Domitian und die Dichter. Poesie als Medium der Herrschaftsdarstellung 3525252536, 9783525252536


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Domitian und die Dichter (2004)
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Hypomnemata - Band 154
......Page 2
ISBN: 3525252536......Page 4
--> Inhalt......Page 5
Vorwort......Page 7
1. Einleitung......Page 9
2. Domitians Herrschaftsdarstellung. Die anderen Instrumente......Page 25
2.1 Urheberschaft......Page 27
2.2 Zielgruppen......Page 36
2.3.1 Die thematischen Schwerpunkte......Page 45
2.3.2 Die Expression zwischen Innovation und Epigonalität......Page 70
2.3.3 Domitians Philhellenismus......Page 74
2.3.4 Die Materialität der Instrumente......Page 79
2.4.1 Räumliche Verbreitung und zeitliche Ausdehnung......Page 81
2.4.2 Der kombinierte Einsatz mehrerer Instrumente......Page 83
2.5 Ausblick......Page 85
3. Die Rezeption der Dichter......Page 87
3.1 Rezitationen......Page 88
3.2 Kleine Gedichtbroschüren (libelli)......Page 94
3.3 Die Epigramm- und die Silvenbücher......Page 100
3.4 Vertrieb durch den Buchhandel......Page 103
3.5 Breitenwirkung......Page 105
3.6 Resümee: Die Rezeption der Domitiangedichte......Page 108
4. Domitian als Patron der Dichter......Page 113
4.1 Die nichtkaiserliche Literaturpatronage......Page 114
4.2 Der Kaiser als Patron......Page 119
4.3.1 Marlial und Statius - keine Hofdichter......Page 129
4.3.2 Domilian als Literaturpatron......Page 133
4.4 Resümee......Page 140
Silva 1,1: ECVS MAXIMVS DOMITIANI IMP.......Page 143
Silva 4.2: EVCHARISTICON AD IMP. AVG. GERM. DOMlTIANVM......Page 167
5.3.1 Silva 1,6: KALENDAE DECEMBRES......Page 181
5.3.2 Silva 2,5: LEO MANSVETVS......Page 198
Silva 4,3: VIA DOMITIANA......Page 199
Silva 4,I: SEPTIMVS DECIMVS CONSVLATVS IMP. AVG. GERMANICI......Page 215
Silva 3,4: CAPILLI FLAVI EARINI......Page 229
5.7 Resümee......Page 241
6.1 Die militärische Imago des Kaisers......Page 245
6.2 Der Kaiser als Euerget......Page 266
6.3 Zensorische Maßnahmen......Page 280
6.4 Die sakrale Imago des Kaisers......Page 291
6.4.1 Vergleiche mit den himmlischen Göttern und deus-Titulierungen......Page 293
6.4.2 Befestigung der flavischen Dynastie I: Das Templum Gentis Flaviae......Page 301
6.4.3 Befesligung der flavischen Dynastie II: Vergöttlichte Verwandte......Page 306
6.4.4 Domitian als Herkules - Herkules als Domitian......Page 310
6.4.5 Der Palast als Himmel......Page 317
6.4.6 Zusammenfassung......Page 320
6.5 Sonderfall: Die an Domitians Umfeld adressierte Dichtung......Page 322
6.6.1 Die chronologische Entwicklung der Panegyrik......Page 328
6.6.2 Der Vergleich mit Statius......Page 339
7. Schlussbetrachtung......Page 342
8.1 Quellen......Page 358
8.2 Sekundärliteratur......Page 360
9.1 Namen- und Sachregister......Page 380
9.2 Stellenregister......Page 391
Neueste Literatur zu Martials Kaiser-Epigrammen......Page 354
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Domitian und die Dichter. Poesie als Medium der Herrschaftsdarstellung
 3525252536, 9783525252536

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Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben

Herausgegeben von

Albrecht Dihle, Siegmar Döpp, Dorothea Frede, Han s-Joachim Gehrke, Hugh L1oyd-Jones, Günther Patzig, Chri stoph Ri edweg, Gisela Striker Band 154

Vandenhoeck & Ruprecht

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Jens Leberl

Domitian und die Dichter Poesie als Medium der Herrschaftsdarstellung

Vandenhoeck & Ruprecht

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Verantwortlicher Herausgeber: Hans-Joachim Gehrke

Bibliograrische Informalion Der Demschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliograrie: de tai llierte bibliografische Daten s ind im Internet fiber abrufbar. ISBN 3-525-25253-6 Hypomnemata ISSN 0085- 1671

CI 2004. Vanden hoeck & Ruprecht in GÖllingen I www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlieh gesc h ützt. Jede Verwertung in anderen als de n geset2.lich zugelassenen Fällen bedarf de r vorherigen schriftlichen Einwilligu ng des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages ö ffemlich zugä nglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer ents prechenden Nutzung flir Lehr- und Unterrie htszwec ke. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co. Gedruckt auf alterungsbcständigem Papier.

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Inhalt Vorwort

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1. Einleitung

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2. Domitians Herrschaftsdarstellung. Die )anderenExpressionanderen< Instrumente

Die ausführliche Darstellung der expression de la majesle Domitians soll als Basis für die Untersuchung der Dichtung dienen. Daher werden die wichtigsten Instrumente und Medien der HerrschaftsdarsteUung behandelt, die Dichtung hingegen zunächst außer Acht gelassen. Die Untersuchung strebt keine Vollständigkeit an und sie beansprucht in den Einzelheiten keine Originalität. Die Instrumente der Expression lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Die erste Gruppe bilden alle Fonnen der unminelbaren Kommunikation und Interaktion des Kaisers mit den Untertanen. Dazu zählen das Auftreten des Kaisers in der Öffentlichkeit (die »direkteste Fonn der Selbstdarstellung« I), Triumphfeiern und alle Veranstaltungen, auf denen der Herrscherkult zelebriert wurde, des Weiteren alle Arten von Euergesien, materielle Spenden des Kaisers und die vielfältigen Spiele und Spektakel in Theater, Zirkus oder Arena. Jede dieser Maßnahmen fand, im Falle Domitians, (fast) ausschließlich in der Hauptstadt bzw. im Feld, d.h. auf militärischen Expeditionen, stan. Sie erreichten also nur die stadtrömische Bevölkerung oder diejenigen Menschen, die sich in der Gegenwart des Kai sers befanden. Allen ilbrigen Untertanen musste davon durch andere Medien (z.B. Milnzen) berichtet werden. Folglich stehen uns dafilr v.a. indirekte Quellenzeugnisse zur Verfügung. Eine Ausnahme bilden jedoch öffentliche Bauwerke, die als Euergesie rur die Bevölkerung der Hauptstadt verstanden wurden. Alle Mittel und Wege der kaiserlichen libera!itas waren in hohem Maße institutionalisiert; sie wurden von den Untertanen erwartet. Aber auf das »Wie« kam es an: das Verhalten des Princeps bei der Gewährung von Wohltaten und die Nuancen, in denen sich seine Euergesien von denen der Vorgänger unterschieden. Die Fonnen des direkten Kontakts mit den Beherrschten hatten, bei aller Wiederholung, einen je singulären Charakter; sie waren niemals gleich. Sie mussten im Sinne der Weberschcn Perpetuierung des Herrschcrcharismas1 ständig erneuert werden. Zu der zweiten Gruppe zählen die Instrumente, die zeitlich und/oder räumlich unbegrenzt einsetzbar bzw. (Hir die Untertanen) antreffbar waren. Das gilt v.a. rur die Münzen und die in vielen Varianten vorhandenen Kaiserbilder sowie rur die 1 Kuhoff t993. 2l. 2 Siehe dazu Weber 1972. 142-148; Gehrke 1982. 267.

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Domitians Herrschaftsdarstellung. Die >anderenl Instrumente

auf Münzen oder in Inschriften zu lesende Titulatur der Kaisers. Sie waren dauerhaft und nicht an einen Ort gebunden. Das gilt auch fUr den Herrscherkult, der durch Münzen, Statuen, Bauten oder Inschriften vermiuelt wurde. Bauwerke, die neben dem Euergetismus auch andere Aussagen transportierten, kannten eine räumliche, aber keine zeitl iche Grenze. Die symbolischen Eigenschaften des Kaisers, die von vomeherein durch Medien verkündet werden, waren zwnindest theoretisch fUr die Gesamtheit der Untertanen bestimmt und auf Dauerhaftigkeit angelegt . Dafür stehen uns mit den Münzen und den Bauten direkte Quellenzeugnisse zur Vertugung, während durch die damnatio memoriae Domitians keine Statuen unverändert erhalten sind .) Die Münzen sind unsere mit Abstand beste Quelle tur die kaiserliche Selbstdarstellung. Durch ihre große Stückzahl konnten sie viele und vielfcUtige Aussagen transportieren und flexibel, wie sie waren, die Untertanen am besten erreichen. Aus der unterschiedlichen räum lichen und zeitlichen Reichweite und dem direkten bzw. vermittelten Charakter der Herrschaftsdarstellung folgt: Die einzelnen Instrumente und Medien hanen unterschied liche expressive Quali täten. Entsprechend unterschieden sich die Botschaften und Wirkungen der Instrumente voneinander. Ihre Summe machte die Expression des Kaisers aus. Ist daher die Behauptung zulässig, dass sich aus den Einzelaussagen ein genau umrissenes und durch den Kaiser intendiertes Bild von sich zusammensetzte? Diese Frage soll Kapitel 2. 1 über die Urheberschaft klären: Wurde die Ostentation der kaiserlichen Imago ausschließlich vom Kaiser bzw. einem Stab von Beratern' gestaltet oder nahmen die Untertanen darauf Einfluss? - Es erschien als sinnvoll, die Untersuchung der domitianischen Herrschaftsdatstellung nicht nach Instrumenten zu strukturieren, sondern nach den Untersuchungsaspekten, die rur die Behandlung der Dichtung interessieren. Nach der Frage der Urheberschaft werden die Zielgruppen unter die Lupe genommen (2.2): Lassen sich bestimmte Themen rur einzelne Gruppen von Untertanen spezifizieren, und welc he Gruppen wurden vom Kaiser besonders angesprochen? Ausftihrlich werden im Anschluss die thematischen Schwerpunkte dargestellt (2.3.1). Welche Themen gehörten zur kaiserlichen Konvention, welche ließen eine spezifische domitianische Handschrift erkennen (2.3.2)? Unter den Vorbi ldern ist den griechi sch-hellenisti schen Einflüssen ein eigenes Kapitel gewidmet (2.3.3). Einen gesonderten Blick lohnt

3 Aus Grilnden der Arbeitsökonomie .....erden Inschriften nur vereinzelt herangezogen. In Bezug auf den Verbreitungsgrad und die Rezeplion .....eisen sie keine sonderlich großen Übereinstimmungen mil der Dichtung auf. 4 Wenn in diesem Kapilel vom Princeps bzw. Kaiser als Urheber seiner Herrschaftsdarstellung die Rede ist. so iSI hier nalOrlich immer ein Slab von Beratern mitgedacht. Eine weilergehende Differenzierung ist aufgrund der Quellenlage natürlich nichl möglich und eigentl ich auch nicht notwendig.

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Domitians Herrschaftsdarstcllung. Die )anderem Instrumente

die Materialität der Instrumente, d.h. die Qualität des Materials und der künstlerischen Fonn, da sie den Rahmen rur die Präsentation der Inhalte abgaben (2.3.4). Schli eßlich beschäftigen sich einige Überlegungen mit der Frage, wann und wo die Untertanen ntil der Expression in Berührung kamen, wieweit diese auch in deren Al ltag hineinreichte (2.4. 1). Einer wirkungsvollen und omnipräsenten Expression d iente nicht zuletzt der kombinierte Einsatz mehrerer Instrumente (2.4.2).

2. \ Urheberschaft Der Princeps war nicht der QuclQr aller Instrumente und Medien se iner Herrschaftsdarste llung. Er konnte es auch gar nicht sein, stand dem doch das Bedürfnis von Städten, Körperschaften oder Einzelpersonen, ihn zu ehren, im Wege oder regional verschiedene Vorstellungen, wie der Herrscher zu sein hatte. Bevor aber die die fo nnale Urheberschaft der kaiserlichen Zentrale behindernden Aspekte, regionale Unterschiede, organisatorische Schwierigkeiten, Aktivitäten der Untertanen S ilO sponte, behandelt werden, soll zunächst die in der neueren Forschung häufi g di skutierte Frage des Publikums und seines Einflusses auf die kaiserliche Selbstdarstellung aufgegriffen werden. Die Einwirkung des Publikums sol l exemplarisch an den Kaüerbildnissen in Rom und im Reich dargeste llt werden, da dieser Bereich am besten erforscht ist und sich das hierbei erkennbare Grundmuster des Wechselspiel s zwischen Herrscher und Untertanen auch bei nahezu allen anderen Instrumenten finden lässt. T. Hö lscher hat den Einfluss der Untertanen anhand des Staatsdenkmals untersucht und gezeigt, dass dessen Aussage, da es sich an bestimmte Betrachter wendet, von seinem Publikum mitgeprägt ist: »Oas Denkmal wird hier als Botschaft verstanden, die zwischen Urheber und Betrachter, >Senden und >Adressat(, vermitte lt und zugleich von beiden in hohem Maß geprägt ist. Damit ist ein Grundmodell der Kommunikationstheorie vorausgesetzt.«' Der Kaiser als Auftraggeber von Bildwerken genauso wie der Künstler sind ohne ihre soziale Umgebung nicht denkbar. Gerade der Princeps, dessen Macht ganz wesentl ich auf Akzeptanz beruhte, musste die Vorstellungen und Erwartungen seiner Untertanen bedienen, d&her blieb rur grundlegende Neuerungen in der Gestaltung von Staatsdenkmälern kein Raum . Das galt umso mehr flir die Anfangs- und Konsolidierungsphase sei· ner Herrschaft. »Darum war die Kongruenz von Absicht des Auftraggebers und Erwartungshorizont der Adressaten besonders ausgeprägt.«6 Denn die >Bilder vom Kaiser< exi stierten nicht nur in ihrem räwnlichen Kontext, sondern auch in den Köpfen der Zeitgenossen. P. Zanker hat von »des champs semantiq ues d ' images( 5 HOlscher 1984, 8. 6 HOlscher 1984,9.

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Domitians Herrschafisdarste llung . Die >anderen( Instrumente

gesprochen, Stereotypen, die die Rezeption von Bildern lenken und so den Blick auf die Wirklichkeit vorbestimmen. 7 Auf diese Stereotypen hatte der Kaiser Rücksicht zu nehmen, denn diese zu ändern war, wenn überhaupt, dann nur in einem lang andauernden Prozess möglich. Insofern ist ein Wandel der Bildinhalte, wie ihn Hölscher tUr die Entwicklung des Principats von Augustus zu Trajan konstatiert, zugleich als Zeichen fLir ein verändertes Zielpublikum zu verstehen.' Der Trajansbogen von Benevent richtete sich mit seinem Bildprogramm an einen Adressatenkreis, dessen Umfang die römische Staatskunst zuvor nicht gekannt hatte. »Unter Traian sind die Themen breiterer Schichten, explizit fonnuliert, bi s in die zentralen Staatsmonumente vorged.rungen.«9 Und auch wenn diese Entwicklung vom Beginn des Principats bis ins zweite Jahrhundert, in dem sie ihre Fortsetzung fand, sicherlich nicht e ingleisig und geradlinig verlaufen ist, wird man rur Domitian als den fast direkten Vorgänger Trajans doch von einer ähnlichen Situation sprechen können: Der Flavier errichtete außergewöhnlich viele Bauten tur Spiele, Feste und Spektakel, also Stätten fLir die breite Masse: außer dem fertigzustellenden Kolosseum die Naumachie, das Stadion und das Odeon. Ein neues Theater als Ort der (mehr oder minder) geho benen Unterhaltung kam hingegen nicht dazu. Die Untertanen, so regional verschieden ihre Herrschaftsvorstellungen je sein mochten. rezipierten die Handlungen des Princeps nicht nur. sie bestimmten den Rahmen und die Bewertungskoordinaten mit. Die Ausbi ldung der neuen augusteischen Bildersprache etwa ergab sich, so Zanker, 'O »aus dem Ineinandergreifen von Selbstdarstellung des Herrschers und ihm dargebrachten, mehr oder weniger spontanen Ehrungen, und zwar in einem über weite Strecken hin selbstläufigen Prozelk Ob dem Kaiser diese Selbstläufigkeit immer bewusst war, spielt keine Rolle. Die Beeinflussung betraf nicht nur die Bild- und Baukunst, sondern auch andere Felder und AspekIe der Expression der kaiserlichen Majestät. Wenn der Princeps persönlich in der Öffentlichkeit agierte, war er selbstverständlich stets •

7 Zanker 1994,289. 8 Hölscher t 984, 34. 9 Ebd. ]5. Hölscher sah darin e in »Symptom fil r den sozialgeschichtlichen Wandl ungsprozeß. der seit der fi1lhen Kaiserzeit allmählich zu einer Verlagerung des öffentl ichen Einflusses auf neue Schichten filMte« (e bd.). - P. Zanker ( 1994. 289) hat danl uf hingewiesen, dass die staatlic he Kunst nicht nur unterschiedliche Bildungsgrade und kulturelle Prtgungen ihrer potenzie llen Betrachter berücksichtigen musste, sondern auch die je verschiedene Konzentration und IntensitlU, mit der ein Betrachte r Ihinschaute(. Ihr starker Schematismus sei Beleg dafilr, dass sie an einen oberfl llcht ichen Betrachter adress ien war. Vorausgesetzt, diese Oberfl llchlichkeit ist vom kaiserlichen Apparat angenommen und in Rechnung gestellt worden, bedeutete dies ei ne weitere Steigerung in dieser Entwicklung: weg von einer kle inen gebildeten Elite, hin zu einer regelrechten >Masse nvertrliglichkeilanderen( InsfTUmente

auch von dem kommunikativen Verhalten seiner Untertanen abhängig, sei es bei Akklamationen oder Triumphfeiern, sei es bei den Spielen. Es galt fiir ihn, ad hoc zu reagieren, etwa auf die Sprechchöre und Wünsche des Zirkuspublikums. Es gah weiterhin, bei der Planung von Spielen und Spektakeln die Zuschauerreaktionen der letzten Veranstaltung zu berücksichtigen und den Vorlieben der Menge zu entsprechen. Die Adressaten wirkten durch ihre Erwartungshaltung und ihr Bild vom Kaiser, das reichsweit durchaus verschieden sein konnte, an der Herrschaftsdarstellung passiv mit. Ich möchte so weit gehen zu sagen, dass sie damit auch zur Legitimierung der Kaiserherrschaft beitrugen. Denn beim Herrschaftsantrin eines neuen Kaisers beteiligten sich die drei relevanten Gruppen im Staat an dessen Legitimierung durch ihre jeweiligen »Einverständnis-ErkJärungen(c: das Heer durch die militärische Akklamation, der Senat durch die Übertragung der Titulatur und die plebs urbana durch die lex in der Volksversammlung. 1L So wie die Herrscherlegitimierung beim Machtantrin von den Untertanen mitbesorgt wurde, so verlief die Herrschaftsdarstellung auch während der Regierungszeit nicht in einer Einbahnstraße. Die Gruppen im Reich hatten daran ihren Anteil. Die kaiserliche Herrschaftsdarstellung unterlag nicht nur dem indirekten Einnuss der Untertanen, vielmehr waren verschiedene Personen und Institutionen in sie involviert, die weder auf Weisung des Princeps handelten noch ihn irgendwie repräsentierten. Dieses Phänomen fand sich im Imperium Romanum umso häufiger, je größer die räumliche Entfernung zur Hauptstadt war. Offensichtlich beschränkte der Herrscher sich oft auf »allgemein gehaltene Vorgaben wie etwa die Belonung bestimmter zeinypischer Wertvorstellungeß«(12 . Um deren Umsetzung kümmerte er sich nicht. Ein kaiserliches Bildnisrecht etwa, das u.a. die Genehmigung von Bildnissen sowie deren Form und Material genau geregelt hätte, hat es ll wohl nicht gegeben. Auch ist der Kaiser keinesfalls immer um Erlaubnis gebeten worden, wenn ein Bildnis rur ihn aufgestellt werden sollte, wie Tiberius' genau darauf zielendes Verbot belegt,I 4 und die Praxis von Slädten und Truppen, nach der Ausrufung eines neuen Kaisers sofort dessen Bildnis zu errichten, ließ in Zeiten schnell wechselnder Herrscher keine Rückfrage um Erlaubnis zu. Der Kaiser 11 Flaig 1992. 193; s.a. Sllnskes' These, dass das Volk »durch Demonstration von Sympathie und Legilimitlll ( ... ) hcrrschaftslegitimiererKIen Einfluß zu nehmen vermoch(tfI (1993. 6). 12 Witschell996, 526. 13 Die Existenz eines Bildnisrechts iSI in der Forschung wiederholt venreten worden, z.B. von lP. Rollin. Untersuchungen zu Rechtsfragen römischer Bildnisse, Sonn 1979, v.a. 94fT. Siehe zur Gegenposilion Pekilry 1985, 144f. 14 Suet. Tib. 26. 1: prohibuit etiam S/aIUas alque imagines nisi permittente se poni. Vgl. Pekäry 1985. 147; dieser ftlhrt allerdings Belege daftlr an. dass u.a. bei Caligula, Claudius oder Trajan wegen der Errichtung von Kaisertempeln angefragt wurde, was sich natllrlich mit der damit einher. gehenden Einftlhrung eines Kaiserkults erk.län (ebd.).

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Domitians Herrschaftsdarstellung. Die )anderen\ Instrumenfe hatte auf die Aufstellung seiner Bildnisse im Reich also längst nicht immer Einfluss oder Kenntnis davon. Die These vom Kaiser al s )Rahmengeber< , nicht als alleinigem Urheber von Kaiserbildnissen wird bestätigt durch P. Zankers Untersuchungen über provinzielle Kaiserporträts. Typenreihen von Bildnissen hingen im I. und 2. Jahrhundert von einem )Urbild< ab, das wahrscheinlich von einem Hofbildhauer nach den Vorgaben des Kaisers angefertigt worden war. Wie gelangten nun die Modelle der offiziellen Porträts in die Bildhauerwerkstätten überall im Imperium Romanum? Von den Urbildern müssen sehr zahlreiche Kopien angefertigt und selbst in entlegene Gebiete des Reiches geschickt worden sein.15 Die Organisation einer flächendeckenden Verbreitung dieser Kopien im Imperium Romanum durch den Kaiser bzw. seine Beauftragten fand allerdings nicht statt. Die Kaiser ließen zwar offizielle Bi ldnisse anfertigen und stellten diese den Bildhauerfinnen in Rom und im Reich zwecks Vervielfältigung zur Verfugung. Sie kümmerten sich aber trotz der hohen politisch-sakralen Bedeutung der kaiserlichen Imago nicht um die Verbreitung der Vorlagen, geschweige denn um deren Rezeption in den Provinzen. Es gab offenbar keinen mil solchen Aufgaben der kaiserlichen Selbstdarstellung betrauten Apparat. 16 Der Princeps nahm keinen Einfluss darauf, in welcher Form seine bildlichen Vorgaben in den Provinzen umgesetzt wurden. Es spricht einiges dafiir, dass das bewusst unterlassen wurde, um den großen regionalen Unterschieden in Griechenland, Kleinasien oder Nordafrika Rechnung zu tragen, künstlerisch-stilisti schen Traditionen genauso wie HerrSChaftskonzeptionen und -vorstellungen. Denn dass die Untertanen sich grundsätzlich an den (inhaltlichen) Vorgaben des Kaisers orientierten, war selbstverständlich und brauchte nicht extra veranlasst zu werden. Für die Zeit nach Ende der julisch-c1audischen Dynastie hat T. Hölscher beo~ bachtet, dass die Monumente außerhalb Roms, die sich seit Augustus ))als Kopien oder Umbildungen auf die Denkmäler der Hauptstadt(( bezogen hatten, diesen Bezug nunmehr verloren. Dadurch hatte auch das geistig-kulturelle Niveau der stadtrömi schen Oberschicht seinen stilbildenden Einfluss auf die Provinzbevölkerung eingebOßt. 17 Die kulturellen Identitäten der Provinzen kamen nun stärker zum Tragen.

15 Zanker 1983. 8. 16 Ebd. 44 ; dagegen meint Pekäry, dass »jeder neue Herrscher. auch die ersten, ihr offi zielles Bildnis sofon nach Regierungsantrin mindestens in die Milit! rlager schicken mußten (siel) und daß diese dann kopien werden konnten« (1985, 24). Allerdings liefen er dafUr keinerlei Belege. S. 43 begrilndel er seine These: »damit die Soldaten den Eid auf ihn (i.e. den Kaiser) schwören konnten«. stellt dann aber die Frage (und lasst sie unbeantwonel), ob ZlIm Eid Oberhaupt ein Kaiserbildnis notwendig gewesen wäre (ebd.. Anm. 16). 17 Hölscher 1984, 33 f.

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Domilians Herrschaftsdarslellung. Die landeren < Instrumenie

Durch den kaiserlichen Verzicht auf genaue stili sti sche und formale Vorschriften »war es den Untertanen nun aber möglich, bei der Rezeption der Vorgaben aus der Zentrale auch eigene Vorstellungen einfließen zu lassen«lI. RegionaJ unterschiedlich stark ausgebildete ikonographi sche Herrscherbildtraditionen sorgten dafilr, dass der Kaiser z.B. in K1einasien als 1Xx000A~ix; dargestellt wurde, nicht als princeps, wie es den senatorischen Vorstellungen entsprach. Das Bild vom Kaiser wurde so geformt, wie es die Untertanen in den Provinzstädten jeweils erwarteten. 19 Mit anderen Worten : Eine von der Hauptstadt aus ins Werk gesetzte Instrumentali sierung der Kaiserporträts filr die expression de la majeste wäre in den Provinzen verpuffi, weil sie auf die je verschiedenen Erwartungen der Provinzialen keine RUcksicht hätte nehmen können. Wenn man den Bildhauern aber ihre freiheit ließ, konnten sie das Bild vom Kaiser in ihrem regionalen Kontext wirkungsvoll konstituieren. e hr. Witschel nennt dies ein ») Wechselspiel < zwischen zentralen Vorgaben und lokaler Rezeption«, das rur ihn das Funktionieren kaiserlicher Selbstdarstellung erst garantierte, »zumal es sich des öfteren beobachten läßt, daß die Kaiser bzw. die jeweils dafür Verantwortlichen wiederum Anregungen )von unten( aufgriffen«20. Es kann also keine Rede davon sein, dass die bildliehe Eigenwerbung des Princeps durch Statuen in einem umfassend durchorganisierten und kontrollierten Prozess aus der kaiserlichen >Denkfabrik< in Rom Uber das gesamte Re ich verbreitet worden ist. Das hatte natürlich Folgen rur den Herrscherkulf und für die titulare Eigenwerbung des Kaisers: Nicht nur die Verehrung der Kai serbilder, sondern auch Kultfeiern , Opfer oder Inschriften religiösen Inhalts unterlagen gleichermaßen den allgemeinen Vorgaben aus der kai serlichen Zentrale und den regional ausgebildeten religiösen Traditionen und Gefühlen.ll Abweichungen in der epigraphischen und numismati schen Nomenklatur Domitians dUrften ebenfalls auf die regional verschiedenen Vorstellungen der Untertanen zuriickzufUhren sein. Die griechischen Inschriften handhabten die Titulatur insgesamt fle xibler und freier als die lateini schen. Es nUh ihr Reichtum an schmeichelnden Epitheta rur Domitian und Domitia auf, ohne dass systematische Unterschiede festzustellen wären.22 Eine Bronzemünze aus Judäa mit der ungewöhnlichen Legende öOMET KAlI: rEPMA , in der der AYTOKPAT.o:P- und der I:EBAI:TOI:-Titel fehlen , unterstreicht diesen Befund: T. V. Buttrey hat angenommen, dass eine lokale MOnzprägestätte nach 83 eine Domitian-Münze aus vespasianischer Zeit, als 18 Witschel 1996. 528. 19 Zanker 1983.47. 20 Witsche! 1996, 528. 2 1 Siehe C lauss 1999. 472. 22 Siehe Martin 1987, 169 und 206. Siehe zu Domitians Titulatur in Igyplischen Dokumenlen Grenier 1989, 40-4 5 und 92-94.

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Domitians Herrschaftsdarslellung. Die )anderen( Instrumente

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Domitian lediglich Caesar war, zum Vorbild genommen und dieser den Titel Germanicus hinzugefügt habe, der im Osten bekannt geworden war.v Die Untertanen in den entfernteren Provinzen antizipierten also die kaiserliche Expression und gestalteten sie nach eigenen Vorstellungen aus. 24 In den Provinzen unterlag die expression de la majesle seltener dem direkten Zugriff des Kaisers. Dies lag an unüberwindbaren organisatorisch-praktischen Hindernissen, die sofort einsichtig sind . In die meisten Gegenden seines Reiches konnte der Kaiser eben niemals gelangen (oder gelangte zumindest Domitian noch nicht). Es war aber auch in der Respektierung regionaJer kultureller Unterschiede begründet, die man sich im Gegenteil zunutze machte. Neben den regional verschiedenen Herrschaftsvorstellungen und Stiltraditionen hinderten auch die teils mangelhaften Fähigkeiten der Bildhauer den Kai ser daran, seine Herrschaftsdarstellung zentral und unmodifiziert zu verbreiten. Dazu kam, dass nicht immer gute Vorlagen fllr die Bildnisse vorhanden waren.H Die direkte Einflussmöglichkeit des Kaisers auf seine eigenen Statuen blieb al so auf Rom beschränkt. 26 Diese Bestandsaufnahme fUr den frühen Principat gilt es flir spätere Zeiten zu revidieren: Seit dem drinen Jahrhundert haben wir Belege dafür, dass die neu ins Amt gekommenen Kaiser durch die Aussendung ihres )offiziellen< Bildnisses Einfluss auf die Aufstellungsbräuche der Städte im Imperium Romanum genommen haben. Da war längst (nämlich seit 68/69) die Praxis etabliert, dass jedem neuen Kaiser sofort und überall Statuen errichtet wurden, was aus Tacitus' Bericht über das Vierkaiserjahr hervorgeht. 21 Im Gegensatz zur Bild- und Baukunst fand in der römi schen Miinzprägung von Augustus hin zu den Flaviem eine wachsende Zentrali sierung stan. Unter Domitian wurde erstmals beinahe die gesamte MUnzausgabe des westlichen Imperium Romanum von der Hauptstadt aus besorgt. Die technisch-organisatorischen Schwierigkeiten, die die Verbreitung von Kaiserbildem in das ganze Imperium sowie die Einflussnahme auf Bauprojekte allüberall in den Provinzen verhinderten, fielen für das MUnzwesen weg. Die Gold- und Silbermanzen wurden fUr das gesamte Reich in der Kapitale geprägt. Die Organisation des Aesmünzwesens 23 1990, xi. BMC Pa lästina, S. 244, 34-39 . 24 Buttrey dagegen erklllrt diesen Fall und auch »the great variety in the nomenclature in the epigraphy and papyri« mit »private carelessness o r ignorance« ( 1990, iv), was mir a ls eine zu negative Wertung erscheint: Die lokalen Multiplikatoren setzten bewusste, wenn auch je verschiedene Akzente. 2 5 Zanker 1983, 46. Vgl.a. Cla u$S 1999, 4 78r.: »Es waren ( ... ) wahrscheinlich d iese eher bescheidenen Darstellungen, welche die Verbreitung des Ka iserkultes in s!mlliche Be völkeru ngsschic hten hinein dokumentierten.« 26 Vgl. Bergemann 1990, 4 3, der das fllr die Reiterstatuen zeigt. 2 7 Tac. h ist. 3,7 und 3, 12f. ; vgl. Pekäry 19 85, 23 und 152.

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Domi1ians Henschaftsdars1e1lung. Die ,anderen j Instrumente

erreichte in Domitians Regierungszeit ihre volle Reife, und auch wenn vielerorts in den östlichen Provinzen Münzen herausgegeben wurden, so blieb die Zahl individuell gestalteter Exemplare gewöhnlich kJein und erlangte nicht den Verbreitungsgrad ihrer römischen Pendants. lI »From 85 to 96 the uniformity of Domitian 's coinage is undo ubtedly ilS most noticeable characteristic. The consistency of standards is almost equalled by the regularity of legend forms and typology and the methodicaJ cyele of production in oll denominations.«19 Zudem hatte schon in Neros Administration zu den Aufgaben des minister filr finanzielle und wirtschaftliche Angelegenheiten auch das Milnzwesen gezählt, wie Statius in seinem Trostgedicht an Claudius Etruscus über dessen Vater hervo rhebl. lO Gemeinsam mit einer verstärkten Differenzierung verschiedener Milnzsorten, die zum Thema )Zielgruppen( (unten S. 38) noch behandelt werden wird, garantierte die Milnzzentralisierung eine größere Kontrolle ilber die via MUozcn vermittelte Herrschaftsdarstellung. Die effektivere Einflussnahme auf die Ikonographie ging einher mit der Milnzproduktion in größeren Massen, so dass Alexandropoulos von einer )>cpoque de pleine maitrise dans I' utilisation politique de la mo nnaie« gesprochen hat.}1 P. Lummel beobachtete filr die gesamte frühe und mittlere Kaiserzeit einen engen Zusammenhang zwischen den Zielgruppen der Reic hsmUnzen und der Politik eines Kaisers und kam zu dem Ergebnis: »Die Typen der Reichsprägungen erdachten nicht irgendwelche niederen Beamten, sondern sie entstanden in Abstimmung mit dem Kaiser.«ll Plausibel sei die Annahme, dass )>nicht immer Typen, sondern oft nur allgemeine Richtlinien in der kaiserlichen Zentrale von den amid festgelegt wurden, die den Münzstätten gewisse Freiräume der Auslegung ließen(~l. Zwi schen den Milnzen und den anderen Instrumenlen der Expression sind in puncto indirekter Einflussnahme der Untertanen Parallelen denkbar. Aber auch Zeugnisse direkten korrigierenden Eingreifens durch den Kaiser sind Uberliefe rt .J.t Für das gesamte Milnzwesen kann man also beinahe von einer direkten und alleinigen Urheberschaft des Kaisers sprechen.

28 Alexandropoulos 1994, 81f.; Camtdice 1983,4 , der weilere Belege rur d ie ungleich höhere Bedeutung der .....estlichen Mtlnzproduk1ion gege nObel" der östlichen liefen (S. 2-4). 29 Camtdice 1983, 143f. 30 Sial. silv. 3,3,86-105 ; vg!. auch Soulhem 1997, 6Of. und Hannestad 1986, 137. 3 1 1994, 87, vgl. auch S. 79. Camdice 1983, 148 komml zu einem sehr llhnlichen ResOmee: »The Roman Imperial coinage was, after atl, produced in Rome, and il is unlikely 10 have been overlooked by Domitian 's walchful eye.tc 32 Lummell99I , 103f. 33 Ebd. 104. Ähnlich Gmyrrk 1998, 23, die resOmien : »Obers1e Kontrollinstanz muß ( ... ) letztendlich der Kaiser gewesen sein.tc 34 Lummel ftlhn zwei Beispiele von Caligula und Trajan an (ebd. 104).

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Domitians Herrschaftsdal'5tellung. Die

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Wer war nun als Urheber, allc/or, Stifter oder Dedikant an der expression der kaiserlichen Majestät beteiligt? - An erster Steile natOrlich der Kaiser selbst. Die alleinige Urheberschaft lag bei ihm auf all jenen Feldern, wo er persönlich in Er· scheinung trat und mit dem Volk kommunizierte und interagierte. Das betraf die Feste und Spiele, Triumphfeiern, Congiarien und dono/iva, allgemein den Euerge· tismus und Elemente des persönlichen Herrscherkults; Ober andere Kulthandlungen, wie die Deifizierung von verstorbenen Verwandten oder die Errichtung von Tempeln, entschied er ebenfalls allein. Zwar mögen sich die Verantwortlichen der Herrschaftsdarstellung auch rur das Auftreten des Kaisers in der Öffent lichkeit nach Vorstellungen und Anregungen )von untene gerichtet haben - was sogar sehr wahrscheinlich ist - , das ändert aber nichts daran, dass der Monarch der alleinige aue/or seines öffentlichen Agierens war. Aber auch auf jenen Feldern, die von vorneherein durch Medien verminelt wurden und die noch mehr mit Symbo lik zu tun hatten, spielte der Princeps als Urheber eine gewichtige Rolle . Wir haben schon gesehen, dass Domitian reichsweit die Richtlinien fUr das Müozwesen vorgab. Er bestand persönlich auf der durchgehenden Verwendung von Minerva·, Jupiler- und Germanicusmoliven sowie dem präzisen Erscheinen seiner jeweils aktuellen Titulatur. lS Sueton berichtet, Domitian habe sich intensiv um seine Administmtion gekümmert; darunter fiel wohl auch die Oberaufsicht Ober die Bauprojekte: »Under the Flavians, and probably in his [i .e. Domitian] reign, the opera Caesaris (or Department ofPublic Works) increased its influence markedly and was, at the very least, consulted on a11 programmes of any size.anderen( Instrumente

selbst. l1 Dem Senat stand es - neben der Aufstellung öffentlicher Kaiserstatuen zu, Triumphbögen und Tempel rur konsekrierte Kaiser zu bauen.J • Aber auch dem Tilusbogen und dem Tempel fUr Vespasian und Titus werden Absprachen zwi· sehen dem Senat und dem Kaiser, wenn nicht gar eine informelle kaiserliche Initiative vorausgegangen sein. J9 Es handelte sich hier alSo um eine inoffizielle Urheberschaft des Kaisers. Nichtsdestoweniger wird er von jedem Betrachter der Statue als der eigentliche, der wahre auctor angesehen worden sein. Diese Aussage lässt sich verallgemeinern: Der Princeps galt als Urheber der meisten Monumente, die von ihm persönlich weder in Auftrag gegeben noch bezahlt worden waren. Die eigentlichen Urheber waren dagegen andere: »Au lieu d' un commanditaire, nous en avons plusieurs: le senat, les cites, les corporations, les individus. «40 Außerhalb Roms bewilligte formal offenbar der Senat die Einfilhrung von Spielen und einen Tempel zu Ehren des Kaisers, wie ein Beispiel aus Nikomedeia unter Commodus zeigt. Da der Antrag daflir aber von Saoteros, dem cubicularius, also dem Kammerdiener, des Commodus gestellt worden war, belegt dieser Fall die verdeckte Urheberschaft des Princeps.~l Filr Kaiserstatuen, die abseits der Hauptstadt aufgestellt wurden, fungierte häufig die jeweilige Stadt als Stiftenn. Die Städte entschieden ilber Priester aus ihren Oberschichten, die Errichtung von Tempe ln und die OestaJtung des eigenen Festkalenders, alles Maßnahmen des Kaiserkults, die dieser billigte.'l Die Provinzen waren in ihrer Selbständigkeit recht unterschiedlich: Nur im Osten ging die Initiative zu Herrscherkulten von ihnen selbst aus, da nur in deren Koina Organe existierten, die fllr die AusfUhrung der Kulte sorgen konnten.'} Filr Kaiserstatuen übernahmen auch städtische tribus oder Phylen, collegia oder andere Berufsgruppen, religiöse Vereine (wie diejra/res Arvales) oder einzelne Gruppen innerhalb des Heeres die Rolle des Dedikanten. 44 Schließlich Privatleute: Wenn sie auf eigene Kosten ein öffentliches Kaiserbildnis errichten ließen, dann diente dies oft als Zeichen ihrer Loyalität zum Kaiser. Gelegentlich mag dies vom Herrscher verlangt gewesen sein, häufiger werden diese Ehrungen spontan und aus freien Stilcken erfolgt sein. 4' Dann entslanden die Kaiserbildnisse selbständig und 37 Das belegt Statius' Aufforderung an Domilian am Ende von silv. 1,1: utere perpetuum populi uragnique lenotus munei'e (v. 99f.) Siehe Elergemann 1990. 42. 38 Der Senat sl1mmte aber die Vergönlichung eines Kaisers ab, so dass ein Tempel rur einen divus ohne die Zustimmung des Senats fonnal nicht möglich war. Dies zeigt die Inschrift auf dem Tempel rur Vespasian und Titus: Diuo Yespasiano AugustoSPQR (Cll 6,938). 39 Siehe Darwal1-Smith 1996,32 und 233 . 40 Zanker 1994, 283 . 41 Cass. Dio 73 ,1 2, 2: s. PekAry 1985. 4. 42 Siehe Clauss 1996, 421 . 43 WI050k 1978,46. 44 Pekary 1985. 7-9.

45 Ebd. 10.

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Domilians Hcrrschaftsdarslcllung. Die larn!crCn( Instrumenlc

ohne Vorgabe, und der Kaiser hane auf sie keinen Einfluss noch Kenntni s davon. ~uch der Euergetismus außerhalb Roms, panis el circenses, gegeben von kaiserlichen Stanhaltern, diente ohne kaiserliches Wissen der Expression der Majestät. Zu gemeinsamen Urhebern wurden der Kaiser und die Untertanen, wann immer Herrscherkult zelebriert wurde. Auf die Wohltaten des Herrschers, die das Volk auch erwartete, antwortete es mit kultischen Ehrungen als Ausdruck der Dankbarkeit. Der Herrscher reagierte darauf mit neuen beneficia. Der Kult verkörperte also den institutionalisierten Dank der Untertanen. oI6 In diesem Wechselspiel hanen beide Seiten ihre erwartete Rolle zu spielen. Natürlich hatte aber auch hier der Kaiser das letzte Wort : Tiberius entschied darüber, in welchen Provinzen er seine göttliche Verehrung durch Tempel gestattete und in welchen nicht.~ 7 Wenn andere formale Urheber - der Senat, Provinzstädte, gesellschaftliche Gruppen, Einze lpersonen - die Errichtung von Kaiserstatuen, Kultbauten oder neue Formen der kultischen Kaiserverehrung außerhalb Roms beschlossen, wurden diese Dinge Teil der Herrschaftsdarstellung und galten »nach außen hin ( ... ) als >Werke des Kaisers«(~·. Wie sah aber im umgekehrten Falle das Verhältnis zwischen dem Kaiser als dem tatsächlichen Auftraggeber und dem Aus filhrenden einer Statue, des Palastes oder eines Gedichtes aus? Der Künstler eines Kaiserbildnisses trat vollständig hinter sein Werk und den Abgebildeten zurück . Der Architekt des Palatins und anderer Bauten Domitians, Rabirius, ist uns wohl bekannt, wenn auch sein Licht nicht so hell wie das seines Bauherren strahlen konnte. In diesem Spannungsfeld zwischen dem Kaiser al s dem tatsächlichen oder dem nur als solchen angesehenen Urheber, einem anderen Auftraggeber und dem Ausfil.hrenden (oft: Künstler) wird die Person des Dichters in den weiteren Kapiteln \ dieser Arbeit zu positionieren sein.

2.2 Zielgruppen Es war oben (S. 30) die Rede davon, dass der römische Kaiser zwar offizielle Bildnisse von sich als Vorlage filr die Bildhauer in den Provinzen anfertigen ließ, in deren Verbreitung indes nicht eingriff. Das bedeutet, dass er sich auch um deren Rezeption im Imperium Romanum nicht kümmerte. Die Überprüfung von P. Zankers Satz: »( . .. ) das gilt wohl fü r die meisten Bereiche kaiserlicher Repräsentation((~9, fUhrt zu der Frage: Wie zielgruppenorientiert wurden die Instrumente der

46 C lauss 1999. 476. 47 Tac. ann. 4,37; vgl. C lauss 19%, 432. 48 WitsK1ie beiden Hauptanliegen der kaiserlichen Sponsoren bei den Theaterbauten ( ... ) die Ordnung der Massen und ihre symboli sche Beteiligung an der Politik« '". Der Kaiser in seiner Loge saß im Mittelpunkt und deutlich herausgehoben zugleich. Ähnlich eine Reihe von Milnzrückseiten: Diese zeigten Domitian zusammen mit römischen BUrgern und Soldaten . Er sitzt erhöht über den Untertanen, die z.T. unterwürfig dargestellt sind, oder er steht im Zentrum einer G ruppe, alle Blicke auf sich ziehend. Es ist sicher kein Zufall , dass diese Bilder auch religiöse Topoi verwendeten : »The Roman citizens approach the enthroned flgure of the Emperor from below, making gestures which have religious impon but also demonstrate their inferiority before Domitian, who answers them with a pious gesture of his own.«It9 Der Propagierung der kaiserlichen Macht und Autorität diente zusätzlich die Titulatur. I. Carradice beobachtete die ) inclusion and careful numeralion of all the [85 Ebd. 157-[59und 163- 165. [86 BMC 58--69; 249r. ; 458-463; 47 1-4 73 ; 50 1-503 ; s iehe Carradice 1983, 142-145. 187 Je nac hdem, wie man Fries B der Cancel[aria- Reliefs deutet: Lange glaubte man, Fries B habe Vespasians RlIckkehr aus dem Krieg in JudAa und dem BOrgerkrieg (70 n.Chr.) zu m ursprllnglic hen Gegensland gehabt. Bis M. Bergmann, Zum Fries B der navische n Cancellariarel iefs, Marburger Winc kelmann-Programm 1981. 19-3 1, nachwies, dass es sich wie in Fries A um ein umgearbeiteies ursprüngliches Domitianponrllt handelt (S. 20-25). Demnach wäre hier ein atn-enlus Domitians dargestellt. VgJ. Gmyrek 1998,72. Siehe Kle iner 1992, 183. 188 I 997a, 28. 189 S iehe BrilJianl 1963, 98r., Zitat S. 99. RJC 375-3 76. Der oben (S. 52) schon erwllhnte MQnztyp, Dom ilian gekrönt von V;cloria und mil dem Blitz des Jupiler, der durch seine jlhrl iche Ausgabe eine Konstante des domitianischen MOnzprogramms bildete, gehOr! auch in diesen Zusammenhang. legle er doch die Gleichsetzung Ka iser - J up itcr nahe (Carradice 1983, 144).

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Emperor's tides« in den MUnzlegenden Domitians. l90 Das triffi fUr die meisten Münzen zu ; jedoch finden sich andere (v.a. aurei), die mit dem einfachen Titel Domitianus Auguslus auskamen,191 der in seiner Wirkung und Aussage aber nicht weniger eindrucksvoll gewesen sein muss, zumal er sich auf Augustus bezog:192 Domitian >war einfach< der erste, größte, wichtigste etc. Wurde Domitians Titulatur aber komplett genannt, dann durfte ab 85 der censor nicht fehlen. »Domitian's assumption of censorial power, followed soon after by his appointmenr as censor for life, was widely advertised on coins and inscriptio ns ( . .. ).«191 Keiner von Domitians Vorgängern hatte sich den Titel des censor perpeluus angemaßt. Die Perpetuierung der Zensur Ende 85 war daher eine bedeutende Neuerung, die den Untertanen erst einmal nahe gebracht werden musste, die aber insbesondere den Senatoren nicht gefallen konnte - institutionalisierte sie doch den Einfluss Domitians auf die Zusammensetzung des Senats. l94 Diese Novität illustrierte einerseits das autokratische Principatsverständnis des Flaviers, andererseits zeigte sie den Stellenwert der Zensur fiir ihn: 9S Seine Maßnahmen als Zensor könnte man zwar anders als z. B. Statuen zur Sachpolitik zählen, aber die strikte Trennung von Sachpolitik und Herrschaftsdarstellung fUhrt in die Irre. Die expressive Qualität der SittengeselZgebung des Flaviers ist eindeutig, wie uns Martial demonstriert: In epigr. 6,4 listet der Dichter die domitianische Politik als Zensor gemeinsam mit den wichtigsten Feldern der Expression auf(s.u. S. 281 f.). Der wichtigste Tätigkeitsbereich des Zensors war die Besserung des moralischen Zustands der Gesellschaft und ihrer lnstitutionen. Sueton attestiert Domitian, er habe die römischen Behörden und di e Statthalter in den Provinzen derart straff gefllhrt, dass es zu keiner Zeit ehrlichere und gerechtere Beamten gegeben habe .'~ Besondere Außenwirkung hatten die Theatervorschriften und die EhegeselZgebung. Domitian sorgte daf1lr, dass die alte Sitzordnung im Theater wieder beachtet wurde, die die ersten vierzehn Reihen hinter der Orchestra den Rittern

190 Carradice 1983, 144; ebd. 142 heißt es: »( ... ) the titulalure was reorganised to include all ofDomitian's litles, including the newly-acq uired Germonicus.(( 191 BMC 44·; 141·-144; 226t-228 U. 8 . 192 Die augusteischen MOnzen trugtn i.d.R. kurze Tilu]aluren wie CAESAR AVGVSTVS, AVGVSTVS oder AVGVSTVS DIVI F. 193 Jones 1992, 106. 194 Vgl. ebd. 171 sowie Christ 1995, 275 und 283f. 195 Bunrey 1971 zeigt, wie Domitian den Titel des censor perpetuus auf den MOnzen etabliertanderenl Instrumente

sentative Platzanlage neben den bereits existierenden Kaiserforen . Deren Verbin· dung stellte Domitian mit dem Forum Transitorium als Scharnier her und machte aus den einzelnen öffentlichen Plätzen ein kohärentes politisches Zentrum .232 Für das Vergnügen und Wohlbefinden des Volkes schufen die römi schen Kai· ser repräsentativen, großzügigen, prunkvollen öffentlichen Raum. Domitian tal sich auch dabei hervor: Der Chronograph von 354 schrieb ihm Bäder, die Thermas ntianas et Traianas, zuYJ Seine Bauten tUr die verschiedenen Arten von Spekta· kein wurden schon erwähnt. Ebenso wie die öffentlichen Plätze machten die Kai· ser diese Orte der Spiele zu »Orten der Politikc~. Denn al s >Volksbautene, die dem Volk vom Kaiser geschenkt wurden, waren sie mit ihrem Prunk und ihrer Großzügigkeit nicht nur angenehme Orte des Sich· Wohlfühlens, verbunden mit politischen Botschaften von den kaiserlichen LeislUngen. Sie hatten zusätzlich die Funktion, weitere Euergesien des Kaisers, die dem Volk gestifteten Spiele, und das Zusammensein und die Kommunikation von Volk und Kaiser in einem gigan· tischen und ästhetisierten Umfeld (einem voll besetzten Stadion) mögli ch zu ma· chen. Mit den Spielstätten, Bädern oder dem Forum Transitorium errichtete Domiti· an repräsentative Bauten mit einem konkreten Zweck. Die Verbindung von Nut· zen und Repräsentation war >>eine ideale Kombination zur Dokumentation von Tatkraft und FOrsorge und zum Nachweis [seiner1 Berechtigung fur die Herr· schaftsausübungcc 2J5 • Jede Euergesie verband Nutzen und Repräsentation und hatte deshalb einen hohen Stellenwert tUr die kaiserliche Selbstdarstellung, denn am Euergetismus maßen die Untertanen die Qualität eines Kaisers. 236 Vor allem anderen thematisierte die Herrschaftsdarstellung aber die Person Domi· !ion selbst. Das war das Hauptcharakteristikum der Münzen B7 ebenso wie die be· sondere Botschaft der Bauwerke oder des Kaiserkuhs. Es sei nur noch einmal an die bildlichen Darstellungen erinnert, auf denen Domitian gemeinsam mit Gotthei· ten zu sehen war, z.B. die Kronen der Jupiterpriester und des Flavi schen Priester· kollegiums, die bei dem kapitolini schen Wettkampf dem präsidierenden Kaiser assi stierten.lU 232 Hier. chron. S. 191 , ed. R. Helm; Man. 10.51 ,12: vgl. Kolb 1995a, 373·)75. 233 MGAA IX S. 146. 234 Zanker 199730 30; Sue!. Dom. 5. 235 Kuhoff 1993, 20; $.a. ebd. 42. 236 Vgl. Zanker I997a, 36. 237 Siehe Carradice 1983, 148: >~ ... ) what is eXlraordina ry i5 the extent 10 whic:h Domitian, or his innuence. dominales Iypology.« 238 S.o. S. 53. Suel. Dom. 4,4. Vgl. Lumme! 1991 , 76 und Darwal[-Smith 1996,252. Fears 1977, 224 setzte gegen dieses Suetonzeugnis den epigraphischen und numismatischen Befund. in dem er keinerlei Anzeichen rur den GOnlichkeitsanspruch des Kaisers zu finden venncintc. Ledig-

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17-mal übernahm der Flavier das Konsulat, das er jeweils vom I. Januar bis zum 13. Januar oder maximal Ende Februar bekleidete. Unter Domitian waren, bis auf den Kaiser selbst, alle Konsuln, ordinarü und sulJecli, in der Regel vier Monate im Amt, in Krisenzeiten (etwa im Jahr 90) zwei Monate, eine Entwicklung des I. Jahrhunderts. um mehr Persönlichkeiten die Ehre eines Konsulats zu ennögliehen und so deren Unterstützung fUr den Kaiser zu gewinnen. lJ9 Es wurde üblich, das Jahr nach den am I . Januar antretenden Konsuln zu benennen, auch nachdem diese das Amt aufgegeben hatten.2.cG Je mehr tatsächliche Macht das Amt des Konsuln einbaßte, desto wichtiger wurden seine repräsentativen Aspekte, zumal rur den Kaiser. Diese eponymisierende Funktion war nach Plinius auch rur den Princeps eine Ehre .2~' Zehn der 15 Regierungsjahre Domitians trugen daher seinen Namen . Diese eigentliche Bedeutung des Konsu1ats in der Kaiserzeit war auch Sueton geläufig. Denn unmittelbar nach Domitians 17 Konsulaten kommt er auf die reichsweit durchgefUhrte Umbenennung der Monate September und Oktober in Germanicus und Domitianlls zu sprechen.l4l Der direkte Zusammenhang der Namensgebung rur ein ganzes Jahr und rur ein7.elne Monate dürfte rur den Biographen eine Selbstverständlichkeit gewesen sein. Sueton liefert auch eine Begründung, warum Domitian diese zwei Monate auswählte : qllod al/ero suscepisse/ imperium, al/ero nalus esset, da Domitian im September (81) zur Herrschaft, im Oktober (51) zur Welt gekommen war.20 Die Begründung klingt plausibel , es werden aber auch noch andere Erwagungen eine Rolle gespielt haben. Denn die Mehrzahl von Domitians Vorgängern hatte zu diesem Mittel der Expression gegriffen, Bestand hatten zu Beginn des domitianischen Principats aber nur die Änderungen von luHus Caesar und Augustus gehabt. Um diese Reihe fortzusetzen, war Tiberius die Umbenennung des September und des Oktober angetragen worden (was dieser - wie so vieles - ablehnte), Cal igula hatte

lieh eine (im Vergleich zu den Vorgllngem) weiter gehende Bereitschaft Domitians konzediene er, Verehrungen als eine Gottheit zu akzeptieren. Diese Position darf indes mit M. Clauss, Kaiser und Gott (1999) als widerlegt gelten. 239 Suet. Dom. 13,3; vgl. auch Cass. Dios Zeugnis. Domitian habe sich rur zehn aufeinander folgende Jahre zum Konsul wahlen lassen (67.4.3), was mit den Nachrichten der Ilbrigen Quellen schwer vereinbar ist. Siehe Kneissl 1969. 47 und Buttrey 1980. 37. Siehe zur Besetzung des KonsulalS Gallivan 1981 , 186-220. be$. S. 195. 240 Siehe B. KIlbier. Consul. RE 4.1 (1900) 1112-11 38. hier 1130. 241 Plin. paneg. 58.3. 242 Dom. 13.3; vgl. CLauss 1999. 244 und Hardie 1983, 194. 243 Siehe zu weiteren Quellenzeugnissen von der Änderung der Monatsnamen Scon 1936. 158- 160. In der armenischen Version der Chronik des Eusebios wird berichtet, der Oktober sei in Parthenicus umbenannt worden (a.Abr. 2102). Siehe zum Zeitpunkt der NamensAnderung Scou 1936. 16Of.

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den September in Germanicus umgetauft.2« Es lag also rur den Flavier nahe, ebenfalls den neunten und zehnten Monat als Träger seiner Namen auszuwählen. Jedoch erging es ihm nicht besser als Caligula oder Nero: Infolge der damnalio memoriae wurden der September und der Oktober wieder rtIckbenannt. 2H Auf den Kaiser als Hauptthema der Herrschaftsdarstellung wi rd im folgenden Kapitel über die domitianischen Innovationen zulilckzukommen sein .

2.3.2 Die Expression zwischen Innovation und EpigonaliUiI Domitian fiihrte, indem er die Nachfolge seines Vaters und Bruders antrat, die flavi sche dynasti sche Linie im Principat fort. Insofern war es nahe liegend, gerade in der Anfangszeit bewährte Elemente der fl avischen Herrschaftsdarstellung aufzugreifen, um die dynastische Kontinuität und damit die eigene Berechtigung zur Herrschaft zu betonen. Da Vespasian und Titus ihrerseits natOrl ich auch nicht bei null angefangen hanen, fanden sich vorflavische Spuren ebenso bei Domitian. Je länger die Amtszeit dauerte, desto eigenständiger konnte die Ostentation der Imago werden und wurde sie bei Domitian auch . Die Zitate aus den MOnz-Emissionen vieler Vorgänger ebenso wie die unterschiedlichen Stile der Staatsrel iefs scheinen zunächst auf eklektizistische Tendenzen hinzudeuten.2'" Jedoch waren die Anleihen nicht beliebig, sondern wiesen in eine eindeutige Richtung: Es gab eine MOnzreihe mit den Bildnissen von Mitgliedern der julisch-claudi schen Dynastie.w Das Domitianporträt im Museo dei Palazzo dei Conservatori gi ng einen Schritt weiter, denn es verwies nicht einfach auf die Vorgängerdynastie, sondern näherte das Aussehen des Flaviers dem juli schclaudischen an . Trotz Domitians tatsächlicher Kahlheit war es mit einem vollen Haarschopf ausgestattet: )Onlya fuH cap of hair with comma-shaped lacks would allow Domitian to ally himself with hi s Augustan and Julio-Claudian predecessors.(~41

Der Tempel des luppirer CUSIOS, Domitians Ausdruck der Dankbarkeit für seine Rettung im ßOrgerkrieg auf dem Kapitol, folgte einem Vorbild des Augustus: 244 Suet. Tib. 26,2; Calig. 15,2; nur Nero bildete eine Ausnahme: Suet. Nero 55 ; Tac. anno 16.12.3; s. Jones 1996. 114; $con 1936. 158; Coteman 1988.80. Scon diskutien rudem die Frage. welche Monate im !gyptischen Kalender von Domitian in ff.A.iClV1.ICOr; und 6.opmClvb; umgetauft wurden ( 1936. 16]-165). 245 Plut. Numa 19,4; Macr. Sat. 1,12,36f. 246 Kennzeichnend Rlr die MDnzen Domitians war ~Ia reprise de thtmes appanenanl desor· mais! une vrntable tradition iconographique constituee des appons de chaquc rtgne anterieunc (Alexandropoulos 1994, 82). Zu den Staatsreliers siehe Kleiner 1992, 194 : ,, 11 i$ apparent from our discussion or Domitianic state relier scu lpture thatthere was no one dislinctive style used b)' ar1ist$ and workshops in the imperial emplo)'.• 247 RJC 45]-464. Siehe Alexandropoulos 1994 , 84 . 248 Kleiner 1992, 177.

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Ei nem Blitz in Spanien knapp entronnen, hatte dieser als Dank einen Tempel rur luppiler Tonans aufdern Kapitol errichtet.!" Und die Koexistenz von Göttern und Menschen auf den Reliefs von der Cancellaria und dem Titusbogen war »Wldoubtedly a result of Domitian's philhellenic leanings and Julio-Claudian pretension s«l~. Alle diese Referenzen sind nicht schwer zu erk.lären: Augustus als das ideale Kaiservorbild und das julisch-claudische Herrscherhaus al s die Principatsdynastie schlechthin hatten rur Domitian legitimierende und die eigene Herrschaft idealisierende Funktion.Hl Ein inhaltliches Anknüpfen an den Begründer des Principats (und seine Nachfolger) stand demgegenGber im Hintergrund.2S2 Sein Vater hane ihm bereits das Vorbild geliefert: Mit der offiziellen Nomenklatur hatte dieser sich eng an die augusteische angelehnt, um den Bezug zum ersten Princeps. der nach Jahren der Wirren und Bürgerkriege tur Frieden Wld geordnete Verhältnisse im Reich gesorgt hane, demonstrativ herzustellen. Der Befestigung des flavischen Principals diente auch die Übernahme des Konsulats zu Jahresbeginn durch Vespasian und Titus. das sie weit häutiger als ihre Vorgänger oder später Trajan und Hadrian bek.leideten. In diesen Dingen folgte Domitian dem familiären Beispiel. Er ließ sich ebenso oft - und ebenso kurz - zum Konsul wllhlen und übernahm die Titulatur ziemlich getreu (m it Ausnahme des Cognomen Germanicus, s.u. S. 72).Ul So stellte auch er die Verbindung zu Augustus her und bewahrte die flavische Kontinuität. Vespasian hatte den flavischen Herrschaftsanspruch untennauert durch Milnzmotive, die sich direkt an die des Bilrgerkriegs von 69 ansc hl ossen.l~ Auf Akzeptanzgewinn durch militäri sche Bewährung setzte auch Domitian, der zudem auf dem Feld des Kaiserkults und sogar in der Minervaverehrung flavische Vorbilder aufgriff: Minerva bzw. ihre Insignien hatten nicht erst bei Domitian, sondern 249 Suet. Aug. 29,3 ; s.o. S. 51 f. Vgl. Darwali-Smith 1996. 110. 250 Kleiner 1992, 194. 25 1 Die zweite große Traditionslinie, auf die Domitians Herrschaftsdarstellung turtlckgriff. die griechiSCh-hellenistischen Vorbilder, wiro im Anschluss gesondert in Kapitel 2.3 .3 behandelt. 252 Auch wenn es gelegentlich Übereinstimmungen gegeben hat - etwa der demonstrative Rockbetug in der zensorischen Politik oder der Beiname Ge,monicus. der auf Augustus' militarisehes Engagement in Germanien rekurrierte (vgl. Witschel 1997, 101 ) - . so kann von einer systematischen Übernahme augu!>teischer Sdchpol itik dennoch keine Rf!de ~in . Vgi. 1l1lerdings Jones 1992. 72 : »l1e was the new Augustus, in money. morals and religion ( ... ) as weil as in building and entertainment (where he spent lavishly).fC 253 Siehe Gallivan 1981. 195r.; Manin 1987,206; Buttrey 1990. viii. Plinius kritisierte die h0he: Zahl der navischen Konsulate und warf speziell Domitian vor. durch seine ununterbrochene Folge von sieben Konsulaten (82-88) ein longum quendom et sine discr;mine Dnnum geschaffen Zl.I haben (paneg. 58.1). Vgl.a. pancg. 58,4: Miseros Dmbitionis, qui itD cOIUules semper, UI semper pri"clpes erD"t! Auch die nur kurzzeitige Übernahme tadehe er (65.3) und Obersah dabei geflissentlich. dass auch andere Kaiser gelegentlich nur wenige Tage als Konsul amtierten, so l..o. Augustus, Tiberius oder Caligula (Suet. Aug. 26,3; Tib. 26.2; Calig. 17. 1). 254 Siehe Lummel 1991 , 76.

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schon unter Vespasian und Tüus eine wichtige Rolle gespielt. Sie waren mit dem pal/adium und häufiger mit der aegis zu sehen, die ihre MachtUbernahme und ausübung legitimieren sollten. m Die Person des Kaisers als Thema der Expression bedeutete zwar keine Innovation, aber die Häufigkeit seines Erscheinens auf den MünzrUckseiten hatte eine neue Qualität. Schon seit Vespasian wurden der Kaiser und seine Thronfolger auf den Rückseiten deutlich öfter abgebildet als zu julisch-c1audischer Zeit. Für die domitianischen Münzen ist die kaiserliche Dominanz das Charakteristikum schlechthin. 256 »)Parallel dazu nimmt unter Vespasian und Domitian der militärische Habitus des Vorderseitenporträts und der ganzfigurigen Darstellungen zu.«Jn Erstmals konnte man unter Domitian auf den Münzen die Soldaten sehen, wie sie den Truppeneid vor dem Princeps ablei steten.m Schon im Anfangsstadium seiner Herrschaft kamen Darstellungen auf, die Domitian als siegreichen Feldherm in Gennanien zeigten: »The most novel aspect ofthese new reverse types is the prominence (on sestenii) given 10 the Emperor himself, tsking part in various scenes representing hi s victories in Gennany against the Chatti.((2S9 Der Kaiser Domitian war überlegen und unbezwingbar: Vom Pferd herab versetzte er dem schon fal lenden Gegner den entscheidenden Hieb. Die MUnzen zeigten seinen Kampf als ungleiche Auseinandersetzung mit von vomeherein feststehendem Ergebnis.260 Dieselbe Botschaft vennittelte die Titulatur Domitians, die oben (S. 48) schon behandelt wurde. Wie kein anderer vor ihm nutzte er die Nomenklatur, um an seine militärischen Erfolge in Germanien zu erinnern. Nie erschienen Siegesütel auf Inschriften und MUnzen häufiger als unter ihm und Trajan.261 So hat Domitian zwar nur wenig Innovatives in die kaiserliche Titulatur eingebracht, aber das Wenige hat tiefe Spuren hinterlassen und ist von der Mehrzahl se iner Nachfo lger (bis einschließlich Mare Aurel) kopien worden. Seinem Siegerbeinamen Germanicus fo lgte eine lange Reihe von kaiserlichen Epitheta, die an militärische Siege erinnern sollien. Trajan beispie lsweise nahm im Laufe seiner Herrschaft schon drei Siegestite! (Germanicus, Dacicus und Parthicus) an und fol gte damit Domitians Vorbild nicht nur, sondern Ubenraf es noch.M

255 ßMC 11 S. 126, Nr. 586; S. 260. Nr. 188: S . 121. Nr. 565ff., S. 122, Nr. 567-5 71 ; S. 175, Nr. 74 1t und 741: . Siehe Girard 1981 , 24 1. Auf einem Sesterz von 81 nimmt dann auch Domitian das pal/adium (BMC 265). Siehe Girard 1981 .242. 256 Siehe Carradice 1983, 148. 257 Lummel1991 , 76. 258 RlC 260; 288; ßMC 30 1-303 u.a.: vgl. Brilliant 1963. 96 und Bergemann 1990,42. 259 Carradice 1983, 143; Truppeneid: RlC 260; 288; 306 u.a. 260 BMC 339: 380; RlC 284; 344; 361 ; siehe Brilliant 1963, 97 und Bergemann 1990, 42. 26 1 Siehe Kneissl 1969, 43 und 183; Eck 1972, 17 1; Kienasi t996, 39. 262 Siehe Martin 1987, 207 und Kneissl1969. 57.

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Oomilians Herrschaftsdarslellung. Die )anderen( Ins!rumente

Die Divinisierung von Mitgliedern der kaiserlichen Familie war an sich kein neues ikonographisches Thema. »Neanmoins, le traitement iconographique de ce theme, notamment dans le cas du fi Is de Domitien, represente trönant sur un globe et environne d 'astres, est si nouveau que I'on ne saurait ici vraiment parler de la reprise d' un theme ancien.(~61 Der Flavier institutionalisierte den Kult der Kaiser· familie mit größerer Selbstverständlichkeit: Die Verwandten bildeten »his own group of gods« und halfen so, den Kaiser Jupiter gleichzusetzen. 26oI Das Programm Domitians zur Propagierung der eigenen Göttlichkeit war so umfassend, dass er darin alle seine Vorgänger, vielleicht mit Ausnahme des Au· gustus, übertraf. 265 Seine Statuen standen auf öffentlichen Plätzen oder im Palast direkt neben Götterstandbildern, was einige seiner Vorgänger vennieden.l(j6 Zwar wurden alle römischen Kaiser als lebende Gottheiten begriffen. aber es gab in Rom offenbar die Auffassung, dass die Göttlichkeit »durch Akkumulation entsprechender kultischer Ehrungen gesteigert werden kanM, wie ein Tacitus· Zeugnis über Tiberius belegt. 267 Und das war wichtig, denn das Bestreben des Kaisers, seine Vorgänger in möglichst jeder Hinsicht zu übertreffen, galt natürlich auch fw- seine Göttlichkeit.261 Außerhalb Roms, an der Via Appia, stand seit etwa 95/96 sein HerkulesTempel, und dennoch muss er in der Hauptstadt so bekannt gewesen sein wie die dort präsenten Bauten, denn Martial widmete ihm allein drei Gedichte seines neunten Buchs (64 ; 65; 101). In ihm befand sich eine Herkulesstatue mit Domitians GesiChtszügen. Sich auf Herkules zu beziehen hatte eine lange hellenistische Tradition, angefangen bei Alexander dem Großen über Caligula bis zu Nero, aber kein Kaiser vor Domitian hane sich angemaßt, dem Kultbild einer Gottheit seine ZUge zu verleihen. »This temple shows clearly how far Domitian had departed from the traditional reticence prcfcrrcd in such malters by Roman emperors in ltaly.(269 Das Neue an Domitians Herrschaftsdarstellung, auch in der Architektur, war, dass seine Person unverhüllt ins Zentrum bildlicher Botschaften wie jener der Cancellaria-Reliefs rOckte. Darin ging er m.E. weiter als alle früheren Kaiser, Caligula und Nero eingeschlossen. Von seinen Vorgängern und NaChfolgern unterschied ihn außerdem die immens große Zahl von fertiggestellten oder begonnenen Bauprojekten. Er konnte dem Stadtbi ld seinen Stempel aufdrücken wie kaum ein

263 Alexandropoulos 1994, 85; vgl. auc:h Darwall-Smith 1996, 154. 264 Darwall-Smith 1996, 178. 265 Vgl. Clauss 1999, 131. 266 Plin. paneg. 52,2; Cass. Dio 53 ,27,3; Suet. Tib. 26, 1: s. Alfbldi 1980, 65f 267 Tac:. anno4,37; Zila!: Clauss 1999, 487. 268 Siehe zu den MOglic:hkei!en der Sleigerung Clauss 1999, 492. 269 Vgl. Darwall-Smith 1996, 135f, Zila! S. 136. S.a. Sau!er 1934,78 u. Henriksen 1999, 65.

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zweiter, weil der Brand in Rom von 80 ihm buchstäblich den Raum dazu gab: Während andere Kaiser Bauland mühevoll suchen oder kostenintensiv erwerben mussten. konnte Domitian vermutlich preisgünstig an vom Feuer zerstörte GrundstOcke gelangen. Seine architektonische Herrschaftsdarstellung wirkte also schon durch ihre schiere Quantität. oarOber hinaus camouflierte er seine wirkliche Machtstellung nicht mehr, wie es Augustus und wohl noch Vespasian vorgemacht hatten, die auf traditionelle republikanische Befindlichkeiten, V.8 . beim Senst, ROcksicht genommen und in ihrer Selbstdarstellung die res pubJica stärker in den Vordergrund gestellt hatten.no Im Gegenteil, Domitian suchte seine Stellung durch die Propagierung der eigenen Person zu stärken. Der Palastkomplex auf dem Palatin schuf einen Herrschaftsraum flir den Kaiser, der damals ohnegleichen war. »Even though the Golden House fNeros) covered mo re space, and may have de· signed to be just as or even more lavish, its imagery did not attempt to exalt its owner so blatantly as the huge hall s in the Forum building and the Domus Flavia did Domitian.«271 Auch das zeigt das Eigene der Herrschaftsdarstellung des jUngs· ten Flaviers auf dem Thron: Es war oomitian selbst.

2.3.3 Domilians Philhellenismus Domitians Philhellenismus kann in seiner Bedeutung fUr die Ausgestaltung der Herrschaft kaum hoch genug eingeschätzt werden. H. Bengtson schrieb, der Fla· vier sei »von der Liebe zum Hellenenturn durchdrungen« gewesen, bei den Rö· mem damit aber auf wenig Gegenliebe gestoßen: »( ... ) besäßen wir nicht die Äu· ßerungen der Hofdichter, so wäre von der Griechenbegeisterung des Kaisers Oberhaupt nichts Obriggeblieben.ll272 Das trifft nun ganz sicher nicht zu, haben wir doch bis heute die Zeugnisse der Historiker, Münzen und der Architektur, die vom helleni stischen Charakter des domitianischen Principats kUnden. Die Vorliebe des Kaisers rur das Griechische stand in einer langen römischen Tradition. Nach der Republik fanden sich hellenistische Spuren (in unterschied li· ehen Ausmaßen) bei allen principes von Augustus uber Ncro bis zu den Flaviem, sei es in der charismatischen Herrschaftskonzeptio n, sei es im kulturellen Leben oder in der Architektur. Die großen öffentlichen Bauten der Kaiser thematisierten mit ihren Säulenordnungen und Kunstwerken »die Teilhabe des Volkes an der griechischen Kultun~n. Zu Vespasians Templum Pacis etwa, seiner 75 eingeweih· ten Platzanlage mit Tempel, gehörte neben einer lateinischen auch eine griechi·

270 Siehe Darwall-Smilh 1996, 260f. 271 Ebd. 249. 272 Bengtson 1979, 222 . 273 Zanker 1997a. 19.

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Domitians Herrschaftsdarstellung. Die landeren< InSfTUmente

sehe Bibliothek. m Domitians Vater förderte - laut Sueton - als erster (primus) die Bildung, Dichtung und KUnste in Rom : Lateinische und griechische Rhetoren stattete er mit einer jährlichen Pension von 100.000 Sesterzen aus. Prominente Dichter und bildende Künstler erhielten von ihm ein namhaftes congiarium bzw. hohen Lohn . Diese Ausgaben bestritt Vespasian aus demfiscus, der eigenen, kaiserlichen Schatulle .215 Die Protegierung der Bildung, Künste und Wissenschaften hatte die Praxis der hellenistischen Herrscherhöfe zum Vorbild. Domitians Architektur setzte einen noch stärkeren hellenistischen Akzent. R.H. Darwall-Smith rubrizierte den Philhellenismus unter die wichtigsten Botschaften des domilianisehen BauprogrammsY6 Mit dem Tempel rur lsis und Serapis sowie dem Pamphili-Obeli sk griff der Flavier auf ägyptische Götter- und Herrscherkulte zurück, die eine Jahrhunderte währende Hellenisierung erfahren hatten. Die Errichtung eines Obelisks mit Hieroglypheninschriften war in Rom ohne Beispiel/77 ebenso eine solch unverblümte Parallelisierung mit hellenistischen Herrschervorstellungen, wie sie in dem Herkules-Tempel an der Via Appia (s.o. S. 73) zum Ausdruck kam. ))One may call such conduct [i . e. einen solchen Tempel zu bauen] a megalomaniac lass of touch with reality or careful exploitation of eastern attitudes towards divrne kingship.«171 Jedenfall s unterstrich der Herkules-Tempcl, dass sich Domitians Herrschaftsverständnis stark den helleni stischen Vorbildern angenähert hatte. Domitians Forum knilpfte an die späthellenistischen Elemente der Kaiserforen an: Es diente nicht als Versammlungszentrum politisch aktiver Bürger, sondern als Repräsentationsraum. Indem es die bestehenden Foren untereinander verband, förderte es die Abgeschlossenheit des ganzen Komplexes nach außen. Die Frontwirkung des Minervatempel s unterstrich außerdem die Konzeption des Forums als Tempelplatz.279 Mit dem Stadion und dem Odeon enichtete der Kaiser dauerhafte Veranstaltungsorte rur die Capitolia. Das Neue in Rom waren nicht griechi sche Spiele an sich, sondern dass Domitian ihnen eine eigene feste Heimat gab und diese großzügig und prächtig ausgestaltete.210 Hellenistische Statuen dekorierten das Stadion: 274 Kolb 1995a, 388. 215 Suet. Vesp. 18: Cass. Dio 66(65),12. la; s. &.W. Jones, Suetonius. Vespasian. Edited wilß IntroduClion, Commentary and Bibliography, BristoI2000, 101. Vespasian folgte, auch in Suetons Darstellung, lrotz der Ap05trophierung als primus, darin dem Beispiel des Auguslus: Jener habe die Talente seiner Zeil mit allen Mineln getardert (Suel. Aug. 89,3). 276 1996, 252; neben dem Philhellenismus zAhlte er dazu die besondere Siellung als Kaiser, Domitians moralische Vorslellungen und den mililArischen Ruhm. 277 Siehe ebd. 139 und 150-1 53. 278 Ebd. 136. 279 Holsc::her 1984, 9f.; Paul Zanker. Forum Augustum. Das Bildprogramm. TQbingen 1970 (Monumenta Artis Antiquae 2), 6f. 280 Vgl. Junkelmann 2000, 81.

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Domitians Herrschaftsdarstellung. Die

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Die pergamenische sog. Pasquino-Gruppe erinnen.e an Menelaos, wie er den Leichnam des Patroklos barg.l ll Der Torso des ApolIon Lykeios, dessen Replik möglicherweise aus der Werkstatt des Praxiteles stammte, stand im Original im Gymnasion in Athen. lU So wie Vespasian das Kolosseum tUr die römischen ludi gebaut hatte, so schuf sein zweiter Sohn das Stadion und das Odeon rur die griechischen Spektakel, »the fina l act in Rome's he lle nismion«2IJ. Augustus und die juJisch-daudische Dynastie insgesamt. darunter v.a. Nero, hatten der Zahl weltweit stattfindender panhellenischer Spiele weitere hinzugefügt. Während aber etwa die Neronia den Tod Neros nichl ilberlebten, wurden die Capilolia Domitians zu den einzigen dauerhaften griechischen Spielen in Rom bis zu dem Agon von Gordian 111. fUr Minerva (vor 243).1'" Ihr fester Platz in Stadion und Odeon wird ein Grund datUr gewesen sein, ein anderer ihr Prunk, ihr Luxus und ihre Vielfalt, die die griechischen Spiele auszeichneten.lI5 Nach griechischer Art, more Graeco, hatten die kapitolini schen Spiele einen dreifachen Aufbau, mllsicum equestre gymnicllm .l16 Die Konkurrenz umfasste auch griechische und lateinische Prosa. Domitian fUhrte den Vorsitz wie ein griechischer Agonothet: crepidafus purpureaqlle amictus toga Graecanica, mit griechischen Sandalen und in ei ner purpumen Toga nach griechischem Schnitt. Gemeinsam mit dem Flamen Dialis und dem flavischen Priesterkollegium trug er hellenistische Priesterkränze.2I1 Nach seinem Tod fande n die Capilo/ia noch Jahrhunderte lang statt, sie wurden von der damnatio memoriae nicht tangien. . Das lag damn, dass sie nicht nach ihrem Schöpfer hießen und Domitians Rolle dabei verdrängt werden konnte, v.a. aber an ihrem durchschlagenden Erfolg in der ganzen griechischen Welt : Wie umfassende und weit verbreitete Siegerinschriftenfu nde belegen, nahmen die prominentesten und besten Athleten und Künstl er aus dem gesamten Imperium teil. »Ce concours a introduit Rome dans la vie agonistique du monde grec el e n a fait une des capitales; la vi llejouait alors avec ec lat le role de 1tOA. l~ 'EA.A.T'tvi;.(c u Viele Senatoren lehnten die griechischen Wettkämpfe ab, wie bei Tacitus und Plinius zum Ausdruck kommt; man schrieb ihnen eine verweichl ichende Wirkung zu.2t9 Nichts spricht aber dafLIr, dass die plebs lIrbana genauso dachte . Denn das 281 Colini 1998, 28f m. Anm. 42 . 282 Lukian . anarcho7; S. Colini 1998. 82. 283 Darwail-Smith 1996,249; Suet. Dom. 5. 284 Roben 1970. 7r. Grundl~g~nd zu den Capitolia Caldelli 1993 und Rieg~r 1999. 285 Ebd. 26. 286 Su~t. Dom. 4,4; siehe dan! Suetons Besch~ibung dfi N~ronia: IfUtitllit et quiTJque"nale certamen primus omnium Roma~ more Graeco tripla. musiCljm gymniclim ~questre. qliod appellaviI Nero"ia: (. ..). (Suel. Nero 12,3.) Vgl. Tac. anno 14,20, 1. 287 Suet. Dom. 4,4; s. Roben 1970, 7 und Alföldi 1980, 269. - Siehe zu den Dichterkonkurrenzen auch Wh ilC~ 1998. 288 Roben 1970, 7r., Zitat S. 8. Vgl. Darwail-Smilh 1996, 225. 289 PI in. paneg. 33, 1: epist. 4,22; Tac. ann . 14.21 .

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Überleben der Capilolia über Jahrhunderte bleibt das stärkste Argument tur ihre Akzeptanz auch in Rom. Die Quinqualria Minervae in der A lbaner Villa, Domitians zweites großes Fest, hatten ebenfalls griechische Bezüge: Er feierte sie jährlich anlässlich der Panathenäen IU:yCr.Aroc; und mit Wettkämpfen von Dichtem, Rednern und G ladiato ren, um Minerva zu ehren.290 Der Minerva-/Athenekult, der in der domitianischen Herrschaftsdarstellung eine außergewöhnliche Ro lle spie lte. ist e in integraler Bestandteil se iner hellenistischen Interpretation von Herrschaft gewesen. Die vier Standardtypen in der MUnzprägung verliehen der Göttin allesamt kriegerische Eigenschaften. Seit 81 gab es jährlich den Typ I , die Darstellung der Minerva Propugnatrix bzw. A fhena Promachos. Erstmal s unter Claudius auf den römischen ReichsmÜllZen erschienen, stammte er ursprünglich aus he llenistischer Münzprägung. Die Typen 2-4 variierten den Typ der Athena Promachos (Typ 2) oder stellten sie in einem erweiterten kriegerischen Kontext dar.291 Mit welchen Attributen Minerva durch die Quinquatria und die Capilo/ia (als Mitglied der kapito linischen Trias) verehrt wurde, ist nicht überliefert. Neben den MUnzen Domitians macht ein Vergleich mit dem agon Minervae Gordians m. eine ebenfalls kriegerische Bezugnahme vorstellbar: Gordian fiihrte diese griechischen Spiele vor seinem Feldzug gegen die Perser ein, um Alhena Promachos als BeschUtzenn Athens bei Marathon (490 v.Chr.) gegen die PeTSCr zu ehren und um Beistand zu bitten. Der agon Minervae war nach Domitians Capilolia der zweite dauerhafte, d.h. seinen BegrOnder Uberlebende, griechi sche Wettkampf in Rom und wie se in Vorgänger Bestandte il des festen j ährl ichen Turnus griechi scher Spie le in der griechisch-römischen Welt.292 Die Perser fU llten tur die Römer die Rolle als )Barbaren< aus. G leiches galt für die Gennanen, Domitians wichtigsten Kriegsgegner. Ke in Wunder also, dass 00m itian wie nach ihm Gordian auf die Gigantomachie als Sinnbild für den Kampf gegen die Barbaren, das Chaos und rur Ordnung verwies: Seine zwei wichtigsten Götter, Athene'M.inerva und ZeuslJupiter, hatte die Darstellung der G iganto machie auf dem Pergamonaltar Seite an Seite kämpfend gezeigt. FOhrte da nicht von Domitian eine Spur zu den Attaliden und ihren )Vorbereitungen( vor dem Kampf gegen die Galater? Sollte der Flavier Tempel tur luppiter Victor und luppiler Propugnaror gebaut haben/ 9l dann wäre dies ein weiterer Zusammenhang mit der durch Athena Promachos bzw. Minerl'a Propugnalrix verkörperten Ideologie:

290 Cass. Dio 67.1,2; S.a. Suet. Dom. 4,4. 29 1 Mauingly, BMC 11. 1930. lxxxvf.; s.o. S. SO. 292 MGAA IX. S. 147; Roben 1970. 12- 16. S.a. Gehtke 1997. 209. 293 Wie von der Forschung diskutiert wird: s.o. S. 51 f. m. Anm. 125 .

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