXXII. 41 Schumpeter (1965) Band 1, S. 248.

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obwohl Smith ausweislich eines späten Briefs bis wenige Jahre vor seinem Tode daran arbeitete, “a sort of theory and History of Law and Government” auszuführen.42 Tragischer noch: Adam Smith hat alles aus seiner Sicht Unfertige und darunter eben auch die juristischen Teile seines Werkes verbrennen lassen. Dass Smith eine umfassendere Perspektive eingenommen hatte, die später durch die Ökonomen mitunter wieder verengt wurde, hat John Hicks, einer ihrer bedeutendsten Vertreter des zwanzigsten Jahrhunderts, im Einklang mit einem anderen großen Wirtschaftswissenschaftler deutlich diagnostiziert,43 wenn er zu bedenken gibt, dass „die liberalen oder Nichteinmischungsgrundsätze der klassischen Ökonomen (in der Nachfolge von Smith oder Ricardo) nicht in erster Linie ökonomische Grundsätze waren; hier wurden Prinzipien für die Ökonomie nutzbar gemacht, die für ein sehr viel weiteres Feld gedacht waren.“44 Das entspricht insbesondere Smiths Ansatz, der die Ökonomie nur als einen – der Jurisprudenz aus seiner Sicht womöglich ursprünglich untergeordneten – Bereich menschlicher Betätigung auffasste, deren Gesetzmäßigkeiten er auf moraltheoretischer Grundlage erkennen und darstellen wollte.

b) Smith und die (kognitive) Psychologie Allerdings ist es wohl letztlich alles andere als zufällig, dass Smith als Rechtsgelehrter und lehrender Moralphilosoph bei der Nationalökonomie auskam, als er sich anschickte, eine umfassende Kulturgeschichte zu verfassen, wenn man ein aufschlussreiches und letztlich auf Smith zielendes Wort Hayeks einmal von daher zurückverfolgt und auf Smith anwendet: „Nicht nur Staatslehre und Jurisprudenz, Ethnologie und Psychologie und natürlich die Geschichte sind Fächer, mit denen der Nationalökonom viel besser vertraut sein sollte, als es für einen Menschen möglich ist.“45 Es wird sich zeigen, dass sich Smiths psychologisches Gespür nicht nur in seiner Moralphilosophie und Nationalökonomie zeigt, sondern in diesem Verbund auch gerade seine

_____ 42 Adam Smith an den Herzog von La Rochefoucauld vom 1. 11. 1785; Corr.No. 248, p. 286. 43 Sen (2003) S. 41, nach dessen deutscher Übersetzung hier zitiert wird. 44 Hicks (1981) S. 138, und weiter die schonungslose Diagnose: „Die These, dass wirtschaftliche Freiheit für wirtschaftliche Effizienz sorgt, war nicht mehr als eine Begründung zweiter Hand. (…) Ich frage mich, ob es gerechtfertigt ist, die andere Seite des Arguments so völlig zu vergessen, wie es die meisten von uns getan haben“. 45 Hayek (2001) GS A 6, S. 65, 80.

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rechtstheoretische Konzeption zur Geltung bringt.46 Denn die in der Theorie der ethischen Gefühle angewandte Methode trägt unverkennbar psychologische Züge, indem sie über die Gestalt des unparteiischen Zuschauers eine Analyse der Beweggründe des Handelns und ein Sich-Hineinversetzen in die Person eines Anderen zugrunde legt. Das wird sich bei der Behandlung des unparteiischen Zuschauers in der Moraltheorie noch deutlicher zeigen. Der Zusammenhang erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass die Psychologie zu Zeiten Smiths eine Art Annex der Moralphilosophie darstellte, so dass gerade im Hinblick auf Smith Ähnlichkeiten mit der heutigen Verhaltensökonomie keineswegs zufällig sind.47 Aus moderner Sicht treten daher auch rechtstheoretisch aufschlussreiche Parallelen zur so genannten kognitiven Psychologie zutage,48 die mitunter auch in einem Atemzug mit der Rechtstheorie genannt wird.49 Adam Smith erscheint vor diesem Hintergrund nicht nur als einer der Väter der modernen Nationalökonomie, sondern auch als einer der geistigen Begründer der kognitiven Psychologie.50 Es ist daher nur konsequent, dass Hayek mit seiner eingangs geschilderten Mahnung eine erneute Zusammenführung der zwischenzeitlich zersplitterten Disziplinen in der Person des Ökonomen nahelegt, die zu Zeiten von Smith – und maßgeblich durch diesen selbst begründet – bestanden, dann aber im Zuge zunehmender Spezialisierung auseinandergingen, obwohl sie sinnvollerweise durchaus zusammen bestehen können. Adam Smith als Rechtstheoretiker demonstriert dies glaubhaft, indem er auf den ungeteilten Ursprung verweist. Wenn heute ‘behavioral economics’ nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften – übrigens unter Berufung auf Smith51 – präsent sind, sondern auch in der Rechtstheorie eine immer größere Rolle spielen,52 sollte Adam Smith darüber nicht vergessen werden.

_____ 46 Raphael (1975) S. 15, 98, spricht – allerdings auch auf Hutcheson und Hume bezogen – von einer in der Schottischen Aufklärung wirkenden “empirical psychology”. 47 Englerth (2010) S. 128 mit weiteren Nachweisen. 48 Instruktiv und anwendungsbezogen Klöhn (2007) S. 104. 49 Diekmann/Voss (2004) S. 8. 50 Jost (2008) S. 414 f., beruft sich in zumindest ähnlichem Zusammenhang auf eine Stelle in Adam Smiths ökonomischem Hauptwerk. 51 Ashraf/Camerer/Loewenstein (2005) S. 131. 52 Siehe nur Posner (1998) S. 1551; Becker (1993); Arlen (1998) S. 1765; Englerth (2006) S. 60; van Aaken (2008) S. 47.

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2. Gegenstand und Methode Das auf uns gekommene Werk ist also durchaus vielgestaltig, umso mehr als das zerstörte nur annäherungsweise Rückschlüsse auf die verworfenen Gedanken zulässt, deren Breite an Smiths mannigfaltigen Interessen ablesbar ist. Immerhin gewährt Smith mit seiner postum veröffentlichten Geschichte der Astronomie einen Blick auf seine Methodenlehre, die an verschiedenen Stellen von Bedeutung sein wird. Unter diesen Voraussetzungen steht die vorliegende Thematik vor einer besonderen Herausforderung, weil ihre Sinnhaftigkeit in Frage steht: Wie soll eine Rechtstheorie rekonstruiert oder gar ausgearbeitet werden, die ihr Verfasser selbst in ihrer vorläufigen Form nicht anerkannt hat und nachgerade vernichtet wissen wollte? Kann also ein solches Unterfangen nicht bestenfalls im Trüben fischen und schlimmstenfalls auf eine nachträgliche Klitterung des fragmentarischen Materials hinauslaufen? Diese Fragen muss eine Untersuchung stets begleitend bedenken,53 die das vorhandene Material ordnet, das jedoch vielschichtiger und wertvoller ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.54

a) Smiths Vorrede zur sechsten Auflage Das liegt zunächst an dem reichhaltigen rechtstheoretischen und vor allem rechtsphilosophischen Material innerhalb der Theorie der ethischen Gefühle, die daher in erster Linie betrachtet werden muss. Hier hat Smith selbst im Vorwort zur sechsten Auflage seine Motive offengelegt: „Im letzten Absatz des vorliegenden Werkes habe ich in der ersten Auflage gesagt, dass ich in einer anderen Abhandlung versuchen werde, eine Darstellung der allgemeinen

_____ 53 Mestmäcker (1978) S. 139, 145, „verzichtet deshalb darauf, anhand der z. Zt. Verfügbaren Quellen den vermutlichen Inhalt der Smith’schen jurisprudence zu erörtern“. 54 Vgl. Klenner (1987) S. 278, 280: „Angesichts des erstaunlichen Materials an Problemstellungen und -lösungen juristischer Natur, die im gesellschaftswissenschaftlichen Werk von A. S. zu finden sind (etwa: das Verhältnis von Gerechtigkeit und Nützlichkeit, von Eigentum und Recht, das System des Rechts und der Rechtsverletzungen, das Programm einer kritischen Jurisprudenz, die Fortschrittskonzeption der Gesellschaft und des Rechts, das Motivationsgefüge von rechtsrelevantem Sozialverhalten), könnte man natürlich die Frage aufwerfen, warum statt Smith Blackstone der britische Juristenklassiker des 18. Jahrhunderts wurde?“. – So überspitzt dies auf den ersten Blick erscheinen mag, verdeutlichen doch die für sich völlig zutreffenden Stichworte in der Klammer, warum man von einer Rechtstheorie des Adam Smith sprechen kann.

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Prinzipien des Rechts und der Regierung zu geben, sowie der verschiedenen Umwälzungen, welche diese in den verschiedenen Zeitaltern und Entwicklungsabschnitten der Gesellschaft durchgemacht haben, nicht nur soweit es sich um die Rechtspflege handelt, sondern auch was die Verwaltung, die Staatseinkünfte, das Militärwesen und alle anderen Gegenstände der Gesetzgebung anbelangt.“55 Der letzte Absatz des vorliegenden Werks, auf das er sich hier bezieht, hatte dies in der Tat angekündigt, nachdem Smith Begründungsdefizite in der bisherigen rechtsphilosophischen Literatur moniert hat:56 „Ich werde in einer anderen Abhandlung eine Darstellung der allgemeinen Prinzipien des Rechtes und der Regierung zu geben versuchen, sowie der verschiedenen Umwälzungen, die sie in den verschiedenen Zeitaltern und Epochen der Gesellschaft durchgemacht haben, und zwar nicht nur insofern es sich um die Gerechtigkeit (oder Rechtspflege) handelt, sondern auch was Verwaltung, Staatseinkünfte und Militärwesen, und alle sonstigen Gegenstände der Gesetzgebung anbelangt.“57 Diese wiederholte Präzisierung des Vorhabens ist von besonderem Interesse. Denn auch wenn es zu der Ausarbeitung nicht mehr kam, kann man dem, was Smith vorschwebte und was seine Rechtstheorie kennzeichnet, zunächst zweierlei entnehmen: Es ging ihm erstens um Recht und Regierung, also nicht zuletzt die Gesetzgebung. Zweitens offenbart diese Stelle eine bemerkenswerte Prinzipienorientierung, so dass man generell von einer Hinwendung zur Prinzipienjurisprudenz sprechen kann.58 Darüber hinaus und

_____ 55 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 1 f. (TMS Advertisement.2: “In the last paragraph of the first Edition of the present work, I said, that I should in another discourse endeavour to give an account of the general principles of law and government, and of the different revolutions which they had undergone in the different ages and periods of society; not only in what concerns justice, but in what concerns police, revenue, and arms, and whatever else is the object of law.”). 56 Bedenkenswert Sen (2009 a) S. ix: “It is interesting to note that Smith’s first book, the Moral Sentiments, was also his last, in the form of the much-expended sixth edition, with The Wealth of Nations coming in between”. – Nicht zuletzt deshalb hat die Vorrede zur 6. Auflage auch ein solches rechtstheoretisches Gewicht, weil sie zu erkennen gibt, welche ursprünglich gehegten und nicht mehr realisierbaren Vorhaben zwischenzeitlich durch den Wohlstand der Nationen annäherungsweise und zumindest implizit verwirklicht wurden. 57 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37: “I shall in another discourse endeavour to give an account of the general principles of law and government, and of the different revolutions they have undergone in the different ages and periods of society, not only in what concerns justice, but in what concerns police, revenue, and arms, and whatever else is the object of law.”). 58 Zu diesem Begriff Landau (1993) Band XIX S. 69.

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damit zusammenhängend gewährt Smith hier einen Blick auf seine Methode, wenn er den evolutiven Charakter des Rechts hervorhebt, der ein rechtsgeschichtliches Vorgehen nahelegt.59 Ihn interessiert das Recht nicht nur in seiner gesamten Breite, weshalb er im Folgenden beispielhaft die einzelnen Gegenstände aufzählt, sondern auch im Hinblick auf seine Entstehungsgründe, historischen Gegebenheiten und gesellschaftsgeschichtlichen Entwicklungen. Schon diese Totalität der Perspektive und des Erkenntnisinteresses rechtfertigt es, von einer Rechtstheorie zu sprechen. Smith dispensiert sich zwar mit diesem Programm von einer näheren Erörterung, wobei auffälligerweise wiederum die Historizität betont wird: „Ich werde deshalb jetzt auf weitere Einzelheiten in bezug auf die Geschichte der Rechtswissenschaft (und des Rechts) nicht eingehen.“60 Vor dem Hintergrund dieser überaus vielversprechenden Aussagen ist es besonders bedauerlich,61 dass die vernichteten sechzehn Manuskript-Bände wohl zumindest Entwürfe des anvisierten ‘account of the general principles of law and government’ sowie der ‘theory of jurisprudence and natural law’ und ihrer Geschichte enthielten.62 Jedoch wird sich in der Zusammenschau der Moraltheorie mit dem Wohlstand der Nationen zeigen, dass Smith, wie sich im Übrigen aus der Vorrede letzter Hand ergibt, sehr viel mehr von seinem Vorhaben bereits abgehandelt hat, als es nach der Lektüre des Schlusses der Theorie der ethischen Gefühle den Anschein hat.

b) Lectures on Jurisprudence Immerhin gibt es die genannten zeitgenössischen Vorlesungsmitschriften von Adam Smith, die unter der Überschrift Lectures on Jurisprudence inzwischen ediert, publiziert63 und ausgewertet worden sind.64 Deren erste bereits 1896 herausgegebene gründete auf einer Originalnachschrift von 1766,65 die wie-

_____ 59 Zu den von Smith daneben genannten Umwälzungen aus heutiger Sicht interessant Berman (1983); kritisch dazu aber Landau (1984) S. 937. 60 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37: “I shall not, therefore, at present enter into any further detail concerning the history of jurisprudence.”). 61 Brühlmeier (1988) S. 178, bezeichnet die soeben zitierte Stelle als „womöglich ambitiösestes Postulat“ und unterstellt es mit gutem Grund der vollmundigen Überschrift einer „Theorie der Gerechtigkeit“. 62 Recktenwald (2003) in der ‚Auflistung der Veröffentlichungen von Adam Smith‘ auf S. 832. 63 Scott (1937). 64 Meek (1976) S. 439; Pesciarelli (1986) S. 74, 75. 65 Näher Medick (1973) S. 184 mit Fußnote 37.

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derum auf Adam Smiths Vorlesung von 1763 in Glasgow zurück ging.66 Eine zweite Mitschrift eines unbekannten Verfassers wurde 1958 aufgefunden.67 Von seinem Schüler John Millar wissen wir,68 dass Adam Smith in seinem Vorlesungszyklus neben der politischen Ökonomie, also der Grundlage für Wealth of Nations, und der Moralphilosophie, d. h. der Basis seiner Theory of Moral Sentiments, gleichrangig öffentliches und privates Recht unter Einschluss der Rechtsphilosophie und Rechtstheorie las. Dabei ist interessant, dass namentlich Skinner auf der Grundlage der von Edwin Cannan verfassten Lectures on Jurisprudence herausgearbeitet hat,69 dass in Hutchesons System – also dem des Lehrers von Adam Smith – die ökonomische Analyse nicht in Form eines einzelnen in sich kohärenten Kurses abgehalten wurde, sondern gleichsam eingewoben wurde in die breitere Behandlung der Jurisprudenz.70 Denn das entsprach, zur Erinnerung, auch Smiths ursprünglichem Vorhaben, die Ökonomie im Rahmen der Jurisprudenz zu erörtern.71 Wenn er sich stattdessen eines Besseren besonnen hat, indem er der Nationalökonomie ein eigenes Werk widmete, so veranschaulicht dies, dass er in seinem veröffentlichten Werk die eigenständige Erörterung dieses Gegenstandes als dringendes Desiderat erkannte. In der Vorlesung behandelte er dagegen ausweislich der überlieferten Mitschriften vieles, das sich im Wohlstand der Nationen findet, in der zweiten Hälfte unter dem vergleichsweise blassen Titel des Polizeiwesens. 72 Diese etwas anaphorische Aneinanderreihung in den Vorlesungen veranschaulicht, dass die Lectures on Jurisprudence für die Rechtstheorie sehr viel weniger aussagekräftig sind als die rechtsrelevanten Ausschnitte des Wohlstands der Nationen, dessen eigenständige Behandlung vielmehr äußerlicher Ausweis der Genialität Smiths ist.

_____ 66 Cannan (1896). Die deutsche Ausgabe lautet: Vorlesungen über Rechts-, Polizei-, Steuer- und Heerwesen, gehalten in der Universität Glasgow von Adam Smith. Nachgeschrieben von einem Studenten im Jahre 1763. Nach der Ausgabe von Edwin Cannan ins Deutsche übertragen von Blach (1928). 67 Brühlmeier (1996) S. 10. 68 Millar (1771); ders. (1787). Millar lebte von 1735 bis 1801 und war Zivilrechtsprofessor in Glasgow; näher Forbes (1953) S. 643. 69 Cannan (1896) S. XV. 70 Skinner (1985) S. 165, 168. 71 Aßländer (2007) S. 148; dazu bereits in der Einleitung. 72 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 180 ff. (LJ(B) p. 213 pp.).

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c) Folgerung und Reihenfolge der Behandlung Daraus ergibt sich zugleich die Reihenfolge der Behandlung der einzelnen Gegenstände und Werke: Zunächst sind die rechtlichen Implikationen der Moralphilosophie zu erörtern, da diese wiederum das Fundament des nationalökonomischen Werkes legt. Schließlich sind die gefundenen Ergebnisse abzugleichen mit den überlieferten Vorlesungsmitschriften, die damit als wichtiges Korrektiv fungieren, ohne dass jedoch eine Bedeutung in sie hineingelegt wird, die sie als abgeleitete und zu Lebzeiten unveröffentlichte Werke aus sich heraus nicht haben können. Den Vorlesungsmitschriften kommt demnach vielfach indizielle, mitunter auch erklärende Bedeutung dessen zu, was in den Hauptwerken zugrunde gelegt ist. Sie sind nicht selten wie ein Kommentar zu verstehen und präzisieren manches, was dort vorausgesetzt ist. Ob sie jedoch eine wirklich eigenständige Bedeutung haben, also etwas essentiell Neues zutage fördern, was nur hier und nicht auch dort angelegt ist, darf bezweifelt werden. Nach der hier vertretenen Ansicht sind sie eher deklaratorisch als konstitutiv für die Rechtstheorie Smiths. Die konstitutiven Elemente finden sich ausnahmslos in der Moraltheorie und im Wohlstand der Nationen. Allerdings verfahren die meisten der vergleichsweise wenigen Arbeiten, die über Smiths Rechtstheorie verfasst wurden, insofern anders, als sie zwar gleichfalls von der Moraltheorie ausgehen, dann aber auf deren Grundlage überwiegend die Lectures on Jurisprudence als „eigentliche“ Rechtstheorie behandeln73 und den Wohlstand der Nationen eher ergänzend heranziehen.74 Dieses Vorgehen scheint zwar sachnäher zu sein, hat aber den Nachteil, das zumindest heute überwiegend als solches begriffene Hauptwerk beinahe zur Nebensache zu machen und an dessen Stelle Texte zu setzen, die – so wichtig und unentbehrlich sie sind – gleichsam vollmachtlos neben dem rechtstheoretisch überaus ergiebigen Wohlstand der Nationen stehen. Daher muss auf der Grundlage der Behandlung der Moralphilosophie der rechtstheoretische Gehalt des Wohlstands der Nationen mit seinem System der natürlichen Freiheit und seinen Einschränkungen in den Blick genommen werden.75

_____ 73 Aus dem älteren Schrifttum Hasbach (1897) S. 684. 74 Haakonssen (1981) S. 45 ff., 99 ff. und passim. 75 Vgl. auch Freudenthal (1981) S. 135.

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d) Werkimmanenter Zusammenhang Es ist allerdings andererseits von entscheidender Bedeutung, nicht nur die plakativen und prominenten Aussagen des Wohlstands der Nationen hervorzuheben, deren klare und geschliffene Diktion mitunter paradoxerweise dazu geführt haben mag, dass Adam Smiths Position missverstanden oder einseitig vereinnahmt wurde. Das gilt beispielsweise für die berühmte Stelle, wonach wir unsere Mahlzeit nicht von der Mildtätigkeit des Metzgers, Bäckers oder Brauers erwarten, sondern von deren Rücksicht auf ihr eigenes Interesse.76 Solche sinnfälligen Stellen, die Smith im Interesse größtmöglicher Verständlichkeit wichtig waren, dürfen nicht aus dem Zusammenhang gerissen und verabsolutiert werden.77 Vielmehr sollen hier auch die leisen Töne seiner nationalökonomischen Untersuchung berücksichtigt werden, die ein differenzierteres Bild ermöglichen. Dazu gehört auch und gerade, dass die zeitgebundenen und historischen Abhandlungen wahrgenommen und zumindest auf ihren rechtstheoretischen Kern reduziert werden, um daraus Verallgemeinerungen ohne unzulässige Vereinfachungen abzuleiten. Es kommt also nach alledem darauf an, nicht allein – wenn auch in jeder Hinsicht vordringlich und maßgeblich – die Moralphilosophie und das nationalökonomische Hauptwerk zu berücksichtigen, sondern möglichst alle von Smith selbst noch veröffentlichten Werke sowie ergänzend seine Lectures on Jurisprudence. Es wird sich nämlich zeigen, dass bestimmte Schlüsselbegriffe, wie etwa jener berühmteste der unsichtbaren Hand, in mehreren Werken begegnen und sich das Verständnis erst in der Zusammenschau aller einschlägigen Stellen erschließt. Auch spricht Smith sehr häufig von der „Natur“, die begrifflich alles andere als selbstverständlich ist. In diesem Rahmen ist insbesondere Smiths Naturrechtsverständnis zu würdigen, zu dem bereits grundlegende Untersuchungen vorliegen,78 die aber zumeist eher rechtsphilosophisch als rechtstheoretisch angelegt sind.

_____ 76 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 17 (Book I.ii.2, p. 26 pp.: “It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own interest. We address ourselves, not to their humanity but to their self-love”). Zu dieser berühmten Stelle, die hier nur beispielhaft wiedergegeben sei, noch weiter unten. 77 Sen (2003) S. 323. 78 Eckstein (1926/27) S. 378; Haakonssen (1981).

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aa) Naturrechtliche Grundausrichtung beider Werke Smiths Vorstellung des Gerechtigkeitssinns (sense of justice) ist nämlich stark naturrechtlich geprägt: 79 „Wenn jemand von einem gewaltigen Hasse beherrscht wird, wäre es ihm vielleicht angenehm zu hören, dass die Person, die er verabscheut oder hasst, durch irgendeinen Zufall ums Leben gekommen sei. Doch wenn er sich nur den geringsten Funken von Gerechtigkeitsgefühl bewahrt hätte, was immerhin möglich ist, obwohl gerade dieser Affekt der Tugend nicht sehr günstig ist, dann müsste es ihn auf das höchste schmerzen selbst, – und sei es auch ohne böse Absicht – die Ursache dieses Unglücks gewesen zu sein.“80 Das Gerechtigkeitsgefühl kann der Delinquent nur haben, weil es ihm eben von Natur aus gegeben und eingestiftet ist. Vor diesem Hintergrund ist auch das äußere Hauptwerk des Wohlstands der Nationen rechtstheoretisch zu erörtern. Dass das eine – die naturrechtliche Grundausrichtung – nicht ohne das andere, die Ausprägungen im Wohlstand der Nationen, erörtert werden kann, veranschaulicht paradigmatisch die folgende Stelle daraus: „Wird jemand aus einer Gemeinde, in der er wohnen möchte, schuldlos vertrieben, so verstößt das offenkundig gegen natürliche Freiheit und Gerechtigkeit.“81 Affirmative Berufungen wie diese auf die natürliche Freiheit und Gerechtigkeit, begegnen, wie zu zeigen ist, häufig bei Smith, wenn auch öfter noch in der Moralphilosophie. Das Attribut des Natürlichen steht hier gleichsam vor der Klammer der Freiheit und Gerechtigkeit und bezieht sich nicht nur auf jene, sondern auch auf diese. So lässt sich beispielhaft zeigen, dass eine Betrachtung Adam Smiths als Rechtstheoretiker mehr sein kann als eine kommentierende Auswertung der Vorlesungsmitschriften seiner Schüler, die als solche letztlich Kompilate ohne Authentizität und Vollmacht sind. So wichtig und unentbehrlich sie also für die Erhellung des Themas sind, darf darüber nicht das eigentliche Anliegen vergessen82 werden, dessen Verwirkli-

_____ 79 Ballestrem (2005) S. 331, 340. Siehe auch Gill (1976) S. 275. 80 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 98 (TMS II.i.1.6: “To one under the dominion of violent hatred it would be agreeable, perhaps, to hear, that the person whom he abhorred and detested was killed by some accident. But if he had the least spark of justice, which, though this passion is not very favourable to virtue, he might still have, it would hurt him excessively to have been himself, even without design, the occasion of this misfortune.”); Hervorhebung nur hier. 81 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 123 (Book I.x.c.59, p. 157: “To remove a man who has committed no misdemeanour from the parish where he chuses to reside, is an evident violation of natural liberty and justice.”). 82 Paszkowski (1890) S. 41: „In Wahrheit steht seine wirtschaftliche Theorie mit seiner Moral in vollständiger Harmonie: der ‘Wealth of Nations’ hat seine berechtigte, mit der

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chung zugleich geeignet ist, die oben aufgeworfenen Fragen zu beantworten: Adam Smith als Rechtstheoretiker kann demnach nur gewürdigt werden, indem der werkimmanente Zusammenhang zu seinem Wohlstand der Nationen und seiner Theorie der ethischen Gefühle hergestellt wird.

bb) Vorrang der ökonomischen Betrachtung? Dass es diesen werkimmanenten Zusammenhang gibt, ist an sich nicht von der Hand zu weisen, wird jedoch vereinzelt von Ökonomen bestritten, welche die Moralphilosophie am liebsten aus dem Werk ausgrenzen würden.83 So plädiert Schumpeter für die „Unabhängigkeit des rein ökonomischen Gedankens, der ökonomischen Tatsachenanalyse, zum Unterschied der sie umgebenden Staubwolke – von seiner Philosophie.“84 Die darin mitschwingende metaphorische Geringschätzung verdeutlicht die Tendenz von Teilen des ökonomischen Schrifttums, den ökonomischen Gedanken herauszudestillieren und vom als unwillkommen empfundenen moralphilosophischen Ballast zu separieren. Damit kann man dem Denken des Adam Smith von vornherein nicht gerecht werden.85 Insbesondere sind einige Ökonomen seit jeher von der Vorstellung fasziniert, dass der ungehemmte Eigennutz doch sein volkswirtschaftlich Gutes habe – eine Verkürzung, die John Kenneth Galbraith mit spitzen Worten und süffisanter Ironie geißelt: „Wie Adam Smith vor 200 Jahren waren die Amateure unter den Verteidigern der Marktwirtschaft entzückt von der Vorstellung, dass das Gute aus dem Bösen hervorzugehen scheint, und sie haben daraus häufig gefolgert, dass Habgier eine ursprüngliche Tugend sei.“86 Diese Problematik wird weiter unten im Rahmen der Erörterung der unsichtbaren Hand noch näher behandelt. Aber schon die von einem prominenten Ökonomen in vermeintlichem Einklang mit Adam Smith verfochtene Prämisse, dass Eigeninteresse die Menschen mehrheitlich beherr-

_____ Moral der ‘Theory’ durchaus verträgliche Eigentümlichkeit darin, dass es sich dort um technisches, hier um sittliches Handeln dreht“. 83 Viner (1927) S. 198. 84 Schumpeter (1924) 1. Abteilung, 1. Teil, S. 19, 64; dazu Klaiber (1997) S. 6, 8. 85 Sen (2009 a) S. ix; Heinemann (1996) S. 10 f.; Meek (1973) S. 54: „Smith ging (...) auf das Ganze; er versuchte eine Theorie der Geschichte mit einer Theorie der Ethik und einer Theorie der politischen Ökonomie in einem großen theoretischen Gesamtsystem zu vereinigen“. 86 Galbraith (1973) S. 44; dazu Mestmäcker (1978) S. 139, 145 f.: „Wir haben es mit einem so repräsentativen Fehlzitat zu tun, dass es sich lohnt, diesem Irrtum nachzugehen“.

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sche,87 ist sehr zweifelhaft und wird mit guten Gründen bestritten.88 Amartya Sen hat diese Fehldeutung unter Betonung der von Smith für relevant gehaltenen Verteilungsgerechtigkeit ausführlich zurückgewiesen und in Anlehnung an Shakespeare ebenso lakonisch wie treffend kommentiert:89 „Manche werden niedrig geboren, und andere erwerben Niedrigkeit, aber Adam Smith wurde viel Niedrigkeit vorgeworfen, wie man deutlich sieht.“90 James Buchanan geht mit seiner Zunft noch härter ins Gericht, wenn er seine Fachgenossen mahnt, die bleibende Erkenntnis der Leistungsfähigkeit einer spontan hergestellten Marktordnung mit allen ihren – auch moraltheoretischen – Implikationen und Interventionsmöglichkeiten nicht zu vergessen, wie Adam Smith sie über zwei Jahrhunderte zuvor entwickelt hat: „Die moderne Ökonomie hat hier eindeutig versagt. Sie hat ihren einfachen Auftrag nicht erfüllt. Er ist im Grunde das einzige Argument, mit dem sie als Disziplin zu rechtfertigen ist, wenn sie auf öffentliches Gehör Anspruch erheben will.“91 Adam Smiths Hauptwerke fordern aber auch die ökonomische Analyse des Rechts heraus, 92 die ihn als einen ihrer geistigen Vorläufer zitiert. 93 Smiths moral- und wirtschaftstheoretische Schriften gemahnen indes unausgesprochen daran, dass die ökonomische Analyse die moraltheoretischen Gesichtspunkte nicht außer Betracht lassen, geschweige denn die Frage nach der Gerechtigkeit überhaupt ausblenden darf.94 In dieser mangelnden rechtsphilosophischen Fundierung liegt trotz einer sehr wichtigen Arbeit, die gerade Adam Smith einbezieht,95 bis heute ihr größtes Problem, das auch ihr prominentester zeitgenössischer Befürworter nicht behoben hat,96 weshalb sich namentlich Hayeks diesbezügliche Skepsis bewahrheitet.97 Smith Rechtstheorie unterscheidet sich gerade aufgrund ihrer moraltheoretischen Fundierung in vielfältiger Hinsicht von der ökonomischen Analyse des Rechts.98 Auch die von Smith zugrunde gelegte Perspektive des unparteiischen Zu-

_____ 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98

So namentlich Stigler (1981) S. 176; ders. (1971) S. 265. Rothschild (1992) S. 74; Brennan/Lomasky (1985) S. 189. Sen (1986); ders. (2003) S. 322 f. Sen (2010) S. 214. Buchanan (1984) S. 130. In diesem Sinne auch Leenen (1990) S. 108. Eidenmüller (1995) S. 49; siehe allgemein auch dens. (1997) S. 80. Vgl. auch Malloy (1995); Ackermann (2008) S. 139. Mathis (2009). Zur ökonomischen Analyse vor Smith Gordon (1975). Posner (2003 b); ders. (1995); ders. (2001); ders. (2003 a). Hayek (2003 a) GS B 4, S. 264, 543; ähnlich Buchanan (1969) S. 47; Mestmäcker (2007). Eingehend MacCormick (1981) S. 243, 263.

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schauers versperrt sich der Nutzenkalkulation der ökonomischen Analyse.99 Die ökonomische Analyse des Rechts kann daher trotz teilweiser Anerkennung seiner erstmaligen Erklärung der Effizienz im damaligen Recht vergleichsweise wenig mit ihm anfangen.100

3. Gerechtigkeit und Gesellschaft bei Smith Auch wenn Adam Smith einen individualistischen Ansatz verficht, gehören Gerechtigkeit und Gesellschaft für ihn stets zusammen, so dass diese mit ihren wirtschaftlichen Folgeerscheinungen niemals angemessen ohne jene beurteilt werden kann. Das macht auch seine Rechtstheorie so interessant.101 Dessen ungeachtet wurde dieser Zusammenhang im wissenschaftlichen Schrifttum vor Adam Smith seines Erachtens nicht hinreichend gewürdigt, womit er im Übrigen auch für die Rechtssoziologie interessant wird,102 weil er im Unterschied zum Einzelnen die Gesellschaft als solche und als ganze mit berücksichtigte:103 „Aber nur wenige Menschen haben über die Notwendigkeit der Gerechtigkeit für den Bestand der Gesellschaft nachgedacht, so augenfällig auch diese Notwendigkeit uns erscheinen mag.“104 Gerechtigkeit ist also konstitutiv für die Gesellschaft. Sie ist kein bloßes Begleitmoment mit einer gleichwie gearteten Optimierungsfunktion.

a) Gesetze der Gesellschaft Nicht minder aufschlussreich wäre aus rechtssoziologischer Sicht, dass Smith ganz selbstverständlich von den „Gesetzen der Gesellschaft“ spricht,105 wenn er die auf den Anstand zu nehmenden Rücksichten meint und auf diese Weise

_____ 99 Brühlmeier (1988) S. 166 ff., 170 f. 100 Paradigmatisch Posner (1983) S. 4. T. D. Campbell (1984) S. 153: “Smith may be said to have provided a general theory to explain the efficiency of the common law, something which is lacking in the modern EAL”. 101 Mestmäcker (1978) S. 139, 149 spricht zutreffend von einer „Rechtstheorie, welche zugleich Gesellschaftstheorie ist“. 102 Klaiber (1997) S. 61. 103 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 702 (Book V.ii.a.19, p. 824); siehe auch Macfie (1967). 104 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 134 (TMS II.ii.3.9: “But few men have reflected upon the necessity of justice to the existence of society, how obvious soever that necessity may appear to be.”). 105 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 42 (TMS I.ii.2.4: “laws of society”).

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gesellschaftliche Normen in den Blickpunkt rückt. Lange vor Durkheim106 und Max Weber hat Smith mit einer beispiellosen Beobachtungsgabe Gesetzmäßigkeiten festgestellt, die nicht nur das gesellschaftliche Leben prägen, sondern darüber hinaus auch etwas über die Rechtswirklichkeit aussagen. 107 Im Zusammenhang mit seiner Unrechtslehre hält Smith es für bedeutsam, wenn der Täter es „augenscheinlich an jenem Gefühl für die Interessen seiner Mitmenschen fehlen (lässt), das die Grundlage der Gerechtigkeit und der Gesellschaft überhaupt bildet.“108 Wenn das Mitgefühl demnach die Basis der Gerechtigkeit und Gesellschaft darstellt, so zeigt diese Gleichordnung, dass beide auf der gleichen elementaren Ebene anzusiedeln sind, so dass eine Gesellschaft ohne Gerechtigkeit undenkbar wäre. Wenn die ökonomischen Teile des Werks von ihren moralphilosophischen Wurzeln abgetrennt werden, verkümmern sie und schaffen gerade den Raum für die interpretatorische Einseitigkeit, an der die Berufung auf Adam Smith nachhaltig leidet.

b) Begriff der Gerechtigkeit Allerdings muss bei alledem eine hermeneutische und rechtstheoretisch wichtige Besonderheit berücksichtigt werden, die Hayek im Hinblick auf Adam Smith und seine Nachfolger herausgearbeitet und ideengeschichtlich weiterentwickelt hat: „Dabei konnten sie stillschweigend Vertrautheit mit dem ‘common law’-Begriff der Gerechtigkeit und mit den Idealen der ‘rule of law’ und des ‘government under the law’ voraussetzen – Begriffe, die außerhalb der angelsächsischen Welt kaum verstanden wurden.“109 Die damit verbundene und einhergehende Freiheit unter dem Gesetz, das rechtsstaatliche Garantien zum Schutze des Einzelnen entfaltet, ist, wie noch zu zeigen sein wird, eine unerlässliche Grundbedingung. Wenn dies verkürzt oder gar ausgeblendet wird, versteht man Smith prinzipiell und verhängnisvoll falsch, wie Hayek aufgezeigt hat: „Das hatte zur Folge, dass ihre Ideen nicht nur außer-

_____ 106 Trapp (1987) S. 202 mit Fußnote 6, ist unter Verweis auf Durkheim (1968) S. 5, sogar der Ansicht, dass Smiths Prämisse, wonach Geld und Wert „gesellschaftlich institutionalisierte Formen des Verkehrs der Tauschenden“, wenn man sie verallgemeinert, „die Geburtsstunde der Soziologie“ begründen. 107 Anders als später Tönnies (1887), und vorher auch schon Auguste Comte trennt er aber nicht schon zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft; vgl. Hayek (2004 b) GS B 2, S. 204 Fußnote 380. 108 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 155 (TMS II.iii.2.7: “evidently wants that sense of what is due to his fellow-creatures which is the basis of justice and of society.”). 109 Hayek (2002) GS A 5, S. 69, 71.

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halb der englischsprechenden Welt nicht richtig verstanden wurden, sondern dass sogar in England das Verständnis dafür schwand, als Bentham und seine Nachfolger die englische Rechtstradition durch einen konstruktivistischen Utilitarismus ersetzten, der stärker vom kontinentalen Rationalismus beeinflusst war als von der evolutionären Auffassung der englischen Tradition.“ Die ‘rule of law’ bezeichnet demnach Hayek der Sache nach als den „materiellen Rechtstaat“, also dass „die Zwangsgewalt des Staates strikt auf die Durchsetzung einheitlicher Regeln der Gerechtigkeit beschränkt wird.“110 Es wird sich zeigen, dass viele – und namentlich von den Ökonomen bereitwillig aufgenommene – Missverständnisse daher rühren, dass sich die rationalistischutilitaristische Deutung breit gemacht hat, die im Anschluss an Bentham jedes Gesetz als tendenzielles Übel auffasst111 und an die Stelle einer rechtsund moralphilosophisch orientierten Auslegung Smiths eine rein ökonomische und mitunter regelrecht staatsfeindliche Deutung gestellt hat. Damit wird jedoch nicht nur sein Staatsverständnis, sondern auch seine Gerechtigkeitskonzeption verfehlt.

4. Das so genannte „Adam-Smith-Problem“ Ist nach alledem die in der Moralphilosophie entwickelte Vorstellung der Gerechtigkeit für den Bestand der Gesellschaft konstitutiv und bildet sonach die Moraltheorie das Fundament für alles Übrige, insbesondere die Staats- und Wirtschaftsverfassung, so fragt sich, wie die tragenden Säulen des Gesamtwerks zueinanderstehen. Im Hintergrund der damit angesprochenen Problematik steht der Streit, ob die beiden Hauptwerke Smiths eine innere Einheit bilden oder ein unterschiedliches Verständnis des jeweiligen Schlüsselbegriffs der “Sympathy” zugrunde liegt (sog. „Adam-Smith-Problem“).112 Denn wenn Smith im Wohlstand der Nationen scheinbar den ungehemmten Eigennutz und Egoismus zum Motor der Volkswirtschaft erklärt, so erscheint dies widersprüchlich im Verhältnis zu seiner Moralphilosophie zu sein, die vom Begriff der Sympathie ausgeht.

_____ 110 Hayek (2002) GS A 5, S. 69, 71, 74. 111 Bentham (1887) S. 48. 112 Teichgraeber (1981) S. 106; Nieli (1986) S. 611.

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a) Geistiger Umschwung? Bereits Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ist im Schrifttum vertreten worden,113 dass es zwischen dem Schöpfer der früheren Theorie der ethischen Gefühle und dem Verfasser des Wohlstands der Nationen nicht zuletzt durch einen Frankreich-Aufenthalt zwischen 1764–1766 zu einem geistigen Umschwung bei Adam Smith gekommen sein könnte,114 wie etwa Lujo von Brentano aufgrund Smiths Kontakt zu französischen Physiokraten, insbesondere Turgot und Quesnay, annahm:115 „Und wie groß der Einfluss dieses Umgangs auf A. Smith war, können wir ermessen an dem Umschwung, den er in seinen Grundanschauungen bewirkte.“116 Diese Formulierung begründete die „Umschwungtheorie“, deren Unvertretbarkeit sich allerdings nicht zuletzt aus den Lectures on Jurisprudence ergibt, wie bereits August Oncken nachgewiesen hat, wonach Smiths ökonomisches Weltbild bereits vor der Frankreichreise gesichert gewesen sei.117 Rückschlüsse aus den Vorlesungsmitschriften sind zwar nicht unproblematisch, weil sie keine abschließenden und verlässlichen Aussagen über die gleichsam kanonisierten Hauptwerke zulassen, doch ergibt sich daraus immerhin ein Indiz, das im Falle der Umschwungthese hinreichend schwer wiegt, zumal hier ein äußeres Ereignis, die Frankreich-Reise, zu einer Zäsur stilisiert wird, die sich aus dem inneren Kausal- und Verweisungszusammenhang der Hauptwerke nicht nachweisen lässt.

b) „Synthese des Gegensatzes“ August Oncken war soweit ersichtlich der erste, der diesen Sachverhalt und die dahinter stehende mögliche Divergenz in einem gleichnamigen Beitrag unter der Überschrift des Adam Smith-Problems zusammenfasste.118 Es wurde im angloamerikanischen Schrifttum als typisch deutsche Begriffserfindung

_____ 113 Knies (1853). 114 Mit weiterführenden Gründen dagegen Aßländer (2007) S. 148 ff. 115 Insbesondere zu Quesnay WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 569 f. (Book IV.ix.27 pp.) 116 Brentano (1877) S. 61 (Hervorhebung nur hier); unter Verweis auf Helvetius (1758). Ähnlich Skarzynski (1878) S. 183: „Unter dem Einflusse Hutchesons und Humes war Smith Idealist, solange er in England blieb. Nach dreijähriger Berührung mit dem Materialismus, der in Frankreich herrschte, kehrte er nach England als Materialist zurück.“ Dagegen zutreffend Raphael/Macfie (1982) Introduction S. 20 ff. Siehe aus dem älteren Schrifttum auch Zeyss (1889). 117 Oncken (1898) S. 25, 33, unter Verweis auf die zwei Jahre zuvor von E. Cannan herausgegebenen Ausgabe der Lectures on Jurisprudence. 118 Oncken (1898) S. 25; 101; 276.

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mit pedantischem Unterton belächelt, wie Jacob Viner erkennen lässt, wenn er in einer Mischung aus feinsinniger Ironie und unterschwelliger Anerkennung sagt: “The German, who, it seems, in their methodical manner commonly read both, the Theory of Moral Sentiments and the Wealth of Nations, have coined a pretty term, Das Adam Smith Problem.”119 Dieser Begriff hat sich seit Oncken durchgesetzt, obwohl das vorgebliche Problem heute weithin als gelöst bzw. gar nicht erst vorhanden gilt. Dennoch enthält die Arbeit Onckens sehr verdienstvolle Einsichten: So macht er nicht nur darauf aufmerksam, dass Smiths eigene Werke vom „Laissez-faire“ weder dem – nicht von ungefähr französischsprachigen120 – Begriff noch der Sache nach etwas wissen,121 weil Smith staatlichen Interventionen in bestimmten Situationen durchaus nicht ablehnend gegenüber gestanden habe,122 auch wenn natürlich richtig ist, dass er einen staatlichen Interventionismus ablehnt, weil sich ohne einen entsprechenden Eingriff vielfach eine sinnvolle spontane Ordnung ergibt.123 Dieser zentrale Punkt wird uns noch beschäftigen. Die weiteren Prämissen Onckens sind gleichfalls beifallswürdig, etwa wenn er die Kontinuität des Smithschen Denkens darlegt, aufgrund derer sich das Werk als „zusammenhängendes Ganzes“ darstellt.124 Auch wenn das moderne Schrifttum dem unter den Stichworten der „Aspekttheorie“ oder der im Zusammenhang mit der unsichtbaren Hand zu erörternden „Sein-Sollen-Theorie“ noch eine Reihe weiterer interpretatorischer Ansichten an die Seite gestellt hat,125 ist der Ertrag wenig reichhaltiger als das, was Oncken ursprünglich herausgearbeitet hat, nämlich dass eine „Synthese des Gegensatzes“ möglich sei,126 vermittels derer sich das Gesamtwerk als moralphilosophisches Gesamtsystem darstellen und verstehen lasse.127 Im Übrigen hat sich das Problembewusstsein Onckens in einer praktisch weiterführenden Weise manifestiert, indem es ihn neben dem „Adam-Smith-Problem“ in etwas anderem, aber vergleichbarem Zusammenhang zu dem neuen Begriff des Wohlstandsstaates führte, wie Hayek an-

_____ 119 Viner (1927) S. 198. 120 Hayek (2005) GS B 3, S. 79. 121 Ross (1998) S. 27: „Nicht Smith, sondern ‚die Schule‘ (sc. der Physiokraten) hielt Laissez-faire, also völlige Freiheit des Handels, für unabdingbar“. 122 Keynes (1926) sub I. 123 Buchanan (1984) S. 130; Heinemann (1989) S. 58 ff. 124 Oncken (1898) S. 22, 29. Eine präzise Nachzeichnung findet sich bei Klaiber (1997) S. 185, die in eine eigene Sicht der Handlungstheorie von Adam Smith mündet (S. 193 ff.). 125 Eine wichtige Auflistung findet sich bei Mathis (2009) S. 117. 126 Oncken (1898) S. 25, 28. 127 Oncken (1898) S. 276, 281.

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erkennend hervorhebt.128 So paraphrasiert Oncken in seiner monographischen Gegenüberstellung Smiths und Kants: „Der Staat hörte damit auf, bloßer Rechtsstaat zu sei; er wurde zum Wohlfahrsstaate.“129

c) Wechselseitige Beeinflussung von Sympathie und Eigeninteresse So beifallswürdig und weiterführend diese Aussagen zum Adam-SmithProblem im Einzelnen sind, ist doch die Qualifizierung als „Problem“ heute mehrheitlich dem Verständnis eines Scheinproblems gewichen, 130 das als veraltet gilt,131 und dessen Herleitung nicht zuletzt auf einer zweifelhaften Deutung zentraler Begriffe beruhe, wie desjenigen der Sympathie, welche die Brücke zum Nächsten schlage, aber nichts über die Motive unseres Handelns aussage.132 Wenn man von vornherein nicht den absoluten, andere in jeder Hinsicht ausschließenden Eigennutz in Rechnung stellt, dann können dessen notwendige Beschränkungen im Sympathiebegriff schon mitgedacht sein – so wie dieser umgekehrt auch dem Eigennutz Zügel anlegt.133 Richtig verstanden, verhalten sich Sympathie und Eigeninteresse in einer wechselseitigen Abhängigkeit der Begriffe innerhalb eines Gesamtsystems.134 Es bestätigt die in anderem Zusammenhang gemachte Beobachtung eines seiner Biographen, wonach „Smith immer Systeme schuf, in denen ein gemeinsames Prinzip – etwa in der Ethik die Sympathie oder in der Wirtschaft die Arbeitsteilung – widerspenstige Phänomene durch seine Erklärungskraft in Einklang bringt“.135 Die Prämissen beider Werke widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander,136 so dass die Wirtschaftstheorie aus den Grundgedanken der Moraltheorie organisch weiterentwickelt und abgeleitet werden konnte.137

_____ 128 Hayek (2003 b) GS A 4, S. 35, 72 Fußnote 54 „wohl in der Absicht der Namensgebung“. 129 Oncken (1877) S. 177; Hervorhebung auch dort. 130 Raphael/Macfie (1982) Introduction S. 20: “The so-called ‘Adam Smith problem’ was a pseudo-problem based on ignorance and misunderstanding”. 131 Pointiert Trapp (1987) S. 17: „Es gab einmal ein Adam-Smith-Problem“. 132 Recktenwald (1986 a) S. 198. 133 Ähnlich Ross (1998) S. 581 f.; Honneth (2011) S. 319, 329. 134 Siehe auch Hottinger (1998) S. 47. 135 Ross (1998) S. 22 f. 136 Mathis (2009) S. 118. Vgl. auch die originelle Lösung des „Problems“ von Hirschman (1987) S. 118: „Gerade weil Smith den nicht-ökonomischen Ursachen wirtschaftlichen Handelns solche Bedeutung beimißt, konnte er auch das wirtschaftliche Verhalten in einer Form behandeln, die mit seinem früheren Interesse für andere wichtige Dimensionen des menschlichen Charakters durchaus in Einklang stand“. 137 Sen (2009 a) S. ix, unter Verweis auf Rothschild (2001); siehe auch Sen (1987).

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Das Adam-Smith-Problem ist daher in der Tat ein Scheinproblem, aber gleichwohl ein wissenschaftstheoretisch förderliches, weil es seit und durch Onckens „Aufdeckung“ unwillkürlich dazu beitrug, die wirtschaftswissenschaftliche Theorie aus der Moralphilosophie Smiths zu erklären.

III. Die Adam Smith-Rezeption in der Rechtslehre Kants und der Rechtsphilosophie Hegels III. Die Adam Smith-Rezeption in der Rechtslehre Kants und Hegels

Welchen Einfluss der Wohlstand der Nationen über die Grenzen hinaus entfaltete, kann man nicht zuletzt daran ersehen, dass Kant und Hegel das Werk in ihrer jeweiligen Rechtsphilosophie als Referenz einführten, wenn es um die Einbeziehung ökonomischer Begebenheiten in die Rechtslehre ging. Darüber hinaus ist aber zumindest, was Kant betrifft, der Einfluss der Smithschen Moraltheorie auf sein Werk nicht hoch genug zu veranschlagen. Kant wäre wohl schwerlich auf die Idee verfallen, den Autor der Theorie der ethischen Gefühle als unverträglich mit dem Schöpfer des Wohlstands der Nationen anzusehen. Wieviel die Exponenten des deutschen Idealismus’ Adam Smith verdanken, ist den ausdrücklichen Bezugnahmen und namentlichen Nennungen nur andeutungsweise zu entnehmen und wohl auch in der einschlägigen Sekundärliteratur noch nicht annähernd erschöpfend analysiert worden.

1. Kants Rezeption der Werke von Adam Smith Smiths Einfluss auf Kant lässt sich sowohl biographisch als auch werkgeschichtlich und systematisch vergleichsweise gut belegen und nachvollziehen.138 Die bewusst knapp gehaltenen nachstehenden Punkte verdeutlichen nur das dringende Desiderat einer näheren wissenschaftlichen Behandlung des Verhältnisses zwischen Adam Smith und Kant. So ist interessant, dass gerade die Theorie der ethischen Gefühle von Adam Smith im deutschsprachigen Raum nicht selten139 – ob zu Recht oder zu Unrecht140 – als Meilenstein

_____ 138 Grundlegend auch insoweit Oncken (1877). 139 Siehe nur Lohmann (2005) S. 88. Aus dem angloamerikanischen Schrifttum insbesondere Fleischacker (2005) S. 100, 124; allgemein Hasek (1925). 140 Lohmann (2001) S. 434, hat die hierzulande vorherrschende Sicht einer kritischen Betrachtung unterzogen.

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III. Die Adam Smith-Rezeption in der Rechtslehre Kants und Hegels

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auf dem Wege zur Ethik Kants begriffen wird.141 Die Richtigkeit dieser Einschätzung hängt nicht zuletzt davon ab, ob und inwieweit Kant die Moralphilosophie von Adam Smith kannte. Auf dieser Grundlage wird dann der Frage nachgegangen, inwieweit sich auch der nationalökonomische Einfluss auf Kant in seiner Philosophie zeigt.

a) Kants Kenntnis der Moralphilosophie Smiths Bereits frühzeitig wurde jedoch gemutmaßt, dass mit einer Wahrscheinlichkeit, die „sich der Gewissheit nähert“,142 Kant auch die Theorie der ethischen Gefühle gekannt habe. Die Anhaltspunkte, die für diese Vermutung ins Feld geführt werden konnten, waren indes so intrikat, dass sie weit über das Philologische hinausgingen, indem sie parallele Formulierungen aufzeigten, die in ihrer juristischen Ausdrucksweise gerade rechtstheoretisch von Bedeutung sind, wenn etwa bei Kant vom Gewissen als dem „inneren Gerichtshof“ die Rede ist und bei Smith dementsprechend vom ‘inferioral tribunal’:143 „Obgleich aber der Mensch auf diese Weise zum unmittelbaren Richter der Menschen gemacht worden ist, so erhielt er dieses Richteramt doch nur in der ersten Instanz; und es gibt eine Berufung von seinem Richterspruch an ein weit höheres Tribunal, an das Tribunal ihres eigenen Gewissens, an jenes Tribunal des vorgestellten unparteiischen und wohlunterrichteten Zuschauers, an das des ‚inneren Menschen‘, des großen Richters und Schiedsherren über ihr Verhalten. Die Rechtsprechung jedes dieser beiden Tribunale gründet auf Prinzipien, die in mancher Hinsicht zwar ähnlich und verwandt, in Wirklichkeit aber doch voneinander verschieden und abweichend sind.“144 An dieser Formulierung fällt zunächst auf, wie sehr Adam Smith in rechtstheoretischen Kategorien dachte, wenn er einen regelrechten Instanzenzug zugrunde legte

_____ 141 Näher Oncken (1877); Villiez (2005) S. 64. 142 Oncken (1877) S. 97. Sen (2003) S. 324 f., nennt Kant und Smith mitunter in einem Atemzug. 143 Oncken (1877) S. 92; dazu Fleischacker (1991) S. 249, 253. 144 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 194 (TMS III.2.32: “But though man has, in this manner, been rendered the immediate judge of mankind, he has been rendered so only in the first instance; and an appeal lies from his sentence to a much higher tribunal, to the tribunal of their own consciences, to that of the supposed impartial and well-informed spectator, to that of the man within the breast, the great judge and arbiter of their conduct. The jurisdictions of those two tribunals are founded upon principles which, though in some respects resembling and akin, are, however, in reality different and distinct.”). Zu seinem Menschenbild in ökonomischer Sicht demgegenüber Coase (1976) S. 529.

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§ 1 Adam Smith und die Jurisprudenz

und das Gewissen einer weitumspannenden Gerichtsbarkeit gleichsetzte, die – wie weiter unten noch zu sehen sein wird – prinzipiengerecht urteilt und also keine unfundierten ad-hoc-Entscheidungen fällt. Abgesehen von dem aus rechtstheoretischer Sicht interessanten Bild der Gerichtsbarkeit, kann man sich ohne weiteres vorstellen, wie diese und ähnliche Stellen auf Kant gewirkt haben.145

aa) „Der Engländer Smith Kants Liebling“ Der Beweis des Smith’schen Einflusses auf Kant war allerdings lange schwer zu erbringen, bis Walther Eckstein, der bedeutende Übersetzer der Theorie der ethischen Gefühle, auf einen Brief aus dem Jahre 1771 – fünf Jahre vor dem Wohlstand der Nationen geschrieben – aufmerksam machen konnte,146 wonach „der Engländer (sic!) Smith Kants Liebling“ sei.147 Damit konnte aus zwingenden zeitlichen Gründen unter den beiden Hauptwerken nur die Theorie der ethischen Gefühle gemeint sein, die gerade ein Jahr zuvor ins Deutsche übersetzt worden war. So ist von Kant sogar eine aufschlussreiche Reflexion überliefert, wonach er sich fragt: „in Smiths System: warum nimmt der unparteiische Richter (der nicht einer von den Participanten ist) sich dessen, was allgemein gut ist, an? Und warum hat er daran irgend ein Wohlgefallen?“148 Eine besonders deutliche und wichtige Anspielung findet sich jedoch an einer prominenten Stelle des kantischen Werkes, nämlich gleich auf der ersten Seite des ersten Abschnitts der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: „Macht, Reichtum, Ehre, selbst Gesundheit und das ganze Wohlbefinden und Zufriedenheit mit seinem Zustande unter dem Namen der Glückseligkeit machen Mut und hierdurch öfters auch Übermut, wo nicht ein guter Wille da ist, der den Einfluss derselben aufs Gemüt und hiermit auch das ganze Prinzip zu handeln berichtige und allgemein-zweckmäßig mache; ohne zu erwähnen, dass ein vernünftiger unparteiischer Zuschauer sogar am Anblicke eines ununterbrochenen Wohlergehens eines Wesens, das kein Zug eines reinen und

_____ 145 Man denke nur an den ersten Satz seiner ‚Grundlegung zur Metaphysik der Sitten‘. 146 Eckstein (2004) S. XXXIII, der zudem auf den theoretischen Einfluss von Smith auf Kants ‚Ideen zu einer Geschichte in weltbürgerlicher Absicht‘ verweist. 147 Vgl. den Brief von Marcus Herz an Kant (Kant (1771) AA Band X S. 124, 126): „Ueber den Engländer Smith, der, wie Herr Friedländer mir sagt, Ihr Liebling ist, habe ich verschiedene Remarken zu machen.“ 148 Kant AA Band XIX S. 184 f. Reflexion 6864.

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guten Willens ziert, nimmermehr ein Wohlgefallen haben kann.“149 Neben dem sogleich noch zu behandelnden unparteiischen Zuschauer ist es zugleich die prinzipienmäßige Fundierung der Handlung, die Kant mit Smith verbindet, wie die weiter oben zitierte Stelle aus der Theorie der ethischen Gefühle veranschaulicht.150

bb) Vernünftiger und unparteiischer Zuschauer Die Figur des vernünftigen und unparteiischen Zuschauers ist ersichtlich Adam Smith entlehnt, wie auch das einschlägige Schrifttum annimmt.151 Es handelt sich um eine Pionierleistung Smiths, welche die gesamte Moraltheorie der Aufklärung prägte.152 Dass Kant dem unparteiischen Zuschauer ausdrücklich das Attribut des Vernünftigen zuweist, verwundert ebenso wenig, wie es gegen die Annahme spricht, dass der vernünftige und unparteiische Zuschauer gerade jener ist, den Smith im Sinn hatte, der die Vernunft ebenfalls zu einer Bedingung moralisch und rechtlich verantwortungsvollen Urteilens erhob.153 Denn die Instanz des unparteiischen Zuschauers ist für Smith gleichsam in der menschlichen Vorstellung enthalten.154 In der Theorie der ethischen Gefühle nimmt Smiths Auseinandersetzung mit der Vernunft gegenüber einem schlichten Naturrecht sogar so breiten Raum ein,155 dass man sich fragen kann, ob hier nicht noch weiterer Raum für die Erforschung des Smithschen Einflusses auf die kantische Morallehre zu finden ist, als dies bisher angenommen wurde. In Anlehnung an Hobbes setzt sich Smith dort mit frü-

_____ 149 Kant (1785) AA Band IV S. 393; Hervorhebung nur hier. 150 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 194 (TMS III.2.32). 151 Fleischacker (1991) S. 249, 252. 152 Sen (2009 a) S. xvi: “In fact, Smith’s analysis of ‘the impartial spectator’ has some claim to being the pioneering idea in the enterprise of interpreting impartiality and formulating the demands of fairness that so engaged the world of the European enlightenment”. Sen macht allerdings auch darauf aufmerksam, dass sich Smith und Kant in den Konsequenzen mitunter deutlich unterscheiden. 153 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 67 (Book I.viii.34, p. 95) und S. 155 (Book I.xi.e.11, p. 198). 154 Sen (2003) S. 312, spricht von der „Formalisierung einer ganz und gar nicht formalen, fast in jeder menschlichen Brust vorhandenen Vorstellung“ (…), für die wir „im menschlichen Verstand nicht erst künstlich Platz schaffen müssen für die Idee der Gerechtigkeit“; (…) der Platz existiert bereits“. 155 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 529 (TMS VII.iii.2.1: “Of those Systems which make Reasons the Principle of Approbation”): „Über diejenigen Systeme, welche die Vernunft zum Prinzip der Billigung machen“.

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heren Natur- und Vernunftsrechtsbegründungen, insbesondere von Ralph Cudworth,156 auseinander. Auch wenn es nach Smith „ganz und gar ungereimt und unverständlich wäre, wenn man annehmen wollte, dass die ersten Wahrnehmungen von recht und unrecht aus der Vernunft abgeleitet werden könnten“, 157 ist die Nähe dieser Konzeptionen zur späteren Moraltheorie Kants gewiss eine Untersuchung wert. So ist die oben genannte Reflexion Kants, die sich vorderhand widersprüchlich zur Aufnahme des unparteiischen Zuschauers in die Metaphysik der Sitten zu verhalten scheint, Ausdruck der Wertschätzung für Smith, der ihm buchstäblich zu denken gegeben hat.

b) Der Wohlstand der Nationen im Spiegel von Kants Werk Steht nach alledem fest, wie sehr Smith Kant beeinflusste, so stellt sich auf dieser Grundlage die Frage, wie es sich mit einem gleichfalls möglichen Einfluss von Adam Smiths Nationalökonomie auf Kant verhält. Ohne Zweifel ist Smiths Prägung der kantischen Moralphilosophie wirkungsmächtiger, als es seine Spuren im Hinblick auf die ökonomische Theorie sind. Jedoch sind auch diese bedeutsam, weil sie zeigen können, inwieweit zentrale Gedanken des Wohlstands der Nationen gleichsam zum Gemeingut geworden und von maßgeblichen Denkern vorausgesetzt wurden.

aa) Empirischer und intellektueller Begriff des Geldes bei Kant Kants spätere Rechtslehre wurde nachweislich durch Smith beeinflusst,158 wie sich aus folgendem Zitat der kantischen Metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre über die Definition des Geldes ergibt: „Geld ist also (nach Adam Smith) derjenige Körper, dessen Veräußerung das Mittel und zugleich der Maßstab des Fleißes ist, mit welchem Menschen und Völker untereinander Verkehr treiben.“159 Kant bezieht sich hier auf das vierte und fünfte Kapitel des ersten Buchs des Wohlstands der Nationen. Daraus lässt sich zunächst nur ersehen, dass Kant den Wohlstand der Nationen kannte. Kant kommentiert diese Stelle von Adam Smith über das Geld in einer für seine Rechtslehre

_____ 156 Cudworth (1731) I 2 § 3. 157 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 533 (TMS VII.iii.2.7: “it is altogether absurd and unintelligible to suppose that the first perceptions of right and wrong can be derived from reason”). 158 Abramson (2005) S. 248 zum Verhältnis zwischen Kant und Smith Fleischacker (1999). 159 Kant (1797) AA Band VI S. 289.

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bezeichnenden Weise: „Diese Erklärung führt den empirischen Begriff des Geldes dadurch auf den intellektuellen hinaus, dass sie nur auf die Form der wechselseitigen Leistungen im belästigten Vertrage sieht (und von dieser ihrer Materie abstrahiert), und so auf den Rechtsbegriff in der Umsetzung des Mein und Dein (commutatio late sic dicta) überhaupt, um die obige Tafel einer dogmatischen Einteilung a priori, mithin der Metaphysik des Rechts, als eines Systems, angemessen vorzustellen.“160 Sieht man von der sich auch am Beispiel dieser Passage stellenden Frage ab, ob und inwieweit Kants Rechtslehre kritische Philosophie darstellt,161 zeigt sich daran immerhin, dass gerade Adam Smiths abstrahierende Begriffsbestimmung der ökonomischen Gegebenheiten der kantischen Rechtslehre entgegenkam und somit aus Sicht der Transzendentalphilosophie gleichsam philosophietauglich ist.162

bb) Unsichtbare Hand im Ewigen Frieden? Hayek hat zum besseren Verständnis der weiter unten noch eingehend erörterten unsichtbaren Hand verschiedene Textstellen aus der Geistesgeschichte zitiert, die belegen, dass der Gedanke seinerzeit alles andere als fremd war.163 Unter diesen Hinweisen bemerkenswert ist ein Satz aus Kants bedeutender völkerrechtlicher Schrift Zum Ewigen Frieden, der daher wörtlich zitiert zu werden verdient: „Aber nun kommt die Natur dem verehrten, aber zur Praxis ohnmächtigen allgemeinen, in der Vernunft gegründeten Willen, und zwar gerade durch jene selbstsüchtige Neigungen, zu Hülfe, so, dass es nur auf eine gute Organisation des Staats ankommt (die allerdings im Vermögen der Menschen ist), jener ihrer Kräfte so gegen einander zu richten, dass eine die anderen in ihrer zerstörenden Wirkung aufhält, oder diese aufhebt: so dass der Erfolg für die Vernunft so ausfällt, als wenn beide gar nicht da wären, und so der Mensch, wenn gleich nicht ein moralisch-guter Mensch, dennoch ein guter Bürger zu sein gezwungen wird.“164 Diese verklausulierte und vergleichsweise umständlich anmutende Begründung, wonach aus dem Zusammenwirken von moralisch fragwürdig handelnden Individuen, die ihren selbstsüchtigen Neigungen gehorchen, etwas für die Staatsorganisation Wohltätiges hervorgehen kann, ähnelt in der Tat dem später noch zu besprechenden Grundgedanken

_____ 160 161 162 163 164

Kant (1797) AA Band VI S. 289. Dazu Petersen (2007 a) S. 1243. Siehe dazu auch Mestmäcker (1978) S. 139, 154. Hayek (2005) GS B 3, S. 79 mit Fußnote 26. Kant (1795) AA Band VIII S. 366.

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Smiths.165 Abgesehen davon zeigt auch Kants Betonung der Handelsfreiheit, deren Aufrechterhaltung und Durchführung die davon wechselseitig profitierenden Staaten von Kriegen abhält und damit den Frieden sichert,166 eine Nähe zu Smith, der schon vorher den Krieg als Vergeudung von volkswirtschaftlichem Vermögen gegeißelt hatte – allerdings mit der Maßgabe, dass eine landwirtschaftlich prosperierende Nation auch Kriegsgewinnler kennen wird, deren Reichtum den Volkswohlstand wieder mehrt.167 Kants Begründung ist freilich deutlich stärker vernunftbezogen, wenngleich in gänzlich anderer Weise wie der im Folgenden darzustellende Standpunkt Hegels.

2. Hegels Bezugnahme auf Adam Smith in der Rechtsphilosophie Mit dem Angewiesensein auf Vorlesungsmitschriften ist die Adam SmithForschung zumindest ansatzweise in einer ähnlichen Lage wie gegenüber der Rechtsphilosophie Hegels. Dieser hatte zwar die Grundlinien der Philosophie des Rechts veröffentlicht, aber vor allem als knappe Grundlegung zu seiner Vorlesung, die wiederum ebenfalls in wichtigen Vorlesungsmitschriften seiner Schüler und Hörer vorliegt und gleichfalls ein unentbehrliches Hilfsmittel der Hegel-Forschung darstellt.168

a) Hegels „System der Bedürfnisse“ Der Bezug zu Hegel ist aber noch in anderer und, wichtiger noch, inhaltlicher Weise weiterführend für die Erhellung des vorliegenden Themas:169 Hegel hat nämlich Adam Smith in seine Rechtsphilosophie unter der Überschrift des „Systems der Bedürfnisse“ eingearbeitet, und zwar im Rahmen der Behandlung der von ihm so genannten Staats-Ökonomie: „Ihre Entwicklung zeigt das Interessante, wie der Gedanke (s. Smith, Say, Ricardo) aus der unendlichen Menge von Einzelnheiten, die zunächst vor ihm liegen, die einfachen Prinzi-

_____ 165 Ähnlich, wenngleich gegenüber der Grundaussage skeptisch Väyrynen (1996) S. 168, 171: „Wir wissen heute besser als Kant, dass der ‚Handelsgeist‘ nicht friedlich zu einer Befriedigung des Eigennutzes aller Völker geführt hat. Die Auffassung Kants spiegelt noch den gleichen Optimismus wie die ‚unsichtbare Hand‘ von Adam Smith wider“. 166 Canaris (2010) S. 179, 188. 167 Rude (1981) S. 59 f. 168 Siehe auch Klenner (1987) S. 278, 290, der ebenfalls die Bedeutung von gehaltenen Vorlesungen betont und auf Hegels Adam Smith-Rezeption verweist. 169 Dazu bereits Petersen (2010 b) S. 137 f.

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pien der Sache, den in ihr wirksamen und sie regierenden Verstand herausfindet.“170

aa) „Wimmeln der Willkür“ und unsichtbare Hand Die Sphäre der ökonomischen Bedürfnisse ist sozusagen ein Bereich innerhalb der Wirklichkeit des Vernünftigen:171 „Wie es einerseits das Versöhnende ist, in der Sphäre der Bedürfnisse dies in der Sache liegende und sich betätigende Scheinen der Vernünftigkeit zu erkennen, so ist umgekehrt dies das Feld, wo der Verstand der subjektiven Zwecke und moralischen Meinungen seine Unzufriedenheit und moralische Verdrießlichkeit auslässt.“ 172 Diese Stelle, die mehr ist als ein obiter dictum, wurde natürlich in der HegelForschung auch schon gesehen. Sie ist aber bis dato zumeist von Hegel her gedeutet worden,173 während es schon historisch näherliegend und teleologisch weiterführend sein dürfte,174 umgekehrt Hegel von Adam Smith her zu verstehen.175 So offenbart sich im Vorlesungszusatz zu der genannten Stelle eine gewisse Reminiszenz des Grundgedankens spontaner Ordnung, wie er bei Smith in der berühmten und noch ausführlich zu erörternden unsichtbaren Hand erscheint: „der eine Mensch ist fleißig, der andere faul, aber dieses Wimmeln der Willkür erzeugt aus sich allgemeine Bestimmungen, und dieses anscheinend Zerstreute und Gedankenlose wird von einer Notwendigkeit gehalten, die von selbst eintritt.“176

bb) „Wirtschaftsastronomie“ und “invisible hand of Jupiter” So ergibt sich etwa das nach Hegels Einschätzung besondere Verdienst Smiths, der herausgearbeitet habe,177 auf welche Weise der einzelne Privat-

_____ 170 Hegel (1821) § 189; Hervorhebung auch dort. Speziell zu Say und Ricardo im Hinblick auf Smith Persky (1989) S. 195, 198 ff.; Hayek (2004 b) GS B 2, S. 111 mit Fußnote 6. 171 Zu diesem schwierigen Wort der Vorrede eingehend Petersen (2010 b) passim. 172 Hegel (1821) § 189. 173 Adomeit (2002) S. 120: „Wenn Hegel obendrein Adam Smith und Ricardo zitiert, so treffen Vorwürfe, sein Denken sei vormodern, spekulativ und allzu deutsch, voll daneben“. 174 Ritter (1965) S. 53 ff.; ders. (1974) S. 11, 25. 175 Zutreffend Mestmäcker (1978) S. 139, 140: „Wer die Wirkungen von Adam Smith in Deutschland beurteilen will, wird deshalb seinen Einfluss auf Kant und Hegel in Rechnung stellen müssen.“ Siehe dazu auch Waszek (1988 b). 176 Hegel (1821) § 189 Zusatz. 177 Hegel (1821) § 189 Zusatz.

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mann gleichsam zum allgemeinen Menschen werde, wenn und weil er sein Individualinteresse in Abhängigkeit von dem der Gesellschaft formuliere und wie bürgerliche Gesellschaft und politische Verantwortung zusammenhingen.178 Nochmals sei die – möglicherweise auch von seinem Schüler Eduard Gans stammende – Erläuterung Hegels herangezogen: „Dies Ineinandergehen, an das man zunächst nicht glaubt, weil Alles der Willkür des Einzelnen anheimgestellt scheint, ist vor allem bemerkenswert und hat eine Ähnlichkeit mit dem Planetensystem, das immer dem Auge nur unregelmäßige Bewegungen zeigt, aber dessen Gesetze doch erkannt werden können.“179 Hierbei handelt es sich um eine Ausprägung der bei den klassischen Nationalökonomen nicht selten vorkommenden ‚Wirtschaftsastronomie‘.180 Es ist gleichwohl aufschlussreich, dass Hegel hier das Planetensystem erläuternd zur Hilfe nimmt, wenn man bedenkt, dass Smiths unsichtbare Hand auch in seiner Geschichte der Astronomie vorkommt, nämlich in Gestalt der gleichfalls noch ausführlich zu behandelnden “invisible hand of Jupiter”.181

b) Rezeptionsgeschichtliche Linie von Smith über Hegel zu Marx So ergibt sich eine rezeptionsgeschichtliche Linie von Smith über Hegel zu Marx,182 der auf diese Weise unmittelbare Anstöße durch Hegel183 und zumindest mittelbare durch Adam Smith erfahren hat.184 Dass Marx ihn mitunter mit leisem Spott überzog („Arbeit als Quelle von stofflichem Reichtum war dem Gesetzgeber Moses sowohl bekannt wie dem Zollbeamten Adam Smith.“) und Ricardo gegen ihn ausspielte,185 macht diesen Einfluss rechtstheoretisch noch interessanter.186 Dieses weitreichende Thema, das eine eigene Bearbei-

_____ 178 Trapp (1987) S. 160. Treffend Hirschman (1987) S. 109: „Der wesentliche Beitrag von The Wealth of Nations bestand in der ökonomischen Rechtfertigung für die ungehinderte Verfolgung individueller Eigeninteressen, während die bisher betrachtete frühere Literatur deren politische Konsequenzen in den Mittelpunkt gestellt hatte “. 179 Hegel (1821) § 189 Zusatz. 180 Walder (1943) S. 106. Man kann sich angesichts der vielfältigen Irrationalität auf den Kapitalmärkten kaum des Eindrucks erwehren, dass an deren Stelle heute vielfach eine ,Wirtschaftsastrologie‘ getreten ist; vgl. auch Stürner (2012) S. 10, 22. 181 EPS III.2, p. 49. Siehe auch Vogl (2011) S. 42: unsichtbare Hand als „Faktum der Kosmologie“. 182 Henrich (1975) S. 187. 183 Marx (1844). 184 Meek (1967) S. 34. 185 Marx (1859) Abschnitt I Erstes Kapitel. 186 Dazu Meek (1977).

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tung verdient hätte, weil Adam Smiths Einfluss über die Rechtsphilosophie Hegels auf Marx nachweisbar ist,187 kann hier nicht vertieft werden. Jedenfalls wird sich verschiedentlich zeigen, dass viele Zitate aus dem Wohlstand der Nationen, die daher auch zumeist wörtlich wiedergegeben werden,188 bei unbefangener Betrachtung so oder ähnlich auch von Marx stammen könnten.189 Zudem ringt die marxistische Rechtstheorie seit jeher mit der Beantwortung von Fragen, die Adam Smith bereits gestellt und vorangetrieben hat, wie folgender Gedanke Fikentschers demonstriert: „Vor allem Adam Smith und Ricardo hatten Überlegungen in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten gestellt, wie es kommen kann, dass die Summe der innerhalb einer gegebenen Wirtschaft gezahlten Löhne wertmäßig offensichtlich abweicht von der Summe der Preise für die innerhalb der gleichen Wirtschaft gehandelten Waren. Marx versuchte sich ebenfalls an diesem Wertproblem und entwickelte dabei den Gedankengang, der aller marxistischen Philosophie, Politik und Rechtstheorie bis heute zugrunde liegt“.190 Daran lässt sich beispielhaft ersehen, dass diese Probleme nicht nur durch die spätere und mitunter einseitige Lösung, sondern bereits in dem von Adam Smith herausgestellten Ausgangspunkt genuin rechtstheoretisches Interesse beanspruchen konnten.

c) Unsichtbare Hand und List der Vernunft Allerdings kann man etwa Hegels berühmte List der Vernunft durchaus in Beziehung setzen zu Adam Smiths nicht minder bekanntem Axiom der unsichtbaren Hand und diese womöglich sogar als einen gedanklichen Vorläufer jener begreifen.191 So wie sich nach Hegel die Vernunft in der Geschichte entfaltet, könnte auch die unsichtbar wirkende und ordnende Hand im Sinne

_____ 187 Klenner (1990) S. 267, 268. 188 Hollander (1973) S. ix: “My experience has been that secondary commentaries on the great economists – while essential as guides through the massive literature – leave no lasting impression unless considerable use is made of direct quotation, although it is, of course, a matter of personal taste where the line should be drawn.” Ebenso Brühlmeier (1988) S. 29. 189 Klenner (1987) S. 278 f., zitiert etwa den berühmten Satz von Adam Smith: “Civil government, so far as it is instituted for the security of property, is in reality instituted for the defence of the rich against the poor.” Klenner (1987) ebenda S. 279, hält – wohl auf Marx anspielend – für möglich, dass dieser Satz „einem ganz anderen Autor zugetraut wird“. 190 Fikentscher (1976) S. 519; Hervorhebung nur hier. 191 Ross (1998) S. 514 Fußnote 28; Hirschman (1987) S. 25 ff.

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Adam Smiths zu verstehen sein.192 Hintergrund der jeweiligen Betrachtung wäre dann auch eine religionsphilosophische Dimension, weil sich die Frage stellen würde, inwieweit Gott in der Geschichte wirkt. Hierzu liegen im Hinblick auf die Philosophie Hegels grundlegende Untersuchungen vor.193 Auch in Bezug auf Adam Smith ist mit gutem Grund angenommen worden, dass die Theorie der unsichtbaren Hand einen religiösen Glauben – wenngleich wohl nicht notwendigerweise an einen christlichen Gott – voraussetzt.194 Allerdings muss man ungeachtet aller phänotypischen Ähnlichkeiten zwischen der invisible hand und Hegels List der Vernunft auch ihre jeweiligen Grenzen berücksichtigen. So wie die Vernunft in der Geschichte mit einer als Weltgericht begriffenen Weltgeschichte keine Gerechtigkeitsgewähr bietet, 195 ist auch die unsichtbare Hand nicht unbedenklich, wenn und weil sie leicht als Verteidigung der Reichen gegen die Armen verstanden werden kann,196 zumal da ihr bei einem solchen Verständnis eine gewisse deistische Komponente innewohnen würde,197 die entstehende Ungleichgewichte nur zu leicht als gottgegeben deuten kann. Das aber müsste mit den Grundanliegen der Schottischen Aufklärung in Einklang gebracht werden, zumal da zumindest sein Schüler Boswell Adam Smith als „einen erklärten Ungläubigen in der Haarbeutelperücke“ bezeichnete.198 Darauf wird im Rahmen der Erörterung der unsichtbaren Hand im Wohlstand der Nationen noch zurückzukommen sein.199 Dort wird sich allerdings auch zeigen, dass sich die unsichtbare Hand bereits in der Moralphilosophie von Adam Smith findet,200 deren Berücksich-

_____ 192 Vgl. auch Denis (1999) S. 71. 193 Küng (1970); Theunissen (1970). 194 Mathis (2009) S. 115. 195 Petersen (2010 b) S. 186; dort auf S. 27 ff. unter Verweis auf das grundlegende Werk von Hösle (1998), zu möglichen Parallelen zwischen der Rechts- und Religionsphilosophie Hegels, die dem sogleich im Text angesprochenen Problem des Deismus eine gewisse Entsprechung geben. 196 Klenner (1990) S. 267, 269. 197 In diese Richtung T. D. Campbell (1971) S. 61: “The invisible hand is no capricious intervener in the natural course of events, but is a figure of speech used to suggest that the total operations of nature betoken the ultimate planning of a benevolent God.” Aus gutem Grund skeptisch Trapp (1987) S. 305 Fußnote 22. 198 Ross (1998) S. 363. 199 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 371 (Book IV.ii.9, p. 456). 200 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 316 (TMS IV.1.10: “They are led by an invisible hand to make nearly the same distribution of the necessaries of life, which would have been made, had the earth been divided into equal portions among all its inhabitants, and thus without

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tigung zu einem differenzierten Verständnis führen muss. Auch dort wird sich erweisen, wie der Wohlstand der Nationen auf der Theorie der ethischen Gefühle aufbaut.

_____ intending it, without knowing it, advance the interest of the society, and affords means to the multiplication of the species.”) Dazu weiter unten sowie auch Persky (1989) S. 195.

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie § 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

I. Rechtstheoretische Voraussetzungen I. Rechtstheoretische Voraussetzungen Für Martha Nussbaum gehört Smiths Theorie der ethischen Gefühle neben Rousseaus ‚Emile‘ und John St. Mills Aufsatz über die ‚Nützlichkeit der Religion‘ aus gutem Grund „zu den aussagekräftigsten Texten über die Ausbildung von Gefühlen, die einen radikalen gesellschaftlichen Wandel hin zu Gerechtigkeit und gleicher Würde unterstützen können“.1 Darin hat Smith Fragen behandelt, die nicht nur von moralphilosophischem, sondern auch von elementar rechtsphilosophischem Interesse sind. Es nimmt daher nicht wunder, dass gerade der Verfasser der Moralphilosophie im frühen und wegweisenden Schrifttum zu dieser Frage mit dem Rechtsphilosophen gleichsam identifiziert wurde.2 In der Tat schrieb Adam Smith nicht anders als David Hume in einer Tradition, in der die Moralphilosophie zugleich auch die Jurisprudenz behandelte und somit auch die aktuellen Probleme des Rechts einschloss.3

1. Pragmatisches und empiristisches Vorgehen Darüber hinaus kommen aber auf Schritt und Tritt rechtstheoretische Einsichten zum Vorschein,4 die nicht mehr nur der Rechts- und Moralphilosophie zuzuordnen sind, auf deren Grundlage sie bestehen, sondern mitunter geradezu eine Metatheorie des Rechts abbilden, die zwar nicht im Einzelnen ausgeführt wird – nicht zuletzt das hat Adam Smith nicht mehr vollendet und daher ganz verworfen –, aber zumindest annäherungsweise aufscheint und allenthalben vorausgesetzt wird. Die Rede ist von der geplanten, aber in den Entwürfen bewusst vernichteten „Theorie und Geschichte des Rechts und der Staatslehre“, von der Smith im zitierten Brief vom 1. November 1785 an den Herzog de La Rochefoucauld berichtet. Dass es zu der Ausarbeitung und Veröffentlichung der Rechtstheorie als solcher nicht kam, schließt nicht aus, dass

_____ 1 Nussbaum (2010) S. 51. 2 Eckstein (1926/27) S. 378, 384. 3 Raphael (1972/73) S. 87, 97: “They both (sc. Smith and Hume) talked on the origin of justice”; Hervorhebung auch dort. 4 Brühlmeier (1996) S. 20 spricht zutreffend davon, dass „Smiths Rechtstheorie (sic!) auf TMS (sc. Theorie der ethischen Gefühle) basiert und wesentliche Erkenntnisse und Grundlagen des Rechts dort schon wegleitend vorformuliert sind“.

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I. Rechtstheoretische Voraussetzungen

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Smith in seinen publizierten Hauptwerken de facto eine Rechtstheorie begründet hat. Diese rechtstheoretische Konzeption wurde jedoch weniger systematisch als vielmehr pragmatisch entworfen, zumal da Smith, wie Klenner mit Recht – und konsequenterweise wenig später ausdrücklich von „der Rechtstheorie von A. S.“ sprechend – bemerkt, „Smith wie alle großen Philosophen seine Sozialtheorie vor allem aus der Analyse der Sozialpraxis abgezogen hat“.5 Dass dies mutatis mutandis auch für das Verhältnis von Rechtstheorie und Rechtspraxis gilt und damit auch eine spezifische Rechtstheorie Adam Smiths vorausgesetzt werden kann, ist darin zugleich enthalten. Smiths Rechtstheorie ist daher mitunter erst aus den prägnanten Beispielen herauszuarbeiten. Denn auch als Moralphilosoph zeichnete sich Smith durch einen bemerkenswerten und für den angelsächsischen Bereich bezeichnenden Pragmatismus aus, der im Kontrast zum spekulativen Idealismus steht. 6 Zugleich zeigt sich sein durchweg empiristisches Vorgehen daran,7 dass er selten davor zurückschreckt, subjektive Empfindungen – wenn auch gleichsam objektiviert in der Person des ‘impartial spectator’ – zugrunde zu legen.

2. Abwendung von Humes Utilitarismus Anders als sein Freund und Mitschüler David Hume,8 den die Erkenntnistheorie mehr interessierte als die praktische Philosophie,9 machte er nicht zuletzt das, was er im Glasgow seiner Zeit – einer aufstrebenden Wirtschaftsmetropole – sah, zum Gegenstand seiner Betrachtungen. Zwar hatte sich auch Hume grundlegend mit der Rechts- und Moralphilosophie beschäftigt, wobei er den Ursprung und Grund der Gerechtigkeit im Nutzen für die Öffentlichkeit erblickte.10 Doch geht Adam Smith erklärtermaßen einen anderen Weg, indem

_____ 5 Klenner (1987) S. 278, 279. 6 Recktenwald (2003) S. XVI. 7 Bittermann (1940) S. 487; 703. 8 Trapp (1987) S. 132, spricht von seinem „Lehrer Hume“ doch dürfte das ungeachtet des Altersunterschieds angesichts der Verbundenheit beider mit ihrem gemeinsamen Lehrer Hutcheson nicht zutreffen. Hume war jedoch ebenso wie Hutcheson in gewisser Weise Vorläufer; Taylor (1965). 9 Raphael (1972/73) S. 87, 88: “Unlike Hutcheson and Adam Smith, Hume was more deeply interested in the philosophy of knowledge than in the philosophy of practice, and it was in the theory of knowledge that he displayed outstanding genius as a philosopher of the first rank”. 10 Hume (1975) III i.

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

er nicht den Nutzen zum Ursprung der Gerechtigkeit verklärt: „Derselbe geistvolle und anregende Schriftsteller (sc. Hume), der zuerst darlegte, ‚warum Nützlichkeit gefällt‘, wurde von dieser Art, die Dinge zu betrachten, so gefangen genommen, dass er unsere ganze Billigung der Tugend in eine Wahrnehmung dieser Art von Schönheit – die aus dem Anschein der Nützlichkeit entspringt – auflöste.“11 Auch wenn sich die von Smith zitierte Stelle so nicht ganz in Humes Untersuchung über die Prinzipien der Moral findet,12 veranschaulicht sie Smiths Skepsis gegenüber einer allein auf den Nutzenkalkül gründenden Weltsicht. Die Einzelheiten seiner Kritik an Humes Prämisse sind bereits so eingehend und gründlich analysiert worden, dass dies hier nicht eigens aufbereitet werden muss, sondern auf die einschlägige Untersuchung verwiesen werden kann, die auch Humes Rechtstheorie berücksichtigt.13

3. Gerechtigkeit und Nutzen Entgegen diesem utilitaristischen Standpunkt, der für ihn keine prägende Kraft entfaltet, 14 will Smith die Bestimmung und Bewertung ungerechter Handlungen von der Frage des Nutzens unterscheiden.15 Die Nützlichkeit ist für ihn nur ein Gesichtspunkt, der vereinzelt in die Betrachtung eingestellt wird, etwa wenn es um den kollektiven Selbsterhalt geht:16 „Manchmal (!) ergibt sich uns auch die Notwendigkeit, dass wir, um zu zeigen, wie richtig es ist, die allgemeinen Regeln der Gerechtigkeit zu beobachten, diesen unseren Standpunkt damit verteidigen müssen, dass wir Erwägungen über die Nützlichkeit solcher Regeln für die Gesellschaft anstellen.“17

_____ 11 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 322 (TMS IV.2.3: “The same ingenious and agreeable author who first explained why utility pleases, has been so struck with his view of things, as to resolve our whole approbation of virtue into a perception of this species of beauty which results from the appearance of utility”. ). 12 Eckstein (2004) S. 574. 13 Haakonssen (1981) S. 4 ff., insbesondere S. 39 ff. zum Verhältnis ‘utility and natural justice’; sowie vor allem S. 67 ff. zur Rolle des Nutzens bei Smith und Hume. 14 Macfie (1967) S. 48: “Utility for (sc. Adam Smith) was not basic.” Anderer Ansicht T. D. Campbell/Ross (1981) S. 73, 75. 15 Lindgren (1973) S. 82, wonach der Nutzen Adam Smith zufolge nicht das einzige Kriterium für Entscheidungen im Staatswesen darstellt. 16 Mestmäcker (2007) S. 23: “Adam Smith, however, is not a utilitarian”. 17 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 133 (TMS II.ii.3.8: “Sometimes too we have occasion to defend the propriety of observing the general rules of justice by the consideration of their necessity to the support of society.”).

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I. Rechtstheoretische Voraussetzungen

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a) Vorrang der Regeln der Gerechtigkeit Bei Licht besehen zeigt aber auch diese Stelle, dass zuerst die Regeln der Gerechtigkeit kommen, deren Sinnhaftigkeit nur in zweiter Linie apologetisch mit dem Nutzen, der aus ihr folgt, dargelegt wird. Dass die Regeln gerechten Verhaltens das System der natürlichen Freiheit nicht defizitär erscheinen lassen, ist im Schrifttum bereits so überzeugend dargetan worden, dass hier ohne weiteres darauf verwiesen werden kann.18 Der Nutzen bezieht sich bei Smith ebenso sehr auf die Maximierung menschlicher Glückseligkeit, ist also schon von daher moraltheoretisch geprägt und nicht mit einem vordergründigen Eigennutzen gleichzusetzen, es sei denn, man ist der Ansicht, dass schon derjenige Utilitarist ist, der Gefallen an der Glückseligkeit aller findet – eine Annahme, die jedoch Smith eher fremd gewesen sein dürfte.19 Man darf also den Begriff des Nutzens bei Smith gerade nicht ökonomisch oder einseitig folgenorientiert verengen, weil er Abstufungen und Abwägungen ermöglicht, die gerade durch die Perspektive des unparteiischen Zuschauers weiteren Spielraum in der Bildung etwaiger Präferenzen erlauben20 und damit auch das Rechtsverständnis entsprechend erweitern können, weil sie insbesondere die Option des geringeren Übels einbeziehen.21 Bei der Begründung des Staatswesens kommt zwar, wie sich aus den Lectures on Jurisprudence ergibt, ein utilitaristischer Zug zum Vorschein, weil für Smith „jeder Staat auf den Grundsätzen der Autorität und des Nutzens gegründet ist.“22 Doch ändert diese pragmatische Überlegung nichts an seiner moraltheoretischen, zumal da Nutzenerwägungen dort, wie soeben gesehen, durchaus begleitend ins Spiel kommen können, und der Nutzen dort eben darin besteht, dass die Sicherheit des Staates gegenüber dem Naturzustand

_____ 18 Hayek (2003 b) GS A 4, S. 35, 45 f.; zustimmend Mestmäcker (1978) S. 139, 148, gegen Morrow (1923) S. 56 f. 19 T. D. Campbell/Ross (1981) S. 73: “the criterion of utility – maximization of human happiness”; beide kommen allerdings zum Ergebnis (S. 92), dass Smith gleichermaßen praktizierender wie kontemplativer Utilitarist war. 20 Sen (2003) S. 349, spricht zutreffend von einer „ganzheitlichen Perspektive“. 21 Haakonssen (1981) S. 102 f.: “Smith’s rejection of a ‘utilitarian’ or consequentialist account of rights and their accompanying virtues, and his adoption of a unitarian spectator account, gives him the best of both worlds: on the one hand he can keep natural rights well within his concept of justice and hence has a more complete tool for the analysis of law; on the other hand the natural primacy of the more negative over the less negative in the eyes of any spectator still makes it possible for him to retain some reasonably clear and useful distinction between the two groups of rights”. 22 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 92 (LJ(B) p. 93: “that government was founded on the principles of utility and authority.”).

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

eine erhöhte Glückseligkeit aller Rechtsunterworfenen verheißt. Im Wohlstand der Nationen wird ebenfalls nicht durchweg und rein utilitaristisch argumentiert, sondern der Nutzen von Gütern als preisbildender Faktor neben anderen berücksichtigt. Am Beispiel kostbarer Metalle erörtert er etwa die Eigenschaften der Nützlichkeit, Schönheit und Seltenheit und erörtert das Zusammenspiel zwischen diesen drei Faktoren, die sich im Wechselspiel miteinander regelrecht steigern können.23

b) Psychologische Gründe perpetuierender Unrechtsbegehung Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist aber eine anthropologische Beobachtung, die es verdient, als Aphorismus in jede einschlägige Sammlung aufgenommen zu werden: „Die meisten wohlhabenden Leute haben die größte Freude an ihrem Reichtum, wenn sie ihn offen zeigen können.“24 In konsequenter Fortsetzung seiner Theorie der ethischen Gefühle zeigt sich hier die durch den unparteiischen Beobachter objektivierte, letztlich aber auf der individuellen psychologischen Genialität beruhende Fähigkeit des Autors, den Menschen gleichsam ins Herz zu sehen und daraus Axiome abzuleiten,25 die moraltheoretisch ebensolchen Bestand haben wie für den Wohlstand der Nationen. Paradigmatisch ist etwa die psychologisch bemerkenswerte Selbsterkenntnis, dass wir uns bei wirklich oder vermeintlich widerfahrenen Ungerechtigkeiten mitunter „bemühen, unseren alten Hass künstlich wieder zu erwecken, und unsere fast vergessenen Vergeltungsgefühle wieder zu entflammen suchen; wir machen sogar Anstrengungen, um dieses jämmerliche Vorhaben durchzuführen, und verharren so in Ungerechtigkeit bloß darum, weil wir einmal ungerecht waren, und weil wir uns schämen und fürchten, einzusehen, dass wir im Unrecht waren.“26 Smiths moraltheoretische Methode verfährt schonungslos, indem sie den Autor von derartigen Gefühlen nicht ausnimmt, sondern ausdrücklich in die

_____ 23 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 150 (Book I.xi.c.31, p. 191). 24 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 149 (Book I.xi.c.31, p. 190: “With the greater part of rich people, the chief enjoyment of riches consists in the parade of riches”). 25 Raphael (1972/73) S. 87, 103: “I agree with Westermarck (sc.: Ethical Relativity, p. 71) that ‘Adam Smith’s Theory of Moral Sentiments is the most important contribution to moral psychology made by any British thinker’”. 26 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 237 (TMS III.4.4: “we endeavour by artifice to awaken our old hatreds, and irritate afresh our almost forgotten resentments: we even exert ourselves for this miserable purpose, and thus persevere in injustice, merely because we once were unjust, and because we are ashamed and afraid to see that we were so.”).

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kontinuierliche Ungerechtigkeit einbezieht („wir“). Dieses Vorgehen ist insofern riskant, als sie unausgesprochen an die Fähigkeit zur Selbstkritik appelliert und umso mehr, als es gerade die in der Beobachtung enthaltene Selbstgerechtigkeit ist, die in Ungerechtigkeit umschlägt. Es ist naheliegend, dass derartige Einsichten, die man vielleicht eher bei den französischen Moralisten oder Nietzsche erwarten würde,27 nicht ohne weiteres in rechtstheoretisch nachvollziehbare, erst recht keine einem Beweis zugänglichen Kategorien zu fassen sind. Eine positivistisch ausgerichtete Rechtstheorie würde sie daher wohl a limine zurückweisen. Und doch lässt sich schwerlich bestreiten, dass Smith hier über das – wenn auch nur „gefühlte“ – Recht etwas Weiterführendes aussagt, indem es mögliche Motive kontinuierlicher Unrechtsbegehung und sich perpetuierender Ungerechtigkeit zu bedenken gibt.

c) Rational und Social Choice Theory Auch die Vertreter der ökonomischen Analyse und der Rational Choice Theory,28 die Smith mit Vorliebe zum Kronzeugen berufen,29 müssen sich die Frage gefallen lassen, ob dasjenige, was sie im Hinblick auf Rationalität und Eigennutz Adam Smith zuschreiben und Ansinnen, seiner durch die Theorie der ethischen Gefühle geprägten Sicht gerecht wird. Gegen die Annahme eines streng rationalen Verhaltens hat sich bereits Hayek gewandt, der zu bedenken gab, dass u. a. Adam Smith „von einer derartigen Annahme natürlich weit entfernt“ gewesen ist.30 Rationalität wirtschaftlicher Betätigung und Einhaltung der rechtlichen oder moralischen Gebote schließen sich für Smith keineswegs aus.31 Die Vertreter dieser ökonomischen Richtung sollten sich jedenfalls mit dem Einwand des Wirtschaftsnobelpreisträgers Sen auseinandersetzen, dass sie eine zu stark verengende und simple Sichtweise menschlicher Rationalität zugrunde legen und sich von diesem Ausgangspunkt her zu Unrecht auf Smith berufen.32 Er plädiert stattdessen im Anschluss an den von Smith maß-

_____ 27 Näher Petersen (2008 b) S. 18 ff. 28 Zu ihr van Aaken (2003). 29 Becker (1993); siehe auch Jolls/Sunstein/Thaler (1998) S. 1471; dazu Sen (2002) S. 26 ff. 30 Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 13. 31 Mestmäcker (1978) S. 139, 164. 32 Sen (2009 a) S. x: “Further, following that fashion in modern economics, a whole generation of rational choice political analysts and of experts in so-called ‘law and

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geblich beeinflussten Marquis de Condorcet,33 ferner unter Verweis auf Kenneth Arrow34 und wiederum unter Berufung auf Adam Smith selbst mutatis mutandis für eine Social Choice Theory.35 Gerade Smiths Verständnis der Sympathie eröffnet die Möglichkeit des Altruismus.36 Sie ist mit eigennützigem Verhalten ebenso vereinbar wie mit der Selbstliebe, die Smith gleichfalls zugrundelegt.37 Gewiss birgt Altruismus, wenn man sich seiner Ernsthaftigkeit nicht hinreichend vergewissert, die Gefahr, dass andere unter diesem Vorwand just für diejenigen Zwecke eingespannt werden, die dem vorgeblichen Altruisten nützlich erscheinen.38 Dieser Vorhalt ruft die Unerlässlichkeit der Tugend der Gerechtigkeit in Erinnerung, die Smith in seiner Theorie der ethischen Gefühle allenthalben betont. Unter dieser Bedingung kann dann auch der unter dem Deckmantel des Altruismus auftretende Eigennutz kollektiv heilsame Effekte hervorbringen, wie weiter unten noch im Zusammenhang mit Smiths ‚unsichtbarer Hand‘ gezeigt wird. Gerade weil die Verfolgung der Gerechtigkeit nach Smith zugleich das Wohlergehen der gesamten Gesellschaft fördert,39 schließt der Umstand, dass vorderhand altruistisches Verhalten nicht selten dadurch geprägt ist, dass der Handelnde sich eben diesen Zweck auch scheinbar selbstsüchtig zu eigen machen kann,40 die vernunftmäßige Verfolgung von Verhaltensregeln im Interesse der Allgemeinheit nicht aus.41

_____ economics’ have been cheerfully practicing the same narrow art. And they have been citing Smith in alleged support of their cramped and simplistic theory of human rationality”. 33 Sen (2009 a) S. xvi: “the founder of the mathematical discipline of social choice theory who was greatly influenced by Smith”. Dazu auch Hayek (2004 b) GS B 2, S. 111 f. mit Fußnote 6. 34 Arrow (1951). 35 Sen (1970). 36 Nagel (1970). Wichtig auch Nida-Rümelin (2011) S. 45 f. 37 Sen (1977) 317; ders. (1982) S. 7 f.; ders. (2010) S. 215. 38 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 58. 39 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 326 (TMS IV.2.9). 40 In diese Richtung geht der Einwand von Peter/Schmid (2005) S. 1. 41 Sen (2007); ders. (2010) S. 219.

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II. Anthropologische Grundannahme

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II. Anthropologische Grundannahme II. Anthropologische Grundannahme Die Verbindungslinie zwischen der Moralphilosophie, Nationalökonomie und Rechtstheorie lässt sich bei Smith nur nachzeichnen, wenn man sich seine anthropologischen Grundannahmen und sein empirisches Vorgehen vergegenwärtigt.42 Seine Theorie der ethischen Gefühle gründet auf denselben Prämissen und Axiomen, die später den epochalen Erfolg des Wohlstand der Nationen ausmachen sollten und ihn auch als Rechtstheoretiker von Rang ausweisen.

1. Der Basissatz der Moralphilosophie Schon der berühmte erste Satz der Theorie der ethischen Gefühle veranschaulicht die anthropologische Grundannahme:43 „Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen, und die ihm selbst die Glückseligkeit dieser anderen zum Bedürfnis machen, obgleich er keinen anderen Vorteil daraus zieht, als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein.“44 Bereits diese berühmte Sentenz macht deutlich, dass Smith weder ein rigider Utilitarist ist noch gleichgültig gegenüber dem Schicksal Anderer argumentiert.45 Wir werden sehen, dass dies auch für seine nationalökonomischen Arbeiten gilt. Auch der vielzitierte Satz des Wohlstands der Nationen,46 wonach wir unser Essen nicht vom Wohlwollen und der Menschenfreundlichkeit des Metzgers, Bierbrauers oder Bäckers erwarten, sondern von der Wahrnehmung ihrer eigenen Interessen, also ihrer Selbstlie-

_____ 42 Brühlmeier (1988) S. 41, hebt zutreffend die „Unumgänglichkeit des Rechts“ im Rahmen der von ihm sogenannten anthropologischen Grundvoraussetzungen hervor. 43 Zu ihm, wenngleich in anderer Übersetzung, und seiner wegweisenden Ausrichtung näher Otteson (2005) S. 15, 21 mit Fußnote 15. 44 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 1 (TMS I.i.1.1: “How selfish soever man may be supposed, there are evidently some principles in his nature, which interest him in the fortune of others, and render their happiness necessary to him, though he derives nothing from it except the pleasure of seeing it”). 45 Mathis (2009) S. 110. 46 Brühlmeier (1988) S. 159, spricht treffend von der „wohl meistzitierten (und damit aus dem Zusammenhang gerissenen) Passage Smiths“.

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

be,47 besagt bei Licht nichts anderes, weil es dabei in erster Linie um die Bestimmung des Beweggrundes zum Tausch geht und nicht so sehr um dasjenige, was Tauschgeschäfte langfristig stabilisiert.48 Hayek kommentiert die berühmte Stelle wie folgt: „In der Großen Gesellschaft haben die einzelnen Mitglieder Vorteile von den Anstrengungen der anderen, nicht nur trotz, sondern oft sogar wegen der Unterschiedlichkeit ihrer jeweiligen Ziele“.49 Amartya Sen hat in einer den notwendigen Zusammenhang zwischen Smiths Moral- und Wirtschaftstheorie betonenden Interpretation mit Recht zu bedenken gegeben, dass wir „keine wild entschlossenen Altruisten“ (“raving altruists”) zu sein brauchen, um solche Austauschaktionen zu ermöglichen.50 Die Beteuerung des Einzelnen, das Gemeinwohl zu fördern, gewährleistet für sich allein keine Koinzidenz von Eigeninteresse und öffentlichem Wohl; vielmehr ist beides nur dann miteinander vereinbar, wenn der Einzelne das Recht respektiert und die dadurch gesetzten Grenzen einhält.51 Unter dieser Prämisse der strikten Einhaltung des Rechts kann die Freiheit ausgeübt werden und nur unter dieser Bedingung konvergieren Freiheitsentfaltung und Förderung des Gemeinwohls. Es wäre daher zu einseitig, Smith als einen Begründer oder geistigen Vaters des homo oeconomicus zu sehen.52 Insofern ist auch die nach oben bewusst offen gehaltene Formulierung des Eingangssatzes der Moraltheorie von Bedeutung (“how selfish soever man may be supposed”), die selbst den größtmöglichen Eigennutz unter den Vorbehalt stellt, dass ihn das Wohl und Wehe Anderer nicht unberührt lässt. Das aber bedeutet die Einhaltung der von Rechts wegen gezogenen Grenzen. Wenn man die dem Menschen eingestifteten Grundsätze – im englischen Original noch deutlicher als “principles of his nature” bezeichnet –

_____ 47 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 17 (Book I.ii.2, p. 26 pp.: “It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their own interest. We address ourselves, not to their humanity but to their self-love”.) – Ebenso treffend wie süffisant dazu Sen (2009 a) S. xiii, in Anbetracht der Weltwirtschaftskrise: “Even though the Champions of the baker-brewer-butcher reading of Smith, enshrined in many economics books, may be at a complete loss about how to understand the present economic crisis (since people still have excellent reason to seek more trade even now, in the middle of the crisis – only far less opportunity), the devastating consequences of mistrust and the collapse of mutual confidence would not have puzzled Smith”. Hervorhebungen auch dort. 48 Sen (2003) S. 155 f. 49 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 261. 50 Sen (2010) S. 214 (2009 b, S. 186). 51 Mestmäcker (1978) S. 139, 164. 52 Manstetten (2004) S. 233; Aßländer (2007) S. 156; Grampp (1948) S. 315.

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II. Anthropologische Grundannahme

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beachtet, so wird klar, dass es sich um unhintergehbare anthropologische Grundannahmen handelt, die dem Menschen als Menschen zukommen.

a) Sympathie Wir können nur annäherungsweise über die Befindlichkeiten des Anderen urteilen, wenn wir uns, soweit dies überhaupt möglich ist, in ihn hineinversetzen: „Mag auch unser eigener Bruder auf der Folterbank liegen – solange wir uns selbst wohl befinden, werden uns unsere Sinne niemals sagen, was er leidet.“53 Smith vermeidet bewusst die Begriffe Mitleid bzw. Erbarmen – womöglich auch, um keine christliche Konnotation nahezulegen –, sondern spricht tendenziell nüchterner, wenn auch gleichbedeutend von Sympathie:54 „Das Wort ‚Sympathie‘ kann dagegen, obgleich seine Bedeutung vielleicht ursprünglich die gleiche war, jetzt doch ohne Verstoß gegen den Sprachgebrauch dazu verwendet werden, um unser Mitgefühl mit jeder Art von Affekten zu bezeichnen.“55 Die Sympathie kann freilich unseren Gerechtigkeitssinn trüben, wenn etwa Mitmenschen von einem anscheinend Gewalttätigen bedrängt werden, ohne dass wir die Gründe kennen oder auch nur wissen, ob von ihm wirklich Gefahr ausgeht:56 „Darum sympathisieren wir mit ihrer Furcht und ihrem Vergeltungsgefühl und sind sofort bereit, gegen den Mann Partei zu ergreifen, von dessen Seite eine so große Gefahr zu drohen scheint.“57 Hier begegnet erstmals das später noch so wichtige Vergeltungsgefühl, das hier und im übrigen Werk keine utilitaristische Prägung hat.58 Allerdings ist zugleich signifikant, wie sehr der Schein trügen kann („zu drohen scheint“) und sich diese moralische Empfindung mithin als nicht hinreichend verlässlich erweisen kann. Das Vergeltungsgefühl ist denn auch „ein unange-

_____ 53 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 2 (TMS I.i.1.2: “Though our brother is upon the rack, as long as we ourselves are at our ease, our senses will never inform us of what he suffers.”). 54 Küng (2010) S. 59, wonach „das Mitleid (…) den Egoismus ausbalanciert“. 55 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 4 (TMS I.i.1.5: “Sympathy, though its meaning was, perhaps, originally the same, may now, however, without much impropriety, be made use of to denote our fellow-feeling with any passion whatever.”); vgl. auch die etymologische Anmerkung von Eckstein (2004) S. 282 zur Ansicht von Appeldoorn (1903) S. 6. 56 Danner (1976) S. 317. 57 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 5 (TMS I.i.1.7: “We readily, therefore, sympathize with their fear or resentment, and are immediately disposed to take part against the man from whom they appear to be in so much danger.”). 58 Eckstein (1926/27) S. 378, 389 („Vergeltungstheorie“); Trapp (1987) S. 47.

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

nehmer Affekt“.59 Die menschliche Natur bringt es indes mit sich, dass sie von den Freunden nichts mehr erwartet, als dass sie gerade mit dem Vergeltungsgefühl im Hinblick auf ihre Feinde sympathisieren: „Die bitteren und schmerzlichen Gemütsbewegungen des Kummers und des Vergeltungsgefühles verlangen dagegen in stärkerem Maße nach dem heilenden Trost der Sympathie.“60

b) Beurteilungsmaßstab Hier zeigt sich beispielhaft, wie Smith seine Theorie entwickelt, indem er scheinbar nur von sich auf andere schließt, in Wahrheit aber Beobachtungen zusammenfasst, welche die Erfahrungen des Beobachters naturgemäß nicht ausnehmen,61 aber den gemeinsamen Nenner im Beweggrund zu ermitteln bestrebt sind: „Jedes Vermögen, das ein Mensch in sich findet, ist der Maßstab, nach welchem er das gleiche Vermögen bei einem anderen beurteilt. Ich beurteile (…) dein Vergeltungsgefühl nach meinem Vergeltungsgefühl.“ 62 Smith verfolgt sonach eine subjektiv-empirische Methode, und zwar faute de mieux: „Ich habe kein anderes Mittel und kann kein anderes Mittel haben, sie zu beurteilen.“63 Hierin liegt nur scheinbar das Eingeständnis limitierter Urteilskraft, vor allem aber die Einsicht der notwendigen Grenzen des Menschenmöglichen. Es scheint darin bereits etwas auf, das Nietzsche später im Hinblick auf die Gerechtigkeit als „Winkel-Perspektive“ bezeichnen wird,64 weil der Blickwinkel, die Perspektive, auch unser Urteil über Recht und Unrecht bestimmt, wie auch Smith sich der eingeschränkten Verallgemeinerbarkeit moralischer Empfindungen nur zu bewusst ist: „Mein Gefährte wird nicht schon von Natur aus das Unglück, das mich betroffen hat, oder das Unrecht, das mir zugefügt worden ist, von dem gleichen Gesichtspunkt aus sehen, von

_____ 59 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 12 (TMS I.i.2.5: “a disagreeable passion”). 60 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 13 (TMS I.i.2.5: “The bitter and painful emotions of grief and resentment more strongly require the healing consolation of sympathy.”). 61 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 170 (TMS III.1.6). 62 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 19 (TMS I.i.3.10: “Every faculty in one man is the measure by which he judges of the like faculty in another. I judge (…) of your resentment by my resentment.”). 63 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 19 (TMS I.i.3.10: “I neither have, nor can have, any other way of judging about them.”). 64 Nietzsche (1884–1885) KSA Band 11, 40 [65] S. 663 f.; dazu Petersen (2008 b) S. 227 ff.

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II. Anthropologische Grundannahme

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dem ich es betrachte.“65 Indem Smith seinen Maßstab offenlegt, reinigt er zugleich die damit gewonnenen Ergebnisse, weil er sich von vornherein nicht den Anschein der unmöglich zu erlangenden objektiven Erkenntnis gibt. Dieses Vorgehen wird uns im Rahmen seiner wirtschaftswissenschaftlichen Theorie erneut begegnen. Daher ist es wichtig, bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass die Verfahrensweise notwendigerweise rechtsphilosophische Implikationen mit sich bringt, die gerade in der Nationalökonomie rechtstheoretische Folgerungen nach sich ziehen.

2. Das „gerechte Gefühl“ des unparteiischen Zuschauers Der damit gesetzte Maßstab wird jedoch noch durch das Hinzutreten einer Instanz veredelt, die Adam Smiths Moraltheorie zu einer genialen Schöpfung erhebt, die, wie bereits gesehen, keinen geringeren als Immanuel Kant beeinflusste. Die Person des unparteiischen Zuschauers führt Smith wohl nicht von ungefähr im Zusammenhang mit dem Vergeltungsgefühl ein, weil es das Problem der Gerechtigkeit zuinnerst betrifft:66 „Aber wir bewundern jenes edle und vornehme Vergeltungsgefühl, welches sich in der Verfolgung der größten Beleidigungen nicht durch die Wut lenken lässt, die sie in der Brust des Angegriffenen zu erregen pflegen, sondern durch den Unwillen, wie sie ihn naturgemäß im Herzen des unparteiischen Zuschauers hervorrufen; jenes Vergeltungsgefühl, das sich kein Wort, keine Geste entschlüpfen lässt, die über jenes Maß hinausgingen, welches dieses gerechtere Gefühl des unbeteiligten Zuschauers vorschreiben würde; welches niemals – nicht einmal in Gedanken – eine größere Rache anstrebt, noch eine strengere Bestrafung zu verhängen wünscht, als sie jede unbeteiligte Person gern vollstreckt sehen würde.“67

_____ 65 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 22 (TMS I.i.4.5: “My companion does not naturally look upon the misfortune that has befallen me, or the injury that has been done me, from the same point of view in which I consider them.”). 66 Raphael (1975) 83 ff. Siehe aber auch Mestmäcker (2007) S. 23 f.: “The spectator, organising the society as a hypothetical legislator, is in direct conflict with Adam Smith’s legal and economic theory”. 67 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 28 (TMS I.i.5.4: “But we admire that noble and generous resentment which governs its pursuit of the greatest injuries, not by the rage which they are apt to excite in the breast of the sufferer, but by the indignation which they naturally call forth in that of the impartial spectator; which allows no word, no gesture, to escape it beyond what this more equitable sentiment would dictate; which never, even in thought,

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

Hieran erkennt man zum Einen, dass Smiths Vorstellung der Strafbegründung aufs engste zusammenhängt mit seiner Theorie des unparteiischen Zuschauers, womit diese zugleich rechtstheoretisch bedeutsam ist.68 Dieser personifizierte Maßstab erinnert zudem an John Henry Newmans Bild des Gentleman, das er in seiner ‚Idee der Universität‘ entwirft69 und das im Übrigen ebenfalls eine Entsprechung bei Nietzsche findet.70 Ebenso wie bei Nietzsche begegnet bei Smith der Gedanke, wie aus einem vorderhand schlechten sozialen Affekt etwas Gutes gedeihen kann. Davon abgesehen hat Albert Hirschman in seinem Werk über die Leidenschaften und Interessen diesen Zusammenhang so grundlegend geistesgeschichtlich ausgearbeitet, dass darauf verwiesen werden kann.

a) Veredelung des Vergeltungsgefühls Am Beispiel des Vergeltungsgefühls erweist sich, wie ein vorderhand unsoziales Gefühl segensreiche Wirkung entfalten kann: „Wir sollten eher darum Vergeltungsgefühl empfinden, weil wir uns dessen bewusst sind, dass es sittlich richtig wäre, es zu empfinden, und dass jedermann von uns erwartet und fordert, als weil wir wirklich in uns die Furien jenes unangenehmen Affekts fühlen.“71 Es ist aber nicht nur die rechtssoziologisch interessante gesellschaftliche Rollenerwartung, um die es Smith zu tun ist, sondern wiederum die Instanz des unparteiischen Beobachters: „Es gibt keinen unter den Affekten, deren das menschliche Gemüt fähig ist, über deren Berechtigung wir so sehr zweifeln sollten, über dessen Befriedigung wir so sorgsam unser natürliches Gefühl für das sittlich Richtige befragen und so genau überlegen sollten, welches wohl die Empfindungen des kühlen und unparteiischen Zuschauers sein

_____ attempts any greater vengeance, nor desires to inflict any greater punishment, than what every indifferent person would rejoice to see executed.”); Hervorhebung nur hier. 68 Haakonssen (1981) S. 120: “Smith’s theory of punishment is part of his spectator theory of law and as such it naturally relates only to those laws which have a spectator basis, namely laws of justice”. 69 Newman (2004) S. 179; zu dieser materialen Ethik Scherer (2003) S. 52. 70 Petersen (2008 b) S. 24 m. w. N. Zum Folgenden, allerdings ohne Nietzsche zu nennen, Hirschman (1987). 71 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 51 (TMS I.ii.3.8: “We should resent more from a sense of the propriety of resentment, from a sense that mankind expect and require it of us, than because we feel in ourselves the furies of that disagreeable passion.”).

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II. Anthropologische Grundannahme

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würden.“72 Dieser Imperativ ist indes seinerseits zumindest rechtssoziologisch motiviert, wie überhaupt bereits weiter oben zu bedenken gegeben wurde, dass die Rechtssoziologie Smith wesentliche Einsichten verdankt:73 „Ehrgefühl oder die Absicht, unseren Rang und unsere Würde in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten, sind der einzige Beweggrund, der die Äußerung dieses unangenehmen Affekts adeln kann. Dieser Beweggrund muss die ganze Art und Weise unseres Betragens charakterisieren.“ 74 Es ist jedoch nichts Schlechtes daran, sofern das rechte Maß gewahrt wird, sondern dient im Gegenteil der Herstellung der Gerechtigkeit: „Lob zu begehren, wo es uns wirklich gebührt, heißt nicht mehr zu verlangen, als dass ein äußerst wesentlicher Akt der Gerechtigkeit uns erwiesen wird.“75 All dies geschehe daher „ohne Rechthaberei“, dann gilt: „Wird das Vergeltungsgefühl in dieser Weise bewacht und beschränkt, dann kann man es als edel und vornehm anerkennen.“76

b) Anwendung auf den Wohlstand der Nationen Dieser Gedanke der Veredelung der an sich unsozial anmutenden Affekte enthält eine wichtige Einsicht, die beim Wohlstand der Nationen erneut begegnen wird. Dort wird im Zusammenhang mit dem Wirken der unsichtbaren Hand diskutiert, wie aus etwas vordergründig Niedrigem, dem Eigennutz, etwas für die Gesellschaft Nützliches entstehen kann. Der soeben veranschaulichte Gedankengang der Moraltheorie belegt, dass die positiven Effekte nicht einfach die niederen Affekte ex eventu legitimieren, wie zur Selbstrechtfertigung oft und gerne nahegelegt wird. Vielmehr tritt der heilsame Erfolg nach Adam

_____ 72 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 51 (TMS I.ii.3.8: “There is no passion, of which the human mind is capable, concerning whose justness we ought to be so doubtful, concerning whose indulgence we ought so carefully to consult our natural sense of propriety, or so diligently to consider what will be the sentiments of the cool and impartial spectator.”). 73 Dazu oben im Zusammenhang mit dem Verhältnis von Gerechtigkeit und Gesellschaft. 74 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 51 (TMS I.ii.3.8: “Magnanimity, or a regard to maintain our own rank and dignity in society, is the only motive which can ennoble the expressions of this disagreeable passion. This motive must characterize our whole stile and deportment.”). 75 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 177 (TMS III.2.8: “To desire it where it is really due, is to desire no more than that a most essential act of justice should be done to us.”); Hervorhebung nur hier; die Wendung „Akt der Gerechtigkeit“ begegnet erneut auf S. 186 (TMS III.2.17: “to do justice”). 76 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 51 (TMS I.ii.3.8: “When resentment is guarded and qualified in this manner, it may be admitted to be even generous and noble.”).

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Smith nur dann ein, wenn das negative moralische Gefühl – hier das Vergeltungsgefühl, dort der Eigennutz – „bewacht und beschränkt“ wird. Die Genese der Wirtschaftstheorie des Adam Smith aus seiner Moraltheorie belegt mithin,77 dass die vorgeblich ungehemmte Freiheit weder Mittel noch Ziel sein kann, sondern Freiheit nur unter der Voraussetzung der Bindung, also unter dem Gesetz, bestehen kann. Diese Bindung besteht in ihrer extremsten und darum von Smith immer wieder herangezogenen Erscheinungsform in der unerlässlichen Anwendung staatlicher Strafen, deren Begründung hier weniger interessiert als ihre Verwendung in der Argumentation durch Smith, wenn er etwa die von ihm so genannte „Ökonomie der Natur“ folgendermaßen kennzeichnet: „Obwohl also der Mensch von Natur aus mit dem Verlangen nach Wohlfahrt und Erhaltung der Gesellschaft begabt ist, hat es doch der Schöpfer der Natur nicht erst seiner Vernunft überlassen, die Entdeckung zu machen, dass eine gewisse Anwendung von Strafen das angemessene Mittel ist, diesen Zweck zu erreichen, sondern hat ihn mit einem unmittelbaren und instinktartigen Gefühl der Billigung für diejenige Strafanwendung begabt, die am meisten angemessen ist, um diesen Zweck zu erreichen.“78 Zu den anthropologischen Gegebenheiten gehört demnach ein von Natur aus vorhandenes Gerechtigkeitsgefühl, das dem Menschen die rechte innere Mitte in der – sei es auch strafenden – Beurteilung der Anderen zuweist.

c) Impartial spectator Der unparteiische Zuschauer ist die unausgesprochene Instanz, die darüber urteilt, welche Mittel angemessen sind, um die Freiheitssphären der Menschen voneinander vernünftig zu unterscheiden. Er ist – mit den schönen Worten Smiths – „der große Richter und Schiedsherr über unser Verhalten“.79 Kraft seiner Unparteilichkeit ist er gerecht: „Wir bemühen uns, unser Verhal-

_____ 77 Küng (2010) S. 57 f. 78 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 113 (TMS II.i.5.10: “Though man, therefore, be naturally endowed with a desire of the welfare and preservation of society, yet the Author of nature has not entrusted it to his reason to find out that a certain application of punishment is the proper means of attaining this end; but has endowed him with an immediate and instinctive approbation of that very application which is the most proper to attain it.”). 79 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 385 (TMS VI.ii.1.22: “the great judge and arbiter of our conduct.”). Zur Vermeidung von Missverständnissen Sen (2010) S. 158: „Mit seiner Denkfigur des unparteiischen Zuschauers beabsichtig Smith natürlich nicht, die Entscheidung dem endgültigen Schiedsspruch einer interesselosen unbeteiligten Person zu überlassen“.

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ten so zu prüfen, wie es unserer Ansicht nach irgendein anderer gerechter und unparteiischer Zuschauer prüfen würde.“80 An anderer Stelle erscheint er schlechterdings als der ‚gerechte Richter‘:81 „Wenn wir uns erst in seine Lage versetzen und wir dann immer noch an allen Affekten und Beweggründen, die unser Verhalten bestimmten, durchaus inneren Anteil nehmen, dann billigen wir dieses Verhalten aus Sympathie mit der Billigung dieses gerechten Richters, den wir in Gedanken aufgestellt haben.“82 Auch wenn hier anscheinend ein Ideal entworfen wird – Smith spricht auch von dem ‚abstrakten und idealen Zuschauer unserer Gefühle‘83 –, bedeutet dies keine Abkehr vom empirischen Vorgehen.84 Im Schrifttum ist zu bedenken gegeben worden, dass ein Zuschauer nicht als solcher schlicht und einfach unparteiisch sein kann, sondern immer nur im Hinblick auf jemanden oder etwas Bestimmtes.85 Dabei erweist sich Smith mitnichten als egozentrisch,86 da er die moralischen Gefühle methodologisch vor allem dadurch erschließt,87 dass er sich in den Anderen als Anderen hineinversetzt und die Ergebnisse als unparteiischer Zuschauer (impartial spectator) wiedergibt88. Es geht nicht zuletzt um eine Erweiterung des eigenen ethisch relevanten Radius‘.89 In den Lectures on Jurisprudence tritt an die Stelle des unparteiischen Zuschauers an einer Stelle der unparteiische Leser: „Der Wahnsinn und die Grausamkeit der römischen Kaiser lässt den unparteiischen Leser mit den Verschwörungen sympathisieren, die gegen sie geschmie-

_____ 80 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 167 (TMS III.1.2: “We endeavour to examine our own conduct as we imagine any other fair and impartial spectator would examine it.”). 81 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 387 (TMS VI.ii.2.2: ‘equitable judge’). 82 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 167 (TMS III.1.2: “If, upon placing ourselves in his situation, we thoroughly enter into all the passions and motives which influenced it, we approve of it, by sympathy with the approbation of this supposed equitable judge.”). 83 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 230 (TMS III.3.38: ‘the abstract and ideal spectator of our sentiments and conduct’). 84 Lohmann (2005) S. 88, 89. Siehe auch Bittermann (1940) S. 487; 703. 85 Haakonssen (1981) S. 116. 86 Zu Recht bemerkt Recktenwald (2003) S. XLI: „Es handelt sich dabei um einen geläuterten, einen aufgeklärten und einen sozialen und rechtlichen Regeln unterworfenen Egoismus.“ (Hervorhebungen auch dort). 87 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 170 (TMS III.1.6). Zur Genesis moralischer Normen bei Adam Smith Fricke (2005) S. 33. 88 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 24 ff. und öfter (TMS I.i.4.7 pp.). 89 Näher Blackburn (1998).

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det wurden.“90 Auch hier ist die Verbindung der unparteiischen Instanz mit dem moralischen Gefühl der Sympathie die unverkennbare Schöpfung Adam Smiths.

d) Der unparteiische Zuschauer im Spiegel der Forschung Über den unparteiischen Zuschauer ist so viel geschrieben worden, dass hier nur stichwortartig wiedergegeben werden kann, worauf sich die Forschung in den letzten Jahren hauptsächlich konzentriert hat. Über den maßgeblichen Einfluss dieser Figur auf die Moralphilosophie Kants wurde bereits berichtet. Griswold erklärt den unparteiischen Zuschauer philosophiegeschichtlich einleuchtend: „Der unparteiische Zuschauer erscheint als ein Philosoph im Sinne des Begriffs des 18. Jahrhunderts – oder zumindest als ein paradigmatisch tugendhafter Akteur, der Smiths ökonomische und moralische Schriften verstanden hat.“91

aa) “Impartial jurist” Zugleich führt dieses systematische Vorgehen Smith zu einer sehr realistischen Wahrnehmung der Interessen des Anderen,92 die dann seinem nationalökonomischen Hauptwerk zugute kam, aber nichtsdestoweniger von führenden Nationalökonomen mitunter auch kritisiert wurde.93 Entsprechendes gilt für den in beiden Werken zentralen Begriff des unparteiischen Zuschauers (impartial spectator), von dem aus Gavin Kennedy jüngst in einer wichtigen Studie den “impartial jurist” zur Diskussion gestellt hat.94 Er hat dort ausgehend von der Tatsache, dass Smiths verstreute Arbeiten über die Jurisprudenz vergleichsweise unbekannt und daher weniger missverstanden wurden, hervorgehoben, dass man gerade in den Vorlesungsmitschriften seine authentische Stimme, Smith also gewissermaßen sprechen hören könne. Der ‘impartial jurist’ ist also gleichsam die aufs Juridische angewendete Instanz dessen,

_____ 90 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 92 (LJ(B) p. 94: “The folly and cruelty of the Roman emperors make the impartial reader go along with the conspiracies formed against them.”). 91 Griswold (2005) S. 153. Siehe dazu auch Garrett (2005) S. 160, Brown (2005) S. 190 und Abramson (2005) S. 214. 92 Stein (1979 a) S. 621, 638. 93 Etwa von Schumpeter (1950); siehe zu Adam Smith auch dens. (1954) S. 310. 94 Kennedy (2005) S. 72 ff.; ders. (2008).

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was Smith in der Moraltheorie und den rechtsrelevanten Stellen des Wohlstands der Nationen unter maßgeblicher Berücksichtigung der Lectures on Jurisprudence zugrunde gelegt hat. Man mag es mit Fug so nennen, doch folgt daraus nicht mehr – insbesondere kein neues, eigenständiges Beurteilungskriterium – als die Zusammenschau dessen, was hier als Rechtstheorie bezeichnet wird. Letztlich sind die ‘impartial jurists’, wie Kennedy selbst pluralisch überschreibt, bei ihm auch eher Ordnungsgesichtspunkte als eigenständige Kategorien.

bb) Sens Wiederbelebung des unparteiischen Zuschauers Amartya Sen hat die Figur des unparteiischen Zuschauers jüngst für die Rechtsphilosophie in einer Weise wiederbelebt, wie sie wohl seit Kant nicht mehr zum zentralen Baustein einer Theorie der Moral gemacht worden ist. Indem die eigene Position im Sinne öffentlicher Diskussion beständig in Frage gestellt und auf ihre Plausibilität kritisch überprüft wird,95 kann sie der Gefahr einer gewissen Provinzialität im Hinblick auf die für maßgeblich gehaltenen Werte entrinnen.96 Zugleich klärt die Figur über das Bestehen moralischer Verpflichtungen auf.97 Die systematische Vielfaltsicherung moralischer Standpunkte von nah und fern könne im Wege eines solchen offenen und vernunftgeleiteten Verfahrens nach Art eines universalistischen Ansatzes über das örtlich begrenzte Gemeinwesen hinaus gewährleistet werden.98 Für dieses Argument spricht eine rechtstheoretisch interessante, von Sen soweit ersichtlich nicht berücksichtigte, Beobachtung Smiths: „Der parteiische Zuschauer ist zur Hand, der unparteiische in weiter Ferne. Darum werden im Krieg und in politischen Verhandlungen die Gesetze der Gerechtigkeit sehr selten beobachtet.“99 Hier ist eine Fernwirkung des unparteiischen Zuschauers mitbedacht, die uns am Ende der vorliegenden Untersuchung wiederbegegnen wird. Der vorgestellte unparteiische Zuschauer in uns selbst schafft somit eine heilsame Distanz zu uns selbst und verringert so „den Einfluss erworbener

_____ 95 Sen (2010) S. 162. 96 Sen (2010) S. 72, 431. 97 Sen (2010) S. 235. 98 Sen (2010) S. 11 Fußnote 2, 73, 152 f., 157, 165, 171, 197, 431. 99 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 231 (TMS III.3.42: “The partial spectator is at hand: the impartial one at a great distance. In war and negotiation, therefore, the laws of justice are very seldom observed.”).

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Anrechte“.100 Einer die eigenen kulturellen Vorstellungen hermetisch einengenden Sichtweise fehle die nötige Weltoffenheit, selbst wenn sie, wie Sen sagt, „den intellektuellen Glanz des klassischen Athens besitzt“.101 Gerade die damit einhergehende Offenheit der Perspektive könnte – so seine Hoffnung – den Anforderungen der Moralphilosophie in der modernen Welt gerecht werden.102 Zugleich betont Sen mit Recht ein Anliegen Smiths, das rechtstheoretisch von größter Bedeutung ist, wenn er das Entrinnen aus einer provinziellen Engstirnigkeit zum Geltungsgrund seiner zentralen Annahmen macht: „Smith lag besonders daran, die Jurisprudenz sowie moralische und politische Argumentation vor dem Zugriff des Provinzialismus zu schützen.“103

cc) Bewertung und werkimmanente Zusammenschau Die drohende Verengung des Winkels juristischer Weltanschauung entspricht auf diese Weise dem Desiderat einer Vergrößerung der rechtsrelevanten Perspektive. Nicht zuletzt darin liegt Smiths rechtstheoretisches Verdienst.104 Sens Plädoyer für den unparteiischen Zuschauer ist daher ebenso bedeutsam wie auffällig, weil es bereits phänotypisch den in der Einleitung referierten Befund bestätigt, dass sich Adam Smiths Rechts- und Wirtschaftstheorie nur aus seiner Moraltheorie adäquat erklären lässt. Denn es müsste die Vertreter der Gegenansicht zumindest wundern, dass der Wirtschaftsnobelpreisträger Sen Adam Smith zunächst und grundlegend für alles Folgende als Moralphilosophen zu Wort kommen lässt105 und vergleichsweise weniger als Begründer der Nationalökonomie,106 ja sogar diese nur aus der Moraltheorie begreiflich werden lässt.107 Neben diesem eher formalen und daher wenig aussagekräftigen Gesichtspunkt enthält Sens Argumentation aber noch eine wichtige rechtstheoretische Konsequenz: Wenn der unparteiische Beobachter eine Öffnung des eigenen Rechtsdenkens in die Welt hinein mit sich bringt, sei es danach wenigstens prinzipiell möglich und nicht a limine ausgeschlos-

_____ 100 Sen (2010) S. 432 (2009 b, S. 404: “influence of vested interests”). 101 Sen (2010) S. 303, unter Berufung auf Nozick (1989). 102 Sen (2010) S. 180, 190. 103 Sen (2010) S. 431 (2009 b, S. 404: “Smith was particularly concerned about avoiding the grip of parochialism in jurisprudence and moral and political reasoning”). 104 Denis (1999) S. 71, spricht in seinem englischsprachigen Artikel von „Smith’s Weltanschauung“; Hervorhebung auch dort. 105 Neben den bereits zitierten Stellen Sen (2010) S. 8, 11, 37, 47, 78, 98. 106 Sen (2010) S. 204, 212 f. 107 Sen (2010) S. 213.

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sen, auch die Argumente und Anschauungen anderer Rechtsordnungen in die eigene Entscheidungspraxis einfließen zu lassen.108

e) Der unparteiische Geschworene in den Lectures on Jurisprudence Der unparteiische Beobachter richtet also mit einer gewissen Distanz. Es ist im bisherigen Schrifttum wohl noch nicht gesehen worden, dass er in einer rechtstheoretisch interessanten Beziehung zu einer Figur des angloamerikanischen Rechtslebens steht, die noch einen weiteren Aspekt eröffnet, der sich aus der Zusammenschau der Moraltheorie Smiths mit den Lectures on Jurisprudence ergibt.109 Dort misst Smith die Rechtmäßigkeit vielfach am Maßstab dessen, was ein unparteiischer Beobachter für gerecht und beifallwürdig erachten, das heißt daran, wie viel Sympathie er dem entgegenbringen würde.110 Wenn der unparteiische Zuschauer letztlich Richter, also urteilende Instanz, im Bereich des Moralischen ist, liegt es für die rechtstheoretische Bewertung nahe, ihn mit dem Richter in der Rechtswelt zu vergleichen, dessen Markenzeichen idealiter die Unparteilichkeit als Garantin der Gerechtigkeit ist.

aa) Informationsvorsprung durch Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten Interessant ist vor diesem Hintergrund eine Bemerkung in den Lectures on Jurisprudence zu den englischen Geschworenengerichten, die Smith favorisiert: „Das Recht Englands, schon immer ein Freund der Freiheit, verdient für nichts höheres Lob als die sorgfältige Auswahl von unparteiischen Geschworenen. (...) Nichts kann Leben, Freiheit und Eigentum besser sichern als diese Einrichtung. Die Richter sind integre Männer, ganz unabhängig, auf Lebenszeit eingesetzt, aber an das Recht gebunden. Die Geschworenen sind Eure

_____ 108 Sen (2010) S. 433 f., nennt als Beispiel die Diskussion um die Todesstrafe und wendet sich gegen das letztlich die demokratische Legitimation betreffende Argument einiger Richter des Supreme Court, namentlich Antonio Scalia und vor allem Chief Justice John G. Roberts, wonach ein amerikanischer Richter keine Anschauungen beispielsweise deutscher Richter zu Rate ziehen dürfe, die kein vom amerikanischen Volk gewählter Präsident ernannt habe. 109 Raphael (1972/73) S. 87, 98: “But the Lectures on Jurisprudence show that Smith used his theory of sympathy and the impartial spectator to account also for the origins of the civil law property.”. 110 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 131 f. (LJ(A) i. 84 pp; LJ(B) p. 154 pp.).

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Nachbarn und urteilen über eine Tat, von der Euer Leben abhängt.“111 Die Nähe zwischen unparteiischem Zuschauer und unparteiischen Geschworenen ist augenfällig.112 Dass Smith das Geschworenensystem gerade unter diesem Gesichtspunkt – nämlich unter Betonung des Unparteilichen – befürwortet und kennzeichnet, darf als bezeichnend gelten. Wenn er zudem betont, dass es die „Nachbarn“ sind, die urteilen, so verdient dies aus zwei Gründen Beachtung. Zunächst ist es unter dem Gesichtspunkt der Vielfaltsicherung von nah und fern aufschlussreich, den Sen betont; hier ist es die Beurteilung der Tat und des Täters aus der räumlichen Nähe der Nachbarschaft. Zudem spielt der Faktor der Nähe noch eine weitere Rolle, die Smith selbst so begründet: „Wer (sc. zum unparteiischen Geschworenen) gewählt wird, muss aus der Nähe des Orts des Verbrechens sein, um damit vertraut zu sein.“113 Hier ist es die eigentümliche Begründung der Nähe, die aufhorchen lässt: die Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten.114 Dieser Gesichtspunkt wird weiter unten bei der rechtstheoretischen Betrachtung des Wohlstands der Nationen noch wiederholt zur Geltung kommen. Denn die Kenntnis der örtlichen Verhältnisse, die Smith auch dort für wesentlich hält, garantiert eine gewisse Effizienz gegenüber staatlichen Eingriffen, weil die Marktteilnehmer selbst besser einschätzen können, welche Nachfrage etwa an ihrem Ort herrscht.115

_____ 111 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 78 (LJ(A) v.37; LJ(B) p. 72 pp.: “The law of England, always the friend of liberty, deserves praise in no instance more than in the carefull provision of impartial juries. (…) Nothing can be a greater security for life, liberty, and property than this institution. The judges are men of integrity, quite independent, holding their offices for life, but are tied down by the law. The jurymen are your neighbours who are to judge of a fact upon which your life depends.”). 112 Brühlmeier (1988) S. 136. 113 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 78 (LJ(A) v.36 pp.; LJ(B) p. 72: “They who are chosen must be near the place where the crime was committed, that they may have an opportunity of being acquainted with it.”). 114 Zu diesem Gesichtspunkt weiterführend Canaris (2010) S. 179, 183. 115 Allerdings hat Sen (2010) S. 434 – gleichfalls unter Berufung auf den unparteiischen Beobachter im Sinne Smiths – auf eine wichtige Einschränkung hingewiesen, die darin besteht, dass die Betonung lokalen Wissens nicht den Blick darauf verschatten darf, welche Informationen sonst noch in der Welt verfügbar sind: „‚Lokales Wissen‘ ist zweifellos wichtig, aber auch globales Wissen hat einen gewissen Wert und kann zu den Auseinandersetzungen über lokale Werte und Verfahren beitragen“.

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III. Gesetze der Gerechtigkeit

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bb) Folgerung Verallgemeinert man dies und führt es zugleich auf einen rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Gesichtspunkt zurück, so ist es letztlich der Aspekt der Information, die hier wie dort zur Geltung kommt: Der unparteiische Geschworene, der den Tatort und den mutmaßlichen Täter kennt, verfügt über einen Informationsvorsprung gegenüber einem Fremden und sei es auch der Richter. Dieser mag das Gesetz genauer kennen, jener weiß um die Gegebenheiten des Ortes. Im Zusammenwirken können sie im Idealfall gleichermaßen effizient wie gerecht entscheiden, wodurch die Freiheit gewährleistet wird. Hieran zeigt sich eine rechtstheoretisch bedeutsame Kohärenz zwischen der Rolle des unparteiischen Bebachters in der Moralphilosophie und dem unparteiischen Geschworenen in den Lectures on Jurisprudence. Wichtig ist, dass beide nicht nur über das ebenfalls vergleichsweise formale und selbstverständliche – wenngleich auffällig betonte – Moment des Unparteiischen verklammert sind, sondern auch über den im Wohlstand der Nationen wiederkehrenden Gerechtigkeitsgesichtspunkt des Informationsvorsprungs. In der Zusammenschau der Werktrias geben sie einen Eindruck von der Kontinuität zwischen Moraltheorie und wirtschaftswissenschaftlichem Hauptwerk, die unter Zuhilfenahme der komplementär zu berücksichtigenden Vorlesungsmitschriften rechtstheoretisch weiterführende Zusammenhänge offenbaren.

III. Gesetze der Gerechtigkeit III. Gesetze der Gerechtigkeit Ausgehend von der Prämisse, dass zu den moralischen Gefühlen die Sympathie gehört,116 welche das egoistische Handeln mit Blick auf den Anderen in Schranken hält, ergeben sich wesentliche rechtsphilosophische Folgerungen. Diese entwickelt Smith in seinen Regeln der Gerechtigkeit, die von den „alten Moralphilosophen“, namentlich Platon, Aristoteles und Cicero, vernachlässigt worden und die zumindest eine Aufzählung und Konkretisierung schuldig geblieben seien.117 Die Sympathie ermöglicht moralische Urteile und erweist sich daher für Smith als das maßgebliche moralische Gefühl,118 das den Ge-

_____ 116 Zum Schlüsselbegriff der Sympathie bei Adam Smith Lohmann (2005) S. 88; Villiez (2005) S. 64 und Solomon (2005) S. 251 in dem von Fricke/Schütt herausgegebenen Band Adam Smith als Moralphilosoph, 2005. 117 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37). 118 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 1 (TMS I.i.1.1) .

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

rechtigkeitssinn ausbildet und schärft.119 Gerechtigkeit in diesem Sinne kann man zusammenfassen als die „obligatorische Befolgung von Grundsätzen des Verhaltens (…), deren Befolgung beim unparteiischen Zuschauer Übelnehmen hervorruft und das Verlangen nach angemessener Strafe“.120 Zu den Regeln der Gerechtigkeit zählt zunächst dasjenige, was der Mensch selbst anerkennt und dementsprechend Anderen aufbürdet. Ihre Einhaltung macht den Menschen in Smith Augen tugendhaft: „Ein Mensch, der in Übereinstimmung mit den Regeln vollkommener Klugheit, strenger Gerechtigkeit und wahrhaften Wohlwollens handelt, mag vollkommen tugendhaft genannt werden.“121

1. Sympathie und Gerechtigkeitssinn Gerade die von Smith betonte Rolle der strengen Gerechtigkeit und ihre Einbeziehung in die anderen Smithschen Kardinaltugenden der Klugheit (‘prudence’) und Wohltätigkeit (‘beneficience’ bzw. ‘benevolence’) zeigt,122 wie sehr ihm die natürliche Gerechtigkeit am Herzen lag und für wie vergleichsweise vordringlich er sie hielt:123 „Wohlwollen und Wohltätigkeit ist darum für das Bestehen der Gesellschaft weniger wesentlich als Gerechtigkeit. Eine Gesellschaft kann ohne Wohltätigkeit weiter bestehen, wenn auch nicht in einem besonders guten und erfreulichen Zustande, das Überhandnehmen der Ungerechtigkeit dagegen müsste sie ganz und gar zerstören.“124 Hier scheint ein gewisser Zusammenhang zwischen Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie auf, indem die Frage der Gerechtigkeit unmittelbar verknüpft wird mit dem Bestand der Gesellschaft als solcher: „Ungerechtigkeit wirkt aber mit Notwendigkeit dahin, die Gesellschaft zu zerstören.“125 Die Gesetze der Gerechtigkeit

_____ 119 Mathis (2009) S. 111. 120 Griswold (2005) S. 128, 136. 121 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 401 (TMS VI.iii.1: “The man who acts according to the rules of perfect prudence, of strict justice and of proper benevolence, may be said to be perfectly virtuous.”). 122 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 360 (TMS VI.). 123 Siehe auch W. F. Campbell (1967) S. 571. 124 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 128 (TMS II.ii.3.3: “Beneficence, therefore, is less essential to the existence of society than justice. Society may subsist, though not in the most comfortable state, without beneficence; but the prevalence of injustice must utterly destroy it.”). 125 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 131 (TMS II.ii.3.6: “Injustice necessarily tends to destroy it.”).

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III. Gesetze der Gerechtigkeit

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müssen demnach zumindest „in erträglichem Maße beobachtet werden, da kein gesellschaftlicher Verkehr zwischen Menschen stattfinden kann, die sich nicht im Allgemeinen enthalten, einander Schaden zuzufügen.“126 Smith sieht somit durchaus die bestehenden Ungerechtigkeiten, die auch den Güteraustausch behindern und die Volkswirtschaft beeinträchtigen können, hält aber nur ein gewisses Maß an Ungerechtigkeit für hinnehmbar. Ein ähnliche Sicht findet sich in einer der vergleichsweise wenigen Arbeiten über die Rechtstheorie Smiths, die vor allem die Lectures on Jurisprudence behandelt, aber gleichfalls ausgehend von der Theory of Moral Sentiments die Rechtstheorie zwischen seiner Moraltheorie und seiner wirtschaftswissenschaftlichen Theorie eingeordnet hat. Der Schlusssatz des zitierten Aufsatzes von Stein macht dies noch einmal deutlich. Danach habe Smith begreiflich gemacht, dass das Recht einer Gesellschaft seinen Sitz zwischen deren Moralität und Wirtschaft habe.127 Diese Interpretation kann für sich in Anspruch nehmen, dass Smith die Kardinaltugend der Gerechtigkeit mitunter zwischen diejenige der Klugheit und der Wohltätigkeit setzt. Die erstere – im Original: prudence – setzt Stein vor allem mit der wirtschaftlichen Klugheit gleich, während die letztere die Moralität bezeichnet: Die Klugheit wird im Wohlstand der Nationen abgehandelt und ist der Sache nach auf Kapitalerwerb ausgerichtet.128 Gerechtigkeit dagegen ist die unerlässliche Grundlage der Gesellschaft.129 Diese Deutung fördert mit ihrer Erklärung der Trias der Tugenden einen wichtigen Gesichtspunkt zutage, klärt aber nicht alle sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen. So wird etwa im Schrifttum unter Berufung auf die Theorie der ethischen Gefühle zu bedenken gegeben,130 dass Smith mit der Klugheit ausschließlich im epikureischen Sinne die auf Selbsterhaltung gerichtete Sorge für sich selbst gemeint habe,131 die nur bedingt – nämlich erst und nur im Zusammenwirken mit höheren Tugenden132 –

_____ 126 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 131 (TMS II.ii.3.6: “tolerably observed, as no social intercourse can take place among men who do not generally abstain from injuring one another”). 127 Stein (1979 a) S. 621, 638: “Smith understood that the law of a society sits, a little uneasily perhaps, between its morality and its economics”. 128 Stein (1979 a) S. 621, 624: “Prudence promotes the calculating behaviour by which a man preserves and increases his fortune. It is therefore the basis of saving and capital formation”. 129 Stein (1979 a) S. 621, 624: “justice is the necessary foundation of civil society”. 130 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 362 (TMS VI. i. 5.). 131 Trapp (1987) S. 108 f. Fußnote 6. 132 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 367 (TMS VI. i. 15.).

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

mit der Klugheit der Staatsmänner zu tun habe, die Smith etwa im Wohlstand der Nationen im Sinne hatte.133 Würde Smith in der Moraltheorie die Klugheit primär ökonomisch verstehen, dann wäre zwar ein vordergründiger Gleichklang mit dem Wohlstand der Nationen erreicht, in Wahrheit aber einer gewissen Eindimensionalität das Wort geredet, die erst noch begründen müsste, warum die Klugheit erst im Zusammenwirken mit ihrem Antipoden, der Wohltätigkeit, unter dem Primat der Gerechtigkeit zum Besten der Gesellschaft wirken sollte.134

2. Gerechtigkeit als höchste Tugend So bleibt die Frage, warum Smith die Gerechtigkeit als höchste Tugend durch das Adjektiv („strenge“) noch akzentuiert.135 Die Lösung findet sich an einer anderen Stelle, in der Smith gleichsam den Lohn des Gerechten darstellt, der nur darauf Anspruch erheben kann, dass auch ihm gegenüber Gerechtigkeit geübt wird: „Der Mann, der bloß schuldlos ist, der in bezug auf die anderen nur die Regeln der Gerechtigkeit beobachtet und sich lediglich enthält, anderen Schaden zuzufügen, der verdient nur, dass seine Nächsten ihrerseits seine Schuldlosigkeit achten, und dass die gleichen Gesetze auch in bezug auf ihn strenge eingehalten werden.“136

a) Kommutative Gerechtigkeit Hier und im Folgenden wird beispielhaft deutlich, wie tief Smith in das Verständnis des Begriffs der Gerechtigkeit eindringt. Ausgehend vom Gerechtigkeitsbegriff der platonischen und aristotelischen Philosophie macht er auf die unterschiedlichen sprachlichen Bedeutungen der Gerechtigkeit aufmerksam und ebnet so, beiläufig gesprochen, einem sprachanalytischen Verständnis

_____ 133 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 509 (Book IV.vii.c.44, p. 606). 134 Vgl. Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 401 (TMS VI.iii.1). 135 Siehe zur Tugendlehre auch Hanley (2009). 136 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 121 f. (TMS II.ii.1.10: “The man who is barely innocent, who only observes the laws of justice with regard to others, and merely abstains from hurting his neighbours, can merit only that his neighbours in their turn should respect his innocence, and that the same laws should be religiously observed with regard to him.”) – Mit Recht erkennt Brühlmeier (1996) S. 20 gerade im Hinblick auf Smiths Rechtstheorie darin eine „wesentliche Errungenschaft, dass Gerechtigkeit eine negative Tugend darstellt, die Schädigungen verhindert, nicht aber positive Leistungen erzwingen will“.

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der Gerechtigkeit den Weg:137 „Es ist bemerkenswert, dass das Wort, welches in der griechischen Sprache Gerechtigkeit bedeutet, mehrere verschiedene Bedeutungen hat; da aber das entsprechende Wort in allen anderen Sprachen, soviel ich weiß, die gleichen Bedeutungen besitzt, so muss zwischen jenen verschiedenen Vorstellungen, die es bezeichnet, irgendeine natürliche Verwandtschaft bestehen.“138 Dieser Gedanke ist seinerseits bemerkenswert, auch wenn womöglich gerade die Rückführung auf das Natürliche diesem Gedanken den Einzug in das rechts- und sprachanalytische Gedankengut verwehrt haben könnte.139 Denn es ist, zumal in seiner Zeit, noch keineswegs selbstverständlich, aus der Zusammenschau der unterschiedlichen sprachlichen Bedeutungen eines Begriffs in verschiedenen Sprachen auf einen Zusammenhang zu schließen, der etwas über diesen Begriff Hinausgehendes aussagt oder zumindest eine universelle Gemeinsamkeit zwischen den unterschiedlichen Sprachformen und Bedeutungen herstellt, noch dazu am Beispiel des vielschichtigen Begriffs der Gerechtigkeit. Diese Vielschichtigkeit fasst Hayek treffend dahingehend zusammen, dass es nicht zuletzt Adam Smith verstand, „wie Institutionen und Moral, Sprache und Recht sich durch einen Prozess kumulativen Wachstums entwickelten und dass die menschliche Vernunft sich nur mit und innerhalb dieses Rahmenwerkes entwickeln und erfolgreich arbeiten kann“.140 Eben darum ist es jedoch Smith im Folgenden zu tun: „In dem einen Sinne sagt man, wir lassen unserem Nächsten ‚Gerechtigkeit widerfahren‘, wenn wir uns dessen enthalten, ihm irgendeine positive Schädigung zuzufügen, und wenn wir ihn nicht direkt, sei es an seiner Person, an seinem Vermögen, oder in seinem guten Ruf verletzen. Das ist jene Gerechtigkeit, von der ich oben gesprochen habe, jene Gerechtigkeit, deren Beobachtung man mit Gewalt erzwingen kann.“141 Gerechtigkeit bedeutet

_____ 137 Sen (2010) S. 37 Fußnote, hat auf die im Text zitierte Stelle hingewiesen, ohne diesen rechtstheoretisch interessanten Zusammenhang weiter zu verfolgen. 138 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 453 (TMS VII.ii.1.10: “The word, it is to be observed, which expresses justice in the Greek language, has several different meanings; and as the correspondent word in all other languages, so far as I know, has the same, there must be some natural affinity among those various significations.”). 139 Brühlmeier (1988) S. 39, hat mit anderer Akzentsetzung als hier sprachliche Entsprechungen als Erklärungsmuster von Smiths Konzeption des Rechts ausgemacht. 140 Weiterführend Hayek (2005) GS B 3, S. 73. 141 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 453 f. unter Berufung auf Aristoteles und Grotius (TMS VII.ii.1.10: “In one sense we are said to do justice to our neighbour when we abstain from doing him any positive harm, and do not directly hurt him, either in his person, or in his

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demnach zunächst: neminem laedere. Es ging Smith – wiederum mit den Worten Hayeks – darum, „dass die schlechten unter ihnen (sc. den Menschen) die geringste Möglichkeit haben sollen, Schaden zu stiften“.142 Smith versteht Gerechtigkeit in erster Linie als kommutative. Zugleich hängt dieses Verständnis aufs engste mit der Erzwingbarkeit und Durchsetzbarkeit des Rechts zusammen.

b) Gerechtigkeit gegenüber den Menschen und Dingen Von diesem gleichsam juridischen Begriffsverständnis ist das eher moralische zu unterscheiden: „In einem anderen Sinne wird das Wort gebraucht, wenn man von uns sagt, dass wir unserem Nächsten nicht Gerechtigkeit widerfahren lassen, sofern wir nicht für ihn alle jene Liebe, jene Achtung und Wertschätzung empfinden, die wir angesichts seines Charakters, seiner Lebenslage, seines Verhältnisses zu uns schicklicher- und angemessenerweise fühlen sollten, und sofern wir nicht diesen Empfindungen gemäß handeln. In diesem Sinne sagt man, dass wir einem verdienstvollen Manne, der in irgend einer Verbindung zu uns steht, Unrecht tun, wenn wir es zwar unterlassen, ihn in irgendeiner Beziehung zu verletzen, uns aber nicht anstrengen, ihm gefällig zu sein und ihn in jene Situation versetzen, in welcher der unparteiische Zuschauer ihn gerne sehen würde.“143 Gerechtigkeit ist insoweit für Smith der Inbegriff aller sozialen Tugenden.144 Denn die Gerechtigkeit ist für Smith conditio sine qua non eines gedeihlichen Zusammenlebens: “Justice (...) is the main pillar that upholds the whole edifice. If it is removed, the great, the immense fabric of human society (…) must in a moment crumble into atoms.”145 Schon dieses von ihm selbst zugrundegelegte Primat der Gerechtigkeit hätte diejenigen aufhorchen lassen müssen, die Adam Smith nur eine am wirt-

_____ estate, or in his reputation. This is that justice which I have treated of above, the observance of which may be extorted by force”). 142 Ähnlich wohl Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 13. 143 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 454 (TMS VII.ii.1.10: “In another sense we are said not to do justice to our neighbour unless we conceive from him all that love, respect, and esteem, which his character, his situation, and his connexion with ourselves, render suitable and proper for us to feel, and unless we act accordingly. It is in this sense that we are said to do injustice to a man of merit who is connected with us, though we abstain from hurting him in every respect, if we do not exert ourselves to serve him and to place him in that situation in which the impartial spectator would be pleased to see him.”). 144 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 455 (TMS VII.ii.1.10 pp.). 145 TMS II.ii.3.4.

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schaftlichen Nutzen orientierte Betrachtungsweise zugetraut haben. Es geht, anders als der vereinfachende Begriff der sozialen Gerechtigkeit insinuieren könnte, nicht um Fragen der möglichen Umverteilung, sondern vielmehr darum, dass einer Person derjenige soziale Geltungs- und Achtungsanspruch versagt bleibt, den sie vom Blickpunkt des unparteiischen Zuschauers, jener idealtypischen Instanz Adam Smiths, aus verdienen würde. Diese Ausprägung der Gerechtigkeit unterscheidet Smith nochmals von der Gerechtigkeit gegenüber den Dingen:146 „Es gibt jedoch noch eine andere Bedeutung, in welcher das Wort Gerechtigkeit manchmal genommen wird, die noch weiter ist als die angeführten, obzwar sie mit der letzteren Bedeutung sehr nahe verwandt ist, und die, soweit mir bekannt ist, ebenfalls sich durch alle Sprachen hindurchzieht.“147 Wiederum ist es also das Prinzip der sprachlichen Universalität, das der Gerechtigkeit eine eigene Bedeutung und Dimension zuweist: „In diesem letzten Sinne sagt man von uns, dass wir ungerecht sind, wenn wir für irgendeinen Gegenstand nicht eine so hohe Achtung hegen und uns nicht mit so großem Eifer um ihn bemühen, wie er es nach der Ansicht des unparteiischen Zuschauers verdienen würde, und obwohl er nach der Ansicht des letzteren die natürliche Eignung hätte, jene Gefühle hervorzurufen.“148 Ob dies wirklich eine eigene Fallgruppe der Gerechtigkeit darstellt oder ob es nicht vielmehr die Erweiterung der zweiten Ausprägung der Gerechtigkeit von den Menschen auf die Dinge ist, wofür der Umstand spricht, das Smith diese Form der Gerechtigkeit etwa Gedichten oder Gemälden angedeihen lassen möchte, braucht nicht entschieden zu werden. Es ist jedenfalls eine eher sublimierte Art der Gerechtigkeit, die hier nicht weiter verfolgt wird. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Kehrseite dieser Form der ‚Gerechtigkeit gegenüber den Dingen‘ in den Lectures on Jurisprudence in Gestalt des Vergeltungsgefühls gegenüber den Dingen vorausgesetzt wird: „Unser Vergeltungsgefühl erstreckt sich natürlicherweise auf unbelebte wie auf belebte Gegenstände, und an vielen Orten wurde das Schwert oder das Werk-

_____ 146 Insoweit besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu Nietzsche (1878) KSA Band 2, I, 636 S. 361 f.; dazu Petersen (2008 b). 147 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 455 (TMS VII.ii.1.10: “There is yet another sense in which the word justice is sometimes taken, still more extensive than either of the former, though very much a-kin to the last; and which runs too, so far as I know, through all languages.”). 148 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 455 (TMS VII.ii.1.10: “It is in this last sense that we are said to be unjust, when we do not seem to value any particular object with that degree of esteem, or to pursue it with that degree of ardour which to the impartial spectator it may appear to deserve or to be naturally fitted for exciting.”).

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zeug, mittels welchem eine Person getötet wurde, als abscheulich betrachtet und deswegen zerstört, vor allem bei den Athenern.“149 Dieser kurze rechtsgeschichtliche und archaisch anmutende Exkurs macht abermals deutlich, dass das Natürliche bei Smith kraft Herkommens mitunter vor dem Vernünftigen rangiert, wenn und weil ein irrationaler Rest des Unbehagens als moralisches Gefühl gegenüber dem inkriminierten Gegenstand unauslöschlich verbleibt.

3. Die „heiligsten Gesetze der Gerechtigkeit“ Während die Aufgabe der Wohltätigkeit vor allem darin besteht, das Gemeinwesen in einer auf Vertrauen gründenden Weise auszugestalten,150 soll die Gerechtigkeit Person, Eigentum, Leben und Besitz des Einzelnen schützen und vertragliche Ansprüche sichern.151

a) Reihenfolge der Schutzgüter Es obliegt nicht nur dem freien Willen des Einzelnen, die Regeln der Gerechtigkeit so einzuhalten, wie dies etwa bei der Wohltätigkeit der Fall ist, die der Einzelne sanktionslos außer Acht lassen kann. Die Reihenfolge der Schutzgüter der Gerechtigkeit folgt ehernen Regeln: „Die heiligsten Gesetze der Gerechtigkeit, diejenigen, deren Verletzung am lautesten nach Ahndung und Bestrafung zu rufen scheint, sind deshalb die Gesetze, welche das Leben und die Person unseres Nächsten schützen; die nächstwichtigen sind diejenigen, die sein Eigentum und seine Besitzungen schützen; und als letzte von allen kommen jene, die seine sogenannten persönlichen Rechte oder die Ansprüche, die ihm aus Versprechungen anderer zustehen, in ihren Schutz nehmen.“152 Letzteres

_____ 149 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 160 (LJ(B) p. 188: “Our resentment naturally falls upon inanimate as well as animate objects, and in many places the sword or instrument that had killed any person was considered as excrable, and accordingly was destroyed, particularly among the Athenians.”); Hervorhebung nur hier. 150 Schernikau (1992) S. 17. 151 Mathis (2009) S. 113. 152 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 125 (TMS II.ii.2.2: “The most sacred laws of justice, therefore, those whose violation seems to call loudest for vengeance and punishment, are the laws which guard the life and person of our neighbour; the next are those which guard his property and possessions; and last of all come those which guard what are called his personal rights, or what is due to him from the promise of others.”).

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begründet er damit, dass sich Verträge nur auf zukünftige Erwartungen richten; ein eigentümlicher Gerechtigkeitsgesichtspunkt, der sich aber etwa mit dem drohenden Insolvenzrisiko des Vertragspartners durchaus auch normativ begründen lässt.153 Die epikureische Gerechtigkeitsvorstellung im Hinblick auf den Eigentumsschutz referiert Smith zwar ausführlich, lehnt sie jedoch als mit seinem eigenen Ansatz unvereinbar ab.154 Sen vermutet, dass Smith an anderer Stelle, wo er Epikur kritisiert,155 „womöglich auch seinen guten Freund David Hume im Sinn hatte, wenn man dessen proto-utilitaristische Neigungen bedenkt“.156 Doch lässt sich dies nicht mit Sicherheit sagen.

b) Religiöser Ursprung der Rechte? Wichtiger noch ist das Attribut, das Smith den Gesetzen der Gerechtigkeit zuerkennt, wenn er sie gleichsam religiösen Ursprungs erscheinen lässt:157 „die heiligsten Gesetze der Gerechtigkeit“. Dass dies nicht nur eine einmalige affirmative Wendung darstellt, offenbart der nächste Gedanke: „Derjenige, der die mit höherer Heiligkeit ausgestatteten Gesetze der Gerechtigkeit verletzt, wird niemals über die Gefühle nachdenken können, die die Menschen ihm gegenüber hegen müssen, ohne dabei alle Qualen der Scham, des Abscheus und der Zerknirschung zu empfinden.“158

aa) Heiligkeit der Gesetze Angesichts solcher Stellen scheint es überraschend, dass die christliche Ethik Adam Smith noch nicht näher gewürdigt hat,159 obwohl er, der wohl

_____ 153 Haakonssen (1981) S. 112, allerdings bezogen auf die Vorlesungsmitschriften: “The spectator theory of contractual rights, however, is both interesting and important, not only because contracts in themselves are of great significance, but also because it is in this connection that Smith puts forward his theory of obligation”. 154 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 495 f. (TMS VII.ii.2.10 pp.). 155 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 499 (TMS VII.ii.2.14 pp.). 156 Sen (2010) S. 422 Fußnote 1. 157 Siehe zu dieser Problematik auch Weber (1922) S. 497; dazu Petersen (2008 a) S. 103 ff. 158 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 125 (TMS II.ii.2.3: “The violator of the more sacred laws of justice can never reflect on the sentiments which mankind must entertain with regard to him, without feeling all the agonies of shame, and horror, and consternation.”). 159 Wichtig aber aus neuerer Zeit Küng (2010) S. 56, 58. Ferner Luterbacher-Maineri (2008) S. 73 ff.; 356 zur Theologie der unsichtbaren Hand.

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zu sehr und zu Unrecht im Verdacht des kalten Materialismus’ steht, nicht selten von „Gottes Weisheit“ spricht.160 Wie dies zu verstehen ist, belegt folgender normative Maßstab, den er in offener Anlehnung an das Neue Testament zum regelrechten Naturgesetz erhebt: „Wie es das erhabene Gesetz des Christentums ist, unseren Nächsten zu lieben, wie wir uns selber lieben, so ist es das erhabene Gebot der Natur, uns selbst nur so zu lieben, wie wir unseren Nächsten lieben, oder was auf das Gleiche herauskommt, wie unser nächster fähig ist, uns zu lieben.“161 Die Einsicht in die beschränkte Fähigkeit zur Nächstenliebe setzt zugleich Maßstab und Grenze der Selbstliebe. Jedoch ist dies stets vor dem Hintergrund der Tatsache zu verstehen, dass Adam Smith einer der Exponenten der Schottischen Aufklärung war und nichts weniger im Sinne hatte, als religiösen Einflüssen Vorschub zu leisten.162

(1) Sklaverei im Spiegel der Lectures on Jurisprudence Charakteristisch für seine mitunter schonungslosen Analysen ist der folgende Befund aus den Lectures on Jurisprudence: „Eine andere Ursache für die Abschaffung der Sklaverei ist der Einfluss der Geistlichkeit, aber keinesfalls der Geist des Christentums, denn unsere Plantagenbesitzer sind alle Christen. Alles, was die Macht der Adeligen über ihre Untergebenen schwächte, stärkte die Macht der Geistlichen.“163 Diese These ist zugleich ein schönes Beispiel für die Beobachtung, dass Smith auch in seinem Rechtsverständnis – selbst im Falle der größtmöglichen Freiheitsverletzung164 – durchaus bodenständig argumentierte.165 Amartya Sen hat in seiner Rechtsphilosophie die Problema-

_____ 160 Recktenwald (1987) S. 8 f. 161 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 29 (TMS I.i.5.5: “As to love our neighbour as we love ourselves is the great law of Christianity, so it is the great precept of nature to lover ourselves only as we love our neighbour, or what comes to the same thing, as our neighbour is capable of loving us.”). 162 Mathis (2009) S. 109, fasst zutreffend zusammen, dass Smith „die Ethik von ihren traditionellen religiösen Bindungen befreit“. Vgl. insoweit auch Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 196 f. (TMS III.2.33 pp.). 163 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 121 (LJ(B) p. 141 pp.: “Another cause of the abolition of slavery was the influence of the clergy, but by no means the spirit of Christianity, for our planters are all Christians. Whatever diminished the power of the nobles over their inferiours encreased the power of the ecclesiastics.”). 164 Haakonssen (1981) S. 101. 165 Stein (1979 a) S. 621, 638: “Smith was a realist and this realism led him to prefer down-to-earth explanations to subtle ones”.

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tik der Sklaverei jüngst in einer Weise historisch eingeordnet, die nicht von ungefähr auf Smith zurückgreift und daher in diesem Zusammenhang mit berücksichtigt werden soll: „Als Condorcet und Smith behaupteten, dass die Welt durch Abschaffung der Sklaverei viel weniger ungerecht würde, nutzten sie die Möglichkeit, die Welt mit und ohne Sklaverei einzuschätzen, und sprachen einer Welt ohne Sklaverei den höheren Rang und die größere Gerechtigkeit zu.“166 So selbstverständlich dies aus heutiger Sicht klingt, so interessant ist diese Form der Differenzhypothese in rechtstheoretischer Hinsicht. Diese gleichsam ökonomisch gefärbte Sicht darf aber nicht den Blick darauf verschatten, dass die Sklaverei für Smith eine elementare Verletzung heiligster und ehrwürdigster Rechte des Menschen darstellt.

(2) Bekräftigung des naturrechtlichen Ursprungs Ob es sich bei dem Zusatz des „Religiösen“ bei Smith mitunter um eine Chiffre handelt, deren Erwähnung Bedenken gegenüber der Zensur geschuldet sein mag, kann und braucht hier nicht entschieden werden. Smith argumentiert in der Moraltheorie im Hinblick auf die Rolle Gottes mitunter so affirmativ, dass der Anschein entsteht, er lasse den Einfluss Gottes umso größer erscheinen, als er einen Bereich betrifft, den Smith für sein innerweltliches moraltheoretisches Anliegen gerade beiseite schiebt: „Jene notwendige Regel der Gerechtigkeit also, dass die Menschen in diesem Leben der Bestrafung nur wegen ihrer Handlungen unterworfen sind, nicht wegen ihrer Absichten und Vorsätze, sie gründet sich auf diese heilsame und nützliche Regelwidrigkeit in den menschlichen Empfindungen über Verdienst und Schuld, die auf den ersten Blick so sinnlos und unerklärlich erscheint. Allein jeder Teil der Natur erweist, wenn man ihn aufmerksam betrachtet, in gleicher Weise die Vorsehung und die Fürsorge ihres Schöpfers, und wir können so die Weisheit und Güte Gottes selbst in den Schwächen und in der Torheit der Menschen bewundern.“167

_____ 166 Sen (2010) S. 425. 167 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 160 f. (TMS II.iii.3.2: “That necessary rule of justice, therefore, that men in this life are liable to punishment for their actions only, not for their designs and intentions, is founded upon this salutary and useful irregularity in human sentiments concerning merit or demerit, which at first sight appears so absurd and unaccountable. But every part of nature, when attentively surveyed, equally demonstrates the providential care of its Author, and we may admire the wisdom and goodness of God even in the weakness and folly of man.”).

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Das Attribut des Heiligen bzw. die von ihm zugeschriebene Heiligkeit der Gesetze lässt sich demnach nicht so sehr als religiöses Bekenntnis als vielmehr als eine Bekräftigung des naturrechtlichen Ursprungs deuten. Heiligkeit ist vor diesem Hintergrund gleichbedeutend mit Ehrwürdigkeit. Es geht demnach weniger um einen ursprünglich religiösen Gehalt der Rechte als vielmehr darum, den unvordenklichen und naturgemäß vorgegebenen Charakter des jeweiligen Rechts zu betonen, das daher auch heute noch unverzichtbar zur Verwirklichung der Gebote der Gerechtigkeit ist, wie sich am Beispiel der Vergeltung einer Tötung erweist: „So hat Natur – wenigstens in Ansehung dieses fürchterlichsten von allen Verbrechen – vor allen Überlegungen über den Nutzen der Strafe, dem menschlichen Herzen in den stärksten und unzerstörbarsten Schriftzeichen eine unmittelbare und instinktive Billigung jenes geheiligten und notwendigen Gesetzes der Wiedervergeltung eingeprägt.“168 Diese archaisch anmutende Prägung enthüllt den wirklichen Geltungsgrund des moralischen Gefühls und veranschaulicht auch bei dieser Gelegenheit, wie vergleichsweise wenig utilitaristisch Smith im Hinblick auf den Einzelnen gesonnen ist, weil diese Form der natürlichen Imprägnierung vor der Nutzenerwägung rangiert.

bb) Wissenschaftstheoretische Relevanz des ethischen Gefühls Auffällig an Smiths Moralphilosophie ist das Nachdenken über die Gefühle, also die Verbindung eines rationalistisch-reflexiven Aktes mit einem vorderhand emotional-irrationalen. Indes ist es nur folgerichtig, dass Smith das ethische Gefühl mit seiner Sympathie-Begründung zum Gegenstand einer rational wissenschaftlichen Grundlegung erhebt.169 Man darf Smiths Moraltheorie also nicht dahingehend missverstehen, dass an die Stelle eines rationalen Durchdringens des zu ordnenden Rechtsstoffs ein diffuses Fühlen und Dafürhalten getreten wäre, bei dem derjenige die besseren Gründe auf seiner Seite hätte, der sich mit farbiger geschilderten Motiven umso eindringlicher in den Anderen hineinversetzen kann. Vielmehr handelt es sich gerade bei der

_____ 168 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 103 (TMS II.i.2.5: “And with regard, at least, to this most dreadful of all crimes, Nature, antecedent to all reflections upon the utility of punishment, has in this manner stamped upon the human heart, in the strongest and most indelible characters, an immediate and instinctive approbation of the sacred and necessary law of retaliation.”); Hervorhebung nur hier. 169 Mathis (2009) S. 111, hat die Rolle der Sympathie ebenso bündig wie präzise zusammengefasst.

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zentralen Instanz des unparteiischen (!) Zuschauers um einen Ordnungsgesichtspunkt, vermöge dessen Rational-Relevantes von Irrational-Irrelevantem geschieden werden kann. An dieser Stelle ist nicht nur von rechts- und wissenschaftstheoretischem Interesse, dass buchstäblich die Theorie der ethischen Gefühle aufscheint, sondern es wird für deren Bestimmung eine regelrechte Ordnung der Heiligkeit aufgestellt, welche die Frage nach deren Autorität hervorruft, weil er von den „mit höherer Heiligkeit ausgestatteten Gesetzen“ spricht.170

(1) Naturrechtliche Begründung Die Begründung kann letztlich nur naturrechtlicher Art sein. Das genannte wissenschaftstheoretische Interesse hängt darüber hinaus mit dem Begriff der Theorie selbst zusammen, wenn es um die Theorie der ethischen Gefühle geht.171 An sich scheinen ethische Gefühle keine hinlängliche rechtstheoretische Gewähr zu bieten, doch darf nicht übersehen werden, wie sehr gerade das Rechtsgefühl zum Gegenstand wissenschaftlichen Interesses geworden ist. Selbst ein so durch und durch rationaler Analytiker wie Max Weber, der aus gutem Grund mit Adam Smith verglichen wurde,172 hat die „Mitwirkung gefühlsmäßiger Determinanten“ in der Rechtssoziologie nicht ausgeblendet.173 An späterer Stelle seiner Theorie der ethischen Gefühle hat Smith den rechtstheoretisch hochinteressanten Versuch unternommen, den moralischen Sinn als Prinzip unserer Natur und Richter über unsere Handlungen mit den Naturgesetzen zu vergleichen: „Da dieses Vermögen also offenbar dazu bestimmt war, das herrschende Prinzip der menschlichen Natur zu werden, müssen die Regeln, welche es vorschreibt, als die Gebote und Gesetze der Gottheit angesehen werden, welche uns durch jenen Statthalter kundgemacht werden, den die Gottheit in uns eingesetzt hat.“174 Hier wird bewusst undeut-

_____ 170 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 125 (TMS II.ii.2.3: “the more sacred laws of justice”). 171 Ferguson (1800) S. 6, definierte als Zeitgenosse von Adam Smith wie folgt: „Eine Theorie besteht in der Zurückführung einzelner Funktionen auf die Prinzipien oder allgemeinen Gesetze, unter welche sie fallen, oder in der Zurückführung einzelner Wirkungen auf die Ursachen, aus denen sie hervorgehen.“ Zum modernen Theorieverständnis unter besonderer Berücksichtigung der für die Rechtswissenschaft geltenden Besonderheiten Canaris (1993) S. 377 ff. 172 Brühlmeier (1988) S. 204. 173 Weber (1922) S. 394; dazu Petersen (2008 a) S. 44 f. 174 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 250 (TMS III.5.6: “Since these, therefore, were plainly intended to be the governing principles of human nature, the rules which they prescribe are

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lich von der „Gottheit“ gesprochen, um abermals keine christliche Konnotation nahezulegen; am ehesten könnte man an das althergebrachte Verständnis des Gewissens als Stimme Gottes denken,175 doch wäre wohl schon diese Assoziation Smiths Credo zuwider, das der Schottischen Aufklärung verpflichtet ist. Bei ihm repräsentiert der unparteiische Beobachter in Gestalt eines inneren Richters funktional das Gewissen.176

(2) Gesetze als allgemeine Regeln Wichtiger ist die sich daran anschließende rechtstheoretische Überlegung: „Alle allgemeinen Regeln werden gemeinhin Gesetze genannt: so werden die allgemeinen Regeln, welche die Körper bei der Übertragung der Bewegung von einem zum anderen beobachten, die Gesetze der Bewegung genannt. Aber jene allgemeinen Regeln, die unser moralisches Vermögen beobachtet, wenn es irgendeine Empfindung oder Handlung, die seiner Prüfung unterworfen ist, billigt oder verurteilt, können mit weit größerem Recht so benannt werden. Sie haben eine weit größere Ähnlichkeit mit demjenigen, was im eigentlichen Sinne Gesetz heißt, nämlich mit jenen allgemeinen Regeln, welche der Herrscher festsetzt, um dadurch das Verhalten seiner Untertanen zu lenken. Wie diese sind sie Regeln, die dazu bestimmt sind, die freien Handlungen von Menschen zu leiten: sie sind ganz gewiss von einem rechtmäßigen Vorgesetzten erlassen und sind gleichfalls mit Belohnungen und Strafen als ihrer Sanktionen ausgestattet.“177 Der hier zugrunde gelegte Gesetzesbegriff ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich und belegt das rechtstheoretische Interesse dieser Stelle: Zunächst ist die Analogie zu den naturwissenschaftlichen Gesetzen bemerkenswert. Das Denken in Analogien findet sich auch in

_____ to be regarded as the commands and laws of the Deity, promulgated by those vicegerents which he has thus set up within us.”). 175 Näher dazu Petersen (2011) S. 31 f. mit weiteren Nachweisen. 176 Mathis (2009) S. 118. 177 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 250 (TMS III.5.6: “All general rules are commonly denominated laws: thus the general rules which bodies observe in the communication of motion, are called the laws of motion. But those general rules which our moral faculties observe in approving or condemning whatever sentiment or action is subjected to their examination, may much more justly be denominated such. They have a much greater resemblance to what are properly called laws, those general rules which the sovereign lays down to direct the conduct of his subjects. Like them they are rules to direct the free actions of men: they are prescribed most surely by a lawful superior, and are attended too with the sanction of rewards and punishments.”).

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den sprachphilosophischen Abhandlungen Smiths.178 Das Eine wie das Andere unterfällt nach Smith kraft seiner Allgemeinheit dem Oberbegriff der Gesetze. Bislang ist der Rechtswissenschaft zumeist entgegengehalten worden – zu nennen ist hier etwa Blaise Pascal179 –, dass das von Menschenhand gesetzte Recht gerade nicht den Rang eines Naturgesetzes habe, die Verallgemeinerbarkeit der Regel also allenfalls notwendige Bedingung für die Anerkennung eines Gesetzes sei und es in der Jurisprudenz an der hinreichenden Bedingung fehle, dass die jeweilige Gesetzmäßigkeit immer und überall gelte. Dieser Einwand berührt ersichtlich unmittelbar den Wissenschaftsanspruch der Jurisprudenz. Adam Smith ist hier vorderhand großzügiger: Die moralisch gebotenen Verhaltensregeln könnten erst recht als Gesetze gelten, weil sie größere Ähnlichkeit mit dem durchsetzbaren positiven Recht hätten.180 Diesem Schluss würden wohl diejenigen die erforderliche Analogiebasis absprechen, die – wie Pascal – das positive Recht selbst in Frage stellen, weil es in Folge seiner raumzeitlichen Relativität nicht überall und jederzeit gleichermaßen gelte.

(3) Das „moralische Gesetz in mir“ Man wird wohl Smith am ehesten gerecht, wenn er letztlich dem moralischen Gesetz selbst die höchste Geltung beimisst, weil es dem Menschen naturnotwendigerweise eingestiftet ist; es erinnert durchaus an das „moralische Gesetz in mir“,181 wie es Kant formulierte, und könnte eine jener Stellen sein, welche die kantische Moralphilosophie in besonderer Weise geprägt haben. Mit dieser Interpretationshilfe aus späterer Zeit erweist sich Smiths Analogie als verständlich: Das Gewissen als „Statthalter (…) den die Gottheit in uns eingesetzt hat“,182 wie es Smith an der genannten Stelle formuliert, ist das

_____ 178 Lindgren (1969) S. 897, 907, zitiert Smith mit den Worten “the love of analogy”. 179 Dazu Petersen (2010 a) S. 289. Siehe vor allem Hirschman (1987) S. 25: „Wie ein Vorgriff auf Adam Smiths ‘Invisible Hand’ liest sich Pascals Argument, die Größe des Menschen liege darin, daß es ihm ‚gelungen (sei), aus der Begierde ein so bewunderungswürdiges Arrangement‘ und eine ‚so schöne Ordnung‘ hervorzubringen“. 180 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 243, spricht in ähnlichem Zusammenhang von den „allgemein geltenden Regeln des Benehmens“ (TMS III.5.1: “established rules”); dazu Sen (2010) S. 215. 181 Kant (1788) AA Band V S. 161. 182 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 250 (TMS III.5.6: “vicegerents which he (sc. the Deity) has thus set up within us”).

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eherne Gesetz, die unverbrüchliche Richtschnur im Verhältnis zum positiven Recht, das es idealerweise abbildet und durchsetzt;183 als Norm nicht weniger gültig als ein Naturgesetz, da es selbst letztlich Gesetz der Natur ist.

cc) „Philosophen und Theoretiker“ Interessant ist vor diesem wissenschaftstheoretischen Hintergrund auch die zur Arbeitsteilung in der Wissenschaft gemachte Bemerkung zu Beginn des Wohlstands der Nationen: „Andere Entdeckungen machten sogenannte Philosophen und Theoretiker, deren Aufgabe es weniger ist, die Dinge zu verändern als sie zu beobachten. Sie sind auf Grund ihrer Spekulationen häufig imstande, Phänomene, die sehr verschieden sind und wenig Bezug zueinander haben, sinnvoll zu verknüpfen.“184 – Dieser Satz erinnert an Marx’ berühmte elfte These über Feuerbach, wonach die Philosophen die Welt nur verschieden interpretiert haben, es aber darauf ankomme, sie zu verändern, und erklärt vielleicht seine mitunter herablassende Ironie gegenüber Adam Smith: „Arbeit als Quelle von stofflichem Reichtum war dem Gesetzgeber Moses sowohl bekannt wie dem Zollbeamten Adam Smith.“185 Diese beiläufige Beobachtung zeigt annäherungsweise, warum es ein dringendes Desiderat wäre, den Einfluss von Adam Smith auf Marx (rechts-)theoretisch näher zu würdigen.186

c) Deistische Ausrichtung? Die weiter oben referierte und scheinbar religiös fundierte Begründung begegnet auch in anderem Zusammenhang.187 Interessanterweise spricht Eckstein von einem „optimistischen Deismus, der die Welt im Ganzen als gut ansieht und von dem natürlichen Lauf der Dinge im allgemeinen Besseres erwartet als von dem Eingreifen der Menschen.“188 Nicht minder wichtig als der Deismus ist daran das Adjektiv des Optimistischen, das wohl nicht nur

_____ 183 Siehe auch Hottinger (1998) S. 118. 184 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 14 (Book I.i.9, p. 21: “and some by that of those who are called philosophers or men of speculation, whose trade it is, not to do any thing, but to observe every thing; and who, upon that account, are often capable of combining together the powers of the most distant and dissimilar objects.”). 185 Marx (1859) Abschnitt I Erstes Kapitel. 186 Klenner (1990) S. 267, 278. 187 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 137 (TMS II.ii.3.12). 188 Eckstein (2004) S. XI f., unter Verweis auf die Philosophie Hutchesons.

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Shaftesbury,189 sondern auch den Idealen der Stoa verpflichtet ist. Mathis macht diesen Zusammenhang auch für eine weiter unten zu behandelnde wichtige Problematik fruchtbar, wenn er mit Recht gerade im Hinblick auf die unsichtbare Hand den „unglaublichen Optimismus“ betont, der einer Ordnungsidee gilt, „die einer Weltvernunft entspringt“.190 Diese stoizistische Prägung ist nicht zuletzt deswegen wichtig, weil sie immer auch gegen eine vordergründig auffällige, aber vor dem Hintergrund der Schottischen Aufklärung nicht unproblematische Akzentuierung christlicher Beweggründe in die Betrachtung einzustellen ist.

aa) Der Mensch als naturgemäßer Richter des Menschen Der erwähnte Deismus könnte durchaus die Grundlage für seine ökonomische Grundhaltung gewesen sein,191 zumal da im ökonomischen Schrifttum bereits gesehen worden ist, dass gerade Smiths System der natürlichen Freiheit aus diesem aus der Moraltheorie geschöpften optimistischen Deismus hervorgeht.192 Doch wäre dann auch diese Haltung naturrechtlich fundiert und somit keineswegs zwingend als ungehemmt liberalistisch zu verstehen:193 „Der allweise Schöpfer der Natur hat auf diese Weise den Menschen gelehrt, die Gefühle und Urteile seiner Brüder zu achten (...). Er hat den Menschen, wenn ich so sagen darf, zum unmittelbaren Richter der Menschen gemacht und hat ihn auch in dieser Beziehung nach seinem Bilde geschaffen und ihn zum Statthalter auf Erden gemacht, damit er das Verhalten seiner Brüder beaufsichtige. Diese sind durch die Natur unterwiesen worden, jene Macht und jene Gerichtsbarkeit anzuerkennen, die dem Menschen übertragen wurde, sich mehr oder weniger gekränkt und gedemütigt zu fühlen, wenn sie sich seinen Tadel zugezogen haben.“ 194 Es ist rechtstheoretisch aufschlussreich, dass

_____ 189 Shaftesbury (1711). Die Unterschiede zu Smith akzentuiert Hirschman (1987) S. 73 mit Fußnote aa. 190 Mathis (2009) S. 115. 191 Eckstein (1926/27) S. 378, 392 Fußnote 19. 192 Sidgwick (1883) S. 20; zustimmend Keynes (1926) sub II. 193 Hasbach (1890). Fikentscher (1983 b) S. 27, beschreibt Smith zutreffend als „altliberalen“ Wirtschaftstheoretiker. 194 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 193 (TMS III.2.31: “The all-wise Author of Nature has, in this manner, taught man to respect the sentiments and judgments of his brethren (…). He has made man, if I may say so, the immediate judge of mankind; and has, in this respect, as in many others, created him after his own image, and appointed him his vicegerent upon earth, to superintend the behaviour of his brethren. They are taught by nature, to

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Smith hier in der förmlichen Sprache der Justiz ausdrückt, was dem Menschen von der Natur – Smith spricht nicht vom christlichen Gott – überantwortet wurde. Neben den moralphilosophischen Wurzeln scheint es also auch eine – freilich damit aufs engste zusammenhängende – religionsphilosophische Begründung dafür zu geben, dass Adam Smith in seinem weiteren Werk eine gewisse Skepsis gegenüber Eingriffen in die gegebene Ordnung empfand195 – allerdings durchaus auch mit einer gleichsam religionssoziologisch gefärbten Distanz, die immer auch und vor allem die Gerechtigkeit einbezieht.196 Eine Stelle aus der Theorie der ethischen Gefühle, in der einer seiner Biographen einen „typisch Humeschen Bescheid“ sieht,197 belegt dies: „In jeder Religion und in jedem Aberglauben, den die Welt jemals gesehen hat, hat es einen Tartarus gegeben ebenso wie ein Elysium, einen Platz, der vorgesehen war für die Bestrafung der Bösen ebenso wie für die Belohnung der Gerechten.“198

bb) Zurückhaltung gegenüber jenseitiger Gerechtigkeit Jedoch ist auch hier äußerste Zurückhaltung vor der Annahme oder Unterstellung religiöser Begründungsversuche bei Smith angezeigt:199 „Dass es eine künftige Welt gibt, in der jedermann volle Gerechtigkeit zuteil werden wird, (...) das ist eine Lehre, so verehrungswürdig in jeder Hinsicht, so trostreich für die Schwäche, so schmeichelhaft für die Größe der menschlichen Natur, dass der tugendhafteste Mensch, der das Unglück hat, an ihr zu zweifeln, doch unmöglich umhin kann, den höchst ernsthaften und eifrigen Wunsch hegen, an sie zu glauben. Diese Lehre hätte niemals dem Hohn der Spötter ausgesetzt werden können, wenn nicht die Darstellung, welche einige ihrer eifervollsten

_____ acknowledge that power and jurisdiction which has thus been conferred upon him, to be more or less humbled and mortified when they have incurred his censure”). 195 Bittermann (1940) S. 487; 703, 720. 196 Trapp (1987) S. 303 Fußnote 23, trennt demgegenüber „die metaphysische oder religiöse Form des Harmonie-Gedankens von seinem empirisch-ökonomischen Gehalt“. 197 Ross (1998) S. 535. 198 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 137 (TMS II.ii.3.12: “In every religion, and in every superstition that the world has ever beheld, accordingly, there has been a Tartarus as well as an Elysium; a place provided for the punishment of the wicked, as well as one for the reward of the just.”). 199 Haakonssen (1981) S. 74 f., setzt den Akzent etwas anders, gesteht aber bei den vielfältigen Beschwörungen der Rolle des Schöpfers ebenfalls zu, dass sie “abundantly” verwendet werden.

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Verfechter von der Verteilung der Belohnungen und Strafen gegeben haben, wie sie in der künftigen Welt stattfinden soll, allzu häufig in direktem Widerspruch zu allen unseren sittlichen Gefühlen gestanden hätte.“200 Respekt vor der religiösen Botschaft und schneidende Kritik an der Pharisäerhaftigkeit vieler ihrer Überbringer lassen sich schwerlich subtiler im Geiste der Schottischen Aufklärung ausdrücken. Wenn es bei ihm einen solchen Deismus gab, so ist dieser eher durch die stoische Lehre geprägt und steht jedenfalls nicht notwendigerweise im Einklang mit den Lehren der Kirche.201 Damit soll nicht bestritten werden, dass Smith in seinem Innersten ein frommer,202 wohl auch tief religiöser Mann gewesen ist.203 Allerdings ordnet er in dem zuletzt zitierten Wort Religion und Aberglauben mit Bedacht in der Weise gleich, dass es ihm weniger auf den Wahrheitsanspruch ankommt als vielmehr auf die Vorstellung der Gläubigen über Lohn und Strafe.204 Am klarsten hat es einer seiner Biographen zum Ausdruck gebracht, wonach „Smiths deistisches, letzten Endes in der Stoa verwurzeltes Glaubenssystem (…) gewiss den praktischen Zuschnitt seiner Moralphilosophie widerspiegelte, in der auch für göttlich verordnete, harmonisch wirkende Naturgesetze Raum ist“.205 Das entspricht nicht nur dem optimistischen Deismus seiner Zeit,206 sondern auch dem, was er in methodologischer Hinsicht in seiner ‚Geschichte der Astronomie‘ zugrundegelegt hat.207

d) Heiligkeit des Eigentums Für das Gerechtigkeitsverständnis und seinen mitunter scheinbar religiösen Ursprung ist zudem folgende zentrale Stelle aus dem Wohlstand der Nationen

_____ 200 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 196 f. (TMS III.2.33: “That there is a world to come, where exact justice will be done to every man (…) is a doctrine, in every respect so venerable, so comfortable to the weakness, so flattering to the grandeur of human nature, that the virtuous man who has the misfortune to doubt of it, cannot possibly avoid wishing most earnestly and anxiously to believe it. It could never have been exposed to the derision of the scoffer, had not the distributions of rewards and punishments, which some of its most zealous assertors have taught us was to be made in that world to come, been too frequently in direct opposition to all our moral sentiments.”). 201 Mathis (2009) S. 115. 202 Macfie (1967) S. 111 (“essentially pious man”). 203 Lindgren (1973) S. 152 (“deeply religious man”). 204 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 192 ff (TMS III. 2.). 205 Ross (1998) S. 23. 206 Walder (1943) S. 18 f., 49 (Smith insoweit „Erbe Shaftesburys“). 207 EPS p. 33.

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zu berücksichtigen: „Das Eigentum, das jeder Mensch an seiner Arbeit besitzt, ist in höchstem Maße heilig und unverletzlich, weil es im Ursprung alles andere Eigentum begründet. Das Erbe eines armen Mannes liegt in der Kraft und in dem Geschick seiner Hände begründet, und ihn daran zu hindern beides so einzusetzen, wie er es für richtig hält, ohne dabei seinen Nachbarn zu schädigen, ist eine offene Verletzung dieses heiligsten Eigentums (und) offenkundig ein Übergriff in die wohlbegründete Freiheit des Arbeiters und aller anderen, die bereit sein mögen, ihn zu beschäftigen.“208 Man sollte diese Stelle indes nicht dahingehend verengen, dass Smith an Ordnung denke, wenn er von Gerechtigkeit spreche, und dass er an das Eigentum denke, wenn er von Ordnung spreche.209

aa) „Normative Jurisprudenz“ Die Heiligkeit als Attribut des Rechts wurde bereits innerhalb der Theorie der ethischen Gefühle ausgemacht und dort mit dem Synonym der höchsten Ehrwürdigkeit erklärt. Sie lässt sich auch dort nachzeichnen, wo Smith das Naturrecht berührt und davon ausgehend ausführt: „Eine heilige und strenge Scheu, die Glückseligkeit unseres Nächsten in irgendeiner Hinsicht zu verletzen oder zu stören, selbst in solchen Fällen nicht, in welchen kein Gesetz ihn eigentlich zu schützen vermag, kennzeichnet die Denkungsart des völlig schuldlosen und gerechten Menschen.“210 Bemerkenswert daran ist, dass der naturrechtliche Schutz, der den Einzelnen auch dort noch umgibt, wo das positive Recht nicht gilt, nur aus Sicht des Gerechten besteht, der den Anderen um seiner selbst willen achtet. Dementsprechend folgert Griswold: „Es ist eine normative Jurisprudenz, die zum größten Teil im Rahmen der begrifflichen Grenzen der kommutativen Gerechtigkeit bleibt und sich auf eine Dokt-

_____ 208 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 106 (Book I.x.c.12, p. 138: “The property which every man has in his own labour, as it is the original foundation of all other property, so it is the most sacred and inviolable. The patrimony of a poor man lies in the strength and dexterity of his hands; and to hinder him from employing this strength and dexterity in what manner he thinks proper without injury to his neighbour, is a plain violation of this most sacred property. It is a manifest encroachment upon the just liberty both of the workman, and of those who might be disposed to employ him.”). 209 So aber Denis (1999) S. 71. 210 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2: “A sacred and religious regard not to hurt or disturb in any respect the happiness of our neighbour, even in those cases, where no law can properly protect him, constitutes the character of the perfectly innocent and just man”).

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rin der individuellen Freiheit von moralisch gleichberechtigten Individuen gründet.“211 Wir werden zudem an späterer Stelle sehen, dass die Einschätzung Griswolds ebenso richtig ist, wie die landläufige Geißelung als einseitig wirtschaftsfreundlicher Benachteiligung Einzelner falsch ist. Ungeachtet aller Imparität, die zwischen Arbeiter und Unternehmer herrscht und die Smith mitnichten übersieht, kommt dieses Verständnis auch im Wohlstand der Nationen zum Ausdruck.

bb) Rechtsbegriff in den Lectures on Jurisprudence Weiter oben wurde bereits eingehend dargestellt, dass Smith einer kommutativen Gerechtigkeit das Wort redet. Dass es Smith um kommutative Gerechtigkeit zu tun ist, belegt auch eine Äußerung in den Lectures on Jurisprudence, wonach „(d)ie gebräuchliche Art, das Wort ‚Recht‘ zu verstehen, (…) sich auf vollkommene Rechte (bezieht) und damit auf die kommutative Gerechtigkeit, während unvollkommene Rechte sich auf die distributive Gerechtigkeit beziehen. Nur jene werden hier betrachtet; diese fallen nicht strikt unter das Recht, sondern eher unter ein Moralsystem.“212 Hier erweist sich nicht nur abermals, dass Smith scharf zwischen distributiver und kommutativer Gerechtigkeit unterscheidet, sondern auch etwas, das weniger in der Theorie der ethischen Gefühle als vielmehr in den Vorlesungsmitschriften zur Geltung kommt, nämlich, dass das Konzept der Rechte für ihn die besondere Verbindung zwischen einer generellen Moraltheorie und der Jurisprudenz darstellt.213 Darüber hinaus zeigt sich hieran beispielhaft, dass die Vorlesungsmitschriften (nur) das deklaratorisch zum Ausdruck bringen, was in der Moraltheorie bzw. dem Wohlstand der Nationen zugrunde gelegt wurde. Entgegen der im angloamerikanischen Schrifttum wohl vorherrschenden Meinung haben sie weniger kon-

_____ 211 Griswold (2005) S. 128, 139; Hervorhebung nur hier. 212 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 38 (LJ(A) i.15 f. : “The common way in which we understand the word right, is the same as what we have called a perfect right, and is that which relates to commutative justice. Imperfect rights, again, refer to distributive justice. The former are the rights which we are to consider, the latter not belonging properly to jurisprudence, but rather to a system of morals as they do not fall under the jurisdiction of laws. We are therefore in what follows to confine ourselves entirely to the perfect rights and what is called commutative justice.”). 213 Haakonssen (1981) S. 99, der dies in seiner grundlegenden Analyse am Beispiel der Lectures on Jurisprudence so eingehend dargelegt hat, dass hier darauf verwiesen werden kann, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden.

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stitutive Bedeutung für Smiths Rechtsverständnis als vielmehr erklärende Funktion.

4. Gefühlsgemäße Unrechtsbegründung Die Verletzung der aus Smiths Sicht höherrangigen Rechtsgüter führt zu einer interessanten Begründung von Unrecht und Vergeltung. Auch wenn dies hier nicht im einzelnen dargestellt werden soll, weil es bereits in einer Pionierarbeit über Adam Smith als Rechtsphilosophen geschehen ist,214 seien zumindest die wesentlichen Weichenstellungen dargelegt, die für die rechtstheoretische Bewertung von Bedeutung sein können.

a) Unrecht als Verletzung der Gerechtigkeit Unrecht ist für Smith ganz schlicht die Verletzung der Gerechtigkeit.215 Es ist daher Gegenstand des Vergeltungsgefühls, das wiederum zur Bestrafung dessen führt, der aus Sicht des unparteiischen Zuschauers Unrecht verübt.216 Damit hängt der Vorrang der Tugend der Gerechtigkeit gegenüber den anderen Tugenden zusammen: Derjenige, der ein Unrecht im Sinn hat, weiß dies recht wohl und fühlt, dass sowohl die Person, der er eben ein Unrecht zufügen will, als auch andere Personen mit vollem Recht Gewalt anwenden können, sei es um die Ausführung seines Verbrechens zu vereiteln, sei es, um ihn zu bestrafen, wenn er es bereits vollführt hat: „Und hierauf gründet sich jener bemerkenswerte Unterschied zwischen der Gerechtigkeit und allen anderen geselligen Tugenden.“217 Auch und gerade bei der Begründung der Gerechtigkeit begegnet Smiths eigentümlich empiristische Haltung, die Ergebnisse mit dem Gefühl zu begründen, das jedoch jeweils kategorisiert und auf diese Weise gleichsam objektiviert wird, so dass es sich wirklich um eine Theorie

_____ 214 Eckstein (1926/27) S. 378, 388 ff. 215 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 117 (TMS II.ii.1.5). 216 Haakonssen (1981) S. 100, kann daher ebenso lapidar wie zutreffend sagen: “The object of natural jurisprudence is justice; and the rules of justice define our rights by laying down what actions constitute injuries against us. (…) And what the impartial spectator recognizes as injury is definitive of absolute rights and justice”. 217 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 117 f. (TMS II.ii.1.5: “And upon this is founded that remarkable distinction between justice and all the other social virtues”).

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der ethischen Gefühle handelt, die auf beobachteten Aussagen gründet.218 Dies führt zu archaisch anmutenden Folgerungen: „Wer die Gesetze der Gerechtigkeit bricht, den sollte man selbst jenes Übel fühlen machen, das er einem anderen angetan hat; und da keine Rücksicht auf die Leiden seiner Brüder imstande war, ihn zurückzuhalten, sollte er nun selbst durch die Angst vor eigenen Leiden in Furcht und Schrecken versetzt werden.“219 Durch den stetigen Rekurs auf Gefühl und elementare Befindlichkeiten, wie die Angst, erhält auch die Rechtstheorie des Adam Smith eine regelrecht psychologische Komponente,220 wie sich auch an anderer Stelle seiner Theorie zeigt, wo allerdings nur der Übersetzer sinngemäß von Psychologie spricht, während Smith selbst es „Philosophie“ nennt: „und es erfordert auch in diesem Fall einen gewissen Grad von Überlegung und sogar von Psychologie, um uns zu überzeugen, wie wenig Interesse wir an den wichtigsten Angelegenheiten unseres Nächsten nehmen würden, wie wenig wir durch alles das berührt werden würden, was ihn betrifft, wenn nicht das Gefühl für das Schickliche und Gerechte jene Ungleichheit richtigstellte, welche sonst naturgemäß unsere Empfindungen beherrschen würde.“221 Das gilt auch und gerade für den Eindruck, den Unrecht und Vergeltung auf die Gesellschaft und ihre Mitglieder machen.222 Entsprechend dem Titel seiner Abhandlung kommt es darauf an, welche Gefühle recht- oder unrechtmäßiges Handeln bei uns, der Gesellschaft bzw. dem unparteiischen Zuschauer erwecken. Ebenso argumentiert er folgerichtig, dass „wir uns unter einer strengeren Verpflichtung fühlen, der Gerechtigkeit gemäß zu handeln“, und dass „wir uns dagegen auf die eine

_____ 218 Womöglich erklärt diese Kategorisierung und Objektivierung die weiterführende Beobachtung von Haakonssen (1981) S. 135: “The predominant mode in both The Theory of Moral Sentiments and in the Lectures on Jurisprudence is descriptive. We are told what people consider morally right and what the law recognizes as injustice, not what is right or unjust”. (Hervorhebungen auch dort). 219 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 121 (TMS II.ii.1.10: “The violator of the laws of justice ought to be made to feel himself that evil which he has done to another; and since no regard to the sufferings of his brethren is capable of restraining him, he ought to be over-awed by the fear of his own.”). 220 Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 13. 221 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 201 (TMS III 3.3: “and it requires, in this case too, some degree of reflection, and even of philosophy, to convince us, how little interest we should take in the greatest concerns of our neighbour, how little we should be affected by whatever relates to him, if the sense of propriety and justice did not correct the otherwise natural inequality of our sentiments.”). 222 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 131 ff. (TMS II.ii.3.3 pp.), mit einer weiteren, dort eher soziologisch gefärbten Begründung von Unrecht und Vergeltung.

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oder andere Art zur Beobachtung der Gerechtigkeit ganz eigentümlich verbunden und verpflichtet fühlen.“223 Daraus entsteht das genannte Vergeltungsgefühl: „Das heißt, wir fühlen, dass man mit vollstem Recht und mit der Zustimmung aller Menschen Gewalt anwenden darf, um uns dazu zu zwingen, die Gesetze der letzteren zu beobachten, nicht aber auch, um uns zu zwingen, die Vorschriften jener zu befolgen.“224 Smith setzt also an die Stelle einer Begründung von Recht und Unrecht die Evidenz des natürlichen Rechts.225 Das liegt letztlich in der Instanz begründet, die über die Verletzung urteilt, nämlich dem unparteiischen Zuschauer.

b) Rechtsdurchsetzung im Wohlstand der Nationen Für den hier in besonderer Weise im Blickpunkt stehenden werkimmanenten Zusammenhang ist von Interesse, dass Smith die Unrechtsbegründung vor allem in der Theorie der ethischen Gefühle behandelt, während die eigentliche Unrechtsvergeltung, also der kompetenzielle Vollzug der Gesetze, im Wohlstand der Nationen erörtert wird, wo dies eine wesentliche Vorfrage für die Begründung der Wirtschaftsordnung ist. So setzt sich Smith im Zusammenhang mit den Befugnissen der Baronal-Dynastien auch mit dem Gesetzesvollzug auseinander: „Sie konnten auf ihren Domänen für Ordnung sorgen und das Gesetz vollziehen, weil hier jedermann von ihnen imstande war, die ganze Macht aller Bewohner gegen das Unrecht eines einzelnen aufzubieten.“226 Er begründet damit, dass selbst der König in der Rechtsdurchsetzung von den Adligen abhing: „Deshalb musste er im ganzen Lande das Gerichtswesen jenen überlassen, die auch die Macht besaßen, Recht durchzusetzen.“227 Hier zeigt sich paradigmatisch, wie rechtsgeschichtliche Vorausset-

_____ 223 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 118 (TMS II.ii.1.5: “we feel ourselves to be in a peculiar manner tied, bound, and obliged to the observation of justice.”). Hervorhebung nur hier. 224 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 118 (TMS II.ii.1.5: “We feel, that is to say so, that force may, with the utmost propriety, and with the approbation of all mankind, be made use of to constrain us to observe the rules of the one, but not to follow the precepts of the other.”). 225 Haakonssen (1981) S. 103: “Since he considered natural rights to be so self-evident, it is hardly surprising that Smith gives no more than a brief outline of each of these rights”. 226 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 336 (Book III.iv.7, p. 415: “They could maintain order and execute the law within their respective demesnes, because each of them could there turn the whole force of all the inhabitants against the injustice of any one.”). 227 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 336 (Book III.iv.7, p. 415: “He was therefore, obliged to abandon the administration of justice through the greater part of the country, to those who were capable of administering it”).

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zungen von Smith berücksichtigt werden, um rechtstheoretische Einsichten vorzubereiten, etwa den elementaren Zusammenhang zwischen Recht und Macht.228 Für diesen Zusammenhang ist im Übrigen aufschlussreich, dass Smith zu Beginn seines Werks über den Wohlstand der Nationen Hobbes’ Definition aufgreift, nach der Reichtum Macht ist,229 zugleich aber zu bedenken gibt, dass der Erwerber oder Erbe eines großen Vermögens „damit nicht unbedingt auch irgendwelche politische Macht erlangt oder erbt, sei es zivile, sei es militärische.“ Eine de facto, wenn auch nicht de iure, plutokratische Sichtweise ist Smith also fremd. Wichtiger noch ist aber die von Smith im Wohlstand der Nationen vorausgesetzte und in der Theorie der ethischen Gefühle begründete Einsicht, dass die Gesetze der Gerechtigkeit, die Smith auch mit den Regeln der natürlichen Billigkeit gleichsetzt, „durch die positiven Gesetze eines jeden Staates erzwungen werden sollten“.230 Die eigentliche Begründung dieser Regeln ist jedoch ein Desiderat, das die Geschichte der Moralphilosophie seines Erachtens noch nicht zuwege gebracht hat, wie er am Beispiel antiker Moraltheoretiker vorführt: „Ihre Gesetze sind Gesetze der Verwaltung, nicht Gesetze der Gerechtigkeit“.231 Hier wird das positive Recht dem Naturrecht an die Seite und zugleich klargestellt, dass die Positivität des Rechts für sich betrachtet noch keine Gerechtigkeit gewährleistet. So wichtig der administrative Aspekt des Rechts ist, hängt dessen Geltung doch gleichsam in der Luft, wenn die moraltheoretische Begründung fehlt.

c) Rechtstheoretische Kompetenz in der Zusammenschau Im Wohlstand der Nationen geht es dagegen nicht mehr um die moralphilsosophische Problematik, ob und inwieweit der Mächtige das Recht (durch-) setzen kann, sondern dieses Faktum wird vorausgesetzt, um die rechtlichen und wirtschaftlichen Befugnisse zu erklären: „Den großen Grundbesitzern stand nicht nur die höchste Gerichtsbarkeit in zivil- und strafrechtlichen An-

_____ 228 Haakonssen (1981) S. 102: “Smith adopts the traditional distinction between natural and acquired rights as a mere heuristic device to draw attention to the significant differences in moral urgency and (…) in the degree of historicality of the various rights which are protected by law”; Hervorhebung nur hier. 229 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 28 (Book I.v.3, p. 48). 230 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37: “which ought to be enforced by the positive laws of every country”). 231 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37: “Their laws are laws of police, not of justice.”).

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gelegenheiten zu, sondern auch die Macht, Truppen auszuheben, Münzen zu prägen und sogar Statuten für die Verwaltung ihres Territoriums zu erlassen.“232 Der nicht zuletzt an Montesquieus De l’esprit des lois sowie durch seine Lectures on Jurisprudence geschulte hervorragende Jurist, der er war,233 erkannte, dass die Teleologie des Gesetzes wirkungslos bleibt, wenn Wirtschaftsordnung und Moral damit nicht konvergieren: „Obwohl das Lehensrecht zum Ziele hatte, die Stellung des Königs zu festigen, und die der Großgrundbesitzer einzuschränken, erreichte es weder das eine noch das andere in befriedigendem Maße. Eigentumsordnung und schlechte Sitten, die Wurzeln des Übels, änderten sich zu wenig, als dass auf dem Lande Ruhe und Ordnung hätten einkehren und der Despotismus überwunden werden können.“234 Diese buchstäblich radikale Erklärung zeugt von einem bemerkenswerten Sinn für den Zusammenhang rechtsgeschichtlicher, rechtssoziologischer und rechtsphilosophischer Gegebenheiten und weist den Autor in der Zusammenschau als Rechtstheoretiker aus, zumal da sich diese geschichtlichen, soziologischen und philosophischen Elemente seines Rechtsdenkens nicht nur addieren, sondern an vielen Stellen implizit oder ausdrücklich eine Reflexion über diese Einzeldisziplinen hinaus stattfindet.

5. Vorschriften zur Förderung des gedeihlichen Gemeinwesens Es ist für die vorliegende Themenstellung aufschlussreich, dass Smith das Recht nicht allein auf das Gebot des neminem laedere reduziert, wie es noch in seinen Lectures on Jurisprudence den Anschein hatte, wo er schlicht feststellte, dass „(d)er Zweck des Rechts (…) der Schutz vor Verletzung (ist).“235

_____ 232 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 336 f. (Book III.iv.8, p. 415 pp.: “Not only the highest jurisdictions both civil and criminal, but the power of levying troops, of coining money, and even that of making bye-laws for the government of their own people, were all rights possessed allodially by the great proprietors of land”). 233 Brühlmeier (1996) S. 20, hebt nicht von ungefähr im Zusammenhang mit Smiths Rechtstheorie seine „herausragende juristische Kompetenz“ hervor. 234 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 337 (Book III.iv.9, p. 417: “But though this institution necessarily tended to strengthen the authority of the king, and to weaken that of the great proprietors, it could not do either sufficiently for establishing order and good government among the inhabitants of the country; because it could not alter sufficiently that state of property and manners from which the disorders arose.”); Hervorhebung nur hier. 235 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 37 (LJ(B) p. 6: “The end of justice is to secure from injury.”).

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Vielmehr eröffnet er aus dem Zusammenhang rechtlicher und moralischer Gründe dem Staat die Möglichkeit, moralisch gut befundenes Handeln bis zu einem gewissen Grade von Rechts wegen zu erwirken:236 „Die bürgerliche Obrigkeit ist nicht nur mit der Macht betraut, den öffentlichen Frieden durch Eindämmung des Unrechts aufrecht zu erhalten, sondern auch das Gedeihen des Gemeinwesens dadurch zu fördern, dass sie die richtige Zucht einführt und jede Art von Laster und Unschicklichkeit niederschlägt; deswegen kann sie Vorschriften erlassen, die nicht nur gegenseitige Schädigungen von Mitbürgern verbieten, sondern bis zu einem gewissen Grade auch gegenseitige gute Dienste anbefehlen.“237 Rechtstheoretisch aufschlussreich ist, dass sich Smith innerhalb der Moralphilosophie und aus ihr heraus Gedanken über die Grenzen staatlicher Wirksamkeit macht.238 Sieht man einmal von der antiquiert anmutenden Zielrichtung („Zucht“, „Unschicklichkeit“) ab, so ist der dahinterstehende Gedanke durchaus modern und passt nicht zu dem gängigen Bild des Adam Smith als eines Befürworters ungezügelter Freiheit vor dem Staat.

6. Pflichten des Gesetzgebers Allerdings war sich Adam Smith der besonderen Problematik solch weitreichender, in die Freiheit der Einzelnen eingreifender Befugnisse durchaus bewusst. Das gilt zum Einen für die unmittelbare Konsequenz, dass das was zunächst nur missbilligenswert war nunmehr strafbar wird, wenn entspre-

_____ 236 MacCormick (1981) S. 243, 245, stellt der zuletzt zitierten Stelle aus den Lectures on Jurisprudence mit Bedacht die allgemeingültige Einsicht voran: “One of the most fascinating things about Adam Smith is the way in which he combined, as the basic elements of the economy of different forms of human society, a theory of natural rights with a theory of the social development of laws and legal institutions”. 237 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 120 (TMS II.ii.1.8: “The civil magistrate is entrusted with the power not only of preserving the public peace by restraining injustice, but of promoting the prosperity of the commonwealth, by establishing good discipline, and by discouraging every sort of vice and impropriety; he may prescribe rules, therefore, which not only prohibit mutual injuries among fellow-citizens, but command mutual good offices to a certain degree.”). 238 Humboldt (1851), hätte dem gewiss nicht zustimmen können; näher Petersen (2007 b); dort auch zum von Ferdinand Lassalle so genannten „Nachtwächterstaat“, der seinen Weg ins Englische als “Night Watchman State” (Kennedy (2005) S. 215) gefunden hat und von Smith auch avant la lettre niemals ernstlich erwogen, umso weniger vertreten wurde. Vgl. auch Hirschman (1987) S. 113.

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chende strafbewehrte Rechtspflichten statuiert werden. Zum Anderen scheint hier ein prinzipielles Problem auf, dessen Innewerdung auf eine hohe rechtstheoretische Sensibilität schließen lässt, die Adam Smith ersichtlich zu eigen war, wenn er besondere Vorsicht beim staatlichen Erlass positiver Pflichten füreinander anmahnte: „Von allen Pflichten eines Gesetzgebers erfordert jedoch vielleicht gerade diese den größten Takt und die größte Zurückhaltung, wenn der Gesetzgeber sie in richtiger und verständiger Weise erfüllen will.“239 Daran ist bereits bedeutsam, dass Smith überhaupt Pflichten des Gesetzgebers anerkennt, die dem systematischen Zusammenhang nach, in dem die Stelle angesiedelt ist, durchaus in die Richtung heutiger staatlicher Schutzpflichten weist; wenn diese zudem so konzipiert sein sollen, dass sie potentielle Drittwirkung unter Privaten entfalten sollen, wie die Wendung („bis zu einem gewissen Grade auch gegenseitig gute Dienste anbefehlen“) nahe legt, so ist dies noch moderner gedacht, als man auf den ersten Blick meinen könnte.240 Adam Smiths Sinn für Maß und Mitte kommt in der abschließenden Grenzziehung zum Ausdruck, die gleichsam die Koordinaten staatlichen Handelns und seiner Grenzen angeben: „Sie (sc.: die Pflichten des Gesetzgebers) ganz und gar zu vernachlässigen, hieße das Gemeinwesen mancherlei groben Ordnungswidrigkeiten und anstößigen Freveln aussetzen, und sie allzu weit zu treiben, wäre verderblich für alle Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit.“241

7. Schutzzwecktrias: Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit Diese Trias der Schutzzwecke – an anderer Stelle ist statt der Sicherheit von „den liberalen Vorstellungen über Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit“ die Rede242 – überwölbt das moralphilosophische, rechtstheoretische und letztlich auch ökonomische Programm. Es soll also insbesondere keine „gerech-

_____ 239 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 120 (TMS II.ii.1.8: “Of all the duties of a law-giver, however, this, perhaps, is that which it requires the greatest delicacy and reserve to execute with propriety and judgment.”). 240 Vgl. nur Canaris (1999); siehe zum gleichfalls mitschwingenden („bis zu einem gewissen Grade“; „größte Zurückhaltung“) Übermaßverbot Lerche (1961). 241 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 120 (TMS II.ii.1.8: “To neglect it altogether exposes the commonwealth to many gross disorders and shocking enormities, and to push it too far is destructive of all liberty, security, and justice.”). 242 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 560 (Book IV.ix.3, p. 664: “upon the liberal plan of equality, liberty and justice”).

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tigkeitsentleerte Rechtssicherheit“ geben.243 Denn auch im Wohlstand der Nationen ist allenthalben die Rede „von aller Freiheit und Sicherheit durch das Gesetz“.244 Hayek vertritt mit Blick auf Stellen der vorliegenden Art die Auffassung, dass der Begriff „liberal“ nicht von der Spanischen Partei der ‚liberales‘ im frühen 19. Jahrhundert herrührt, wie viele meinen, sondern auf Adam Smith zurückgeht.245

a) Rangverhältnis So ist es ist gewiss kein Zufall, dass die Freiheit an erster Stelle steht. Doch gilt dieses in der Aufzählung möglicherweise zum Ausdruck kommende Rangverhältnis allenfalls noch im Verhältnis zur Sicherheit,246 nicht aber bezüglich der Gerechtigkeit. Freiheit und Gerechtigkeit stehen unabdingbar und unverzichtbar nebeneinander, wie sich schließlich aus dem im Wohlstand der Nationen entwickelten System der natürlichen Freiheit ergibt:247 „Könnte ein Land nicht aufblühen, ohne dass es sich vollkommener Freiheit und Gerechtigkeit erfreut, so gäbe es keine Nation in der Welt, die jemals eine Blüte hätte erleben können.“248 Das System der natürlichen Freiheit verklammert auf diese Weise Rechtsordnung und Wirtschaftssystem, indem es die Unterschiede zwischen beiden Sphären anerkennt, diese aber nicht losgelöst voneinander erklärt.249 Bevor darauf aber im Einzelnen eingegangen wird, sei auf eine Nuance aufmerksam gemacht, die durch die zentrale Koordinate von Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit leicht verdeckt wird: Die Gefährdung für die Freiheit,

_____ 243 So der treffende Begriff von Schöneburg (2001) S. 41 f., der dort auf Wilhelm von Humboldt gemünzt ist und sich gegen die Begründer des deutschen Liberalismus richtet, mutatis mutandis aber auch hier gilt. 244 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 323 f. (Book III.ii.20, p. 395: “with all the liberty and security which law can give”). 245 Hayek (2005) GS B 3, S. 529 Fußnote 13. 246 Insofern verhält es sich ähnlich wie bei Wilhelm von Humboldt, für den die Freiheit wichtiger war als die Sicherheit; zutreffend Klenner (2009) S. 440. 247 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 560 ff. (Book IV.ix, p. 663 pp.). 248 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 571 (Book IV.ix.28, p. 674: “If a nation could not prosper without the enjoyment of perfect liberty and perfect justice, there is not in the world a nation which could ever have prospered.”). 249 Mestmäcker (2007) S. 22: “Adam Smith – contrary to Bentham – distinguishes the economic system from the legal order without however separating them. The link between the economic and legal systems is not left to the wisdom of government or the legislator. It follows from and is part of a system of natural liberty”.

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Sicherheit und Gerechtigkeit bezieht sich vorderhand nur auf die Alternative, dass das Gemeinwesen die gebotene Indienstnahme Privater „allzu weit treibt“ und damit in die Willkürsphäre der ihm Unterworfenen übergreift. Nicht minder wichtig ist aber die andere Möglichkeit staatlicher Pflichtvergessenheit („sie ganz und gar zu vernachlässigen“), die gleichfalls eine Schutzpflichtverletzung bedeutet, und zwar in moralischer Hinsicht als „anstößiger Frevel“ und in rechtlicher Hinsicht, gleichsam parallel dazu, als „Ordnungswidrigkeit“. Diese moralisch und rechtlich gebotene Pflicht zum staatlichen Einschreiten im Interesse des Schutzes des öffentlichen Friedens scheint zwar die Freiheit der Unterworfenen zu verletzen, weniger jedoch die Sicherheit und gewiss nicht die Gerechtigkeit. Man tritt dem von Smith Gemeinten wohl nicht zu nahe, wenn man annimmt, dass die ans Ende gesetzte Gerechtigkeit auch diese Alternative erfasst, so dass ein Unterschreiten des dem pflichtgemäßen Gesetzgeber eingeräumten Handlungsermessens zugleich einen Mangel an Gerechtigkeit bedeutet.250 Die Gerechtigkeit steht nach dieser Lesart gleichsam hinter der Klammer.

b) Die Rolle der Gleichheit Damit bleibt noch eine Frage offen, die bereits eingangs angedeutet wurde. Warum hat Smith in der Moralphilosophie die Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit hervorgehoben, im Wohlstand der Nationen jedoch an die Stelle der Sicherheit die Gleichheit gesetzt?

aa) Beleg für die Umschwungtheorie unter französischem Einfluss? Im Wohlstand der Nationen ist am Beispiel der Politik Colberts die Rede davon, dass seine Finanzpolitik zu einer merkantilistischen Gängelung führe, „anstatt jeden einzelnen die eigenen Interessen auf seine Weise verfolgen zu lassen, wie es den liberalen Vorstellungen über Gleichheit, Freiheit und Ge-

_____ 250 Dem widerspricht wohl auch nicht das, was zutreffend zusammengefasst wird von Walder (1943) S. 43 f.: „Während Smith unter der Freiheit die Enthaltung des Staates von allen ungerechten und damit unnatürlichen Maßnahmen gegenüber dem Einzelnen versteht, bedeutet ihm die Gleichheit die Enthaltung des Staates von jeder Förderung des Einzelnen; der Staat darf niemand auf Kosten eines anderen bevorzugen.“ – Das ist ein durchaus moderner Gedanke, weil damit zum Ausdruck kommt, dass sich schon die staatliche Bevorzugung des Einen als faktischer Eingriff in die Rechtsstellung des Anderen darstellen kann.

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rechtigkeit entspricht“.251 Ist dies womöglich ein Beleg dafür, dass es einen geistigen Umschwung bei Smith gegeben habe, wie die danach benannte Theorie meint? Dafür scheint zu sprechen, dass es sich gerade um die Auseinandersetzung mit der französischen Finanzpolitik handelt, und die Vertreter der Umschwungtheorie, wie erinnerlich, den Frankreich-Aufenthalt Smiths zum Wendepunkt erklärt haben.252 Dazu scheint zu passen, dass zuvor von den „Spekulationen einer Handvoll gelehrter und origineller Denker in Frankreich“ die Rede ist,253 mit denen sich Smith ja teilweise während des genannten Aufenthalts in Frankreich ausgetauscht hat.

bb) Interdependenz der Freiheit, Gleichheit und Sicherheit Dennoch wird man auch diese Verschiebung der Schutzzwecke nicht als Beleg für einen geistigen Umschwung verstehen können. Das ergibt sich aus einer späteren, vorderhand unscheinbaren, in Wirklichkeit aber wohl zentralen Stelle des Wohlstands der Nationen. Erst im Fünften Buch ist im Zusammenhang mit dem Justizwesen wieder die Rede von der Gleichheit.254 Das leuchtet ein, weil eine funktionierende Rechtspflege und unabhängige Justiz vom Prinzip der Gleichheit aller Rechtsunterworfenen getragen sein muss. Die genannte Textstelle ist aber vor allem deshalb weiterführend für die Beantwortung der Ausgangsfrage, weil sie auch auf die Sicherheit Bezug nimmt: „Aber gerade auf einem Rechtswesen, das alle gleich behandelt, beruht die Freiheit eines jeden, also der eigentliche Sinn der persönlichen Sicherheit.“255 Jetzt wird klar, wie Gleichheit und Sicherheit miteinander zusammenhängen, und vor allem, wie sie auf die Freiheit bezogen sind: Die Sicherheit, von der bisher durchweg die Rede war, besteht gar nicht für sich, sondern soll die Freiheit zur Geltung bringen. Ihr Zweck ist die Freiheit. Diese wiederum kann nicht bestehen, wenn und solange nicht alle Rechtsunterworfenen prinzipiell

_____ 251 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 560 (Book IV.ix.3, p. 664: “instead of allowing every man to pursue his own interest his own way, upon the liberal plan of equality, liberty and justice”). Zum Begriff des Interesses bei Smith Hirschman (1987) S. 79. 252 Brentano (1877) S. 61; unter Verweis auf Helvetius (1758). 253 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 560 (Book IV.ix.2, p. 663: “speculations of a few men of great learning and ingenuity in France.”). 254 Siehe zum Ganzen auch Danford (1980) S. 674. 255 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 611 f. (Book V.i.b.25, p. 722 pp.: “But upon the impartial administration of justice depends the liberty of every individual, the sense which he has of his own security.”).

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gleichrangig sind und Gleichheit vor dem Gesetz besteht.256 Wenn im allmählichen Verlauf der Untersuchung die Gleichheit an die Stelle der Sicherheit tritt, ist dies also keine Abkehr von der Moraltheorie und der über weite Teile des Wohlstands der Nationen vorherrschenden Formel von der Freiheit und Sicherheit, sondern eine Präzisierung dessen. Gleichheit der Rechtsunterworfenen vor dem Gesetz ist Bedingung der Freiheit.

cc) Zusammenfassung Es besteht somit im Hinblick auf Freiheit, Gleichheit, Sicherheit und Gerechtigkeit eine Interdependenz im Sinne einer Abhängigkeit der einzelnen Elemente des Systems der Freiheit. Einer der führenden Smith-Biographen macht auf eine Vorlesungsreihe aufmerksam, die Smith in Edinburgh am Beispiel der Astronomie über die Geschichte der Naturwissenschaft und der Philosophie hielt, in der er ausgehend von Humes Theorie der Theoriebildung zum Systembegriff Stellung bezog. Danach sollten Systeme keine Voraussagen treffen, sondern die Phantasie befriedigen, die ihrerseits die im Wechsel von Staunen, Bewunderung und Überraschung ausgelöste Flut der Ideen ordne.257 Nur so könne das System zur Einheit des Denkens beitragen und zugleich die Reaktionen auf die wahrgenommenen Objekte intensivieren und den teilnehmenden Leser zugleich durch „die Irrgärten der Philosophie“ geleiten.258 Adam Smith versteht also die Gleichheit als Grund der Freiheit und die Sicherheit als Sinn der Freiheit. Nur in diesem Gefüge ist Gerechtigkeit herstellbar. Das entspricht auch dem weiter oben Gesagten, wonach die Gerechtigkeit gleichsam hinter der Klammer steht. Zugleich gewährleistet die Gleichheit vor dem Gesetz als Bedingung der Freiheit, dass jeder unter dem Schutz des Gesetzes größtmögliche wirtschaftliche Betätigungsfreiheit genießt. Gleichheit bedeutet für Smith also nicht, dass alle von Staats wegen gleich viel haben, sondern prinzipiell gleiche Ausgangsbedingungen (auch) für wirtschaftlichen Erfolg vorfinden.

_____ 256 Mestmäcker (2007) S. 17: “The interdependence of a system of Justice and an economic system based upon ‘natural liberties’ was best articulated by Adam Smith. (…) The exact administration of justice is not identical with the economic system but is its foundation. It follows that there is no natural harmony between law as the source of justice and economics as the source of welfare”. 257 Sen (2003) S. 314, zieht diese Theorie einleuchtend für einen „Kodex guten Geschäftsgebarens“ heran. 258 Ross (1998) S. 22.

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8. Regeln der Rechtlichkeit Eine rechtstheoretische Einsicht, die in ihrer Allgemeingültigkeit noch nicht hinreichend gewürdigt worden ist, betrifft die Frage, welche Wirkung die Erfüllung der Gebote der Gerechtigkeit nach sich zieht. Aus dem vorderhand nur negatorischen Sollenssatz, nichts Böses, Schädliches etc. zu tun, folgt – abgesehen von der billigenswerten Rechtskonformität – noch nichts Positives. Es verwundert nicht, dass Adam Smith dies annähernd ökonomisch dadurch ausdrückt, dass „die Rechtlichkeit aber kein wirkliches, positives Gut schafft“.259

a) Verschwiegenheitspflichten und Wettbewerbsverbote Die Beachtung des neminem laedere zeitigt also allem Anschein nach keinen positiven Effekt. Und doch mündet diese scheinbar triviale Einsicht in eine Sentenz von solcher Allgemeingültigkeit, dass man sich wundert, dass sie nicht öfter zitiert wird:260 „Wir können oft alle Regeln der Rechtlichkeit oder Gerechtigkeit dadurch erfüllen, dass wir still sitzen und nichts tun.“261 Rechtsdogmatisch lässt sich diese bemerkenswerte Erkenntnis etwa auf die Fälle der Verletzung von Verschwiegenheitspflichten übertragen, die durch bloße Untätigkeit erfüllbar sind. Wie richtig dies ist, zeigt der Fall des früheren Vorstandssprechers der Deutschen Bank der öffentlich die Kreditwürdigkeit eines Kreditkunden anzweifelte und damit eine Loyalitätspflichtverletzung des Kunden beging.262 Auch hier gilt das Wort von Adam Smith: „Der Mann, der sich bloß enthält, die Person, das Vermögen oder den guten Ruf seines Nächsten zu verletzen, der erwirbt damit sicherlich wenig positives Verdienst. Und doch erfüllt er alle Regeln der Tugend, die man im eigentlichen Sinne Rechtlichkeit nennt.“ 263 Auf vertragliche Wettbewerbsverbote

_____ 259 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 121 (TMS II.ii.1.9: “it (sc. justice) does no real positive good”). 260 Siehe aber Streminger (1988) S. 67. 261 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 121 (TMS II.ii.1.9: “We may often fulfil all the rules of justice by sitting still and doing nothing.”). 262 BGHZ 166, 84; dazu Petersen (2005 a) S. 5 ff.; ders. (2003 a) S. 1570; ders. (2004 a) S. 47. 263 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 121 (TMS II.ii.1.9: “The man who barely abstains from violating either the person, or the estate, or the reputation of his neighbours, has surely very little positive merit. He fulfils, however, all the rules of what is peculiarly called justice”).

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kann man Smiths Dictum ebenfalls ohne weiteres übertragen: Wer sich vertraglich verpflichtet hat, während einer bestimmten Karenzzeit kein gleichgerichtetes Gewerbe zu betreiben, kann alle Gebote der Rechtlichkeit dadurch erfüllen, dass er sich jeglicher Tätigkeit enthält und somit gar nichts tut. Überspitzt gesagt, ruht die Tonstelle bei den Verschwiegenheitspflichten auf dem „still“ und bei den Wettbewerbsverboten auf dem „sitzt“. Eine dogmatisch reizvolle Frage wäre, ob die Schutzwirkung bei solchen Vertragsverletzungen unter bestimmten Voraussetzungen auf Dritte – etwa innerhalb eines Konzerns – erstreckt werden könnte, weil die zugrundeliegende Pflicht so leicht, nämlich durch schiere Untätigkeit, erfüllbar ist. Dies kann hier nicht vertieft werden, offenbart aber den eminenten rechtstheoretischen Gehalt der so einfach anmutenden Einsicht Smiths.

b) Pflicht zur Genauigkeit Smith hat noch eine weitere Pflicht herausgearbeitet, die sich aus den Regeln der Gerechtigkeit ergibt. Diese Pflicht ist in der Weise handlungsbestimmend, dass die Gerechtigkeit ohne ihre Erfüllung nicht oder nur unvollkommen verwirklicht werden kann. Gerechtigkeit kann demnach nur im Wege genauester Pflichterfüllung hergestellt werden: „Die Regeln der Gerechtigkeit sind im höchsten Grade genau und lassen keine anderen Ausnahmen oder Modifikationen zu, als solche, die ganz ebenso genau bestimmt werden können wie die Regeln selbst, und die im Allgemeinen tatsächlich aus ganz den gleichen Prinzipien fließen wie diese.“264 Der Schuldner kann sich also im Rahmen der Erfüllung keine Änderungen des Leistungsinhalts ausbedingen, die nicht im Vorhinein vereinbart waren oder zumindest in der Weise bestimmbar waren, dass die Bestimmung durch den Schuldner die Belange des Gläubigers verletzen könnte. Pflichten die sich als Gebote der Gerechtigkeit darstellen, müssen also passgenau erfüllt werden. Diese zentrale Stelle ist bereits von anderer Seite für die Rechtstheorie fruchtbar gemacht und in Beziehung zu den unter-

_____ 264 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 266 (TMS III.6.10: “The rules of justice are accurate in the highest degree, and admit of no exceptions or modifications, but such as may be ascertained as accurately as the rules themselves, and which generally, indeed, flow from the very same principles with them.”). Zur positiven Auswirkung der Genauigkeit und Pünktlichkeit in den Lectures on Jurisprudence siehe Hirschman (1987) S. 116 m. w. N.

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schiedlichen Konzepten von Hart und Dworkin gesetzt worden,265 worauf hier verwiesen werden kann.266

aa) Weitumspannendes Gerechtigkeitsgebot Inmitten seiner Moralphilosophie zeigt sich der geschulte Jurist, der zur Verdeutlichung nicht von ungefähr das Beispiel eines Darlehens gibt, bei dem die Valuta bestimmt und die Fälligkeit zumindest bestimmbar ist: „Wenn ich einem Menschen zehn Pfund schulde, dann verlangt die Gerechtigkeit, dass ich ihm ganz genau zehn Pfund zahle, sei es zu der Zeit, die wir vereinbart haben, sei es, wann er es fordert.“267 Es ist also eine Forderung der Gerechtigkeit selbst und nicht nur eine solche, die aus dem Vertrag folgt; dieser mag der Rechtsgrund sein, jene verkörpert das dahinter stehende moralische Postulat. Den Regeln der Gerechtigkeit „gebührt die heiligste unverbrüchlichste Achtung; und niemals werden die Handlungen, welche diese Tugend fordert, richtiger vollbracht, als wenn der Hauptbeweggrund zu ihrer Vollbringung eine ehrfurchtsvolle, heilige Achtung gegen jene allgemeine Regeln war, die diese Handlungen verlangen.“268 In diesem weitumspannenden Gerechtigkeitsgebot liegt zugleich der Ausschluss haarspalterischer Spitzfindigkeit begründet, die dem Berechtigten unter Vorwänden und Ausflüchten versagt, was er verlangen kann: „Möge auch der Zweck der Regeln der Gerechtigkeit der sein, uns von einer Schädigung unseres Nächsten abzuhalten, so kann es doch häufig sogar dann ein Verbrechen sein, diese Regeln zu verletzen, wenn wir selbst mit einem gewissen Anschein von Berechtigung vorgeben könnten, dass die Verletzung der Regel in diesem besonderen Fall keinen Schaden tun könne.“269

_____ 265 Hart (1963) S. 136, einerseits; Dworkin (1977) S. 24 f., andererseits. 266 Brühlmeier (1988) S. 67 f., 70 f., verweist zudem zur Untermauerung seiner handlungstheoretischen Exposition des Problems auf Raz (1980) S. 41. 267 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 266 (TMS III.6.10: “If I owe a man ten pounds, justice requires that I should precisely pay him ten pounds, either at the time agreed upon, or when he demands it.”). 268 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 266 f. (TMS III.6.10: “the most sacred regard is due to them; and the actions which this virtue requires are never so properly performed, as when the chief motive for performing them is a reverential and religious regard to those general rules which require them.”). 269 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 267 (TMS III.6.10: “Though the end of the rules of justice be, to hinder us from hurting our neighbour, it may frequently be a crime to violate

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bb) Rechtsethisches Gebot Dieses rechtsethische Gebot kann etwa bei der Anerkennung einer teleologischen Reduktion Bedeutung erlangen. Gerade wenn von dem durch die Nichtanwendung der Regel Begünstigten vorgegeben wird, dass der Zweck der Regelung gebiete, gerade in Fällen der vorliegenden Art von der Anwendung der Rechtsfolge abzusehen, ist Vorsicht angezeigt. So kann sich etwa ergeben, dass eine Vorschrift bei entsprechend haarspalterischer Auslegung gar keinen Anwendungsbereich mehr hätte: „Ein Mann wird oft in dem Augenblick ein Schurke, in dem er anfängt – sei es auch nur in seinem Herzen – sich auf derartige Spitzfindigkeiten einzulassen.“270 Es gibt für Smith keine Bagatellklausel, diesseits derer Ungenauigkeiten hinnehmbar wären und jenseits derer erst die Immoralität begänne: Geht es um die Gerechtigkeit, so „ist gerade derjenige der am wenigsten klügelt, und sich vielmehr mit der hartnäckigsten Festigkeit an die allgemeinen Regeln selbst hält, der lobenswerteste und zuverlässigste.“271 Genauigkeit der Pflichterfüllung und das Absehen von jedweder Klauberei zur Erleichterung eigener Verbindlichkeiten bilden insoweit also den kategorischen Imperativ Smiths.

c) Gerechtigkeit als Grammatik Immer wieder versteht es Smith, rechtstheoretische Einsichten sprachphilosophisch darzustellen,272 wie es überhaupt ein Kennzeichen großer Rechtsdenker ist, den Zusammenhang zwischen Recht und Sprache lange vor der Zeit gesehen und hergestellt zu haben:273 „Die Regeln der Gerechtigkeit können mit den Regeln der Grammatik verglichen werden (...). Ein Mensch kann nach Regeln grammatikalisch richtig schreiben lernen, und zwar mit absoluter Unfehlbarkeit und ebenso kann er vielleicht gelehrt werden, gerecht zu

_____ them, though we could pretend, with some pretext of reason, that this particular violation could do no hurt.”). 270 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 267 (TMS III.6.10: “A man often becomes a villain the moment he begins, even in his own heart, to chicane in this manner.”). 271 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 267 (TMS III.6.10: “the man who in that refines the least, and adheres with the most obstinate stedfastness to the general rules themselves, is the most commendable, and the most to be depended upon.”). 272 Brühlmeier (1988) S. 38, bemerkt zutreffend eine „diskursive Strukturierung“, wobei gerade in der Moraltheorie eine „frappante sprachliche Entsprechung zwischen Ethik und Recht“ bestehe. 273 Im Hinblick auf Nietzsche und Dante etwa Petersen (2008 b) S. 129 ff.; ders. (2011) S. 86 ff.

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handeln.“274 Gerechtigkeit ist demnach erlernbar, aber sie muss in allen Verästelungen durchdrungen werden, um wahrhaft beherrscht zu werden.275 Adam Smith hat damit auf einen Zusammenhang – den zwischen Gerechtigkeit und Grammatik – aufmerksam gemacht, der zwar schon seit alters her geläufig war, aber soweit ersichtlich erst seit kurzem – übrigens auch von einem Forscher, der sich Smiths Rechtstheorie zugewandt hat276 – ansatzweise wissenschaftlich diskutiert wird.277 Hayek hat dies der Sache nach schon bedacht, wenn er in einem Beitrag zu bedenken gab, dass „auch das Ausmaß in dem die Rechtstheorie seit der römischen Antike durch Vorstellungen befruchtet wurde, die von den Grammatikern entlehnt waren, verdienen würde, besser erfasst zu werden, als es der Fall ist“278 und in einem früheren Beitrag – dort mit Bezug auf Adam Smith – darauf aufmerksam gemacht, dass „Smith einen beachtlichen Platz in der Entwicklung der Theorie der Sprache einnehme“, was sich hier auf rechts- und sprachtheoretischer Ebene bestätigt.279 Die Gewinnung dieser Einsicht ist durchaus typisch für Smiths rechtstheoretisches Vorgehen: Im erkennbaren Bemühen um größtmögliche Verständlichkeit stellt er theoretischen Reflexionen einleuchtende Beispiele an die Seite und gelangt so nicht selten zu einem neuen Gesichtspunkt, der das Beispiel farbiger und die Theorie lebendiger macht.

9. System positiver Gesetze Für Adam Smith gehört zum Gemeinwesen auch ein System positiver Gesetze, das sich als nötig erweist, um die mit dem persönlichen Streben nach Wohlstand und sozialer Achtung einhergehende Beeinträchtigung der Anderen auszugleichen und sinnvoll zu beschränken.

_____ 274 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 268 (TMS III.6.11: “The rules of justice may be compared to the rules of grammar (…). A man may learn to write grammatically by rule, with the most absolute infallibility; and so, perhaps, he may be taught to act justly.”). 275 Zum Zusammenhang zwischen Grammatik und praktischer Beherrschung juristischer Methodenlehre Petersen (2009) S. 295. 276 Stein (1966) Kapitel 3 S. 49; ders. (1979 a) S. 621, 628. 277 Hankings-Wolgast (1987). 278 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 24. 279 Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 11 Fußnote 10.

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a) Bindung des Wohlstands der Nationen an die Moraltheorie Es ist letztlich die im Wohlstand der Nationen innerhalb des Systems der natürlichen Freiheit bestehende „Pflicht, bestimmte öffentliche Anstalten und Einrichtungen zu gründen und zu unterhalten, die ein einzelner oder eine kleine Gruppe aus eigenem Interesse nicht betreiben kann.“280 Das ist letztlich nichts anderes als soziale Marktwirtschaft.281 Dabei geht es beispielsweise um Straßenbau oder Gesundheitsvorsorge.282 Von der Pflicht zur Errichtung und Erhaltung bestimmter Institutionen wird weiter unten bei der Behandlung des Wohlstands der Nationen noch ausführlich die Rede sein. Sie ist der beste Beleg dafür, dass Smith alles andere als ein radikaler Manchester-Liberaler war, weil er sich eben der moralphilosophischen Wurzel und Verantwortung seiner Theorie bewusst war.283

aa) Moralphilosophie als Fundament des Staates Diese Stelle konvergiert mit der oben behandelten aus der Theorie der ethischen Gefühle,284 so dass man beispielhaft erkennen kann, dass der Verfasser des Wohlstands der Nationen kein anderer ist als jener, der die Theorie der ethischen Gefühle begründet hat, sondern vielmehr diese die moralphilosophische – aber eben auch den Gesetzgeber potentiell bindende – Grundlage des Wohlstands der Nationen darstellt. Dieses System positiver Gesetze, dessen Merkmal die gemeinsame Geltung ist, ist letztlich gleichbedeutend mit dem Staat, dessen Notwendigkeit Adam Smith moralphilosophisch begründet:285 „Jedes System des positiven Rechts kann als ein mehr oder weniger unvollkommener Versuch zu einem System des Naturrechts betrachtet werden oder zu einer Aufzählung der Regeln der Gerechtigkeit. Da die Verletzung der Gerechtigkeit ein Verhalten ist, das die Menschen niemals voneinander ruhig hinnehmen werden, ist die Obrigkeit gezwungen, die Macht des Gemeinwe-

_____ 280 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 582 (Book IV.ix.51, p. 687 pp.: “the duty of erecting and maintaining certain publick works and certain publick institutions, which it can never be for the interest of any individual, or a small number of individuals, to erect and maintain”). 281 Dahrendorf (1984) S. 102, 104; Fikentscher (1997) S. 16. 282 Hayek (2005) GS B 3, S. 308 unter ausdrücklicher Bezugnahme der Stelle bei Smith. Siehe zur Gesundheitsvorsorge in Smiths Modell auch Kennedy (2005) S. 224 ff. 283 Küng (2010) S. 58: „In der Auseinandersetzung zwischen den regierenden Tories unter Benjamin Disraeli und den sozial gesinnten Handelsliberalen in Manchester unter Richard Cobden hätte er aufseiten des letzteren gestanden“. 284 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 120 (TMS II.ii.1. 8 pp.). 285 Siehe auch Skinner (1974).

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sens dazu zu verwenden, um die Übung dieser Tugend zu erzwingen.“286 Der Staat ist also nicht zuletzt diejenige Institution, die der Tugend der Gerechtigkeit allgemeine Geltung verschaffen soll; wenn es nötig ist mit Gewalt, aber immer in voller Verantwortung für das moralische Wohl der Rechtsunterworfenen: „Die Weisheit eines jeden Staates oder Gemeinwesens strebt, so gut sie kann, die Gesellschaftsgewalt dazu zu verwenden, um diejenigen, welche ihrer Autorität unterworfen sind, davon zurückzuhalten, die Glückseligkeit der anderen zu verletzen oder zu stören.“287 Wie dies vonstatten geht, zeigt Smith in einer Weise, welche Ronald Dworkins Unterscheidung zwischen principles und rules vorwegzunehmen scheint:288 „Die Regeln, welche der einzelne Staat oder das einzelne Land für diesen Zweck festsetzen, bilden sein bürgerliches und sein Strafgesetz. Die Grundsätze, auf welche sich diese Regeln gründen sollten, machen den Gegenstand einer besonderen Wissenschaft aus, die von allen Wissenschaften die weitaus wichtigste ist, die bisher jedoch vielleicht am wenigsten gepflegt wurde, nämlich der Wissenschaft vom Naturrecht.“289 Hayek spricht im Hinblick auf diese Stelle davon, „dass all dies notwendige Eigenschaften jener Regeln gerechten Verhaltens sind, die das Fundament einer spontanen Ordnung bilden, sich aber nicht bei jenen Organisationsregeln finden, die das öffentliche Recht ausmachen“.290 Diese Stelle der Theorie der ethischen Gefühle, von der eingangs der Untersuchung schon einmal beiläufig die Rede war, entfaltet hier ihre eigentliche Bestimmung. Der natur-

_____ 286 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 (TMS VII.iv.36: “Every system of positive law may be regarded as a more or less imperfect attempt towards a system of natural jurisprudence, or towards an enumeration of the particular rules of justice. As the violation of justice is what men will never submit to from one another, the public magistrate is under a necessity of employing the power of the commonwealth to enforce the practice of this virtue.”). 287 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2: “The wisdom of every state or commonwealth endeavours, as well as it can, to employ the force of the society to restrain those who are subject to its authority, from hurting or disturbing the happiness of one another.”). 288 Dworkin (1977); ders. (1986 b); ders. (1986 a); ders. (2000). Allerdings hat Brühlmeier (1988) S. 68 ff., 74 f., eingehend gezeigt, dass man Smiths Verständnis von principles bzw. rules durchaus auch im Sinne von Dworkins Antipoden H. L. A. Hart interpretieren kann. Er bezieht außerdem MacCormick (1982 b) S. 137, mit ein. 289 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2: “The rules which it established for this purpose, constitute the civil and criminal law of each particular state or country. The principles upon which those rules either are, or ought to be founded, are the subject of a particular science, of all sciences by far the most important, but hitherto, perhaps, the least cultivated, that of natural jurisprudence”). 290 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 186, 522.

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rechtliche Hintergrund ist stets stärker als jegliche ökonomische oder utilitaristische Rückbindung. Die staatliche Macht und ihr Rechtszwang steht so im Dienst der naturrechtlich begründeten Gerechtigkeit. Die durch das Naturrecht geleitete Moralphilosophie erweist sich so für Smith als Fundament des Staates, dessen Zurückhaltung gegenüber wirtschaftslenkenden Eingriffen letztlich dadurch zu rechtfertigen ist, dass das Gesetz die Rechte des Einzelnen auf den naturrechtlich gebotenen und moraltheoretisch begründeten Schutz seiner Person und seines Eigentums verbrieft.

bb) Behandlung der Moralphilosophie im Wohlstand der Nationen Nicht von ungefähr behandelt Smith dort, wo man es am wenigsten erwarten sollte, nämlich im Wohlstand der Nationen innerhalb des Buchs über die Staatsfinanzen, kursorisch die Moralphilosophie: „Zu jeder Zeit und überall in der Welt muss sich der Mensch mit der Eigenart, der Vorstellung und dem Handeln des Anderen beschäftigt haben und viele beachtliche Regeln und Maximen für menschliches Verhalten und Zusammenleben entwickelt haben.“291 Dieser noch vergleichsweise allgemein gehaltene Satz, der mit Bedacht so neutral formuliert ist, dass es wundert, wie man Smith als Begründer des homo oeconomicus auffassen konnte,292 hat gleichsam die Funktion eines Bindeglieds zwischen dem Gegenstand der Untersuchung – dem Wohlstand der Nationen – und der Moralphilosophie, auf deren Inhalt Smith im Folgenden näher eingeht: „Die Grundsätze menschlichen Zusammenlebens wurden methodisch geordnet und durch wenige Fundamentalprinzipien miteinander verknüpft, genau so, wie die Phänomene der Natur geordnet und verbunden worden waren. Die Wissenschaft, die solche verknüpfenden Prinzipien zu erforschen und zu erklären vorgibt, wird als die eigentliche Moralphilosophie angesehen.“293

_____ 291 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 652 (Book V.i.f.25, p. 768: “In every age and country of the world men must have attended to the characters, designs, and actions of one another, and many reputable rules and maxims for the conduct of human life, must have been laid down and approved of by common consent.”). 292 Manstetten (2004) S. 233; dagegen zutreffend Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 13; Sen (2010) S. 212 f. 293 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 653 (Book V.i.f.25, p. 769: “The maxims of common life were arranged in some methodical order, and connected together by a few common principles, in the same manner as they had attempted to arrange and connect the phenomena of nature. The science which pretends to investigate and explain those connecting principles, is what is properly called moral philosophy.”).

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Jeder andere Autor hätte an Smiths Stelle wohl einfach auf seine Theorie der ethischen Gefühle verwiesen, während er sich im Lauf der mehrseitigen Darstellung der Moralphilosophie jeden Hinweis darauf versagt. Es ist aber womöglich nicht nur die persönliche Bescheidenheit, sondern auch das Ziel einer Klarheit der wissenschaftlichen Methode, die er in der Moralphilosophie schon und in der Ökonomie noch nicht verwirklicht sieht, die ihn zu diesem Exkurs veranlasst, durch den zugleich der innere Zusammenhang zwischen beiden Werken veranschaulicht wird. Die etablierte Methode der Ermittlung von Fundamentalprinzipien und deren Verknüpfung untereinander konnte er ebenso gut am Beispiel des Rechts zeigen, wo sich gleichfalls eine Art der Prinzipienjurisprudenz festmachen lässt,294 und hat dies auch an späterer Stelle im Hinblick auf das Römische Recht unternommen.295 Hier wie dort sah er denselben System- und Wissenschaftsanspruch wirken, den zu begründen, er im Bereich der Nationalökonomie unternommen hatte.296

b) Gerechtigkeit und Fairness Daher ist interessant, dass Smith die im System positiver Gesetze zusammengefasste Ordnung auch in der Theorie der ethischen Gefühle propagiert: „In dem Wettlauf nach Reichtum, Ehre und Avancement, da mag er rennen, so schnell er kann und jeden Nerv und jeden Muskel anspannen, um all seine Mitbewerber zu überholen. Sollte er aber einen von ihnen niederrennen oder zu Boden werfen, dann wäre es mit der Nachsicht der Zuschauer ganz und gar zu Ende. Das wäre eine Verletzung der ehrlichen Spielregeln, die sie nicht zulassen könnten.“297 Mestmäcker kommentiert diese Stelle treffend, dass man es „mit einer Grundlage Smith’scher Rechtstheorie zu tun habe“, einer Einsicht, die er damit vorbereitet hatte, dass „Recht und Rechtssystem dem Wirtschaftsprozess mithin nicht als abstrakte normative Prinzipien entgegengesetzt, sondern in sozialer Interaktion entwickelt werden.“298 Das liegt nicht zuletzt darin begründet, dass Smith hier die Unerlässlichkeit einer „Rahmen-

_____ 294 Brühlmeier (1988) S. 50 Fußnote 41, unter Verweis auf MacCormick (1982 b) S. 96 f. 295 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 659 f. (Book V.i.f.40, p. 774 pp.) 296 Fitzgibbons (1995) S. 133. 297 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 124 (TMS II.ii.2.1: “In the race for wealth, and honours, and preferments, he may run as hard as he can, and strain every nerve and every muscle, in order to outstrip all his competitors. But if he should justle, or throw down any of them, the indulgence of the spectators is entirely at an end. It is a violation of fair play, which they cannot admit of.”). 298 Mestmäcker (1978) S. 139, 157 f.

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ordnung mit rechtlichen Spielregeln“ postuliert.299 Zur rechtstheoretischen Fundierung gehört auch, dass diese rechtlichen Regeln von Staats wegen durchsetzbar sind.300 Die am Wettbewerb ausgerichtete Einschätzung Smiths, die mit dem Ziel des Reichtums argumentiert, hätte man wohl eher im Wohlstand der Nationen vermutet; dort wäre die Anerkennung und Zugrundelegung bestimmter Gesetze als Spielregeln im freien Spiel der Kräfte ohne weiteres einleuchtend, und dort wäre dann auch der Verweis auf das fair play naheliegend. Dass Smith dies aber gerade in der Theorie der ethischen Gefühle für einen unerlässlichen Hinweis hält, veranschaulicht nicht nur den inneren Kausal- und Verweisungszusammenhang beider Werke, sondern auch ein gewisses Vorrangverhältnis. Dahinter scheint auch der später von John Rawls ausgearbeitete Gedanke der Gerechtigkeit als Fairness zu stehen.301 Doch ist zum Einen zu berücksichtigen, dass Rawls’ zentrale Einwände gegen den Utilitarismus am Beispiel des impartial spectator von und gegen Smith formuliert.302 Die darin enthaltene Prämisse, dass Smith Utilitarist gewesen sei,303 ist jedoch – wie bereits dargestellt – schwerlich begründbar, weil sie dessen moraltheoretisches Anliegen nicht hinreichend in Betracht zieht.304 Zum Zweiten hat Amartya Sen zuletzt Rawls’ institutionell geprägtes Verständnis eingehend der moraltheoretischen Konzeption von Smith gegenüber gestellt und bei allen vordergründigen Gemeinsamkeiten tiefgreifende konzeptionelle Unterschiede ausgemacht. Überhaupt schien Rawls mit dem individualistischen Ansatz Adam Smiths vergleichsweise – etwa im Hinblick auf Kant – wenig anfangen zu können, wie die eher pauschale Nennung in seiner Gerechtigkeitstheorie und seine Nichterwähnung im Rahmen der Behandlung des politischen Liberalismus erahnen lässt.305 Darauf kann hier verwiesen werden.306 Soweit diese Besonderheiten für das rechtstheoretische Verständnis von

_____ 299 Mathis (2009) S. 112; Hervorhebung auch dort. Wichtig auch Stürner (2007) S. 11: „Die Rechtssetzung steht insoweit durchaus im Dienste des Marktgedankens, sie reglementiert nicht etwa das Marktgeschehen inhaltlich, sondern will nur für faire Spielregeln sorgen.“ (Hervorhebung nur hier) – Das ist exakt im Sinne Smiths. 300 Recktenwald (1986 a) S. 46 f. 301 Rawls (1979). 302 Skeptisch Mestmäcker (1978) S. 139, 160. 303 Rawls (1979) S. 45. 304 Brüsk Trapp (1987) S. 95 Fußnote 21: „Als Smith-Interpretation völlig verfehlt daher die Aussage von Rawls (…), der Smith als Utilitaristen behandelt“. 305 Rawls (1994). 306 Sen (2010) S. 163 ff.

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Adam Smith paradigmatische Bedeutung haben, werden und wurden sie hier im Text dargestellt. Jedenfalls bestätigt sich hier, dass gerade die individualistische Prägung der Moraltheorie Smiths auch seine Rechtstheorie maßgeblich gestaltet.307

c) Vergleich mit dem Schachspiel Im Übrigen hat Smith den Gedanken einer solchen ‚Spieltheorie‘ avant la lettre – wenngleich natürlich anders verstanden als das, was die Wirtschaftswissenschaften heute als solche bezeichnen308 – an späterer Stelle seiner Theorie noch am Beispiel des Schachspiels ausgeführt und insbesondere auf das Recht in einer Weise angewandt,309 die aufgrund ihrer Plastizität im Original wiedergegeben zu werden verdient: Smith geht davon aus, „dass auf dem großen Schachbrett der Gesellschaft jede einzelne Figur ein eigenes Bewegungsprinzip besitzt, das durchaus von demjenigen verschieden ist, welches der Gesetzgeber nach seinem Gutdünken ihr auferlegen möchte. Wenn diese beiden Prinzipien zusammenfallen und in der gleichen Richtung wirken, dann wird das Spiel der menschlichen Gesellschaft leicht und harmonisch vonstatten gehen und wahrscheinlich glücklich und erfolgreich sein. Wenn sie einander entgegengesetzt oder auch nur voneinander abweichend sind, dann wird das Spiel sehr schlecht vorwärts gehen und die Gesellschaft muss sich dann jederzeit in höchster Unordnung und Verwirrung befinden.“310 Am Beispiel des Schachspiels wird hier ein natürliches und harmonisches Gesellschaftsmodell vorgestellt, dem sich auch die Gesetzgebung zu fügen hat. Es ist nicht das ungehemmt freie Spiel der Kräfte, das hier propagiert wird, sondern eine gesamtgesellschaftliche Harmonie, die nur entsteht,

_____ 307 Brühlmeier (1988) S. 48. 308 Mathis (2009) S. 119, hat anhand der Spieltheorie das Prinzip der unsichtbaren Hand veranschaulicht. Pointiert in diesem Zusammenhang übrigens Kennedy (2005) S. 106: “Thousands of graduate economists who can reproduce the Nash Theorem in all its simplistic elegance (…) cannot discuss Adam Smith’s presentation of the progress”. 309 Lindgren (1969) S. 897, 912 bezieht sie auch auf die invisible hand. 310 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 396 (TMS VI.ii.2.17: “in the great chessboard of human society, every single piece has a principle of motion of its own, altogether different from that which the legislature might chuse to impress upon it. If those two principles coincide and act in the same direction, the game of human society will go on easily and harmoniously, and is very likely to be happy and successful. If they are opposite or different, the game will go on miserably, and the society must be at all times in the highest degree of disorder.”).

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wenn keine gesetzgeberische Willkür sie behindert, allerdings auch nur unter der Voraussetzung gesetzlich gewährleisteter Sicherheit. Hayek hat am Beispiel dieser von ihm wiederholt zitierten311 Stelle der Theorie der ethischen Gefühle den Wirkungszusammenhang der gesellschaftlichen Kräfte nicht von ungefähr am Beispiel der gesetzlichen Regeln und Beschränkungen dargestellt, der die Freiheit zugleich bedingt und begrenzt: „Der Rahmen gesetzlicher Regeln und alle die verschiedenen Einrichtungen, die der Bildung der Marktordnung dienen, können nur ihren allgemeinen, abstrakten Charakter festlegen, aber nicht ihre Wirkung auf bestimmte Individuen und Gruppen im einzelnen.“312 Es ist wichtig, auch in diesem Zusammenhang herauszustellen, dass es einen solchen Rahmen der gesetzlichen Regelungen nach Hayeks zutreffender Zusammenfassung des Smithschen Standpunkts gibt, wie er sich auch in diesem Vergleich mit dem (Schach-)Spiel darstellt. Das Hindernis gesellschaftlicher Blockaden in dem von Smith angeführten buchstäblichen Beispiel geht daher nicht von jedweder legislatorischer Reglementierung aus. Vielmehr ist es gerade die doktrinäre Form einer Planwirtschaft, die das produktive und harmonische Miteinander stört und die gesellschaftlichen Kräfte lähmt: „Der Parteidoktrinär dagegen pflegt in seinen eigenen Augen sehr weise zu sein und ist oft so verliebt in die eingebildete Schönheit seines bloß vorgestellten Regelungsplanes, dass er nicht die geringste Abweichung von diesem Plan verträgt – und wäre es auch nur in bezug auf irgendeinen Teil desselben.“313 Diese Stelle hätte Hayek ohne weiteres für seine Sozialismuskritik ins Feld führen können, wo er etwa zu bedenken gibt, dass wir uns „mit rasender Geschwindigkeit nicht nur von den Anschauungen von Cobden und Bright, Adam Smith und Hume (…) entfernen, sondern auch von einem Kernstück der abendländischen Natur“.314 Er hat die Smithsche Sentenz aber interessanterweise erst in seinem von der Rechtswissenschaft noch viel zu wenig berücksichtigten Werk über ‚Recht, Gesetz und Freiheit‘ dem 2. Kapitel vorangestellt.315

_____ 311 Hayek (2003 b) GS A 4, S. 35, 43; ders. (2003 b) GS A 4, S. 132, 139. 312 Hayek (2002) GS A 5, S. 88, 104. 313 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 395 f. (TMS VII.ii.2.17: “The man of system, on the contrary, is apt to be very wise in his own conceit; and is often so enamoured with the supposed beauty of his own ideal plan of government, that he cannot suffer the smallest deviation from any part of it.”). Die Stelle gehört wohl zu Smiths Kritik am Merkantilismus; dazu instruktiv Heinemann (1996) S. 10 m. w. N. 314 Hayek (2004 a) GS B 1, S. 16; siehe auch S. 33. 315 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 37, 493.

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IV. System des Naturrechts

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IV. System des Naturrechts IV. System des Naturrechts Wie wichtig das Naturrecht für Adam Smith war, wurde bereits eingangs dargestellt und zeigt sich nicht zuletzt an folgender Stelle: „Jedes System des positiven Rechts kann als ein mehr oder minder unvollkommener Versuch zu einem System des Naturrechtes betrachtet werden, oder zu einer Aufzählung der einzelnen Regeln der Gerechtigkeit.“316 Interessant daran ist zunächst der dahinter stehende Systemgedanke, der das positive Recht mit dem Naturrecht verklammert.317 Das positive Recht kann jedoch das Naturrecht nicht befriedigend und erschöpfend abbilden: „Die positiven Rechtsordnungen können (...) niemals als genau zutreffende Systeme des Naturrechts betrachtet werden.“318 Dieser approximative Charakter des positiven Rechts schafft eine der Smithschen Rechtstheorie gleichsam immanente Distanz des gesetzten Rechts zur natürlichen Gerechtigkeit, dem sich das positive Recht als unausgesprochenes Desiderat jederzeit im Rahmen des Möglichen anzugleichen hat.319

1. Die Wissenschaft vom Naturrecht Die wesentlichen Passagen der Theorie der ethischen Gefühle, in denen es um den Stellenwert des Naturrechts geht, wurden bereits angedeutet. Sie müssen jetzt noch in den Gesamtzusammenhang des Werks und Denkens von Adam Smith eingeordnet werden. Im Rahmen der rechtstheoretischen Betrachtung des Wohlstands der Nationen wird sich sodann zeigen, dass Adam Smith immer wieder, wenn auch unausgesprochen auf diese Gedanken zurückgreift.

_____ 316 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 (TMS VII.iv.36: “Every system of positive law may be regarded as a more or less imperfect attempt towards a system of natural jurisprudence, or towards an enumeration of the particular rules of justice.”). 317 Eckstein (1926/27) S. 378, 391 f., macht mit gutem Grund darauf aufmerksam, dass Smiths Naturrechtsverständnis ein Moment des Sollens anhaftet, das zeige, warum man es als „nicht als einen eigentlichen naturrechtlichen Standpunkt betrachten“ könne (S. 391). In der zitierten Stelle sieht er (S. 392 mit Fußnote 18) einen Aspekt, der erinnere an Stammler (1902) S. 31 („Alles gesetzte Recht ist ein Versuch richtiges Recht zu sein.“). 318 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 569 (TMS VII.iv.36: “Systems of positive law (…) can never be regarded as accurate systems of the rules of natural justice.”). 319 Brühlmeier (1988) S. 180, spricht von einer „Differenz zwischen einem konkreten positiven Recht und unseren natürlichen Gerechtigkeitsgefühlen“.

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

a) Naturrecht und positives Recht Die im letzten Abschnitt näher behandelten ‚Gesetze der Gerechtigkeit‘ markieren den Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung, die zum Naturrecht führt. Smith geht entsprechend seiner Methode, welche die moralische Rechtfertigung der inneren Beweggründe herausstellt, vom Vergeltungsgefühl aus, das einer widerrechtlichen Schädigung folgt: „Ein sittlich begründetes Vergeltungsgefühl wegen eines versuchten oder wirklich begangenen Unrechts ist der einzige Beweggrund, der es in den Augen des unparteiischen Zuschauers rechtfertigen kann, wenn wir in irgendeiner Hinsicht die Glückseligkeit unseres Nächsten schädigen oder stören.“320 Der unparteiische Zuschauer ist also auch hier die richtende Instanz, die eine Übertretung des neminem laedereGebots nur unter diesen Umständen rechtfertigt,321 wobei die – auch soziologisch interessante322 – Frage ist, ob das Vergeltungsgefühl nach erfolgtem Unrecht ipso facto ‚sittlich begründet‘ ist, oder ob dies eine weitere einschränkende Voraussetzung darstellt. Andere Motive lässt der impartial spectator jedenfalls nicht gelten: „Wenn dies aus irgendeinem anderen Beweggrund geschieht, so ist dieses Vorgehen selbst eine Verletzung der Gesetze der Gerechtigkeit, eine Tat, gegen welche Gewalt angewendet werden darf, um sie verhindern oder zu bestrafen.“323 Hier tritt die naturrechtliche Ausrichtung der ‚Gesetze der Gerechtigkeit‘ in Erscheinung. Denn es kommt Smith offensichtlich nicht – jedenfalls nicht zuvörderst – auf eine gleichwie geartete Notwehr- oder Notstandsregelung des positiven Rechts an, die unter den gegebenen Voraussetzungen das Verhalten rechtfertigt, sondern die naturgemäß geltenden und als solche unbestimmten Gesetze der Gerechtigkeit greifen unmittelbar ein. Es ist nun Aufgabe des Staates, sich Regeln zu geben, welche die Rechtsunterworfenen davon abhalten, eine solche Verletzung der Gesetze der Gerechtigkeit zu Lasten ihrer Mit-

_____ 320 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2). 321 Zum geltenden Recht Jäger (2006). 322 MacCormick (1981) S. 243, 248 f.: “There are at least some circumstances in which people in society will exhibit a tendency to unjustly invade each other’s rights, and in which there will not be proper security for the enjoyment of rights. In these circumstances there must be positive law, not to define, but to secure justice among people. It is when we consider what in Smith’s view these circumstances are that require positive law, we hit upon the sociologically innovative aspect of his theorizing about law”. Hervorhebung nur hier. 323 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2: “To do so from any other motive is itself a violation of the laws of justice, which force ought to be employed either to restrain or to punish.”).

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bürger zu begehen.324 Das Naturrecht in Gestalt der Gesetze der Gerechtigkeit gibt dem Gemeinwesen gleichsam den Rahmen vor, in den sich das geltende Recht einzufügen hat: „Die Grundsätze, auf welche sich diese Regeln gründen sollten, machen den Gegenstand einer besonderen Wissenschaft aus, die von allen Wissenschaften weitaus die wichtigste ist, die bisher jedoch vielleicht am wenigsten gepflegt wurde, nämlich der Wissenschaft vom Naturrecht.“325 Letztlich ist das Naturrecht der Geltungsgrund, die Zielrichtung und die innere Rechtfertigung des positiven Rechts. Welcher Art aber diese Prinzipien sind, verrät Smith in der Theorie der ethischen Gefühle nicht mehr: „Es gehört jedoch nicht zu unserem gegenwärtigen Thema, auf irgendwelche Einzelheiten in bezug auf diese Wissenschaft einzugehen.“326 Das wäre wohl der Gegenstand seines Werks über die Jurisprudenz gewesen, das er nicht mehr vollenden konnte und unvollendet nicht veröffentlichen wollte. Und doch hat Smith in seinem Gesamtwerk, wie man bisher schon am Beispiel der Moraltheorie sehen konnte und wie sich noch bei der juristischen Betrachtung des Wohlstands der Nationen zeigen wird, so viele dieser Einzelheiten über das Recht preisgegeben, dass kaum substantielle Lücken verbleiben, die es aussichtslos erscheinen ließen, das Rechtsverständnis Smiths in seiner Gesamtheit zu erschließen.

b) Forschungsstand Bevor die einzelnen Stellen näher betrachtet werden, sei der Forschungsstand am Beispiel der zentralen Arbeit aus jüngerer Zeit skizziert. Eine wichtige Vorarbeit in diese Richtung bedeutete die wegweisende Monographie von Knud

_____ 324 Weiterführend MacCormick (1981) S. 243, 248: “So far as concerns the nature of positive law, Smith subscribes to the standard voluntarist notion, later adopted by Benthamite and Austinian ‘positivists’, that the actual positive law of a state is to be identified with the command of the sovereign. Positive law, as such, emanates from organized institutions of government. But as to its function, the aim of positive law is to secure justice, in the sense of the prevention and repression of injuries. It is not a substitute for what is morally right, but a reinforcement of it”. 325 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2: “The principles upon which those rules either are, or ought to be founded, are the subject of a particular science, of all sciences by far the most important, but hitherto, perhaps, the least cultivated, that of natural jurisprudence”). 326 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2: “concerning which it belongs not to our present subject to enter into any detail.”).

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§ 2 Rechtstheorie in der Moralphilosophie

Haakonssen,327 deren besonderes Verdienst die Herausarbeitung des jeweiligen Naturrechtsverständnisses von Hume und Smith darstellt.328 Er hat nicht zuletzt gezeigt, wie Smith nicht nur auf der Naturrechts- und Moralphilosophie Hutchesons, sondern auch und gerade derjenigen seines Freundes David Hume aufbaut.329 Ob Adam Smiths System der ‘natural jurisprudence’ wirklich ganz und gar auf der Weiterentwicklung von Humes Gedanken basiert,330 ist jedoch zweifelhaft.331 Denn gerade im Hinblick auf das unterschiedlich utilitaristisch ausgeprägte Rechtsverständnis kann man Einwände erheben, wie bereits weiter oben dargestellt wurde. Zumindest gebührt dieser wegweisenden Arbeit aber das Verdienst, die Geschlossenheit des Smithschen Denkens im Gefüge der Schottischen Aufklärung und des kontinentaleuropäischen Naturrechtsdenkens sichtbar gemacht zu haben.332 Letzteres hat ihm wohl auch einen Blick auf die systematische Erfassung des Rechts eröffnet, so dass man Smiths Rechtsverständnis durchaus am Maßstab eines modernen Systemdenkens messen kann,333 zumal dies auch hierzulande der Sache nach zumindest andeutungsweise schon unternommen334 und sodann in der genannten Arbeit von der Moraltheorie Smiths über seine Rechtstheorie bis hin zu einer Würdigung seiner analytischen und kritischen Jurisprudenz ausgearbeitet wurde.335 Wenn nämlich die wirtschaftswissenschaftliche Arbeit des Adam Smith nicht zuletzt auf seiner moralphilosophischen gründet und diese wiederum in einem inneren Kausal- und Verweisungszusammenhang mit seiner Vorstellung des Rechts steht, so dürften sich daraus angesichts der zeitlosen Gültigkeit seiner wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse auch Aussagen für die Rechtstheorie ableiten lassen.336 Dabei wird untersucht werden, wie weit seine Schriften und Vorlesungen über die Jurisprudenz von seinem Naturrechtsverständnis abhängen, das bereits frühzeitig philosophisch ge-

_____ 327 Haakonssen (1981). 328 Ferner Haakonssen (1988) S. 107. 329 Siehe dazu auch Streminger (1995). 330 Haakonssen (1981) S. 4–44. 331 Skeptisch auch Klenner (1987) S. 278, 279 („zumindest übertrieben“). 332 Siehe aber auch bereits Stein (1970). 333 Statt aller Canaris (1983). 334 Oncken (1898) S. 25, 33. 335 Haakonssen (1981) S. 2: “Smith’s jurisprudence integrates a history of law with an analysis of the forces which shape law, and that both are presuppositions for the possibility of criticizing law”; Hervorhebungen auch dort. 336 Dass es eine solche gibt, setzt auch Klenner (1987) S. 278, 279, in seiner Rezension zum Werk von Haakonssen voraus.

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würdigt wurde.337 So wichtig hierfür insbesondere Haakonssens Pionierarbeit ist,338 können einige Annahmen Smiths darüber hinaus daraufhin untersucht werden, inwieweit es durch das Naturrecht seiner Zeit determiniert ist und ob es – wie sein Wirtschaftsverständnis – von zeitloser Aktualität sein kann, wenn es von seinen zeitgenössischen naturrechtlichen Determinanten befreit ist.339 Dabei ist nicht nur Adam Smiths eigene Einschätzung zu berücksichtigen, wonach die Wissenschaft vom Naturrecht die wichtigste überhaupt sei,340 sondern gerade das von ihm verfolgte Erkenntnisinteresse einer Ergänzung der herkömmlichen Naturrechtstheorie um die geschichtliche Dimension einer “History of Jurisprudence”.341

2. System des positiven Rechts als Versuch des Systems des Naturrechts Am Ende der Theorie der ethischen Gefühle wendet sich Smith noch einmal dem Naturrecht zu, wohl um zu zeigen, dass dort die Nahtstelle ist, die seine abgehandelte Moraltheorie mit der abzuhandelnden Rechtstheorie verbindet, von der er im letzten Satz kündet.342 Zuvor hat Smith aber noch einige einund überleitende Worte zum Verhältnis zwischen Naturrecht und positivem Recht gesagt, die mit derjenigen Stelle beginnen, die eingangs genannt wurde und zum besseren Verständnis wiederholt sei: „Jedes System des positiven Rechts kann als ein mehr oder minder unvollkommener Versuch zu einem System des Naturrechts betrachtet werden, oder zu einer Aufzählung der einzelnen Regeln der Gerechtigkeit.“343 Dieser Satz fügt sich bruchlos ein in den Zusammenhang des zuletzt Festgestellten, wonach das Naturrecht den Rahmen des positiven Rechts absteckt, wobei bemerkenswert ist, dass Smith vom „System“ spricht.

_____ 337 Hasbach (1890); Jastrow (1927) S. 259. 338 Zu brüsk ablehnend allerdings Brühlmeier (1988) S. 18 („obwohl es vornehmlich eine Auseinandersetzung mit Smiths Rechtsphilosophie sein will, in der rechtsphilosophischen oder rechtswissenschaftlichen Literatur wenig bewandert“). 339 Haakonssen (1982) S. 205. 340 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.2). 341 Medick (1973) S. 246 f. 342 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37). 343 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 (TMS VII.iv.36: “Every system of positive law may be regarded as a more or less imperfect attempt towards a system of natural jurisprudence, or towards an enumeration of the particular rules of justice.”).

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a) Smiths Systemdenken Allerdings muss einschränkend hinzugefügt werden, dass der Systembegriff bei Smith eine eigenartige Bedeutung hat, wie er in der Geschichte der Astronomie – seinem methodologischen Hauptwerk344 – darlegt, wonach es Smith dabei um ‚imaginäre Maschinen‘ geht,345 die den Zweck haben, „die verschiedenen real ablaufenden Entwicklungen und Vorgänge in der Phantasie miteinander zu verknüpfen.“346 Man darf also Smiths Systembegriff nicht ohne weiteres mit dem der herkömmlichen Jurisprudenz gleichsetzen. 347 Doch handelt es sich durchaus um ein Ineinandergreifen der Prinzipien im Sinne einer inhaltlichen Verschränkung der äußerlich scheinbar beziehungslos zueinander stehenden Gesichtspunkte. Dies vorausgeschickt, können nun die weitergehenden Aussagen im Hinblick auf Smiths Rechtsverständnis untersucht werden. Auch im Folgenden geht er – ebenso wie in der weiter oben betrachteten Stelle348 – vom Vergeltungsgefühl aus, wohl weil es dasjenige ethische Gefühl ist, das bei einem Verletzungsakt gegen die höchste Tugend der Gerechtigkeit aufbegehrt. Ohne ein geordnetes Staatswesen mit einer funktionierenden Rechtspflege würde, angesichts aller Ungerechtigkeiten, „die bürgerliche Gesellschaft ein Schauplatz des Blutvergießens und der Unordnung.“349 Hier zeigt sich Smiths auf das Recht gegründete Vorstellung der Gesellschaft, die wir weiter oben bei der Behandlung der Moraltheorie kennengelernt haben.350 Unordnung stört die Harmonie und ist für Smiths System wohlgeordneter Freiheit beinahe genauso schlimm wie das Blutvergießen, bereitet ihm doch insbesondere die Betrachtung der „Vervollkommnung der Verwaltung“ Vergnügen, denn sie bildet „einen Teil des großen Systems der Regierung und die Räder der Staatsmaschine scheinen mit ihrer Hilfe sich in größerer Harmonie (…) zu bewegen. Es macht uns Vergnügen, die Vervoll-

_____ 344 Fitzgibbons (1995) S. 6. 345 Ross (1998) S. 345. 346 EPS IV.19, p. 66: “to connect together in the fancy those different movements and effects which are already in reality performed.” 347 Zu ihm Canaris (1983). 348 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS VI.ii.intro.1 pp.). 349 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 (TMS VII.iv.36: “civil society (…) a scene of bloodshed and disorder”). 350 Brühlmeier (1988) S. 53, fasst dies zutreffend zusammen: „Smiths Gesellschaftsideal ist mithin in keiner Weise ein atomistisches, sondern dasjenige einer fundamental menschlichen Gesellschaft, die sowohl (mit lexikalischer Priorität) gegenseitigen Rechtsschutz gewährt, aber auch in Kooperation auf Sicherheit, Respekt und Glück eines jeden ihrer Glieder zielt“; Hervorhebung auch dort.

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kommnung eines so schönen und großartigen Systems zu betrachten.“351 Das ähnelt der weiter oben beobachteten Bildersprache zum Systembegriff aus der ‚Geschichte der Astronomie‘. Hieran sieht man beispielhaft, warum Smith wegen seiner Metaphorik, die einer naturwissenschaftlich-technischen Betrachtung entlehnt ist, als „Newton der Sozialwissenschaften“ bezeichnet wurde.352

b) Ethische Notwendigkeit staatlicher Rechtspflege Wichtiger ist aber noch das Folgende: Bereits diese wenigen Ausschnitte eines anderen Teils der Theorie der ethischen Gefühle zeigen, dass Smith mitnichten die Skepsis gegen den Staat zu eigen ist, die ihm mitunter nachgesagt wird. Die Rolle des Staates besteht also zunächst, das heißt: bevor sich die soeben entwickelte Ästhetik gegenüber dem staatlichen Gemeinwesen einstellen kann, darin, das Chaos zu bändigen, das die Selbstjustiz mit sich brächte: „Um die Verwirrung zu verhüten, die aus einem Zustand entstehen müsste, in welchem Jedermann sich selbst sein Recht verschafft, unternimmt es in allen Staaten, in denen die Regierung eine leidliche Autorität erlangt hat, die Obrigkeit, allen Recht zu verschaffen, und verspricht sie, jede Klage über erlittenes Unrecht anzuhören und zu richten.“353 Dieses im Gegenzug von der staatlichen Macht sinnbildlich gegebene ‚Versprechen‘ rechtlichen Gehörs veranschaulicht beiläufig die rhetorische Eleganz des Gedankengebäudes und erinnert daran, dass Smith nicht nur über Jurisprudenz, sondern auch über Rhetorik las – ein Zusammenhang, der, wie sich noch zeigen wird, für sein Rechtsverständnis nicht unbeträchtlich ist.354 Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird sich weiterhin zeigen, dass damit gerade die Rechtspflege vorausgesetzt wird, die Smith im Wohlstand der Nationen nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Kostentragung untersucht.355 Das scheint auf den ersten

_____ 351 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 317 f. (TMS IV.1.11: “perfection of police (…). They make part of the great system of government, and the wheels of the political machine seem to move with more harmony. We take pleasure in beholding the perfection of so beautiful and grand a system”). 352 Medick (1973) S. 145; ebenso Mathis (2009) S. 108. 353 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 (TMS VII.iv.36: “To prevent the confusion which would attend upon every man’s doing justice to himself, the magistrate, in all governments that have acquired any considerable authority, undertakes to do justice to all, and promises to hear and to redress every complaint of injury.”). 354 Instruktiv dazu Mestmäcker (1978) S. 139, 151. 355 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 601 ff. (Book V.i.b.1 pp., p. 708 pp.).

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Blick Wasser auf die Mühlen derjenigen zu sein, die bei Smith von der Entwicklung der Moraltheorie zur Ausarbeitung der Nationalökonomie einen geistigen Umschwung verzeichnen,356 weil an die Stelle des ethischen Gefühls eine vergleichsweise kalte ökonomische Betrachtungsweise getreten zu sein scheint. In Wahrheit greifen die beiden Hauptwerke aber gerade hier ineinander, wie wohl auch Smith selbst vorausgesetzt hat, als er in der bereits eingangs erwähnten Vorrede zur sechsten Auflage seiner Theorie der ethischen Gefühle auf die betreffenden Kapitel im Wohlstand der Nationen verwies,357 die insoweit teilweise als die in Aussicht gestellte Abhandlung angesehen werden.358 Die ethische Notwendigkeit der staatlichen Rechtspflege und der ästhetische Eindruck ihres Funktionierens auf den unbeteiligten Betrachter hat Smith in seiner Theorie der ethischen Gefühle und überdies auch in den Lectures on Jurisprudence begründet,359 so dass nurmehr die ökonomische Seite zu erörtern ist, um sicherzustellen, dass die Theorie praxistauglich ist. Darüber hinaus bietet die von Smith rechtshistorisch begründete Kostentragung, wie zu zeigen sein wird, durch formelle Kautelen eine materielle Gerechtigkeitsgewähr, die auf diese Weise letztlich auch die Ökonomie in den Dienst der Gerechtigkeit stellt.

c) Positives Recht als konkretisiertes Naturrecht Die Vervollkommnung des Justizwesens setzt aber des Weiteren noch etwas voraus, was wohl jeder Andere als Smith zuerst genannt hätte, nämlich die anzuwendenden Gesetze. Geradezu beiläufig und zumindest nicht als essentiale iuris schildert Smith, was zu einer funktionierenden Rechtspflege nicht fehlen darf: „Auch sind in allen wohlregierten Staaten nicht nur Richter eingesetzt, um die Streitigkeiten der einzelnen Bürger zu entscheiden, sondern auch Gesetze aufgezeichnet, um die Entscheidungen jener Richter zu leiten.“360 Es ist

_____ 356 Skarzynski (1878) S. 183; Brentano (1877) S. 61. 357 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 2 (TMS Advertisement.2). 358 Ross (1998) S. 361. 359 Haakonssen (1981) S. 108: “This ‘aesthetic’ completion of the law by spectators’ acceptance of our natural expectations as proper (or ‘reasonable’) is a source of order very much like what modern jurisprudence refers to as analogical reasoning”. – Das entspricht der auch hier verschiedentlich vertretenen Ansicht über Analogieschlüsse. 360 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 (TMS VII.iv.36: “In all well-governed states too, not only judges are appointed for determining the controversies of individuals, but rules are prescribed for regulating the decisions of those judges”).

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aufschlussreich, dass die von Smith angeordnete Herleitung der institutionellen Überwindung des Vergeltungsgefühls ausgerechnet die Gesetze erst vergleichsweise spät nennt. Man kann dies nicht – jedenfalls nicht erschöpfend – damit erklären, dass im angelsächsischen Recht des case law der Richter für die Rechtschöpfung wichtiger sei als das Gesetz.361 Denn Smith spricht mit Bedacht von „allen Staaten“ und legt damit – zumindest idealiter – eine rechtsvergleichende Methode zugrunde, die seine Rechtstheorie auszeichnet. Vielmehr wird auch das Gesetz selbst in die Pflicht genommen und schon von der formalen Argumentation her als nachrangig gegenüber dem Naturrecht eingeordnet: „Und diese Gesetze sollten im Allgemeinen nach der Absicht der Gesetzgeber mit denjenigen des Naturrechtes übereinstimmen.“362 Das gesetzte Recht kann die Gerechtigkeit immer nur annäherungsweise verwirklichen.363 Positives Recht ist demnach für Smith konkretisiertes Naturrecht.

d) Naturrecht als hypothetische Kodifikation Smith sieht selbst, wie selten diese Vorgabe eingehalten wird: „Es trifft freilich nicht zu, dass die Gesetze in jedem einzelnen Falle von solcher Art sind. Manchmal lenkt das, was man die Staatsverfassung nennt, d. h. das Interesse der Regierung, manchmal auch das Interesse einzelner Stände, die die Regierung tyrannisieren, die positiven Gesetze des Landes von dem ab, was das Naturrecht vorschreiben würde.“364 Deshalb darf im Übrigen auch die politische Gesetzgebung im Unterschied zum ökonomischen Marktgeschehen nicht dem freien Spiel der Kräfte überantwortet werden, da sich sonst die Reichen und Mächtigen leicht durchsetzen würden und ihre Interessen gesetzlich zementieren könnten.365 Mit dieser Tyrannis der Interessenten sind dement-

_____ 361 Holmes (1897) S. 457; Lepsius (1997). 362 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 (TMS VII.iv.36: “and these rules are, in general, intended to coincide with those of natural justice.”). 363 Brühlmeier (1988) S. 178, wonach es „Übereinstimmung mit der natürlichen Gerechtigkeit (…) als (letztlich unerreichbaren) kritischen Maßstab immer noch zu erarbeiten (gilt).“ 364 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 568 f. (TMS VII.iv.36: “It does not, indeed, always happen that they do so in every instance. Sometimes what is called the constitution of the state, that is, the interest of the government; sometimes the interest of particular orders of men who tyrannize the government, warp the positive laws of the country from what natural justice would prescribe.”). Treffend Prodi (2003) S. 315: „Naturrecht als Anreger und Kern der Gesetzgebung“. 365 Mestmäcker (1978) S. 139, 169. Siehe auch Brandt (1976) S. 264.

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sprechend nicht zuletzt die Händler und Kaufleute angesprochen, wie Smith am Beispiel einer noch näher zu behandelnden Stelle des Wohlstands der Nationen schreibt, aber auch im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht müde wird zu betonen.366 Beide Hauptwerke sind exakt aufeinander bezogen und greifen ineinander. Smith sieht mit einem bemerkenswerten Gerechtigkeitsund Realitätssinn die möglichen Anfechtungen im Gesetzgebungsverfahren. Im Wohlstand der Nationen wird insoweit genau dasjenige ökonomisch ausgearbeitet und analysiert, was Smith in der Moraltheorie nur knapp vorausgesetzt hat, um den Blick nicht von der Maßgeblichkeit des Naturrechts zu wenden. Dieses ist zwar nicht kodifiziert, doch behandelt Smith es so, dass er fragt – und damit auch dem Richter zu bedenken aufgibt –, was es hypothetisch vorschreiben würde.

e) Notwendige Divergenz zwischen Naturrecht und positivem Recht Damit ist allerdings zugleich gesagt, dass positives Recht und Naturrecht niemals deckungsgleich sind, sondern dieses in jenem immer nur annäherungsweise verwirklicht ist: „In keinem Lande fallen die Entscheidungen des positiven Rechtes genau in jedem einzelnen Falle mit den Regeln zusammen, welche das natürliche Rechtsgefühl vorschreiben würde.“367

aa) Vorwegnahme späterer Forschungsinteressen Hieran ist zweierlei aufschlussreich: Zum Einen setzt Smith das Naturrecht implizit mit dem natürlichen Rechtsgefühl gleich, wovon sogleich noch näher die Rede sein soll. Zum Anderen erweist sich die konzessiv in der Parenthese vorgetragene Sichtweise als geradezu vorausschauend, weil sie lange vor dem Entstehen der betreffenden Disziplinen nicht nur Forschungsinteressen der Rechtssoziologie vorwegnimmt, sondern auch der Rechtsanthropologie, selbst wenn man seine Einschätzungen heute nicht ohne weiteres teilt:368 „In manchen Ländern verhindert es die Rohheit und Barbarei des Volkes, dass das natürliche Rechtsgefühl jene Feinheit und Bestimmtheit erreiche, zu der

_____ 366 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 213 (Book I.xi.p.10, p. 267). 367 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 569 (TMS VII.iv.36: “In no country do the decisions of positive law coincide exactly, in every case, with the rules which the natural sense of justice would dictate.”). 368 Zu ihr Fikentscher (1984); ders. (1998) S. 182.

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es sich bei höher zivilisierten Nationen allerdings naturgemäß erhebt.“369 Das erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, weil man zumindest annehmen könnte, dass das natürliche Rechtsgefühl an sich immer gleich ausgeprägt sein sollte. Doch haben spätere Untersuchungen über das Rechtsgefühl durchaus den Schluss nahegelegt, dass es – zumindest bei gut ausgebildeten Juristen – auf den im „Gedächtnisschatz“ bewahrten „abgekürzten Denkvorgängen“ gründet.370 Es kann also durchaus den von Smith vorausgesetzten Zusammenhang zwischen Rechtskultur und Rechtsgefühl geben.

bb) Evolution und Unschärfe des positiven Rechts Zur Natürlichkeit des Rechtsgefühls gehört für Smith auch die naturgemäße Entfaltung, die demnach keine Tautologie darstellt, sondern die Entwicklung des Rechtsgefühls in der Zeit dokumentiert. Das natürliche Rechtsgefühl ist damit keine statische Größe, sondern mit dem kulturellen Entwicklungsgang verwoben. Das ist nicht zuletzt deswegen aufschlussreich, weil Smith der Entwicklung der Menschheitsgeschichte auch im Wohlstand der Nationen Bedeutung beigemessen hat.371 Die dort zugrunde gelegte Vierstadientheorie von den Jägern und Sammlern über die Hirten, die Agrikultur bis zur Gesellschaft, in der regelrechter Handel betrieben wird.372 Man kann von einer Historisierung der Menschheitsgeschichte sprechen,373 im Rahmen derer den jeweiligen Ausprägungen des Eigentums etwa besondere Formen des Staats und des Rechts korrespondieren.374 Das geschriebene und gesetzte Recht eines geordneten Staatswesens wird erst erforderlich, wo das Privateigentum hinzutritt.375 Smiths rechtstheoretische Konzeption ist demnach historisch ausgerichtet, indem sie zunächst den Punkt ausmacht, an dem gesetztes Recht

_____ 369 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 569 (TMS VII.iv.36: “In some countries, the rudeness and barbarism of the people hinder the natural sentiments of justice from arriving at that accuracy and precision which, in more civilized nations, they naturally attain to.”). 370 Rümelin (1925); siehe dazu auch Riezler (1969). 371 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 587 ff. (Book V.i.a.2 pp., p. 689 pp.). 372 Vgl. auch Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 127 (LJ(A) i.27; LJ(B) p. 149). 373 Ballestrem (1988) S. 330. 374 Brühlmeier (1996) S. 22. 375 MacCormick (1981) S. 243, 251: “The corollary, which Smith regards as obvious, is that in societies that recognize private property and thus inequality of possessions, there are and must also be laws and regular systems of law enforcement. (…) Governments and positive laws evolve as a means to secure the position of property owners and check the other modes of wrongdoing that are occasioned by the very existence of property regimes”.

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notwendig wird. Das Privateigentum wird so zu einer konstitutiven Bedingung der Rechtsentwicklung und damit letztlich auch des – im Zuge der damit einhergehenden Tauschprozesse – sich entwickelnden Rechtsbewusstseins. Das positive Recht dokumentiert das Rechtsgefühl entwicklungsgeschichtlich, erweist sich im Verhältnis zum Naturrecht jedoch immer als unscharf: „Die positiven Rechtsordnungen können deshalb – obwohl sie als Dokumente der Empfindungen der Menschheit in verschiedenen Zeitaltern und bei verschiedenen Völkern das höchste Ansehen verdienen – doch niemals als genau zutreffende Systeme der Regeln des Naturrechts betrachtet werden.“376 Hier zeigt sich die Skizzenhaftigkeit der letzten Seiten seiner Theorie, die das Naturrecht notgedrungen streift, weil dies einer anderen Untersuchung vorbehalten war.377 Das positive Recht ist also entwicklungsgeschichtlich unerlässlich, damit die Rechtskultur instrumental Schritt halten kann mit der Evolution des Privateigentums. Indem sich die Menschheit aber durch die damit entstehende Möglichkeit des Tauschs von ihren Ursprüngen entfernt, kommt es zwangsläufig zu einer Divergenz zwischen natürlichem und positivem Recht. Konstantes Naturrecht und sich entwickelndes Gesetzesrecht drohen somit auseinanderzufallen.

f) Gesetze der Verwaltung und Gesetze der Gerechtigkeit Gesetze bilden die unterschiedlich rohen oder verfeinerten Sitten ab, können aber selbst im Fall der äußersten Verfeinerung der Sitten eines Landes dem nach Smith zutreffenden System des Naturrechts allenfalls nahekommen und werden dann zumeist durch prozedurale Gerechtigkeitsdefizite davon getrennt: „In anderen Ländern verhindert es die unglückliche Verfassung der Gerichtshöfe, dass sich jemals eine geregelte Rechtsordnung bei ihnen auszubilden vermag, obwohl die verfeinerten Sitten des Volkes derart sein mögen, dass sie des vollendetsten Rechtssystems fähig wären.“378 Hier wird die im

_____ 376 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 569 (TMS VII.iv.36: “Systems of positive law, therefore, though they deserve the greatest authority, as the records of the sentiments of mankind in different ages and nations, yet can never be regarded as accurate systems of the rules of natural justice.”). 377 Auch Haakonssen (1981) S. 3, spricht von “his very general outline of a system of natural jurisprudence in the final Part of that work”. 378 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 569 (TMS VII.iv.36: “In other countries the unfortunate constitution of their courts of judicature hinders any regular system of jurisprudence from ever establishing itself among them, though the improved manners of the people may be such as would admit of the most accurate.”).

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Wohlstand der Nationen näher ausgeführte Rechtspflege angesprochen, woran sich abermals zeigt, wie die Moral- und Rechtstheorie bei Smith ineinander greifen und diese sich als Folgerung jener versteht, die das Recht und die ökonomischen Begleiterscheinungen begründet.379 In der Moralphilosophie ist Smith vor allem die Feststellung wichtig, dass die bisherigen Erkenntnisse auf diesem Gebiet die Gerechtigkeit selbst vernachlässigt haben. Fruchtbare Ansätze sieht er nur bei Hugo Grotius, dessen Lehre er lediglich andeutet, in den Lectures on Jurisprudence aber bereits neben derjenigen von Hobbes und Pufendorf für weiterführend erachtet hat. Hieran ist besonders bemerkenswert, dass Adam Smith, von dem man es angesichts seiner aus dem angelsächsischen Rechtsdenken kommenden Herkunft vielleicht weniger erwartet hätte, das Systemdenken in der Naturrechtslehre hervorhebt, das somit auch für sein eigenes Rechtsverständnis prägend ist, wie er es über seinen Lehrer namentlich von Grotius empfangen hat: 380 „Grotius scheint der erste gewesen zu sein, der versuchte, der Welt so etwas wie ein geregeltes System des Naturrechts zu geben.“381 Für die meisten anderen gilt das bereits zitierte Verdikt, das Smith am Ende seiner Theorie der ethischen Gefühle ausspricht: „Ihre Gesetze sind Gesetze der Verwaltung, nicht Gesetze der Gerechtigkeit.“382

_____ 379 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 600 ff. (Book V.i.b.1 pp., p. 708 pp.). 380 Haakonssen (1981) S. 2: “Smith developed a whole new foundation for a system of natural jurisprudence, As far as the system itself is concerned, Smith was obviously very strongly indebted to the Continental natural law tradition of Grotius, Pufendorf, and others, and especially to the form which this tradition had been given by his teacher, Francis Hutcheson”. 381 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 33 (LJ(B) p. 1: “Grotius seems to have been the first who attempted to give the world any thing like a regular system of natural jurisprudence”). 382 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37: “Their laws are laws of police, not of justice.”).

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§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen

§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen

§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen

I. Rechtstheoretische Herausforderungen

I. Rechtstheoretische Herausforderungen Der Wohlstand der Nationen gilt als das am meisten zitierte und am wenigsten gelesene Sachbuch überhaupt.1 Zumindest aus juristischer Sicht ist es selten systematisch durchgearbeitet worden. Wenn man überhaupt Adam Smiths Wohlstand der Nationen mit der Jurisprudenz in Verbindung bringt,2 so sind es zumeist die letzten beiden Bücher, von denen ausgegangen wird.3 Indes lohnen auch und gerade die ersten drei Bücher einer näheren Betrachtung, weil sich gerade an unscheinbaren Stellen und im Zusammenhang mit auf den ersten Blick wenig einladenden, detailreichen Passagen Ausführungen über das Recht finden, die von erheblichem rechtstheoretischen Interesse sind. Die Arbeitsteilung beispielsweise, die Smith zunächst behandelt, ist eine Bedingung derjenigen Wirkungsweise, die er später mit der berühmten unsichtbaren Hand erklärt.4 Das zeigt sich auch in seinen Lectures on Jurisprudence, wo er unter der eigentümlichen Überschrift des „Polizeiwesens“ viele Gesichtspunkte behandelt hat, die im Wohlstand der Nationen eingehend erörtert wurden, wie eben beispielsweise die im Wege der Arbeitsteilung optimierte Herstellung der berühmten Stecknadel, mit der Adam Smith auch den Wohlstand der Nationen beginnt.5 Überhaupt ähnelt dieser Teil der Lectures on Jurisprudence in vielerlei Hinsicht dem Wohlstand der Nationen,6 so dass man zweckmäßigerweise auf diesen und nicht auf jene Bezug nimmt.7

_____ 1 Dahrendorf (1984) S. 102. 2 Siehe auch Fleischacker (2004). 3 Vgl. nur Klenner (1987) S. 278, 280, wonach „das Fünfte Buch die komprimierte Jurisprudenz seines Autors bietet“. 4 Mathis (2009) S. 116. Hirschman (1987) S. 114 f. gibt zu bedenken, dass Smith die Arbeitsteilung „im I. Buch ausdrücklich begrüßt, jedoch im V. Buch ebenso überzeugend kritisiert“. 5 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 180 ff. (LJ(A) 28 pp.; LJ(B) p. 213 pp.). 6 Sommer (1929/30) S. 321, behandelt das Verhältnis der Vorlesungsmitschriften zum ökonomischen Hauptwerk. 7 Haakonssen (1981) S. 104 ff., hat die eigenständige Bedeutung der Vorlesungsmitschriften analysiert, so dass hier darauf verwiesen werden kann.

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I. Rechtstheoretische Herausforderungen

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1. Regulierungsbedürftige Ungleichgewichte? Adam Smith sah im Recht seiner Zeit eine erklärungsbedürftige Ungereimtheit im Verhältnis der Unternehmer zu den bei ihnen angestellten Arbeitern: „Die Unternehmer, der Zahl nach weniger, können sich viel leichter zusammenschließen. Außerdem billigt das Gesetz ihre Vereinigungen, zumindest verbietet es sie nicht wie die der Arbeiter.“8 Das erscheint wertungswidersprüchlich: Wenn die Wenigen, die ihre Verhaltensweisen als solche ohnehin leichter abstimmen können, dies im Gegensatz zu den Vielen auch noch dürfen, so berührt dies den Geltungsgrund und Gerechtigkeitsgehalt des Gesetzes.9 Wenn dies hier mit einer gewissen und zugestandenen Vereinfachung als soziale Gerechtigkeit bezeichnet wird – einer Bezeichnung der etwa Hayek wohl am wenigsten beipflichten würde, weil er diese von Grund auf ablehnt10 – so darf zugleich nicht übersehen werden, dass Adam Smith diese Form des gerechten Ausgleichs allenfalls unter der Bedingung eines funktionstüchtigen Wettbewerbs als Garanten der Freiheit billigen könnte.11

a) Interessenanalyse Es ist charakteristisch für Adam Smiths Methode, dass er nicht unbedacht für eine der beiden Seiten – Unternehmer versus Arbeiter – Partei ergreift, sondern eine normative Interessenanalyse vornimmt, aufgrund der er zu einer ausgewogenen Stellungnahme gelangt. Um diese angemessen bewerten zu können, empfiehlt es sich zunächst eine interessante Stelle aus den Lectures on Jurisprudence zu berücksichtigen. Im Rahmen der Behandlung der Arbeitsteilung erwähnt Smith, dass der Reichtum und Wohlstand nicht in angemessenem Verhältnis zur geleisteten Arbeit verteilt ist und der ungelernte Arbeiter

_____ 8 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 58 (Book I.viii.12, p. 83 pp. : “The masters, being fewer in number, can combine much more easily; and the law, besides, authorises, or at least does not prohibit their combinations, while it prohibits those of the workmen.”). 9 Vgl. zur Problematik auch Eucken (1952) S. 281 ff.; 312 ff., wonach zu den Staatsaufgaben auch gehört, im Wege einer geordneten Sozialpolitik Gerechtigkeit und Sicherheit herbeizuführen. Siehe auch Heinemann (1989) S. 28 ff.; ders. (1996) S. 11; Fikentscher (1997) S. 33. 10 Hayek (2004 a) GS B 1, S. 15 ff. und passim. 11 Zutreffend Fikentscher (1983 b) S. 144: „Die Entscheidung für ein freiheitliches System bedeutet dabei, dass wegen der Wirkung der wirtschaftlichen Freiheitsordnung als ‘invisible hand’ (Adam Smith) der Wettbewerb das wichtigste und grundsätzliche Mittel bei einer sozialgerechten Versorgung ist“. (Hervorhebung nur hier); Fikentscher (1997) S. 15 f.

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§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen

am härtesten arbeiten muss: „So hat jener, der sozusagen die Last der Gesellschaft trägt, am wenigsten Vorteile.“12 Auch dies ist eine jener Stellen, die viele, die sich gerne auf Smith berufen, wohl eher bei Karl Marx vermuten würden. Dass Smith keiner unreflektierten Gleichmacherei das Wort redet, wird deutlich, wenn er die „nützliche Ungleichheit des Besitzes“ betont, „die (...) natürlicherweise aus den unterschiedlichen Graden von Fähigkeit, Fleiß und Sorgfalt resultiert.“13 Das ruft eine Beobachtung Hayeks in Erinnerung, wonach „schon die Klassiker wie Adam Smith wussten, dass es vor allem die Bevölkerungsvermehrung ist, die eine intensive Ausnutzung der Verschiedenheit der Begabungen möglich macht und auch eine größere Differenzierung aller Individuen, die zusammenarbeiten.“14 Allerdings berücksichtigt Smith im Einklang mit seiner Moralphilosophie auch, dass der ungelernte Arbeiter, dessen natürliche Fertigkeiten zu verkümmern drohen, wenn er in mechanischer Routine erstarrt, auf staatliche Schulen angewiesen ist, für deren Einrichtung und Gewährleistung den Staat eine notwendige Pflicht trifft.15

aa) Subjektive Beweggründe und objektive Gegebenheiten Die Art und Weise, wie Adam Smith gleichsam in Gestalt einer rudimentären Rechtstatsachenanalyse die unterschiedlichen subjektiven Beweggründe und objektiven Gegebenheiten gegenüberstellt und miteinander verknüpft, ähnelt zumindest im Hinblick auf erstere – die Motive – seinem Vorgehen in der Theorie der ethischen Gefühle, in der er mit einem eminenten Einfühlungsvermögen die Interessenlage freilegt und objektiviert. Auf diese Weise ist auch der impartial spectator im Wohlstand der Nationen unausgesprochen gegenwärtig und nicht etwa, wie verschiedentlich gemeint wird, allein durch die invisible hand abgelöst, sondern zumindest als ‘impartial jurist’ zugegen.16 Der zweite Punkt, die Darstellung der objektiven Gegebenheiten findet in der Theorie der ethischen Gefühle demgegenüber nur ansatzweise eine Entsprechung,17 weil

_____ 12 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 180 (LJ(B) p. 213: “Thus he who, as it were, bears the burthen of society has the fewest advantages.”). 13 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 178 (LJ(A) vi.19: “which naturally and necessarily arises from the various degrees of capacity, industry, and diligence in the different individuals.”; LJ(B) p. 210). 14 Hayek (2003 b) GS A 4, S. 92, 99. 15 Mestmäcker (1978) S. 139, 168. 16 Kennedy (2005) S. 72; ders. (2008). 17 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 316 f. (TMS IV.1.9 pp.).

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I. Rechtstheoretische Herausforderungen

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sie für die moraltheoretische Bewertung zwar mitnichten irrelevant sind, jedoch nur die wirtschaftlichen Bedingungen der Außenwelt markieren. Diese sind für den Wohlstand der Nationen ersichtlich mitentscheidend, und daher ist es naheliegend, die rechtlichen Rahmenbedingungen – hier die Zusammenschlussverbote – mit in die Betrachtung einzustellen.

bb) Interessenbewertung im internationalen Vergleich Auf diese Weise verfährt Smith im Übrigen auch im internationalen Vergleich. So betrachtet er den Wohlstand Chinas, der wohl jenes in sich ausgeglichene hohe Maß erreicht habe, „das mit der Eigenart seiner Gesetze und Einrichtungen im Einklang steht“, gibt andererseits auch zu bedenken, dass „unter anderen gesetzlichen und institutionalen Bedingungen“, d. h. wenn nicht die Armen die Befürchtung haben müssten, von subalternen Beamten „unter dem Vorwand der Rechtsmäßigkeit ausgeplündert“ zu werden, ein höherer volkswirtschaftlicher Ertrag möglich wäre.18 Hier steht erkennbar die Moraltheorie im Hintergrund, die an verschiedenen Stellen den unter einem Vorwand durchgesetzten Eigennutz gerade dann geißelt, wenn die verurteilte Maßnahme vordergründig als gesetzeskonform deklariert werden kann. Daran zeigt sich beispielhaft, dass der in der Moralphilosophie gezogene Rahmen auch für das spätere Hauptwerk implizit gilt und dass man den Wohlstand der Nationen einseitig und einengend auslegen würde, sofern man seine moraltheoretischen Implikationen und Rückbezüge außer Betracht lassen würde. Denn wenn im gleichen Zug Smiths wegweisende Bedeutung für die Wirtschaftswissenschaften betont wird, werden diese bereits im Ansatz wissenschaftstheoretisch abgewertet und auf diese Weise unwillkürlich diskreditiert.19 Es ist schließlich auch einer darstellungsmäßigen Ökonomie geschuldet, dass nicht alles eigens wiederholt und ausdrücklich zitiert wurde, was von Smith bereits in der Moraltheorie grundgelegt wurde.

_____ 18 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 82 (Book I.ix.15, p. 111 pp.: “which is consistent with the nature of its laws and institutions. (…) with different laws and institutions. (…) under the pretence of justice, to be pillaged”). 19 Sen (2009 a) S. viii, macht auf diese Gefahr aufmerksam: “Second, since the ideas presented in The Wealth of Nations have been interpreted largely without reference to the framework of thought already developed in the Moral Sentiments (on which substantially draws in The Wealth of Nations), the typical understanding of The Wealth of Nations has been constrained, to the detriment of economics as a subject”.

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cc) Rechtsstaatlichkeit als conditio sine qua non Gerade die allgegenwärtige Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeichnet Smith aus: „Die Sicherheit, mit der die Gesetze in Großbritannien jedem einzelnen garantiert, dass er die Früchte seiner Arbeit auch genießt, reicht allein schon aus, um ein Land, dieser und zwanzig anderer ebenso widersinniger Handelsvorschriften zum Trotz, aufblühen und gedeihen zu lassen.“20 Diese Stelle ist nicht zuletzt deswegen von zentraler rechtstheoretischer Bedeutung, weil sie zeigt, dass jede mehr oder weniger spontane Ordnung rechtsstaatliche Bedingungen in Gestalt funktionierender Gesetze zum Individualrechtsschutz voraussetzt, ohne die im freien Spiel der Kräfte keine gerechte Ordnung gedeihen kann, mit der hingegen auch noch dann ein gewisses Maß an Wohlfahrt verwirklicht werden kann, wenn einzelne nicht geglückte gesetzgeberische Handelshemmnisse bestehen. Der Staatszweck, wie Smith ihn auch in den Lectures on Jurisprudence voraussetzt, ist dort ideal verwirklicht: „Recht und Staat scheinen keinen anderen Zweck zu haben als jenen, dass sie den Einzelnen der sein Eigentum vergrößert hat, schützen, damit er dessen Früchte in Frieden genießen kann. (...) Durch Recht und Staat kommt man in den Genuss des inneren Friedens und des Schutzes vor fremdem Eindringling.“21 Für Smith war klar, dass Rechtsstaatlichkeit, Rechtskultur und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einen Standortfaktor im ökonomischen Vergleich bilden, der wichtiger ist als einzelne gesetzliche Beschränkungen der Handelsfreiheit: „Diese Gesetze und Gewohnheiten die die freie Bauernschaft begünstigten, haben vielleicht mehr zum Ansehen Englands in der Gegenwart beigetragen als die gesamte vielgerühmte Handelspolitik.“22 Angesichts der verfassungsmäßigen Verbriefung der Freiheit kann sich der Staat einzelne Beschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit leisten. Hayek hat diese innere Gesetzmäßigkeit von Grund auf erkannt und eine geistesge-

_____ 20 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 452 (Book IV.v.b.43, p. 540: “That security which the laws in Great Britain give to every man that he shall enjoy the fruits of his own labour, is alone sufficient to make any country flourish, notwithstanding these and twenty other absurd regulations of commerce”). 21 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 178 LJ(B) p. 210: “Law and government, too, seem to propose no other object but this, they secure the individual who has enlarged his property, that he may peaceably enjoy the fruits of it. (…) By law and government domestic peace is enjoyed and security from the foreign invader.”). 22 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 322 (Book III.ii.14, p. 392: “Those laws and customs so favourable to the yeomanry, have perhaps contributed more to the present grandeur of England than all their boasted regulations of commerce taken together.”).

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schichtlich weiterführende Hypothese aufgestellt: „Ja, ich möchte sogar noch weiter gehen und behaupten, dass die Wirtschaftsfreiheit, wie sie wahrscheinlich zum erstenmal im England des 18. Jahrhunderts verwirklicht war, zunächst einfach eine Folge der Verwirklichung des Rechtsstaates war, und dass erst als sich ihre wohltätigen Folgen gezeigt hatten, Adam Smith und andere die gleiche Freiheit für die wenigen noch beschränkt gebliebenen Gebiete, wie insbesondere den Außenhandel, forderten.“23 Die Richtigkeit dieser Einschätzung lässt sich am Beispiel der zuletzt zitierten Sentenz Smiths ersehen.24 Auch hier urteilt Smith nicht als schlichter Apostel ungehemmten Freihandels, sondern mit Augenmaß für die Einschätzung institutioneller Voraussetzungen dieser Freiheit.

b) Rudimentäre Rechtstatsachenanalyse Was weiter oben als eine Art rudimentärer Rechtstatsachenanalyse verstanden wurde, zeigt sich etwa an folgendem: „Nur selten, so wurde behauptet, war von Zusammenschlüssen der Unternehmer, häufig dagegen von Arbeitern zu hören. Wer aber daraus den Schluss zieht, Unternehmer würden sich selten untereinander absprechen, kennt weder die Welt noch versteht er etwas von den Dingen, um die es hier geht.“25 Wer allein aufgrund der lex lata weltfremd urteilt und die Rechtstatsachen nicht zur Kenntnis nimmt, gelangt gerade im Wirtschaftsrecht zwangsläufig zu verzerrten Ergebnissen, welche die gesetzliche Regelung verklären: „Unter Unternehmern besteht immer und überall eine Art stillschweigendes, aber dauerndes und gleichbleibendes Einvernehmen, den Lohn nicht über den jeweils geltenden Satz zu erhöhen.“26 Was wie eine Allerweltsweisheit aussieht, ist wohl eher Ausdruck dessen, was Nietzsche später an Machiavelli rühmen wird, nämlich des unbedingten Willens, sich nichts vorzumachen, wie überhaupt Smith ebenfalls von Machiavelli beeinflusst wurde,27 weil er als Historiker den wichtigsten

_____ 23 Hayek (2001) GS A 6, S. 3, 6. 24 Siehe dazu auch Teichgraeber (1986). 25 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 58 (Book I.viii.13, p. 84: “We rarely hear, it has been said, of the combinations of masters; though frequently of those of workmen. But whoever imagines, upon this account, that masters rarely combine, is as ignorant of the world as of the subject.”). 26 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 58 (Book I.viii.13, p. 84: “Masters are always and every where in a sort of tacit, but constant and uniform combination, not to raise the wages of labour above their actual rate.”). 27 Stein (1979 a) S. 621, 628.

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Zweck der Geschichtsschreibung verwirklicht habe, indem er die Ereignisse berichte und mit ihren Gründen verknüpfte habe, ohne Teil einer Seite gewesen zu sein, worin man beiläufig betrachtet den unparteiischen Zuschauer wiederfindet.28 Dementsprechend ergreift Smith auch in der zuletzt behandelten Stelle des Wohlstands der Nationen keineswegs einseitig Partei für die Arbeiter: Gerade im Zusammenhang mit den Zusammenschlüssen hebt er hervor, dass die Arbeitnehmer „stets ein großes Geschrei“ darum machen und „nicht vor roher Gewalt oder Beleidigungen zurückschrecken“, also in Smiths Sicht evidenten Ungerechtigkeiten.29 Das sind zwar keine lege artis ermittelten Rechtstatsachen im heutigen Sinne,30 sondern eher Belege dafür, dass Smith nicht zuletzt das war, was jeder Jurist sein muss, nämlich Zeitgenosse, der eben auch eine „Wirklichkeitswissenschaft“ betreibt.31 Jedoch zeigt sich hier, wie an vielen anderen Stellen, wo Smith genuin eigene Erfahrungen in die Untersuchung über den Wohlstand der Nationen einbringt,32 dass die Theorie durch ihre Praxistauglichkeit bestimmt wird.33 Die ungezählten Beispiele, die Smith im Wohlstand der Nationen anführt und von denen er nicht wenige rechtlich bzw. rechtsgeschichtlich würdigt und im Spiegel der Gesetzgebung betrachtet, zeugen von dieser Methode. So schließt er mitunter vom geschichtlichen Recht auf die seinerzeitigen Tatsachen: „Auch hier handelt es sich um ein Gesetz, dass Luxus und Verschwendung unter den ärmeren Leuten einschränken sollte, woraus man schließen kann, dass deren Kleidung gewöhnlich viel teurer

_____ 28 LRBL p. 115: “who has contented himself with that which is the chief purpose of History, to relate events and connect them with their causes, without becoming a party on either side”. 29 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 133 ff. (TMS II.ii.3.8 pp.). 30 Klaiber (1997), der die rechtssoziologischen Implikationen besonders deutlich herausarbeitet. 31 Weber (1904) S. 22. Vgl. auch Heldrich (1986) S. 74, 78: Rechtssoziologie als Wirklichkeitswissenschaft vom Recht; Eidenmüller (1999) S. 53. 32 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 12 (Book I.i.6, p. 18: “I have seen several boys under twenty years of age who had never exercised any other trade but that of making nails, and who, when they exerted themselves, could make, each of them, upwards of two thousand three hundred nails in a day.”): „Ich habe nun selbst gesehen, dass von noch nicht zwanzigjährigen Burschen, die nie etwas anderes getan hatten, als Nägel zu schmieden, jeder einzelne über 2300 Stück herstellen konnte, wenn er sich demnach anstrengte“. 33 Im Sinne von Kant (1793) AA Band VIII S. 273, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis.

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war.“34 Die im Wege Auslegung ermittelte Teleologie des Gesetzes führt Smith zu Erkenntnissen über Lohn- und Rohstoffpreise. Seine in den Lectures on Jurisprudence verbrieften Vorlesungen über die Geschichte des Rechts tragen über die rechtstheoretische Durchdringung des Rechtsstoffs Früchte für die ökonomische Arbeit.

c) Koalitionsfreiheit versus Kartellierung Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel der arbeitsrechtlichen Koalitionsfreiheit, wie wir heute sagen würden, im Verhältnis zu der Kartellierungen begünstigenden wirtschaftlichen Macht der Unternehmer. Doch ist es nicht zuletzt die extreme vertragliche Imparität, die sie dazu zwingt, da sie anders als die Unternehmer nicht vom Ersparten leben und daher in Lohnkonflikten nicht lange durchhalten, wie Smith mit einer durchaus naturrechtlichen Färbung zu verstehen gibt:35 „Verzweifelt wie sie sind, handeln sie mit der ganzen Torheit und Maßlosigkeit von Menschen, die entweder am Verhungern sind oder ihre Arbeitsgeber in Furcht und Schrecken versetzen müssen, damit ihre Forderungen sofort erfüllt werden.“36 Hier tritt wiederum die in der Moraltheorie verschiedentlich beobachtete psychologische Betrachtung der Beweggründe zutage, die schon weiter oben zu der Annahme führte, dass man bei Smith Spuren von Verhaltensökonomik und kognitiver Psychologie finden kann: Die Unternehmer umgekehrt „verlangen die unnachsichtige Anwendung aller Gesetze, die es Dienstboten, Arbeitern und Gesellen streng verbieten, sich zu organisieren.“37 Bei aller gebührenden Berücksichtigung der Unternehmerbelange überwiegt hier doch die Sympathie mit dem Schicksal der Arbeiter, um es bewusst mit einem der Zentralbegriffe der Theorie der ethischen Gefühle zu benennen, weil sich an dieser Stelle besonders deutlich zeigt, dass diese Theorie immer auch in den darüber hinaus praktisch ausge-

_____ 34 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 209 (Book I.xi.o.9, p. 262: “This is a sumptuary law too, restraining the luxury and extravagance of the poor. Their cloathing, therefore, had commonly been much more expensive.”). 35 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 58 (Book I.viii.12, p. 83 pp.). 36 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 59 (Book I.viii.13, p. 84 pp.: “They are desperate, and act with the folly and extravagance of desperate men, who must either starve, or frighten their masters into an immediate compliance with their demands.”). 37 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 59 (Book I.viii.13, p. 85: “call aloud for (…) the rigorous execution of those laws which have been enacted with so much severity against the combinations of servants, labourers, and journeyman.”).

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richteten Wohlstand der Nationen hineinwirkt.38 So kann man bei Adam Smith wohl in der Tat von einem „implizierten Antitrust“ sprechen.39

d) Mindestlohngebot Das gilt umso mehr für die eingangs angesprochene Folgerung, zu der Smith aufgrund seiner Interessenanalyse gelangt, und die mancher, der sich ohne Kenntnis seiner moraltheoretischen und nationalökonomischen Schriften auf Adam Smith beruft, vielleicht lieber Karl Marx zuordnen würde: „Der Mensch ist darauf angewiesen, von seiner Arbeit zu leben, und sein Lohn muss mindestens so hoch sein, dass er davon existieren kann.“40 Hier handelt es sich letztlich um ein naturrechtliches Axiom, wie der Rekurs auf Gerechtigkeit und Billigkeit zeigt:41 „Es ist zudem mehr als recht und billig, wenn diejenigen, die alle ernähren, kleiden und mit Wohnung versorgen, soviel vom Ertrag der eigenen Arbeit bekommen sollen, dass sie sich selbst richtig ernähren, ordentlich kleiden und anständig wohnen können.“42 Smith war eben nichts weniger als ein Manchester-Liberaler. Es geht jedoch bei alledem weniger um die Forderung nach einem konkreten Mindestlohn wie folgende spätere Stelle veranschaulicht: „Dort, wo die Löhne nicht gesetzlich geregelt werden, können wir höchstens angeben, welcher Lohn der übliche ist. Wie uns die Erfahrung zu lehren scheint, kann man seine Höhe durch Gesetz niemals vernünftig festlegen, obwohl es häufig behauptet wird.“43 Hier werden die beiden Parameter, anhand derer Smith rechtstheoretisch vornehmlich urteilt, besonders deutlich sichtbar: die Empirie, mit der das Rechtstatsachenmaterial gewonnen, und die Vernunft, mit der es rational

_____ 38 Siehe auch Fitzgibbons (1995). 39 Fikentscher (1976) S. 241; Heinemann (1996) S. 11 mit Fußnote 55; siehe auch Mestmäcker (1952) S. 4. 40 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 59 (Book I.viii.15, p. 85: “A man must always live by his work, and his wages must at least be sufficient to maintain him.”). 41 Zum Folgenden auch Mestmäcker (1978) S. 139, 169. 42 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 68 (Book I.viii.36, p. 96: “It is but equity, besides, that they who feed, cloath and lodge the whole body of the people, should have such a share of the produce of their own labour as to be themselves tolerably well fed, cloathed and lodged.”). 43 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 67 (Book I.viii.34, p. 95: “Where wages are not regulated by law, all that we can pretend to determine is what are the most usual; and experience seems to show that law can never regulate them properly, though it has often pretended to do so.”); Hervorhebung nur hier.

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geordnet wird. Mestmäcker hat den rechtstheoretischen Gehalt der zugrunde liegenden Stellen am tiefsten ausgelotet, wenn er zu bedenken gibt, dass „das Recht als Regel, die anhand der Erfahrung aus konkreten Konflikten gewonnen wird, neue Perspektiven im Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftssystem eröffnet. Denn es ist möglich, wirtschaftliches Handeln an den Maßstäben des Rechts und der Gerechtigkeit zu messen, ohne es inhaltlich zu dirigieren. Das System natürlicher Freiheit wird durch die jeweils vorgefundenen Normen des Privat- und Strafrechts ermöglicht und durch Rechtserfahrung korrigiert. Das Recht ist nicht nur und nicht einmal in erster Linie ein Instrument der planenden Vernunft.“44 Allerdings erschöpft sich darin die Rolle der Vernunft noch nicht, wie aus der Theorie der ethischen Gefühle hervorgeht: „Durch die Vernunft entdecken wir jene allgemeinen Regeln der Gerechtigkeit, durch welche wir unsere Handlungen bestimmen sollen.“45 So kann man das vorderhand unscheinbare Adverb „vernünftig“, das im Wohlstand der Nationen auch an anderen Stellen vorkommt,46 als unausgesprochene Außenverweisung auf die Theorie der ethischen Gefühle verstehen. Was vernünftigerweise geboten ist, kann auch zu einem allgemeinen Gerechtigkeitspostulat werden.

e) Rechtstatsachenbefund und dogmatische Folgerung Die rechtstheoretischen Überlegungen zur gesetzlichen Lohnregulierung werden durch eine spätere Stelle ergänzt, an der es heißt: „Dennoch versuchen einzelne Gesetze zuweilen immer noch, die Löhne mancherorts in bestimmten Gewerben festzulegen.“47 Es ist eine jener Stellen, in denen die vorderhand ökonomische Thematik nur vor dem juristischen Hintergrund verständlich ist, und welche die rechtstheoretische Prägung des Wohlstands der Nationen veranschaulichen, ohne die auch das ökonomische Grundanliegen und die wirtschaftsrechtliche Seite nicht zur Durchsetzung gelangen.48

_____ 44 Mestmäcker (1978) S. 139, 158. 45 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 532 (TMS VII.iii.2.6: “It is by reason that we discover those general rules of justice by which we ought to regulate our actions”). 46 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 155 (Book I.xi.e.11, p. 198: “prudent”). 47 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 123 (Book I.x.c.61, p. 157: “Particular acts of parliament, however, still attempt sometimes to regulate wages in particular trades and in particular places.”). 48 Zutreffend Haakonssen (1981) S. 139: “Throughout the work (sc. Wealth of Nations), however, a strong jurisprudential background is abundantly evident, according to which it is possible to evaluate human action in terms of natural justice”.

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aa) Rechtstheoretische Fundierung des Günstigkeitsprinzips Allerdings geht es an der betreffenden Stelle nicht um einen Mindestlohn, der angeordnet, sondern umgekehrt um einen höheren Lohn, der ausdrücklich verboten wird. Anders als die Arbeitgeber verfügen die Arbeiter selten über einen Anwalt im Rahmen der Gesetzgebung, der ihre Interessen einbringt: „Wo auch immer der Gesetzgeber versucht, Konflikte zwischen Meister oder Dienstherrn und Arbeiter zu regeln, sind die Arbeitgeber stets seine Berater. Ist daher eine Regelung für die Arbeiter günstig, ist sie stets gerecht und billig, begünstigt sie die Meister, ist das zuweilen nicht der Fall.“49 Hier ist nicht nur die Gefahr lobbyistischer Einflüsterungen gesehen worden („sind die Arbeitgeber stets seine“ – des Gesetzgebers – „Berater“), sondern zugleich auch ein für die Gesetzesauslegung geltendes Günstigkeitsprinzip formuliert und, im Zusammenhang mit dem zuvor Behandelten, rechtstheoretisch untermauert worden. Einer Gesetzgebung im Sinne der Unternehmer misstraut Smith abgrundtief, weil er ihre Sonderinteressen nicht für vereinbar hält mit dem Allgemeinwohl.50 Den Schluss des ersten Buchs des Wohlstands der Nationen nutzt er nochmals zur unmissverständlichen Klarstellung: „Jedem Vorschlag zu einem neuen Gesetz oder einer neueren Regelung über den Handel, der von ihnen kommt, sollte man immer mit größtmöglicher Vorsicht begegnen. Man sollte ihn auch niemals übernehmen, ohne ihn vorher gründlich und sorgfältig, ja, sogar misstrauisch und argwöhnisch geprüft zu haben, denn er stammt von einer Gruppe von Menschen, deren Interessen niemals dem öffentlichen Wohl genau entspricht, und in der Regel vielmehr daran interessiert sind, die Allgemeinheit zu täuschen, ja, sogar zu missbrauchen.“51

_____ 49 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 123 f. (Book I.x.c.61, p. 157 pp.: “Whenever the legislature attempts to regulate the difference between masters and their workmen, its counsellors are always the masters. When the regulation, therefore, is in favour of the workmen, it is always just and equitable; but it is sometimes otherwise when in favour of the masters.”). 50 Weiterführend dazu Lepsius (2010) S. 25: „Die Konkretisierung des Gemeinwohls ist genauso eine Aufgabe des Parlamentes wie das Aufzeigen der Wege, wie es zu verwirklichen ist: in erster Linie durch gesetzliche Instrumente, die Kompetenzen übertragen, Verantwortung erzeugen, Grenzen ziehen. Es handelt sich um einen politischen Prozess, der sich in den Foren und Formen des Rechts abspielt.“ Hervorhebung nur hier. 51 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 213 (Book I.xi.p.10, p. 267: “The proposal of any new law or regulation of commerce which comes from this order, ought always to be listened to with great precaution, and ought never to be adopted till after having been long and carefully examined, not only with the most scrupulous, but with the most suspicious attention. It comes from an order of men, whose interest is never exactly the same with that of the publick, who have generally an interest to deceive and even to oppress the publick”).

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bb) Unternehmer ohne Gesetzgebungskompetenz Sieht man einmal von dem Nachsatz ab, der für Smith die Regel der völligen Verantwortungslosigkeit bildet, so kann die davor geäußerte rechtstheoretische Einsicht auch heute noch Geltung beanspruchen. Gleichwohl hat namentlich George Stigler den Standpunkt von Smith für widersinnig gehalten, weil das wirtschaftliche Eigeninteresse den Menschen leiten solle, das politische hingegen unverständlicherweise nicht: „Der Hohepriester des Eigeninteresses hatte, wie alle anderen Hohenpriester, einen starken Bedarf an Sündern.“52 Aber schon weiter oben wurde die Annahme, dass Adam Smith einer rückhaltlosen Verfolgung des Eigeninteresses verpflichtet gewesen sei, im Einklang mit einem führenden Ökonomen zurückgewiesen. 53 Im Übrigen übersieht diese Auffassung, dass Politik und Recht von Smith nicht mit dem Prinzip der Ökonomie gleichgesetzt werden. 54 Eine Form des radikalen Egoismus, die nicht das legitime Streben nach dem eigenen Vorteil betrifft, sondern das Gesetz als Mittel zum Zweck einsetzt, ist für Smith volkswirtschaftlich wenig heilsam, wenngleich mitunter auch hier über das Wirken der unsichtbaren Hand Schlimmeres verhütet wird. So kommentiert er die von einer bestimmten Innung erwirkte Abgabenfreiheit sarkastisch: „Allein ihr Egoismus, der zu diesem merkantilen Kabinettstückchen Anlass gab, verfehlte höchstwahrscheinlich zu ihrer Enttäuschung ganz und gar sein Ziel.“55 Das gilt umso mehr, als die für Smith entscheidende Freiheit geopfert zu werden droht, wenn die Gesetzgebung einseitig von Unternehmerinteressen diktiert wird.56 Über eine Reihe von Exportbeschränkungen sagt er etwa: „Ich muss wohl, glaube ich, nicht besonders darauf hinweisen, wie sehr diese Bestimmungen der laut gepriesenen Freiheit des Untertanen widersprechen, von der wir sagen, dass wir über sie höchst eifersüchtig wachen, die wir aber in diesem Fall ganz einfach den niedrigen Interessen unserer Kaufleute und Fabrikanten opfern.“57 Freiheit ist

_____ 52 Stigler (1971) S. 265. 53 Sen (1986). 54 Mestmäcker (1978) S. 139, 168. 55 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 554 f. (Book IV.viii.39, p. 657: “The avidity, however, which suggested this notable piece of mercantile ingenuity, most probably disappointed itself of its object.”). 56 Mestmäcker (1978) S. 139, spricht mit Recht von der „Anmaßung von Monopolisten, ihre eigenen Interessen als Staatsinteressen auszugeben und durchzusetzen“. 57 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 558 (Book IV.viii.47, p. 660: “It is unnecessary, I imagine, to observe, how contrary such regulations are to the boasted liberty of the subject,

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für ihn eben nicht nur wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, sondern diese setzt vielmehr ein institutionelles Verständnis von Freiheit voraus, das die Handelsfreiheit erst garantieren kann.58 Indem Smith hier die Freiheit der Untertanen ins Feld führt, macht er auf einen Mindeststandard von Grund- und Menschenrechten aufmerksam, ohne den die Wirtschaftsfreiheit eine Verbrämung eines unumschränkten Egoismus darstellt, der gerade nicht mehr förderlich für die Volkswirtschaft ist.

cc) „Gesetze Drakons“ Ein besonders anschauliches Beispiel für seine markigen Ansichten über die von ihm gegeißelte Rücksichtslosigkeit der Unternehmer gibt Smith an vergleichsweise versteckter Stelle, weshalb es vielleicht in diesem Zusammenhang noch nicht die gebührende Beachtung erfahren hat: „Die Inhaber unserer Wollmanufakturen haben erfolgreicher als jede andere Gruppe von Unternehmern der Gesetzgebung eingeredet, die Prosperität des Landes hänge von Erfolg und Ausweitung ihrer speziellen Branche ab.“59 Das faktische Monopol, das die betreffenden Gewerbetreibenden damit erwirkt haben, nimmt Smith zum Anlass für eine rechtstheoretische Grundsatzrede, die zunächst nichts mit der Ausgangsfrage zu tun zu haben scheint, dann aber an Schärfe nichts vermissen lässt:60 „Mit vollem Recht wird die Strenge vieler Gesetze beklagt, die zur Sicherung der Staatseinnahmen erlassen worden sind, weil sie bestimmte Handlungen mit schweren Strafen belegen, die früher, ehe man sie zu Verbrechen erklärte, stets für harmlos gehalten worden sind. Aber ich wage zu behaupten, dass die grausamsten unserer Steuergesetze noch milde und menschlich im Vergleich zu einzelnen Gesetzen sind, die unsere Kaufleute und Fabrikanten durch lautes Klagen bei der Legislative durchgesetzt haben, um die eigenen unsinnigen und ausbeuterischen Mono-

_____ of which we affect to be so very jealous; but which in this case, is so plainly sacrificed to the futile interests of our merchants and manufacturers.”). 58 Vgl. auch Sen (2003) S. 17. 59 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 546 (Book IV.viii.17, p. 647: “Our woollen manufacturers have been more successful than any other class of workmen, in persuading the legislature that the prosperity of the nation depended upon the success and extension of their particular business.”). 60 Es dürfte ein Anwendungsfall dessen sein, was beiläufig herausgestellt wurde von Haakonssen (1981) S. 138: “And of course his criticism in The Wealth of Nations of various forms of legislation in the economic sphere had a similar jurisprudential side, quite apart from their economic and social aspects”.

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pole zu stützen. Wie von den Gesetzen Drakons mag man auch von ihnen sagen, sie seien mit Blut geschrieben.“61 Mancher Unternehmer würde sich vielleicht in Kenntnis dieser Sätze die Berufung auf Adam Smith mitunter versagen.

dd) Gefahr der Interessentenjurisprudenz In einer Zeit, in der Interessenverbände – sei es, über Rechtsberater, sei es, unmittelbar – den dafür eigentlich bestimmten Ministerien ganze Gesetzesentwürfe anbieten oder gar von ihnen mit dem Verfassen beauftragt werden, kann Smiths Mahnung nicht ernst genug genommen werden, einen solchen Vorschlag „niemals (zu) übernehmen, ohne ihn vorher gründlich und sorgfältig, ja, sogar misstrauisch und argwöhnisch geprüft zu haben“. Smith hat also der Sache nach durchaus das erkannt, was man heute als den Unterschied von zentraler Gesetzgebung und dezentraler Regelbildung bezeichnet.62 Die vordergründige Sachnähe der beteiligten und betroffenen Verkehrskreise wird also aufgehoben durch mitwirkende Partikularinteressen: „Ihre Überlegenheit (…) liegt nicht so sehr in einer besseren Kenntnis des öffentlichen Interesses, vielmehr kennen sie das eigene weit besser.“63 Hier begegnet abermals der von Smith auch an anderen Stellen für maßgeblich gehaltene Informationsvorsprung als Argument. So besteht gerade durch das Wissen um die Eigeninteressen die Gefahr, dass durch eine rechtsdogmatisch akzentuierte und gesetzgebungstechnisch verbrämte Vorgabe öffentlicher Interessen in Wahrheit Eigeninteressen verfolgt werden und einer Interessentenjurisprudenz Vorschub geleistet wird.64 Anders als im Wirtschaftsleben führt aber im

_____ 61 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 546 f. (Book IV.viii.17, p. 647 pp.: “The severity of many of the laws which have been enacted for the security of the revenue is very justly complained of, as imposing heavy penalties upon actions which antecedent to the statutes that declared them to be crimes, had always been understood to be innocent. But the cruellest of our revenue laws, I will venture to affirm, are mild and gentle, in comparison of some of those which the clamour of our merchants and manufacturers has extorted from the legislature, for the support of their own absurd and oppressive monopolies. Like the laws of Draco, these laws may be said to be all written in blood.”). 62 Mestmäcker (1978) S. 139, 165. 63 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 213 (Book I.xi.p.10, p. 267: “Their superiority (…) is, not so much their knowledge of the publick interest, as in their having a better knowledge of their own interest”). 64 Auf die Wirtschaftspolitik bezogen aus neoliberaler Sicht in diesem Sinne Rüstow (1932) S. 62, 69: „Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist, und den ich (…)

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Bereich des politischen Lebens das ungehindert wirkende freie Spiel der Kräfte nicht aus sich heraus zu einer gerechten Ordnung, die alle konfligierenden Interessen ausgleicht, so dass insoweit eine gesetzliche Steuerung unerlässlich ist.65

ee) Ausnahme bei zufälliger Interessenkonvergenz Nur ausnahmsweise ergibt sich mehr oder weniger zufällig ein wohltätiger Effekt interessengesteuerter Gesetze: „Aus persönlichen Gründen mögen unsere Kaufleute und Fabrikanten diese Ausnahmen vom Gesetzgeber ebenso erzwungen haben wie den größeren Teil unserer Handelsbestimmungen. Und dennoch sind sie vollkommen gerecht und angemessen, und, falls sie auf andere Rohstoffe für das Gewerbe ausgedehnt werden könnten, ohne die Belange des Staates zu beeinträchtigen, würde die Öffentlichkeit dadurch zweifellos gewinnen.“66 Abgesehen davon, dass der tiefere Grund für die Gerechtigkeit der Regelung hier jedoch in der Abkehr von dem Smith verhassten Merkantilsystem besteht, ist es die einschränkende Bedingung („ohne die Belange des Staates zu beeinträchtigen“), welche die Regelung legitimiert. Konvergieren die Interessen des Einzelnen mit denen des Staates, bestehen gegen eine durch Einzelinteressen angeregte Gesetzgebung entsprechend weniger Bedenken.

f) Gerechtigkeitsbewertung und ökonomische Folgen Von der Gerechtigkeitsbewertung zu unterscheiden sind jedoch die spezifisch ökonomischen Folgen einer die wirtschaftlich stärkeren Grundbesitzer privilegierenden Gesetzgebung, die durchaus im volkswirtschaftlichen Interesse liegen können: „Wenn die Regierung über irgendeine Gewerbe- oder Polizeivorschrift berät, kann sie von den Landbesitzern niemals irregeleitet werden, solange diese die Interessen ihres eigenen Standes im Auge haben, zumindest

_____ vertrete, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört.“ (Hervorhebung nur hier). 65 Mestmäcker (1978) S. 139, 168. 66 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 542 (Book IV.viii.3, p. 643: “The private interest of our merchants and manufacturers may, perhaps, have extorted from the legislature these exemptions, as well as the greater part of our other commercial regulations. They are, however, perfectly just and reasonable, and if, consistently with the necessities of the state, they could be extended to all the other materials of manufacture, the publick would certainly be a gainer.”).

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dann nicht, wenn sie den eigenen Vorteil einigermaßen kennen, was allerdings nicht allzu häufig der Fall ist.“67 Der sarkastische Nachsatz erklärt sich daraus, dass die besitzende Klasse aus Smiths Sicht „durch ihre bequeme und sichere Lage natürlicherweise zu einer gewissen Trägheit verführt (wird), so dass sie nur allzu oft wenig Sachkunde besitzen und wenig Verständnis aufbringen, ohne die man die Folgen einer staatlichen Entscheidung weder verstehen noch voraussehen kann“.68 Abgesehen von diesem Kompetenz- und Informationsdefizit,69 erweisen sich also die Interessen der Grundbesitzer, von denen Smith hier im Unterschied zu den weiter oben behandelten Unternehmern spricht, als signifikant für die Volkswirtschaft: „Alles, was die Interessen der Grundbesitzer fördert oder hindert, dient oder schadet auch dem Anliegen der Allgemeinheit.“70 Hier kündigt sich bereits unausgesprochen der später zu besprechende Mechanismus der unsichtbaren Hand an.

g) Ungerechtigkeit menschlicher Gesetze Eine weitere Gegenüberstellung von Grundbesitzern und Kaufleuten in dem zuletzt genannten Sinne findet sich im Dritten Buch:71 „Wer sein Vermögen in Grundbesitz investiert, kann es besser überschauen und lenken, auch ist es weniger Zufällen ausgesetzt, als das eines Kaufmanns, der es häufig nicht nur gegen Wind und Wellen, sondern auch der noch größeren Unsicherheit menschlicher Dummheit und Ungerechtigkeit anvertrauen muss.“72 Das Adjektiv („menschlich“) bezieht sich hier durchaus auch auf die Ungerechtigkeit

_____ 67 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 211 (Book I.xi.p.8, p. 265: “When the publick deliberates concerning any regulation of commerce or police, the proprietors of land never can mislead it, with a view to promote the interest of their own particular order; at least, of they have any tolerable knowledge of that interest. They are indeed, too often defective in this tolerable knowledge.”). 68 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 212 (Book I.xi.p.8, p. 265: “That indolence, which is the natural effect of the ease and security of their situation, renders them too often, not only ignorant, but incapable of that application of mind which is necessary in order to foresee and understand the consequences of any publick regulation.”). 69 Siehe dazu Stigler (1961) S. 213. 70 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 211 (Book I.xi.p.8, p. 265: “Whatever either promotes or obstructs the one, necessarily promotes or obstructs the other.”). 71 Vgl. auch MacCormick (1981) S. 243, 252. 72 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 312 (Book III.i.3, p. 377 pp.: “The man who employs his capital in land, has it more under his view and command, and his fortune is much less liable to accidents than that of the trader, who is obliged frequently to commit it, not only to the winds and the waves, but to the more uncertain elements of human folly and injustice”).

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und nicht nur die Dummheit. Das wird auch in einer späteren Stelle deutlich, die erneut die Vorzüge des Grunderwerbs preist: „Außerdem besitzen die landschaftliche Schönheit, die Freuden des Landlebens, die geistige Entspannung, die es erlaubt, und nicht zuletzt die Unabhängigkeit, soweit sie nicht durch die Ungerechtigkeit menschlicher Gesetze gestört wird, allesamt Reize, die mehr oder weniger jeden anziehen.“73 Es sind Stellen wie diese, die Amartya Sen zu der interessanten Annahme geführt haben, dass insbesondere bei Smith ein Zusammenhang zwischen Freiheit und Lebensqualität besteht.74 Sieht man einmal von der bukolischen Schilderung ab, die ebensogut in seiner Theorie der ethischen Gefühle Platz gehabt hätte,75 aber gerade dadurch auch den werkimmanenten Zusammenhang veranschaulicht, so ist es vor allem die Wendung von der „Unabhängigkeit, soweit sie nicht durch die Ungerechtigkeit menschlicher Gesetze gestört wird“, die rechtstheoretisches Interesse beansprucht. Die Unabhängigkeit, die durch Gesetze gestört wird, ist letztlich ein anderes Wort für die Freiheit. Dass Smith diesen naheliegenden Begriff hier nicht verwendet, könnte aber gerade daran liegen, dass Freiheit für ihn ohne Bindung ohnehin unvorstellbar, weil zügellos und unverantwortlich ist. Daher zeichnet er an Stelle einer durch ungerechte Gesetze gefährdeten libertas das eines altrömischen (cum dignitate) otium.76 Wichtiger ist, dass auch hier von der Ungerechtigkeit menschlicher Gesetze die Rede ist; es ist der Gegenbegriff zum Naturrecht, das als allgemeine Konstante unabänderlich feststeht und daher nicht missbrauchanfällig ist. Diese Stelle steht in einem inneren Kausal- und Verweisungszusammenhang zu einer anderen, in der die Rede ist von der „Sache des Gesetzgebers, der sich allein von unveränderlichen und allgemein

_____ 73 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 312 (Book III.i.3, p. 378: “The beauty of the country besides, the pleasures of a country life, the tranquillity of mind which it promises, and wherever the injustice of human laws does not disturb it, the independency which it really affords, have charms that more or less attract every body”). 74 Sen (2003) S. 37. 75 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 307 ff. (TMS IV.1: “Of the beauty which the appearance of utility bestows upon all the productions of Art and of the extensive influence of this species of Beauty.”) mit der Kapitelüberschrift: „Über die Schönheit, welche allen Erzeugnissen der Kunst durch den Anschein der Nützlichkeit verliehen wird, der sich in ihnen ausdrückt, und über den ausgedehnten Einfluss dieser Art von Schönheit“. 76 Cicero, Pro Sestio, 98; ders., Ad familiares I 9, 21. Zu dessen Einfluss auf die Schottische Aufklärung Stewart-Robertson (1983) S. 25.

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gültigen Grundsätzen in seinen Überlegungen leiten lassen sollte.“77 Denn auch dort geht es, wie noch zu zeigen sein wird, um eine normative Konstante.

2. Gesetzliche Anordnung beruflicher Zulassungsbeschränkungen Bereits weiter oben war im Zusammenhang mit der naturrechtlich ausgerichteten Eigentumsbegründung von einer zentralen Stelle aus dem Wohlstand der Nationen die Rede, die hier noch einmal aufgegriffen werden muss, weil sie für die Rechtstheorie Adam Smiths überaus repräsentativ ist: „Das Eigentum, das jeder Mensch an seiner Arbeit besitzt, ist in höchstem Maße heilig und unverletzlich, weil es im Ursprung alles andere Eigentum begründet. Das Erbe eines armen Mannes liegt in der Kraft und in dem Geschick seiner Hände begründet, und ihn daran zu hindern beides so einzusetzen, wie er es für richtig hält, ohne dabei seinen Nachbarn zu schädigen, ist eine offene Verletzung dieses heiligsten Eigentums (und) offenkundig ein Übergriff in die wohlbegründete Freiheit des Arbeiters und aller anderen, die bereit sein mögen, ihn zu beschäftigen.“78 Bereits bei der Behandlung der Moraltheorie wurde festgestellt, dass das Attribut der Heiligkeit gleichbedeutend mit ‚ehrwürdig‘ gebraucht wurde und nicht notwendigerweise religiös fundiert ist.

a) Unausgesprochener Rechtspaternalismus Die beruflichen Zulassungsbeschränkungen, um die es hier geht,79 bedeuten eine beiderseitige Einschränkung der natürlichen Freiheit: „So, wie der eine daran gehindert wird, an etwas zu arbeiten, was er für richtig hält, so werden

_____ 77 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 382 (Book IV.ii.39, p. 468: “the science of a legislator, whose deliberations ought to be governed by general principles which are always the same”). 78 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 106 (Book I.x.c.12, p. 138: “The property which every man has in his own labour, as it is the original foundation of all other property, so it is the most sacred and inviolable. The patrimony of a poor man lies in the strength and dexterity of his hands; and to hinder him from employing this strength and dexterity in what manner he thinks proper without injury to his neighbour, is a plain violation of this most sacred property. It is a manifest encroachment upon the just liberty both of the workman, and of those who might be disposed to employ him.”). 79 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 104 ff. (Book I.x.c.4 pp., p. 135 pp.).

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die anderen daran gehindert, jemanden zu beschäftigen, der ihnen passt.“80 Man kann Smith an dieser Stelle keine Unternehmer-Lastigkeit vorwerfen, wie dies der Folgesatz auf den ersten Blick nahelegen mag: „Das Urteil darüber, ob er (sc. der Arbeiter) für die Arbeit geeignet ist, kann ruhig der Entscheidung der Unternehmer überlassen bleiben, deren Interesse davon so stark berührt wird.“81 Vielmehr fragt er in jedem Einzelfall, ob der Zweck des Gesetzes und seine Eignung eine Einschränkung der wechselseitigen Freiheit gebieten und rechtfertigen. Bei den hier in Rede stehenden langen Lehrzeiten beispielsweise sieht er einen veralteten „Zunftgeist“ walten: „Beide Vorschriften sind zwar durch ein staatliches Gesetz für das Königreich bestätigt, doch sind sie augenscheinlich vom gleichen Zunftgeist diktiert“82 Doch kann man auch diesen Vorhalt nicht ohne weiteres als einseitig arbeiterfeindlich und unternehmerfreundlich bezeichnen, da es im Allgemeinen eher die Unternehmer sind, die an der Beibehaltung zünftiger Regelungen ein Interesse haben. Es geht Adam Smith eher um eine Abkehr vom staatlichen Paternalismus, wo dieser sich als ungeeignet erweist („Um diesen Missstand abzustellen, sind ganz andere Gesetze nötig“83) – ein durchaus moderner Gedanke, der auch in der heutigen Rechtsphilosophie84 und Dogmatik noch seinen Platz hat.85

b) Die guten und die wahren Gründe der Gesetze In diesem Sinne lässt es Smith auch nicht damit bewenden, dem Gesetzgeber mit klaren Worten gleichsam die Maske vom Gesicht zu reißen: „Die heuchlerische Besorgnis des Gesetzgebers, diese (sc. die Unternehmer) könnten einen zumindest Ungeeigneten beschäftigen, ist offensichtlich ebenso unverschämt,

_____ 80 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 106 (Book I.x.c.12, p. 138: “As it hinders the one from working at what he thinks proper, so it hinders the other from employing whom they think proper.”). 81 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 106 (Book I.x.c.12, p. 138: “To judge whether he is fit to be employed, may surely be trusted to the discretion of the employers whose interest it so much concerns.”). 82 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 104 (Book I.x.c.6, p. 136: “Both these regulations, though they have been confirmed by a publick law of the kingdom, are evidently dictated by the same corporation spirit”). 83 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 106 (Book I.x.c.13, p. 138: “Quite different regulations are necessary to prevent this abuse.”). 84 Gutmann (2006) S. 189; ders. (2005) S. 150; Kirste (2011) S. 805. 85 Medicus (1994); Petersen (2000) S. 739; siehe auch Eidenmüller (2011) S. 814.

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wie sie bedrückend ist.“86 Vielleicht hat die drastische Wortwahl mitunter dazu geführt, dass Adam Smith als Eiferer für einen radikalen Liberalismus galt.87 Für den flüchtigen Leser mögen es mitunter auch die bloßen Kapitelüberschriften gewesen sein, die zu dieser Einordnung führten: etwa im Vierten Buch, in dem der Erste Teil überschrieben ist mit der „Unvernunft hinter solchen Beschränkungen – selbst nach den Grundsätzen des Merkantilismus“88 und der Zweite Teil mit der „Unvernunft solch außerordentlicher Beschränkungen, die mit Hilfe anderer Prinzipien begründet werden.“89

aa) Rolle des Römischen Rechts Doch darf nicht übersehen werden, dass die betreffenden Stellen jeweils am Ende bzw. im Zusammenhang mit einer rechtstheoretisch anspruchsvollen Folgenbewertung stehen und erst in dieser Deutlichkeit ausgesprochen werden, nachdem aufgrund eines detaillierten Vergleichs eines „jeden modernen Gesetzbuch(s)“ mit dem Römischen Recht herausgearbeitet wurde, dass in der betreffenden Vorgabe „doch weiterhin der Zunftgeist lebendig“ ist.90 Auch im Zusammenhang mit dem Bildungswesen spielt das Römische Recht für ihn eine gewichtige Rolle:91 „Vielleicht ist hier der Hinweis angebracht, dass sich das Recht anscheinend in keiner der Republiken des antiken Griechenland zu einer Wissenschaft entwickelt hat, obwohl einzelne die Zwölftafelgesetze, jedenfalls viele von den Gesetzen, übernommen hatten. In Rom dagegen entstand schon sehr früh eine Rechtswissenschaft, und wer im Rufe stand, sie zu beherrschen, genoss beträchtliches Ansehen.“92 Hieran ist weniger die allge-

_____ 86 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 106 (Book I.x.c.12, p. 138: “The affected anxiety of the law-giver lest they should employ an improper person, is evidently as impertinent as it is oppressive.”). 87 Siehe auch Briefs (1930/31) S. 90. 88 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 387 (Book IV.iii.a, p. 473: “Of the Unreasonableness of those Restraints even upon the Principles of the Commercial System”). 89 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 402 (Book IV.iii.c, p. 488: “Of the Unreasonableness of those extraordinary Restraints upon other Principles”). 90 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 110 (Book I.x.c.22, p. 142: “yet the corporation spirit (…) generally prevail in them”). 91 Stein (1979 a) S. 621, 633, behandelt die Rolle des Römischen Rechts in den Lectures on Jurisprudence. 92 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 659 (Book V.i.f.44, p. 778: “It is perhaps worth while to remark, that though the laws of the twelve tables were, many of them, copied from those of some antient Greek republicks, yet law never seems to have grown up to be a science in any

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meine Aussage von Bedeutung, wonach das Recht die große Kulturleistung der Römer war, während die Griechen in der Philosophie dominierten, als vielmehr der Umstand, dass er das Recht unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaft einordnet. In einem so ausdifferenzierten Rechtssystem wie dem römischen, sieht er offenbar und mit gutem Grund den Wissenschaftsanspruch der Jurisprudenz begründet und verwirklicht.93 Dass Adam Smith als Rechtstheoretiker noch nicht hinlänglich wahrgenommen wurde, hängt im Übrigen wohl auch damit zusammen, dass er auch die römisch-rechtlichen Wurzeln des Rechts berücksichtigt94 und ein regelrechtes argumentum e silentio legis completae heranzieht: „Während in jedem modernen Gesetzbuch die gegenseitigen Pflichten von Meister und Lehrling breiten Raum einnehmen, war in der Antike eine Lehrzeit gänzlich unbekannt. Das Römische Recht schweigt sich hierüber vollkommen aus, und ich selbst kenne kein griechisches oder lateinisches Wort (ich glaube, es gibt keines), welches die Vorstellung ausdrückt, die wir heute mit dem Wort Lehrling verknüpfen.“95 Dieser römisch-rechtliche Zweig seines Rechtsdenkens dürfte vornehmlich die angloamerikanische Forschungsliteratur, die im Hinblick auf Adam Smith mehr denn je vorherrscht, kaum interessiert haben,96 weil die rechtlichen Wurzeln der jeweiligen Rechtskultur andere sind.97 Smith selbst hat auch die kontinentaleuropäische Sichtweise gekannt: „Diese Beachtung der herkömmlichen Praxis und der Präjudizien bestimmte letztlich die Form des uns überlieferten römischen Rechtssystems und beeinflusste die Gesetze in allen Ländern, die ein gleiches Verfahren praktizierten.“98 Wenn Smith im

_____ republick of antient Greece. In Rome it became a science very early, and gave a considerable degree of illustration to those citizens who had the reputation of understanding it.”). 93 Zu dieser Problematik auch Petersen (2008 a) S. 159 ff. 94 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 465 f. (Book IV.vii.a.3, p. 556 pp.). 95 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 107 (Book I.x.c.15, p. 139: “Apprenticeships were altogether unknown to the antients. The reciprocal duties of master and apprentice make a considerable article in every modern code. The Roman law is perfectly silent with regard to them. I know no Greek or Latin word (I might venture, I believe, to assert there is none) which expresses the idea we now annex to the word Apprentice”); Hervorhebung nur hier. 96 Ansatzweise anders immerhin MacCormick (1981) S. 243, 258: “By tracing the development of Roman law, Smith shows how we can perceive the steady evolution of a less and less formalistic approach to contracting.”. 97 Siehe aber auch Zimmermann (1996). 98 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 660 (Book V.i.f.44, p. 779: “This attention, to practice and precedent, necessarily formed the Roman law into that regular and orderly system in which it has been delivered down to us; and the like attention has had the like effects upon the laws of every other country where such attention has taken place.”).

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römisch-rechtlichen System geschult war und es auch lehrte, dann mag es auch gerechtfertigt sein, sein Werk mit den Mitteln einer Methodenlehre zu untersuchen, die einer stärker am Systemdenken ausgerichteten Rechtsordnung entstammt. Hierin liegt ein markanter Unterschied zu den angloamerikanischen Arbeiten über die Rechtstheorie von Adam Smith.

bb) Recht der Parteien Ähnlich verhält es sich an anderer Stelle, wo Smith Weinbaugesetze untersucht, die den Anbau von Wein limitierten und welche die französischen Winzer bei der Obrigkeit unter dem Vorwand erwirkt hatten, man benötige weniger Wein und mehr Getreide und Grünfutter. Smith kommentiert dieses Gesetz mit der in Wahrheit bestehenden Angst der zeitweilig durch das Gesetz Begünstigten, Besitzstände zu verlieren: „Doch ist diese Angst offenbar Ausdruck einer anderen Ansicht, dass nämlich dieser erhöhte Gewinn nicht länger anfallen kann, als die Gesetze bestehen, welche zur Zeit den freien Anbau von Wein beschränken.“99 Vorwände dieser Art entlarvt Smith durchweg, indem er die vorgebliche Teleologie des Gesetzes auf seinen wirklichen Geltungsgrund zurückführt. So notiert er über die Getreidegesetze vergangener Zeiten: „Sinn und Zweck dieser Gesetze war es nicht, den heimischen Markt reichlich zu versorgen, sondern unter dem Vorwand, die Landwirtschaft zu beleben, den Geldpreis für Getreide so hoch wie nur möglich zu steigern, um dadurch eine ständige Verteuerung auf dem Inlandsmarkt so weit wie möglich zu erreichen.“100 Smith hat hier mit dem ihm eigenen und in seiner Moralphilosophie geschulten Scharfblick auf die inneren Beweggründe diejenigen Motive der Akteure offenbart, die ihn später in den Augen von Marx und Engels befähigt

_____ 99 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 134 (Book I.xi.b.27, p. 171: “It seems at the same time, however, to indicate another opinion, that this superior profit can last no longer than the laws which at present restrain the free cultivation of the vine.”); siehe auch S. 135 „Es gleicht einer Politik, welche die Landwirtschaft unterstützen möchte, indem sie das Gewerbe behindert.“ (Book I.xi.b.27, p. 171: “It is like the policy which would promote agriculture by discouraging manufacturers.”). 100 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 449 f. (Book IV.v.b.38, p. 538: “The plentiful supply of the home market was not the direct object of those statutes; but, under the pretence of encouraging agriculture, to raise the money price of corn as high as possible, and thereby to occasion, as much as possible, a constant dearth in the home market.”). Zur Situation der seinerzeitigen Landwirtschaft Whyte (1979).

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haben, die „Physiologie der bürgerlichen Gesellschaft“ zu erkennen.101 Dass Adam Smith als geschulter Leser La Rochefoucaulds die guten von den wahren Gründen scheiden konnte, zeigt eine auf das Völkerrecht bezogene Stelle seiner Moraltheorie,102 die darüber hinaus regelrecht machiavellistische Züge zu tragen scheint,103 in Wahrheit aber den Herrschenden ins Herz schaut: „Jeder Herrscher erwartet von seinen Nachbarn wenig Gerechtigkeit und ist deshalb geneigt, sie mit ebenso wenig Gerechtigkeit zu behandeln, als er von ihnen erwartet. Die Rücksicht auf das Völkerrecht oder auf jene Regeln, von denen unabhängige Staaten erklären oder vorgeben, dass sie sich in ihrem Verkehr miteinander für verpflichtet halten, sie zu beobachten, ist oft wenig mehr als eben ein bloßes Vorgeben oder Erklären.“104 Doch ist dies kein spezifisches Problem des Völkerrechts, sondern betrifft darüber hinaus das von Smith so genannte Recht der Parteien: „Die Grundsätze, die man als das Recht der Parteien bezeichnen könnte, sind von angesehenen und ernsten Schriftstellern oft mit noch weniger Rücksicht auf die Regeln der Gerechtigkeit aufgestellt worden als des so genannten Völkerrechts.“105 Recht wird ohne moraltheoretische Fundierung – das heißt für Smith: die Beachtung der Regeln der Gerechtigkeit – zum Vorwand, die eigenen Interessen durchzusetzen und den Besitz zu wahren.

c) Zwischenergebnisse Gesetzliche Beschränkungen sind für Smith also nicht per se schlecht, sondern nur dann, wenn sie unter dem Vorwand des Allgemeininteresses Partikularinteressen Vorschub leisten und auf diese Weise die Freiheit beschränken.

_____ 101 Marx/Engels (1978) Band II/3, S. 817; zu dieser Stelle auch Klenner (1987) S. 278, 279. 102 Näher zum Ganzen Brühlmeier (1988) S. 156 f. 103 Vgl. aber auch Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 369 wonach Machiavelli „selbst für seine Zeit kein Mann von besonders feinem sittlichen Empfinden“ war. (TMS VI.i.16: “not indeed a man of the nicest morality even for his own times”). 104 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 388 (TMS VI.ii.2.3: “Each sovereign, expecting little justice from his neighbours, is disposed to treat them with as little as he expects from them. The regard for the laws of nations, or for those rules which independent states profess or pretend to think themselves bound to observe in their dealing with one another, is often very little more than mere pretence and profession.”). 105 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 232 (TMS III.3.43: “What may be called the laws of faction have often been laid down by grave authors with still less regard to the rules of justice than what are called the laws of nations”.).

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Schon hier bewahrheitet sich die prägnante Einschätzung Hayeks, wonach „der entscheidende Beitrag von Adam Smith die Darstellung einer sich selbst regulierenden Ordnung war, die sich spontan ergibt, wenn die einzelnen Menschen durch angemessene gesetzliche Regeln eingeschränkt werden.“106 Dasselbe dürfte gemeint sein, wenn bisweilen von „Adam Smiths FreiheitsAutomatik“ gesprochen wird.107 Adam Smith unterscheidet allerdings die guten und die wahren Gründe des Gesetzes. Er lässt sich nicht durch einen vorgeblichen, mitunter vorgeschobenen Gesetzeszweck blenden und erliegt nicht der Versuchung, das positive Recht allein aus sich heraus zu deuten und von daher zu legitimieren, wenn ökonomische Indizien dafür sprechen, dass in Wahrheit außerrechtliche Beweggründe den Ausschlag gegeben haben.

d) Methodologische Fundierung Zudem stellt er seine umfassende rechtstheoretische Kompetenz dadurch unter Beweis, dass er mit den Mitteln einer durchaus modern zu nennenden Methodenlehre nachweist, wie unzulänglich und weitreichend die inkriminierten Vorschriften waren, so dass man notgedrungen einschränkend auslegen musste: „Dieses, dem Wortlaut nach sehr allgemein gehaltene Gesetz war offenbar für das ganze Land bestimmt, doch wurde es da eng ausgelegt, praktisch nur in den Städten angewandt.“108 Interessant hieran ist aus methodologischer Sicht, dass Smith Wortlaut und Wortsinn zueinander ins Verhältnis setzt, wobei er die eigentümliche Teleologie des Gesetzes nach einem jeweils unterschiedlichen räumlichen Geltungsbereich bestimmt. Smith verwirft die von ihm für zweifelhaft erachteten Normen also nicht pauschal unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Freiheitsbeschränkung, sondern bewertet den möglichen Anwendungsbereich mit konkreter Berücksichtigung ihrer Handhabung in der Praxis.

_____ 106 Hayek (2002) GS A 5, S. 88, 93. 107 Fikentscher (1975 a) S. 169 Fußnote 53. 108 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 105 (Book I.x.c.8, p. 137: “For though the words of the statute are very general, and seem plainly to include the whole kingdom, by interpretation its operation has been limited to market towns”).

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aa) Wortlautanalyse und mangelnde Teleologie des Gesetzes Smith weist mit beeindruckender Präzision nach, wie ein „vom (…) Zunftgeist diktiertes staatliches Gesetz“109 notwendigerweise an wortlautmäßige Grenzen gelangt, die auch die praktische Rechtsanwendung eher hemmen als fördern: „Man legte das Gesetz zudem stets wörtlich aus und wandte es nur auf die Handwerke an, die schon vor dem Erlass in England bestanden haben, jedoch nie auf solche, die erst danach aufkamen.“110 Auch hier analysiert er die Geltung der Vorschriften zunächst nach der erkennbaren subjektiven Zwecksetzung, lässt es aber nicht dabei bewenden, weil diese mitnichten vorurteilsfreie Deutung („vom Zunftgeist diktiert“) das Auslegungsergebnis einseitig vorherbestimmen könnte. Vielmehr berücksichtigt er als komplementären Gesichtspunkt die Auslegung in der Rechtspraxis. Erst in der Zusammenschau dieser Gesichtspunkte gelangt er zu der Hypothese, dass es sich um fragwürdige Bestimmungen handelt. Smith argumentiert niemals im Wege eines heute nicht seltenen Verdikts „übertriebener Regulierung“, sondern immer anhand einer methodologisch von mehreren Seiten unter verschiedenen Gesichtspunkten abgesicherten Beweisführung.

(1) Sinnwidrige Gesetze Um unsinnige Konsequenzen zu vermeiden, musste man also zum Mittel einer extrem restriktiven Auslegung greifen, ein methodologisch unschönes Verfahren, dass nicht einmal mit dem Mittel einer heute so genannten teleologischen Reduktion erklärbar ist,111 weil es – anders als in den damit erfassten Fällen – bei dem von Smith gewählten Beispiel gerade keine anerkennungswürdigen teleologischen Gründe gibt, sondern der von Smith so genannte „Zunftgeist“ zugleich der Geist des Gesetzes ist. 112 Hier dürfte wiederum Montesquieu Pate gestanden haben. Auch an späterer Stelle kommt Smith immer wieder darauf zurück. So beklagt er im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung, dass handelswichtige Ortswechsel der Gewerbetreibenden

_____ 109 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 104 (Book I.x.c.6, p. 136: “publick law (…) evidently dictated by the same corporation spirit”). 110 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 105 (Book I.x.c.9, p. 137: “By a strict interpretation of the words too the operation of this statute has been limited to those trades which were established in England before the 5th of Elizabeth, and has never been extended to such as have been introduced since that time.”). 111 Larenz (1991) S. 391 ff. 112 Zum Geist des Gesetzes auch WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 342 (Book III.iv.20, p. 425).

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möglich wären, „wenn nicht solch absurde Gesetze sie daran hindern würden.“113 Auch dies erscheint auf den ersten Blick als Tirade, erweist sich aber bei näher Betrachtung als folgerichtig, weil Smith zuvor mit einem regelrechten argumentum ad absurdum gezeigt hat,114 wie sinnwidrig und ineffizient die Regelung ist: „Das Lehrlingsstatut schränkt sogar innerhalb einer Stadt die berufliche Beweglichkeit eines einzelnen ein, während die Sonderrechte der Zünfte einen Wechsel von einem Ort zum anderen, selbst in der gleichen Beschäftigung, erschweren.“115 Auch in anderer Hinsicht erweist sich Smith als Kenner der juristischen Methodenlehre und Rechtstheorie: „Gesetze bleiben häufig auch dann noch in Kraft, wenn die Umstände, die sie zunächst veranlasst haben und unter denen sie allein vernünftig waren, längst nicht mehr bestehen.“116 Das betrifft den Grundsatz cessante ratione legis cessat lex ipsa, der – im Einklang mit Smiths empirischer Beobachtung – heute überwiegend abgelehnt wird.117

(2) Berücksichtigung ökonomischer Gegebenheiten bei der Bestimmung des Gesetzeszwecks Smith hat sogar die Möglichkeit gesehen, dass die gesetzliche Fassung und insbesondere ihr Wortlaut infolge von Flüchtigkeitsfehlern – wir würden heute mit beschwichtigender Nachsicht gegenüber dem Gesetzgeber von „Redaktionsversehen“ sprechen118 – mitunter oberflächlich abgefasst ist. Am Beispiel eines vom Gesetzgeber ersichtlich nachlässigen Tatbestandes kommt er zu der Einsicht: „Der Wortlaut ist sehr oberflächlich, doch der Sinn deutlich genug.“119 Auch wenn die mögliche Divergenz von Buchstaben und Sinn des

_____ 113 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 118 (Book I.x.c.43, p. 151: “if those absurd laws did not hinder them.”); Hervorhebung nur hier. 114 Dazu aus juristischer Sicht Diederichsen (1973) S. 155. 115 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 117 (Book I.x.c.42, p. 151: “The statute of apprenticeship obstructs the free circulation of labour from one employment to another, even in the same place. The exclusive privileges of corporations obstruct it from one place to another, even in the same employment.”); Hervorhebung nur hier. 116 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 316 (Book III.ii.4, p. 383: “Laws frequently continue in force long after the circumstances, which first gave occasion to them, and which would alone render them reasonable, are no more.”). 117 Löwer (1989); Heckmann (1997) S. 422. 118 Dazu lesenswert Vogenauer (2001) Band I S. 260. 119 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 158 (Book I.xi.e.21, p. 202: “The expression is very slovenly, but the meaning is plain enough.”).

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Gesetzes schon vor Smith bekannt war,120 bereicherte dieser die gebotene teleologische Interpretation um die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Die Maßgeblichkeit der teleologischen Auslegung entbindet dabei den Rechtsanwender nicht von der Berücksichtigung ökonomischer Gegebenheiten, die ihrerseits zweckbegründend werden können, ohne zwangsläufig das Auslegungsergebnis vorwegnehmen zu müssen, wie folgender Kommentar einer Ausfuhrbeschränkung verdeutlicht: „Der Gesetzgeber ging dabei wohl von der Vorstellung aus, bei einem solch tiefen Preis könne kein Nachteil für den Export bestehen und es sei vernünftig, die Einfuhr zu erlauben, wenn der Preis höher ist.“121 Ähnlich verhält es sich an späterer Stelle zu einer Regelung die Rückzölle vorsieht: „Nach der vierten Ausführungsbestimmung zum Gesetz über die alte Subsidie betrug der Rückzoll für die Ausfuhr aller Weine ein gut Stück mehr als die Hälfte der damals auferlegten Einfuhrzölle. Offenbar war es das Ziel der Legislative gewesen, den Zwischen- oder Frachthandel mit Wein etwas mehr als üblich zu fördern.“122 Sowohl bei Ausfuhrbeschränkungen als auch bei Zöllen bemüht sich Smith also zunächst um eine teleologische Auslegung des Gesetzes nach dem Willen des historischen Gesetzgebers unter Berücksichtigung des objektivteleologischen Gehalts; hier etwa des Lenkungscharakters des Gesetzes.123 Er sieht sogar die bereits von Kant anerkannte124 und heute noch diskutierte Möglichkeit,125 dass das Gesetz klüger ist als der Gesetzgeber: „Die Wirkung einiger dieser Verordnungen (…) wurde vielleicht vom Gesetzgeber weder beabsichtigt noch begriffen. Aber selbst wenn die nützlichen Folgen mehr zufäl-

_____ 120 Hobbes (1651) Chapter 26 (“difference between the Letter and the Sentence of the Law”); dazu Jestaedt (1999) S. 329 mit Fußnote 6. 121 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 155 (Book I.xi.e.11, p. 198: “The legislature had imagined, that when the price was so low, there could be no inconveniency in exportation, but that when it rose higher, it became prudent to allow of importation.”). 122 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 413 (Book IV.iv.9, p. 501: “By the fourth of the rules annexed to the old subsidy, the drawback allowed upon the exportation of all wines amounted to a great deal more than half the duties which were, at that time, paid upon their importation; and it seems, at that time, to have been the object of the legislature to give somewhat more than ordinary encouragement to the carrying trade in wine.”). 123 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 317 zu einer „Gesetzgebung (die) Prämien aussetzt oder andere aufmunternde Maßnahmen trifft“. (TMS IV.1.11: “the legislature establishes premiums and other encouragements”). 124 Kant (1781) AA Band IV S. 200 bzw. (1787) AA Band III S. 246. 125 Engisch (2005) S. 135; Canaris (2011) S. 879; anderer Ansicht Rüthers (2006) S. 53, 57; Schober (2007) S. 4.

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lig eintraten, waren sie deswegen doch nicht weniger wirksam.“126 Da es sich aber um wirtschaftsrechtliche Spezialgesetze handelt, stellt Smith zusätzlich den ersichtlich verfolgten ökonomischen Zweck der Regelungen in Rechnung. Diese Vorgehensweise genügt durchaus modernen methodischen Standards. Denn die ökonomischen Sachgesetzlichkeiten wirtschafts- und steuerrechtlicher Bestimmungen können nicht außer Betracht bleiben,127 weil der Zweck des Gesetzes eben nur demjenigen „offenbar“ ist, der die ökonomischen Gegebenheiten durchschaut. Zugleich entspricht diese Vorgehensweise, auf den werkimmanenten Zusammenhang bezogen, dem Blick des impartial spectator, der sich in die Rolle des Handelnden, sei es auch des Gesetzgebers, hineinversetzt („wohl“) und dessen mehr oder weniger vernünftige Erwägungen berücksichtigt.128 So ergibt sich auch hier eine werkimmanente Konvergenz zwischen Moralphilosophie und ökonomischer Theorie.

(3) Folgerung für die Bewertung staatlicher Eingriffe Abgesehen von diesen methodologischen Fragen, aber letztlich mit ihnen zusammenhängend, zeigt diese Einschätzung der ratio legis durch Adam Smith, dass er keineswegs pauschal gegen staatliche Eingriffe ist, wie die hier in Rede stehende Einfuhrbeschränkung zeigt. Er enthält sich sogar einer Bewertung, was nur diejenigen verwundern kann, die in ihm einen unbedingten Befürworter des Laissez-faire sehen.129 Hayek hat dies in allgemeiner Form am deutlichsten dargestellt, wenn er sagt: „Die Freiheit, die Adam Smith und seine Nachfolger vertraten, war immer Freiheit unter dem Gesetz, Freiheit, die dadurch gesichert war, dass der Staat in jeder Zwangsausübung durch allgemeine Regeln gebunden war. Sie waren sich der Notwendigkeit solcher allgemeiner Regeln völlig bewusst und an ihrer langsamen Verbesserung durchaus interessiert.“130 Diesen Mechanismus kann man auch an der soeben behandelten Stelle aus dem Wohlstand der Nationen beobachten: Die Einfuhrbe-

_____ 126 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 488 (Book IV.vii.b.38, p. 580: “The tendency of some of these regulations (…) was neither, perhaps, intended nor understood by the legislature. Though their beneficial effects, however, have been in this respect accidental, they have not upon that account been less real.”). 127 Vgl. nur Petersen (1999) S. 8 ff.; ders. (2002) S. 113 ff. 128 Mathis (2009) S. 119, hat den Gesichtspunkt des Rollentauschs für die Bestimmung des unparteiischen Beobachters fruchtbar gemacht. 129 Dagegen bereits Hermann (1832). Allgemein dazu aus dem früheren Schrifttum Oncken (1887). 130 Hayek (2001) GS A 6, S. 15, 16 (Hervorhebung nur hier); ders. (2005) GS B 3, S. 78.

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schränkung als staatlicher Eingriff ist nicht per se zu verurteilen. Vielmehr zeigt sich Smith ersichtlich bemüht, den Gesetzeszweck in gleichermaßen teleologischer wie ökonomischer Weise zu ermitteln und auf die Probe zu stellen. Besteht er sie nach dem genannten Maßstab – wie hier – in einer rationalen Weise („es sei vernünftig“), so ist gegen die gesetzgeberische Beschränkung nichts zu erinnern. Nur bei den Zunftgesetzen sieht er keinen rational zureichenden Grund, die Freiheit des Einzelnen aus Gründen eines verkrusteten Standesdünkels zu beschränken und lehnt sie daher kategorisch ab. Dasselbe gilt für Exportbeschränkungen, die oft von heimischem Zunftgeist diktiert sind: „Mit einer Freigebigkeit, die weit großzügiger ist als in allen anderen Handelsgesetzen, ist das Interesse des heimischen Verbrauchers gegenüber dem des Produzenten durch die Rechtsordnung geopfert worden.“131

bb) Europarechtliche Betrachtung avant la lettre Wie modern Smith in rechtstheoretischer Hinsicht argumentiert, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass er seine Betrachtung mit einer regelrecht europarechtskonformen Deutung avant la lettre abrundet: 132 „Zunftsgesetze schränken, wie ich glaube, überall in Europa den unbehinderten Wechsel des Arbeitsplatzes ein.“133 Das ist nichts anderes als eine Antizipation der europäischen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV).134 Hinzukommt die – heute ebenfalls europarechtlich verankerte – Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Smith wendet sich vehement gegen alle Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die gerade die sozial Schwachen weiter in die Armut treibt:135 „Dieses Gesetz macht es einem armen Menschen nahezu unmöglich, auf die alte Weise (…) ein neues Wohnrecht zu erwerben.“136 Hier

_____ 131 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 559 (Book IV.viii.53, p. 661: “But in the system of laws (…) the interest of the home-consumer has been sacrificed to that of the producer with a more extravagant profusion than in all our other commercial regulations.”). 132 Zur europarechtskonformen Interpretation Canaris (2002) S. 47. 133 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 118 (Book I.x.c.45, p. 152: “The obstruction which corporation laws give to the free circulation of labour is common, I believe to every part of Europe.”). 134 Eingehend dazu Ehlers (2009). 135 Diesen generellen Gesichtspunkt analysiert am Beispiel des ‚Wohlstands der Nationen‘ vor allem Sen (2010) S. 283 und öfter. Zum Missverhältnis zwischen Armut und Reichtum bei W. v. Humboldt Schöneburg (2001) S. 41, 44. 136 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 120 (Book I.x.c.51, p. 154: “This statute, therefore, rendered it almost impracticable for a poor man to gain a new settlement in the old way”).

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tritt der für Smith elementare Zusammenhang zwischen Armut und Inhaberschaft von Rechten zutage, den Amartya Sen später wirtschafts- und rechtstheoretisch fundiert hat.137

(1) Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit Auch dieses Beispiel veranschaulicht, dass es viel zu kurz greift, Smith allein als regulierungsfeindlichen Befürworter ungehinderter Freiheit zu verstehen, weil er immer auch den Schutzzweck sowie die zu erwartenden Konsequenzen einer jeden gesetzgeberischen Regulierung betrachtet,138 zumal die Freiheitssicherung nicht um ihrer selbst willen erfolgt, sondern auch hier letztlich der Friedenssicherung – einer zentralen Funktion des Rechts – dient, wie namentlich Canaris im Hinblick auf die weiter oben angesprochenen und von Smith der Sache nach berücksichtigten europäischen Grundfreiheiten in einem rechtstheoretisch bedeutsamen Beitrag herausgearbeitet hat. Danach „dürfen die vier berühmten Grundfreiheiten der Europäischen Verträge – die Freiheit des Warenverkehrs, die Freiheit der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs sowie die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs – auch heute nicht als bloßer Selbstzweck, sondern müssen immer auch als Mittel der Friedenssicherung verstanden werden.“139 Hier sind es aber gerade die Minderprivilegierten, die durch das Gesetz behindert würden: „Offenbar sind hieran die Gesetze über die Niederlassung schuld, die einen Menschen ohne Vermögen daran hindern dort zu arbeiten, wo er hinziehen würde, wenn es keine Zertifikate gäbe.“140 Das Gesetz ist also nicht deshalb schlecht, weil es ein Gesetz ist, sondern weil es denen etwas nimmt, die ohnehin wenig haben.

_____ 137 Vgl. nur Sen (2003) S. 134: „Adam Smith, der oft als ‚Vater der modernen Wirtschaftstheorie‘ geehrt wird, zeigte sich über die Kluft zwischen arm und reich sehr beunruhigt“. 138 Sen (2009 a) S. xiv: “Even in dealing with regulations that restrain the markets, Smith additionally acknowledged the importance of interventions on behalf of the poor and the underdogs of society”. 139 Canaris (2010) S. 179, 189. 140 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 122 (Book I.x.c.58, p. 156: “The very unequal price of labour which we frequently find in England in places at no great distance from one another, is probably owing to the obstruction which the law of settlements gives a poor man who would carry his industry from one parish to another without a certificate”.).

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Ein wesentlicher Grund dieses Missstandes liegt für Smith im Merkantilismus begründet:141 „Unsere merkantilistische Wirtschaftsordnung fördert mithin hauptsächlich die Erwerbstätigkeit, die den Wohlhabenden und Mächtigen zugute kommt, und sie vernachlässigt oder unterdrückt allzu oft jene Erwerbe, welche den Ärmeren und Schwachen nutzen.“142 Diese Aussage muss mitberücksichtigt werden, wenn die Konsequenzen, die Smith aus seiner Kritik am Merkantilismus zieht,143 indem er sein eigenes System der natürlichen Freiheit begründet,144 einseitig als Benachteiligung der sozial Schwächeren kritisiert werden. Dass er diese stets im Blick hat und ihren Schutz gerade aus ethischen Gründen systematisch aufbereitet hat, findet sich abermals in seiner Moralphilosophie begründet: „Dass Wohlstand und hoher Rang oft mit jener Achtung und der Bewunderung betrachtet werden, welche allein der Weisheit und Tugend gebühren, und dass die Verachtung, die doch von Rechts wegen nur das Laster und die Torheit treffen sollte, sich oft in höchst ungerechter Weise gegen Armut und Schwäche kehrt, das ist die Klage der Moralphilosophen zu allen Zeiten gewesen.“145

(2) Europäische Wirtschaftspolitik Dass die weiter oben genannte Beobachtung, wonach Zunftgesetze überall in Europa den unbehinderten Wechsel des Arbeitsplatzes einschränken,146 kein mehr oder minder zufällig hingeworfenes obiter dictum, sondern die conclusio seiner Beweisführung ist, veranschaulicht die Prämisse, aufgrund derer er überhaupt zu diesem Ergebnis gelangt und die praktisch ohne jede Änderung auch heute noch jedes Lehrbuch über Europäische Wirtschaftspolitik berei-

_____ 141 Aus Sicht des geltenden Wirtschaftsrechts dazu weiterführend Heinemann (2011) S. 38, sowie mit Bezug auf die die europäischen Grundfreiheiten S. 52 ff. 142 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 543 f. (Book IV.viii.4, p. 644: “It is the industry which is carried on for the benefit of the rich and the powerful, that is principally encouraged by our mercantile system.”). 143 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 541 ff. (Book IV.viii, p. 642 pp.); ferner Cunningham (1884) S. 41. 144 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 450 ff. (Book IV.v.b. 39 pp., p. 538 pp.), S. 581 ff. (Book IV.ix.48 pp., p. 686 pp.). 145 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 87 (TMS I.iii.3.1: “That wealth and greatness are often regarded with the respect and admiration which are due only to wisdom and virtue; and that the contempt, of which vice and folly are the only proper objects, is often most unjustly bestowed upon poverty and weakness, has been the complaint of moralists in all ages.”); Hervorhebungen nur hier. 146 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 118 (Book I.x.c.45, p. 152).

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chern könnte: „Drittens führt die Wirtschaftspolitik in Europa gelegentlich zu einem recht unangenehmen Missverhältnis zwischen Vor- und Nachteilen in verschiedenen Erwerbszweigen, indem sie Arbeitskräfte und Kapital daran hindert, ungestört von Gewerbe zu Gewerbe und von Ort zu Ort zu wechseln.“147 Auch an dieser Stelle zeigt sich, wie wirtschaftspolitischen Einsichten durch rechtstheoretische Überlegungen, die teilweise an anderer Stelle schon vorbereitet wurden,148 der Boden bereitet wird.149 Der Gedanke durchzieht das gesamte Werk, was man etwa an folgender Passage des Dritten Buchs erkennt: „Die Wirtschaftspolitik in Europa benachteiligte früher auch noch in anderer Beziehung die Melioration des Bodens, ganz gleich, ob nun der Eigentümer oder Pächter das Land bebaut hat. Erstens war allgemein verboten, Getreide ohne besondere Erlaubnis auszuführen, eine Vorschrift, die es fast überall gab. Zweitens wirkten sich die in den unsinnigen Gesetzen gegen Ankäufer, Zwischenhändler und Vorkäufer festgelegten (…) Handelsbeschränkungen für Getreide und alle anderen Bodenprodukte nachteilig auf die Landwirtschaft aus.“150 Eine organische Rechtsfortbildung war mit den rechtsgeschichtlich motivierten und methodologisch aufgearbeiteten Widersprüchlichkeiten des positiven Rechts und seiner historischen Vorläufer a limine ausgeschlossen; schlimmer noch: dasjenige, was man in Anlehnung an Luhmann heute als „Ausdifferenzierung des Rechts“ bezeichnen könnte,151 misslang vollständig: „Diese Einschränkung führte zu einigen Unterscheidungen, die, als wirtschaftspolitische Regeln betrachtet, so unsinnig erscheinen, wie man es sich kaum denken kann.“152

_____ 147 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 117 (Book I.x.c.41, p. 151: “Thirdly, The policy of Europe, by obstructing the free circulation of labour and stock both from employment to employment, and from place to place, occasions in some cases a very inconvenient inequality in the whole of the advantages and disadvantages of their different employments.”). 148 Nämlich an den zuvor betrachteten Stellen; vgl. WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 104 ff. (Book I.x.c.11 pp., p. 138 pp.), so dass implizit darauf verwiesen werden konnte. 149 Zum geltenden Wirtschaftsrecht überaus lesenswert Heinemann (2011). 150 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 324 (Book III.ii.21, p. 396: “The antient policy of Europe was, over and above all this, unfavourable to the improvement and cultivation of land, whether carried on by the proprietor or by the farmer; first, by the general prohibition of the exportation of corn without a special licence; and secondly, by the restraints which were laid upon the inland commerce, not only of corn but of almost every other part of the produce of the farm, by the absurd laws against engrossers, regrators, and forestallers”). 151 Luhmann (1981). 152 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 105 (Book I.x.c.9, p. 137: “This limitation has given occasion to several distinctions which, considered as rules of police, appear as foolish as can well be imagined.”).

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e) Wirtschaftspolitische Regeln als legitimationsbedürftiges Argument Die Pointe dieses Verdikts liegt fraglos in der Inversion „als wirtschaftspolitische Regeln betrachtet“. Bei unbefangener und aus dem Zusammenhang genommener Betrachtung scheinen sich alle Vorurteile gegen Smith zu bestätigen: die auf die freien Kräfte des Marktes vertrauende unbedingte Geltendmachung des Laissez-faire gegenüber einem als unsinnig erkannten staatlichen Dirigismus’ in der unausgesprochenen Absicht, das freie Unternehmertum vor den wirtschaftlich schwächeren Arbeitern zu fördern. Smith hatte jedoch beides zugleich im Sinn: Er setzte sich für die Kraft des Marktes als einer pluralen und institutionellen Struktur ebenso ein wie er soziale Werte zum Schutz derer verfocht, die bei einer völligen Marktfreiheit permanent den Kürzeren ziehen würden.153 Das schlägt sich auch in seiner rechtstheoretischen Anschauung nieder. Als rechtspolitische Regeln betrachtet Smith die jeweiligen Vorschriften erst, nachdem er nicht nur ihre mangelnde Effizienz,154 sondern auch ihre systematische Inkonsistenz ermittelt hat. Aus dem zuvor Gesagten folgt, dass diese Sicht zu einseitig ist, und zwar gerade wegen der rechtstheoretischen Argumentation Smiths: Das wirtschaftspolitisch motivierte Argument wird in seiner Beweisführung erst und nur dadurch legitimiert, dass zuvor auf der Grundlage rechtshistorischer, rechtsphilosophischer155 sowie methodologischer, insbesondere wortlautbezogener und teleologischer Argumente der rechtstheoretische Boden für das ökonomische Argument bereitet wird, wie dies als allfällige normative Fundierung auch im Rahmen der ökonomischen Analyse des Rechts sinnvoll ist.156 Rechtsdogmatische Argumente gehen Hand in Hand mit ökonomischen Folgenbewertungen.

f) Verstoß gegen natürliche Freiheit und Gerechtigkeit Smith lehnt Regelungen, welche die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit beschränken, nachdrücklich ab, jedoch weniger aus allgemein liber-

_____ 153 Sen (2009 a) S. xiv. 154 Dazu monographisch Eidenmüller (1995). 155 Die Rede ist von der naturrechtlich gefärbten Berufung auf die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Eigentums, von der in der erwähnten Stelle bei WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 106 (Book I.x.c.12, p. 138), die Rede ist, und von der weiter oben ausführlich die Rede war. 156 Posner (1995); ders. (2001); ders. (2003 a); ders. (2003 b). Aus dem neueren Schrifttum Mestmäcker (2007).

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tinären Motiven als vielmehr um makroökonomischer, insbesondere europapolitischer Gründe willen sowie deswegen, weil damit gerade die Minderprivilegierten keinen Ausweg aus ihrer Armut haben. Dieser mitfühlende Gedanke hat gleichfalls seine Wurzel in der Moraltheorie, in der Smith die Gefühle analysiert, welche die Menschen für gewöhnlich gegenüber Armen und Reichen hegen: „Ja, es kommt hauptsächlich von dieser Rücksicht auf die Gefühle der Menschen, dass wir den Reichtum anstreben, und dass wir der Armut zu entrinnen trachten.“157 Darin liegt eine oft übersehene Besonderheit der Auffassung Smiths, dass der Reichtum nicht um seiner selbst erstrebt wird, weshalb auch die Ansicht fehlgeht, wonach der homo oeconomicus schon von Adam Smith zugrunde gelegt oder gar erfunden worden sei. Dass dies nicht der Fall ist, wurde bereits weiter oben dargestellt. Es wird auch von so unterschiedlichen Ökonomen wie Hayek158 und Sen betont, der dies für ein Missverständnis hält: „in Wahrheit stellte Smith ausführlich dar, wo die Grenzen dieser Annahme liegen.“159 Eher folgt Smith den Idealen der Stoa: „Der Lohn des geringsten Arbeiters reicht aus, um diese (sc. die natürlichen Bedürfnisse) zu befriedigen.“160 Der stoische Grundgedanke, dass mit der Erlangung dessen, was über das unbedingt Notwendige hinausgeht, zugleich die Wünsche und Begierden wieder steigen, begegnet hier unausgesprochen. Die volkswirtschaftliche Kehrseite besteht nämlich nicht zuletzt darin, dass mit dem wachsenden Wohlstand zwangsläufig auch die Unersättlichkeit Schritt hält.161 Hinzu kommt in expliziter Anlehnung an La Rochefoucauld der verhängnisvolle Ehrgeiz, der natürliches Gewinnstreben überschattet: „Und so ist ‚Vorrang‘ jener große Zankapfel, der (...) der Endzweck der Hälfte aller Mühe und Arbeit des menschlichen Lebens und ist die Ursache all des Treibens und Lärmens, all der räuberischen Gewalttätigkeit und Ungerechtigkeit, welche die Habsucht und der Ehrgeiz in diese Welt gebracht haben.“162

_____ 157 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 70 (TMS I.iii.2.1: “Nay, it is chiefly from this regard to the sentiments of mankind, that we pursue riches and avoid poverty.”). 158 Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 13. 159 Sen (2010) S. 212. 160 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 71 (TMS I.iii.2.1: “The wages of the meanest labourer can supply them.”). 161 Manstetten (2004) S. 264; Mathis (2009) S. 110. 162 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 83 (TMS I.iii.2.8: “And thus, place, that great object (…) is the end of half the labours of human life; and is the cause of all the tumult and bustle, all the rapine and injustice, which avarice and ambition have introduced into this world.”). Zu einer Parallelstelle im Wohlstand der Nationen siehe Hirschman (1987) S. 112.

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g) Niederlassungsfreiheit versus Ausschluss aus der bürgerlichen Gesellschaft Die Niederlassungsfreiheit ist Adam Smith darüber hinaus ein prinzipielles Anliegen: „Wird jemand aus einer Gemeinde, in der er wohnen möchte, schuldlos vertrieben, so verstößt das offensichtlich gegen natürliche Freiheit und Gerechtigkeit.“163 Diese Stelle wurde weiter oben bereits im Zusammenhang mit der Moralphilosophie Adam Smiths erörtert. Sie galt dort als Beleg für eine naturrechtliche Fundierung, da sich das Attribut des Natürlichen nicht nur auf die Freiheit bezieht, sondern auch auf die Gerechtigkeit. Zugleich veranschaulicht diese zentrale Stelle aus dem Wohlstand der Nationen auch vor dem Hintergrund des in diesem Abschnitt Bedachten, dass die Nationalökonomie Smiths auf seiner Moralphilosophie gründet, da die natürliche Freiheit und Gerechtigkeit für ihn nicht nur in der Moralphilosophie, sondern auch in der Nationalökonomie einen unhintergehbaren Basissatz darstellt, der als solcher keiner Begründung fähig und bedürftig (weil „offenkundig“) ist. Das wird deutlich, wenn man eine gegensätzliche Stelle aus der Moralphilosophie in die Betrachtung einstellt, die demgemäß auch vom Gegenteil der Niederlassungsfreiheit, nämlich dem Ausschluss aus der bürgerlichen Gesellschaft handelt. Dort erörtert Smith die Grenzen eines noch förderlichen Vergeltungsgefühls, das regelrecht sozialschädlich wird, wenn es sich im Verbund mit dem Hass ungehindert Bahn bricht: „Eine zu starke Geneigtheit zu diesen verabscheuungswürdigen Affekten macht einen Menschen zum Gegenstand allgemeinen Schreckens und Abscheus und lässt uns ihn als einen Elenden erscheinen, der wie ein wildes Tier aus aller bürgerlichen Gesellschaft verjagt werden sollte.“164 Die Ausübung der Freiheit des Einzelnen setzt also die immanente und unausgesprochene Anerkennung ihrer moralisch begründeten Beschränkungen im Interesse der Allgemeinheit voraus. Freiheit kann nur derjenige beanspruchen, der sie selbst auch zugunsten aller im Sinne hat.

_____ 163 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 123 (Book I.x.c.59, p. 157: “To remove a man who has committed no misdemeanour from the parish where he chuses to reside, is an evident violation of natural liberty and justice.”). 164 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 54 f. (TMS I.ii.4.3: “Too violent a propensity to those detestable passion, renders a person the object of universal dread and abhorrence, who, like a wild beast, ought, we think, to be hunted out of all civil society.”).

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II. Freiheit und Gesetzgebung in der Geldwirtschaft

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II. Freiheit und Gesetzgebung in der Geldwirtschaft II. Freiheit und Gesetzgebung in der Geldwirtschaft Im Zweiten Buch des Wohlstands der Nationen finden sich zwar nur vergleichsweise wenige rechtstheoretisch relevante Stellen, dafür aber solche von ungebrochener Aktualität, die veranschaulichen, warum Adam Smith auch heute noch als Rechtstheoretiker bestehen und nicht zuletzt in Zeiten der Wirtschaftskrise elementare Einsichten vermitteln kann.165

1. „Bau einer gemeinsamen Brandmauer“: Bankenregulierung Zu den zeitlos gültigen Problemen des Wirtschaftsrechts gehört eine Frage, die aktueller den je ist, nämlich diejenige nach der prinzipiellen Erforderlichkeit der Bankenregulierung. Kreditinstitute haben als Hauptakteure der Geldwirtschaft eine solche Macht, aber eben – gerade bei Adam Smith166 – auch eine der Freiheit zwingend entsprechende Verantwortung, dass die prinzipielle Erforderlichkeit der Regulierung im Kern keiner rechtstheoretischen Begründung zu bedürfen scheint.

a) Unentbehrlichkeit des freien Wettbewerbs Man würde Adam Smith grundlegend missverstehen, wenn man schon im Ausgangspunkt nur betonen würde, wie sehr er einer beschränkten wirtschaftlichen Freiheit das Wort rede; das wäre ebenso kurzsichtig, wie die Argumente derer, die ihn einseitig und zu Unrecht zum Apostel eines unumschränkten Liberalismus’ machen. Die wettbewerbsfreundliche Grundhaltung kommt in folgendem Prinzip zum Ausdruck: „Grundsätzlich kann man sagen, je freier und umfassender der Wettbewerb ist, um so mehr Vorteile hat die Öffentlichkeit von jedem Gewerbe oder von jeder Arbeitsteilung.“167 Damit

_____ 165 Gleichwohl bewahrheitet sich auch schon hier das leicht überspitzt formulierte Paradoxon von Trapp (1987) S. 316 f.: „Der ‘Wealth of Nations’, die Bibel der Enthaltsamkeit des Staates, ist nichts anderes als die Darstellung der Grundlagen und Prinzipien eines besonderen Teils der staatlichen Aufgaben“. 166 Ross (1998) S. 20, zu den biographischen Wurzeln des Freiheitsverständnisses in der Familie Smith: „Allerdings musste diese ‚Freiheit‘ verantwortlich und diszipliniert ausgeübt werden, eine Lektion, die Smith von seiner Mutter Margaret Douglas gelernt haben dürfte“. 167 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 272 (Book II.ii.106, p. 329: “In general, if any branch of trade, or any division of labour, be advantageous to the publick, the freer and more general the competition, it will always be the more so.”). Zu den Unterschieden gegenüber einem

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§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen

knüpft Smith lückenlos an die Erkenntnisse des Ersten Buchs, die den Nutzen der Arbeitsteilung preisen, wobei zugleich daran zu erinnern ist, dass diese die Interessen und Fertigkeiten der Arbeiter auf ein Mindestmaß reduziert und verblassen lässt, weshalb das Gemeinwesen im Gegenzug die Pflicht trifft, staatliche Schulen zu unterhalten.168

aa) Einzelinteresse als „sehr mächtiges Prinzip“ Wie dies für die Kapitalbildung des Einzelnen funktioniert und sich auf die Allgemeinheit auswirkt, lehrt Smith in der Gegenüberstellung von freier Wirtschaft einerseits und staatlichen Regulierungsmaßnahmen, insbesondere Gesetzen, andererseits: „Mit dem, was ein sparsamer Mensch jährlich zurücklegt, können nicht nur zusätzlich produktive Arbeitskräfte im laufenden oder folgenden Jahr beschäftigt werden, die ständige Ansammlung von Kapital ermöglicht es sogar, ähnlich wie die Gründung einer staatlichen Besserungsanstalt, ihre Zahl auch über längere Zeit stets gleichzuhalten.“169 Es ist interessant, dass Smith hier den Staat zum Maßstab nimmt, wenn auch nur, um zu zeigen, dass der Einzelne grundsätzlich sehr wohl selbst vorsorgen kann, weil ein bestimmender Faktor zugleich der Allgemeinheit zugute kommt: „Die dauernde Zuteilung und Verwendung dieser Kapitalien werden nicht immer durch ein besonderes Gesetz, Treuhandrecht oder (eine) Urkunde über die Unveräußerlichkeit geschützt. Stattdessen schützt sie fortlaufend ein sehr mächtiges Prinzip, nämlich das einfache und augenfällige Interesse jedes einzelnen, dem ein Teil davon gehören wird.“170 Das richtig verstandene Individualinteresse kann also in bestimmten Umfang an die Stelle einer rechtlichen Regelung treten und bei gleicher Schutzwirkung einen besseren Effekt für die

_____ “concept of perfect competition” bzw. “complete competition” siehe Fikentscher (1997) S. 19 f., 137. 168 Mestmäcker (1978) S. 139, 168; Kennedy (2005) S. 224 ff. 169 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 279 (Book II.iii.19, p. 338: “By what a frugal man annually saves, he not only affords maintenance to an additional number of productive hands, for that or the ensuing year, but, like the founder of a publick warehouse, he establishes as it were a perpetual fund for the maintenance of an equal number in all times to come.”). 170 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 279 (Book II.iii.19, p. 338: “The perpetual allotment and destination of this fund, indeed, is not always guarded by any positive law, by any trustright or deed of mort-main. It is always guarded, however, by a very powerful principle, the plain and evident interest of every individual to whom any share of it shall ever belong.”). Siehe auch Hirschman (1987) S. 112 f. im Unterschied zu Cropsey (1957) S. 95.

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Wirtschaft haben. Hayek spricht demgemäß aus gutem Grund von „Adam Smith und den anderen großen schottischen Individualisten des achtzehnten Jahrhunderts“.171 Damit wird zugleich der eingangs angesprochene Grundsatz des freien Wettbewerbs verdeutlicht. Das Einzelinteresse als bestimmendes – „sehr mächtiges“ – Prinzip wird weiter unten noch bei der Behandlung der berühmten unsichtbaren Hand von Bedeutung sein. Smith bereitet diese zentrale Figur hier vor, und es ist deshalb von besonderer Bedeutung, dass dieser Gesichtspunkt von ihm stets im Verhältnis zu einem regulatorischen Eingreifen durch gesetzliche Vorgaben bewertet wird. Wenn das mächtig wirkende Einzelinteresse, das naheliegenderweise schnell zu erreichende Ziele verfolgt, den Anliegen des Gemeinwohls, die auf lange Sicht ausgerichtet sind, zuwiderzulaufen droht, muss das Recht durch gesetzliche Regelungen diesen Interessenwiderstreit ordnen. Schon Hobbes hat im Hinblick auf die Erforderlichkeit und Ausformung einer funktionierenden Rechtsordnung ähnlich gedacht wie Smith.172 Ein Manchester-kapitalistisch ausgerichtetes System könnte sich wohl nicht zuletzt deshalb nicht auf Adam Smith berufen,173 weil die Gesetzgeber bei seiner Begründung nicht das verwirklicht und wohl auch nicht einmal begriffen hätten, was Adam Smith verlangt und vorausgesetzt hatte.174

bb) Differenzierte Betrachtung positiven Rechts Diese Gegenüberstellung ungehinderter und regulierter Freiheitsentfaltung kommt auch an anderer Stelle zur Geltung und erweist sich geradezu als charakteristisch für die rechtstheoretische Methode Adam Smiths. Daraus folgt die begrenzte Leistungsfähigkeit je nach den – zu normierenden oder eben nicht zu regelnden – Sachgesetzlichkeiten: „Positives Recht mag einen Schilling zum gesetzlichen Zahlungsmittel für eine Guinea zu machen, indem es die Gerichte anweist, den Schuldner zu entlasten, der dies Zahlungsmittel selbst geschaffen hat. Aber kein positives Recht kann jemanden verpflichten, der Waren verkauft und dem es freisteht, nach Gutdünken zu verkaufen oder nicht, nur einen Schilling als Gegenwert für eine Guinea in der Kalkulation

_____ 171 Hayek (2004 b) GS B 2, S. 234; Hervorhebung nur hier. 172 Mestmäcker (1978) S. 139, 169. 173 Pointiert Fitzgibbons (1995) S. 193: “Smith thought that free trade was an important part of liberalism, but he was not the author of a capitalistic blueprint, at least not if capitalism meant an amoral system of production and exchange”. 174 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 286, 546 unter Verweis auf die hier behandelte Ausgangpassage des ‚Wohlstands der Nationen‘.

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seiner Waren zu akzeptieren.“175 Das positive Recht kann also einen Ordnungsrahmen setzen, der den freien Handel prägt, sollte aber nicht in ihn selbst eingreifen und darf vor allem nicht das privatautonom zu bestimmende Äquivalenzinteresse vorgeben wollen, das der Einzelne besser beurteilen kann, weil er selbst am besten um seine Interessen weiß und eine Bevormundung hier auch im öffentlichen Interesse nur ausnahmsweise geboten ist.176 Alles andere wäre – im Sinne Hayeks – eine „Anmaßung von Wissen“.177 Dagegen geht es bei denjenigen Gesetzen, die den Ordnungsrahmen bestimmen, nicht nur darum, ob sie als solche gut oder schlecht sind, sondern gerade auch um ihren Gerechtigkeitsgehalt: „Kein Gesetz konnte daher gerechter sein als der zu Unrecht in den Kolonien beklagte Parlamentserlass,178 der vorschreibt, kein Papiergeld, das künftig ausgegeben wird, dürfe als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“179 Die Härte der Währung liegt eben nicht nur im individuellen Interesse, ist also nicht disponibel, sondern entfaltet als für den Umlauf bestimmtes Zahlungsmittel notwendigerweise Drittwirkung für die Allgemeinheit. In gleichem Sinne spricht er in anderem Zusammenhang von den „Dädalusflügeln des Papiergeldes“,180 die wie Wachs in der Sonne schmelzen können. Diesbezügliche gesetzliche Regelungen sind nicht nur gut und wichtig, sondern auch gerecht. Sie vermitteln den allfälligen Schutz und beeinträchtigen nicht das legitime Gewinnstreben, von dem Smith an anderer Stelle mit einer schönen Wendung sagt, es sei „durch Gesetz geschützt und in voller Freiheit auf das vorteilhafteste verwirklicht“.181

_____ 175 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 269 f. (Book II.ii.100, p. 327: “A positive law may render a shilling a legal tender for a guinea; because it may direct the courts of justice to discharge the debtor who has made that tender. But no positive law can oblige a person who sells goods, and who is at liberty to sell or not to sell, as he pleases, to accept of a shilling as equivalent to a guinea in the price of them.”). 176 Zu solchen Ausnahmen im Rahmen der Zinsgesetzgebung weiter unten. 177 Hayek (2007) GS A 1, S. 87. 178 Siehe dazu allgemein Willis (1979) S. 504. 179 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 270 (Book II.ii.101, p. 327: “No law, therefore, could be more equitable than the act of parliament, so unjustly complained of in the colonies, which declared that no paper currency to be emitted there in time coming, should be a legal tender of payment.”). 180 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 265 (Book II.ii.86, p. 321: “Daedalian wings of paper money”). 181 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 286 (Book II.iii.6, p. 345: “protected by law and allowed by liberty to exert itself in the manner that is most advantageous”).

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cc) Zwischenergebnis Gesetze sind für ein funktionierendes Marktgeschehen unerlässlich.182 Es ist wichtig hervorzuheben, dass Smith die Gesetze nicht nur in notwendige und ungeeignete einteilt, sondern ihre materielle Gerechtigkeit in Rechnung stellt. Denn auch wenn er dies – wie an der soeben dargestellten Stelle – zuvor volkswirtschaftlich begründet, erfüllt es doch nur die notwendige Bedingung einer entsprechenden Legitimierung. Dass aber als hinreichende Bedingung die materielle Gerechtigkeit selbst hinzutreten muss, veranschaulicht, dass Smith auch im Wohlstand der Nationen auf dem aufbaut, was er in der Theorie der ethischen Gefühle zugrunde gelegt hat.

b) Ungehinderte Bankgeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen Vor diesem Hintergrund kann nun der eingangs gestellten Frage nach der Bankenregulierung nachgegangen werden. Trapp meint zwar, es gehe Adam Smith an dieser Stelle gar nicht um Bankenregulierung, sondern er wolle nur ganz allgemein erklären, was er unter der natürlichen Freiheit verstehe, nämlich den Ausschluss jeglicher Willkür der Freiheitsausübung, weil dies die Sicherheitsinteressen des Gemeinwohls gefährde. 183 So richtig diese Freiheitsbestimmung auch sein mag, veranschaulicht Smith dieses Desiderat jedoch nicht von ungefähr am Beispiel der Banken, von denen im Krisenfalle erfahrungsgemäß die größte Gefahr ausgeht, weil sie gleichsam zum Brandherd des Finanzplatzes werden können, wie Smith die englisch-schottische Bankenkrise seiner Zeit lehrte,184 auf die noch zurückzukommen sein wird. Um die Gefahren, die von diesem Herd typischerweise ausgehen, zu bannen, bedarf es eben doch der Regulierung des Bankgeschäfts. Der von Smith formulierte Grundsatz freier und ungehinderter Entfaltung wirtschaftlicher Interessen hat zumindest eine erste allgemeine Einschränkung in Gestalt eines notwendigen Ordnungsrahmens erfahren, die ihm im allgemeinen Interesse wichtig und geradezu selbstverständlich erschien.

_____ 182 Buchanan (1976 a) S. 271, 277: “Without law, markets will not even come into existence, at least in any meaningfully efficient sense. Law is antecedent to market coordination, to the economic activities of agents, to the working of Adam Smith’s invisible hand”. Siehe auch Buchanan (1976 b) S. 1. 183 Trapp (1987) S. 183. 184 Paradigmatisch zur rechtsgeschichtlichen Bewertung europäischer Bankenkrisen die lesenswerte Abhandlung von Linder (2004), insbesondere S. 48 ff. zur Entwicklung in England; auf den WN bezogen ferner S. 13.

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aa) Nützliches Gesetz über den Bankenverkehr Es ist wiederum bezeichnend für Smiths rechtstheoretisches Vorgehen, dass er den Geltungsgrund möglicher Regelungen zunächst rechtshistorisch veranschaulicht und Beispiele aus der Vergangenheit heranzieht, bei denen sich bestimmte Reglungen bewährt haben. Denn wenn und weil diese zeitlose Gültigkeit beanspruchen dürfen und allgemeine anthropologische Grunderfahrungen widerspiegeln – hier wird auf Schritt und Tritt das empirische Vorgehen deutlich –, können sich daraus auch sinnvolle gesetzliche Bestimmungen folgern lassen:185 „Da nicht alle Banken ihre Geschäfte einwandfrei führten, musste zwar ein Gesetz erlassen werden, das den Bankenverkehr regelt, aber das Land selbst hatte großen Nutzen davon.“186 Der Gesetzeserlass ist also im Rahmen einer „Zwar-Aber-Argumentation“ stets das legitimationsbedürftige Hemmnis eines „freien und umfassenden Wettbewerbs“.187 Er kann aber – und wird unweigerlich – Nutzen stiften, wenn es die Einschränkung der Handelsfreiheit rechtfertigt, ohne dass dies als rein utilitaristische Betrachtung missverstanden werden darf, die Smith, wie erinnerlich, auch nicht zu eigen ist.

bb) Einschränkungen Steht sonach der Grundsatz freier Gewerbeausübung fest, so fragt sich, unter welchen Bedingungen dies gerade für die besonders risikoanfälligen Bankgeschäfte gelten kann: „Man kann Bankiers in ihren Geschäften völlig freie Hand lassen, ohne die Öffentlichkeit zu gefährden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Sie dürfen keine umlaufenden Bankpapiere oder an den Inhaber zahlbare Schuldscheine unter einem festgelegten Betrag ausgeben und müssen verpflichtet sein, solche Bankpapiere bei Vorlage bedingungslos einzulösen.“188 Abstrahiert man diese Bedingungen von ihren zeitgenössischen

_____ 185 Zu den aus der Lebenserfahrung geschöpften anthropologischen Grundannahmen Hottinger (1998) S. 67; Mathis (2009) S. 108. 186 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 244 (Book II.ii.41, p. 297: “But though the conduct of all of those different companies has accordingly required an act of parliament to regulate it; the country, notwithstanding, has evidently derived great benefit from their trade.”). 187 WN (Üb. Recktenwald, 2003), S. 272 (Book II.ii.106, p. 329: “freer and more general competition”). 188 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 271 (Book II.ii.106, p. 329: “If bankers are restrained from issuing any circulating bank notes, or notes payable to the bearer, for less than a certain sum; and if they are subjected to the obligation of an immediate and unconditional

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Gegebenheiten, so lässt sich daraus ein am vorhandenen Eigenkapital orientiertes Vorsichtsprinzip ableiten. Unter dieser Voraussetzung ist die Konkurrenz auch im Bankgewerbe sinnvoll und freiheitsfördernd, sofern dies nicht mit einer unzureichenden Eigenkapitalausstattung erkauft wird: „Die jüngste Gründungswelle im Bankgewerbe (…), für viele ein alarmierendes Vorkommnis, mindert den Schutz der Öffentlichkeit keineswegs, im Gegenteil sie verstärkt ihn sogar. Sie zwingt nämlich alle Banken, umsichtiger in ihrer Politik zu sein und sich selbst gegen jenen maliziösen Ruin zu schützen, zu dem die Rivalität so vieler Konkurrenten jederzeit führen kann, indem sie die Ausgaben ihrer Papiere streng nach den Reserven ausrichten.“189 Es verdient vor dem Hintergrund der jüngsten Weltwirtschaftskrise, die im Ausgangspunkt wesentlich eine Bankenkrise war, in Erinnerung gerufen zu werden, dass die genannten Kautelen deshalb Wettbewerb und Allgemeinwohl gleichermaßen fördern, weil die Banken unter dem Damoklesschwert des Bankrotts agieren. So bemerkt Smith in den Lectures on Jurisprudence: „Der Ruin einer Bank wäre nicht so gefährlich, wie man sich dies gemeinhin vorstellt. (...) Die einzige Methode, um den schlechten Auswirkungen, die sich aus dem Zusammenbruch von Banken ergeben, entgegenzuwirken, ist es, keiner ein Monopol zu bewilligen, sondern die Errichtung von so vielen wie möglich zu fördern. Wenn verschiedene Banken in einem Land bestehen, dann herrscht ein gegenseitiger Wettbewerb, und sie unternehmen ständig unerwartete Anstürme aufeinander. Dies veranlasst sie, auf der Hut zu sein.“190 Auch im Wohlstand der Nationen behaart er darauf: „der Konkurs einer Bank ist ein Unglück, das im Laufe der Zeit ab und an passieren

_____ payment of such bank notes as soon as presented, their trade may, with safety to the publick, be rendered in all other respects perfectly free.”). 189 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 271 (Book II.ii.106, p. 329: “The late multiplication of banking companies (…), an event by which many people have been much alarmed, instead of diminishing, increases the security of the publick. It obliges all of them to be more circumspect in their conduct, and, by not extending their currency beyond its due proportion to their cash, to guard themselves against those malicious runs, which the rivalship of so many competitors is always ready to bring upon them.”). 190 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 205 (LJ(B) p. 250: “The ruin of a bank would not be so dangerous as is commonly imagined. (…) The only method to prevent the bad consequence arising from the ruin of banks is to give monopolies to none, but to encourage the erection of as many as possible. When several are established in a country, a mutual jealousy prevails, they are continually making unexpected runs on one another. This puts them on their guard”).

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muss“.191 Wenn demgegenüber Banken infolge angenommener „Systemrelevanz“ ihrer staatlichen Rettung mit gesetzlichen Instrumenten im Krisenfalle letztlich sicher sein können, versagt das von Smith zugrunde gelegte System. Das die Freiheit garantierende Gleichgewicht wird also nicht zuletzt durch die allgegenwärtige Insolvenzbedrohung bei mangelhafter Reservenbildung hergestellt.192

c) Smiths Vorschlag eines Bankgesetzes Wie sich aus dem zuletzt Bedachten ergibt, schreckt Smith nicht davor zurück, konkrete gesetzgeberische Kautelen zu formulieren, welche die grundsätzliche Handlungsfreiheit im Bankgewerbe einschränken, wenn bestimmte Mindestbedingungen im Interesse des öffentlichen Wohls nicht gewährleistet sind. Smith erweist sich nicht zuletzt dadurch als überragender Rechtstheoretiker, dass er auf der Grundlage rechtshistorischer, das heißt nicht zuletzt empirischer Beobachtungen, und ökonomischer Gegebenheiten klare Handlungsanleitungen für den Gesetzgeber schafft.

aa) Gesetzliche Verletzung der persönlichen Freiheit? Smith ist sich der Einwände nur zu bewusst, die gegen ihn von den Vorgängern derer erhoben werden, die sich heute gerne auf ihn berufen:193 „Man könnte nun einwenden, es sei eine handfeste Verletzung der persönlichen Freiheit, die das Gesetz ja im Grunde schützen anstatt einschränken soll, wenn ein Privatmann daran gehindert wird, Promessen eines Bankiers in Zahlung zu nehmen, obwohl er es gern möchte, oder einem Bankier zu verbieten, solche Banknoten auszugeben, obwohl alle Bankkunden sie annehmen würden.“194 Die reine Marktgängigkeit genügt also nicht, ist im Sinne des oben

_____ 191 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 272 (Book II.ii.106, p. 329: “the failure of any one company, an accident which, in the course of things, must sometimes happen.”). 192 Stiglitz (2010). 193 Treffend Mestmäcker (1978) S. 139, 141: „Bei Adam Smith ist vielmehr zu beobachten, wie die Texte fortschreitend verdrängt werden von der Symbolwirkung des Namens.“ Siehe auch dens. (1984). Ebenso Sen (2003) S. 159: „Die angeblichen Schüler von Adam Smith könnten einiges aus seinen Schriften zu diesem Thema lernen“. 194 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 267 (Book II.ii.94, p. 324: “To restrain private people, it may be said, from receiving in payment the promissory notes of a banker, for any sum whether great or small, when they themselves are willing to receive them; or, to restrain a banker from issuing such notes, when all his neighbours are willing to accept of them, is a

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Gesagten allenfalls eine notwendige, mitnichten aber hinreichende Bedingung, weil Sicherheitsinteressen Aller auf dem Spiel stehen. Freiheit kann nur unter der Voraussetzung der – auch sozialen195 – Verantwortung und Verantwortlichkeit im Falle des Scheiterns ausgeübt werden. Das entspricht letztlich der berühmten Sentenz von Walter Eucken, wonach „Investitionen umso sorgfältiger gemacht werden, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen haftet. Die Haftung wirkt insofern prophylaktisch gegen eine Verschleuderung von Kapital und zwingt dazu, die Märkte abzutasten. Nur bei fehlender Haftung kommt es zu Exzessen und Zügellosigkeit.“196 Adam Smiths Moralund Wirtschaftstheorie gehört somit durchaus zu den geistigen Wurzeln der Freiburger Schule.197 Diese Fortentwicklungen der Smithschen Theorie sind auch aus heutiger Sicht wichtig und wegweisend.198

bb) Missbräuchliche Ausübung des „Naturrechts“ Dass die beteiligten Verkehrskreise mit unverantwortlichen – da letztlich ungedeckten – Zertifikaten handeln, genügt nicht zur Legitimation, weil und sofern notwendigerweise Dritte im Spiel sind, die davon früher oder später mitbetroffen sind, und über deren Interessen den Handelnden keine Verfügungsbefugnis zusteht: „Solche Vorschriften mögen, ohne Zweifel, in gewisser Hinsicht als eine Verletzung der persönlichen Freiheit betrachtet werden, doch wenn einige wenige dieses Naturrecht so ausüben, dass sie die Sicherheit des ganzen Landes gefährden können, so schränkt jede Regierung, die liberalste wie die diktatorischste, dieses Recht gesetzlich ein, und zwar ganz zu Recht.“199 Sieht man einmal von der hier zugrunde gelegten naturrechtli-

_____ manifest violation of that natural liberty which it is the proper business of law, not to infringe, but to support.”). 195 Müller-Armack (1947); ders. (1982); siehe auch Gottfried (1977) S. 146. 196 Eucken (1952) S. 280. Siehe aus der Schule des Ordoliberalismus auch Böhm (1950); ders. (1933). 197 Grundlegend Heinemann (1989) S. 24 ff. 198 Zur Einordnung wichtig Mestmäcker (2007) S. 24: “The Adam Smith approach was taken up and elaborated by Hayek and German liberals. Hayek associated himself with, and was part of, the so-called Freiburg School. Other representatives of the school included the economist Walter Eucken and the lawyer Franz Böhm. Both developed the concept of an economic order that combined the rationality of the market economy with the mandates of economic and political liberty”. 199 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 267 (Book II.ii.94, p. 324: “Such regulations may, no doubt, be considered as in some respect a violation of natural liberty. But those exertions of the natural liberty of a few individuals, which might endanger the security of the whole

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chen Voraussetzung des Freiheitsrechts ab, so können diese Ausführungen bezogen auf die Bankwirtschaft und Bankenaufsicht noch heute unbedingte Geltung beanspruchen. Es ist ebenso interessant, dass Smith hier von der gesetzlichen Einschränkung eines Naturrechts spricht. Es zeigt, wie Smith in seiner nationalökonomischen Arbeit dasselbe voraussetzt, was er in seiner Theorie der ethischen Gefühle zugrunde gelegt hat.200 Das positive Recht muss eingreifen, wenn das Naturrecht von Wenigen zu Lasten Aller missbraucht wird. Interessant ist auch, dass Smith das freiheitsbeschränkende Eingreifen des Gesetzgebers in diesem Fall nicht mehr vom Grad der mehr oder weniger liberalen Konzeption des Staates abhängig macht, weil die Gewährleistung der Sicherheitsinteressen hier ein schlichtes Gebot der Vernunft darstellt. Hayek ordnet dies geistesgeschichtlich richtig ein, wenn er feststellt, dass „weder Locke, noch Hume, noch Smith, noch Burke hätten argumentieren können, wie Bentham es tat‚ dass ‚jedes Gesetz ein Übel ist, da jedes Gesetz einen Eingriff in die Freiheit darstellt‘“.201 Das Gesetz ist für Smith kein notwendiges Übel, sondern wirkt dem Übel eines unverantwortlichen Libertinismus entgegen.

cc) Brandmauer als Paradigma Daher ist auch das beispielhafte Argument, welches Smith zur Verdeutlichung einführt, von zeitloser Gültigkeit,202 ja angesichts des regelrechten Flächenbrandes, den die Bankwirtschaft bei der Weltwirtschaftskrise angerichtet hat, sogar aktueller denn je: „Auch die Vorschrift zum Bau einer gemeinsamen Brandmauer, um das Übergreifen von Feuer zu verhindern, verletzt die persönliche Freiheit auf die gleiche Art wie das hier vorgeschlagene Bankgesetz.“203

_____ society, are, and ought to be, restrained by the laws of all governments; of the most free, as well as of the most despotical.”). 200 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 532 f. (TMS VII.iii.2.6 pp.). 201 Hayek (2005) GS B 3, S. 79 mit Fußnote 26, unter Verweis auf Bentham (1887) S. 48. 202 Trapp (1987) S. 183; Streminger (1992) S. 272. 203 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 267 (Book II.ii.94, p. 324: “The obligation of building party walls, in order to prevent the communication of fire, is a violation of natural liberty, exactly of the same kind with the regulations of the banking trade which are here proposed.”).

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(1) Brillanz des Beispiels Man hat Smith nachgesagt, er habe langsam gearbeitet, weil es ihm immerfort um eine möglichst deutliche Darstellung seiner Gedanken gegangen sei.204 Wenn das der Fall war, dann ist die vorliegende Metapher eines der besten Beispiele für diese Annahme und zugleich für die bezwingende Treffsicherheit, mit der er argumentiert. Und wenn man des Weiteren davon ausgeht, dass nicht zuletzt das Bilden von treffenden Beispielen den guten Juristen ausmacht, weil es den Kern der jeweiligen Problematik freilegt, dann war Smith der hervorragende Jurist, als den ihn die Literatur mit Recht bezeichnet.205 Nicht von ungefähr rühmte David Hume in einem Brief an Smith, in dem er sich überschwänglich für die Zusendung des Wohlstand der Nationen bedankte, dass das Werk „tief, solide und scharfsinnig und dabei so reich an interessanten Beispielen“ sei. ‚Smithsche Brandmauern‘ sind daher auch im Fachschrifttum geradezu sprichwörtlich geworden. 206 Klarer kann man es nicht sagen, schlagender kann ein Analogieschluss kaum sein, vorausschauender kann kein Gesetzgeber denken. Beiläufig betrachtet, illustriert diese Analogie eine von Hayek einem Fragment vorangestellte Äußerung Smiths aus seinem Essay on the History of Astronomy, wonach „Systeme, die allgemein ihren Ursprung der gelehrten Arbeit jener verdanken, die mit einer Kunst vertraut waren, aber unwissend in einer anderen; die sich daher die Erscheinungen in dem, was ihnen fremd war, erklärten durch die Erscheinungen in dem, was ihnen vertraut war; und bei denen darum die Analogie, die anderen Schriftstellern Gelegenheit zu ein paar geistreichen Vergleichen gibt, der große Angelpunkt wurde, um den sich alles drehte.“207 Smith hat hier wohl auch von sich selbst und seiner eigenen Methode gesprochen, der die Nachwelt die Begründung der Nationalökonomie verdankt.

(2) Individuelle Freiheitsbeschränkung im Interesse kollektiver Selbsterhaltung Das Interessante an Smiths Beispiel ist, dass er sogar ein positives Tun im Sinne konkreter Schutzpflichten vom Einzelnen zur Erhaltung des Gemeinwe-

_____ 204 Ross (1998) S. 33, 355. 205 Brühlmeier (1996) S. 20, der nicht von ungefähr im Zusammenhang mit Smiths Rechtstheorie seine „herausragende juristische Kompetenz“ hervorhebt. 206 Loske (2009) S. 239. 207 Zitiert nach Hayek (2004 b) GS B 2, S. 1 (Hervorhebungen nur hier).

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sens anordnet. Es handelt sich also nicht nur um einen jener Fälle, in denen dem Einzelnen gesetzlich untersagt wird, bestimmte Maßnahmen zu treffen oder gewisse Geschäfte zu tätigen, sondern er wird zur aktiven Mitwirkung im Interesse des Ganzen verpflichtet. Eine solche Verpflichtung wurde unter bestimmten Voraussetzungen bereits in der Theorie der ethischen Gefühle festgestellt: „Die bürgerliche Obrigkeit ist nicht nur mit der Macht betraut, den öffentlichen Frieden durch Eindämmung des Unrechts aufrecht zu erhalten, sondern auch das Gedeihen des Gemeinwesens dadurch zu fördern, dass sie die richtige Zucht einführt und jede Art von Laster und Unschicklichkeit niederschlägt; deswegen kann sie Vorschriften erlassen, die nicht nur gegenseitige Schädigungen von Mitbürgern verbieten, sondern bis zu einem gewissen Grade auch gegenseitige gute Dienste anbefehlen.“208 Was in der Moralphilosophie noch vergleichsweise milde formuliert wird, ist der Sache nach nichts anderes, als die hier in Rede stehende Verpflichtung zum Bau einer gemeinsamen Brandmauer. Sie ist mehr als eine moralische Verbindlichkeit, sondern eine echte Rechtspflicht, weil es um eine elementare Frage der kollektiven Selbsterhaltung geht. Nicht anders verhält es sich beim Vergleich mit dem Bankgesetz:209 Eine effektive und gegebenenfalls mit Zwangsmitteln, wie dem drohenden Entzug der Konzession, ausgestattete Bankenaufsicht, welche die persönliche Verlässlichkeit der Bankiers und die zureichende Eigenkapitalausstattung bzw. Reservenbildung kontrolliert, dient der Gefahrenabwehr nicht nur bezüglich der einzelnen Kreditkunden, sondern auch im Interesse der Volkswirtschaft als Ganzer. Der Schutz der individuellen Freiheit endet mithin dort, wo die Gefahrenabwehr es zum Schutz der institutionellen Freiheitsausübung gebietet. Auch hier zeigt sich im Vergleich, dass Moraltheorie und Nationalökonomie aufeinander abgestimmt sind, ja dass es nicht zuletzt die Rechtstheorie ist, die beide miteinander verklammert, weil das Recht Instrument der Durchsetzung moralischer Prämissen ist. Die in der Theorie der ethischen Gefühle aus Sicht des unparteiischen Zuschauers als innerem Richter für richtig befundenen moralischen Urteile können über das Recht wirksam werden und die Wirtschaft leiten.

_____ 208 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 120 (TMS II.ii.1.8: “The civil magistrate is entrusted with the power not only of preserving the public peace by restraining injustice, but of promoting the prosperity of the commonwealth, by establishing good discipline, and by discouraging every sort of vice and impropriety; he may prescribe rules, therefore, which not only prohibit mutual injuries among fellow-citizens, but command mutual good offices to a certain degree.”). 209 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 267 (Book II.ii.94, p. 324).

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2. Zinsgesetzgebung Die Zinsgesetzgebung wird bei Smith nicht an einer zentralen Stelle behandelt, sondern als ständige Begleiterscheinung des Wirtschaftsverkehrs jeweils dort, wo es auf sie ankommt. Daraus erklärt sich, warum Smith die Grundsätze der Zinsgesetzgebung vergleichsweise spät, im Zweiten Buch, ausführt, im Ersten Buch jedoch schon konkrete Vorgriffe vornimmt. Zu ihnen gehört eine volkswirtschaftliche Bewertung unzureichender Zinsgesetze: „Auch ein falsches oder schlechtes Gesetz mag bisweilen den Zins beträchtlich über das Niveau heben, das die wirtschaftliche Lage eines Landes, sei es wohlhabend, sei es arm, eigentlich erfordern würde.“210 Zinsgesetze können demnach einen wesentlichen Faktor für den Wohlstand einer Nation bilden.211 Smiths Hinwendung zur Zinsgesetzgebung ist im Schrifttum bisher eher stiefmütterlich gewürdigt worden, obwohl sie für sein Verständnis des Zusammenhangs von Recht und Wirtschaft ersichtlich zentral ist. 212

a) Ungeeignetheit eines gesetzlichen Zinsverbots Im Einklang mit seinem bisherigen Vorgehen stellt Smith daher zunächst die Geeignetheit eines gesetzlichen Verbots in Frage. Dabei geht er zunächst rechtsvergleichend vor: „In einigen Ländern wurde der Geldzins durch Gesetz verboten.“213 Gesunder Menschenverstand genügt, um die Zweifelhaftigkeit eines solchen Verbots zu erkennen, das allen ökonomischen Nützlichkeitserwägungen zuwider läuft: „Da man aber Geld überall nutzbringend verwenden kann, sollte man eigentlich für seine Nutzung etwas bezahlen.“214 Die Verkehrsfähigkeit des Geldes spricht faktisch für die Entgeltlichkeit des Darlehens, auch wenn es als unentgeltliches möglich ist. Das entspricht dem Äquivalenzprinzip,215 wonach die Gegenleistung für das ausgereichte Darlehen

_____ 210 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 82 (Book I.ix.16, p. 112: “A defect in the law may sometimes raise the rate of interest considerably above what the condition of the country, as wealth or poverty, would require.”). 211 Zum geltenden Recht weiterführend Bezzenberger (2002) S. 1617. 212 Wichtig dazu, insbesondere im Hinblick auf Jeremy Bentham, Sen (2003) S. 154 f., 320. 213 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 294 (Book II.iv.13, p. 356: “In some countries the interest of money has been prohibited by law.”). 214 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 294 (Book II.iv.13, p. 356: “But as something can every where be made by the use of money, something ought every where to be paid for the use of it.”). 215 Grundlegend zum Ganzen Oechsler (1997).

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nicht die Rückzahlung darstellt, sondern die Zinszahlung. Ein Darlehen wird typischerweise gewährt, um damit Zinsen zu erwirtschaften.

aa) Effektive Durchsetzung der Vertragserfüllung Als eingangs erwähnter volkswirtschaftlicher Faktor ist aber darüber hinaus von Bedeutung, ob und inwieweit die jeweilige Rechtsordnung überhaupt entsprechend dem Grundsatz pacta sunt servanda die Vertragserfüllung effektiv durchsetzt: „Erzwingt das Gesetz nicht die Erfüllung der Verträge, so geraten alle Schuldner in die Nähe jener Leute, die in Ländern mit größerer Sicherheit als Bankrotteure oder zweifelhafte Kreditnehmer gelten.“216 Auch solche Erzwingungsmaßnahmen sind zwar Eingriffe in die individuelle Freiheit, aber im Interesse der institutionellen Aufrechterhaltung des Kreditverkehrs nicht nur gerechtfertigt, sondern geradezu geboten, weil andernfalls eine auf Vertragsfreiheit gründende Rechtsordnung zum Scheitern verurteilt wäre. So selbstverständlich dies scheint, so aufschlussreich ist das durch Empirie gewonnene Argument, das Smith daraus herleitet: „Wie die Erfahrung lehrt, hat das Zinsverbot das Übel des Wuchers noch vergrößert, anstatt es zu verhindern. Der Schuldner muss nicht nur für den Gebrauch des Geldes, sondern auch für das Risiko zahlen, welches ein Gläubiger eingeht, wenn er einen Ausgleich für die Nutzung annimmt.“217 Der Sinn des Verbotsgesetzes, den Wucher zu verhindern, wird also in sein Gegenteil verkehrt,218 indem nun erst recht nurmehr wucherische Darlehen gewährt werden. Das Gesetz wird schlicht umgangen:219 „Selbst wenn ein Gesetz den Zins völlig verbietet, so schafft es ihn damit nicht aus der Welt. Viele Menschen sind einfach darauf angewiesen, Geld zu leihen, und niemand wird es ihnen überlassen, ohne sich Gedanken über die Verwendung seines Geldes zu machen, und zwar in bezug auf die mögliche Nutzung und die Schwierigkeit und Gefahr, die mit

_____ 216 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 83 (Book I.ix.16, p. 112: “When the law does not enforce the performance of contracts, it puts all borrowers nearly upon the same footing with bankrupts or people of doubtful credit in better regulated countries.”). 217 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 294 (Book II.iv.13, p. 356: “This regulation, instead of preventing, has been found from experience to increase the evil of usury; the debtor being obliged to pay, not only for the use of the money, but for the risk which his creditor runs by accepting a compensation for that use.”). 218 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 77 (Book I.ix.5, p. 106). 219 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 295 (Book II.iv.16, p. 357 pp.); siehe auch ebenda, S. 669 „Stiftungsrechten und andere Umgehungen des Gesetzes“ (Book I.i.g.1, p. 789: “trust rights, and other evasions of the law”).

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einer Umgehung des Gesetzes nun einmal verbunden sind.“220 Smith berücksichtigt zur Ermittlung der Effektivität der Gesetze auf Schritt und Tritt die Umgehungsgefahr und Umgehungsresistenz der fraglichen Vorschriften. Daraus kann sich dann in letzter Konsequenz, wie Amartya Sen am Beispiel genau dieser Problematik des Wuchers gezeigt hat, ein Plädoyer für die Kontrolle der Finanzmärkte ergeben, weil und sofern Märkte kontraproduktiv sein können, die den Wucher begünstigen.221

bb) Rechtstheoretische Untermauerung durch die Versicherung Die rechtstheoretische Pointe liegt aber in der Abstraktion, mit der Smith die Widersinnigkeit zugleich auf den Punkt bringt und problemhaft verallgemeinert: „Der Schuldner ist gleichsam verpflichtet, seinen Gläubiger gegen die Strafe zu versichern, die für Wucher droht.“222 Hier werden die eingangs dargestellten ökonomischen Erwägungen des äquivalenten Leistungsaustauschs mit der Teleologie des Gesetzes verknüpft und um den Gesichtspunkt der Versicherbarkeit erweitert, der zwar im Kern ein ökonomisches Argument darstellt, aber gerade in anspruchsvolle juristische Begründungen einfließt.223 Die damit der Sache nach vorgenommene „Abstraktion der Abstraktion“ – das rechtliche Abstractum des entgeltlichen Darlehens wird seinerseits abstrahiert, indem der mit der strafrechtlichen Drohung einhergehende wirtschaftliche Erfolg gleichsam versicherungsmathematisch verallgemeinert wird224 –, diese Abstraktion der Abstraktion ist es eigentlich, was die Rechtstheorie bewerkstelligt und zur Wissenschaft erhebt.225

_____ 220 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 83 (Book V.i.g.1, p. 112: “When the law prohibits interest altogether, it does not prevent it. Many people must borrow, and nobody will led without such a consideration for the use of their money as is suitable, not only to what can be made by the use of it, but to the difficulty and danger of evading the law.”), unter Verweis auf Montesquieu, der ihn sehr beeinflusst hat; vgl. Haakonssen (1981) S. 2; Brühlmeier (1988) S. 69 Fußnote 13; siehe aber auch Hirschman (1987) S. 18, 80, 113, 116. 221 Sen (2003) S. 39, 358 mit Anmerkung 19. 222 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 294 (Book II.iv.13, p. 356: “He is obliged, if one may say so, to insure his creditor from the penalties of usury.”). 223 Canaris (1983) S. 128; zur Versicherbarkeit siehe auch Petersen (2003 b, 2004 b). 224 Zu einem andersartigen Beispiel, in dem der ‚Wohlstand der Nationen‘ weiterführende Prämissen für Versicherungsmärkte aufgestellt hat, Sen (2010) S. 294. 225 Luhmann (1974) S. 13: „Die Rechtstheorie bildet Abstraktionen von Abstraktionen (…). Und erst auf dieser Ebene kann jene Autonomie der Erkenntnis beansprucht werden, die mit der neuzeitlichen Entwicklung der Wissenschaften durchgesetzt ist“.

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b) Gesetzlicher Höchstzins Das Zinsverbot führt also nicht nur zu einer Kriminalisierung ökonomisch sinnvoller Austauschbeziehungen, sondern erweist sich als widersinnig. Deshalb richtet Smith im Folgenden den rechtsvergleichenden Blick auf diejenigen Rechtsordnungen die vergleichsweise liberaler sind: „In Ländern die den Zins nicht verbieten, legt das Gesetz im Allgemeinen den Höchstzins, der ohne Strafe noch zulässig ist, fest, um die Erpressung durch Wucher zu verhindern.“226 Erneut ergibt der Äquivalenzgedanke, dass dieser Höchstzins nicht zu niedrig liegen darf: „Würde dieser gesetzliche Zins unter dem niedrigsten Marktzins liegen, müsste sich dies fast ebenso wie ein völliges Zinsverbot auswirken.“227 Das Gesetz wäre zumindest ungeeignet, den bezweckten Erfolg zu bewirken. Smith gelangt daher zu der kategorischen Einschätzung, dass „kein Gesetz (…) den üblichen Zins unter den niedrigsten Marktzins im Zeitpunkt des Erlasses drücken (kann).“228 Auch hier liegt die Pointe in einer volkswirtschaftlichen Einsicht von geradezu alltagstheoretischer Plausibilität: „Würde der gesetzliche Höchstzins genau dem niedrigsten Marktzins entsprechen, so ruinierte er den Kredit ehrenwerter Leute, welche die Gesetze ihres Landes achten, doch keine erstklassigen Sicherheiten bieten können.“229 Dieses anspruchsvolle Argument ähnelt einer intrikaten Fragestellung, die bei sittenwidrigen Bürgschaften naher Angehöriger eine Rolle gespielt hat: Eine Rechtsordnung, die voreilig mit dem Verdikt der Sittenwidrigkeit verfährt, schützt nicht den Redlichen, der keine anderweitigen Sicherheiten aufbringen kann, sondern schneidet ihn vom Kreditverkehr ab, weil die Banken ihm gar keinen Kredit mehr einräumen werden.230 Eine solchermaßen paternalistische Tendenz in der Rechtsprechung bzw. Gesetzgebung dient nicht der

_____ 226 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 294 (Book II.iv.14, p. 356: “In countries where interest is permitted, the law, in order to prevent the extortion of usury, generally fixes the highest rate which can be taken without incurring a penalty.”). 227 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 294 (Book II.iv.14, p. 356: “If this legal rate should be fixed below the lowest market rate, the effects of this fixation must be nearly the same as those of a total prohibition of interest.”). Zum Einfluss von Smiths Verständnis des Zinses auf die moderne volkswirtschaftliche Literatur Küppers (2000) S. 37 mit Fußnote 17. 228 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 295 (Book II.iv.16, p. 357 pp.: “No law can reduce the common rate of interest below the lowest ordinary market rate at the time when that law is made.”). 229 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 294 (Book II.iv.14, p. 357: “If it is fixed precisely at the lowest market price, it ruins with honest people, who respect the laws of their country, the credit of all those who cannot give the very best security, and obliges them to have recourse to exorbitant usurers.”). 230 Medicus (1989) S. 817.

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Privatautonomie als Selbstbestimmungsfreiheit im Rechtsverkehr,231 sondern schränkt sie de facto ein.

c) Legitime Eingriffe und rechtstheoretische Folgerung Jedoch können auch diese Überlegungen nicht dazu führen, dass einschränkende Zinsgesetze für Smith a limine abzulehnen sind. Vielmehr räumt er an anderer Stelle, nämlich bereits im Ersten Buch, unter vergleichender Betrachtung unterschiedlicher legaler Zinssätze ein, dass die ökonomischen und rechtlichen Folgen die Wirtschaftsfreiheit nicht beeinträchtigt haben: „Offenbar sind alle diese gesetzlichen Regelungen mit großer Sachkenntnis getroffen worden, denn sie scheinen der Entwicklung des Marktzinses oder dem üblichen Kreditzins für gute Kunden gefolgt und ihr nicht vorausgeeilt zu sein.“232 Die mehr oder weniger ausgeprägte Sachkenntnis des Gesetzgebers wird weiter unten noch als Kriterium einer sachgerechten Gesetzgebung zu behandeln sein. Ist der Gesetzgeber besser informiert als der einzelne, so ist gegen eine einschränkende Regelung nichts zu erinnern. Hat dagegen der einzelne Marktteilnehmer infolge seiner Kenntnis der örtlichen Bedingungen oder Gegebenheiten den besseren Überblick, so soll er durch den Gesetzgeber nicht bevormundet werden.233 Denn diese Kenntnis kann ihm in der Weise zugewiesen sein, dass er auch die Früchte dieses wohlerworbenen Wissens soll genießen dürfen, wie dies Hayek am klarsten zum Ausdruck gebracht hat: „Die Begründung, warum jedem Einzelnen ein bekannter Bereich zugesichert wird, innerhalb dessen er über seine Handlungen entscheiden kann, ist, ihm den vollen Gebrauch seines Wissens, insbesondere seiner konkreten und oft nur ihm gegebenen Kenntnisse der besonderen Umstände von Zeit und Ort zu ermöglichen.“234 Die damit einhergehende Relevanz von Expertenwissen, wogegen marktwirtschaftlich selbstverständlich nicht das Geringste einzuwenden, sondern die umgekehrt dem allgemeinen Wohlstand förderlich ist, kann im Übrigen auch rechtsdogmatisch von Bedeutung sein, weil die Anhäufung

_____ 231 Dazu Singer (1995). 232 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 77 (Book I.ix.5, p. 106: “All these different statutory regulations seem to have been made with great propriety. They seem to have followed and not to have gone before the market rate of interest, or the rate at which people of good credit usually borrowed.”). 233 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 371 (Book IV.ii.10, p. 456), S. 442 (Book IV.v.b.16, p. 531); zu diesen Stellen noch eingehend weiter unten im Text. 234 Hayek (2005) GS B 3, S. 200.

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§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen

von Sonderwissen gegenüber Mitbewerbern insbesondere für die Begründbarkeit eines Ausschlusses von Rechten entscheidend sein kann.235 Diesen inneren Zusammenhang der einzelnen Bücher des Wohlstands der Nationen muss man beachten, um Smith nicht einseitig für eine extrem liberale Haltung zu vereinnahmen, die jede gesetzliche Zinsbeschränkung für einen ungebührlichen Eingriff in die Freiheit des Wirtschaftsverkehrs hält. Vielmehr geht es Smith hier – wie auch in vielen anderen Fragen – darum, dass die Sinnhaftigkeit der gesetzlichen Regelung auf die Probe gestellt und im historischen bzw. dogmatischen Vergleich erwiesen sein muss, um als berechtigte Beschränkung der Freiheit bestehen zu können. Ist das Gesetz vernünftig, also aufgrund rationaler Leitgesichtspunkte ohne verdeckte anderweitige Ziele erlassen worden und erweist es sich als umgehungsresistent, spricht nichts gegen eine sachkundig getroffene einschränkende Regelung.

III. Systeme der Politischen Ökonomie III. Systeme der Politischen Ökonomie Es ist von elementarer Wichtigkeit für das Verständnis der (Rechts-)Theorie des Adam Smith, stets den Grund und Grad des Zweifels herauszuarbeiten, den er gegenüber einem unbedingten Laissez-faire hegte, wiewohl der Grundsatz – wenn auch, wie gesagt, nicht wörtlich – durchaus von Adam Smith befürwortet wurde.236 Bereits der erste Satz der Einleitung des berühmten Vierten Buchs des Wohlstands der Nationen ist in diesem Sinne von rechtstheoretischer Bedeutung: „Die Politische Ökonomie verfolgt als Zweig der Wissenschaft, die eine Lehre für den Staatsmann und Gesetzgeber entwickeln will, zwei unterschiedliche Ziele.“237 C. A. Cooke hat schon Mitte der dreißiger Jahre den hellsichtigen Standpunkt eingenommen, dass Smiths Theorie der politischen Ökonomie als konsistente Theorie des Rechts und der Gesetzgebung betrachtet werden könne.238

_____ 235 Vgl. nur Wagner (2007) S. 59, 94 f.; Leenen (2011 b) § 14 Rdnr. 81, S. 278. 236 Buchanan (1984) S. 130; 242 („Regierungstätigkeit, die über den Rechtsschutzstaat nicht hinausgeht“). 237 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 347 (Book IV.Introduction.1, p. 428: “Political economy, considered as a branch of science of a statesman or legislator, proposes two distinct objects.”). 238 Cooke (1935) S. 326, 328: “The Theory of political economy that emerges in the ‘Wealth of Nations’ can be seen to be a consistent theory of law and legislation”. Siehe auch Oncken (1897) S. 443.

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1. Staats- und Gesetzgebungswissenschaft Hierbei könnte es sich um eine jener Stellen handeln, die Hayek im Blick gehabt hatte, als er meinte, dass sich insbesondere David Hume und Adam Smith „noch mit dem befassten, was manche von ihnen als die ‚Wissenschaft der Gesetzgebung‘ bezeichneten.“239 Smith selbst bezeichnet Jurisprudence in seinen Vorlesungen als „die Theorie der allgemeinen Grundsätze des Rechts und des Staates, oder die Theorie der Regeln, anhand welcher Staaten zu leiten sind.240 Sie versucht auch die Grundlagen verschiedener Regierungssysteme zu zeigen, sowie wie weit sie auf Vernunft gegründet sind.“241 Mestmäcker gibt aus gutem Grund unter Hinweis auf Adam Smith und Savigny zu bedenken,242 dass die politische Ökonomie eine „Wissenschaft der Staatsmänner und Gesetzgeber“ sei.243 Dieser Zusammenhang, der für das Verhältnis beider Disziplinen zueinander von größter Bedeutung ist, gerät zunehmend in Vergessenheit und kann gerade durch die Rechtstheorie Adam Smiths wieder in Erinnerung gerufen werden, zumal da seine rechtstheoretische Konzeption Moraltheorie und Nationalökonomie miteinander verklammert.

a) Staatsmann und Gesetzgeber als Adressaten Daher ist zunächst zu erwägen, wie Adam Smith zu den Staatsmännern und Gesetzgebern steht. An einer vergleichsweise versteckten Stelle, nämlich bei der Behandlung von Vergeltungsgesichtspunkten in der internationalen Handelspolitik und Gesetzgebung, hat Smith beiläufig dargestellt, was er vom Staatsmann und Gesetzgeber hält bzw. erwartet. Der Staatsmann dient idealerweise unparteiisch, wie der Zuschauer der Smithschen Moraltheorie, und daher auch unbestechlich dem Gemeinwohl.244 Das entspricht der Sache nach

_____ 239 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 6. 240 Brühlmeier (1988) S. 62 ff., hat gezeigt, inwieweit Smith den Regelcharakter des Rechts maßgeblich begründet hat. 241 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 35 (LJ(A) i.1; LJ(B) p. 5: “Jurisprudence is the theory of the rules by which civil governments ought to be directed. It attempts to shew the foundation of the different systems of government in different countries and to shew how far they are founded in reason.”; LJ(B) p. 5: “Jurisprudence is the theory of the general principles of law and government.”). 242 Savigny (1840) Band I, S. 55. 243 Mestmäcker (1978) S. 9. 244 Coase (1976) S. 529, 544.

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dem, was er in seiner Theorie der ethischen Gefühle vorausgesetzt hat, wo er es für „die größte und edelste aller Rollen“ hält, Gesetzgeber oder Reformator eines großen Staates zu sein.245

aa) Vergeltungsgesichtspunkte in der Zollgesetzgebung? Sedes materiae ist die Frage, ob ein Land ungerechtfertigte Ein- und Ausfuhrbeschränkungen mit gleicher Münze vergelten soll. Er kommt zu dem Schluss, dass „eine solche Vergeltung (…) folglich nur dann als vernünftige Politik zu bezeichnen (ist), wenn dadurch mit einiger Sicherheit der Widerruf der nachteiligen Zölle und Einfuhrverbote erreicht wird.“246 Hier spricht nicht nur der erfahrene „Zollbeamte Adam Smith“,247 wie Karl Marx ihn später nennen sollte,248 sondern letztlich auch der Autor der Theorie der ethischen Gefühle, der sich ja im Rahmen seiner Unrechtsbegründung ausführlich mit dem Vergeltungsgefühl auseinandergesetzt hat.249 Auch in der vorliegenden Stelle versteht er das Vergeltungsgefühl als moralisches Gefühl, jedenfalls soweit der im Ausgangspunkt verständliche Affekt einer Entgeltung des Gleichen mit Gleichem in Rede steht. Im Unterschied zur Moraltheorie kommt hier jedoch der Gesichtspunkt politischer Klugheit und gesetzgeberischer Mäßigung hinzu, wodurch der Affekt gleichsam vernunftmäßig – im Interesse der Volkswirtschaft und damit des Gemeinwohls überlagert wird. Auch dieser Gedanke der Mäßigung ist letztlich in der Moraltheorie zugrunde gelegt worden: „Derjenige, dessen Gemeinsinn gänzlich durch Menschlichkeit und Wohlwollen genährt wird, wird sogar die bestehenden Befugnisse und Rechte der Einzelpersonen achten, noch weit mehr jedoch jene der großen Stände und Gemeinschaften, aus denen der Staat zusammengesetzt ist. Mag er auch manches davon als einigermaßen missbräuchlich betrachten, so wird er sich doch da-

_____ 245 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 393 (TMS VI.ii.2.14: “the greatest and noblest of all characters”). 246 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 382 (Book IV.ii.39, p. 468: “There may be good policy in retaliations of this kind, when there is a probability that they will procure the repeal of the high duties or prohibitions complained of.”). 247 Ross (1998) S. 31, macht allerdings interessanterweise darauf aufmerksam, dass „dieser Apostel des Freihandels (sc. Smith) am Ende seiner Tage ziemlich fanatisch für ein System der Beschränkungen und Verbote eintrat, das er im Wealth so schonungslos gegeißelt hatte“. 248 Marx (1859) Abschnitt I, Erstes Kapitel. 249 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 116 f. (TMS II.ii.1.4 pp.).

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mit begnügen zu mäßigen, was er nicht ohne Anwendung großer Gewalt vernichten könnte.“250 Ein entsprechendes Argument begegnet später im Zusammenhang mit außerordentlichen Einfuhrbeschränkungen, deren Unvernunft er „selbst nach den Grundsätzen des Merkantilismus“ geißelt.251 Vor allem wendet er sich gegen die Irrationalität einer chauvinistischen, auf Vergeltung sinnenden internationalen Handelsgesetzgebung: „Nunmehr werde ich Prinzipien behandeln, die auf Vorurteil und Feindschaft beruhen. Sie sind demnach, wie eigentlich auch zu erwarten, noch weniger vernünftig, selbst aus der Sicht des Merkantilismus.“252 Ähnlich dem unparteiischen Zuschauer in seiner Moraltheorie versetzt er sich gedanklich in die systematischen Voraussetzungen der Gegenposition – hier des Merkantilismus’ – hinein und erkennt so die inneren systematischen Widersprüche. Die moraltheoretische Fundierung findet sich mutatis mutandis abermals in der Theorie der ethischen Gefühle: „Wenn er das Recht nicht durchsetzen kann, wird er es nicht verschmähen, das Unrecht zu verbessern, sondern er wird wie Solon wenn er nicht das beste System von Gesetzen einführen kann, sich bestreben, doch das beste unter jenen Systemen einzuführen, die das Volk noch zu ertragen vermag.“253 Hieran zeigt sich wiederum, wieviel rechtstheoretisches Gedankengut in der Moraltheorie begründet ist und wie sehr Smith einem rechtssystematischen Denken verpflichtet ist.

_____ 250 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 395 (TMS VI.ii.2.16: “The man whose public spirit is prompted altogether by humanity and benevolence, will respect the established powers and privileges even of individuals, and still more those of the great orders and societies, into which the state is divided. Though he should consider some of them as in some measure abusive, he will content himself with moderating, what he often cannot annihilate without great violence.”). 251 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 387 (Book IV.iii.a, p. 473: “even upon the Principles of the Commercial System”). Dazu auch Heinemann (1996) S. 10. 252 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 388 (Book IV.iii.a.1, p. 474: “those which I am going to examine in this, from national prejudice and animosity. They are, accordingly, as might well be expected, still more unreasonable. They are so, even upon the principles of the commercial system.”). 253 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 395 TMS VI.ii.2.16: “When he cannot establish the right, he will not disdain to ameliorate the wrong; but like Solon, when he cannot establish the best system of laws, he will endeavour to establish the best that the people can bear.”).

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bb) Unveränderliche und allgemeingültige Grundsätze als Maßstab der Gesetzgebung Auf welche Weise er seine Sicht begründet, ist für den Staatsmann wenig schmeichelhaft, hingegen aufschlussreich bezüglich seines rechtstheoretischen Verständnisses des Gesetzgebers:254 „Ob allerdings eine solche Politik der Vergeltung die gewünschten Erfolge haben wird, das zu beurteilen, ist vielleicht weniger Sache des Gesetzgebers, der sich allein von unveränderlichen und allgemein gültigen Grundsätzen in seinen Überlegungen leiten lassen sollte, als vielmehr Aufgabe jener geschickten, listenreichen und schlauen Geschöpfe, gemeinhin Staatsmänner und Politiker genannt, die sich in ihren Entscheidungen jeweils den augenblicklichen Umständen anpassen.“255 Staatsmänner und Gesetzgeber, die Smith hier und an vielen anderen Stellen in einem Atemzug nennt, werden von ihm also völlig unterschiedlich eingeschätzt: die einen als opportunistische Okkasionisten, die anderen – idealerweise – an ehernen Maßstäben orientiert. Das entspricht letztlich dem Bild der Prinzipienjurisprudenz,256 der Smith verpflichtet ist, weil sie die langfristig gültigen Wertungen und Prinzipien des Gesetzes höher schätzt,257 als das, was der stets wandelbare Sachverhalt dem Entscheidungsträger gerade aufgibt, der durchaus auch Nützlichkeitserwägungen berücksichtigen muss.258 Eine mahnende Parallelstelle zum Bild des Staatsmannes, der stets Gefahr läuft, seine eigenen Interessen an die Stelle derjenigen des ihm anvertrauten Gemeinwesens zu setzen, findet sich in der Theorie der ethischen Gefühle: „Eine gewisse allgemeine und systematische Vorstellung von vollkommenen politischen und rechtlichen Zuständen mag zweifellos notwendig sein, um den Absichten des Staatsmannes eine gewisse Richtung zu geben. Aber darauf zu bestehen, alles, was jene Vorstellung scheinbar verlangt, einzuführen und es auf einmal und trotz aller Widerstände einzuführen, das wird oft das höchste Maß von Anmaßung bedeuten. Das hieße, sein eigenes Urteil

_____ 254 Zu der im Folgenden zitierten Stelle auch Hayek (2005) GS B 3, S. 533. 255 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 382 (Book IV.ii.39, p. 468: “To judge whether such retaliations are likely to produce such an effect, does not, perhaps, belong so much to the science of a legislator, whose deliberations ought to be governed by general principles which are always the same, as to the skill of that insidious and crafty animal, vulgarly called a statesman or politician, whose councils are directed by the momentary fluctuations of affairs.”). 256 Zum Begriff Landau (1993) Band XIX, S. 69. 257 Zu einer Parallelproblematik auf der Ebene der juristischen Methodenlehre Petersen (2001); ders. (2008). 258 Brühlmeier (1988) S. 59.

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als obersten Maßstab für Recht und Unrecht aufstellen. Das hieße sich einbilden, dass man selbst der einzige weise und würdige Mann in einem Gemeinwesen sei, und dass sich die Mitbürger uns anpassen sollten und nicht wir ihnen.“259 Es wäre wohl auch, wiederum mit dem berühmten Topos von Hayek, eine Anmaßung von Wissen.260 Aus rechtstheoretischer Sicht interessiert vor allem seine Sicht auf den Gesetzgeber, „der sich allein von unveränderlichen und allgemein gültigen Grundsätzen in seinen Überlegungen leiten lassen sollte“. Eine hektische Einzelfallgesetzgebung ist damit ebenso ausgeschlossen wie gesetzgeberische Adhoc-Entscheidungen, die heute so und morgen anders ausfallen können. Es geht vielmehr um die Ermittlung der unverrückbaren gesetzlichen Wertung.261 Das stellt unweigerlich die Frage nach der verfassungsmäßigen Fundierung, die Smith ebenfalls bedacht und – wenngleich an sehr versteckter Stelle, nämlich im Abschnitt über die Steuern – behandelt hat: „Die Verfassungsgeber sollten sich mithin nicht nach vorübergehenden, gelegentlichen oder zufälligen Gegebenheiten richten, sondern nach solchen, die notwendig und daher stets die gleichen sind.“262 Das entspricht genau dem, was er vom Gesetzgeber erwartet. Der Kontingenz der Umstände muss mit einer Stetigkeit begegnet werden, welche die Grundsätze der Erforderlichkeit und Gleichmäßigkeit zum Ausdruck bringt. Wenn das Fundament solcher Überlegungen die „unveränderlichen und allgemein gültigen Grundsätze“ sein sollen, so ist dies darüber hinaus aber auch ein Bekenntnis zum Naturrecht.263 Dementsprechend versteht Smith in seinen Lectures on Jurisprudence diese als „diejenige Wissenschaft, welche die allgemeinen Grundsätze untersucht, welche die Grundlage

_____ 259 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 396 (TMS VI.ii.2.18: “Some general, and even systematical, idea of perfection of policy and law, may no doubt be necessary for directing the views of the statesman. But to insist upon establishing, and upon establishing all at one, and in spite of all opposition, every thing which that idea may seem to require, must often be the highest degree of arrogance. It is to erect his own judgment into the supreme standard of right and wrong. It is to fancy himself the only wise and worthy man in the commonwealth, and his fellow-citizens should accommodate themselves to him and not he to them.”). 260 Siehe vor allem Hayek (2007) GS A 1, S. 87. 261 Petersen (2001) passim. 262 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 707 f. (Book V.ii.c.6, p. 830: “ought to be suited, not to those circumstances which are transitory, occasional, or accidental, but to those which are necessary and therefore always the same.”). 263 Wichtig dazu Dreier (2007) S. 127.

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der Gesetze aller Nationen bilden sollten.“264 Das Naturrecht muss bei der Rechtssetzung einen Maßstab setzen und ist auf diese Weise zugleich konstantes Gegengewicht zu den sprunghaften Entscheidungen der Staatsmänner.265

b) Stellenwert der Rechtstheorie Schon die in der zitierten Stelle aus dem Wohlstand der Nationen zugrunde gelegte Unterteilung veranschaulicht den Stellenwert der Rechtstheorie in Smiths Denken. Wenn Smith die ‘Natural Jurisprudence’ als die vornehmste Wissenschaft ansah,266 so entspricht dies der im Zitat zum Ausdruck kommenden Rangfolge, auch wenn hier vom Gesetzgeber die Rede ist. Denn da er im Einklang mit der staatlichen Gewalt Adressat der Belehrung sein soll, bedeutet dies zugleich, dass es sich um eine spezifisch wissenschaftliche handeln muss, das heißt für Smith: durch die Wissenschaft des Naturrechts geprägte. Das erklärt auch die Wendung, wonach sich die von Smith vorausgesetzte Wissenschaft unter anderem in die politischen Ökonomie verzweigt. Denn damit wird die politische Ökonomie gleichsam von derjenigen Wissenschaft abgeleitet, die den Gesetzgeber belehren will, und das dürfte nicht zuletzt die Moralphilosophie unter Einschluss ihrer moral- und rechtstheoretisch erarbeiteten und danach gebotenen Handlungsempfehlungen sein.

2. Die unsichtbare Hand Adam Smith hat den berühmten Topos der unsichtbaren Hand zwar nicht geprägt. Er war seinerzeit schon eine Art geflügeltes Wort, nachdem bereits in einem Schiffstagebuch von 1703 von der „unsichtbaren Hand der Vorsehung“ die Rede war.267 Hayek hat daher recht, wenn er Smith attestiert, dass er bewusst „in der Sprache seiner Zeit“ schrieb.268 Adam Ferguson hat einen ähnlichen Wirkungszusammenhang so bezeichnet, dass „Völker sich unerwartet im Besitze von Einrichtungen befinden, die wohl das Ergebnis menschlichen

_____ 264 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 33 (LJ(B) p. 1: “that science which inquires into the general principles which ought to be the foundation of the laws of all nations.”). 265 Hont/Ignatieff (1983) S. VII, würdigen zutreffend die Bedeutung des Naturrechts für die Gesetzgebung. 266 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 370 (TMS II.ii.intro.2). 267 Raphael (1991) S. 86. 268 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 40, S. 542; ders. (2005) GS B 3, S. 79 Fußnote 26.

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Handelns sind, aber nicht das Ergebnis menschlicher Absicht“.269 Gleiches gilt für Josiah Tucker270 und vor allem Edmund Burke, dem sich Smith in seinen Anschauungen besonders verbunden wusste, obwohl sie sich nie darüber ausgetauscht hatten.271 Burke beschrieb den Mechanismus folgendermaßen: „Der gütige und weise Beweger aller Dinge, der die Menschen, ob sie es wollen oder nicht, nötigt, bei der Verfolgung ihrer eigenen selbstsüchtigen Interessen, das allgemeine Wohl mit ihrem eigenen persönlichen Erfolg zu verbinden.“272 Hayek konnte mit gutem Grund sagen, „dass unter den Vätern dieser Ansicht Edmund Burke einer der bedeutendsten ist und Adam Smith einen Ehrenplatz einnimmt.“ 273 Man kann den Gedanken aber auch bei Smiths Freund Hume finden,274 der diesen Gedanken verschiedentlich aufgegriffen hat, wenn er etwa sagt: „Auf diese Weise lerne ich jemandem einen Dienst erweisen, ohne tatsächliche freundliche Gesinnung für ihn.“ Noch deutlicher wird es, wenn Hume später für möglich hält, dass etwas „dem allgemeinen Wohl günstig, so gewiss dies von den Erfindern nicht beabsichtigt wurde“.275 Ebenfalls klingt der Gedanke an, wenn Hume meint, dass „es nicht auch im Interesse schlechter Menschen liegen würde, dem Gemeinwohl zu dienen“.276 Vor allem ist er wiederum im Kern bereits in Montesquieus De l’esprit des lois zu finden, wo es heißt: „Die Ehre setzt alle Teile des Staatskörpers in Bewegung, sie verbindet sie durch ihr Wirken, und schließlich ergibt sich, dass jeder zum Gemeinwohl beiträgt, auch wenn er glaubt, nur seine Sonderinteressen zu verfolgen.“277 Darüber hinaus dürfte es demselben Ge-

_____ 269 Ferguson (1767) S. 187; Übersetzung von Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 9. Nach Hirschman (1987) S. 128 „war Ferguson eher als Adam Smith bereit, über die weiteren politischen Konsequenzen der wirtschaftlichen Expansion zu spekulieren“. 270 Tucker (1756). Weitere Nachweise bei Vogl (2011) S. 39 ff. 271 Näher Dunn (1941) S. 330. 272 Burke (1795) S. 9; Übersetzung von Hayek (2003 a) GS B 4, S. 542. 273 Hayek (2004 b) GS B 2, S. 65. 274 Hume (1992) Band I, Teil I, Essay III S. 99: “A republican and free government would be an obvious absurdity, if the particular checks and controls, provided by the constitution, had really no influence, and made it not the interest, even of bad men, to act for the public goods”. 275 Hume (1906) Band II S. 269, 278. 276 Hume (1906) Band II S. 269, 278; ders. (1988) Band I S. 8. 277 Montesquieu (1748, Üb. Forsthoff, 1992) Buch III Kapitel 7 S. 41 (Livre III Chapitre 7: „L’honneur fait mouvoir toutes les parties du corps politique; il les lie par son action même; et il se trouve que chacun va au bien commun, croyant aller à ses intérêts particuliers.“). Hirschman (1987) S. 18 macht allerdings scharfsichtig darauf aufmerksam, dass die unsichtbare Hand hier nicht von ungefähr „mit dem Streben nach Ruhm formuliert“ wurde.

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danken verpflichtet sein, wenn Montesquieu an späterer und in diesem Zusammenhang soweit ersichtlich noch nicht berücksichtigter Stelle über den Missbrauch der Freiheit sagt: „Und indem man die Hand der Freiheit verkannte, der man diesen Vorteil verdankte, hat man sich an die Knechtschaft gewandt, die alles verweigert.“278 Smith hat die “invisible hand” aber doch zu Weltruhm geführt, indem er sie an entscheidender Stelle und mit neuartiger Zwecksetzung in seiner Untersuchung über Wesen und Ursachen des Volkswohlstands eingeführt hat: „Wenn daher jeder einzelne soviel wie nur möglich danach trachtet, sein Kapital zur Unterstützung der einheimischen Erwerbstätigkeit einzusetzen und dadurch diese so lenkt, dass ihr Ertrag den höchsten Wertzuwachs erwarten lässt, dann bemüht sich auch jeder einzelne ganz zwangsläufig, dass das Volkseinkommen im Jahr so groß wie möglich wird. Tatsächlich fördert er in der Regel nicht bewusst das Allgemeinwohl, noch weiß er, wie hoch der eigene Beitrag ist. Wenn er es vorzieht, die nationale Wirtschaft anstatt der ausländischen zu unterstützten, denkt er eigentlich nur an die eigene Sicherheit und wenn er dadurch die Erwerbstätigkeit so fördert, dass ihr Ertrage den höchsten Wert erzielen kann, strebt er lediglich nach eigenem Gewinn. Und er wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat.“279 Es dauerte allerdings rund hundert Jahre, bis Carl Menger diesen Gedanken für die Sozialwissenschaften fruchtbar machte, indem er einerseits „die unbeabsichtigte Resultante individueller d. i. individuelle Interessen verfolgender Bestrebungen der Volksglieder“ nannte und andererseits „die unbeabsichtigte sociale Resultante individual-teleologischer Faktoren“ herausarbei-

_____ 278 Montesquieu (1748, Üb. Forsthoff, 1992) Buch XIII Kapitel 15 S. 303 (Livre XIII Chapitre 15: „Et, méconnoissant la main de la liberté qui faisoit ce présent, on s’est adressé à la servitude qui refuse tout.“). 279 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 370 f. (Book IV.ii.9, p. 456: “As every individual, therefore, endeavours as much as he can both to employ his capital in the support of domestick industry, and so to direct that industry that its produce may be of the greatest value; every individual necessarily labours to render the annual revenue of the society as great as he can. He generally, indeed, neither intends to promote the public interest, nor knows how much he is promoting it. By preferring the support of domestick to that of foreign industry, he intends only his own gain, and he is in this, as in many other cases, led by an invisible hand to promote an end which was no part of his intention.”).

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tete.280 Auch wenn er Smith womöglich nicht ganz gerecht geworden ist,281 hat er wohl als erster die entscheidende Frage gestellt: „Wieso vermögen dem Gemeinwohl dienende und für dessen Entwicklung höchst bedeutsame Institutionen ohne einen auf ihre Begründung gerichteten Gemeinwillen zu entstehen?“282 Ob die unsichtbare Hand Smiths größte Idee ist, wie ein bedeutender Ökonom meint,283 von anderer Seite aber bezweifelt wird,284 lässt sich schwerlich sagen; jedenfalls ist es wohl die wirkungsmächtigste.

a) Faktizität der unsichtbaren Hand Nach Smith handelt es sich bei der unsichtbaren Hand, die Marktergebnisse im freien Spiel der Kräfte ordnet, um ein Erklärungsmuster, mit dem das Funktionieren der Volkswirtschaft dokumentiert wird, 285 wobei der Funktionsmechanismus nicht nur auf den Markt bezogen und beschränkt ist, weil es sich dabei um ein gesamtgesellschaftliches Prinzip handelt.286 Es geht nicht zuletzt darum, dass die Preise auf einem freien Markt durch eine negative Rückkopplung bestimmt werden.287

aa) Rechtstheoretischer Gehalt der unsichtbaren Hand Somit ist auch der rechtstheoretische Gehalt der berühmten „unsichtbaren Hand“,288 die insbesondere Robert Nozick289 für seine eigene Rechts- und Staatsphilosophie in einer freilich angreifbaren Weise290 fruchtbar gemacht

_____ 280 Menger (1883) S. 182; dazu Hayek (2003 b) GS A 4, S. 178, 182; zusammenfassend Sen (2003) S. 298: „Adam Smith, Carl Menger und Friedrich Hayek haben neben anderen auf je eigene Weise die Bedeutung der unbeabsichtigten Folgen betont“; kritisch dazu allerdings Sen, ebenda, S. 304 ff., der die Vorhersehbarkeit der unbeabsichtigten Wirkung für entscheidungserheblich hält. Siehe zu Menger auch Heinemann (1989) S. 39 f. 281 Hayek (2005) GS B 3, S. 72 Fußnote 11 mit weiteren Nachweisen. 282 Menger (1883) S. 163; dazu Hayek (2004 b) GS B 2, S. 82, „Zweckmäßige“ soziale Gebilde. 283 Tobin (1992) S. 117: “his greatest idea”. 284 Kennedy (2009) S. 239, 241. 285 Zur von R. Hardin (1982) so genannten „Kehrseite der unsichtbaren Hand“, insbesondere die behauptete Nichtberücksichtigung externer Effekte (externalities), siehe Gibbard (2005) S. 277. 286 Wieland (1991) S. 223, 227. 287 Hayek (2003 b) GS A 4, S. 132, 139 unter Verweis auf den Biologen G. Hardin (1961) S. 54. 288 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 371 (Book IV.ii.9, p. 456: “invisible hand”). 289 Nozick (1976) S. 108 f. 290 Kersting (1979) S. 34, 54.

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hat,291 mit zu berücksichtigen, wie dies bereits an anderer Stelle in entsprechendem Zusammenhang unternommen wurde.292 C. A. Cooke hat sogar in einer der ersten und schon daher verdienstvollen Abhandlungen über die Rechtstheorie des Adam Smith die Ansicht vertreten, dass die berühmte Passage über die unsichtbare Hand die Essenz seiner Ansicht über das Recht aufscheinen lasse.293 Fikentscher hat die rechtstheoretisch hochinteressante Beobachtung gemacht, dass Rudolf von Jherings berühmter Kampf ums Recht der Annahme Adam Smiths ähnelt, weil der von Jhering vorgestellte Kampf nicht zuletzt dadurch ausgefochten wird, dass es letztlich zum Wohl der gesamten Gesellschaft geschieht, wenn jeder einzelne auf das ihm zustehende Recht Acht gibt,294 dass – wie es Fikentscher zusammenfasst – „das Recht an den Rechten hängt“.295 Jhering selbst berief sich zwar auf Adam Smith nicht, doch ist die von Fikentscher herausgestellte Parallele frappierend:296 Es ist „das juristische Seitenstück zu Adam Smith’s ökonomischer These vom Gesamtwohl, das am ehesten durch Verfolgung individuellen Wohls erreicht wird (…) An beider Thesen hat sich die westliche Gesellschaft zur freiesten und erfolgreichsten aller Gesellschaften in der Geschichte der Menschheit entwickelt, wobei beide nicht die volle Tragweite ihrer wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Generalisierungen überblickten.“ 297 Auch wenn diese auf Jhering und jene auf Smith gemünzt ist, trifft die rechtswissenschaftliche Implikation auf Adam Smith zu, dessen unsichtbare Hand damit weiteren rechtstheoretischen Zündstoff bietet. Wenn in Zeiten eines entfesselten Kapitalismus, dessen Apostel Adam Smith am allerwenigsten war,298 das Scheitern der Theorie der unsichtbaren Hand behauptet wird,299 so darf nicht übersehen werden, dass hiermit letzt-

_____ 291 Siehe auch Nozick (1994) S. 314. 292 Wilson/Skinner (1976). 293 Cooke (1935) S. 326, 328. 294 Jhering (1872). 295 Fikentscher (1976) S. 241. 296 Walder (1943), wird von ihm additiv zitiert, schmälert aber die Originalität seines Gedankens mitnichten, weil Walders Dissertation (ebenda, S. 90 ff., 114 ff.), den von Fikentscher entwickelten Gedanken nicht enthält, sondern vor allem Jhering Der Zweck im Recht (1877–1883), berücksichtigt. 297 Fikentscher (1976) S. 241. 298 Devine (1977) S. 399. Unmissverständlich Sen (2009 a) S. xiii: “The spirited attempt to see Smith as an advocate of pure capitalism, with complete reliance on the market mechanism guided by pure profit motive, is altogether misconceived”. 299 Ausgewogen aus der Zeit vor der Wirtschaftskrise Werhane (1991).

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lich auch die alte rechtsphilosophische Frage des Verhältnisses von Faktizität und Normativität von neuem gestellt ist: Ist die unsichtbare Hand nur ein faktisch nachträgliches Erklärungsmuster oder wohnt ihr auch ein normativer Geltungsanspruch inne? Wenn Letzteres bestritten wird, so sollte dies jedenfalls nicht allein mit Blick auf die faktischen Auswüchse der Weltwirtschaftskrise begründet werden, da dann die Gefahr eines naturalistischen Fehlschlusses von einem Sein auf ein Sollen besteht.300 Allerdings muss man sich dabei stets gegenwärtig halten, dass Smiths Moraltheorie immer auch die Frage nach den Tatsachen und nicht nur nach einem Sollen stellt.301 Bezieht man dies auf die Problematik der unsichtbaren Hand, so stellt sich damit zugleich die Frage, inwieweit die (Wirtschafts-)Welt faktisch determiniert ist und wieviel Spielraum die einzelnen Akteure gegebenenfalls überhaupt haben. Denn eine rein deskriptive Deutung der unsichtbaren Hand würde, wenn überhaupt, wenig Raum für eine rationale Wahl lassen. Das ist nicht so sehr in möglicherweise deistischer Hinsicht problematisch als vielmehr rechtstheoretisch von Interesse,302 weil sich daraus Anforderungen im Hinblick auf ein gesetzgeberisches Einschreiten in bestimmten Bereichen ergeben könnten, die ohne eine Intervention keinen Raum für eine sinnvolle rationale Wahl der Marktteilnehmer erübrigen würde.303 Allerdings ist insoweit Zurückhaltung geboten, damit nicht Smiths Grundintention gleichsam durch die Hintertüre konterkariert wird. Um unnötige gesetzgeberische Eingriffe zu vermeiden, ist im Ausgangspunkt vielmehr davon auszugehen, dass Smith sich bereits ein bestimmtes gesetzliches System vorgestellt hat, bei dessen Befolgung und Aufrechterhaltung spätere gesetzgeberische Eingriffe von

_____ 300 Allgemein dazu Hume (1906) Band II S. 211, 245; im englischen Original: “In every system of morality I am surprised to find that instead of the usual copulations of propositions, is, and is not, I meet with no proposition that is not connected with an ought, or an ought not”. 301 Mathis (2009) S. 109, unter Verweis auf TMS II.i.5.1 pp. 302 Walder (1943) S. 47, spricht vom „Wirken einer höheren Macht“ und leitet von daher über zur Weltanschauung des optimistischen Deismus. 303 Weitsichtig MacCormick (1981) S. 243, 255: “If Smith was an out-and-out determinist, there would be a more than paradoxical element about much of his own work in The Wealth of Nations. If forms of economy necessarily generate their own internal forces that sweep men along regardless of any illusory notions of rationality and choice, there would be little point in writing a book which is not merely descriptive, but is in an important measure prescriptive, advocating legislative and other policies (such as the abolition of statuary monopolies) that are aimed at improving the economic order and producing a more rational order basis for a commercial economy”. Vgl. auch Nida-Rümelin (2011) S. 207.

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vornherein minimiert wären, weil und sofern es sich um ein gerechtes System natürlicher Freiheit handelt.

bb) Sein und Sollen Interessant ist vor diesem Hintergrund ein Rückblick auf die im Zusammenhang mit dem Adam Smith-Problem bereits behandelte „Sein-Sollen-Theorie“, wonach Adam Smith den Menschen im Wohlstand der Nationen angeblich so darstellt, wie er wirklich ist, während die Theorie der ethischen Gefühle postuliert, wie er sein soll.304 Dagegen spricht das, was Smith selbst über seine Moraltheorie sagt, nämlich „dass die gegenwärtige Untersuchung nicht eine Frage des Sollens betrifft, wenn ich so sagen darf, sondern eine Frage nach Tatsachen.“305 Dass aber Adam Smiths zentrale Aussagen neben ihren faktischen Darstellungen auch die Möglichkeit einer normativen Interpretation enthalten, ist in der einschlägigen Forschung zumindest für möglich gehalten worden,306 so dass dies auch und gerade für die unsichtbare Hand gelten könnte. Dementsprechend wird mit Recht gesagt, die unsichtbare Hand regele „das Wirken des Marktmechanismus in den Grenzen der ausgleichenden Gerechtigkeit“.307 Diese Grenzziehung ist bedeutsam, weil sie der befürchteten Schrankenlosigkeit a priori entgegenwirkt. Ein weiterführender Gedanke zu dieser vergleichsweise wenig besprochenen Problematik der spezifisch rechtstheoretischen Implikationen der unsichtbaren Hand findet sich bei Mestmäcker. Er gibt zu bedenken, dass das Unterfangen, die bloßen Effekte der Arbeitsteilung rein faktisch zu präsentieren, von der Frage zu unterscheiden sei, ob man die Effekte als gerecht erachte.308 Diese Differenzierung markiert deswegen einen Erkenntnisfortschritt, weil sie verdeutlicht, dass der tatsächliche Befund einer Ordnungsbewegung

_____ 304 Patzen (1991) S. 21, 25 f. 305 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 113 (TMS II.i.5.10: “that the present inquiry is not concerning a matter of right, if I may say so, but concerning a matter of fact.”). 306 T. D. Campbell/Ross (1981) S. 73: “Adam Smith’s works are primarily analytic and explanatory, but they also embody both general normative criteria for the assessment of the social, political, and economic systems he examines”. Eingehend T. D. Campbell (1975) S. 68. 307 Ross (1998) S. 347; Hervorhebung nur hier; unter Hinweis auf Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 265 f. (TMS III.6.9). 308 Mestmäcker (1978) S. 139, 163.

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des Marktes nicht notwendigerweise einem bestimmten Sollen entspringt.309 Und selbst wenn dies angenommen würde – etwa mit der, für Smith allerdings nach dem weiter oben Bedachten fernliegenden, Begründung einer gleichsam gottgegebenen Güterzuordnung –, dann würde es Raum für die Frage eröffnen, ob diesem Zustand nicht gleichwohl durch das Recht ausgleichend begegnet werden müsste.310 Dass es dafür unter Berücksichtigung des Smithschen Ansatzes durchaus ein anerkennungswürdiges Bedürfnis geben kann, hat James Buchanan überzeugend damit begründet,311 dass die von Smith zugrunde gelegten “law and institutions” nicht unabänderlich in dieser Form bestünden. 312

cc) Informationsvorsprung des Marktes Für die Beantwortung der Ausgangsfrage ist auch zu berücksichtigen, was Smith selbst zur Begründung der unsichtbaren Hand angibt, weil dort auch die Alternative – ein Einschreiten des Gesetzgebers – berücksichtigt wird: „Der einzelne vermag ganz offensichtlich aus seiner Kenntnis der örtlichen Verhältnisse weit besser zu beurteilen, als es irgendein Staatsmann oder Gesetzgeber für ihn tun kann, welcher Erwerbszweig im Lande für den Einsatz seines Kapitals geeignet ist und welcher einen Ertrag abwirft, der den höchsten Wertzuwachs verspricht.“313 Es ist also nicht nur das pure Eigeninteresse, sondern gerade auch der daraus typischerweise folgende Informationsvorsprung, der ihn gegenüber staatlichem Einschreiten prädestiniert, zum Allgemeinwohl beizutragen. Aber wenn die Vorgaben eines Gesetzgebers die – wenn auch ungünstigere – Alternative darstellen, die ihrerseits zweifellos normativer Art wäre, dann kann man zumindest erwägen, ob die dem Wirken der unsichtbaren Hand eigentümliche Teleologie neben dem faktischen auch

_____ 309 Ebenso wohl Hayek (2003 a) GS B 4, S. 222, 535, unter Bezugnahme auf Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 467 (TMS VII.ii.1.24), mit der bereits mehrfach behandelten SpielMetapher, sowie auf Ferguson (1792) Band I S. 7, zum stoischen Ursprung der Metapher. 310 Mestmäcker (1978) S. 139, 163, spricht von der „Dazwischenkunft des Rechts“. 311 Buchanan (1976 a) S. 271, 273; zustimmend Mestmäcker (1978) S. 139, S. 164 f. Fußnote 104; tendenziell anderer Ansicht wohl Hayek (2003 b) GS A 4, S. 35. 312 Ähnlich Stein (1979 a) S. 621, 636. 313 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 371 (Book IV.ii.10, p. 456: “What is the species of domestick industry which his capital can employ, and of which the produce is likely to be of the greatest value, every individual, it is evident, can, in his local situation, judge much better than any statesman or lawgiver can do for him.”).

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einen normativen Zug trägt.314 Jedenfalls erhält Smiths Argument der unsichtbaren Hand durch diese hypothetische Alternative der gesetzgeberischen Regelung zumindest eine rechtstheoretische Unterstützung. Was ohne gesetzliche Vorgabe besser von selbst geschieht, weil die Eigeninteressen der Akteure ohne ihr Wissen sinnvoll gelenkt werden,315 wird mit der gesetzlichen Alternative verglichen. Erst daraus – und nicht schon aus dem bloßen Egoismus – ergibt sich, dass es nicht zuletzt „die Kenntnis der örtlichen Verhältnisse“, also – in moderner Diktion gesprochen316 – die besseren Informationen, sind, welche das Einzelinteresse in ein Allgemeininteresse ummünzen und daher die Vorzugswürdigkeit des Absehens von einer gesetzlichen Regelung begründen. Weil es sonach vernünftig ist, den Einzelnen ohne gesetzliche Maßgaben frei gewähren zu lassen, ist es auch rechtlich geboten. Und doch wird man nach alledem bestreiten müssen, dass der unsichtbaren Hand neben ihrer faktischen Auswirkung auch normative Aussagekraft zukommt. Es ist nämlich vor allem der zuletzt genannte und auch von Smith allenthalben in den Vordergrund gestellte Gesichtspunkt der besseren Kenntnis der jeweiligen Verhältnisse, der dagegen spricht. Denn die faktische Wirkungsweise der unsichtbaren Hand resultiert gerade daraus, dass im Markt mehr Informationen zusammenfließen, als der Einzelne hat oder auch nur haben kann. Friedrich August von Hayek hat dies in einer für den vorliegenden Zusammenhang wegweisenden Sentenz zusammengefasst: „Selbst zweihundert Jahre nach Adam Smiths ‚Wohlstand der Nationen‘ wird noch nicht voll verstanden, dass die große Leistung des Marktes darin besteht, eine weitreichende Arbeitsteilung möglich zu machen und eine laufende Anpassung ökonomischer Handlungen an Millionen besonderer Tatsachen und Ereignisse zustande zu bringen, die in ihrer Gesamtheit von niemandem gewusst werden können.“317 Dieses Argument spricht entscheidend dagegen, dass der unsichtbaren Hand eine normative Geltungskraft innewohnt. Denn das Ergebnis muss nicht notwendigerweise gerecht sein, wenn nur die Rahmenbedingungen von Gesetz und Recht geleitet sind, wie Hayek, Bezug nehmend auf Smith

_____ 314 Devine (1977) S. 399, 406: “It is clear that the second fundamental institution, the market, is generally expected to regulate commerce under the regime of capitalistic justice”. 315 Vgl. nur Posner (1979) S. 103, 123 f. Treffend Mathis (2009) S. 19: „Von Smith übernimmt Posner den Glauben an den Markt als ideales Allokationsmodell“. 316 Vgl. nur Stiglitz (2000) S. 1441; ders. (2002) S. 460; Fleischer (2001) S. 93 mit Fußnote 2. 317 Siehe vor allem Hayek (2007) GS A 1, S. 87, 101; Hervorhebung nur hier. – Den Verweis auf Hayek in diesem Zusammenhang verdanke ich Detlef Leenen.

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und seine oft verwendete Spiel-Metapher,318 illustriert:319 „Und obzwar wir, ebenso wie in einem Spiel, mit Recht darauf achten, dass es fair ist und keiner schwindelt, wäre es unsinnig zu verlangen, dass die Ergebnisse für die einzelnen Spieler gerecht sind.“320 Hayek sieht nämlich aus gutem Grund den „Sinn des Entdeckungsverfahrens“ darin, „dass das Spiel des Marktwettbewerbs faktisch ist“.321 Damit ist zugleich gesagt, dass es eben nicht normativ ist, was ebenfalls die hier vertretene Ansicht der reinen Faktizität der unsichtbaren Hand stützt.

b) Die unsichtbare Hand im übrigen Werk Nicht selten wird außer Betracht gelassen, dass der Topos der “invisible hand” auch in anderen Teilen des Werkes von Adam Smith verwendet wird. Zum Einen kommt die unsichtbare Hand in den vergleichsweise entlegenen astronomischen Schriften vor,322 zum Anderen – für den vorliegenden Zusammenhang wichtiger – in der Moralphilosophie. Beide Stellen sind bedeutsam, weil der werkimmanente Zusammenhang von entscheidender Bedeutung auch für das rechtstheoretische Verständnis ist. Die Passage aus der Geschichte der Astronomie sei zunächst behandelt, weil sie nach allem, was man weiß, früher entstand als die beiden anderen Nennungen der unsichtbaren Hand, auch wenn sich nicht exakt bestimmen lässt, wann genau vor dem Erscheinungsjahr der ‘Theory of Moral Sentiments’ (1759) die Geschichte der Astronomie verfasst wurde.323

aa) ‘The invisible Hand of Jupiter’ An der erstgenannten Stelle ist bei Adam Smith die Rede von “the invisible hand of Jupiter”. Es handelt sich um eine jener Abhandlungen, von deren Vernichtung Adam Smith vor seinem Tode abgesehen hat. Die ‘History of Astronomy’, die entgegen dem äußeren Anschein keineswegs nur von historischem Interesse, sondern in methodischer Hinsicht für Smith sogar von zentraler

_____ 318 319 320 321 322 323

Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 467 (TMS VII.ii.1.24). Hayek (2003 a) GS B 4, S. 534. Hayek (2003 a) GS B 4, S. 222. Ebenda. Zum Wettbewerb als Entdeckungsverfahren Hayek (2003 b) GS A 4, S. 132. Persky (1989) S. 195, lässt dies außer Betracht. Macfie (1971) S. 595, 598.

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Bedeutung ist,324 wurde nach seinem Tod in den ‘Essays on Philosophical Subjects’ veröffentlicht. In dieser der Geschichte der Astronomie gewidmeten Schrift, die Auguste Comte – wahrscheinlich nicht zuletzt wegen ihrer methodologischen Ausführungen – besonders hoch schätzte,325 heißt es im Abschnitt über die Ursprünge der Philosophie (Origins of Philosophy): “nor was the invisible hand of Jupiter ever apprehended to be employed in those matters”.326 Die heidnischen Religionen konnten sich nämlich nach Smith nur durch das Eingreifen von Jupiters Hand einen Reim auf bestimmte Geschehnisse machen. Hier begegnet das Argument der unsichtbaren Hand als Erklärungsmuster für ein Wirken scheinbar göttlicher Eingriffe, also in einem religiös erscheinenden Kontext. In Anbetracht der heidnischen Provenienz des Weltenlenkers Jupiter wird deutlich, dass Smith sich ohnehin nicht notwendigerweise einen christlichen Gott als Initiator vorstellt und auch die Wirkungsweise der unsichtbaren Hand nicht von einem solchen ausgehen muss, sondern letztlich auf dem unterschiedlich motivierten Wirken der Menschen beruht. Insofern ist auch diese Erwähnung bei allen unbestreitbaren Unterschieden vom Geist der Aufklärung getragen und steht in einer Kontinuität zu den anderen Schriften,327 zumal da Smith sie in einem Brief an seinen Freund Hume als “a history of the astronomical system that were successively in fashion down to the time of Descartes” eigens erwähnt und sie dort trotz seiner ausdrücklichen Einschätzung als Jugendwerk für prinzipiell publikationswürdig erachtete.328 Auch wenn also in der ‚Geschichte der Astronomie‘ vorderhand die unsichtbare Hand Jupiters wirkt, so ist es doch letztlich im Einklang mit der Grundausrichtung der Schottischen Aufklärung der Einzelne in der Gesellschaft, dem Smiths vordringliches Interesse gilt,329 und dessen Zusammenwirken mit anderen Auswirkungen zeitigt, die über das hinausgehen, was von ihm beabsichtigt war.

_____ 324 Fitzgibbons (1995) S. 6 (“a litmus test of intellectual continuity”). 325 Hayek (2004 b) GS B 2, S. 207. 326 EPS III.2, p. 49. Dazu auch Vogl (2011) S. 41 f. 327 Macfie (1971) S. 595 f.: “Perhaps it should be stated here that while the capricious role of the ‘invisible hand of Jupiter’ is quite different from that of the order-preserving ‘invisible hand’ in the two books, there is no inconsistency. The explanation is the view of history typical of the Enlightenment”. (Hervorhebung auch dort). 328 Rae (1895) S. 262, wo der Brief Smiths an Hume vom 16. April 1773 abgedruckt ist. 329 Macfie (1971) S. 595, 599: “It is indeed always the individual in society that is Smith’s main concern”.

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bb) Die unsichtbare Hand in der Moralphilosophie Nicht minder interessant, sondern streng genommen sogar vorrangig für den vorliegenden Zusammenhang,330 ist jene Stelle über die invisible hand, die bereits in der Theorie der ethischen Gefühle begegnet,331 wo es heißt: „Von einer unsichtbaren Hand werden sie dahin geführt, beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter zu verwirklichen, die zustandegekommen wäre, wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner aufgeteilt worden wäre; und so fördern sie, ohne es zu beabsichtigen, ja ohne es zu wissen, das Interesse der Gesellschaft und gewähren die Mittel zur Vermehrung der Gattung.“332

(1) Iustitia distributiva und iustitia commutativa Hier sind noch deutlicher als im Wohlstand der Nationen die Gesichtspunkte ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit angesprochen. Der hypothetische Zustand („Wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner aufgeteilt worden wäre“) entspricht der iustitia distributiva. Smith favorisiert demgegenüber die iustitia commutativa,333 indem er es dem durch die unsichtbare Hand waltenden Geschick – also letztlich dem der einzelnen Wettbewerber in ihrer Gesamtheit – überlässt, eine Güterzuordnung zu finden,334 die interessanterweise „beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter (…) verwirklichen“ soll, wie wenn dies festgesetzt worden wäre. Dabei ist das unscheinbare Wörtchen „beinahe“ (‘nearly’) wesentlich: Smith geht es gerade nicht um eine mathematische Gleichheit und noch weniger um Gleichmacherei, die den Erwerbsfleiß ersticken und die Anreize ent-

_____ 330 Mathis (2009) S. 114 f., behandelt die unsichtbare Hand in der Moraltheorie aus – nicht nur chronologisch – gutem Grund vor ihrer Erwähnung im nationalökonomischen Hauptwerk. 331 Siehe auch Kittsteiner (1984) S. 158; Evensky (2001) S. 197. 332 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 316 (TMS IV.1.10: “They are led by an invisible hand to make nearly the same distribution of the necessaries of life, which would have been made, had the earth been divided into equal portions among all its inhabitants; and thus without intending it, without knowing it, advance the interest of the society, and affords means to the multiplication of the species.”). Dazu auch Persky (1989) S. 195. 333 MacCormick (1981) S. 243, 247: “We may observe that this leads to a theory of justice in which justice is necessarily conceived of as being corrective rather than distributive”. Zur Bedeutung der iustitia distributiva im deutschen Vertragsrecht Canaris (1997). 334 Brühlmeier (1988) S. 169, bezeichnet die Formulierung als eine „spezifisch ökonomische, ja verteilungstheoretische“.

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sprechend mindern würde.335 Allerdings könnte in der „beinahe“ gleichermaßen verwirklichten Güterzuordnung auch ein moraltheoretischer Appell liegen, einem allzu krassen Auseinanderfallen durch wenige extrem Reiche und viele entsprechend Arme entgegenzuwirken, weil das letztlich nicht mehr im „Interesse der Gesellschaft“ (“interest of the society”) und womöglich nicht einmal mehr der „Vermehrung der Gattung“ (“multiplication of the species”) liegen würde. Dann hätte zumindest die moraltheoretische Fassung der unsichtbaren Hand eine implizit und Extremfälle berücksichtigende normative Fassung.

(2) Erklärungsmodell der Güterverteilung Die unsichtbare Hand in der Moraltheorie bescheidet die Armen also nicht dergestalt, dass sie sich mit allem – schon gar nicht als gottgegeben336 – abzufinden haben, sondern erklärt die Güterverteilung so, wie sie sich im Zusammenwirken der Kräfte ergibt, damit jedoch nicht notwendigerweise für gerechtfertigt. Der Überfluss des Reichen schmeichelt seinem moralischen Gefühl der Eitelkeit und veranlasst ihn zu einer Nachfrage über das Lebensnotwendige hinaus, der die Minderprivilegierten in den Stand versetzt, dieser Nachfrage zu entsprechen und sich dadurch idealerweise selbst zu unterhalten.337 Die moraltheoretische Botschaft besteht also weniger darin, die ungleichmäßige Verteilung als gerechtfertigt zu verklären. Vielmehr zeigt Smith, wie das moralische Gefühl der Eitelkeit als etwas an sich Schlechtes gesamtgesellschaftlichen Nutzen stiften kann. Dieser Gedanke begegnete im bisherigen Verlauf der Untersuchung schon verschiedentlich. Die unsichtbare Hand fungiert hier also als Erklärungsmodell und nicht als Apologie einer bestimmten Güterverteilung. Selbst wenn sich das Argument der unsichtbaren Hand innerhalb der ‚Geschichte der Astronomie‘ sowie in der Theorie der ethischen Gefühle von der

_____ 335 Mathis (2009) S. 114. 336 Gottgegeben ist dem Einzelnen im Gegenteil ein ursprüngliches moralisches Gefühl für das Rechte im Sinne des Naturrechts, wie zur vorliegenden Frage auch betont wird von MacCormick (1981) S. 243, 256: “He was by no means an advocate of the pursuit by each person of his own interest at all costs. He certainly held the view that human beings have natural rights, and that each person’s pursuit of interests is legitimate only when subject to respect for those rights. At one point in Theory of Moral Sentiments he ascribes our knowledge of basic moral rights and duties to the moral norms implanted by God in man’s nature”. 337 Hirschman (1987) S. 110 f.; Mathis (2009) S. 114; Trapp (1987) S. 129.

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Verwendung im Wohlstand der Nationen unterscheidet,338 weil nicht zuletzt die unterschiedlich utilitaristische Haltung zu denken gibt,339 die allerdings jeweils auf die mehr oder weniger ausgeprägte Zufriedenheit der Individuen gerichtet und daher nicht allein mit wirtschaftlichem Nutzen gleichzusetzen ist,340 lässt sich hieran ersehen, dass zwischen der Moralphilosophie und Nationalökonomie zentrale Querbezüge bestehen und diese nicht ohne jene begriffen werden kann.

(3) Mögliche Regulierungsbedürftigkeit des Kapitalmarkts Damit bleibt die Frage, ob und wie einem extremen Auseinanderfallen der durch die unsichtbare Hand geordneten Güterverteilung entgegenzuwirken ist. Man muss sich jedoch auch hier vergegenwärtigen, dass in Smiths Theorie immer auch die Unerlässlichkeit eines gesetzgeberischen Rahmens mit bedacht ist,341 der solche Extremfälle gerade ausschließt, weil sie bei der allfälligen Beachtung und staatlichen Durchsetzung der rechtlichen Regeln nicht vorkommen können. Mit der Berücksichtigung von Hungersnöten als schlimmstmöglichen Folgen hat Amartya Sen überzeugend gegen Robert Nozicks ursprünglich ebenfalls auf der unsichtbaren Hand beruhende Gerechtigkeitstheorie argumentiert,342 von der Nozick selbst bekannt hat, dass sie unangemessen verfahre.343 Smith hätte sich angesichts aller Kautelen seiner Theorie diesen Vorwurf nicht machen müssen.344 Seine moraltheoretische Botschaft kann sich bei aller erklärenden Wirkung der unsichtbaren Hand nicht in einer Rechtfertigung sozialer Verwerfungen bis hin zu Hungersnöten erschöpfen. In solchen Fällen muss – durchaus im Sinne Adam Smiths – mit den Mitteln des Rechts entgegengewirkt werden, und es bedarf einer effizien-

_____ 338 Macleod (2007) S. 103, 116 mit Bezug auf M. Friedman/R. Friedman (1980), allerdings ohne ‘the invisible hand of Jupiter’ aus der ‘History of Astronomy’ einzubeziehen. 339 Vgl. auch McMahon (1981) S. 247, 252, allerdings ohne die genannten, für sein Thema ersichtlich zentralen, Stellen zu berücksichtigen. 340 T. D. Campbell/Ross (1981) S. 73, 76: “Here (sc. the ‘invisible hand’ in ‘Wealth of Nations’), the end unintentionally promotes the maximization of happiness, whereas in TMS (at IV 1.10) in the passage mentioning the ‘invisible hand’ the end is the distribution of the happiness”. 341 Buchanan (1984) S. 52: „individuellen Verfügungsrechte (…) genau festgelegt und in ein System gesetzlich verbriefter Menschen- und Eigentumsrechte eingebettet“. 342 Nozick (1976). 343 Nozick (1989) (“seriously inadequate”). 344 Brühlmeier (1988) S. 179.

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ten und notfalls einschneidenden Kapitalmarktregulierung.345 Denn im Falle derartiger Auswüchse hätten im Sinne seiner Schachspiel-Metapher nicht alle Akteure gleichermaßen fair gespielt und auch die gesetzlichen Regeln wären unvollkommen, wenn sie dies unterstützten oder auch nur ermöglichten.346

c) Abschied von der unsichtbaren Hand? Während die Theorie der unsichtbaren Hand in der Nationalökonomie lange Zeit „mit einer Art Tabu belegt“ wurde,347 ist im Zusammenhang mit der jüngsten Weltwirtschaftskrise nicht ohne Häme gegenüber Adam Smith,348 vorgebracht worden, dass die invisible hand de facto widerlegt sei. In der Tat scheint sie als Gerechtigkeitsprinzip untauglich zu sein.349 Die Entfesselung des Kapitalmarkts belegt jedoch nach dem soeben Bedachten allenfalls ein bestimmtes Verständnis der invisible hand, das jedoch mit dem von Smith Gemeinten wenig gemeinsam hat – jedenfalls wenn man seine Moralphilosophie und den dortigen Standort der invisible hand mitberücksichtigt,350 die wiederum eine effektive rechtliche Rahmenordnung voraussetzt.351 Im Übrigen lohnt es sich auch in diesem Zusammenhang, sich eine Einsicht zu vergegenwärtigen, die Hayek in bezug auf die unsichtbare Hand propagierte: „Wenn entrüstete Reformer sich immer noch über das Chaos im Wirtschaftsleben beklagen und zu verstehen geben, dass jegliche Ordnung fehlt, so geschieht das teilweise deshalb, weil sie sich eine Ordnung, die nicht vorsätzlich erzeugt ist, nicht vorstellen können, und teilweise deshalb, weil für sie Ordnung etwas ist, das konkreten Zwecken dient – und genau das kann eine spontane Ordnung nicht.“352 Man muss also achtgeben, dass dem Wirken der unsichtbaren Hand nicht unausgesprochen dasjenige abverlangt wird, das sie naturgemäß nicht leisten kann und soll.

_____ 345 Küng (2010) S. 60. 346 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 396 (TMS VI.ii.2.17). 347 Hayek (2003 b) GS A 4, S. 3, 10. 348 Dagegen Hayek (2004 c) GS A 7, S. 197, 204: „von dummen Spöttern lächerlich gemacht wird“. Ähnlich ders. (2003 a) GS B 4, S. 40. 349 Pointiert Küng (2010) S. 60: „starke Lähmungserscheinungen“ der unsichtbaren Hand. 350 Mathis (2009) S. 109, 112. 351 Mestmäcker (2007) S. 22: “The resultant economic system, free from governmental restraints, does not exclude but presupposes an exact administration of justice”. 352 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 40. Zu der angesprochenen spontanen Ordnung M. Polanyi (1951).

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aa) Fortwirkung der Missverständnisse Für die Beantwortung dieser Frage muss im Ausgangspunkt berücksichtigt werden, was Adam Smith selbst seinerzeit von einer auf exzessiven Risiken beruhenden, rein profitorientierten Wirtschaftspolitik hielt: Er hatte dafür die denkbar größte Geringschätzung übrig. Im damaligen Sprachgebrauch bedeuteten die Attribute, die er einem solchen Verhalten beimaß, so viel wie Verschwender und Spekulant, wie Amartya Sen herausgearbeitet hat.353 Es liegt also ein fundamentales Missverständnis in der Annahme, Adam Smith habe staatliche Eingriffe in die Privatwirtschaft kategorisch abgelehnt.354

(1) Bankenregulierung als Bedingung Unter den von Smith formulierten Bedingungen gibt es die unsichtbare Hand aber durchaus, wenngleich sie natürlich nicht dahingehend missverstanden werden darf, dass sich auch bei zügellosem Wirtschaften am Ende alles von selbst richten werde. Denn die fundamentalen Rechtsstaatsgarantien und die Gesamtheit aller Rechtsregeln zur Aufrechterhaltung eines fairen Wettbewerbs, bei deren Beachtung es keine völlig ungebundene Freiheit geben kann, werden von Smith vorausgesetzt, wenn auch nicht im Sinne einer konkreten Wirtschaftslenkung.355 Die unsichtbare Hand darf also nicht als Freischein für unverantwortliches Wirtschaften begriffen werden. Die Ausblendung seiner Moralphilosophie unter gleichzeitiger Simplifizierung seiner Nationalökonomie rächt sich demnach nicht von ungefähr im Rahmen der Würdigung und voreiligen Verabschiedung von Smiths bekanntester Denkfigur. Hinzu kommt, dass es, wie weiter oben gesehen, gerade Adam Smith war, der so früh wie kaum ein anderer die Vernünftigkeit und Sinnhaftigkeit der Bankenregulierung angemahnt hat: „Da nicht alle Banken ihre Geschäfte einwandfrei führten, musste zwar ein Gesetz erlassen werden, das den Bankenverkehr regelte,

_____ 353 Sen (2009 a) S. xi f.: “The nature of the present economic crisis illustrates very clearly the need for departures from unmitigated and unrestrained self-seeking in order to have a decent society. (…) Smith had a diagnosis for this: he called such promoters of excessive risk in search of profits ‘prodigals and projectors’ – which, by the way, is quite a good description of many of the entrepreneurs of credit swap insurances and sub-prime mortgages in the recent past”. 354 Devine (1977) S. 399, 406: “Contrary to general understanding, Smith even allowed to regulate business. The functions allowed were only of two types, however”; zu diesen ‚erlaubten‘ Eingriffen weiter unten ausführlich. 355 Hayek (2002) GS A 5, S. 88, 104.

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aber das Land selbst hatte großen Nutzen davon.“356 Er hat dem Grundsatz des möglichst freien und ungehemmten Wettbewerbs dort Grenzen auferlegen wollen,357 wo sie zum Schutz der Geldwirtschaft erforderlich sind,358 namentlich durch das von ihm vorgeschlagene Bankengesetz.359 Es waren aber gerade die Banken, die für die weltweite Wirtschaftskrise maßgeblich mitverantwortlich waren, 360 indem sie waghalsige Geschäfte eingingen, die allem zuwider liefen, was mehr als zwei Jahrhunderte zuvor Adam Smith im zweiten Buch seines Wohlstands der Nationen herausgearbeitet hatte. Man darf wohl die Behauptung wagen, dass die globale Bankenkrise vermieden worden wäre, wenn die angloamerikanischen Gesetzgeber diejenigen Kautelen passgenau bis in alle Konsequenzen umgesetzt hätten, die Smith über zwei Jahrhunderte zuvor ausgestellt hatte.

(2) Zeitgenössische schottische Bankenkrise Das ist bei der gebotenen geschichtlichen Betrachtung, die Smith allenthalben, vor allem im Dritten Buch, favorisiert auch alles andere als zufällig. Denn gerade zur Zeit der Niederschrift des Wohlstands der Nationen grassierte eine verhängnisvolle Bankenkrise in Schottland.361 David Humes briefliche Einschätzung gegenüber Adam Smith war unmissverständlich: „Im Großen und Ganzen meine ich, dass die Überwachung unseres maß- und bodenlosen Kreditwesens langfristig von Vorteil sein und die Leute zu einer solideren, weniger leichtfertigen Planung anhalten, zugleich aber auch die Händler und Hersteller zu mehr Sparsamkeit zwingen wird. Was sagst Du dazu? Jetzt hast Du ja genügend Stoff für Deine Spekulationen.“362 Hume sollte Recht behal-

_____ 356 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 244 (Book II.ii.41, p. 297: “But though the conduct of all those different companies has not been unexceptionable, and has accordingly required an act of parliament to regulate it; the country, notwithstanding, has evidently derived great benefit from their trade.”). 357 Mestmäcker (1978) S. 139, 169 f. 358 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 272 (Book II.ii.106, p. 329). 359 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 267 (Book II.ii.94, p. 324). 360 Stiglitz (2010). 361 Ross (1998) S. 351 f. 362 Corr.No. 131, p. 161, 163: “On the whole, I believe, that the Check given to our exorbitant and ill grounded Credit will prove of Advantage in the long run, as it will reduce people to more solid and less sanguine Projects, and at the same time introduce Frugality among the Merchants and Manufacturers: What say you? Here is Food for your Speculation.”; Hervorhebung nur hier.

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ten. Als Mitte 1772 eine große Londoner Bank zusammenbrach, griff die Panik derer, die dort Spareinlagen hatten, auch auf eine schottische Bank über, die in der Folge zahlungsunfähig wurde. Es war mutatis mutandis praktisch derselbe Marktmechanismus, der nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Bank ‘Lehmann Brothers’ zum Ausbruch der Weltwirtschaftskrise anno 2008 führte.

(3) Zwischenergebnis So kristallisierte sich in dieser Vereinfachung der vermeintlichen Falsifizierung der unsichtbaren Hand das landläufige Missverständnis dessen, was Smith im Sinne hatte.363 Der in jüngster Zeit zu vernehmende pauschale Befund, dass Adam Smith mit seiner invisible hand durch die Weltwirtschaftskrise widerlegt sei, ist von einer gewissen Eindimensionalität, weil er die moraltheoretische Fundierung und die von Smith vorausgesetzten notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen außer Betracht lässt,364 wie sich insbesondere an der einschränkenden Bedingung einer verantwortungsvollen Bankenregulierung zeigt. Hayek hat dafür den Begriff der ‚Katallaxie‘ geprägt; dieser meint „die besondere Art spontaner Ordnung, die vom Markt erzeugt wird, wenn sich die Leute an die Regeln des Eigentums-, Haftungs- und Vertragsrechts halten“.365 Damit kann er sich nicht nur nationalökonomisch, sondern auch moraltheoretisch auf Adam Smiths Regeln der Gerechtigkeit berufen.366

bb) Deismus und Gerechtigkeitsdefizit Ein weiteres mögliches Argument gegen die unsichtbare Hand betrifft der bereits wiederholt angesprochene Rekurs auf den Deismus,367 der bereits als gemeinsames Moment der Moralphilosophie und der Nationalökonomie er-

_____ 363 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 316 (TMS IV.1.10). Zutreffend Heinemann (1996) S. 10: „Die egoistische Verfolgung der eigenen Interessen, gemäßigt durch das in jedem Menschen angelegte soziale Gefühl der ‚Sympathie‘, wird durch eine ‘invisible hand’ so gesteuert, dass dadurch das Gemeinwohl am besten befördert wird“. 364 Hirsch (1976) S. 166, 178, legt die Annahme nahe, dass diese moraltheoretischen Prämissen bei der Verwirklichung des Systems der natürlichen Freiheit gewissermaßen außer Kraft gesetzt seien; dagegen zutreffend Brühlmeier (1988) S. 176 f. 365 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 260. 366 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 129 (TMS II.ii.3.4 pp.), 316 (TMS IV.1.10). 367 Vgl. auch Denis (1999) S. 71.

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kannt wurde.368 Gewiss meint Smith jedoch kein irgendwie geartetes göttliches Eingreifen in konkrete Wirtschaftsprozesse,369 sondern eher die Betonung einer in sich zweckmäßigen und funktional waltenden harmonischen Ordnung:370 „Als die Vorsehung die Erde unter eine geringe Zahl von Herren und Besitzern verteilte, da hat sie diejenigen, die sie scheinbar bei ihrer Teilung übergangen hat, doch nicht vergessen und nicht ganz verlassen.“371 Diese Stelle ist in der Theorie der ethischen Gefühle just vor derjenigen über die unsichtbare Hand angeordnet. In der Tat spricht einiges dafür, diesem systematischen Zusammenhang die Annahme zu entnehmen, dass die Theorie der unsichtbaren Hand einen gleichwie gearteten religiösen Glauben voraussetzt.372 Entgegen dem ersten Anschein geht es hier nicht so sehr um eine Art Theodizee, als vielmehr um die Betonung einer „Liebe zum geordneten Ganzen“, die – ähnlich der von Smith hochgeschätzten Philosophie der Stoa373 – den Seelenfrieden der Menschen begründet 374 und ihnen so ein inneres Gleichgewicht als Ausprägung der Gerechtigkeit verschafft:375 „der Bettler, der sich neben der Landstraße sonnt, besitzt jene Sicherheit und Sorglosigkeit, für welche Könige kämpfen“.376 Und auch im Wohlstand der Nationen steht der „Gleichmut in Geist und Seele“ neben anderen persönlichen Fähigkeiten wie der „Weisheit, Tugend, Klugheit und Gerechtigkeit“,377 also den Gaben, die seine Moraltheorie prägen.378 Hierin liegt einer jener für Smith bezeichnenden Zusammenhänge zwischen stoischer Moralphilosophie und den wirtschaftlich und rechtlich relevanten Spielregeln der Gesellschaft begründet, auf die schon Hayek aufmerksam gemacht hat: „Wie schon Adam

_____ 368 Eckstein (2004) S. XI f. 369 Aßländer (2007) S. 125. 370 Raphael (1991) S. 86 f.; West (1976) S. 210 f.; Trapp (1987) S. 300. 371 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 317 (TMS IV.1.10: “When Providence divided the earth among a few lordly masters, it neither forgot nor abandoned those who seemed to have been left out in the partition.”). Siehe zu der in der Textstelle genannten Vorsehung und ihrer Einfügung in die natürliche Ordnung Viner (1972). 372 Mathis (2009) S. 115, ebenfalls unter Rekurs auf die stoische Philosophie. 373 Siehe auch Waszek (1984) S. 591; allgemein dazu M. A. Stewart (1991) S. 273. 374 Seneca, De tranquillitate animi, 2, 3; Cicero, Cato Maior de Senectute 74; ders., De finibus, 3, 3. 375 Seneca, De brevitate vitae, 4, 2 ff. 376 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 317 (TMS IV.1.10: “the beggar, who suns himself by the side of the highway, possesses that security which kings are fighting for.”). 377 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 602 (WNBook V.i.b.5, p. 711: “wisdom, and virtue, of prudence, justice (…) and moderation of mind”). 378 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 401 (TMS VI.iii.1).

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Smith und sogar lange vor ihm die alten Stoiker verstanden hatten, ist der ganze Marktprozess am besten mit einem Spiel vergleichbar, das die Menschen langsam zu spielen lernten, weil jene Gemeinschaften, die es am eifrigsten spielten, prosperierten.“379 Jedoch könnte gerade das aus der Theorie der unsichtbaren Hand innerhalb der Nationalökonomie möglicherweise resultierende Ungleichgewicht und Gerechtigkeitsdefizit durch die Zugrundelegung in der Moralphilosophie ausgeglichen werden. 380 Dann bedürfte es keines fragwürdigen Deismus’, zumal da die Vorstellung einer hienieden bestehenden gerechten globalen Güterverteilung ersichtlich kontrafaktisch ist.381 Unter diesem Gesichtspunkt sei daher die entscheidende Passage der Theorie der ethischen Gefühle wiederholt: „Von einer unsichtbaren Hand werden sie dahin geführt, beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter zu verwirklichen, die zustandegekommen wäre, wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner aufgeteilt worden wäre; und so fördern sie, ohne es zu beabsichtigen, ja ohne es zu wissen, das Interesse der Gesellschaft und gewähren die Mittel zur Vermehrung der Gattung.“382 Hier wird nämlich die annähernd gleiche Verteilung der lebensnotwendigen Güter aller mitbedacht und so einer gewissen Grundversorgung Rechnung getragen.

cc) Moralphilosophie als Determinante der unsichtbaren Hand Auch die damit verwobene hypothetische Erwägung („die zustande gekommen wäre“) enthält einen Gedanken der Fairness, der an John Rawls’ Schleier des Nichtwissens (‘veil of ignorance’) erinnert383 und als solcher eine Nähe

_____ 379 Hayek (2004 b) GS B 2, S. 186, 195. 380 Myers (1976) S. 560, 564. 381 Küng (2010) S. 60: „Auf Erden besteht keine (früher der göttlichen Vorsehung zugeschriebene, heute aber in säkularer Form weiter tradierte) ‚natürliche‘ Harmonie oder ‚spontane‘ Ordnung, die unser Dasein und die ganze Gesellschaft trotz gelegentlicher Störungen zum Besten wenden und auf die sich letztlich auch das Wirtschaftssystem stützen könnte“. 382 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 316 f. (TMS IV.1.10: “They are led by an invisible hand to make nearly the same distribution of the necessaries of life, which would have been made, had the earth been divided into equal portions among all its inhabitants; and thus without intending it, without knowing it, advance the interest of the society, and affords means to the multiplication of the species.”). Hervorhebung nur hier. 383 Zu den fundamentalen Unterschieden allerdings Sen (2010) S. 159.

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zum kategorischen Imperativ erkennen lässt,384 die etwa auch der Figur des ‘impartial spectators’ mit Recht nachgesagt wird.385 Folgerichtig heißt es auch bei Rawls, der im Übrigen die Theorie der ethischen Gefühle weniger rezipiert, als man annehmen sollte:386 „Hume und Adam Smith nehmen gleichfalls an, dass die Menschen zu ähnlichen Überzeugungen kommen würden, wenn sie einen bestimmten Standpunkt, den des unparteiischen Beobachters, einnehmen würden.“387 Von diesem aus gesehen ist gerade der Zusammenhang, innerhalb dessen von der unsichtbaren Hand in der Theorie der ethischen Gefühle die Rede ist, dazu angetan, einer Berücksichtigung der Interessen der Armen gegen die Reichen das Wort zu reden: „Der Ertrag des Bodens erhält zu allen Zeiten ungefähr jene Anzahl von Bewohnern, die er zu erhalten fähig ist. Nur dass die Reichen aus dem ganzen Haufen dasjenige auswählen, was das Kostbarste und ihnen Angenehmste ist.“388 Zumindest der erste Satz könnte ebenso gut im Wohlstand der Nationen stehen, so dass sich schwerlich sagen lässt, zwischenzeitlich habe ein geistiger Umschwung in Adam Smith Denken stattgefunden.389 Über die Arbeit der Armen in den Palästen der Reichen sagt er zuvor: „Sie alle beziehen so von seinem Luxus und seiner Launenhaftigkeit ihren Teil an lebensnotwendigen Gütern, den sie sonst vergebens von seiner Menschlichkeit oder von seiner Gerechtigkeit erwartet hätten.“390 Im Schrifttum wird vereinzelt vorgeschlagen, in der unsichtbaren Hand einen Übergang von der Moralphilosophie zur Gesellschaftstheorie zu sehen. Aber dagegen spricht der Umstand, dass die unsichtbare Hand nicht nur im nationalökonomischen Hauptwerk, sondern eben auch in der Moraltheorie, ja sogar in Smiths Arbeit über die Astronomie begegnet.391

_____ 384 Rawls (1979) S. 159 ff. 385 Mathis (2009) S. 118. 386 Sen (2010) S. 164 f. Fußnote. 387 Rawls (1979) S. 164. 388 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 316 (TMS IV.1.10: “The produce of the soil maintains at all times nearly that number of inhabitants which it is capable of maintaining. The rich only select from the heap what is most precious and agreeable.”). 389 Vgl. aber Brentano (1877) S. 61. 390 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 316 (TMS IV.1.10: “all of whom thus derive from his luxury and caprice, that share of the necessaries of life, which they would in vain have expected from his humanity or his justice.”). 391 Trapp (1987) S. 138 unter Verweis auf T. D. Campbell (1971) S. 70, der jedoch nur Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 139 f. berücksichtigt, nicht aber die wichtige Stelle über die unsichtbare Hand. Siehe auch T. D. Campbell (1975) S. 68.

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Berücksichtigt man mithin die invisible hand im Sinne der Moralphilosophie als Determinante der unsichtbaren Hand im Sinne der Nationalökonomie Adam Smiths, dann kann der gegen sie erhobene Vorwurf der Verteidigung der Reichen gegen die Armen aufgehoben und möglicherweise sogar in sein Gegenteil verkehrt werden. Im Übrigen wurde im Schrifttum bereits gesehen, dass erst mit der Entstehung des Privateigentums bei Zugrundelegung der Smithschen Vierstadientheorie ein entsprechendes Sicherheitsbedürfnis der Bessergestellten entsteht.392 Ohnehin kann der Vorwurf nur bei flüchtiger Lektüre erhoben werden, etwa am Beispiel folgender Stelle, die sich aber bei näherem Hinsehen gegen eine gewaltsame Umverteilung wendet: „Der Arme darf niemals dem Reichen etwas stehlen oder veruntreuen, mag auch der Vorteil, der für ihn aus dem unrechtmäßigen Erwerb entstehen würde, weit größer sein als der Schaden, den der Verlust für den Anderen herbeiführen könnte.“393 Der Strafgrund liegt nicht in den materiellen Verhältnissen, die den Armen nicht exkulpieren, sondern er hat „durch dieses Vorgehen eines jener geheiligten Gesetze verletzt, von deren wenigstens leidlicher Befolgung die ganze Ruhe und der ganze Frieden der menschlichen Gesellschaft abhängt.“394

3. Außenhandelsgesetze und internationaler Handelsverkehr Weniger schillernd als die berühmte unsichtbare Hand ist die Problematik konkreter Ausprägungen gesetzlicher Eingriffe und deren Unterlassungen, der im Folgenden nachzugehen ist. Paradigmatisch ist die Frage, ob und inwieweit legislatorische Einschränkungen im Bereich des Außenhandelsrechts erforderlich sind oder den internationalen Handelsverkehr hemmen. Smith stellt die Problematik in einer gleichermaßen rechtsgeschichtlichen wie typisieren-

_____ 392 MacCormick (1981) S. 243, 251: “For once inequality of possession exists, there is the possibility of envy and resentment by the poor of the rich, who accordingly have to secure by some means their possessions against the depredations which are a permanent danger in such circumstances”. 393 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 204 (TMS III.3.6: “The poor man must neither defraud nor steal from the rich, though the acquisition might be much more beneficial to the one than the loss could be hurtful to the other.”). 394 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 204 (TMS III.3.6: “for having thus violated one of those sacred rules, upon the tolerable observation of which depend the whole security and peace of human society.”).

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den Weise dar, die in ihrer Methode durchaus bezeichnend für seine rechtstheoretische Vorgehensweise ist.

a) Gefahr des Lobbyismus’ im Gesetzgebungsverfahren Ausgangspunkt sind einmal mehr die Beschwerden der Kaufleute, denen Smith ein gesundes Misstrauen entgegenbringt, weil er hier beständig Eigeninteresse und Allgemeinwohl divergieren sieht: „Die Kaufleute, die etwas vom Außenhandel verstanden, trugen sie (sc. ihre Argumente) dem Parlament, dem Staatsrat, dem Hochadel und den Landedelleuten vor, alles Personen, die selbst wussten, dass sie nichts davon verstanden.“395 Hier offenbart sich wieder derselbe Mechanismus, der zu äußerster Zurückhaltung gemahnt: „Jedem Vorschlag zu einem neuen Gesetz oder einer neuen Regelung über den Handel, der von ihnen kommt, sollte man immer mit großer Vorsicht begegnen.“396 Die Gefahr, die von dieser Art des Lobbyismus’ ausgeht, hängt nicht zuletzt an der sachnahen Kenntnis der beteiligten Verkehrskreise, die Smith offenlegt:397 „Die Kaufleute waren zwar genau im Bilde, wie der Außenhandel den eigenen Wohlstand heben konnte, denn schließlich gehörte dies zu ihrem Geschäft. Nicht dazu gehörte indes die Einsicht, auf welchem Wege er zum Reichtum der Nation beiträgt.“ 398 Letzteres mussten die Nationalstaaten selbst im Blick halten, wenn sie dem Staatsbankrott entgehen wollten.399

b) Rechtstheoretische Bedeutung der unsichtbaren Hand Hier kündigt sich bereits der Mechanismus der unsichtbaren Hand an, den Smith entgegen der hier gewählten Reihenfolge erst später behandelt. Zu-

_____ 395 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 351 (Book IV.i.10, p. 434: “They were addressed by merchants to parliaments, and to the councils of princes, to nobles and to country gentlemen; by those who were supposed to understand trade, to those who were conscious to themselves that they knew nothing about the matter.”). 396 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 213 (Book I.xi.p.10, p. 267: “The proposal of any new law or regulation of commerce which comes from this order, ought always to be listened to with great precaution”). 397 Dazu Sen (2003) S. 150 ff. 398 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 351 (Book IV.i.10, p. 434: “The merchants knew perfectly in what manner it enriched themselves. It was their business to know it. But to know in what manner it enriched the country, was no part of their business.”). 399 Fikentscher (1983 a) S. 89; Mestmäcker (1984) S. 11; beide unter Berufung auf Adam Smith.

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gleich zeigt sich daran die rechtstheoretische Bedeutung der unsichtbaren Hand für den Wohlstand der Nationen. Denn wenn sie funktioniert, veranschaulicht sie zugleich, warum in bestimmten Fällen gesetzliche Eingriffe ungeeignet oder untunlich sind. Der Gesetzgeber wird dann in Kenntnis dieser Funktionsweise und ihrer Grenzen nicht mehr auf die interessegeleiteten Informationen der beteiligten Verkehrskreise angewiesen sein. Indem Smith aber gerade auf die begrenzte Beurteilungskompetenz der Kaufleute abstellt, die zwar wissen, was ihnen nutzt, nicht aber warum dies der Fall ist, legt er zugleich den rechtstheoretischen Kern seines Anliegens frei: „Eine solche Überlegung stellten sie (sc. die Kaufleute) immer erst dann an, wenn sie sich an die Öffentlichkeit wandten, um eine Änderung der Außenhandelsgesetze zu erreichen, denn aus diesem Anlass mussten sie ja etwas über die positiven Wirkungen des Außenhandels und natürlich über die Hemmnisse durch staatliche Eingriffe sagen.“400

c) Vorgebliche Hemmnisse durch staatliche Eingriffe Mit anderen, moderneren Worten: Expertenanhörungen im Gesetzgebungsverfahren werden ohne konkrete Kenntnis der genauen Wirkungszusammenhänge, die aber den daran Beteiligten typischerweise verschlossen bleiben, typischerweise dazu führen, dass sie ihr Credo – positive Wirkungen des Freihandels unter allen Umständen – und ihr ceterum censeo – wirtschaftsfeindliche Hemmnisse durch jegliche Form staatlicher Eingriffe – erneuern, und zwar durchaus mit Erfolg: „Den Richtern die darüber zu entscheiden hatten, schien die Behauptung sehr einleuchtend, der Außenhandel bringe Geld ins Land, nur würden die einschlägigen Gesetze verhindern, dass er so viel einbringt, wie es ohne sie der Fall wäre.“401 Es ist also die eigentümliche Mischung aus dem Wissen um den eigenen Vorteil und die Ignoranz seiner Gründe, welche die Kaufleute und Unternehmer als Berater des Gesetzgebers für Smith so problematisch macht, wie abermals seine in Erinnerung zu ru-

_____ 400 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 351 (Book IV.i.10, p. 434: “This subject never came into their consideration, but when they had occasion to apply to their country for some change in the laws relating to foreign trade. It then became necessary to say something about the beneficial effects of foreign trade and the manner in which those effects were obstructed by the laws as they then stood.”). 401 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 351 (Book IV.i.10, p. 434: “To the judges who were to decide the business, it appeared a most satisfactory account of the matter, when they were told that foreign trade brought money into the country, but that the laws in question hindered it from bringing so much as it otherwise would do.”).

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fenden Bedenken am Ende des ersten Buchs gegen ihren Gesetzgebungsvorschlag veranschaulichen: „Man sollte ihn auch niemals übernehmen, ohne ihn vorher gründlich und sorgfältig, ja, sogar misstrauisch und argwöhnisch geprüft zu haben, denn er stammt von einer Gruppe von Menschen, deren Interesse niemals dem öffentlichen Wohl genau entspricht, und die in der Regel vielmehr daran interessiert sind, die Allgemeinheit zu täuschen, ja, sogar zu missbrauchen.“402 Über die weiter oben zu dieser Textstelle angestellten Überlegungen hinaus kann man jetzt sagen, dass die Betonung nicht zuletzt auf dem unscheinbaren Wörtchen „genau“ (‘exactly’) liegt: Das Einzelinteresse der Unternehmer kann durchaus teilweise mit dem des Allgemeinwohls übereinstimmen und ihren Rat an die Adresse des Gesetzgebers sinnvoll erscheinen lassen, jedoch nur soweit beständig berücksichtigt und in jeder Einzelfrage von neuem kritisch geprüft wird, inwieweit die Interessen der Einzelnen und der Allgemeinheit divergieren, da sie eben niemals deckungsgleich sind.

d) Wirkliche Hemmnisse in Gesetzesform Die zuletzt angestellten Überlegungen sollen nicht den Eindruck erwecken, es gebe keine gesetzgeberischen Einschränkungen, die Smith für unvernünftig halten würde. Solche gibt es sehr wohl, und zwar im Rahmen der ihn besonders beschäftigenden Getreidegesetzgebung: „Ich kann dieses Kapitel über Prämien nicht ohne die Bemerkung abschließen, dass das Gesetz über die Ausfuhrprämie für Getreide und das ganze System von Eingriffen, das damit im Zusammenhang steht, das ihnen gezollte Lob überhaupt nicht verdienen.“403 Ohne auf die zeitgebundenen Einzelheiten dieser Materie einzugehen, soll es hier im Sinne des am Ende der Einleitung Vorgestellten im Wesentlichen um den rechtstheoretischen Kern gehen, der im Wege einer von den konkreten Regelungen abstrahierenden Betrachtung offenbart wird.

_____ 402 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 213 (Book I.xi.p.10, p. 267: “ought never to be adopted till after having been long and carefully examined, not only with the most scrupulous, but with the most suspicious attention. It comes from an order of men, whose interest is never exactly the same with that of the publick, who have generally an interest to deceive and even to oppress the publick.”). 403 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 435 (Book IV.v.b.1, p. 524: “I cannot conclude this chapter concerning bounties, without observing that the praises which have been bestowed upon the law which establishes the bounty upon the exportation of corn, and upon that system of regulations which is connected with it, are altogether unmerited.”); Hervorhebung nur hier.

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aa) Prinzipielle Unvorgenommenheit gegenüber handelshemmenden Gesetzen Interessant ist bereits im Ausgangspunkt, dass Smith erklärtermaßen den „Sinn und Zweck des Getreidehandels und der einschlägigen Gesetze“ untersucht.404 Das bestätigt den Befund, dass es ihm um eine teleologische Betrachtung der Gesetze unter Berücksichtigung der Besonderheiten und Sachgesetzlichkeiten zu tun ist, welche die zu regelnde Materie mit sich bringt. Er legt Gesetze also nicht abstrakt teleologisch aus, sondern fragt zugleich nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Merkantilsystems. Sein Vorverständnis im Rahmen der Auslegung ist also von vornherein ein ökonomisches, das jedoch die Rechtsgewinnung nicht zwangsläufig in eine bestimmte Richtung drängt und determiniert.405 Auch wenn Smith Gesetze, die den Handel hemmen, mit Argwohn betrachtet, lässt er sich doch von ihrer Sinnhaftigkeit überzeugen, wenn es vernünftige Gründe für das gesetzgeberische Einschreiten gibt.

bb) Widersinnigkeiten in der Gesetzgebung Insofern ist es auch kein Zufall, dass er eingangs von dem „System von Eingriffen“ gesprochen hat, worin eine unvoreingenommene Anerkennung mit der theoretischen Möglichkeit gesehen werden kann, dass es sich um ein geschlossenes Ganzes handelt, das zwar hier und da unwillkommene Folgen zeitigt, die aber im Sinne der inneren Folgerichtigkeit des gesetzlich eingeschlagenen Weges hinzunehmen sind. Eine solche, gleichsam geltungserhaltende Deutung der in Rede stehenden Getreidegesetze sieht Smith jedoch angesichts zahlreicher Ungereimtheiten in der gesetzlichen Regelung nicht.

(1) Monopolisierung und Marktbeherrschung Zunächst erörtert er die Möglichkeit einer Monopolisierung und stellt ihr den freien Handel gegenüber: „Doch ist es wohl kaum möglich, ein solch mächtiges Monopol für Getreide zu errichten, selbst mit der ganzen Macht des Gesetzes nicht.“406 Die geballte Macht des Gesetzes ruft das weiter oben zum Verhältnis von Recht und Macht in Erinnerung. Hier wird sie von Smith indes

_____ 404 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 435 (Book IV.v.b.1, p. 524: “the nature of the corn trade, and of the principal British laws which relate to it”). 405 Zum methodischen Hintergrund dieser Problematik allgemein Esser (1970). 406 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 437 (Book IV.v.b.1, p. 525: “But it is scarce possible, even by the violence of law, to establish such an extensive monopoly with regard to corn”).

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leicht pejorativ gebraucht; die Macht des Gesetzes ist nicht ihre teleologische Überzeugungskraft, sondern der Faktor der gewaltsamen Durchsetzung eines fragwürdigen Zwecks.407 Monopole für Getreide sind nach Smith aber schon deswegen unsinnig, weil es so viel und ständig Erneuerbares davon gibt, dass man selbst bei einem vollständigen Aufkauf großteils vernichten müsste, „um den Preis für den Rest hochzuhalten“.408 Auch in den Lectures on Jurisprudence wendet er sich kategorisch gegen Monopole: „Monopole vernichten den öffentlichen Reichtum.“409 An späterer Stelle des Wohlstands der Nationen, nämlich nachdem er die Absurdität der Getreidegesetzgebung nach den Regeln der Kunst dargestellt hat, nennt er die sinnvolle Alternative: „Ein Gesetz, das dem inländischen Getreidehandel wieder volle Freiheit gewähren würde, hätte wahrscheinlich den gleichen (sc. positiven) Erfolg, indem es die in der Bevölkerung verbreitete Angst vor einem Aufkauf des Getreides und einer Marktbeherrschung beseitigen würde.“410

(2) Schutzzweckdivergenz und materielle Gerechtigkeit Was aber Smith am meisten verdrießt, sind Widersinnigkeiten in der Gesetzgebung, die keinen einheitlichen Schutzzweck erkennen lassen, sondern bald Partikularinteressen dienen, bald dem Gemeinwohl zu dienen vorgeben: „Das bedeutete, dass man mit dem einen Gesetz das Allgemeinwohl im Lande fördern oder Getreide billig halten wollte, ohne recht zu wissen, wie das zu bewerkstelligen war. Mit dem anderen Gesetz meinte man eine einzelne Gruppe von Menschen (…) zu fördern, die, so nahm man an, durch ein Unterbieten des Herstellers ruiniert würden, wenn ihnen überall der Einzelhandel gestattet wäre.“411 Das System von Einschränkungen, das Smith im Ausgangspunkt

_____ 407 Zu diesem Problemkreis Derrida (1991); kritisch dazu Petersen (2010 a) S. 289, 295 ff. 408 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 437 (Book IV.v.b.1, p. 525: “in order to keep up the price of the rest.”). 409 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 193 (LJ(B) p. 231: “Monopolies also destroy public opulence.”). Eingehend zum Ganzen Heinemann (1996) S. 11 ff. 410 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 446 (Book IV.v.b.26, p. 534: “The law which should restore entire freedom to the inland trade of corn, would probably prove as effectual to put an end to the popular fears of engrossing and forestalling.”). 411 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 440 (Book IV.v.b.12, p. 529: “It meant by the one law to promote the general interest of the country, or to render corn cheap, without, perhaps, its being well understood how this was to be done. By the other it meant to promote that of a particular order of men (…) who would be so much undersold by the manufacturer, it was supposed, that their trade would be ruined if he was allowed to retail at all.”).

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wohlmeinend zur Diskussion gestellt hat, erweist sich sonach als wenig folgerichtig, weil gesetzgeberische Lenkungsmaßnahmen zum vermeintlichen oder vorgeblichen Wohl Aller keinen Sinn ergeben, wenn an anderer Stelle Sonderinteressen bedient werden. Die innere Widersprüchlichkeit solcher Maßnahmengesetze schlägt unweigerlich durch auf die materielle Gerechtigkeit: „Das Gesetz, das dem Hersteller in einem Gewerbe untersagte, ein Einzelhandelsgeschäft zu betreiben, suchte die Teilung im Kapitaleinsatz zu beschleunigen, während das Gesetz, das den Landwirt dazu verpflichtete, sich auch als Getreidekaufmann zu betätigen, diese zu verzögern trachtete. Beide Gesetze waren ganz offensichtlich ebenso unklug wie ungerecht. Es liegt nämlich niemals im Interesse eines Landes, Dinge dieser Art zu forcieren oder zu behindern.“412 Die individuelle Freiheit des Rechtsunterworfenen gegenüber einem vorgeblich besseren Wissen des Gesetzgebers zu wahren, ist ein zentrales Anliegen der Rechtstheorie Smiths.413 Hier zeigt sich in Reinkultur, was im bisherigen Verlauf der Untersuchung schon verschiedentlich zur Geltung kam. Auch wenn Smith etwas im Ergebnis für „ganz offensichtlich“ hält, ersetzt dies bei ihm niemals die gesetzessystematische und teleologische Begründung, sondern ergibt sich erst aufgrund dieser. Dass diese durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ergänzt wird, liegt in der Natur der Sache.414

cc) Ungeeignetheit gesetzlicher Regelungen Mit dem zuletzt Gesagten hängt das Urteil über die Geeignetheit einer gesetzlichen Regelung zusammen. Ungeeignete Gesetze sind für Smith per se unvernünftig und damit als nicht legitimationsfähige Eingriffe in die Freiheit des Einzelnen abzulehnen. Das konnte weiter oben bereits im Zusammenhang mit der Zinsgesetzgebung gezeigt werden. Es wird im Folgenden für die von Smith

_____ 412 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 442 (Book IV.v.b.16, p. 530: “The law which prohibited the manufacturer from exercising the trade of a shopkeeper, endeavoured to force this division in the employment of stock to go on faster than it might otherwise have done. The law which obliged the farmer to exercise the trade of a corn merchant, endeavoured to hinder it from going on so far. Both laws were evident violations of natural liberty, and therefore unjust; and they were both too as impolitick as they were unjust. It is the interest of every society, that things of this kind should never either be forced or obstructed.”). 413 Haakonssen (1981) S. 139: “At the same time this passage indicates the main target of Smith’s jurisprudential criticism in The Wealth of Nations, namely infringements of one of the most basic rights within private law, that of individual liberty”. 414 Ähnlich verhält es sich im Steuerrecht; vgl. Petersen (2002) S. 113.

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abgelehnte Getreidegesetzgebung weiter ausgeführt. Er veranschaulicht die Zweifelhaftigkeit der Gesetzgebung dadurch, dass er ihre widersinnigen Konsequenzen für den Fall einer Befolgung auseinandersetzt und damit die Getreidegesetze ad absurdum führt: „Die strikte Einhaltung dieser Gesetze hätte die Bevölkerung in Notzeiten wahrscheinlich in arge Bedrängnis gebracht, indes wurde der Vollzug in solchen Zeiten vorübergehend durch Verordnungen ausgesetzt, die für begrenzte Zeit die Einfuhr ausländischen Getreides gestatteten.“415 Spätestens diese Rechtsfolgenbetrachtung hätte zur Aufhebung des sinnwidrigen Gesetzes führen müssen, weil nunmehr eine weitere Regelung nötig wird, um eine überflüssige zu relativieren. Man fühlt sich an die taciteische Mahnung erinnert: „et corruptissima re publica plurimae leges“.416 Jedenfalls gelangt Smith zu dem treffenden Schluss: „Und gerade die Erfordernis solch vorübergehender Vorschriften beweist zu Genüge, wie ungeeignet das Gesetz war.“417 Befristete Gesetze haben für Smith den elementaren Mangel, dass sich in ihnen kein System verwirklichen lässt, das diesen Gedanken verdient, weil es eine Einheit und Folgerichtigkeit in der Rechtsanwendung einschließt:418 „Die befristeten Gesetze, durch die für begrenzte Zeit der Getreideexport verboten und die Einfuhrabgaben erhöht wurden, Maßnahmen, auf die Großbritannien so häufig zurückgreifen musste, zeigen zu Genüge, wie unzulänglich das ganze System war. Wäre es nämlich sinnvoll gewesen, hätte man nicht so häufig vor der Notwendigkeit gestanden, von ihm abzuweichen.“419 Es sind gerade die vorübergehenden Vorschriften, die für Smith keine Akzeptanz verdienen, wie die Erinnerung an eine bereits behandelte Stelle belegt, wonach sich der Gesetzgeber „allein von unveränderli-

_____ 415 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 447 f. (Book IV.v.b.34, p. 536: “The distress which, in years of scarcity, the strict execution of those laws might have brought upon the people, would probably have been very great. But, upon such occasions, its execution was generally suspended by temporary statutes, which permitted, for a limited time, the importation of foreign corn.”). 416 Tacitus, Annales, III 27. 417 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 448 (Book IV.v.b.34, p. 536: “The necessity of these temporary statutes sufficiently demonstrates the impropriety of this general one.”). 418 Canaris (1983) S. 7 ff.; Petersen (2009) S. 295. 419 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 450 (Book IV.v.b.38, p. 538: “The temporary laws, prohibiting for a limited time the exportation of corn, and taking off for a limited time the duties upon its importation, expedients to which Great Britain has been obliged so frequently to have recourse, sufficiently demonstrate the impropriety of her general system. Had that system been good, she would not so frequently have been reduced to the necessity of departing from it.”).

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chen und allgemein gültigen Grundsätzen in seinen Überlegungen leiten lassen sollte.“420

dd) Primat des Einzelnen gegenüber dem Gesetzgeber bei der Interessenwahrnehmung Legislatorische Handelshemmnisse sind demnach nicht per se verdammungswürdig, sondern allenfalls ipso iure, nämlich dann, wenn die Beschränkung durch das Gesetz selbst nicht erklärt werden kann, weil es ihr an innerer Folgerichtigkeit gebricht oder – was jedoch damit zusammen hängt – bei teleologischer Auslegung kein einheitlicher Schutzzweck auszumachen ist. Erst auf dieser rechtstheoretisch anspruchsvollen Grundlage, und nicht etwa unter Zugrundelegung eines pauschalen Verdikts, gelangt Smith dann zu einem klaren Ergebnis: „Der Gesetzgeber sollte es daher stets dem einzelnen selbst überlassen, seine Interessen wahrzunehmen, da dieser gewöhnlich besser in der Lage ist, die örtlichen Umstände zu beurteilen, als es der Gesetzgeber kann.“421 Dieses Argument ist uns bereits bei der Erörterung der unsichtbaren Hand begegnet, wo es hieß: „Der einzelne vermag ganz offensichtlich aus seiner Kenntnis der örtlichen Verhältnisse weit besser zu beurteilen, als es irgendein Staatsmann oder Gesetzgeber für ihn tun kann, welcher Erwerbszweig im Lande für den Einsatz seines Kapitals geeignet ist und welcher einen Ertrag abwirft, der den höchsten Wertzuwachs verspricht.“422 Leitsätze wie dieser und der zuvor dargestellte könnten in jeder Anthologie stehen und haben womöglich dazu geführt, dass Adam Smith mitunter sehr pauschal eingeordnet wurde, weil der Wille zur rechtstheoretischen Durchdringung seiner Prämissen mitunter nicht ersichtlich war. Diese ist jedoch zwingend erforderlich, weil man Smith ohne sie schwerlich gerecht werden kann. Denn in der Schlussfolgerung greift der Autor des Wohlstands der Nationen naheliegender- und sinnvollerweise zurück auf die ökonomische Begründung der sachnäheren Information des Einzelnen gegenüber dem ty-

_____ 420 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 382 (Book IV.ii.39, p. 468: “whose deliberations ought to be governed by general principles which are always the same”). 421 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 442 (Book IV.v.b.16, p. 531: “But the law ought always to trust people with the care of their own interest, as in their local situations they must generally be able to judge better of it than the legislator can do.”). 422 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 371 (Book IV.ii.10, p. 456: “What is the species of domestick industry which his capital can employ, and of which the produce is likely to be of the greatest value, every individual, it is evident, can, in his local situation, judge much better than any statesman or lawgiver can do for him.”).

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pischerweise schlechter informierten Gesetzgeber, die bereits verschiedentlich begegnete.423 Das Gerechtigkeitsurteil dagegen, wonach „beide Gesetze ganz offensichtlich ein Eingriff in die natürliche Freiheit waren“, fällt Smith erst auf der Grundlage einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung und Gewichtung der anerkennungswürdigen widerstreitenden und gesetzlich gewerteten Interessen.424 Ein Gesetz, das keinen teleologisch nachvollziehbaren Geltungsgrund für sich in Anspruch nehmen kann und die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit hemmt, verletzt zugleich die natürliche Freiheit: „Einen Landwirt daran zu hindern, seine Erzeugnisse jederzeit auf den günstigsten Markt zu bringen, heißt augenscheinlich außerdem, das allgemein gültige Gesetz der Gerechtigkeit einer Idee der Gemeinnützigkeit, einer Art Staatsräson, zu opfern. Es handelt sich um einen Akt gesetzgebender Gewalt, die nur in äußersten Notfällen ausgeübt werden sollte und auch nur dann entschuldbar ist.“425 Dieses allgemein gültige Gesetz der Gerechtigkeit ist jedoch für Smith naturrechtlich fundiert, wie er in seiner Theorie der ethischen Gefühle auseinandergesetzt hat.426

e) Zusammenhang zwischen Rechts- und Moraltheorie Auch hier lässt sich die innere Geschlossenheit des Wohlstands der Nationen innerhalb des Gesamtwerks und insbesondere im Verhältnis zur Moralphilosophie aufzeigen, die den ‘impartial spectator’ zur Instanz macht, welche die konfligierenden Interessen offenlegt und gewichtet. Zugleich zeigt sich, dass an seine Stelle im Wohlstand der Nationen der ‘impartial jurist’ tritt,427 der so zu einer rechtstheoretischen Instanz wird.

_____ 423 Zur Rolle der Information in den verschiedenen ökonomischen Theorien MayerSchönberger (2001) S. 10 ff.; Petersen (2005 b) S. 11 ff. 424 Siehe auch Brühlmeier (1988) S. 23: „Und ebenso wie (…) bei Adam Smith ist auch in der Interessenjurisprudenz der Interessenbegriff ein weiter“. Zu den gesetzlich gewerteten Interessen näher Petersen (2001) S. 25 ff. 425 Vgl. WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 451 (Book IV.v.b.39, p. 539: “To hinder, besides, the farmer from sending his goods at all times to the best market, is evidently to sacrifice the ordinary laws of justice to an idea of publick utility, to a sort of reasons of state; an act of legislative authority which ought to be exercised only, which can be pardoned only in cases of the most urgent necessity.”). 426 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 530 ff. (TMS VII.iii.2.3 pp.). 427 Kennedy (2005) S. 72 ff.

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aa) Smiths Vergleich von Getreidehandel und Religionsausübung Smith anerkennt Eingriffe in extremen Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei der in seinen Ausführungen vergleichsweise breit abgehandelten Getreidegesetzgebung.428 Wie sehr seine rechtstheoretischen Ausführungen mit seiner Moraltheorie zusammenhängen, beweist ein von Smith selbst angestellter Vergleich, der viel kühner wirkt als die Beziehung zwischen den rechtstheoretischen Ausführungen im Wohlstand der Nationen und der Theorie der ethischen Gefühle: „Vorschriften über den Getreidehandel lassen sich ganz allgemein mit Gesetzen über die Ausübung der Religion vergleichen.“ 429 Das erstaunt auf den ersten Blick, wird aber vor dem Hintergrund seines einheitlichen Freiheitsverständnisses verständlich und erklärt sich durch eine Erläuterung, die man eher in der Theorie der ethischen Gefühle erwartet hätte: „Alles, was die Existenz in diesem Leben und die Glückseligkeit im Jenseits angeht, liegt im ureigensten Interesse des Menschen, so dass eine Regierung seinen Wunschzielen und Vorurteilen Rechnung tragen und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe eine Ordnung einrichten muss, die von ihm gutgeheißen wird.“430 Dass Smith dies inmitten des Wohlstands der Nationen ausspricht, veranschaulicht abermals das Ineinandergreifen beider Hauptwerke.

bb) Utopie des „vernünftigen Systems“ Es geht also nicht nur um die schlichte Freiheit vom Staat, sondern auch um die Pflicht des Staates zur Herstellung gewisser institutioneller Mindestbedingungen im Rahmen der Religionsausübung. Einen effektiven institutionellen Schutz verlangen im Übrigen auch die Religionsgemeinschaften selbst vom Staat, wie Smith an späterer Stelle zu bedenken gibt: „So wandte sich der römisch-katholische Klerus an die zivile Behörde, damit sie die Protestanten verfolge, und so forderte auch die Kirche von England die Verfolgung der Dissidenten. Ganz allgemein sah sich jede religiöse Sekte, hatte sie einmal ein

_____ 428 Hierzu im zeitgenössischen Kontext Winch (1996) S. 205 ff.; zustimmend Griswold (2005) S. 128, Fußnote 21. 429 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 451 (Book IV.v.b.40, p. 539: “The laws concerning corn may every where be compared to the laws concerning religion.”). 430 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 451 (Book IV.v.b.40, p. 539: “The people feel themselves so much interested in what relates either to their subsistence in this life, or to their happiness in a life to come, that government must yield to their prejudices, and, in order to preserve the publick tranquillity, establish that system which they approve of.”).

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oder zwei Jahrhunderte die Sicherheit einer gesetzlichen Einrichtung genossen, nicht in der Lage, sich allein gegen irgendeinen neuen Glauben zu verteidigen, der ihre Lehre oder Ordnung anzugreifen entschlossen war.“431

(1) Immanente Grenzen des positiven Rechts An dieser Stelle lässt sich im Übrigen Smiths rechtstheoretisches Vorgehen erkennen, konkrete historische Beispiele zu einer abstrakten Einsicht zu verdichten. Dabei lässt er die Akzeptanz des positiven Rechts nicht außer Betracht, womit zugleich dessen Grenzen angesprochen sind, die sich ebenfalls am Beispiel der Religion aufzeigen lassen. So stellt er das Wunschziel „zu jener echten und vernünftigen Religion“ in Frage, „wie sie aber wohl niemals durch positive Gesetze eingeführt worden ist und wahrscheinlich auch niemals in irgendeinem Land eingeführt werden wird: denn was die Religion anlangt, so war das positive Recht immer dem Einfluss von volkstümlichem Aberglauben und Fanatismus mehr oder weniger ausgeliefert, und es wird auch stets so bleiben.“432 Diese immanente Grenze des positiven Rechts zeigt, dass die Rationalität des Rechts dort gestört ist, wo der Regelungsgegenstand Raum gibt für irrationale Infiltrationen.433 Eine im Smithschen Sinne vernünftige Gesetzgebung scheitert hier an den Sachgesetzlichkeiten und sollte daher gar nicht erst versucht werden, weil sie sich von vornherein als ungeeignet erweist.

(2) Ruhe und Ordnung – Freiheit und Sicherheit Smith macht keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der irdischen „Existenz in diesem Leben“ und der eschatologischen „Glückseligkeit im Jenseits“, sondern verbindet solche „Wunschziele“ mit dem polizeirechtlichen Erforder-

_____ 431 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 669 (Book V.i.g.9, p. 789: “It was thus that the Roman catholic clergy called upon the civil magistrate to persecute the protestants; and the church of England, to persecute the dissenters; and that in general every religious sect, when it has once enjoyed for a century or two the security of a legal establishment, has itself incapable of making any vigorous defence against any new sect which chose to attack its doctrine or discipline.”); Hervorhebung nur hier. 432 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 673 (Book V.i.g.8, p. 793: “that pure and rational religion (…) such as positive law has perhaps never yet established, and probably never will establish in any country: because, with regard to religion, positive law always has been, and probably always will be, more or less, influenced by popular superstition and enthusiasm.”). 433 Siehe auch Petersen (2008 a) S. 41 ff. am Beispiel Max Webers.

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nis des Staates, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Ruhe und Ordnung sind für Smith gleichbedeutend mit Freiheit und Sicherheit.434 In den Lectures on Jurisprudence sagte er nicht von ungefähr,435 dass der Gegenstand dessen, was er ‘justice’ nennt, „die Sicherheit der Gesellschaftsmitglieder vor Verletzung, vor allem ihres Eigentums“ darstellt.436 Smiths Forderung einer staatlichen Garantie zur freien Religionsausübung einerseits und der Herstellung öffentlicher Ordnung andererseits erinnert an das berühmte Wort Ernst-Wolfgang Böckenfördes, wonach der freiheitliche und säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht zu garantieren vermag. Böckenförde begründet seine Einsicht in einer vor dem Hintergrund des Freiheitsverständnisses und der Moraltheorie von Adam Smith aufschlussreichen Weise: „Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“437 Die damit vorausgesetzte Selbstregulierung der Freiheit auf der Grundlage der „moralischen Substanz des einzelnen“ kann sich durchaus auf Smiths Moraltheorie berufen. Smith jedenfalls ist das zugrunde liegende Dilemma früh klar gewesen: „Wahrscheinlich aus diesem Grunde finden wir so selten ein vernünftiges System, das diesen beiden vitalen Interessen gerecht wird.“438 Erneut ist es die Vernünftigkeit des Systems, also nicht der jeweiligen Einzelbestimmung, welche die Wechselbeziehung von Freiheit und Gerechtigkeit ausmacht.

_____ 434 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 330 „Ruhe und Ordnung und damit Freiheit und Sicherheit“ (Book III.iii.12, p. 405: “Order and good government, and along with them the liberty and security.”). 435 Näher Haakonssen (1981) S. 104 ff. 436 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 35 (LJ(A) i.1: “to prevent the members of a society from incroaching on one anothers property, or seizing what is not their own.”; LJ(B) p. 5: “the security from injury”). 437 Böckenförde (1976) S. 60. 438 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 451 (Book IV.v.b.40, p. 539: “It is upon this account, perhaps, that we so seldom find a reasonable system established with regard to either of those two capital objects.”).

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f) „Gesetze Solons“ Auch wenn Smith gesetzliche Eingriffe in die Wirtschaft grundsätzlich ablehnt, sieht er doch, dass die unbeschränkte Freiheit Fehlentwicklungen Vorschub leisten kann. Das gilt auch für das einzelne Gesetz, etwa einen gesetzlichen Erlass, von dem er im Wohlstand der Nationen sagt „dass er, wie es von den Gesetzen Solons heißt, zwar nicht der beste an sich ist, aber doch der beste, der zu erreichen war, wenn man Interessen, Vorurteile sowie Geist und Grundstimmung jener Zeit berücksichtigt.“439 Die Gesetze Solons zitiert Smith übrigens nicht nur im übertragenden Sinne, sondern er zieht sie in den Lectures on Jurisprudence auch durchaus praktisch heran.440 Die aus rechtstheoretischer Sicht komplementäre Stelle zu der soeben aus dem ökonomischen Hauptwerk zitierten Stelle findet sich jedoch nicht von ungefähr in der Theorie der ethischen Gefühle: „Wenn er das Recht nicht durchsetzen kann, wird er es nicht verschmähen, das Unrecht zu verbessern, sondern er wird wie Solon wenn er nicht das beste System von Gesetzen einführen kann, sich bestreben, doch das beste unter jenen Systemen einzuführen, die das Volk noch zu ertragen vermag.“441 Der vorderhand nur pragmatische Standpunkt erweist sich nicht zuletzt dadurch als moralisch und rechtsethisch fundiert, dass es von der Rücksicht auf das Gemeinwohl getragen ist.442 Die rechtstheoretische Implementierung soll dabei „das beste System von Gesetzen“ gewährleisten: keine noch so gut gemeinten Einzelbestimmungen, sondern ein großes Ganzes, dessen einzelne Regelungen aufeinander abgestimmt sind und ineinander greifen, um dem auf das Gemeinwohl gerichteten Grundanliegen Geltung zu verschaffen. Anders als manch libertinistischer Schwärmer war Smith gerade im Hinblick auf die Wirtschaftsgesetzgebung Realist. Er wusste um die interessengesteuerten Vorwände und Verbrämungen der wahren Gründe gesetzlicher Re-

_____ 439 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 454 (Book IV.v.b.53, p. 543: “we may perhaps say of it what was said of the laws of Solon, that, though not the best in itself, it is the best which the interests, prejudices, and temper of the times would admit of.”); zu Solon auch Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 55 (LJ(A) iv.74 pp.; LJ(B) p. 35). 440 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 133 (LJ(A) i.90 pp.; LJ(B) p. 156). 441 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 395 (TMS VI.ii.2.16: “When he cannot establish the right, he will not disdain to ameliorate the wrong; but like Solon, when he cannot establish the best system of laws, he will endeavour to establish the best that the people can bear.”). 442 Vgl. vor diesem Hintergrund auch die interessante Beobachtung von Mestmäcker (1978) S. 139, 144: „In diesen Schwerpunkten der Adam Smith Diskussion werden erkennbar die deutsche Neigung zur Moralphilosophie, die französische Neigung zum Rationalismus und die angloamerikanische Neigung zum pragmatischen Utilitarismus“.

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gelungen ebenso, wie er den jeweiligen Zeitgeist in Rechnung stellte. Vor allem konnte er die genannten Vorurteile, die sich im Gesetzeswerk niederschlugen, auf die jeweiligen ökonomischen Grundvorstellungen zurückführen. So fand er, dass ein bestimmtes Gesetz „auf jene groben und törichten Vorurteile zurückgeht, die letztlich vom Merkantilismus herrühren.“443 Das ist gewiss nicht sine ira et studio geschrieben,444 beweist aber jene Urteilskraft, die den Juristen ausmacht.

4. System der natürlichen Freiheit Adam Smith postuliert im Wohlstand der Nationen ein „einsichtiges und einfaches System der natürlichen Freiheit“ unter der Voraussetzung, dass „man daher alle Systeme der Begünstigung und Beschränkung auf(gibt).“445 Das so genannte System der natürlichen Freiheit besagt im Grundsatz wenig anderes als die Pflicht des Staates, den Einzelnen möglichst unbehelligt zu lassen: „Solange der einzelne nicht die Gesetze verletzt, lässt man ihm völlige Freiheit, damit er das eigene Interesse auf seine Weise verfolgen kann und seinen Erwerbsfleiß und sein Kapital im Wettbewerb mit jedem anderen oder einem anderen Stand entwickeln oder einsetzen kann.“446

a) Freiheitsbestimmung Hayek hat dieser Definition der Freiheit eine von ihm bevorzugte und charakteristischerweise an das Wissenselement anknüpfende zur Seite gestellt, wo-

_____ 443 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 464 (Book IV.vi.32, p. 555: “derives its origin from those vulgar prejudices which have been introduced by the mercantile system.”). Vgl. auch Fikentscher (1983 a) S. 89 mit Fußnote 6, wonach der Wohlstand der Nationen „entscheidend dazu beitrug, den Merkantilismus zu überwinden“. Wichtig auch Heinemann (2011) S. 38, der bei bestimmten faktischen Interventionen im Wirtschaftsrecht mit Recht die Gefahr der Verwirklichung des merkantilistischen Konzepts argwöhnt. 444 Vgl. Tacitus, Annales, I 1. 445 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 582 (Book IV.ix.51, p. 687: “obvious and simple system of natural liberty (…) All systems either of preference or restraint, therefore, being thus completely taken away”). Siehe dazu auch T. D. Campbell (1977) S. 523. 446 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 582 (Book IV.ix.51, p. 687: “Every man, as long as he does not violate the laws of justice, is left perfectly free to pursue his own interest his own way, and to bring both his industry and capital into competition with those of any other man, or order of men.”).

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nach Freiheit einen Zustand meint, „in dem jeder sein Wissen für seine Zwecke gebrauchen kann“.447 Diese Begriffsbestimmung vermeide gegenüber der von Smith verwendeten den Widerstreit zwischen Altruismus und Eigennutz, vor allem in Gestalt der von Smith gewiss nicht so gemeinten Selbstsucht.448 Wettbewerb kann auf diese Weise zu einem Entdeckungsverfahren werden.449 Allerdings ist Smiths Definition insofern aussagekräftiger, als sie ein – von Hayek freilich implizit geteiltes – Bekenntnis zur Bindung an Recht und Gesetz enthält, vorbehaltlich dessen die Wirtschaftsfreiheit garantiert ist. Dass der Einzelne möglichst unbehelligt wirtschaften können soll, bedeutet nicht unbedingt, dass der Markt insgesamt von jeder Regulierung befreit sein soll. Dagegen hatte sich Smith stets ausgesprochen und dafür die Kritik Benthams geerntet,450 der ihn brieflich aufforderte, den Markt sich selbst zu überlassen, was Smith jedoch unbeeindruckt ließ.451

aa) Zusammenhang mit der Moraltheorie Die einschränkende Bedingung, dass der einzelne die Gesetze nicht übertritt, versteht sich jedenfalls für den Leser der Theorie der ethischen Gefühle von selbst. Diese Einschränkung ist beinahe zugeschnitten auf die schöne Stelle, von der bereits die Rede war: „Wir können oft alle Regeln der Rechtlichkeit oder Gerechtigkeit dadurch erfüllen, dass wir still sitzen und nichts tun.“452 Dabei ist das System der natürlichen Freiheit natürlich genau das Gegenteil vom bloßen Nichtstun, weil der konkurrierende Erwerbsfleiß entscheidend zum Wohlstand beiträgt. Auch in der Theorie der ethischen Gefühle wollte Smith nichts weniger, als die Menschen zum Quietismus anleiten. Lediglich im Hinblick auf die Gesetzesverletzung lässt sich mit Fug sagen, dass ein bloßes Unterlassen genügt, dem Einzelnen im Übrigen völlige Freiheit zu garantieren: „Das natürliche Streben eines Menschen, seine Lebensbedingungen zu verbessern, ist, wird dafür gesorgt, dass es sich in Freiheit und Sicherheit

_____ 447 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 58, 296. 448 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 515 Anmerkung 158:7. 449 Hayek (2003 b) GS A 4, S. 132. Rechtsdogmatisch in diesem Sinne weiterführend Leenen (2011 a) S. 723, 729: „‚Entdeckungsverfahren‘ Methodik der Fallbearbeitung“. 450 Zum Verhältnis beider zueinander F. Hoffmann (1910) S. 483. 451 Sen (2009 a) S. xii: “Smith’s criticism of an unregulated market economy did not go unchallenged. (...) But (...) there is little evidence, despite Bentham’s expectations, that Smith wanted to revise what he said on the need for regulation”. 452 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 121 (TMS II.ii.1.9: “We may often fulfil all the rules of justice by sitting still and doing nothing.”).

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durchsetzen kann, eine so gewaltige Antriebskraft, dass sie allein und ohne jede Hilfe imstande ist, nicht nur ein Land zu Wohlstand und zur Blüte zu bringen, sondern auch hundert unsinnige Hindernisse zu überwinden, mit denen sich die Menschen in ihrer Torheit durch Gesetze nur allzuoft hemmen, und das, obwohl die Freiheit dadurch stets mehr oder weniger eingeschränkt oder ihre Sicherheit verringert wird.“453 Besondere Beachtung verdient hier das „natürliche“ Streben; es geht zurück auf den von Smith angenommenen Naturzustand,454 den er an einer früheren Stelle zugrunde gelegt hat, die in einem inneren Verweisungszusammenhang zu den soeben zitierten steht: „Hätten menschliche Eingriffe also niemals diesen natürlichen Lauf der Dinge gestört, so wären in jeder politischen Gemeinschaft der forcierte Wohlstand und das Wachstum der Städte nur eine normale Folge der Verbesserung in der Landwirtschaft, die gleichzeitig das Ausmaß der Entwicklung des ganzen Landes bestimmt hätte.“455 Dass hier das Recht unberücksichtigt bleibt, ist insofern folgerichtig, als Smith in den Lectures on Jurisprudence ebenso einleuchtend wie lapidar bemerkt, dass „es in Wirklichkeit keinen Sinn macht, sich über Gesetze und Eigentumsübertragungen im Naturzustand auszulassen, weil ja niemals ein solcher existiert hat.“456

bb) Unterschied zu Hobbes, Pufendorf und Mandeville Diese hypothetische Überlegung, die zunächst nicht mehr als eine Behauptung ist, geht nicht zuletzt von der Prämisse aus, dass „menschliche Eingriffe“ in diesem Sinne vor allem Gesetze sind, welche die Freiheit beschränken. Das natürliche Streben des Menschen und der natürliche Lauf der Dinge sind

_____ 453 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 452 (Book IV.v.b.43, p. 540: “The natural effort of every individual to better his own condition, when suffered to exert itself with freedom and security, is so powerful a principle, that it is alone, and without any assistance, not only capable of carrying on the society to wealth and prosperity, but of surmounting a hundred impertinent obstructions with which the folly of human laws too often incumbers its operations; though the effect of these obstructions is always more or less either to encroach upon its freedom, or to diminish its security.”). 454 Zum geistesgeschichtlichen Zusammenhang Medick (1973). 455 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 313 (Book III.i.4, p. 378: “Had human institutions, therefore, never disturbed the natural course of things, the progressive wealth and increase of the towns would, in every political society, be consequential, and in proportion to the improvement and cultivation of the territory or country.”). 456 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 34 (LJ(B) p. 3: “tho’ it in reality serves no purpose to treat of the laws which would take place in a state of nature, or by what means succession to property was carried on, as there is no such state existing.”).

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letztlich naturrechtlich fundiert. Das Naturrecht schaffte den Ausgleich, durch den der gesetzlose Zustand kein rechtloser war. Daraus erklärt sich auch Smiths Skepsis gegenüber Hobbes457 und „vielen seiner Anhänger“,458 namentlich Pufendorf und Mandeville.

(1) Mandevilles Bienenfabel Mandevilles Bienenfabel hat das Missverständnis geschürt, dass „der Allerschlechteste sogar, fürs Allgemeinwohl zuständig war“,459 was später gerne auf den Wohlstand der Nationen bezogen wurde, in Wahrheit aber von Smith abgelehnt wurde: „Es ist der große Trugschluss von Dr. Mandevilles Buch (Die Bienenfabel), dass es jeden Affekt als durchaus lasterhaft darstellt.“460 Diese Ansicht hatte Smith ja bereits vordem bekämpft, zumal da auch aus dem an sich unsozialen Affekt des Vergeltungsgefühls etwas Positives gedeihen könne.461 Er geht jedoch nicht so weit wie Mandeville, dass sich dies gleichsam von selbst in Handelsfleiß ummünzen lasse: „Es war für Dr. Mandeville leicht, zu beweisen (...), dass wenn es möglich wäre, dass sie (sc.: die vollständige Besiegelung der Affekte), dies für die Gesellschaft verderblich wäre, da es allem Handels- und Gewerbefleiß, ja, in gewissem Sinn sogar dem ganzen Getrieb des menschlichen Lebens ein Ende setzen müsste.“462 Hier finden sich interessanterweise innerhalb der Moralphilosophie typische Gedanken, die durchaus auch im Wohlstand der Nationen Platz gehabt hätten. Dass Smith sie jedoch hier und nicht dort anordnet, veranschaulicht, wie sehr es ihm in der Moraltheorie um die Grundlegung der ethischen Gefühle zu tun ist, aus der sich später alles andere systematisch ableiten lässt. Dadurch nämlich – so Smith – „schien er (sc. Dr. Mandeville) zu beweisen, dass die Laster des Ein-

_____ 457 Brühlmeier (1988) S. 150, differenziert in etwas anderem Zusammenhang, aber gerade im Hinblick auf Hobbes bezüglich der „Einreihung Smiths in die klassisch positivistische Rechtstheorie“. 458 Dazu Spengler (1978) S. 43. 459 Mandeville (1705), Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 510: „Über Systeme, welche jede sittliche Bindung aufheben“ (TMS VII.ii.4: “Of licentious systems“). 460 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 520 (TMS VII.ii.4.12: “It is the great fallacy of Dr. Mandeville’s book (Fable of the Bees) to represent every passion as wholly vicious”). 461 Siehe auch Horne (1981) S. 551. 462 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 521 (TMS VII.ii.4.12: “It was easy for Dr. Mandeville to prove (…) that, if it was to take place universally, it would be pernicious to society, by putting an end to all industry and commerce, and in a manner to the whole business of human life.”).

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zelnen Wohltaten für die Allgemeinheit seien, da ja ohne sie keine Gesellschaft gedeihen und blühen könne.“463

(2) Smiths Ablehnung Diese mit Bedacht trügerisch gehaltene Formulierung („schien“) illustriert bereits, wie wenig Smith einer solchen Ethik abgewinnen konnte. Er bekräftigt dies noch durch eine deutliche Zuordnung: „Dies ist das System Dr. Mandevilles, das einst so viel Aufsehen in der Welt machte, und das zwar vielleicht niemals mehr Laster veranlasst hat, als es auch ohne dasselbe gegeben hätte, das aber zumindest jene Laster, die aus anderen Ursachen entsprangen, gelehrt hat, mit größerer Frechheit aufzutreten und die Verderbtheit ihrer Beweggründe mit einer ruchlosen Kühnheit einzugestehen, wie man sie niemals zuvor gehört hatte.“464 Diese schneidende und stilistisch brillante Zurückweisung zeigt vollends, warum Smith den Gedanken in der Moralphilosophie aufgebracht und im Wohlstand der Nationen nicht erneut erörtert hat, weil es ihm nur um den Ursprung der Laster geht.465 Mögen diese auch in geringer Dosierung vielleicht einmal heilsam sein, so würde Mandevilles Prämisse doch ersichtlich in einen – nach Smiths stoischen Idealen immer verderblichen – Exzess münden, weil der ungehemmte Eigennutz in dieser Anschauung nur eine moralisch gleichfalls anstößige Rechtfertigung finden würde. So erklärt sich auch – und dies wurde wohl von vielen Autoren als entscheidendes Zugeständnis gegenüber Mandeville verstanden –, dass Smith allenfalls ein Körnchen Wahrheit, bei näherem Zusehen allerdings wohl nicht einmal dies, sondern eher ein Faszinosum,466 darin zu erblicken vermochte:467 „Wie

_____ 463 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 521 (TMS VII.ii.4.12: “he seemed to prove (…) that private vices were public benefits, since without them no society could prosper or flourish.”). Siehe auch Vogl (2011) S. 34. Treffend Fikentscher (1993) S. 71, 78: „Richtig veranstalteter Eigennutz garantiert Gemeinnutz. Umgekehrt ermöglicht Gemeinnutz Eigennutz“. 464 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 521 (TMS VII.ii.4.13: “Such is the system of Dr. Mandeville, which once made so much noise in the world, and which, though, perhaps, it never gave occasion to more vice than what would have been without it, at least taught that vice, which arose from other causes, to appear with more effrontery, and to avow the corruption of its motives with a profligate audaciousness which had never been heard of before.”). 465 Trapp (1987) S. 48: „Die (…) Anti-Ethik Mandevilles (…) wird daher (sc.: weil es eine ‚Einsicht in das Rechte gibt‘) abgelehnt“. 466 Aufschlussreich vor diesem Hintergrund bereits Montesquieu (1748, Üb. Forsthoff, 1992) Buch XIX Kapitel 8 S. 416: „Die Mode ist eine wichtige Sache: denn dadurch, dass

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verderblich aber auch dieses System zu erscheinen vermag, es hätte doch niemals eine so große Zahl von Personen zu täuschen vermocht, noch hätte es jemals unter denen, die Freunde besserer Grundsätze sind, eine so allgemeine Empörung hervorrufen können, hätte es nicht in gewissen Punkten an die Wahrheit gestreift.“468 Damit ist weder gesagt, dass just die Umwandlung des Eigennutzes in Gemeinschaftsnutzen zu diesen Punkten gehöre, noch, dass gerade darin auch nur ein Quentchen Wahrheit sei, weil es eben nur an diese streift und damit letztlich an ihr vorbeigeht.

(3) Intellektuelle Redlichkeit des Moralphilosophen Allerdings ist auch hier beeindruckend, wie Smith seine eigene Theorie in die Tat umsetzt und erkennbar bemüht ist, dem ihm widerstrebenden Ansatz Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.469 An seiner Begründung, die den nationalökonomischen Nutzen in keiner Weise aufgreift oder auch nur implizit zugesteht, könnten moderne Diskurstheoretiker und Verfechter kritischer Theorie ihre Freude haben: „Obwohl wir auch hier, wie aufmerksame Herren, die ihr Vertrauen auf einen Verwalter setzen, der sie betrügt, sehr stark der Gefahr ausgesetzt sind, hintergangen zu werden, so werden wir doch nicht imstande sein, einen Bericht hingehen zu lassen, der nicht den geringsten Anschein von Wahrheit besitzt. Einige seiner Angaben müssen wenigstens richtig sein und auch diejenigen, welche am meisten übertrieben sind, müssen doch eine gewisse Grundlage besitzen, sonst würde der Betrug schon durch die oberflächlichste Überprüfung, die wir etwa anstellen wollten, auf-

_____ man sich dem Leichtsinn ergibt, vermehrt man unaufhörlich seine Geschäftszweige.“ (Livre XIX Chapitre 8: „Les modes sont un objet important: à force de se rendre l’esprit frivole, on augmente sans cesse les branches de son commerce.“) – Der Bezug zu Mandeville ergibt sich aus der Fußnote 1, ebenda: „Siehe die Fabel von den Bienen“ („Voyez La Fable des abeilles“). 467 Plausibel Hayek (1969 b) S. 126, 129: „Wenn Dr. Hutchinson keine Vorlesung halten konnte, ohne die Bienenfabel zu attackieren, dürfen wir sicher sein, dass sein Hörer Adam Smith schon sehr bald nach ihr griff“. Siehe auch Hirschman (1987) S. 27: „Er nahm Mandevilles schockierendem Paradoxon die Schärfe, indem er ‚Leidenschaft‘ und ‚Laster‘ durch so milde Termini wie ‚Vorteil‘ oder ‚Interesse‘ ersetzte“. 468 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 522 (TMS VII.ii.4.14: “But how destructive soever this system may appear, it could never have imposed upon so great a number of persons, nor have occasioned so general an alarm among those who are the friends of better principles, had it not in some respects bordered upon the truth.”). 469 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 455 (TMS VII.ii.1.10 pp.).

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gedeckt werden.“470 Um der Wahrheitssuche willen und um der Theorie seines Gegners gerecht zu werden, nimmt er in Kauf, dass seine eigene Ablehnung weniger kompromisslos ausfällt und damit beim flüchtigeren Leser Missverständnisse schüren kann. Es zeichnet Smiths eigene intellektuelle Rechtschaffenheit aus, dass er selbst in den von ihm abgelehnten Standpunkten noch der Wahrheit nachspürt und dem Ideal des unparteiischen Zuschauers nacheifert.

(4) Mandeville in den Lectures on Jurisprudence Smith geht es hier letztlich um den Bestand der Gesellschaft auf einem gesicherten moraltheoretischen Fundament.471 Eine eher volkswirtschaftlich begründete Ablehnung Mandevilles findet sich in den Lectures on Jurisprudence: „Das ist die Grundlage von Dr. Mandevilles System, dass private Laster öffentliche Vorteile brächten: was im Lande verbraucht werde, werde bei uns verbraucht nichts davon gehe außer Landes. Es ist aber offensichtlich, dass die Nation am Ende des Jahres um so viel ärmer geworden ist, ähnlich einem der seinen Bestand abnützt und verbraucht, ohne sich in irgendeinem Gewerbe zu betätigen. Wenn er nur die Zinsen seines Kapitals ausgibt, so richtet er keinen Schaden an, da das Kapital weiter besteht und zur Förderung des Gewerbes verwendet wird; wenn er aber das Kapital verbraucht, ist das Ganze weg.“472 Hieran lässt sich ersehen, dass Smith ein und dasselbe wissenschaft-

_____ 470 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 523 (TMS VII.ii.14: “Though here too, like indolent masters who put their trust in a steward who deceives them, we are very liable to be imposed upon, yet we are incapable of passing any account which does not preserve some little regard to the truth. Some of the articles, at least, must be just, and even those which are most overcharged must have had some foundation, otherwise fraud would be detected even by that careless inspection which we are disposed to give.”). 471 Zutreffend Mathis (2009) S. 115: „Dieses Konzept erinnert an Mandevilles ‚Private Vices – Public Benefits’-These. (…) Im Gegensatz zu Mandeville will Smith jedoch nicht etwa lasterhaftes Verhalten rechtfertigen. Vielmehr vertraut er darauf, dass die Unvollkommenheit des Menschen die natürliche Ordnung nicht stören kann“. Siehe auch Hirschman (1987) S. 121. 472 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 216 f. (LJ(A) vi.169; LJ(B) p. 267: “This is the foundation of Dr. Mandevilles system that private vices are public benefits. What is spent at home is all spent among ourselves, none of it goes out of the country. But it is evident that when any man tears and wears and spends his stock, without employing himself in any species of industry, the nation is at the end of the year so much the poorer by it. If he spend only the interest of the money he does no harm, as the capital still remains and is employed in promoting industry, but if he spend the capital the whole is gone.”).

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liche Problem – hier die Richtigkeit der Einschätzung Mandevilles – im moraltheoretischen und wirtschaftswissenschaftlichen Kontext gleich behandelt und mit jeweils unterschiedlichen, aber rechtstheoretisch zusammenhängenden Prämissen auf die Probe stellt.

(5) Moraltheoretisches Fundament der Gesellschaft Um wie viel weniger hätte Smith wohl mit den Vorschlägen jener anfangen können, die seine unsichtbare Hand mit der Wirkungsweise des späteren Mephisto-Worts aus dem Ersten Teil von Goethes Faust gleichsetzen:473 „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“474 Diese vulgärtheoretische Gleichsetzung, die Mephistos Ironie außer Acht lässt, trifft allenfalls annäherungsweise das moraltheoretische Anliegen Smiths und karikiert eher den Grundgedanken Mandevilles,475 zumal da Smith immer auch den gesamtgesellschaftlichen Nutzen im Blick hatte.476 Entsprechendes gilt für das von George Schuster dem großen Ökonomen John Maynard Keynes zugeschriebene Bonmot, wonach Kapitalismus auf der erstaunlichen Annahme beruhe, dass die widerwärtigen Motive widerwärtiger Männer auf irgendeine Weise zum Gemeinwohl wirkten.477 Denn die Funktionsfähigkeit des kapitalistischen Systems steht und fällt nicht zuletzt mit dem System der Normen und damit auch einem funktionsfähigen Rechtssystem als institutioneller Garantie, wovon nicht zuletzt Smith überzeugt war.478 Smith zufolge wird der Mensch vielmehr „nicht durch irgendeine natürliche Neigung, die er zu seinen Gattungsgenossen hegt, dazu getrieben, in der Gesellschaft seine Zuflucht zu suchen, sondern weil er ohne die Hilfe der an-

_____ 473 Spiegel (1979) S. 112. 474 Vers 1335. Goethe hat sich im Alter sehr für Ökonomie interessiert, wie die KaiserhofSzene des Faust II illustriert, und auch Adam Smith gelesen; vgl. Schmidt (2001) S. 220 f. Siehe auch Hirschman (1987) S. 28: „Hier allerdings scheint der Gedanke, die ‚bösen‘ Leidenschaften auf konkrete Weise für das Gute nutzbar zu machen, völlig aufgegeben, die Transformation geschieht durch einen geheimnisvollen, wenn auch möglicherweise wohltätigen, Lauf der Welt“. 475 Zum Ganzen auch Binswanger (2005) S. 139 ff.; ders. (1998) S. 55. 476 Präziser Mathis (2009) S. 115, wonach zwar ebenfalls Gutes aus Bösem geschaffen wird, allerdings unter Rückgriff auf die Smiths geistige Provenienz besser beschreibende Stoa. Siehe auch Vogl (2011) S. 40. 477 Schuster (1951) S. 109 (“the astonishing belief that the nastiest motives of the nastiest men somehow or other work for the best results in the best of all possible worlds”); dazu Page (1953) S. 89. 478 Sen (2003) S. 312.

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deren unfähig ist, in Ruhe und Sicherheit sein Dasein zu fristen.“479 Die Ruhe und Sicherheit, von der hier die Rede ist, entspricht der Freiheit und Sicherheit in der zunächst zitierten Stelle aus dem Wohlstand der Nationen.480 Durch die Torheit menschlicher Gesetze verringert sich für Smith nicht nur die Freiheit, sondern auch die Sicherheit: „Zweitens wird die schlechte Politik (…) nicht durch allgemeine Freiheit und Sicherheit für die Bevölkerung ausgeglichen. Das Erwerbsstreben kann sich dort nicht ungehindert entfalten, (…) selbst wenn die Eingriffe in die Wirtschaft so vernünftig wären, wie sie zumeist widersinnig und töricht sind.“481 Insoweit weiß sich Smith wohl auch im Einklang mit Mandeville,482 der die Aufgabe der Regierung gleichfalls darin erblickt, die Regeln im Wege weitsichtiger Gesetzgebung festzulegen.483 Daher kann er Hobbes nicht zustimmen, dessen rechtstheoretischen Standpunkt er so zusammenfasst: „Die Gesetze der bürgerlichen Obrigkeit sollten deshalb als der einzige letzte Maßstab angesehen werden für das, was gerecht und ungerecht, oder was recht und unrecht ist.“484

cc) Naturrecht und Vernunft als Korrektive Demgegenüber gibt es für Smith das Naturrecht als wesentliches Korrektiv, das ihn im Wohlstand der Nationen an die Kraft des natürlichen Laufs der Dinge, die natürliche Freiheit glauben lassen kann. Deswegen war es so wichtig, weiter oben anhand der Theorie der ethischen Gefühle die Rolle der Vernunft darzulegen, die Smith, wie erinnerlich, so zusammenfasst: „Durch die Ver-

_____ 479 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 525 (TMS VII.iii.1.1: “man is driven to take refuge in society, not by any natural love which he bears to his own kind, but because without the assistance of others he is incapable of subsisting with ease or safety.”). 480 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 452 (Book IV.v.b.43, p. 540). 481 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 452 (Book IV.v.b.45, p. 541: “And secondly, this bad policy is not (…) counter-balanced by the general liberty and security of the people. Industry is neither free nor secure (…) even though their regulations of commerce were as wise as the greater part of them are absurd and foolish.”). 482 Etwas anders Viner (1958) S. 332 ff.; gegen ihn Hayek (1969 b) S. 126, 135 f. Mit Recht setzt Viner jedoch voraus, dass Smith kein unbedingter Verfechter des Laissez-faire war; Viner (1927) S. 198. Auch insoweit besteht demnach ein gradueller Gleichlauf zwischen Mandeville und Smith; vgl. Hayek (1969 b) S. 126, 137, wonach Mandeville „ebensosehr (oder ebensowenig) ein Verteidiger des laissez-faire war wie Adam Smith“. 483 Rosenberg (1963) S. 190, 193. 484 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 530 (TMS VII.iii.2.1: “The laws of the civil magistrate, therefore, ought to be regarded as the sole ultimate standards of what was just and unjust, of what was right and wrong.”).

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nunft entdecken wir jene allgemeinen Regeln der Gerechtigkeit, durch welche wir unsere Handlungen bestimmen sollen.“485 In diesem Sinne wurde dort auch festgestellt, dass damit die Vernünftigkeit zum Maßstab eines Gesetzes erhoben wurde und in die Handelsfreiheit eingreifende Gesetze niemals per se unvernünftig sind, sondern nur dann, wenn es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine teleologischen und systematischen Gründe gibt, welche dies rechtfertigen: „Insoweit scheint das Gesetz ein Fortschritt gegenüber dem alten System zu sein.“486 Unter diesem Gesichtspunkt der praktischen Vernunft wird verständlich, warum Hayek die von Smith (und Hume) vorausgesetzten Regeln der Gerechtigkeit, auf den Wirtschaftsverkehr bezogen, so formulierte: „Es war die schlichte Erkenntnis, dass verschiedene Personen für die gleichen Dinge verschiedene Verwendungen hatten und dass es oft beiden zum Vorteil ausschlug, wenn der eine dafür, dass er dem andern etwas gab, was der brauchte, etwas erwerben konnte, was der andere hatte. Dazu war es nur nötig, sich an Regeln zu halten, die festlegten, was jedem gehörte und wie solches Eigentum sich durch Zustimmung übertragen ließ.“487 Hayek brauchte sich dabei nicht einmal, wie man angesichts des vorausgesetzten ökonomischen Güteraustauschs in der Marktwirtschaft annehmen könnte, auf den Wohlstand der Nationen beziehen, sondern konnte sich unmittelbar auf Smiths Theorie der ethischen Gefühle berufen. 488 Erst vor diesem Hintergrund konnte Smith im Hinblick auf die wichtigsten menschlichen Interessen, seinen Wunsch nach Glückseligkeit und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, sagen: „Wahrscheinlich aus diesem Grunde finden wir so selten ein vernünftiges System, das diesen beiden vitalen Interessen gerecht wird.“489 Das vernünftige System (“reasonable system”) ist zugleich das System der natürlichen Freiheit.

_____ 485 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 532 (TMS VII.iii.2.6: “It is by reason that we discover those general rules of justice by which we ought to regulate our actions”). 486 Vgl. WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 453: „Insoweit scheint das Gesetz ein Fortschritt gegenüber dem alten System zu sein.“ (Book IV.v.b.50, p. 542: “So far this law seems evidently an improvement upon the antient system.”). 487 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 260. 488 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 129 (TMS II.ii.3.3). Hayek (2003 a) GS B 4, S. 542. 489 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 451 (Book IV.v.b.40, p. 539: “It is upon this account, perhaps, that we so seldom find a reasonable system established with regard to either of those two capital objects.”).

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b) Einschränkungen: Kompromisse nach Art der „Gesetze Solons“ Daher ist das System der natürlichen Freiheit als System vollkommener Gerechtigkeit für Smith letztlich etwas Utopisches.490 Was bei Smith die treibende Kraft ist, nämlich die Arbeit des Menschen im Interesse der Verbesserung seiner materiellen und sozialen Verhältnisse, ist zwar durchaus eine Grundbedingung für die Wirksamkeit des freien Spiels der Kräfte. Jedoch ist auch hier für Smith die Sympathie entscheidend, da das Urteil über die Gerechtigkeit des freien Markts nicht zuletzt davon abhängt, ob auf Seiten eines unparteiischen Zuschauers das Gefühl einer sympathetischen Entrüstung über den gegebenen Zustand entsteht,491 weshalb auch von einem System des „sympathetischen Liberalismus“ gesprochen wird.492 Karl Polanyi macht geltend, dass die Wirtschaft schließlich „nicht mehr in die sozialen Beziehungen eingebettet (ist), sondern die sozialen Beziehungen in das Wirtschaftssystem eingebettet sind.“493 Im Schrifttum ist zu bedenken gegeben worden, dass diese Einordnung mit ihrer moraltheoretischen Fundierung von den Ökonomen im Anschluss an Smith nicht mehr berücksichtigt worden sei,494 und, wie man hinzufügen muss: ganz entgegen der Intention dessen, auf den sie sich berufen.

aa) Allfällige Berücksichtigung der Moralphilosophie Smith hat in seiner Theorie der ethischen Gefühle die Gesetzgebung bewusst am Maßstab der Sympathie gemessen, auch wenn er betont, dass dies dort keine mitfühlende Parteinahme für die eine oder andere Seite ist: „Wenn die Gesetzgebung Prämien aussetzt oder andere aufmunternde Maßnahmen trifft, um die Leinen- oder Wollmanufaktur zu heben, so entspringt ein solches Vorgehen selten bloß aus Sympathie für diejenigen, welche teure oder billige Stoffe tragen, noch viel weniger aus Sympathie für die Fabrikanten und Kaufleute.“495 Vielmehr geht es einer solchen Subventionsgesetzgebung darum,

_____ 490 Griswold (2005) S. 128, 157; Ross (1998) S. 582. Zur Utopie in diesem Zusammenhang ebenfalls im vorletzten und letzten Kapitel. Siehe auch Griswold (1991) S. 213. 491 Griswold (2005) S. 128, 139. Siehe aus dem früheren Schrifttum auch Zeyss (1889). 492 Darwall (1999) S. 139. 493 K. Polanyi (1944) S. 88 f. 494 Küng (2010) S. 59. 495 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 317 (TMS IV.1.11: “When the legislature establishes premiums and other encouragements to advance the linen or woollen manufacturers, its conduct seldom proceeds from pure sympathy with the wearer of cheap or fine cloth, and much less from that with the manufacturer or merchant.”).

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den Handel auszubreiten, der im Zusammenhang mit der von Smith so genannten Vervollkommnung der Verwaltung zu einer harmonischen Ordnung im Gesamtsystem beiträgt: „Sie bilden einen Teil des großen Systems der Regierung und die Räder der Staatsmaschine scheinen mit ihrer Hilfe sich in größerer Harmonie und mit größerer Leichtigkeit zu bewegen. Es macht uns Vergnügen, die Vervollkommnung eines so schönen und großartigen Systems zu betrachten.“496 Von dieser Stelle war bereits weiter oben die Rede gewesen. Jetzt zeigt sich, dass auch ihr letztlich ein entsprechendes Konzept zugrunde liegt, wie dies im Wohlstand der Nationen der Fall ist, so dass von einem gleichwie gearteten geistigen Umschwung bei Smith keine Rede sein kann. Dabei wird nicht übersehen, dass es auch im Wohlstand der Nationen eine regelrechte Philippika gegen die Inhaber der Wollmanufakturen gibt, die jedoch nicht die Subventionsgesetzgebung betrifft, sondern Gesetzesvorschläge zur Förderung von Monopolen,497 die daher auch hier an anderer Stelle behandelt wurden. Das System der natürlichen Freiheit steht also in einem engen Zusammenhang zu seiner Konzeption des Gerechtigkeitssinns.498 Adam Smith hat durchaus die Grenzen des Marktes erkannt,499 so dass seine Ideen zur Gesetzgebung in rechtspolitischer und rechtstheoretischer Sicht auch heute noch von Interesse sind. Smith gibt dem Staat verschiedenes auf: Der Staat muss zuvörderst den Schutz nach außen sowie Recht und Ordnung im Innern gewährleisten, indem „jedes Mitglied der Gesellschaft soweit wie möglich vor Ungerechtigkeit oder Unterdrückung durch einen Mitbürger in Schutz zu nehmen“ (ist).500 Die weitere Anforderung an den Staat ist jedoch noch bemerkenswerter. Danach hat der Staat „die Pflicht, bestimmte öffentliche Arbeiten und Einrichtungen zu gründen und zu unterhalten, die ein einzelner oder eine kleine Gruppe aus eigenem Interesse nicht betreiben kann, weil der Gewinn ihre Kosten niemals decken könnte, obwohl er häufig höher

_____ 496 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 317 f. (TMS IV.1.11: “They make part of the great system of government, and the wheels of the political machine seem to move with more harmony and ease by means of them. We take pleasure in beholding the perfection of so beautiful and grand a system”). 497 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 546 f. (Book IV.viii.17, p. 647 pp.) 498 Griswold (2005) S. 128, 139, 142. 499 Stiglitz (1999) S. 168. 500 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 582 (Book IV.ix.51, p. 687: “the duty of protecting, as far as possible, every member of the society from the injustice or oppression of every other member of it”).

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sein mag als die Kosten für das ganze Gemeinwesen.“501 Im Schrifttum wird kontrovers diskutiert, ob es dabei um Gesichtspunkte der Nützlichkeit geht502 oder der (distributiven) Gerechtigkeit.503 Im Hintergrund steht hier die weitere Frage, ob sich der unparteiische Zuschauer in der Zeit weiterentwickeln könne.504

bb) Verfehlte Vereinnahmung In der Tat hat Adam Smith eine ganze Dimension des Staates vorausgesehen, die heute sehr zu Unrecht nicht mehr mit seinem Namen verknüpft wird, obwohl sie geradezu die Pointe seiner Konzeption ausmacht und ihre Berücksichtigung ihn vor einseitiger Vereinnahmung bewahrt. Das soziale Element der Marktwirtschaft, also die über die bloße Schutzfunktion hinausweisende Bestimmung des Staates, mitunter kurzfristige Wohlfahrtmaßnahmen einzuleiten, lassen spätere Ansätze, die Adam Smith für sich zu vereinnahmen suchen, als vergleichsweise eindimensional erscheinen.505 Recktenwald hat die Übereinstimmungen und Unterschiede wie folgt zusammengefasst:506 „Wie wir gesehen haben, hat die weitverbreitete, aber dennoch irrige Ansicht, Smith lehne im Grunde den Staat ab oder fordere ein Minimum öffentlicher Aufgaben, ihre Ursache in seiner prinzipiellen Verurteilung von Eingriffen in den Markt und in seiner tief verwurzelten Skepsis, was die Motive, mitunter auch die Kompetenz des Staates anlangt.507 Smith ist aber (…) kein Manchester-Liberaler, denn er war niemals ein unvernünftiger Doktrinär, der das Laissez-faire-Prinzip entstellt.“508 In demselben Sinne wird von anderer Seite zu bedenken gegeben, dass Smith zwar in der Tat keinem Manchester-Liberalis-

_____ 501 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 582 (Book IV.ix.51, p. 687 pp.: “the duty of erecting and maintaining certain publick works and certain publick institutions, which it can never be for the interest of any individual, or a small number of individuals, to erect and maintain; because the profit could never repay the expence to any individual or small number of individuals, though it may frequently do much more than repay it to a great society.”). 502 Griswold (2005) S. 128, Fußnote 22. 503 In diese Richtung Fleischacker (2004) Kapitel 10. 504 Dazu Griswold (2005) S. 128, Fußnote 44. 505 Monographisch dazu Andree (2003). 506 Recktenwald (2003) S. LXXVI; ders. (1978) S. 56. 507 Hervorhebungen auch dort; unter Verweis auf Robbins (1961); Stigler (1971) S. 265. 508 Hervorhebung nur hier; unter Verweis auf Gray (1948) S. 26. Siehe aus dem früheren Schrifttum auch Viner (1927) S. 198, der eine große Zahl von staatlichen Einflussnahmen herausgearbeitet hat, die nach Smith zulässig und erforderlich sind; ferner Cowen (1969) S. 30.

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mus das Wort redete, die diesbezügliche Vereinnahmung weiter Kreise aber „auf eine Schwachstelle seiner Philosophie hinweisen könnte: Das Gerechtigkeitsempfinden ist nicht so tief in der menschlichen Natur verankert, wie Smith angenommen hat.“509 Die Frage ist jedoch, ob dies wirklich eine Schwachstelle seiner Philosophie ist. Es ist eher die Nahtstelle zwischen der Rechts- und Moralphilosophie einerseits und der Nationalökonomie andererseits, die man angesichts des folgenden Satzes aus dem Wohlstand der Nationen auch anders einschätzen kann: „Das Gesetz verfolgt die Absicht, ihn (sc. einen Kaufmann) gänzlich zu ruinieren. Da aber das moralische Empfinden der breiten Schicht des Volkes noch nicht so verdorben ist wie das der Urheber dieser Anordnung, habe ich nie gehört, dass irgend jemand diese Klausel jemals zu seinem Vorteil ausgenutzt hätte.“510 Man sollte es Smith mit seiner Betonung des Gerechtigkeitsempfindens nicht als Schwäche auslegen und zum Nachteil gereichen lassen, dass er durch Unterstellung oder Ignoranz missverstanden wurde und dadurch letztlich selbst ungerecht rezipiert wurde. Zudem zeigt die zuletzt zitierte Stelle aus dem Wohlstand der Nationen, wie sehr das Werk auf die Theorie der ethischen Gefühle bezogen ist. August Onckens Fazit hat weit über ein Jahrhundert später wenig an Aktualität eingebüßt: „Mit einem Worte, es ist der lebendige, geistesmächtige Culturstaat, zu welchem das wirthschaftliche Denken unserer Tage wie aus der Verbannung in die Heimat zurückkehrt, nachdem ihm die staatlose Begriffswelt der Manchesterschule und des gesamten politischen Radikalismus unerträglich geworden ist“.511

5. Folgerungen Das Moment unerlässlicher Daseinsvorsorge wird bei denjenigen, die Adam Smith voreilig als rigorosen Markttheoretiker ins Feld führen, nicht selten außer Betracht gelassen, obwohl es für seinen Ansatz nachgerade konstitutiv ist. Daraus folgt, dass Adam Smith, dessen System der natürlichen Freiheit zugleich ein Utopia vollkommener Gerechtigkeit sein sollte, kein Vertreter

_____ 509 Streminger (1999) S. 105. 510 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 548 (Book IV.viii.20, p. 649: “the law means to ruin him compleatly. But as the morals of the great body of the people are not yet so corrupt as those of the contrivers of this statute, I have not heard that any advantage has ever been taken of this clause.”); Hervorhebung nur hier. 511 Oncken (1877) S. 276.

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eines solchen ungehemmten Wirtschaftsliberalismus’ war.512 Es stimmt also nicht, wie weithin angenommen wird, dass Adam Smith staatliche Interventionen von vornherein abgelehnt hat. Am Maßstab eines gesamtwirtschaftlichen Effizienzkriteriums ausgerichtet, lässt er Interventionen vielmehr zu, wobei diese typischerweise zeitlich begrenzt sind.

a) Vorrang von Gesetz und Recht Kaum jemand hat die für Smith feststehende Zulässigkeit staatlicher Interventionen durch Gesetze so deutlich hervorgehoben wie Hayek. Das landläufige Missverständnis, für das „die späteren Nationalökonomen ein Gutteil der Schuld an den Unklarheiten in diesen Dingen tragen“,513 verkennt den unbedingten Vorrang von Gesetz und Recht, den Adam Smith gegenüber der Politik anerkennt und dessen staatliche Durchsetzung ihm nicht einmal als staatliche Intervention erschienen wäre: „Das klassische Argument zugunsten der Freiheit in Wirtschaftsangelegenheiten beruht auf dem stillschweigenden Postulat, dass hier ebenso wie auf allen anderen Gebieten die Herrschaft des Gesetzes die Politik leiten soll.“514 Diese Prämisse teilte nämlich namentlich Adam Smith und stellt geradezu eine Bedingung für das Verständnis seiner Theorie dar: „Wir können die Natur der Opposition von Männern wie Adam Smith oder John Stuart Mill gegen staatliche ‚Intervention‘ nicht verstehen, wenn wir sie nicht vor diesem Hintergrund sehen.“515

b) Präzisierung des Tatbestands der Intervention Mit anderen Worten: Was nur zu häufig als inkriminierte staatliche Intervention begriffen wird, erfüllt für Smith diesen Tatbestand erst gar nicht, weil Freiheit – wiederum mit den Worten Hayeks – auch im Rahmen der Wirtschaftstätigkeit „Freiheit unter dem Gesetz bedeutet hatte, nicht das Fehlen

_____ 512 Griswold (2005) S. 128, 157; ebenso Solomon (2005) S. 251, 252 („Adam Smith, den man zwar in Wirtschaftskreisen als Vater einer mitleidlosen freien Marktwirtschaft schätzt, der aber besser als die Mutter (?!) aller Moraltheoretiker verstanden werden sollte, genauer gesagt, als der Theoretiker des moralischen Empfindens“; Hervorhebung auch dort). 513 Hayek (2005) GS B 3, S. 305. 514 Hayek (2005) GS B 3, S. 304; Hervorhebung nur hier. 515 Hayek (2005) GS B 3, S. 304; ders. (2002) GS A 5, S. 88, zur Tradition des common law, vor deren Hintergrund dies und das Folgende zu verstehen ist.

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jeglicher staatlicher Tätigkeit“.516 Man kann es daher auch so sehen, dass erst das Gesetz die Wirtschaftsfreiheit garantiert; gerade deshalb wird hier auch immer wieder betont, dass für Smith die in England verwirklichte Rechtsstaatlichkeit einen maßgeblichen Standortfaktor für die Wirtschaftsfreiheit darstellt. Unzulässige staatliche Intervention setzt für Smith daher überhaupt erst dort ein, wo die gesetzliche Einmischung jenen vom Staat abgesonderten Bereich betrifft, den Gesetz und Recht im Sinne des Einzelnen gerade gewährleisten sollen: „Die ‚Einmischung‘ oder ‚Intervention‘ des Staates, die jene Schriftsteller (sc. Smith und Mill) prinzipiell ablehnten, bedeutete daher nur den Eingriff in jenen privaten Bereich, den die allgemeinen Rechtsregeln schützen sollen“517 Diese Erläuterung Hayeks ist nicht zuletzt deswegen wesentlich, weil sie das aus dem angelsächsischen Rechtsdenken herrührende Begriffsverständnis weniger wörtlich als vielmehr sinngemäß übersetzt, indem die Willkürsphäre dahingehend abgegrenzt wird, dass insbesondere Smith den Privatbereich vor dem Staat abgeschirmt wissen will, solange und soweit der gesetzlich gewährleistete Schutz reicht. Das ist ersichtlich ein sehr viel engeres und präziseres Verständnis dessen, was gemeinhin als Smiths vorgebliches Verbot jeglicher Intervention des Staates apostrophiert wird. Der Staat darf also seinen Einfluss und seine Zwangsgewalt nicht dazu missbrauchen, irreguläre Zwecke einzelfallweise durchzusetzen, die nicht von den allgemeinen Gesetzen gedeckt sind.518

c) Prinzipielle Staatsbejahung Ebenso wenig trifft es zu, dass Smith den freien Markt einschränkungslos verteidigt.519 Adam Smith war keineswegs der Ansicht, dass der Staat sich den Angelegenheiten der Wirtschaft a limine enthalten müsse, sondern nur, dass es bestimmte Bereiche von Einflussnahmen und Maßnahmen gebe, die nicht durch vorgegebene oder vorgeschobene Ziele legitimierbar seien.520 Der Staat

_____ 516 Hayek (2005) GS B 3, S. 304; nicht von ungefähr überschreibt er das betreffende Kapitel „Wirtschaftspolitik im Rechtsstaat“. 517 Hayek (2005) GS B 3, S. 304. 518 Hayek verweist insoweit auf die Begriffsbestimmung des von ihm hochgeschätzten und der Propagierung illegitimer Freiheitsbeschränkungen unverdächtigen Mises (1929) S. 6: „Der Eingriff ist ein von einer gesellschaftlichen Gewalt ausgehender isolierter Befehl, der die Eigentümer der Produktionsmittel anders zu verwenden, als sie es sonst tun würden“. 519 Griswold (2005) S. 128. 520 Hayek (2005) GS B 3, S. 304 f.

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ist also weder überflüssig noch auf ein Mindestmaß zurechtgestutzt.521 Erst recht ist er kein notwendiges Übel, wie ihn Wilhelm von Humboldt versteht.522 An einigen Stellen erkennt man sogar eine prinzipielle Staatsbejahung: „Unser Staat ist nicht vollkommen, und manches könnte verbessert werden, aber er ist sicherlich ebenso gut, wenn nicht besser als der Staat unserer Nachbarn.“523 Smith wäre niemals auf die Idee gekommen, dass der Staat an sich das durch radikalen Abbau zu lösende Problem darstellt. Vielmehr gilt das, was der hier zitierte Übersetzer und profunde Kenner des Wohlstands der Nationen festgestellt hat: „Es kann also keine Rede davon sein, dass in seinem System der Staat überflüssig oder auf ein Minimum reduziert sei. Auch ist er für ihn keine leidige Notwendigkeit.“524 Welche Aufgaben es genau sind, die der Staat zu erfüllen hat, wie er den Schutz vor Ungerechtigkeiten garantieren und die Daseinsvorsorge ausgestalten muss, wird im Folgenden erörtert.

IV. Aufgaben und Befugnisse des Staates IV. Aufgaben und Befugnisse des Staates Am Ende des Vierten Buchs fasst Smith nicht nur sein System der natürlichen Freiheit zusammen, sondern formuliert auch die Aufgaben des Staates. Es sind dies die zuletzt angesprochenen Aufgaben des Schutzes seiner Bürger gegen kriegerische Angriffe von außen, die Pflicht, den einzelnen durch ein zuverlässiges Justizwesen vor Ungerechtigkeiten seiner Mitbürger zu schützen sowie die Pflicht „bestimmte öffentliche Anstalten und Einrichtungen“ zur Daseinsvorsorge zu gründen und zu unterhalten.525 Im Fünften Buch geht Smith diesen Aufgaben im Einzelnen nach, und zwar in fiskalischer Hinsicht, d. h. er fragt sich, für welche Aufgaben öffentliche Ausgaben entstehen kön-

_____ 521 Zum Verhältnis Markt und Staat Greschmann (1984) S. 114. 522 Humboldt (1851) Band 3 S. 212; dazu Petersen (2007 b) S. 7. Später findet sich die Gleichsetzung des Staates mit einem „notwendigen Übel“ etwa bei Popper (1956) These 1. 523 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 774 (Book V.ii.k.66, p. 899: “Our state is not perfect, and might be mended; but it is as good or better than that of most of our neighbours.”). 524 Recktenwald (2003) S. LXV. 525 Vgl. auch Mestmäcker (1978) S. 139, 155: „Ob die staatlichen Maßnahmen, die solche Ausnahmen (sc. der Staatsaufsicht über das Bankwesen oder die Errichtung eines öffentlichen Bildungswesens) in der Form eines Gesetzes ergehen, gibt jedoch keinen Aufschluss über das Verhältnis von Rechtsordnung und Wirtschaftsordnung. Ausschlaggebend ist dafür die andere Frage, welche Rolle dem Recht im Kernbereich der natürlichen Freiheiten zukommt, falls es dort überhaupt eine Rolle spielen sollte“.

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nen. Entsprechend diesem Aufbau sollen auch hier die beiden letztgenannten Aufgaben – die erste des Schutzes vor auswärtigen Kriegen kann außer Betracht bleiben – untersucht werden. Dass es sich hierbei um einen wesentlichen Teil der Rechtstheorie von Adam Smith handelt, hat dieser selbst im bereits weiter oben zitierten Vorwort zur sechsten Auflage seiner Theorie der ethischen Gefühle verdeutlicht, wo er einräumt, dass er das ursprünglich geplante Vorhaben einer umfassenden Theorie des Rechts möglicherweise nicht mehr werde ausführen können. Er hatte dort – wie erinnerlich – zunächst noch versprochen, „eine Darstellung der allgemeinen Prinzipien des Rechts und der Regierung zu geben, (…) nicht nur soweit es sich um die Rechtspflege handelt, sondern auch was die Verwaltung, die Staatseinkünfte, das Militärwesen und alle anderen Gegenstände der Gesetzgebung anbelangt.“526 Genau diesen Teil der Zusage betreffen diejenigen Abschnitte des Wohlstands der Nationen,527 die im Folgenden behandelt werden sollen. Mestmäcker macht zutreffend und gerade aus rechtstheoretischer Sicht weiterführend darauf aufmerksam, dass Adam Smith „nicht die politischen Institutionen und nicht das Verfahren der Gesetzgebung behandelt; wohl aber untersucht er die gesellschaftlichen Zusammenhänge zwischen Wirtschaftspolitik und Gesetzgebung. In dieser Begrenzung wird die Rechtstheorie ergänzt durch eine politische Theorie, welche die Konflikte zwischen der Macht gesellschaftlicher Gruppen und den Staatsfunktionen zum Gegenstand hat.“528 Die damit herausgearbeitete Funktion der politischen Theorie als Komplement der Rechtstheorie bildet auch für den vorliegenden Zusammenhang eine wichtige Weichenstellung. So konnte Smith mit unverkennbarer Zufriedenheit vermerken, dass er zumindest einen wesentlichen Teil der vorgenommenen Arbeit bereits ausgeführt hatte: „In der ‚Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Wohlstands der Nationen‘ habe ich dieses Versprechen zum Teil eingelöst, wenigstens insofern es sich um Verwaltung, Staatseinkünfte und Militärwesen handelt.“529

_____ 526 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 2 (TMS, Advertisement.2: “to give an account of the general principles of law and government (…) not only in what concerns justice, but in what concerns police, revenue, and arms, and whatever else is the subject of law.”). 527 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 587 ff. (Book V.i.a pp., p. 689 pp.). 528 Mestmäcker (1978) S. 139, 166; Hervorhebung nur hier. 529 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 2 (TMS, Advertisement.2: “In the Enquiry concerning the Nature and Causes of the Wealth of Nations, I have partly executed this promise; at least so far as concerns police, revenue, and arms.”).

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1. Einrichtung des Justizwesens Von rechtstheoretischer Bedeutung ist zunächst die von Adam Smith dem Staat auferlegte Einrichtung eines geordneten Justizwesens, damit der Einzelne durch eine funktionstüchtige Rechtspflege vor Ungerechtigkeiten Anderer geschützt ist. Spätestens mit der Begründung des Privateigentums ist dies eine essentielle Voraussetzung der Sicherheit, denn „nur unter dem Schutz einer staatlichen Behörde kann der Besitzer eines wertvollen Vermögens (…) auch nur eine einzige Nacht ruhig und sicher schlafen.“530 In den Lectures on Jurisprudence findet sich darüber hinaus die hellsichtige Beobachtung, dass „Eigentum und staatliche Herrschaft nämlich eng miteinander zusammenhängen: Die Erhaltung des Eigentums und der ungleiche Besitz gaben Anlass zur Einrichtung der Herrschaft, und die Eigentumsverhältnisse wechseln immer, wenn andere Herrschaftsformen gegeben sind.“ 531 Daher dient die Rechtspflege dem Gemeinwohl, was durchaus fiskalische Konsequenzen hat: „Auch von den Ausgaben für die Rechtspflege mag man ohne Zweifel annehmen, dass ihr Nutzen dem ganzen Gemeinwesen zugute kommt.“532

a) Rechtsgeschichtliche Entwicklung und moralische Überwindung Smith beginnt hier der Sache nach mit jener Vierstadientheorie,533 die auch in den Lectures on Jurisprudence verschiedentlich angedeutet und an einer sogleich zu besprechenden Stelle ausführlicher beschrieben wird,534 also dem Entwicklungsweg, den die Menschheitsgeschichte von den Jägern über die Hirten und die Agrikultur zum Handel zurückgelegt hat.535 Die Entwicklung

_____ 530 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 601 (Book V.i.b.2, p. 710: “It is only under the shelter of the civil magistrate that the owner of that valuable property (…) can sleep a single night in security.”). 531 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 40 f. (LJ(B) p. 11: “Property and civil government very much depend on one another. The preservation of property and the inequality of possession first formed it, and the state of property must always vary with the form of government.”). 532 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 694 (Book V.i.i.2, p. 814: “The expence of the administration of justice too, may, no doubt, be considered as laid out for the benefit of the whole society.”). 533 Kennedy (2005) S. 89 ff. (“four stages”) behandelt die Entstehungsgeschichte. 534 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 46 f. (LJ(A) i.4 pp., LJ(B) p. 19 pp.), S. 51 (LJ(B) p. 27); ferner Brühlmeier (1996) S. 21 f. 535 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 587 f. (Book V.i.a.2 pp., p. 589 pp.); S. 601 ff. (Book V.i.b.2, p. 709 pp.); S. 663 (Book V.i.f.51, p. 782 pp.).

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des Rechts und der politischen Ökonomie konvergieren also, wobei das positive Recht der Wirtschaft elementar zugehört.536 Rechts- und Wirtschaftsentwicklung verlaufen somit in einer wechselseitigen Abhängigkeit, indem die sich entwickelnden wirtschaftlichen Gegebenheiten zur Evolution des positiven Rechts führen und dessen allmähliche Verfeinerung wiederum eine Standortbedingung der Wirtschaft darstellt.

aa) Vierstadientheorie und Bedarf an Recht In den Lectures on Jurisprudence fasst Smith die Vierstadientheorie so zusammen: „Die vier Stadien der Gesellschaft sind Jagd, Weiden, Bauern und Handel.“537 Interessant ist das Modell, das er zur Veranschaulichung entwirft: „Angenommen, eine Anzahl von Personen strandet auf einer verlassenen Insel; ihr erster Lebensunterhalt kommt von den Früchten, die der Boden natürlich produziert und von den Tieren, die sie erlegen können.“538 Es ist jedoch nicht zuletzt der Faktor Nachhaltigkeit, der hier noch fehlt: „Weil das nicht für immer genügen kann, kommen sie schließlich dazu, einige der wilden Tiere so zu zähmen, dass sie diese immer zur Hand haben. Im Laufe der Zeit genügte auch dies nicht mehr, und als sie sahen, wie die Erde natürlich und von selbst viele Gemüse produziert, (…) entstand der Ackerbau, welcher ein beträchtliches Maß an Verfeinerung erheischt, bevor er zur Hauptbeschäftigung eines Landes werden kann. (...) Das Zeitalter des Handels folgte in natürlicher Weise auf den Ackerbau. Da die Menschen sich nun auf eine Arbeit beschränken, können sie den Überschuss des von ihnen bearbeiteten Gutes natürlich gegen etwas anderes, das sie benötigen, tauschen.“539 Man hat den darin zum

_____ 536 MacCormick (1981) S. 243, 251: “Thus it appears that in societies that have evolved beyond the stage of hunting and gathering, positive law is not so much a separate phenomenon brought into existence by the political economy as it is an intrinsic element of such economy.”. 537 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 127 (LJ(A) i.27; LJ(B) p. 149: “The four stages of society are hunting, pasturage, farming, and commerce.”). 538 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 127 (LJ(A) i.27; LJ(B) p. 149: “If a number of persons were shipwrecked on a desart island their first sustenance would be from the fruits which the soil naturaly produced, and the wild beasts which they could kill.”). 539 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 127 (LJ(A) i.27 pp.; LJ(B) p. 149 pp.: “As these could not at all times be sufficient, they come at last to tame some of the wild-beasts that they might always have them at hand. In process of time even these would not be sufficient, and as they saw the earth naturally produce considerable quantities of vegetables of it's own accord they would think of cultivating it so that it might produce more of them. Hence agriculture, which requires a good deal of refinement before it could become the prevailing

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Ausdruck kommenden Grundgedanken gern als genuine Eingebung Smiths angesehen, darf aber nicht übersehen, dass der hier gleichfalls aufscheinende Aspekt eines je nach Stadien der Menschheitsentwicklung in unterschiedlichem Ausmaß erforderlichen Rechtssystems bereits bei einem anderen Großen der Geistesgeschichte, nämlich Montesquieu, angelegt ist.540

bb) Montesquieu als geistiger Vorläufer Montesquieu hatte bereits zuvor in seinem epochalen Werk De l’esprit des lois die allgemeine Beziehung der Gesetze so beschrieben: „Die Gesetze stehen in sehr enger Beziehung zu der Art und Weise, wie die verschiedenen Völker sich ihren Unterhalt verschaffen. Ein Volk, das sich mit Handel und Schifffahrt befasst, braucht ein viel umfassenderes Gesetzbuch, als ein Volk, das sich damit begnügt, den Boden zu bestellen; und dieses wiederum ein größeres als ein Volk, das von seinen Herden lebt, und endlich dieses ein größeres als ein Jägervolk.“541 Wie sehr Smith gerade in seinen Vorlesungen über die Jurisprudenz von Montesquieu beeinflusst wurde, wissen wir von seinem frühesten Biographen.542 Es ist auch im Wohlstand der Nationen allenthalben zu beobachten.543 Während Smith die entwicklungsgeschichtliche Aszendenz der unverbindlichen Gemeinschaft der Jäger und Sammler zur modernen Handelsgesellschaft erörtert, ist dies gewissermaßen die konsequente Rückführung des Gedankens von Montesquieu, wenngleich sie unverkennbar von demselben Grundgedanken über dieselben Stadien getragen ist.

_____ employment of a country. (…) The age of commerce naturally succeeds that of agriculture. As men could now confine themselves to one species of labour, they would naturally exchange the surplus of their own commodity for that of another of which they stood in need.”). 540 MacCormick (1981) S. 243, 251 Fußnote 23 (“perhaps the original source of this idea, which was common among writers of the period”). 541 Montesquieu (1748, Üb. Forsthoff, 1992) Buch XVIII Kapitel 8 S. 386 (Livre XVIII Chapitre 8: „Les lois ont un très grand rapport avec la façon dont les divers peuples se procurent la subsistance. Il faut un code de lois plus étendu pour un peuple qui s’attache au commerce et à la mer, que pour un peuple qui se contente de cultiver ses terres. Il en faut un plus grand pour celui-ci que pour un peuple qui vit de ses troupeaux. Il en faut un plus grand pour ce dernier que pour un peuple qui vit de sa chasse.“). 542 D. Stewart (1795) S. 19: “the plan that seems to be suggested by Montesquieu; endeavouring to trace the gradual progress of jurisprudence, both public and private law, from the rudest to the most refined ages”. 543 Cooke (1935) S. 326, 328. Zu markanten Unterschieden Hirschman (1987) S. 18, 103 f. und vor allem S. 113, 116.

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Rechtssoziologisch betrachtet, wächst die Komplexität des Rechts und die notwendige Verrechtlichung mit der Dichte der möglichen Tausch- und Handelsbeziehungen. Smith hat Montesquieus Rückführung also zum Ausgangspunkt seiner Theorie gemacht und von deren frühestem Punkt, der rechtlichen Primitivität eines Jägervolkes eine Verdichtung der Rechtsbeziehungen im Verhältnis zum Anwachsen der Handelsbeziehungen ausgemacht.544 Die Interdependenz von rechtlicher und ökonomischer Komplexität eingehend gewürdigt zu haben, ist gewiss Smiths vorrangiges Verdienst, doch hatte auch hier Montesquieu wesentliche Vorarbeit geleistet.545 Hier zeigt sich abermals der bereits bei der Genese des Gedankens der unsichtbaren Hand dargestellte immense Einfluss von Montesquieus nicht nur rechtsphilosophischem, sondern auch rechtstheoretischem Hauptwerk auf Smith.

cc) Faktische Ungleichheit vor dem Gesetz Während Smith in den Lectures on Jurisprudence die jeweilige Aneignung auf ihre Rechtmäßigkeit mit dem aus der Moraltheorie vertrauten Maßstab eines unparteiischen Beobachters prüft, der den unterschiedlichen Aneignungsformen mehr oder weniger Sympathie entgegenbringt, untersucht er im Wohlstand der Nationen dabei jeweils, welchen Bedarf nach Rechtsprechung die jeweilige Form des Zusammenschlusses je nach ihren Herrschaftsformen erforderte. Es wäre übrigens eine lohnende Aufgabe, diese Herrschaftsformen mit Max Webers Typologie der Herrschaft, insbesondere der von ihm so genannten charismatischen zu vergleichen, wenn man etwa an folgende Stelle aus dem Wohlstand der Nationen denkt, wo Smith von der „Überlegenheit aufgrund persönlicher Fähigkeiten, so etwa der Stärke, Schönheit und Gewandtheit“ spricht.546 Das kann hier jedoch nicht vertieft werden.547

_____ 544 Brühlmeier (1988) S. 127 mit Fußnote 55, erinnert in anderem, aber thematisch ähnlichem Zusammenhang daran, dass „für die Denker der schottischen Aufklärung in der bewussten Aufnahme von Montesquieus Esprit des lois die Verbindung von Theorie und Geschichte geradezu Programm war“. 545 MacCormick (1981) S. 243, 251 Fußnote 23. 546 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 602: „Überlegenheit aufgrund persönlicher Fähigkeiten, so etwa der Stärke, Schönheit und Gewandtheit“ etc. (Book V.i.b.5, p. 711: “superiority of personal qualifications, of strength, beauty, and agility”); ebenso Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 41 f. (LJ(B) p. 12). 547 Siehe auch Brühlmeier (1988) S. 204, der in anderem Zusammenhang auf die Nähe zu Weber aufmerksam gemacht hat; ferner Petersen (2008 a) S. 7 ff. Wichtig Hirschman (1987) S. 139 zu Webers These über den Zusammenhang zwischen protestantischer Ethik und dem

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Die Ausführungen zum jeweiligen Bedarf an Rechtsprechung gehen mehr noch als im bisherigen Verlauf der Untersuchung rechtsgeschichtlich vor. So schildert Smith in Anlehnung an „die Geschichte aller europäischen Staaten“ anschaulich die Richterbestechung in früheren Zeiten: „So bekam jemand, der mit einem großen Geschenk in der Hand um Gerechtigkeit nachsuchte, in der Regel etwas mehr als Gerechtigkeit, während ein anderer, der dies mit einer kleinen Aufmerksamkeit erreichen wollte, gewöhnlich etwas weniger erhielt.“548 Gleichheit vor dem Gesetz war eine Illusion: „Selbst unter den besten Monarchen war sie (sc. die Gerichtsbarkeit) weit von einer gleichen und unparteiischen Rechtsprechung entfernt, unter den schlechtesten war sie einfach liederlich.“549 An anderer Stelle beweist Smith seinen Pragmatismus, der nach Art seiner Moralphilosophie den Blick für die inneren Beweggründe von Entscheidungsträgern und ihre Wirkung nach außen offenlegt: „Im Gegensatz hierzu waren in Rom die obersten Gerichte mit einem Einzelrichter oder einem Richterkollegium besetzt, dessen Ansehen und Prestige durch ein unbesonnenes und ungerechtes Urteil sicherlich stark beeinträchtigt werden konnten, zumal die Beratung stets öffentlich war.“550

dd) Unsoziale Affekte als Hüter der Gerechtigkeit Alle diese Gesichtspunkte der Rechtspflege müssen jedoch zu einem Gedanken zurückführen, den Smith abermals in der Moralphilosophie begründet hat.551 Wie erinnerlich entwickelt er dort die Idee, dass auch die von ihm so genannten unsozialen Affekte, wie namentlich das Vergeltungsgefühl, heilsame Wirkungen für die Allgemeinheit entfalten, sofern sie nicht in krankhaf-

_____ Geist des Kapitalismus: „Sie gab einer jener erstaunlichen unbeabsichtigten Wirkungen menschlichen Handelns (oder, in diesem Fall, menschlichen Denkens) Ausdruck, deren Entdeckung den Rang und höchsten Anspruch der Sozialwissenschaftler seit Vico, Mandeville und Adam Smith ausmachte“. 548 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 606 (Book V.i.b.16, p. 716: “The person, who applied for justice with a large present in his hand, was likely to get something more than justice; while he, who applied for it with a small one, was likely to get something less.”). 549 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 607 (Book V.i.b.15, p. 717: “far from being quite equal and impartial even under the best monarchs, and altogether profligate under the worst.”). 550 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 660 (Book V.i.f.44, p. 779: “At Rome, on the contrary, the principal courts of justice consisted either of a single judge, or of a small number of judges, whose characters, especially as they deliberated always in publick, could not fail to be very much affected by any rash or unjust decision.”). 551 Brühlmeier (1988) S. 136.; siehe auch ebenda, S. 211 ff., zur Bedeutung Adam Smiths für die Rechtsprechung.

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ter Weise im Übermaß vorhanden sind. Unter dieser Voraussetzung sind sie jedoch geeignet, gleichsam materielle wie prozedurale Gerechtigkeit zu verwirklichen: „Wenn man aber auch den Nutzen dieser Affekte für den Einzelnen zugeben mag – insofern sie es gefährlich machen, ihn zu beschimpfen oder zu kränken, und wenn auch ihr Nutzen für die Allgemeinheit nicht geringer sein mag, da sie (...) die Hüter der Gerechtigkeit und der Gleichheit in der Rechtspflege darstellen – so liegt doch in den Affekten selbst immer etwas Unangenehmes.“552 Die Pointe liegt ersichtlich im zweiten Teil der Parenthese: So ernüchternd der weiter oben referierte reale rechtsgeschichtliche Befund im Hinblick auf die Gleichheit und Gerechtigkeit in der Rechtspflege seit alters scheint, so wirksam kann das moralisch gezügelte Vergeltungsgefühl idealiter sein und mit dieser Beschränkung zur Gerechtigkeit und Gleichheit in der Rechtspflege beitragen.

b) Genese des Rechts Eine der Besonderheiten seiner Rechtstheorie besteht darin, dass sich Smith praktisch allen aufkommenden und mit dem Recht zusammenhängenden Fragen zuwendet. Er erörtert im ökonomischen Zusammenhang nicht nur die hohen Probleme der Verteilungsgerechtigkeit, sondern behandelt die Details in ihrer rechtshistorischen Entwicklung.553 Was seit jeher Probleme bereitet oder nur von daher erklärbar ist, muss im Einzelnen historisch aufgezeigt werden, um zu den allgemeinen Einsichten führen zu können.554 Daher ist seine Darstellung gerade der rechtlichen Gegebenheiten niemals kleinteilig, sondern immer auf die perspektivische Einsicht zugerichtet, wie Smith selbst einmal betonte:555 „Ich habe das Recht ganz unter dem grundsätzlichen Aspekt gelesen, wie die Justiz in den verschiedenen Epochen verwaltet wird, mich aber kaum um die Einzelheiten gekümmert.“ In den Lectures on Juris-

_____ 552 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 45 f. (TMS I.ii.3.4: “But though the utility of those passions to the individual, by rendering it dangerous to insult or injure him, be acknowledged; and though their utility to the public, as guardians of justice, and of equality of its administration, be no less considerable (…) yet there is still something disagreeable in the passions themselves”); Hervorhebung nur hier. 553 Brühlmeier (1988) S. 161, macht darauf aufmerksam, dass sich hier die “Economic Analysis of the Courts” andeutet; dazu Landes (1976) S. 249; Posner (1983). 554 Auch hier bewahrheitet sich die These von Haakonssen (1981) S. 2: “Smith’s jurisprudence integrates a history of law with an analysis of the forces which shape law, and both are presuppositions for the possibility of criticizing law.” (Hervorhebungen auch dort). 555 Im Folgenden zitiert nach Ross (1998) S. 342.

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prudence hält Smith es für „unumgänglich, dass die Beamten die Zeit und Arbeit für die Geschäfte des Staates erbringen, dafür entschädigt werden sollen.“556

aa) Gerechtigkeit durch staatliche Richterbesoldung Vor allem die Richterbezahlung wird damit zu einem evidenten Gerechtigkeitsproblem. Erst nachdem die Richter feste, vom Staat zu tragende Gehälter erhielten und damit keiner anderen Einkommensquelle mehr bedurften, trat eine Besserung ein, durch welche die Staatsfinanzen gleichwohl nicht übermäßig belastet wurden:557 „In jedem zivilisierten Land machen die Gehälter der verschiedensten Richter, ob hohe oder niedere, zusammen mit allen anderen Ausgaben für Verwaltung und Vollzug im Justizwesen, selbst wenn sie nicht gerade effizient geleitet werden, nur einen recht unbedeutenden Teil der gesamten Staatsausgaben aus.“558 Daran hat sich nicht viel geändert. Entscheidend ist auch die Berechenbarkeit der Besoldung, die nicht vom Belieben des Staates oder seiner momentanen Leistungsfähigkeit abhängen darf: „Ebenso sollte die regelmäßige Bezahlung seiner Bezüge nicht von dem Wohlwollen oder gar der wirtschaftlichen Lage dieser Macht abhängen.“559 Für einen wesentlichen Fortschritt in der Rechtskultur hält er, dass „jeder Richter bestrebt (ist), an seinem Gerichtshof möglichst schnell und wirksam Abhilfe zu schaffen, die das Gesetz für jede Art Unrecht zuließ.“560 Es überrascht nicht, dass Smith sich vor allem für das Gerichtskostenwesen interessiert. Die richtige Beantwortung fiskalischer Fragen bietet eine Gerechtigkeitsgewähr. Dem-

_____ 556 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 35 (LJ(B) p. 5: “necessary that the magistrate who bestows his time and labour in the business of the state should be compensated for it.”). 557 MacCormick (1981) S. 243, 260: “Fixed salaries are appointed to the judges to compensate them for the loss of other income, the salaries being payable out of general revenue from taxation”. 558 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 608 (Book V.i.b.19, p. 719: “The salaries of all the different judges, high and low, together with the whole expence of the administration and execution of justice, even where it is not managed with very good œconomy, makes, in any civilized country, not a very inconsiderable part of the whole expence of government.”). 559 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 612 (Book V.i.b.25, p. 723: “The regular payment of his salary should not depend upon the good-will, or even upon the good œconomy of that power.”). 560 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 610 (Book V.i.b.21, p. 720: “each judge endeavouring to give, in his own court, the speediest and most effectual remedy, which the law would admit, for every sort of injustice.”).

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entsprechend betont er in Verfahrens- und Zuständigkeitsfragen zugleich das „wirksamste Rechtsmittel.“561 Beschleunigung und Effektivität sind für ihn formelle Garanten die letztlich der materiellen Gerechtigkeit dienen.

bb) Gewaltenteilung Auch die Gewaltenteilung legt er als selbstverständlich zugrunde und erklärt sie – ebenso wie in den Lectures on Jurisprudence562 – zunächst rechtsgeschichtlich,563 wobei er die Legislative außen vor lässt, zumal er sie schon früher behandelt und stets als eigenständige Gewalt vorausgesetzt hat:564 „Scheinbar ist die Trennung von richterlicher und vollziehender Gewalt ursprünglich aus der starken Gewerbetätigkeit, ihrerseits eine Folge der fortschreitenden Entwicklung eines Volkes, entstanden.“565 Smith konnte hier auf Locke zurückgreifen,566 der bereits vor Montesquieu567 eine Trennung der Gewalten entwickelt hatte.568 Allerdings ist die direkte Quelle Smiths gleichwohl höchstwahrscheinlich Montesquieus bahnbrechendes Buch De l’esprit des lois gewesen, dessen Einfluss auf Smith ja bereits weiter oben verschiedentlich behandelt wurde.569 Smith sieht in der Teilung von exekutiver und rechtsprechender Gewalt zunächst ein Zeitproblem gelöst: „Da die mit der vollziehenden Gewalt betrauten Personen keine Zeit fanden, in Zivilstreitigkeiten selbst zu entscheiden, ernannte man hierzu einen Stellvertreter.“570 Auch hier ist aufschlussreich, wie Smith moderne Errungenschaften zunächst rechtsgeschichtlich erklärt. Er beginnt nicht mit der Beschwörung hoher Werte und Desiderate, sondern stellt zuvor die Entwicklung des Rechtswesens in der Zeit dar. Erst auf dieser Grundlage enthüllt sich für ihn der

_____ 561 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 610 (Book V.i.b.21, p. 721: “most effectual remedy”). 562 Vgl. Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 48 f. (LJ(A) i.9 pp., LJ(B) p. 22 pp.) 563 Hayek (2005) GS B 3, S. 232. 564 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 546 f. (Book IV.viii.17, p. 647 pp.). 565 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 611 (Book V.i.b.24, p. 722: “The separation of the judicial from the executive power seems originally to have arisen from the increasing business of the society, in consequence of its increasing improvement.”). 566 Locke (1698) II, 143. 567 Montesquieu (1748, Üb. Forsthoff, 1992) Buch VI Kapitel 2; Buch XI Kapitel 1–7, 20. 568 Möllers (2008) S. 25, dort auch zur geschichtlichen Entwicklung in England. 569 Brühlmeier (1988) S. 127 Fußnote 55, manifestiert dies vor allem am Beispiel der Gerichtsverfassung. 570 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 611 (Book V.i.b.24, p. 722: “The person entrusted with the executive power, not having leisure to attend to the decision of private causes himself, a deputy was appointed to decide them in his stead.”).

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Geltungsgrund: „Liegen Rechtsprechung und vollziehende Gewalt in einer Hand, lässt es sich kaum vermeiden, dass die Gerechtigkeit allzu häufig der, wie man grob sagt, Politik geopfert wird. Wem die Lebensinteressen des Staates anvertraut sind, der könnte es zuweilen als notwendig erachten, selbst ohne jede schlechte Absicht, die Rechte eines Privatmannes solchen öffentlichen Interessen zu opfern.“571 Die Gewaltenteilung sichert also auch und gerade den Einzelnen vor staatlicher Willkür sowie die effektive Durchsetzung der Ansprüche gegen seine Mitbürger, ohne dass er sich Gedanken über die Gewogenheit des Richters machen muss: „Will man dem einzelnen das Gefühl geben, er sei sich der eigenen Rechte völlig sicher, muss man einfach die vollziehende von der richterlichen Gewalt trennen und diese weitestgehend voneinander unabhängig machen.“572 Auf der Grundlage seiner rechtsgeschichtlichen Analyse – nach den „früheren Gesetzen in nahezu allen Ländern Europas“573 – sah Smith jedoch auch das Problem, dass eine Gewalt zu stark wird, wie er am Beispiel der französischen Exekutive verdeutlicht: „Mit fortschreitendem Despotismus zieht die Exekutive augrund ihrer Autorität nach und nach jede Macht im Staat an sich und maßt sich die Verwaltung aller Einkünfte an, die für irgendeine öffentliche Aufgabe bestimmt sind.“574 Abgesehen davon, dass dieses Problem auch nach der Revolution nicht gelöst wurde und wohl auch bis heute fortwirkt, interessiert hier vor allem die rechtstatsächliche Beobachtung, dass eine starke Verwaltung eine ebenso starke Fiskalverwaltung nach sich zieht – und dadurch noch mächtiger wird.

_____ 571 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 611 (Book V.i.b.25, p. 722: “When the judicial is united to the executive power, it is scarce possible that justice should not frequently be sacrificed to, what is vulgarly called, politics. The persons entrusted with the great interests of the state may, even without any corrupt views, sometimes imagine it necessary to sacrifice to those interests the rights of a private man.”). 572 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 612 (Book V.i.b.25, p. 723: “In order to make every individual feel himself perfectly secure in the possession of every right which belongs to him, it is not only necessary that the judicial should be separated from the executive power, but that it should be rendered as much as possible independent of that power.”). 573 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 617 (Book V.i.d.16, p. 728: “By the antient law (…) of most (…) parts of Europe”). 574 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 617 (Book V.i.d.16, p. 729: “In the progress of despotism the authority of the executive power gradually absorbs that of every other power in the state, and assumes to itself the management of every branch of revenue which is destined for any public purpose.”).

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c) Zwischenergebnis Die staatliche Garantie elementarer Grund- und Menschenrechte ist nicht minder wichtig für den Wohlstand der Nation als die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit,575 weil diese allenfalls dazu führen kann, dass Reichtum entsteht, während erst die Sicherheit vor Ungerechtigkeiten Anderer und die Freiheit von staatlicher Willkür die Aufrechterhaltung des Wohlstands gewährleistet: 576 „Die Sicherheit, mit der die Gesetze in Großbritannien jedem einzelnen garantiert, dass er die Früchte seiner Arbeit auch genießt, reicht allein schon aus, um ein Land, dieser und zwanzig anderer ebenso widersinniger Handelsvorschriften zum Trotz, aufblühen und gedeihen zu lassen.“ 577 Der tiefere Sinn dieser bereits zitierten Stelle aus dem Vierten Buch, offenbart sich also erst mit Blick auf das Fünfte Buch. Die vielen Einzelheiten, die Smith über die Geschichte des englischen Gerichtswesens zu berichten weiß, können hier nicht wiedergegeben werden, veranschaulichen aber in der Gesamtschau das, was bereits im bisherigen Verlauf der Untersuchung immer wieder festzustellen war, nämlich eine empirische Methode durch umfängliche Analyse der Rechtstatsachen.

2. Errichtung und Erhaltung öffentlicher Einrichtungen Bei der Pflicht zur Errichtung und Erhaltung bestimmter öffentlicher Einrichten geht es nach Smith nicht nur um eine Aufgabe, sondern sogar um eine regelrechte Eingriffsbefugnis des Staates gegenüber dem Einzelnen. Hayek hat dies in einen größeren Zusammenhang gestellt, indem er die dem Staat zugewiesenen Aufgaben zur Gewährleistung eines funktionstüchtigen Wettbewerbs folgendermaßen in Beziehung gesetzt hat: „Die Schaffung von Bedingungen, unter denen der Wettbewerb den größtmöglichen Nutzen stiftet, seine Ersetzung in Fällen, in denen kein echter Wettbewerb möglich ist, die Bereitstellung von Leistungen, die, um mit Adam Smith zu reden, ‚zwar der

_____ 575 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 322 (Book III.ii.14, p. 392). 576 Prägnant Brühlmeier (1988) S. 178: „Mit Rechtsgleichheit, rechtlichem Gehör und einem geregelten Prozessrecht mit richterlichem Spruchzwang können die positiven Anforderungen an den Smithschen Rechtssicherungsstaat nochmals auf einen Nenner gebracht werden“. 577 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 452 (Book IV.v.b.43, p. 540: “That security which the laws in Great Britain give to every man that he shall enjoy the fruits of his own labour, is alone sufficient to make any country flourish, notwithstanding these and twenty other absurd regulations of commerce”).

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Gesellschaft als Ganzem höchst nützlich, doch der Art sind, dass sie für einen einzelnen oder eine geringe Zahl von einzelnen nicht rentieren‘ – das alles sind Aufgaben, die in der Tat ein weites und unumstrittenes Gebiet für die Betätigung des Staates darstellen. Kein vernünftiger Mensch kann sich ein Wirtschaftssystem vorstellen, in dem der Staat ganz untätig ist“578. Diesen Satz kann man an die Adresse derer richten, die sich auf Adam Smith oder Hayek als vermeintliche Staatsverächter berufen. Besonders wichtig ist Smith der Bildungsbereich,579 woran sich im Übrigen abermals die außerordentliche Aktualität und Modernität des Ansatzes zeigt.580 Auf den ersten Blick erscheint die Eingriffsintensität hier nicht nennenswert zu sein, geht es doch um Bildungsleistungen, die der Einzelne vom Staat empfängt. Bei näherer Betrachtung können sich an die Ausbildung aber auch Zulassungsbeschränkungen knüpfen. Zumindest im Hinblick auf diese ist die innere Folgerichtigkeit des Smithschen Ansatzes zu überprüfen.

a) Befugnis zum staatlichen Zwang Um dem Analphabetentum vorzubeugen, regt Smith an, dass möglichst viele in den Stand gesetzt werden sollen, das Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen: „Mit nur geringem (sc. finanziellen) Aufwand kann der Staat fast der gesamten Bevölkerung diese Schulausbildung erleichtern, sie dazu ermutigen, ja sogar dazu zwingen.“581 Letzteres ist ein evidenter Eingriff in die Smith sonst so heilige natürliche Freiheit, und doch gerechtfertigt, weil der Schulpflicht keine anerkennungswürdigen Interessen des Einzelnen gegenüberstehen.582 Der mitwirkende Paternalismus ist deswegen unbedenklich, weil dem Eingriff in die persönliche Freiheit Bildungschancen entsprechen, die gerade für denjenigen erst die Zugangsbedingungen schaffen, unter denen der freie Wettbewerb faktisch überhaupt nur zustande kommt. So handelt es sich letztlich um die Erfüllung einer Schutzpflicht des Staates, die eine Stelle der Theorie der ethischen Gefühle in Erinnerung ruft, von der bereits im Zu-

_____ 578 Hayek (2004 a) GS B 1, S. 37. 579 Grundlegend dazu Hollander (1973) S. 258 ff. 580 Siehe auch Stigler (1971) S. 265. 581 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 665 (Book V.i.f.54, p. 785: “For a very small expence the publick can facilitate, can encourage, and can even impose upon almost the whole body of the people, the necessity of acquiring those most essential parts of education.”); Hervorhebung nur hier. 582 Näher Freeman (1969) S. 1.

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sammenhang staatlicher Schutzpflichten die Rede war: „Von allen Pflichten eines Gesetzgebers erfordert jedoch vielleicht gerade diese den größten Takt und die größte Zurückhaltung, wenn der Gesetzgeber sie in richtiger und verständiger Weise erfüllen will.“583 Diesen Maßgaben entspricht der Eingriff in die Freiheit des Lernunwilligen durchaus. Die Frage ist nur, ob der Gesetzgeber noch weiter gehen darf, wie Smith meint: „Er (sc. der Staat) kann schließlich der gesamten Bevölkerung fast ohne Ausnahme auferlegen, dass jedermann die wichtigsten Grundlagen dieser Erziehung erlernt, indem er ihn zu einer Prüfung darüber verpflichtet, oder eine Approbation verlangt, ehe er in die Zunft aufgenommen werden kann oder in einem Dorf oder in einer Stadtgemeinde ein Gewerbe betreiben darf.“584

b) Legitimer Paternalismus Der offenkundige Paternalismus, der hier mitschwingt, scheint allem zuwider zu laufen, was Smith an anderer Stelle gerade der Freiheit des Einzelnen überantworten wollte, und zwar gerade bei bestimmten beruflichen Zulassungsbeschränkungen.585 Gleichwohl ist dies kein Widerspruch.586 Denn dort ging es vor allem um lange Lehrzeiten, die nicht notwendigerweise mit einer wirklichen Befähigung der ihnen Unterworfenen korrespondieren: „Lange Lehrzeiten sind ganz einfach unnötig.“587 Gesetzliche Beschränkungen der Lehrzeit sind daher schlicht ungeeignet und deshalb unvernünftig. Für ungeeignete und unvernünftige Regelungen kann es jedoch keine Befugnis des

_____ 583 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 120 (TMS II.ii.1.8: “Of all the duties of a law-giver, however, this, perhaps, is that which it requires the greatest delicacy and reserve to execute with propriety and judgment.”). 584 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 665 (Book V.i.f.57, p. 786: “The publick can impose upon almost the whole body of the people the necessity of acquiring those most essential parts of education, by obliging every man to undergo an examination or probation in them before he can obtain the freedom in any corporation, or be allowed to set up any trade either in a village or town corporate.”). 585 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 104 ff. (Book I.x.c.6 pp., p. 136 pp.). Siehe auch Eidenmüller (2011) S. 814; Kirste (2011) S. 805. 586 Hier gilt das, was in ähnlichem Zusammenhang bemerkt wurde von Devine (1977) S. 399, 407: “Undoubtely, here Smith uses prudence to balance efficiency with liberty and justice”. 587 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 107 (Book I.x.c.16, p. 139: “Long apprenticeships are altogether unnecessary.”).

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Staates geben, in die natürliche Freiheit einzugreifen. Das Natürliche und das Vernünftige wirken hier also ineinander.588 Demgegenüber geht es bei den staatlicherseits auferlegten Prüfungs- und Approbationspflichten um etwas wesentlich anderes: Hier soll nicht eine bestimmte Dienstzeit geleistet und nachgewiesen werden, innerhalb derer sich schließlich jeder individuell unterschiedlich gut oder schlecht gebildet haben kann, sondern ein attestierter Lernerfolg. Während besonders Befähigte in vergleichsweise kurzer Zeit erfolgreich sein können und dann durch die Lehrzeit zum dienenden Abwarten verdammt wären, kann es sich bei minder Begabten so darstellen, dass sie auch am Ende einer noch so langen Lehrzeit keine hinreichende Qualifikation besitzen würden, gleichwohl aber ein Handwerk ausüben dürften, wenn es keine staatliche Reglementierung gäbe. Smiths Abneigung gegen lange Lehrzeiten wurzelt also in einem nachvollziehbaren Individualismus.

c) Gefahrenabwehr und Verkehrsschutz Zugleich wird deutlich, dass es letztlich um eine gesetzlich typisierte Form der Gefahrenabwehr im Interesse des Verkehrsschutzes geht. Es ist eben vernünftig, dass Tätigkeiten gesetzlich reglementiert werden, durch die Dritte zu Schaden kommen können, sei es, dass sie gesundheitliche Schäden erleiden, sei es, dass sie eine minderwertige Gegenleistung infolge des Unvermögens des Anbieters erhalten. Das widerspricht aber nicht dem weiter oben zugrunde Gelegten,589 sondern veranschaulicht im Gegenteil die Einheit und Folgerichtigkeit des Smithschen Ansatzes. Denn zur Gefahrenabwehr ist, wie erinnerlich, auch etwa die gemeinschaftliche Verpflichtung zum Bau einer Brandmauer gerechtfertigt, mag sie auch noch so sehr in die persönliche Freiheit des Einzelnen eingreifen.

3. Erhebung von Steuern Während es im bisherigen Verlauf dieses Abschnitts um öffentliche Ausgaben ging, betreffen die Steuern die Einnahmequellen des Staates. Obwohl die Steuerpflicht einen Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen bedeutet, begründet Smith die Steuerpflicht als solche nicht, sondern setzt sie

_____ 588 Allgemein dazu Spaemann (1987). 589 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 105 f. (Book I.x.c.6 pp., p. 136 pp.).

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als selbstverständlich voraus. Nur in den Lectures on Jurisprudence sieht er ausdrücklich „den Ursprung der Steuern“ darin, dass für die Beamtenbesoldung und für die „Begleichung der Staatsausgaben (…) eine Kasse errichtet werden (muss).“590 Das ist jedoch kaum mehr als die Mitteilung des Finanzbedarfs. Auf welche Weise hingegen die Begründung der Steuerpflicht im Wohlstand der Nationen geschieht, ist aufschlussreich und illustriert seine rechtstheoretische Methode.

a) Legitimation der Besteuerung Die immanente Begründung der Steuerpflicht dürfte also darin liegen, dass er zunächst den notwendigen Aufwand des Staates abgesteckt hat, der nicht anders als durch Steuern zu decken ist:591 „Die Bürger eines jeden Landes sollten eigentlich zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben soweit als möglich im Verhältnis zu ihren Fähigkeiten beisteuern, was bedeutet, dass sich ihr Beitrag nach dem Einkommen richten sollte, das sie jeweils unter dem Schutz erzielen.“592 Der Höhe nach sind die Steuern somit begrenzt und dürfen den Erwerbsanreiz nicht mehr als nötig mindern, wie Smith auch in den Lectures on Jurisprudence klargestellt hat, wonach die Steuern des Volkes „Fleiß, das Hauptanliegen in der Betrachtung, weder vermindern noch behindern sollten.“593

aa) Formale Begründung: Finanzierung des Aufwands In zwei unscheinbaren Wendungen der zitierten Formulierung aus dem Wohlstand der Nationen liegt die genannte Legitimation der Steuer: Zunächst wird sie zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben erhoben. Darin schwingt eine gewisse Teleologie mit, indem Steuern ganz schlicht dazu da sind, dem Staat die erforderlichen Einnahmen zu verschaffen: „Die angemessene Durchführung dieser Ausgaben des Souveräns setzt notwendigerweise (!) einen be-

_____ 590 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 35 (LJ(B) p. 5: “for defraying the expences of government some fund must be raised. Hence the origine of Revenue.”). 591 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 587 ff. (Book V.i.a pp., p. 689 pp.). 592 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 703 (Book V.ii.b.3, p. 825: “The subjects of every state ought to contribute towards the support of the government, as nearly as possible, in proportion to their respective abilities; that is, in proportion to the revenue which they respectively enjoy under the protection of the state.”). 593 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 35 (LJ(A) i.6: “to do this with the least loss or hindrance to the industry of the people, which ought to be the chief thing in view.”).

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stimmten Aufwand voraus, der wiederum Einnahmen in bestimmter Höhe erforderlich macht, um die Kosten zu decken.“594 So simpel dies klingt, ist es doch für die Auslegung des Steuerrechts generell von Bedeutung, weil es den Stellenwert der systematischen und teleologischen Auslegung von Steuergesetzen betrifft: Wenn die Einnahmenerzielung alleiniges Ziel ist, haben darüber hinausgehende teleologische Argumente praktisch keinen Platz mehr bei der Auslegung.595 Smith scheint hier der ganz nüchternen Ansicht zuzuneigen, dass der einzige Zweck die Einnahmenerzielung darstellt, denn er beurteilt Steuern ganz allgemein „nach Absicht des Gesetzgebers“.596 Allerdings ist auch mit dem Aufwand des Staates als formalem Geltungsgrund der Steuer eine Verantwortung verbunden, die den Staat gleichsam die Argumentationslast für die Besteuerung tragen lässt: „Eine Steuer, die auf Unverständnis stößt, ist eine große Versuchung zur Hinterziehung. Je größer diese nun ist, desto schärfer müssen auch die Strafen sein. Im Gegensatz zu den Grundsätzen der Gerechtigkeit, wie sie allenthalben üblich sind, veranlasst das Gesetz erst die Versuchung, um dann die zu bestrafen, die ihr erliegen.“597 Wenn also gesetztes Steuerrecht in einem eklatanten Gegensatz zu den naturrechtlich eingefärbten ‚Grundsätzen der Gerechtigkeit‘ steht, dann sympathisiert der unbeteiligte Betrachter, um es bewusst in der Diktion der Theorie der ethischen Gefühle auszudrücken, mit dem Steuerhinterzieher. So lautet die formale Begründung der Steuer, dass der Staat damit den als notwendig und erforderlich erkannten Aufwand decken darf und ihm somit ein Teil des erzielten Einkommens zusteht. Hierin liegt im Übrigen kein Begründungsdefizit der ökonomischen Theorie Smiths, sondern vielmehr eine Konsequenz seines in sich harmonischen Aufbaus, den er deshalb bereits am Ende des Vierten Buchs vorausschauend skizziert hat.598

_____ 594 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 582 (Book IV.ix.52, p. 688: “The proper performance of those several duties of the sovereign necessarily supposes a certain expence; and this expence again necessarily requires a certain revenue to support it.”). 595 Näher zum Ganzen und den im Einzelnen vertretenen Auffassungen Petersen (1999) S. 33 ff. Grundlegend Utz (1993); siehe auch dens. (2011). 596 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 703 (Book V.ii.b.1, p. 825: “it is intended”). 597 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 705 (Book V.ii.b.6, p. 826 pp.: “An injudicious tax offers a great temptation to smuggling. But the penalties of smuggling must rise in proportion to the temptation. The law, contrary to all the ordinary principles of justice, first creates the temptation, and then punishes those who yield to it”). 598 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 582 f. (Book IV.ix.52, p. 687 pp.).

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bb) Materielle Begründung: Gegenleistung für den Schutz Außerdem ist für die Rechtfertigung von Steuern der Relativsatz von Bedeutung. Besteuert wird das Einkommen der Bürger, das sie jeweils unter dem Schutz des Staates erzielen. Wenn der Staat seine Schutzpflichten erfüllt, die ihm dem Einzelnen und „der Gesellschaft als Ganzer“599 gegenüber obliegen, dann kann er einen Teil des Einkommens für die Leistung der Sicherheit verlangen. Hier gewinnt abermals die Gleichsetzung der Begriffspaare von Ruhe und Ordnung einerseits mit der Freiheit und Sicherheit andererseits Bedeutung.600 Wenn der Einzelne unter dem Schutz des Staates Ruhe und Ordnung genießt, hat er zugleich Freiheit und Sicherheit. Er kann in Ruhe und Freiheit seinen Geschäften nachgehen, schuldet dafür dem Staat aber einen Teil als Abgaben. Das ist dann kein illegitimer Eingriff in die individuelle Freiheit mehr, weil der Staat ihm vorab die institutionelle Freiheit gewährleistet und garantiert. So gesehen ist die Steuerschuld die Gegenleistung, die der Einzelne dafür zu entrichten hat, dass er unter dem Schutz des Staates in Ruhe und Freiheit handeln und wirtschaften kann.

b) Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit Steuern sind aber nur dann gerechtfertigt, wenn auch Steuergerechtigkeit herrscht. Auch in dieser Hinsicht versetzt sich Smith in die möglichen Befindlichkeiten der Beteiligten hinein und gelangt als gleichsam unbeteiligter Beobachter zu folgender möglichen und widersinnigen Konsequenz für den Steuerpflichtigen: „Er misstraut der Gerechtigkeit seines Steuereinnehmers so sehr, dass er Armut vorspiegelt, und er möchte so ärmlich erscheinen, als könne er überhaupt nichts aufbringen, nur aus Furcht, zu viel an den Staat abführen zu müssen.“ Das wäre betriebs- und volkswirtschaftlich gleichermaßen unglücklich: „Durch dieses dümmliche Verhalten tut er sich selbst wohl niemals den besten Dienst, und er verliert möglicherweise mehr durch Rückgang seines Bodenertrags, als er dadurch an Steuern einspart.“601 Das

_____ 599 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 702 (Book V.ii.a.19, p. 824: “the society”). 600 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 330: „Ruhe und Ordnung und damit Freiheit und Sicherheit“ (Book III.iii.12, p. 405: “Order and good government, and along with them the liberty and security”). 601 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 734 (Book V.ii.g.9, p. 856: “Such is his distrust in the justice of his assessors, that he counterfeits poverty, and wishes to appear scarce able to pay any thing for fear of being obliged to pay too much. By this miserable policy he does not, perhaps, always consult his own interest in the most effectual manner; and he probably loses more by the diminution of his produce than he saves by that of his tax.”).

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könnte denjenigen ins Stammbuch geschrieben sein, die sich dem Fiskus gegenüber möglichst arm rechnen und lieber waghalsige Geschäfte mit unüberschaubaren Folgeverpflichtungen eingehen, als eine berechenbare und überschaubare Summe zu versteuern. Adam Smith lässt all jene wissen, wie ineffizient ihr Streben auf lange Sicht ist. Effizienz und Erkenntnis der Gerechtigkeit hängen auch insoweit für Smith miteinander zusammen: Effizienz steht unter dem Vorrang und Vorbehalt der Gerechtigkeit; nur wenn diese verwirklicht wird, ist jene ansatzweise gewährleistet. Umso wichtiger ist daher, dass die Abgaben für den Einzelnen klar und berechenbar, frei von Willkür und nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit erhoben werden. Vor allem ist von Bedeutung, „was Gleichheit oder Ungleichheit in der Besteuerung genannt wird. Jede Steuer, das sollte vorweg und ein für allemal festgehalten werden, die lediglich eine der drei oben genannten Einkommensquellen (sc. Rente, Gewinn, Lohn) ausschöpft, ist zwangsläufig insofern ungleich, als sie die beiden anderen unberührt lässt.“602 Es geht also um eine umfassende Besteuerung aller Einkunftsarten gleichermaßen. Wichtiger noch ist, dass die Steuer „genau und nicht willkürlich festgesetzt ist.“603 Willkür ist gerade auch bei der Besteuerung das Gegenteil von Rechtlichkeit und Gesetzmäßigkeit. Die historischen Beispiele sind demnach auch im Steuerrecht abschreckend: „Im Zustand der Gesetzlosigkeit, wie sie Europa während der Feudalherrschaft erlebte, musste sich der Landesherr damit zufrieden geben, jene zu besteuern, die zu schwach waren, um die Zahlung der Abgaben zu verweigern.“604 Hier zeigt sich wieder der Zusammenhang zwischen Recht und Macht, wie er bereits im Ersten Buch begegnete. Die Schwächsten waren regelmäßig die Bauern, die Land pachteten, wohingegen der Grundbesitz bei den Feudalherren lag. Im Dritten Buch schilderte Smith bereits die Konsequenzen: „Früher waren die Grundbesitzer überall in Europa auch die Gesetzgeber, so dass das gesamte Bodenrecht ihren wirklichen oder angeblichen In-

_____ 602 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 703 (Book V.ii.b.3, p. 825: “what is called the equality or inequality of taxation. Every tax, it must be observed once for all, which falls finally upon one only of the three sorts of revenue above-mentioned, is necessarily unequal, in so far as it does not affect the other two.”). 603 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 704 (Book V.ii.b.4, p. 825: “certain, and not arbitrary”). 604 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 731 (Book V.ii.g.6, p. 854: “In the disorderly state of Europe during the prevalence of the feudal government, the sovereign was obliged to content himself with taxing those who were too weak to refuse to pay taxes.”).

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teressen entsprach.“605 Hier zeigt sich, wie das Dritte und Fünfte Buch des Wohlstands der Nationen aufeinander bezogen sind. Zugleich offenbart sich, wie die Möglichkeit des Grundbesitzes als ökonomische Macht auch zumindest faktisch mit rechtlichen Befugnissen einhergeht.606 Wie sehr Smith die Kluft zwischen Armut und Reichtum, Ohnmacht und Macht bereits in der Moralphilosophie bewegt hat, belegt eine Stelle, in der sein Realitätssinn die wirtschaftlichen Gegebenheiten und bestehenden Ungleichgewichte im Hinblick auf Recht und Macht vorausgesetzt werden: „Menschen der niedrigeren und mittleren Gesellschaftsstände können überdies niemals mächtig genug sein, um über dem Gesetz zu stehen, das sie im Allgemeinen in einer Art von Furcht und Achtung wenigstens gegenüber den wichtigeren Regeln der Gerechtigkeit halten muss.“607 Hier sind wiederum die bereits weiter oben behandelten Regeln der Gerechtigkeit vorausgesetzt, denen diejenigen nicht – zumindest nicht in gleicher Weise – unterliegen, welche aufgrund ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der damit einhergehenden Machtbefugnisse faktisch „über dem Gesetz stehen“.

c) Ungleichheit und Unbestimmtheit Ungleichheiten sind eher hinzunehmen als jegliche Rechtsunsicherheit in Gestalt der Unbestimmtheit:608 „Die Bestimmtheit dessen, was der Einzelne zahlen sollte, ist in der Tat bei der Besteuerung von so großer Bedeutung, wie ich glaube, dass ein höchst beachtlicher Grad an Ungleichheit von weit geringerem Übel ist als eine nur minimale Unsicherheit, wie die Erfahrung in allen Ländern lehrt.“609

_____ 605 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 322 (Book III.ii.16, p. 393: “The proprietors of land were antiently the legislators of every part of Europe. The laws relating to land, therefore, were all calculated for what they supposed the interest of the proprietor.”). 606 Siehe auch MacCormick (1981) S. 243, 252. 607 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 89 (TMS I.iii.3.5: “Men in the inferior and middling stations of life, besides, can never be great enough to be above the law, which must generally overawe them into some sort of respect for, at least, the more important rules of justice.”). 608 Allgemein hierzu zum geltenden Recht Kirchhof (1984) S. 297. 609 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 704 (Book V.ii.b.4, p. 826: “The certainty of what each individual ought to pay is, in taxation, a matter of so great importance, that a very considerable degree of inequality, it appears, I believe, from the experience of all nations, is not near so great an evil as a very small degree of uncertainty.”).

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aa) Steuergerechtigkeit im Interesse der Minderprivilegierten Hier wird durch empirische Beobachtung eine regelrechte Quantifizierung gewagt: Sogar eine beträchtliche Ungleichheit ist eher hinzunehmen als die geringste Unbestimmtheit.610 Um hier zunächst den naheliegenden Vorwurf sozialer Kälte zu entkräften, ist auf eine in anderem Zusammenhang stehende Stelle hinzuweisen, wonach es für Smith den schlimmsten Vorwurf bedeutet, bestimmte Steuern „seien ungleichmäßig oder ungerecht, und zwar auf die schlimmste Art, da sie sehr oft die einfachen Leute stärker als die wohlhabenden belasten“.611 Ungerechtigkeit vervielfacht sich gleichsam, wenn sie den betrifft, der sich unter keinen – auch nicht den für ihn günstigsten – Umständen wehren kann. Erst recht gilt dies für Abgabenbefreiungen zugunsten derer, die sie am leichtesten entrichten könnten: „Doch ist die Oberschicht gegenwärtig von hohen Abgaben befreit, welche einfache Arbeiter und Handwerker zahlen müssen, sicherlich ein höchst ungerechter Zustand, der selbst dann geändert werden sollte, wenn die Reform (sc. des Abgabensystems) nicht, wie vorgesehen, durchgeführt werden würde. Vermutlich hat eben das Interesse dieser Schicht die Änderung des Steuersystems verhindert, die zu erhöhten Staatseinnahmen führen und zugleich die breite Masse der Bevölkerung entlasten könnte.“612 Der Sinn für soziale Gerechtigkeit, den er an vielen Stellen des Ersten Buchs bewiesen hat, ist ihm also auch im Fünften keineswegs abhanden gekommen.

bb) Bestimmtheit und Ungleichheit beim Erstgeburtsrecht Möglicherweise erklärt sich das von Smith angenommene Verhältnis von Bestimmtheit und Gleichheit,613 die mitunter auf wirtschaftlichem Gebiet, also hinsichtlich der Leistungsfähigkeit, als „wirtschaftliche Gleichheit unterstellt

_____ 610 Siehe dazu auch Hensel (1927) S. 39. Zu ihm Reimer/Waldhoff (2000) S. 1–124. 611 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 724 (Book V.ii.e.19, p. 846: “their inequality, an inequality of the worst kind, as they must frequently fall much heavier upon the poor than upon the rich.”). 612 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 769 (Book V.ii.k.55, p. 893: “But the exemption, which this superior rank of people at present enjoy, from very heavy taxes which are paid by the poor labourer and artificer, is surely most unjust and unequal, and ought to be taken away, even though this change was never to take place. It has probably been the interest of this superior order of people, however, which has hitherto prevented a change of system that could not well fail both to increase the revenue and to relieve the people.”); Hervorhebung nur hier. 613 Darwall (2005) S. 178 für die Annahme universeller Gleichheit bei Smith.

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wird“,614 wenn man eine Stelle aus dem Dritten Buch hinzunimmt, das sich vor allem mit rechtsgeschichtlichen Betrachtungen beschäftigt. Dort wird vergleichsweise ausführlich das Erstgeburtsrecht erläutert, eine evidente Ungleichbehandlung, weil und sofern die Nachgeborenen nichts erhalten. Smith begründet es damit, dass in unsicheren Zeiten die gleichmäßige Aufteilung des Grundeigentums an alle Abkömmlinge dazu führen konnte, dass die zersplitterten Einheiten nicht mehr verteidigungsfähig waren: „In diesen verworrenen Zeiten war jeder Großgrundbesitzer ein kleiner Fürst, dessen Pächter seine Untertanen waren. Er war ihr Richter, im Frieden in mancher Hinsicht ihr Gesetzgeber und im Krieg ihr Anführer. (…) Sicherheit und Schutz, die der Grundherr allen bieten konnte, die auf seinem Gut lebten, hingen daher von der Größe des Besitzes ab. Ihn zu teilen, hieß, ihn zu ruinieren, indem man jeden einzelnen der Gefahr räuberischer Übergriffe durch die Nachbarn aussetzte.“615 Es ist also letztlich der Grundsatz der Sicherheit, der im Hintergrund stand, auch wenn es in diesen gesetzlosen Zeiten primär um Machterhalt ging, da Macht und Recht noch nicht voneinander getrennt waren. Um also im Interesse der Sicherheit das Eigentum auf einen von mehreren zu übertragen zu können, bedurfte es eines im Vorhinein bestimmbaren Kriteriums:616 „Welchem Kind dieser so entscheidende Vorzug zufallen sollte, musste durch eine allgemein gültige Regel bestimmt werden, die nicht auf der zweifelhaften Unterscheidung nach persönlichem Verdienst, sondern auf ganz einfachen, augenscheinlichen Unterschieden beruht, die zu keinem Streit führen können.“617 Die Beurteilung nach der Befähigung versprach diese Bestimmbarkeit a priori nicht hinreichend. Daher mussten zweifelsfrei bestimmbare Merkmale herangezogen werden, und das konnten nur Alter und Geschlecht sein: „Hierin liegt der Ursprung des Rechts der Erstgeburt und die

_____ 614 Fikentscher (1975 b) S. 160. 615 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 316 (Book III.ii.3, p. 383: “In those disorderly times, every great landlord was a sort of petty prince. His tenants were his subjects. He was their judge, and in some respects their legislator in peace, and their leader in war. (…) The security of a landed estate, therefore, the protection which its owner could afford to those who dwelt on it, depended upon its greatness. To divide it was to ruin it, and to expose every part of it to be oppressed and swallowed up by the incursions of its neighbours.”). 616 Siehe auch Hollander (1976) S. 277. 617 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 316 (Book III.ii.3, p. 383: “To which of them so important a preference shall be given, must be determined by some general rule, founded not upon the doubtful distinctions of personal merit, but upon some plain and evident difference which can admit of no dispute.”); Hervorhebung nur hier.

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sogenannte Erbfolge in gerader Linie.“618 Diese von dem (rechts-)historischen Ursprung ausgehende Form der Herleitung von Rechtsregeln begegnet im Übrigen später bei Nietzsche als Gerechtigkeitsgesichtspunkt.619 Eindeutige Bestimmtheit war also in Zeiten, in denen die Sicherheit im Vordergrund stand, weil Gewalt und Willkür allgegenwärtig waren, wichtiger als die Gleichheit. So rechtfertigt Smith die Ungleichbehandlung nicht, sondern erklärt sie nur rechtshistorisch. Smith analysiert das Recht mitunter weniger ökonomisch als vielmehr geschichtlich.620

cc) Interdependenz von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit Dennoch ist die Hinnahme großer Ungleichheit gegenüber der Akzeptanz geringfügiger Unbestimmtheit gerade im Steuerrecht durchaus erklärungsbedürftig, da die Gleichheit für Smith an sich der Grund der Freiheit ist, wie eine bereits behandelte Schlüsselstelle lautet: „Aber gerade auf einem Rechtswesen, das alle gleich behandelt, beruht die Freiheit eines jeden, also der eigentliche Sinn der persönlichen Sicherheit.“621 Eine mögliche Erklärung bietet der erläuternde Nachsatz: Denn wenn diese auf Gleichheit beruhende Freiheit zugleich den eigentlichen Sinn der persönlichen Freiheit ausmacht, dann nutzt auch eine prinzipielle Gleichheit wenig, wenn die persönliche Sicherheit gefährdet ist. Hier zeigt sich, dass es wiederum – wie schon oben beim Erstgeburtsrecht – die gefährdete Sicherheit ist, die im Hintergrund steht. Wer sich seines Eigentums nicht sicher ist, kann nicht wirklich frei damit umgehen und handeln. Deshalb sind unkalkulierbare Steuerschätzungen von Übel: „Man hat sich vielmehr mit einer recht oberflächlichen und entsprechend mehr oder weniger willkürlichen Schätzung zufrieden geben müssen. Ein solches Besteuerungsverfahren ist höchst ungerecht und äußerst unsicher.“622 Willkürli-

_____ 618 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 316 (Book III.ii.3, p. 383: “Hence the origin of the right of primogeniture, and of what is called lineal succession.”). 619 Petersen (2008 b) S. 34 ff. 620 Haakonssen (1981) S. 138: “legal criticism can only be understood in a particular historical context. There is therefore a close and necessary connection between the critical and the historical aspects of Smith’s jurisprudence”. 621 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 612 (Book V.i.b.25, p. 722 pp.: “But upon the impartial administration of justice depends the liberty of every individual, the sense which he has of his own security.”). 622 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 727 (Book V.ii.f.7, p. 849: “The nations (…) have been obliged to content themselves with some very loose, and, therefore, more or less

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che und unbestimmte Steuererhebungen sind somit rechtswidrige Eingriffe in die persönliche Sicherheit, zumal jede noch so geringe Durchbrechung dieses Prinzips die Sorge vor weiteren und dann größeren Eingriffen schürt und damit das beeinträchtigt, was Smith „den Erwerbsfleiß der Bevölkerung“ nennt.623 Damit wird letztlich die Freiheit gelähmt. So bestätigt sich hier die weiter oben festgestellte Interdependenz von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit.

d) „Grundgesetz des Staates“ Interessant ist eine Stelle, an der sich Smith mit den Ideen der seinerzeit so genannten Ökonomisten – ein anderer Ausdruck für die Physiokraten624 – beschäftigt, denen er in Person von Turgot und Quesnay in Frankreich begegnet war:625 „Eine Schule französischer Gelehrter, die sich selbst Ökonomisten nennen, empfiehlt eine Steuer auf die Grundrente, die mit jeder Änderung der Rente variiert, die also je nach Fortschritt oder Rückschritt in der Landwirtschaft steigt oder fällt, als die gleichmäßigste oder gerechteste aller Abgaben.“626

aa) Grundrente der Ökonomisten Einige Grundideen der Physiokraten, die maßgeblich – aus Smiths Sicht freilich zu sehr627 – auf die Erträge der Landwirtschaft abstellten,628 waren Smith im Grundsatz sympathisch, weil sie gegen den Merkantilismus eingestellt waren. Das von ihnen verfochtene Laissez-faire findet sich jedoch bei Smith

_____ arbitrary estimation. The extreme inequality and uncertainty of a tax assessed in this manner”). 623 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 704 (Book V.ii.b.6, p. 826: “the industry of the people”). 624 Weulersse (1910). 625 Ross (1984) S. 177. 626 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 708 (Book V.ii.c.7, p. 830: “A tax upon the rent of land which varies with every variation of the rent, or which rises and falls according to the improvement or neglect of cultivation, is recommended by that sect of men of letters in France, who call themselves the œconomists, as the most equitable of all taxes.”); Hervorhebung nur hier. 627 Ross (1998) S. 27; Hirschman (1987) S. 80, 113. 628 Siehe hierzu auch Luhmann (1994), S. 44 f., der beiläufig feststellt, dass vor allem die Klassiker der politischen Ökonomie, namentlich Smith „heute erneut Beachtung“ fänden; siehe auch dens. (1983) S. 431.

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nicht.629 Entgegen kam ihm wiederum, dass sie auf die natürliche Ordnung (ordre naturel) abstellten, die durch Vernunft erkennbar sein sollte.630 Gesetze, die der natürlichen Ordnung widersprächen, sollten am besten aufgehoben werden. Das erinnert zugleich an seine Sicht der Steuern, die auf Unverständnis stoßen, und bei denen er regelrecht mit den Steuerhinterziehern sympathisiert.631 Smith „will zwar nicht in die unerquickliche Erörterung über die metaphysischen Argumente eintreten, mit der sie (sc.: die Physiokraten) ihre geistreiche Theorie stützen“ – er meint möglicherweise den Vergleich des Wirtschaftskreislaufs mit dem Blutkreislauf des Menschen –, hält die dort bezeichnete Grundrente aber für „sicherlich gerechter als die englische“ und ist im Übrigen der Ansicht, dass „ein solches System der Besteuerung durchaus so gestaltet werden könnte, dass seine Unbestimmtheit weitgehend verhindert und seine hohen Kosten vermindert würden.“632 Aber auch wenn sich Smith hier von den Vorstellungen der Physiokraten mit ihrer Betonung des auch ihm entgegenkommenden natürlichen Verlaufs der Dinge angezogen fühlte, lässt sich daraus kein geistiger Umschwung von seiner Moraltheorie zu seiner Wirtschaftstheorie ableiten.

bb) Legislatorische Konstanz in der Besteuerung Aufschlussreich ist jedoch, was genau Smith an der Idee der Grundrente lobt: Danach „würde sich eine Steuer solcher Art von selbst und ohne Eingreifen der Regierung leicht der augenblicklichen Situation anpassen und unter all diesen verschiedenen Umständen gleich gerecht und angemessen sein.“633 Die Wertschätzung der Flexibilität ohne hoheitliche Eingriffe fasziniert ihn ersichtlich, allerdings nicht ohne die Gerechtigkeit und Gleichheit zu betonen: „Sie würde sich daher weit eher dazu eignen, als eine beständige und

_____ 629 Viner (1960) S. 45; ders. (1927) S. 198. 630 Schlettwein (1772/1773). 631 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 705 (Book V.ii.b.6, p. 826 pp.). 632 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 708 (Book V.ii.c.10, p. 830: “without entering into the disagreeable discussion of the metaphysical arguments by which they support their very ingenious theory (…) certainly more equal than the landtax of England. (…) Such a system of administration, however, might perhaps be contrived as would, in a great measure, both prevent this uncertainty and moderate this expence.”). 633 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 711 (Book V.ii.c.20, p. 834: “a tax of this kind would, of its own accord and without any attention of government, readily suit itself to the actual situation of things; and would be equally just and equitable in all those different changes.”).

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unabänderliche Regelung oder als eine Art Grundgesetz des Staates eingeführt zu werden, als irgendeine andere Steuer, die nach einer einmaligen Schätzung erhoben werden soll.“634 Die Hervorhebung der beständigen und unabänderlichen Regelung erinnert an das, was er vom Gesetzgeber verlangt. Danach ist es, wie oben behandelt „Sache des Gesetzgebers, der sich allein von unveränderlichen und allgemein gültigen Grundsätzen in seinen Überlegungen leiten lassen sollte.“635 Diese regulative Idee der legislatorischen Konstanz findet er in der Idee der Grundrente verwirklicht. Die Faszination, die sie auf ihn ausübt und ihn als „eine Art Grundgesetz des Staates“ preisen lässt, veranschaulicht zugleich auch das bereits erwähnte utopische Moment seines vollkommenen Systems der natürlichen Freiheit.636 Hayek macht allerdings darauf aufmerksam, dass diejenige Handelsfreiheit, die Smith im Wohlstand der Nationen noch ausdrücklich für utopisch gehalten hat, „siebzig Jahre (…) später erreicht war – weitgehend als Folge seines Wirkens“.637

e) Rechtsfolgen und moraltheoretische Bewertung von Verstößen gegen die Finanzgesetze Nachdem die Steuerpflicht auf diese Weise begründet wurde, setzt sich Smith mit den Verstößen gegen die Verbotsnormen auseinander. Es ist gerade für das Verhältnis seiner Moraltheorie, im Rahmen derer die Unrechtsbegründung nicht von ungefähr ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt hat, zur ökonomischen Theorie aufschlussreich, welche Strafen er tendenziell für gerechtfertigt hält und wie ein effektives Rechtswesen auf Zuwiderhandlungen antwortet.

_____ 634 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 711 f. (Book V.ii.c.20, p. 834: “It would, therefore, be much more proper to be established as a perpetual and unalterable regulation, or as what is called a fundamental law of the commonwealth, than any tax which was always to be levied according to a certain valuation.”); Hervorhebung nur hier. 635 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 382 (Book IV.ii.39, p. 468: “belong so much to the science of a legislator, whose deliberations ought to be governed by general principles which are always the same”). 636 Griswold (2005) S. 128, 157. 637 Hayek (2003 a) GS B 4, S. 67.

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aa) Partikularinteressen an der Bestrafung Zunächst ist auch hierfür wichtig, wie Smith Sonderinteressen Einzelner und Gemeinwohlinteressen voneinander scheidet.638 Das zeigt sich am deutlichsten bei den Steuerpächtern, die ein manifestes Eigeninteresse an der Bestrafung von Delinquenten haben, das nicht notwendigerweise mit dem des Staates konvergiert: „Pächter einer öffentlichen Einnahme finden die Gesetze niemals streng genug, welche jeden Versuch, einer Steuerzahlung auszuweichen, bestrafen. Ohne Mitleid mit den Pflichtigen, die ja nicht ihre Untertanen sind, würden sie sich wohl kaum darüber Sorgen machen, wenn allesamt Bankrott machten, sofern dies nur am Tag nach dem Auslaufen ihrer Pacht geschehen sollte.“639 Man kann hieran unausgesprochen etwas bestätigt finden, dass sich schon im Rahmen der Analyse seiner Moraltheorie gezeigt hat, nämlich, dass Smith allen Nützlichkeitserwägungen bei der Bestrafung abhold ist, zumal sich dies nicht mit der Idee des unparteiischen Zuschauers verträgt und die im Gesetz verkörperte Gerechtigkeitsvorstellung geradezu in ihr Gegenteil verkehren würde.640 Denn wie sich vorliegend zeigt, läuft eine utilitaristische Zielsetzung bei der Verwirklichung pönaler Elemente immer Gefahr, nicht der Allgemeinheit zugute zu kommen, sondern letztlich Einzelne mit ihren ganz konkreten Interessen zu privilegieren.

(1) Analyse der Rechtsverhältnisse und moralische Bewertung Man beachte zudem, wie Smith zu der scharfzüngigen Zuspitzung durch Analyse der Rechtsverhältnisse gelangt, indem er bei der Indienstnahme Privater für öffentliche Zwecke deren Rechtsbeziehungen mit ihren ökonomischen Vorteilen in Rechnung stellt. Der Bankrott Aller zur Bereicherung Einzelner mit staatlicher Billigung ist an sich eine volkswirtschaftliche Absurdität. Daneben ist die moralische Bewertung des Verhaltens der Steuerpächter aufschlussreich. Denn in der nüchternen Darstellung des Verhaltens ist die

_____ 638 Siehe dazu auch Petersen (2005 a) S. 1 ff.; dort im letzten Paragraphen auch zum Steuergeheimnis, das nicht zum Instrument der Steuerhinterziehung werden darf. 639 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 777 (Book V.ii.k.74, p. 903: “The farmers of the publick revenue never find the laws too severe, which punish any attempt to evade the payment of a tax. They have no bowels for the contributors, who are not their subjects, and whose universal bankruptcy, if it should happen the day after their farm is expired, would not much affect their interest.”). 640 Haakonssen (1981) S. 117, unter Berücksichtigung der Vorlesungsmitschriften: “And if utility had been the standard of the impartial spectator, then all human ideas of punishment and justice, and their embodiment in laws, would be perverted”.

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moraltheoretische Sympathie enthalten: „ohne jedes Mitleid mit den Steuerpflichtigen“. Die Steuerpächter nutzen staatliche Engpässe sogar noch für ihre finanziellen Zwecke aus: „Befindet sich der Staat in höchster Not, in welcher der Landesherr um die pünktliche Abführung der Steuereinkünfte natürlich ganz besonders besorgt ist, klagen die Pächter fast regelmäßig, es werde ohne strengere als die geltenden Gesetze einfach unmöglich sein, auch nur die übliche Pacht zu zahlen.“641 Hieran lässt sich im Übrigen ersehen, welche wichtige Rolle das Mitleid in Smiths Moralphilosophie spielt.642 Es zeigt sich zudem einmal mehr, warum Smith vor Gesetzgebungsvorschlägen durch private Unternehmer – das sind die Steuerpächter trotz hoheitlicher Aufgabe und gerade daher umso bedenklicher – mit entsprechenden Eigeninteressen am Ende des Ersten Buchs so nachhaltig warnt.643 Der Erfolg gibt jedoch den – nicht nur gegenüber den Steuerpflichtigen, sondern jetzt auch gegenüber dem Staat – erpresserischen Pächtern Recht: „Da man in solchen Augenblicken einer öffentlichen Zwangslage ihre Forderungen schlecht abweisen kann, werden die Steuergesetze nach und nach immer strenger.“644 Hier wird paradigmatisch deutlich, wie der zeitlich wirkungsvoll ausgeübte Druck von Seiten der daran maßgeblich interessierten und um ihre zeitweilige Übermacht wissenden Lobbyisten zur Gesetzesstrenge zu Lasten derer führen kann, die unter den Profiteuren am meisten zu leiden haben. Durch Verabsolutierung von Partikularinteressen entsteht eine moralisch haltlose Gesetzgebung.

(2) Gesetzgeberische Beseitigung des Grundübels Der eigentliche Missstand ist damit das Pachtwesen bei der Eintreibung von Steuern, die Smith zufolge durch eine landesunmittelbare, eigene Steuerverwaltung erfolgen sollte.645 Man kann zur Verdeutlichung der legislatorischen

_____ 641 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 777 (Book V.ii.k.74, p. 903: “In the greatest exigencies of the state, when the anxiety of the sovereign for the exact payment of his revenue is necessarily the greatest, they seldom fail to complain that without laws more rigorous than those which actually take place, it will be impossible for them to pay even the usual rent.”). 642 Küng (2010) S. 59. 643 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 213 (Book I.xi.p.10, p. 267); dazu bereits mehrfach im Text. 644 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 777 f. (Book V.ii.k.74, p. 903: “In those moments of publick distress their demands cannot be disputed. The revenue laws, therefore, become gradually more and more severe.”). 645 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 778 (Book V.ii.k.74, p. 903).

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Aufhebung eines Grundübels eine Stelle aus dem Vierten Buch hinzunehmen, in der er die Reaktion der Monopolbildung durch Getreideaufkäufe in der Bevölkerung überraschenderweise mit den Gesetzen zur Zeit der Hexenverfolgung vergleicht: „Die unglücklichen Hexen, die man dieses Verbrechens (sc. Marktbeherrschung durch verbotenen Getreideaufkauf in Notzeiten) bezichtigte, waren nicht unschuldiger an dem ihnen zugeschriebenen Unglück als jene, die man des erstgenannten Vergehens beschuldigt hat. Das Gesetz, das allen Hexenverfolgungen ein Ende setzte und jedem das Recht entzog, Genugtuung darüber zu empfinden, dass er seinen Nachbarn dieses imaginären Verbrechens in böser Absicht bezichtigte, scheint solchen Ängsten und Verdächtigungen nachhaltig ein Ende gemacht zu haben, indem es die Hauptursache beseitigt hat, durch die diese Furcht genährt und unterstützt wurde. Ein Gesetz, das dem inländischen Getreidehandel wieder volle Freiheit gewähren würde, hätte wahrscheinlich den gleichen Erfolg, indem es die in der Bevölkerung verbreitete Angst vor einem Aufkauf des Getreides und einer Marktbeherrschung beseitigt würde.“646 Auch wenn die genannten Problembereiche – Getreidegesetzgebung, Steuererhebung und erst recht die Hexengesetze – vordergründig betrachtet denkbar weit auseinander liegen, was aber die rhetorische Durchschlagskraft des Smithschen Arguments noch erhöht, werden doch jeweils irrationale Befürchtungen geschürt, um bestimmte Rechtsfolgen herbeizuführen. Im Fall der Steuerpächter ist die Angst des Souveräns vor Steuerausfällen sogar ein besonders schlechter Ratgeber des Gesetzgebers, weil genuin eigene Interessen im Vordergrund stehen. Gemeinsam ist den Fallgestaltungen aber, dass das Grundübel selbst beseitigt werden muss, um zu einer Wiederherstellung der natürlichen Freiheit zu gelangen.647 Dass damit nicht die Befreiung von

_____ 646 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 445 f. (Book IV.v.b.26, p. 534: “The unfortunate wretches accused of this latter crime were not more innocent of the misfortunes imputed to them, than those who have been accused of the former. The law which put an end to all prosecutions against witchcraft, which put it out of any man’s power to gratify his own malice by accusing his neighbour of that imaginary crime, seems effectually to have put an end to those fears and suspicions, by taking away the great cause which encouraged and supported them. The law which should restore entire freedom to the inland trade of corn, would probably prove as effectual to put an end to the popular fears of engrossing and forestalling.”). 647 In den Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 70 (LJ(B) p. 61), behandelt Smith die Wiederherstellung der Freiheit in England ausführlich historisch. Wichtige „Schutzvorrichtungen für die Freiheit“ sind dort (S. 72 f.) für ihn neben dem „Wahlverfahren und (…) der Überprüfungsgewalt bezüglich aller Wahlen“ die „glückliche Mischung der

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der Steuerpflicht gemeint ist, leuchtet ein. Es geht ihm vielmehr um die Verbesserung des notwendigen Abgabensystems, das zur Akzeptanz des Rechts in den Augen der Steuerpflichtigen beiträgt.648

bb) Gesetzesverletzung und Naturrecht Über eine bestimmte Art von Delinquenten gelangt Smith zu einer jener allgemeinen Aussagen, die seine Sicht auf das Recht so interessant machen, weil sie die moraltheoretischen Gründe mit einbezieht: „Und trifft ihn die Strenge des Finanzgesetzes, so setzt er sich nicht selten heftig zur Wehr und verteidigt, was er als sein rechtmäßiges Eigentum ansieht. Wahrscheinlich handelte er zuerst mehr aus Unwissenheit und erst später übertritt er dann, waghalsig und entschlossen, nur zu häufig die Gesetze.“649 Es ist dies zugleich ein Beispiel für die psychologisch gefärbte Rechtstheorie Smiths,650 die auch vor typisierenden Vermutungen nicht halt macht, wenn sie nur geeignet sein können, die moralischen Beweggründe und Gefühle zu beleuchten, die für die Rechtsverletzung ursächlich und für ihre rechtliche Würdigung relevant sein können.651

(1) Schmuggel als Paradigma Aber betrachten wir zunächst das Delikt, um das es Smith geht. Die Rede ist vom Schmuggel, für den die Steuerpächter seinerzeit im Wege der soeben dargestellten Praxis der Gesetzesberatung des Souveräns drakonische Strafen

_____ verschiedenen Regierungsformen“ und insbesondere die Ernennung der Richter auf Lebenszeit (LJ(B) p. 63 pp.: “securities to liberty (…) method of election and (…) the power of judging concerning all elections (…) happy mixture of all the different forms of government”). 648 Vgl. auch WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 509 (Book IV.vii.c.44, p. 606). 649 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 773 (Book V.ii.k.64, p. 898: “and when the severity of the revenue laws is ready to fall upon him, he is frequently disposed to defend with violence, what he has been accustomed to regard as his just property. From being at first, perhaps, rather imprudent than criminal, he at last too often becomes one of the hardiest and most determined violators of the laws of society.”). 650 Mathis (2009) S. 109, hebt dementsprechend hervor, dass Smith „an der menschlichen Psychologie in erster Linie (…) diejenigen Empfindungen interessiert, die in zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten“. 651 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 155–158 (TMS II.iii.2.8 – 10), bietet beispielsweise eine von einer hohen rechtstheoretischen Folgenverantwortung getragene Analyse der unterschiedlichen Grade fahrlässigen Verhaltens.

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– Galeere oder Galgen – erwirkt haben.652 Es ist rechtstheoretisch aufschlussreich, wie Smith am Beispiel des Schmuggels Unrechtsbewusstsein und Unrechtsbegründung darstellt: „Wer behauptet, er habe Skrupel, Schmuggelgut zu erwerben, würde in den meisten Ländern als pedantischer Heuchler betrachtet, auch wenn dies zum Verstoß gegen die Finanzgesetze und zu einer gewöhnlich damit verbundenen Falschaussage geradezu ermutigt. Man hätte zu ihm kein Zutrauen, ja man würde ihn sogar verdächtigen, er sei ein größerer Schelm als die meisten seiner Mitbürger.“653 Hier zeigt sich abermals die Smithsche Methode der moraltheoretischen Fundierung des Wohlstands der Nationen mit den Mitteln der Sympathie und des unbeteiligten Betrachters.654 Zugleich wird damit – gleichsam rechtssoziologisch durch Ermittlung typischer Verhaltensweisen und Gepflogenheiten655 – die Akzeptanz der Allgemeinheit ausgelotet, um den Unrechtsgehalt zu bestimmen: „Häufig ermutigt diese Nachsicht der Öffentlichkeit den Schmuggler, einen Erwerb fortzusetzen, der offensichtlich weithin für untadelig gehalten wird.“656 Eine übertriebene Pönalisierung kann also zur Ausbreitung gerade der Kriminalität führen, die sie bekämpfen soll, und erweist sich dann als ungeeignet und unvernünftig, weil darunter nicht zuletzt die Volkswirtschaft leidet, wie die ökonomische Analyse des Verbots und seiner Zuwiderhandlungen veranschaulicht:657

_____ 652 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 778 (Book V.ii.k.75, p. 903). 653 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 773 (Book V.ii.k.64, p. 898: “To pretend to have any scruple about buying smuggled goods, though a manifest encouragement to the violation of the revenue laws, and to the perjury which almost always attends it, would in most countries be regarded as one of those pedantick pieces of hypocrisy which, instead of gaining credit with any body, serve only to expose the person who affects to practice them, to the suspicion of being a greater knave than most of his neighbours.”). 654 Dazu auch Anspach (1972) S. 176; Billet (1976) S. 295. 655 Zur Bedeutung der Typisierung dort Petersen (2008 a) S. 135 ff. 656 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 773 (Book V.ii.k.64, p. 898: “By this indulgence of the publick, the smuggler is often encouraged to continue a trade which he is thus taught to consider as in some measure innocent”). 657 T. D. Campbell/Ross (1981) S. 73, 90, nehmen zu dieser Passage rechtstheoretisch interessant Stellung: “Still, the contrast between the attitude expressed in WN towards those who refrain from purchasing smuggled goods and his own action in disposing of his smuggled articles of clothing (albeit bought inadvertently) is enough to cast some doubt on his consistency in accepting a Customs post. The tension in his own thought on this issue, however, is manifestly located in the conflict between two utilitarian considerations: the first concerns the good or bad economic consequences of customs and excise laws; and the second, the serious long-term disutility of lack of respect for the law itself, even where there is disagreement about its content. But it is noteworthy that Smith was prepared, in practice, to judge his conduct by utilitarian considerations of one sort or another, and to take action

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„Mit Hilfe des Kapitals eines Schmugglers werden produktive Arbeitskräfte beschäftigt, das, wird er gefasst, dem Staat oder dem Finanzbeamten zufällt, wodurch es für unproduktive Zwecke verwandt wird, ganz zum Schaden des Vermögens eines Landes und nutzbringenden Gewerbe.“658

(2) Hypothetische Naturrechtsbetrachtung Moraltheoretisch betrachtet, argumentiert Smith wiederum mit derjenigen Fertigkeit, die den Menschen befähigt, nicht nur die eigenen Handlungen, sondern auch diejenigen anderer zu beurteilen, nämlich der Sympathie. Der unbeteiligte Zuschauer, der die gesellschaftlichen Verhältnisse und die Beweggründe der Akteure kennt, kann sodann ein zustimmendes oder ablehnendes Urteil über die Handlung fällen. Dementsprechend betont Smith in der Theorie der ethische Gefühle seine Ablehnung eines Gesinnungsstrafrechts damit, dass nur Handlungen der Strafbarkeit unterfallen: „Gefühle, Absichten, Gesinnungen wurden – obwohl gerade aus ihnen, wie eine kühle Verstandesüberlegung lehrt, – die menschlichen Handlungen ihre ganze Verdienstlichkeit oder Verwerflichkeit schöpfen, dennoch von dem großen Richter der Herzen außerhalb des Bereichs aller menschlichen Rechtsprechung gestellt und dem Erkenntnis seines eigenen, niemals irrenden Tribunals vorbehalten.“659 Auch wenn es so aussieht, als sympathisiere Smith im Wohlstand der Nationen mit dem Schmuggler, steht sein Unwerturteil von vornherein fest: „Zweifellos verdient ein Schmuggler eine Strafe, weil er Gesetze eines Landes verletzt, doch ist er häufig auch unfähig, gegen das Naturrecht zu verstoßen, so dass er in jeder Hinsicht ein tadelloser, ja vorbildlicher Bürger gewesen

_____ against smuggling even though he did not regard it as a ‘natural’ crime”. – Aus heutiger wirtschaftsrechtlicher Sicht vorbildlich die „ökonomische Analyse staatlicher Investitionskontrolle“ von Heinemann (2011) S. 86 ff. 658 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 773 (Book V.ii.k.64, p. 898: “By the ruin of the smuggler, his capital, which had before been employed in maintaining productive labour, is absorbed either in the revenue of the state or in that of the revenue-officer, and is employed in maintaining unproductive, to the diminution of the general capital of the society, and of the useful industry which it might otherwise have maintained.”). 659 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 160 (TMS II.iii.3.2: “Sentiments, designs, affections, though it is from these that according to cool reason human actions derive their whole merit or demerit, are placed by the great Judge of hearts beyond the limits of every human jurisdiction and are reserved for the cognizance of his own unerring tribunal.”). Grundlegend zur Handlungstheorie von Smith Klaiber (1997).

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wäre, hätten ihn nicht die Landesgesetze zu einer Handlung veranlasst, die von Natur aus, niemals als Delikt aufzufassen wäre.“660 Die hypothetische Bemessung der Normverletzung am Maßstab des Naturrechts verdient in besonderer Weise Hervorhebung, weil sie gegen Ende seiner Untersuchung über den Wohlstand der Nationen praktisch unmittelbar anknüpft an die am Ende der Theorie der ethischen Gefühle zugrunde gelegte Naturrechtsbegründung, wodurch sich bereits eine formale Parallelität zwischen beiden Werken ergibt.661 Darüber hinaus ist die hypothetische Naturrechtsbetrachtung zu berücksichtigen: Zunächst fällt das empirische Vorgehen auf, wonach der Delinquent „häufig auch unfähig ist, gegen das Naturrecht zu verstoßen“.662 Die vergleichsweise Unbestimmtheit des Naturrechts gegenüber dem positiven Recht,663 stört Smith nicht, wenn er emphatisch zu bedenken gibt, dass der Schmuggler „in jeder Hinsicht ein tadelloser, ja vorbildlicher Bürger gewesen wäre, hätten ihn nicht die Landesgesetze zu einer Handlung veranlasst, die von Natur aus niemals als Delikt aufzufassen wäre.“664 Der Gesetzgeber erscheint hier einmal mehr als Anstifter, der den Täter kriminalisiert. Auf den ersten Blick werden damit die Dinge auf den Kopf gestellt. Nicht der Täter, sondern der Staat verübt Unrecht. Zugleich veranschaulicht die Stelle eine rechtstheoretisch relevante Einsicht Mestmäckers, wonach „das Insistieren auf der Beurteilung von Handlungen anhand konkreter gesellschaftlicher Situationen, in denen ihre Wirkungen übersehbar, ihr Zusammenhang mit den Motiven nachvollziehbar und die konkrete Möglichkeit eines der Norm entsprechenden Verhaltens einsehbar ist, die gesamte Theorie von Adam Smith kennzeichnet.“665 Denn die genannte ‚Theorie‘ ist nicht nur Smiths Konzeption der ökonomischen Verhältnisse, sondern deren Funktion und Wirkungsweise auf der Grundlage seiner moralischen Anschauungen, die erst im Zusammenwirken und in der Zusammenschau zu einer allgemeinen Theorie des Rechts wird.

_____ 660 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 773 (Book V.ii.k.64, p. 898: “a person who, though no doubt highly blameable for violating the laws of his country, is frequently incapable of violating those of natural justice, and would have been, in every respect, an excellent citizen, had not the laws of his country made that crime which nature never meant to be so.”). Hervorhebung nur hier. 661 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37). Siehe auch G. Hoffmann (1930). 662 Zum Ganzen auch Bittermann (1940) S. 487; 703. 663 Näher Dreier (2007) S. 127. 664 Vgl. oben Fußnote 660. 665 Mestmäcker (1978) S. 139, 152. Siehe ferner Klaiber (1997).

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§ 3 Recht und Gerechtigkeit im Wohlstand der Nationen

(3) Jurisprudenz und Rhetorik Bei näherer Betrachtung erweist sich die zuletzt angesprochene Stelle aus dem Wohlstand der Nationen666 als rhetorischer Kunstgriff Smiths, der immerhin Vorlesungen über die Rhetorik gehalten und darin das Wechselspiel von Überraschung und Erstaunen beim Zuhörer zu einem wesentlichen Element seiner Darstellung erhoben hat.667 Auf diese Weise gelingt es ihm auch hier, den Eindruck der Absurdität der gesetzlichen Verhältnisse dadurch zu erwecken, dass er selbst die Dinge in ihr Gegenteil verkehrt.668 So gelangt der Leser gleichsam von selbst zu der Erkenntnis, dass der von Smith hypothetisch gebildete Zustand, die natürlichen Verhältnisse, keine Bestrafung verdienen, weil es eben Handlungen sind, „die von Natur aus niemals als Delikt aufzufassen wären“. So erinnert die Passage an jene bereits zitierte Stelle des Dritten Buchs, in der Smith einen hypothetischen Naturzustand darstellt: „Hätten menschliche Eingriffe also niemals diesen natürlichen Lauf der Dinge gestört, so wären in jeder politischen Gemeinschaft der forcierte Wohlstand und das Wachstum der Städte nur eine normale Folge der Verbesserung in der Landwirtschaft, die gleichzeitig das Ausmaß der Entwicklung des ganzen Landes bestimmt hätte.“669 Es ist klar, dass Smith zu einem solchen natürlichen Idealzustand nicht zurück will, der für ihn nur idealiter und niemals realiter bestanden hat. Daher kann man aus seinen provozierenden Aussagen über den Schmuggel nicht folgern, er wolle eine Aufhebung jeglicher Bestrafung. Es geht ihm eher darum, regulatorische Handelshemmnisse und ihre Rechtsfolgen für den Einzelnen und das Gemeinwesen zu überdenken und auf ihre konkrete Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Die Art und Weise, wie er dies vorträgt, veranschaulicht den seit alters bekannten,670 bei Smith aber in besonders bemerkenswerter Weise dargestellten und methodologisch zu einem Prinzip erhobenen Zusammenhang zwischen Jurisprudenz und Rhetorik.671 Nicht zuletzt die Beherrschung dieses – hier beispielhaft

_____ 666 Oben Fußnote 660. 667 Ross (1998) S. 22. 668 Zu Smiths juristischer Rhetorik auch Brühlmeier (1988) S. 40; MacCormick (1978). 669 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 313 (Book III.i.4, p. 378: “Had human institutions, therefore, never disturbed the natural course of things, the progressive wealth and increase of the towns would, in every political society, be consequential, and in proportion to the improvement and cultivation of the territory or country.”). 670 Cicero, Topica; siehe auch Viehweg (1953). 671 Die Bedeutung der Vorlesungen zur Rhetorik für die Rechtstheorie Smiths wurde bereits gesehen von Haakonssen (1981) S. 3 und passim. Instruktiv auch Mestmäcker (1978) S. 139, 151. Neuestens dazu auch Phillipson (2010).

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wirkenden – Zusammenspiels von Moraltheorie, Systemdenken, Naturrechtswissenschaft, empirischer Rechtstatsachenanalyse und Rhetorik offenbart Adam Smith als Rechtstheoretiker von Rang.

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§ 4 Zusammenfassung und Folgerung

§ 4 Zusammenfassung und Folgerung § 4 Zusammenfassung und Folgerung Adam Smith wurde auf der Grundlage seiner Moralphilosophie zum Nationalökonomen und blieb daher immer auch Moraltheoretiker – so wie er als solcher ursprünglich auch Rechtstheoretiker ist, selbst wenn er seine in Aussicht gestellte Rechtstheorie nicht mehr in allen Einzelheiten ausführen konnte. Daher gründet der Wohlstand der Nationen nicht nur auf seiner Moraltheorie, sondern auch auf seiner Rechtstheorie und führt diese in mehr als einer Hinsicht aus.1 Der Mitbegründer der modernen Nationalökonomie war zugleich und nicht zuletzt ein moralischtheoretisch fundiert urteilender Rechtstheoretiker.2 Er war es schon deswegen, weil er in seinem gesamten Werk auf Schritt und Tritt über das Recht als solches, seine Funktion und Grenzen, seinen Nutzen und Nachteil, kritisch nachdachte, und zwar gleichermaßen in philosophischer, methodologischer, vergleichender, geschichtlicher, psychologischer, anthropologischer und soziologischer Hinsicht. Smith war ausweislich seines methodologischen Hauptwerks, der ‘History of Astronomy’, dem Systemdenken verpflichtet, das auch sein Rechtsdenken prägte. Vor diesem Hintergrund beschäftigte Smith der systematische Zusammenhang zwischen Gesetzgebung und Wirtschaft, wobei eine seiner Einsichten darin bestand, die jeweilige Ausgestaltung der Rechtspolitik und Gesetzgebung möglichst offen zu lassen, weil eine jede Epoche ihre Notwendigkeiten und Eigengesetzlichkeiten kennt und daher am besten selbst weiß, was an der Zeit ist: „Auf welche Weise (…) die natürliche Ordnung einer vollkommenen Freiheit und Gerechtigkeit mit der Zeit wieder hergestellt werden sollte, diese Entscheidung müssen wir der Klugheit und Umsicht künftiger Staatsmänner und Gesetzgeber überlassen.“3 Hierzu passt eine in anderem Zusammenhang geäußerte Einsicht James Buchanans, die sich nicht von ungefähr auf die von Smith vorausgesetzte Erzeugung einer spontanen Ordnung ohne staatlichen Interventionismus bezieht: „Es ist in dieser Hinsicht viel Weisheit verloren gegangen. Die Botschaft von Adam Smith muss jeder Generation neu verkündet werden.“4§ 4 Zusammenfassung und Folgerung

_____ 1 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 2 (TMS Advertisement.2). 2 Ebenso bereits MacCormick (1981) S. 243: “It is within that general intellectual context that we must place Adam Smith as a theorist of law”. 3 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 509 (Book IV.vii.c.44, p. 606: “In what manner (…) the natural system of perfect liberty and justice ought gradually to be restored, we must leave to the wisdom of future statesmen and legislators to determine.”). 4 Buchanan (1984) S. 130.

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§ 4 Zusammenfassung und Folgerung

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Vollkommene Freiheit ist für Smith ausweislich seiner Lectures on Jurisprudence nahezu utopisch: „Nichts ist schwieriger, als die Freiheit vollkommen zu sichern.“5 Hayek hat dies unter Berücksichtung der mitwirkenden Mannigfaltigkeiten in einer auch auf das Rechtssystem zutreffenden Weise zusammengefasst: „Es ist ein Gesellschaftssystem, dessen Wirkungsweise nicht davon abhängt, dass wir gute Menschen finden, die es handhaben, oder davon, dass alle Menschen besser werden, als sie es jetzt sind, sondern ein System, das aus allen Menschen in all ihrer Verschiedenheit und Kompliziertheit Nutzen zieht, die manchmal gut und manchmal schlecht, oft gescheit, aber noch öfter dumm sind.6 Ihr (sc. Adam Smith und seiner Anhänger) Ziel war ein System, in dem es möglich ist, die Gewähr der Freiheit allen zu geben und nicht, wie ihre französischen Zeitgenossen es wollten, die Freiheit auf die ‚Guten und Weisen‘ zu beschränken.“7 Die von Smith geforderte Wiederherstellung der natürlichen Freiheit und Gerechtigkeit verdeutlicht einen naturrechtlichen Hintergrund, und selbst wenn man diesem heute mehrheitlich skeptisch gegenübersteht,8 kann man dies am besten begreifen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass für Smith die natürliche Freiheit nicht in irgendeinem wörtlichen Sinn zu verstehen ist, sondern von den gesetzlichen Institutionen her, die Leben, Freiheit und Eigentum schützen.9 Was indes Smith über das Verhältnis des Naturrechts zum positiven Rechts dachte und ausweislich seiner Theorie der ethischen Gefühle in der geplanten Rechtstheorie ausführen wollte,10 hätte womöglich zu einem aufgeklärten Naturrecht führen können und wäre als solches vor allem in rechtsphilosophischer und weniger in rechtstheoretischer Hinsicht bedeutsam gewesen. Die jüngste Weltwirtschaftskrise veranschaulicht, wie sehr die Wiederherstellung des natürlichen Systems der vollkommenen Freiheit und Gerechtigkeit mit gesetzlichen Mitteln und allfälligen Beschränkungen nottut. Die wie ein Flächenbrand um sich greifende Krise hätte vielleicht verhindert werden können, wenn vor allem die angloamerikanischen Gesetzgeber die von Adam

_____ 5 Vorlesungen (Üb. Brühlmeier, 1996) S. 163 (LJ(B) p. 191: “Nothing is more difficult than perfectly to secure liberty.”). 6 Hayek (2005) GS B 3, S. 522 Fußnote 7. 7 Hayek (2002) GS A 5, S. 3, 13. 8 Hart (1955) S. 175; ders. (1958) S. 593, auf der einen Seite; für eine Wiederbelebung des Naturrechts aber Fuller (1963), der ebenda auf S. 6 übrigens eine Unterscheidung von Smith zugrunde legt; Dworkin (1977); Überblick bei Auer (2007) S. 931. 9 Hayek (2005) GS B 3, S. 79 mit Fußnote 26, unter Verweis auf Bentham (1887) S. 48. 10 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 570 (TMS VII.iv.37).

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§ 4 Zusammenfassung und Folgerung

Smith aufgestellten strikten gesetzlichen Vorgaben einer Bankenregulierung beherzigt hätten, deren Eingriff in die natürliche Freiheit er mit der gemeinschaftlichen Verpflichtung zum ‚Bau einer gemeinsamen Brandmauer‘ vergleichend verteidigt. Jedenfalls hat Smith mit Recht betont, dass es nicht nur um die Wiederherstellung der vollkommenen Freiheit, sondern eben auch der Gerechtigkeit zu tun ist. Freiheit ist für Adam Smith nur dann vollkommen, wenn sie verantwortungsvoll gebraucht wird; nur dann und nur so vervollkommnet sie auch die Gerechtigkeit. Schon in der Zusammenschau der rechtsrelevanten Stellen der Theorie der ethischen Gefühle mit denen des Wohlstands der Nationen – und nicht erst durch die, freilich ergänzend beizuziehenden Lectures on Jurisprudence – offenbart sich die rechtstheoretische Konzeption Smiths. Die beiden von Smith autorisierten Werke sind konstitutiv für seine Rechtstheorie, die Lectures on Jurisprudence allenfalls deklaratorisch. Auch ohne die Mitschriften lässt sich nämlich entgegen der Tendenz der meisten modernen Exegeten des angloamerikanischen Rechtskreises die Essenz seiner Rechtstheorie aus den beiden Hauptwerken rekonstruieren. Auch wenn man die Lectures on Jurisprudence im Sinne des vorherrschenden angloamerikanischen Schrifttums so liest, dass sie einen Eindruck davon geben, wie die von Smith nicht mehr ausgearbeitete Rechtstheorie hätte aussehen können, ist es alles andere als ausgemacht, dass diese Ausarbeitung wesentlich neue – und vor allem: zeitlos gültige – Erkenntnisse über das Recht zutage gefördert hätte. Denn die zeitgebundene Darstellung des positiven Rechts mit seinen historischen Bezügen, wie sie sich in den Lectures on Jurisprudence andeutet, ist heute nur noch mit Abstrichen aufschlussreich. Inwieweit Smith aber das Recht auf dem tragfähigen Fundament einer Moraltheorie mit den Herausforderungen der Ökonomie versöhnt, kann man auch ohne die Vorlesungsmitschriften im Wohlstand der Nationen erfahren,11 und begründet sein bleibendes rechtstheoretisches Verdienst.12

_____ 11 Cooke (1935) S. 326, 328: “The close correspondence between the Lectures on Justice and the ‘Wealth of Nations’ suggests the conclusion that Adam Smith’s matured view of the ‘general principles of law and government’ appear in the ‘Wealth of Nations’.”. 12 Brühlmeier (1988) S. 181 bezeichnet als das Wesentliche treffend „eine auf der menschlichen Natur, insbesondere ihrer charakterlichen Eigenschaften (wie Verletzbarkeit, Sympathie-Struktur) basierende Individualrechtstheorie, eine betonte Sensibilität für die Geschichtlichkeit und den Regelcharakter des Rechts und seiner positiven Institutionen, eine breit abgestützte, aber nicht exklusiv und nicht einmal primär utilitaristische Folgenorientierung sozialen Handelns, und schließlich eine ausgewogene Berücksichtigung von Effizienz- und Gerechtigkeitsaspekten.“; Hervorhebung nur hier.

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Gerechtigkeit steht bei Smith über der Effizienz, zumal da er in seinen beiden Hauptwerken die langfristige Ineffizienz ungerechter Regelungen herausgearbeitet hat. Effizienzgesichtspunkte haben für Smith keine unbedingte Geltung, sondern nur unter dem Vorrang und Vorbehalt einer moraltheoretischen Fundierung. Adam Smith hat erkannt, dass Rechtsstaatlichkeit ihren Preis hat, dessen Entrichtung für den Staat jedoch auch volkswirtschaftlich lohnend ist. Die unsichtbare Hand, die sich nicht von ungefähr zunächst in der Theorie der ethischen Gefühle, ferner in Smiths ‚Geschichte der Astronomie‘ und schließlich im Wohlstand der Nationen findet, setzt zwar keine gleichmäßige Güterverteilung, wohl aber die Einhaltung effektiver rechtlicher Regeln und damit einen umfassenden individuellen und institutionellen Rechtsschutz voraus. Allerdings enthält diese Begründung einen schalen Rest, der sich in aller Hässlichkeit zeigt, wenn in einer Weltwirtschaftskrise ungehemmtes und letztlich amoralisches Spekulieren mit den Preisen von Grundnahrungsmitteln diese lebensnotwendigen Güter zu Lasten der Ärmsten der Armen unerschwinglich macht und damit Hungersnöte ermöglicht. Dann geht es in konsequenter Fortführung der Moraltheorie Adam Smiths letztlich um das, was im theologischen Schrifttum mit Recht als ein moraltheoretisches Postulat des ‚anständigen Wirtschaftens‘ formuliert worden ist.13 Das wäre dann keine schlichte Wohlverhaltensregel, sondern auch und gerade in einer wettbewerbsorientierten Wirtschaftsordnung ein zwingendes Gebot einer mit den Mitteln des Rechts zu gewährleistenden materialen Ethik. Schließlich galt der Armutsanalyse und -bekämpfung als elementarer Herausforderung der Gerechtigkeit Smiths besonderes Augenmerk. 14 Die Fortführung des Smithschen Ansatzes könnte dann in systematisch begründeter Analogie zu den von ihm ausdrücklich anerkannten Eingriffstatbeständen so aussehen, dass die globalen Spielregeln, d. h. auch und gerade die sanktionsbewehrten Rechtsregeln,15 nicht hinreichen, um solchen Missständen entgegenzuwirken und daher vervollkommnet werden müssten – und zwar durch eine effiziente Kapitalmarktregulierung, die solches Gebaren buchstäblich radikal, nämlich von der Wurzel des moralischen Übels her, verhindert. Dass damit unter Umständen die natürliche Freiheit einzelner Rechtsunterworfener gesetzlich zugunsten anderer Individuen in einem völlig anderen Rechtskreis beschränkt werden könnte, ist kein prinzipielles Hindernis. Diese Möglichkeit der Fern-

_____ 13 Küng (2010). 14 WN (Üb. Recktenwald, 2003) S. 59 (Book I.viii.15, p. 84 pp.); Sen (2003) S. 112. 15 Theorie (Üb. Eckstein, 2004) S. 396 (TMS VI.ii.2.17).

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§ 4 Zusammenfassung und Folgerung

wirkung ist in der Person des unparteiischen Zuschauers durchaus angelegt.16

_____ 16 Sen (2003) S. 112, 116; ders. (2010) S. 11 Fußnote 2, 73, 152 f., 157, 165, 171, 197, 431. Zur Möglichkeit der Fernwirkung gesetzgeberischer Werturteile in der Rechtsdogmatik grundlegend Heck (1914) S. 230 f.; dazu Canaris (1964) S. 163; Petersen (2001) S. 18.

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Literaturverzeichnis

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Personenverzeichnis

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Personenverzeichnis Personenverzeichnis Personenverzeichnis Aaken, A. van 16, 49 Abramson, K. 36, 60 Ackermann, Th. 25 Adomeit, K. 39 Andree, G. J. 227 Anspach, R. 261 Appeldoorn, J. G. 53 Aristoteles 65, 69 Arlen, J. 16 Arrow, K. 1, 50 Ashraf, N. 16 Aßländer, M. 3, 10, 14, 20, 29, 52, 198 Auer, M. 267 Bagolini, L. 11 Ballestrem, K. Graf 12, 23, 119 Becker, G. S. 16, 49 Bentham, J. 28, 93, 166, 169, 216, 267 Berman, H. 19 Bezzenberger, T. 169 Billet, L. 261 Binswanger, H. C. 222 Bittermann, H.-J. 45, 59, 82, 263 Blach, S. 20 Black, J. 2 Blackburn, S. 59 Böckenförde, E.-W. 213 Böhm, F. 165 Bonar, J. 10 Boswell, J. 42 Boulding, K. E. 1 Brandt, R. 117 Brennan, G. 25 Brentano, L. 29, 95, 116, 200 Briefs, G. 141 Bright, J. 108 Brown, V. 60 Brühlmeier, D. 5 f., 11 f., 19 f., 26, 41, 44, 51, 64, 68 f., 77, 90, 99 f., 103, 105, 107, 109, 113 f., 117, 119, 144, 167, 171, 175, 178, 191, 193, 197, 210, 218, 233, 236 ff., 240, 242, 264, 268 Buchan, J. 4

Buchanan, J. M. 6, 13, 25, 30, 161, 174, 187, 193, 266 Burke, E. 5, 166, 181 Camerer, C. F. 16 Campbell, T. D. 10, 26, 42, 46 f., 186, 193, 200, 215, 261 Campbell, W. F. 66 Canaris, C.-W. 38, 64, 77, 92, 112, 114, 148, 150, 151, 171, 191, 208, 270 Cannan, E. 2, 20, 29 Cicero, M. T. 65, 138, 198, 264 Coase, R. 33, 175 Cobden, R. 108 Colbert, J.-B. 94 Comte, A. 27, 190 Condorcet, M. J. A. N. C. Marquis de 50, 75 Cooke, C. A. 174, 184, 235, 268 Cordasco, F. 2 Cowen, D. L. 227 Cropsey, J. 158 Cudworth, R. 36 Cunningham, W. 152 Danford, J. W. 95 Danner, P. L. 53 Dante, A. 100 Dahrendorf, R. 102, 122 Darwall, S. 225, 251 Debreu, G. 1 Denis, A. 42, 62, 84, 197 Derrida, J. 206 Devine, D. J. 184, 188, 195, 244 Diederichsen, U. 147 Diekmann, A. 16 Disraeli, B. 102 Douglas, M. 157 Dreier, H. 179, 263 Dunn, W. C. 181 Durkheim, E. 27 Dworkin, R. 99, 103, 267 Eckstein, W. 2, 4, 11, 22, 34, 44, 46, 53, 80 f., 86, 109, 198

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Personenverzeichnis

Ehlers, D. 150 Eidenmüller, H. 25, 128, 140, 154, 244 Engels, F. 143, 144 Engisch, K. 148 Englerth, M. 16 Ernst, W. 13 Esser, J. 205 Eucken, W. 123, 165 Evensky, A. 191 Ferguson, A. 5, 12, 77, 180, 181, 187 Feuerbach, A. v. 80 Fikentscher, W. 41, 81, 102, 118, 123, 130, 145, 158, 184, 202, 215, 219, 252 Fitzgibbons, A. 10, 105, 114, 130, 159, 190 Fleischacker, S. 32 f., 35 f., 122, 227 Fleischer, H. 188 Forbes, D. 20 Foucault, M. 10, 15 Franklin, B. 2 Freeman, R. D. 243 Freudenthal, G. 21 Fricke, C. 11, 59, 65 Friedman, M. 9, 193 Friedman, R. 193 Fuller, L. 267 Galbraith, J. K. 24 Gans, E. 40 Garrett, A. 60 Gibbard, A. 183 Gill, E. R. 23 Giuliani, A. 11 Goethe, J. W. v. 222 Gordon, B. 25 Gottfried, P. 165 Grampp, W. D. 52 Gray, A. 227 Greschmann, K. 231 Griswold, C. L. 10, 60, 66, 84 f., 211, 225 ff., 229 f., 256 Grotius, H. 69, 121 Gutmann, Th. 140 Haakonssen, K. 4, 6, 11, 14, 21 f., 46 f., 56, 59, 73 f., 82, 85 ff., 112 f., 116,

120 ff., 131, 134, 171, 207, 213, 238, 253, 257, 264 Hanking-Wolgast, E. 101 Hanley, R. P. 68 Hardin, G. 183 Hardin, R. 183 Hart, H. L. A. 99, 103, 267 Hasbach, W. 10, 21, 81, 113 Hasek, C. W. 32 Hayek, F. A. v. 5 ff., 11, 12 f., 15 f., 25, 27 f., 30, 31, 37, 39, 47, 49, 50, 52, 69 f., 87, 93, 101, 102, 103, 104, 108, 123 f., 126, 127, 145, 149, 155, 159 f., 165, 166, 167, 173, 175, 178, 179 ff., 183, 187, 188 f., 190, 194, 195, 197 f., 199, 215 f., 220, 223, 224, 229 f., 240, 242 f., 256, 267 Heck, Ph. 270 Heckmann, D. 147 Hegel, G. W. F. 32, 38 ff. Heinemann, A. 14, 24, 30, 108, 123, 130, 152 f., 165, 177, 183, 197, 206, 215, 262 Heldrich, A. 128 Helvetius, C. A. 29, 95 Henrich, D. 9, 40 Hensel, A. 251 Herget, J. E. 8 Herman, A. 4 Hermann, F. B. W. v. 149 Hicks, J. R. 15 Hirsch, F. 197 Hirschman, A. O. 31, 40 f., 56, 79, 81, 91, 95, 98, 122, 155, 158, 171, 181, 192, 220 ff., 235 f., 254 Hobbes, Th. 35, 89, 121, 148, 159, 217 f., 218, 223 Hösle, V. 42 Hoffmann, F. 216 Hoffmann, G. 263 Hollander, S. 41, 243, 252 Holmes, O. W. 117 Honneth, A. 31 Hont, I. 180 Hook, A. 12 Hope, V. M. 9 Horne, T. A. 218

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Personenverzeichnis

Hottinger, O. 31, 80, 162 Humboldt, W. v. 91, 93, 150, 231 Hume, D. 5, 7, 9, 11 f., 13, 16, 29, 44 ff., 73, 96, 108, 112, 166 f., 175, 181, 185, 190, 196, 200, 224 Hurwicz, L. 1 Hutcheson, F. 9, 12, 16, 20, 29, 45, 80, 112, 121 Hutton, J. 2 Ignatieff, M. 180 Jäger, C. 110 Jastrow, I. 113 Jensen, H. 9 Jestaedt, M. 148 Jhering, R. v. 184 Jolls, C. 49 Jost, P. J. 16 Kant, I. 5, 9, 31 ff., 39, 55, 60 f., 79, 106, 128, 148 Kennedy, G. 11, 60 f., 91, 102, 107, 124, 158, 183, 210, 233 Kersting, W. 183 Keynes, J. M. 30, 81, 222 Kirchhof, P. 250 Kirste, S. 140, 244 Kittsteiner, H.-D. 191 Klaiber, W. 11, 24, 26, 30, 128, 262 f. Klenner, H. 2, 11, 17, 38, 41 f., 45, 80, 93, 112, 123, 144 Klöhn, L. 16 Knies, C. G. 29 Küng, H. 42, 53, 58, 73, 102, 194, 199, 225, 258, 269 Küppers, M. 172 Landau, P. 18 f., 178 Landes, W. M. 238 Larenz, K. 146 La Rochefoucauld, F. de 15, 44, 144, 155 Leenen, D. 25, 174, 188, 216 Leidhold, W. 9 Lepsius, O. 117, 132 Lerche, P. 92 Lessing, G. E. 10

293

Lightwood, M. B. 2 Lindbeck, A. 1 Lindgren, J. R. 4, 46, 79, 83, 107 Locke, J. 5, 6, 166, 240 Loewenstein, G. 16 Löwer, W. 147 Lohmann, G. 32, 59, 65 Loske, R. 167 Lomasky, L. 25 Luhmann, N. 153, 171, 254 Luterbacher-Maineri, C. 73 MacCormick, D. N. 4, 6, 11, 14, 25, 91, 103, 105, 110 f., 119, 137, 142, 185, 191 f., 201, 234 ff., 239, 250, 264, 266 Macfie, A. L. 10, 26, 29, 31, 46, 83, 189 f. Machiavelli, N. 127, 144 Mackie, J. L. 12 Macleod, A. M. 193 Mäler, K.-G. 1 Malloy, R. 25 Mandeville, B. de 217 ff., 220, 221 ff., 237 Manstetten, R. 52, 104, 155 Marx, K. 12, 40 f., 80, 124, 130, 143, 144, 176 Maskin, E. 1 Mathis, K. 25, 30 f., 42, 51, 66, 72, 74, 76, 78, 81, 83, 106 f., 115, 122, 149, 155, 162, 185, 188, 191 f., 194, 198, 200, 221 f., 260 Mayer-Schönberger, V. 210 McMahon, Ch. 193 Medick, H. 19, 113, 115, 217 Medicus, D. 140, 172 Meek, R. L. 3, 19, 24, 40 Menger, C. 182, 183 Merolle, V. 11 Mestmäcker, E.-J. 4, 6, 11, 14, 17, 24 ff., 37, 39, 46 f., 49, 52, 55, 93, 96, 105, 106, 115, 117, 124, 130, 131, 133, 135 f., 154, 158 f., 164 f., 175, 186, 187, 194, 196, 202, 214, 231, 232, 263, 264 Millar, J. 20 Miller, D. 11 Mill, J. St. 44, 229 f.

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Personenverzeichnis

Mises, L. v. 230 Möllers, Ch. 240 Montesquieu, Ch.-L. de 13, 90, 146, 171, 181 f., 219, 235 f., 240 Morrow, G. R. 2, 14, 47 Müller-Armack, A. 165 Myers, M. L. 8, 10, 199 Myerson, R. 1 Nagel, Th. 50 Narski, I. S. 11 Newman, J. H. 56 Nida-Rümelin, J. 50, 185 Nieli, R. 28 Nietzsche, F. 49, 54, 56, 71, 100, 127, 253 Nozick, R. 62, 183, 184, 193 Nussbaum, M. 44 Oechsler, J. 8, 169 Oncken, A. 2, 29 ff., 33, 112, 149, 174, 228 Otteson, J. R. 10, 51 Page, H. F. 222 Pascal, B. 79 Paszkowski, W. 23 Patten, S. N. 9 Patzen, M. 186 Paley, W. 5 Persky, J. 39, 43, 189, 191 Pesciarelli, E. 3, 19 Peter, F. 50 Phillipson, N. 264 Platon 65 Polanyi, K. 225 Polanyi, M. 194 Popper, K. 231 Posner, R. A. 16, 25 f., 154, 188, 238 Pound, R. 8 Prodi, P. 117 Pufendorf, S. v. 121, 217 f. Quesnay, F. 29, 254 Rae, J. 190 Raphael, D. D. 2 f., 11, 16, 29, 31, 44 f., 48, 55, 63, 180, 198

Rawls, J. 106, 199 f. Raz, J. 99 Recktenwald, H. C. 3 f., 14, 19, 31, 45, 59, 74, 227, 231 Ricardo, D. 15, 38, 39, 40 f. Riesenfeld, S. 8 Riezler, E. 119 Ritter, J. 39 Roberts, J. G. 63 Robbins, L. 227 Romilly, S. 2 Rosenberg, N. 223 Ross, I. S. 1, 3, 30 f., 41 f., 46 f., 82 f., 96, 114, 116, 157, 167, 176, 186, 193, 196, 225, 238, 254, 261, 264 Rothschild, E. 3, 25, 31 Rousseau, J.-J. 44 Rude, G. 38 Rümelin, M. 119 Rüstow, A. 135 Rüthers, B. 148 Runciman, W. G. 1 Salter, J. 9 Salvucci, P. 11 Samuelson, P. 1 Savigny, F. C. v. 175 Say, J.-B. 38, 39 Scalia, A. 63 Scherer, M. 56 Schernikau, F. 72 Schlettwein, J. A. 255 Schmid, H. B. 50 Schmidt, J. 222 Schober, K. 148 Schöneburg, V. 93, 150 Schumpeter, J. 4, 9, 14, 24, 60 Schuster, G. 222 Scott, W. R. 9, 19 Sen, A. 1, 4, 6, 9, 10 f., 15, 18, 22 f., 25, 31, 33, 35, 47, 49, 50, 52, 58, 61 f., 63, 64, 69, 73 f., 75, 79, 96, 104, 106, 125, 133 f., 138, 150, 151, 154, 155, 164, 169, 171, 183 f., 193, 195, 199, 200, 202, 216, 222, 269 f. Seneca, L. A. 198 Shaftesbury, A. A. C. 81, 83

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Shakespeare, W. 25 Sher, R. B. 12 Sidgwick, H. 81 Singer, R. 173 Skarzynski, W. v. 10, 29, 116 Skinner, A. S. 12, 20, 102, 184 Solomon, R. C. 65, 229 Solon 177, 214, 225 Sommer, A. 122 Spaemann, R. 245 Spengler, J. J. 218 Spiegel, H. W. 222 Stammler, R. 109 Stein, P. 4, 6, 11, 14, 60, 67, 74, 101, 112, 127, 141, 187 Stewart, D. 235 Stewart, M. A. 198 Stewart-Robertson, J. C. 138 Stigler, G. J. 25, 133, 137, 227, 243 Stiglitz, J. 164, 188, 196, 226 Streminger, G. 97, 112, 166, 228 Stürner, R. 40, 106 Sunstein, C. 49 Tacitus, C. P. 208, 215 Taylor, W. L. 12, 45 Thaler, C. 49 Theunissen, M. 42 Teichgraeber, R. F. 10, 28, 127 Tobin, J. 183 Tönnies, F. 27 Townsend, P. 1 Trapp, M. 11, 27, 31, 40, 42, 45, 53, 67, 82, 106, 157, 161, 166, 192, 198, 200, 219

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Tucker, J. 5, 181 Tugendhat, E. 9, 10 Turgot, A. R. J. 29, 254 Utz, St. G. 247 Väyrynen, K. 38 Verburg, R. 3 Vico, G. 237 Viehweg, T. 264 Villiez, C. v. 33, 65 Viner, J. 4, 24, 30, 198, 223, 227, 255 Vogenauer, St. 147 Vogl, J. 40, 181, 190, 219, 222 Voss, Th. 16 Wagner, G. 174 Walder, R. 40, 83, 94, 184 f. Waszek, N. 12, 39, 198 Weber, Max 27, 73, 77, 128, 212, 236 Weizsäcker, C. Chr. v. 1 Werhane, P. H. 184 West, E. G. 198 Westermarck, E. 48 Weulersse, G. 254 Whyte, I. D. 143 Wieland, J. 183 Willis, K. 160 Wilson, T. 184 Winch, D. 211 Zeyss, R. 29, 225 Zimmermann, R. 142

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