Dominanz und Innovation: Epistemologische und künstlerische Konzepte kleiner europäischer und nicht-westlicher Kulturen 9783839457375

Kulturspezifische Narrative und Strukturen sowie globale Machtverhältnisse beeinflussen die Entstehung epistemologischer

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German Pages 200 Year 2021

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
A Democratisation of Knowledge and the Advancement of Narrative Studies
Prolegomena to a comparative history of small and minority literatures
Commonwealth of the East
Zwischen autochthon, Region und Nation
Über das kanonische und das subversive Konzept sorbischer Literaturgeschichte
Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung
(Des-)Illusionen der Induktivität
Die Autoren und Autorinnen
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Dominanz und Innovation: Epistemologische und künstlerische Konzepte kleiner europäischer und nicht-westlicher Kulturen
 9783839457375

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Diana Hitzke (Hg.) Dominanz und Innovation

Edition Kulturwissenschaft  | Band 255

Diana Hitzke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Slavistik und Projektkoordinatorin am Zentrum für Medien und Interaktivität an der JustusLiebig-Universität Gießen. Sie promovierte 2013 an der Universität Erfurt und war von 2018 bis 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen Universität Dresden. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Literatur und Migration, neuere Konzepte von Weltliteratur, Mehrsprachigkeit und Transkulturalität sowie Minority Studies.

Diana Hitzke (Hg.)

Dominanz und Innovation Epistemologische und künstlerische Konzepte kleiner europäischer und nicht-westlicher Kulturen

Publiziert mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: https://unsplash.com/@joelfilip Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-5737-1 PDF-ISBN 978-3-8394-5737-5 https://doi.org/10.14361/9783839457375 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Einleitung Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nichtwestlicher Kulturen – Kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs Diana Hitzke .................................................................. 7

A Democratisation of Knowledge and the Advancement of Narrative Studies Lessons from a Narratology-Informed Research in Nigerian Anglophone Narratives Snežana Vuletić ............................................................. 27

Prolegomena to a comparative history of small and minority literatures Jeanne E. Glesener.......................................................... 49

Commonwealth of the East Space, culture, and transregional orders by the example of an imported British concept Mihai-D. Grigore ............................................................. 75

Zwischen autochthon, Region und Nation Konzeptualisierungen österreichischer Volksgruppen Katharina Tyran ............................................................. 95

Über das kanonische und das subversive Konzept sorbischer Literaturgeschichte Christian Prunitsch.......................................................... 119

Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung Oberschlesien und (Ober-)Schlesisch nach 1989 Renata Makarska........................................................... 135

(Des-)Illusionen der Induktivität Holzwege zur belarussischen Gegenwartsdichtung Yaraslava Ananka & Heinrich Kirschbaum....................................165

Die Autoren und Autorinnen ..........................................195

Einleitung Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen – Kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs Diana Hitzke

Die am 10. und 11. Oktober 2019 an der Technischen Universität Dresden durchgeführte und von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Tagung »Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen – Kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs« setzte sich zum Ziel, die Entstehung, Aneignung und Übertragung von Konzepten aus der Perspektive kleinerer und nicht-westlicher Kulturen zu betrachten. Kulturspezifische Narrative und Strukturen sowie globale Machtverhältnisse beeinflussen die Entstehung von sozialen, politischen, ökonomischen, künstlerischen und epistemologischen Konzeptualisierungen (vgl. Neumann/Nünning 2012). Dominante Konzepte sind jedoch oft explizit oder implizit durch Eurozentrismus, methodischen Nationalismus (Wimmer/Glick Schiller 2002) und das monolinguale Paradigma (Yildiz 2012) geprägt. Bei der Aneignung oder Übertragung von kanonischen Konzepten auf kleine und nicht-westliche Kulturen ergeben sich daher oft Reibungsflächen. Andersartige oder widersprechende Narrative, Entwicklungen, Strukturen und Praktiken werden durch die Dominanz bestimmter Konzepte oft nur als »Fallbeispiele« oder Sonderfälle wahrgenommen, wenn sie nicht sogar bewusst mit Strategien des »Othering« verzerrt

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werden, wie sich bei Achille Mbembe (2017), Aamir Mufti (2016) oder Edward Said (2009) nachlesen lässt. Nichtsdestotrotz eignen sich auch kleine (europäische) und nichtwestliche Kulturen immer wieder kanonische Konzepte aus hegemonialen Kontexten an (vgl. Ashcroft/Griffiths/Tiffin 1989), auch in der Wissenschaft werden sie zur Beschreibung und Analyse herangezogen. Dies bringt eine ambivalente Situation hervor: Einerseits werden durch die Anwendung dominanter Konzepte kanonische Texte und Diskurse ständig reproduziert, wodurch die kleinen und nicht-westlichen Kulturen erneut als »andersartig« bzw. als Spezialfälle markiert werden. Andererseits wird durch die Auseinandersetzung mit kanonischen Konzepten Vermittlungs- und Übersetzungsarbeit geleistet, was zu einer größeren Wahrnehmbarkeit der kleinen und nicht-westlichen Kulturen in der Wissenslandschaft führt. Die Tagung setzte sich zum Ziel, diese als »double bind« beschreibbare Situation aus vergleichender Perspektive auszuloten und dabei strukturelle Probleme, Herausforderungen und Lösungsansätze zu diskutieren.

Zum Stand der Forschung Die Postcolonial Studies haben sich mit ungleichen Machtstrukturen auf politischer, ökonomischer, linguistischer und kultureller Ebene und den damit zusammenhängenden Strukturen von Diskriminierung und Gewalt sowohl auf globaler als auch auf lokaler Ebene auseinandergesetzt (vgl. exemplarisch Bhabha 2004; Mbembe 2017; Mufti 2016; Spivak 2008). Dabei wurden auch die Auswirkungen auf die Selbstkonzepte der politisch Diskriminierten in den Blick genommen (vgl. Fanon 1980; für den sorbischen Kontext vgl. Walde 2012). Die Ungleichgewichte ergeben sich jedoch nicht nur auf der Ebene der konkreten Ungleichbehandlung bestimmter kultureller Gruppen oder auf der Ebene individueller Erfahrung von Diskriminierung und Gewalt, sie wirken sich auch strukturell auf die Konzeptualisierungen kleiner und nicht-westlicher Kulturen aus. Dies lässt sich sowohl bei der Adaption westlich geprägter Konzepte in anderen Kulturen, als auch bei ihrer Anwendung auf

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andere Kulturen beobachten. So kam es etwa bei der weltweiten Aneignung der Romangattung nicht selten zu Widersprüchen zwischen der westlich geprägten Form des Romans und den lokalen Lebensformen und Erzähltraditionen, wie Franco Moretti in seinen Arbeiten ausführt (vgl. Moretti 2000). Dipesh Chakrabarty hat mit seinem programmatischen Titel »Provincializing Europe« darauf aufmerksam gemacht, dass europäische Konzepte unzureichend sind, um die politische Moderne in nicht-westlichen Staaten zu beschreiben (vgl. Chakrabarty 2000). Darüber hinaus werden Konzeptualisierungen nicht-westlicher Kulturen oft bewusst mit Strategien des »Othering« (vgl. Said 2009) verbunden. Achille Mbembe hat herausgearbeitet, wie Rassismus vor allem der Selbstvergewisserung der »westliche[n] Hemisphäre« (Mbembe 2017: 29) diente und weiterhin dient, die »sich für das Zentrum der Welt, für die Heimat der Vernunft, des universellen Lebens und der menschlichen Wahrheit« (ebd.: 29) hielt. Hegemoniale westliche Konzepte führen einerseits zur Exklusion außereuropäischer Stimmen, andererseits schließen sie aber auch andere innereuropäische Kulturen nicht ein. Moderne Nationen grenzen sich auch nach innen hin ab, indem sie mehrsprachige und transkulturelle Geschichten, Entwicklungen und Verflechtungen zugunsten eines nationalen Narrativs verdecken (vgl. dazu exemplarisch: Appadurai 2006; Dembeck 2017; Joachimsthaler 2011; Radaelli 2011). Ein großer Teil der Menschheit lebt jedoch mehrsprachig und transkulturell – allein in Europa »gibt [es] […] über 300 europäische Minderheiten und jeder 7. Europäer gehört einer autochthonen Minderheit an oder spricht eine Regional- oder Minderheitensprache«, wie es auf der Website der Federal Union of European Nationalities (FUEN 2018) heißt. Daher ist es wichtig, auch die Perspektive kleiner Kulturen einzunehmen. Zur Beschreibung dieser innereuropäischen Stimmen eignen sich sowohl die Begriffe Minderheit/Minority als auch die Formulierung »kleine Kulturen« (vgl. Prunitsch 2004) oder minoritäre Kulturen bzw. Literaturen. Christian Prunitsch geht von einem dynamischen, relationsbasierten Konzept kleiner Kulturen aus und stützt sich auf Ansätze aus der Kultursemiotik. Aus dieser Perspektive ergibt sich die Selbstwahrnehmung einer Kultur als groß aus Bewertungsprozessen, die aus

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der stärkeren Semiotisierung der eigenen Codes – im Gegensatz zu anderen – ihre Höherwertigkeit ableiten (vgl. ebd.: 186). Elka Tschernokoshewa (2015) bevorzugt den Begriff der Minderheit und bringt gegen den Begriff der kleinen Kultur folgende Argumente vor: Einerseits folge daraus »eine sprachzentrierte Vorstellung von Kultur« (ebd.: 75), andererseits eigne sich der Begriff nicht als Vergleichskategorie (vgl. ebd.: 76). Dagegen lässt sich einwenden, dass sowohl der Begriff der kleinen Kultur als auch der Begriff der Minderheit mit diesen Problemen konfrontiert sind: Auch eine Minderheit kann sprachzentriert und homogen konzipiert werden, dagegen kann dem Begriff der kleinen Kultur auch ein hybrides Kulturverständnis zugrunde liegen und er kann durchaus »die nonverbalen Aspekte von Kultur« (ebd.: 75) umfassen. Der zweite Einwand Tschernokoshewas, kleine Kulturen ließen sich nicht als Vergleichskategorie nutzen, lässt sich ebenso auf den Begriff der Minderheit beziehen. Die von Tschernokoshewa erwähnten »türkischen Einwanderer in Deutschland sowie die […] Inder in Großbritannien« (ebd.: 76) lassen sich zwar als Minderheit bezeichnen, wesentliche Rechte bleiben ihnen in Europa jedoch verwehrt: So konstatieren Renée DePalma, Diane Brook Napier und Willibroad Dze-Ngwa (2015: 4): »The European Charter for Minority and Regional Languages (1992) has defined the responsibility of social institutions to safeguard Europe’s minority languages as a cultural heritage; yet this emphasis excludes languages of non-European origin that have been brought to the continent through migration.« Daraus folgt, dass für beide Begriffe – »Minderheit« und »kleine Kultur(en)« – sowohl das zugrundeliegende Kulturverständnis als auch die Möglichkeiten des Vergleichs jeweils plausibel und transparent gemacht werden müssen. Als Bindeglied zwischen der zu Beginn beschriebenen Thematisierung nicht-westlicher Kulturen in den Post- bzw. Decolonial Studies und der Minderheitenforschung, die sich mit kleinen europäischen Kulturen beschäftigt, lassen sich Arjun Appadurais Beobachtungen zu Minderheiten aus der Perspektive der Globalisierung betrachten. Appadurai beschreibt in seinem Essay Fear of Small Numbers (Appadurai 2006) die Angst vor Minderheiten, die nicht selten in Gewalt umschlägt, als Resultat von Unsicherheit und globaler Ungerechtigkeit.

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»Numerical majorities can become predatory and ethnocidal with regard to small numbers precisely when some minorities (and their small numbers) remind these majorities of the small gap which lies between their condition as majorities and the horizon of an unsullied national whole, a pure and untainted national ethnos. This sense of incompleteness can drive majorities into paroxysms of violence against minorities […]« (ebd.: 8).

Forschungslücke und Forschungsfragen Die Beschäftigung mit Phänomenen aus kleinen und nicht-westlichen Kulturen, die eine jeweils eigene Sprache, Geschichte, literarische Tradition und soziale Struktur besitzen, scheint ein Arbeitsgebiet für Spezialisten und Spezialistinnen zu sein, die sich ›exotischen Themen‹ aus der Perspektive von ›Orchideenfächern‹ widmen. Forschende auf dem Gebiet der genannten Regionen und Kulturen sind in Deutschland und im europäischen bzw. westlichen Kontext tatsächlich stets auch Forschende und Lehrende kleiner Fächer bzw. kleinerer Teilgebiete größerer Fächer. Kleine Fächer, kleine Kulturen sowie nicht-westliche Kulturen haben gemeinsam, dass sie in der westlichen Wissenslandschaft marginalisiert sind. Während im Fall von Minderheiten die Beschreibungen »kleines Fach« und »kleine Kultur« oft deckungsgleich sind, so ergibt sich in Hinblick auf große nicht-westliche Kulturen ebenfalls ein deutliches Ungleichgewicht zwischen ihrer weltweiten Bedeutung und ihrer Größe als Fach in Deutschland bzw. Europa: So werden etwa die Arabistik, die Sinologie und die Slavistik als kleine Fächer kartiert (vgl. das Verzeichnis der kleinen Fächer der Arbeitsstelle Kleine Fächer). Das bedeutet, dass sich in Deutschland drei der sechs UN-Sprachen (Arabisch, Chinesisch, Russisch) nur als kleines Fach studieren lassen.1

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Die Kartierung der Slavistik als kleines Fach wurde mittlerweile aufgehoben. Die Arbeitsdefinition der Arbeitsstelle für kleine Fächer lautet: »Für die Abgrenzung kleiner Fächer von großen und mittelgroßen Fächern wird ein quantitatives Kriterium herangezogen, welches sich auf die Zahl der Professuren je

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Im Vergleich zu großen Fächern haben kleine Fächer weniger Ressourcen, um Wissen zu generieren und Theoriebildung zu betreiben, was strukturelle Asymmetrien nach sich zieht. Der Bezug auf dominante Konzepte birgt jedoch die Gefahr, dass sie entweder für einen anderen Kontext wiederholen, was schon beschrieben wurde oder dass sie exotische Sonderfälle präsentieren, die dann wiederum die Andersartigkeit betonen. Diese strukturelle Asymmetrie, die sich aus der Verortung kleiner und nicht-westlicher Kulturen in der Wissenschaftslandschaft ergibt, lässt sich parallel zu ihrer Minorisierung auf globaler oder innereuropäischer Ebene diskutieren. Die häufig vorgebrachte Forderung nach Reziprozität erscheint in beiden Fällen jedoch eher als utopische Flucht denn als wirklicher Lösungsansatz. So ist mehr als fraglich, wie Reziprozität von Übersetzungsprozessen, die zum Beispiel Doris Bachmann-Medick im Anschluss an andere Forschende für die Zukunft (Bachmann-Medick 2012: 30, 34) fordert, auf globaler Ebene umsetzbar sein soll, vor allem angesichts der weltweit – unterschiedlichen Schätzungen zufolge – 5.000 bis 7.000 gesprochenen Sprachen. Eine wirklich reziproke »cross-cultural translation« auf globaler Ebene (vgl. Standort bezieht. Diesem zufolge besitzt ein kleines Fach je Universitätsstandort nicht mehr als drei unbefristete Professuren, wobei es deutschlandweit bis zu zwei Ausnahmen geben darf« (https://www.kleinefaecher.de/kartierung/wa s-ist-ein-kleines-fach.html, letzter Aufruf am 30.07.2020). Der Ausschluss der Slavistik erfolgte im Februar 2020. Die Begründung für den Ausschluss der Slavistik als auch einer Reihe weiterer Fächer seit 2018 lautet, dass diese »das Kriterium zur Abgrenzung von kleinen gegenüber mittelgroßen und großen Fächern deutlich überschreiten« (https://www.kleinefaecher.de/kartierung/kleine -faecher-von-a-z.html, letzter Aufruf am 30.07.2020). Weiter heißt es: »Nach mehreren Jahren im Beobachtungsstatus wurden im Februar 2020 die Fächer Dolmetsch- und Übersetzungswissenschaft, Geophysik, Hydrologie, Meereskunde und Slavistik aus der Kartierung ausgeschlossen. […] Bei der Geophysik und der Slavistik besitzen vier Standorte mehr als drei Professuren« (ebd.). Dazu ist jedoch anzumerken, dass sich die Entwicklung hin zu größeren Instituten wie etwa an der Justus-Liebig-Universität Gießen mit derzeit vier Professuren nicht einer Erhöhung der Anzahl von Professuren am Universitätsstandort Gießen verdankt, sondern durch die Verlegung der slavistischen Institute von den Universitäten Marburg und Frankfurt nach Gießen zustande kommt.

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ebd.: 31–35) müsste auf die Dominanz von wenigen Sprachen generell verzichten – und selbst dann bliebe das Ungleichgewicht des asymmetrisch überlieferten Wissens aus der Vergangenheit bestehen. Was es für die kulturübergreifende Kommunikation tatsächlich bedeuten würde, auf Sprachen der Vermittlung zu verzichten, wird bei solchen Forderungen oftmals nicht ausgeführt. Schließlich bleibt folgende von Arvi Sepp beschriebene Aporie bestehen: »Die prinzipielle Wertschätzung sprachlicher Diversität widerspricht der ethischen Zielsetzung kommunikativer Verständigung« (Sepp 2017: 54). Dominante Sprachen und Diskurse dienen nicht nur der Unterdrückung, sondern auch der Vermittlung und Kommunikation – nicht nur zwischen großen und kleinen, sondern auch zwischen verschiedenen kleineren Sprachen und Kulturen. Natürlich sollten Übersetzungsprozesse dabei nicht als unproblematische Vorgänge verstanden werden – eine solche Auffassung, die sich etwa in der Geschichte der Soziologie beobachten lässt, wird zu Recht von Dipesh Chakrabarty (2000: 17) kritisiert. Sie können – im Gegenteil – durch das Sichtbarmachen von Differenzen zu einem gleichberechtigten Dialog beitragen. Dies würde jedoch erfordern, dass nicht nur die kleinen und nicht-westlichen Kulturen auf Bruchstellen aufmerksam machen und nach Möglichkeiten der Vermittlung suchen, sondern dass auch die kanonischen Konzepte aus einer translatorischen und kontextualisierenden Perspektive betrachtet werden. Dabei sollte nicht aus dem Blick geraten, dass Dominanz bereits strukturell zu Marginalisierung, Asymmetrie und Nicht-Reziprozität führt. Fruchtbarer als kaum umsetzbare Forderungen nach globaler Reziprozität scheint daher die stetige Auseinandersetzung mit den Ungleichheiten und strukturellen Asymmetrien sowie mit der Frage, wie Reflexionsprozesse darüber stärker in der Wissenschaft, aber auch in anderen kulturellen Praktiken sichtbar gemacht werden können. Eine solche Auseinandersetzung findet derzeit verstärkt in den World Literature Studies statt, wo eine Abkehr von der Auseinandersetzung mit kanonischen westlichen Texten und eine Hinwendung zu nicht-westlichen und kleineren Literaturen zu registrieren ist (vgl. exemplarisch Cheah 2016; Glesener 2012; Hitzke/Finkelstein 2018). Eine weitere Mög-

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lichkeit der Sichtbarmachung solcher Reflexionsprozesse ist der Fokus auf die Transfer- und Übersetzungsarbeit, die sowohl von kleinen Kulturen als auch von kleinen Fächern geleistet wird. So betont Christian Prunitsch die »Translativität« (2004: 189–190), die kleine Kulturen auszeichne. Ihre Dialogfähigkeit, die »Mehrsprachigkeit kleiner Kulturen« (ebd.: 204) und ihre »Versiertheit im Codewechsel« (ebd.) werden dabei als zukunftsweisende kommunikative Fähigkeiten beschrieben, die sich allerdings kaum in ökonomischen Vorteilen widerzuspiegeln scheinen (ebd.: 205). Kleine Kulturen seien darüber hinaus meistens autokommunikativ, d.h., dass eine »Reflexion über die eigene Verfasstheit stattfindet« (ebd.: 200). Die Reflexionsfähigkeit, aber stärker noch die Translativität und Dialogfähigkeit, lassen sich in Anschluss an Christian Prunitsch als gemeinsame Grundlage des Dialogs zwischen kleinen und nicht-westlichen Kulturen betrachten. In Bezug auf die zentrale Frage nach den Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen sind die Perspektive der Forschenden sowie der Kontext generell kaum hoch genug einzuschätzen. Schließlich macht es einen Unterschied, ob Forschende und Kunstschaffende aus außereuropäischen Regionen und aus Minderheiten-Kontexten an Debatten tatsächlich teilnehmen oder ob außereuropäische Regionen und Minderheiten nur Gegenstand von Debatten sind, die in einer homogenen Mehrheitsgesellschaft geführt werden. Ebenso wichtig ist, ob die Aneignung von Konzepten affirmativ oder subversiv, gezwungenermaßen oder freiwillig erfolgt. Insgesamt wurde für die Tagung daher ein multiperspektivischer Ansatz gewählt, sodass Perspektiven aus und auf verschiedene(n) Regionen miteinander in Beziehung gesetzt werden können. Parallel dazu wurden aktive Aneignungsprozesse von dominanten, kanonischen Konzepten und Kategorisierungen, denen die kleinen und nicht-westlichen Kulturen passiv unterliegen, miteinander konfrontiert. Aus dieser multiperspektivischen und transregionalen Perspektive werden folgende Fragen thematisiert: •

Kanonische und spezifische Konzepte: Welche Vor- und Nachteile hat die Anwendung bewährter Methoden und kanonischer Kon-

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zepte auf andere kulturelle Kontexte? Was passiert, wenn Systematiken, Klassifikationen und wissenschaftliche Fragestellungen auf andere Kulturen übertragen werden? Wie lässt sich mit Phänomenen umgehen, die nicht mit den etablierten und dominanten Begriffen beschrieben werden können? Asymmetrien: Wie können Forschende asymmetrische Beziehungen angemessen adressieren und wie können sie ihre eigenen kulturellen Vorurteile reflektieren und kommunizieren? Erfolgreicher Theorietransfer aus nicht-hegemonialen Kontexten: Welche Konzepte aus kleineren oder nicht-westlichen Kulturen bzw. aus kleinen Fächern haben sich zu kanonischen Konzepten entwickelt? Was lässt sich daraus lernen? Vergleich Welche neuen vielversprechenden Möglichkeiten des Vergleichs bzw. der Partizipation in einem breiteren Diskurs bieten sich alternativ an? Wie lassen sich verschiedene nicht-dominante Konzeptualisierungen und kulturelle Praktiken kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen miteinander vergleichen? Kulturelle Praktiken: Auf welche Art und Weise beziehen sich kulturelle Praktiken auf dominante Konzepte und wie gehen sie mit dem Bezug darauf um? Welchen Stellenwert nehmen dabei spezifisch künstlerische Aneignungsprozesse ein?

Perspektiven Durch den Dialog zwischen kleinen (europäischen) und nicht-westlichen Kulturen eröffnen sich neue Perspektiven in beide Richtungen: Für die Postcolonial Studies in Richtung europäischer Minderheiten und für die Fächer, deren Gegenstand kleine europäische Kulturen sind, in Richtung nicht-westlicher Kulturen. Ziel ist es, kanonischen Konzepten und strukturelleren Asymmetrien in verschiedenen Kontexten nachzugehen und dabei Möglichkeiten des Vergleichs auszuloten. Der Austausch zwischen Forschenden aus verschiedenen Fächern mit Fokus auf unterschiedliche Weltregionen, die zugleich auch kleine Fächer vertreten, ist in dieser Hinsicht besonders wichtig. Dabei soll es weni-

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ger darum gehen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den verschiedenen Einzelfällen festzustellen, sondern darum, strukturelle Mechanismen auszumachen, die sich ergeben, wenn Konzepte aus hegemonialen Kontexten übernommen werden. Die Adaption bzw. der Transfer werden dabei nicht grundsätzlich als problematisch betrachtet, die Übersetzung von Konzepten in andere Kontexte kann auch eine Vermittlungsfunktion zwischen hegemonialen und kleinen bzw. nichtwestlichen Kulturen erfüllen (vgl. Hitzke 2016 und 2018). Es soll daher ausgelotet werden, warum und zu welchem Preis immer wieder auf kanonische und hegemoniale Konzepte Bezug genommen wird.

Methode und Ergebnisse Der kulturwissenschaftlich geprägte, interdisziplinäre Zugang zu kleinen (europäischen) und nicht-westlichen Kulturen erfolgt im Sinne von Mieke Bal – »interdisciplinarity in the humanities […] must seek its heuristic and methodological basis in concepts rather than methods« (Bal 2002: 5) – über ihre Konzeptualisierungen. Der Vorteil von Konzepten als gemeinsamer Diskussionsgrundlage ist dabei gerade die Tatsache, dass sie nicht für alle dasselbe bedeuten; sie erfordern Debatten, Austausch und ein Bewusstsein für Differenz (vgl. ebd., 13). Daher eignen sie sich besonders gut, um die Migration von Theorien, Modellen, Begriffen oder Ideen in andere (kulturelle) Kontexte zu beschreiben (Neumann/Nünning 2012: 5). Die Herausforderung, Konzeptualisierungen kleiner (europäischer) und nicht-westlicher Kulturen vergleichend aus der Perspektive verschiedener Fächer und Kulturen zu betrachten, lässt sich methodisch sowohl in der Komparatistik als auch in der vergleichenden Minderheitenforschung verorten. So beschreibt Jacob Edmond die Komparatistik als »Indiscipline«, womit er auf ihren grundsätzlich interdisziplinär angelegten Zugang anspielt (vgl. Edmond 2016). Dabei gehe es nicht darum, auf Regeln und Disziplinen zu verzichten, sondern diese immer wieder zu hinterfragen, wodurch sie klarer wahrnehmbar würden (vgl. ebd.: 649). Sammelbände zu Minderheiten sind oftmals ebenfalls

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transkulturell, translingual und interdisziplinär angelegt (vgl. exemplarisch Carbonneau et al. 2017; DePalma/Brook Napier/Dze-Ngwa 2015; Døving/Schwaller 2010). Nicht zuletzt bietet die Polysystem-Theorie eine gute Basis für Ansätze, die interdisziplinär, intersektional und zugleich translingual und transkulturell sind (vgl. Even-Zohar 1979). Der Begriff Polysystem verweist darauf, dass Strukturen und Beziehungen als heterogen und dynamisch wahrgenommen werden (ebd.: 290). Der Fokus liegt dabei nicht auf einem Zentrum und der Peripherie, sondern auf den Bewegungen und Transferprozessen, die sich zwischen verschiedenen Zentren und Peripherien abspielen (ebd.: 293). In diesem Punkt erweist sich die Polysystem-Theorie auch als Alternative zu postkolonialen und postimperialen Ansätzen, bei denen das Verhältnis zwischen Kolonialmacht bzw. Imperium und Peripherie im Vordergrund steht. Ergänzen lässt sich der Polysystem-Ansatz durch neuere Forschungen zum Thema Intersektionalität, die ebenfalls eindimensionale Betrachtungen hinter sich lassen und etwa die Verschränkung von Geschlecht, Race und sozialer Zugehörigkeit thematisieren (Winker/Degele 2010). Auf der Ebene der Theoriebildung ist die »Creolization of Theory« (Lionnet/Shih 2011), d.h. die intellektuelle Verflechtung, ein wichtiger Ausganspunkt.

Zu den einzelnen Beiträgen Durch den Dialog zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Fächerkulturen (Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte), die sich im Rahmen der Tagung mit verschiedenen regionalen Kontexten (Osteuropa, sowjetische Peripherien, Belarus, Luxemburg, Lausitz, Österreich, Nigeria, Japan und China) beschäftigt haben, werden neue Impulse für die eingangs formulierten Forschungsfragen zusammengetragen, gemeinsam diskutiert und reflektiert. Dabei werden bewusst kleinere europäische und nicht-westliche Kulturen zusammengebracht, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie

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in der europäischen bzw. westlichen Forschungslandschaft ungleich schwächer als die hegemonialen Kulturen repräsentiert werden. Die ersten drei Beiträge von Snežana Vuletić, Jeanne E. Glesener und Mihai-D. Grigore setzen sich mit unterschiedlichen kanonischen Konzepten bzw. methodischen Zugängen auseinander und diskutieren die Herausforderungen, die sich ergeben, wenn sie auf andere Kontexte bezogen werden. Dabei geht es nicht allein um die Frage, ob die Anwendung auf andere Zusammenhänge zu Asymmetrien, Missverständnissen und/oder Fehldeutungen führt, sondern vor allem darum •





wie bestimmte Regionen durch den Transfer eines räumlichen Vorstellungsmusters überhaupt erst konstruiert werden (am Beispiel des »Commonwealth of the East« zeigt dies Mihai-D. Grigore); welche Herausforderungen sich ergeben, wenn die in der vergleichenden Literaturgeschichtsforschung üblichen Parameter auf kleine Literaturen übertragen werden (vgl. den Beitrag von Jeanne E. Glesener); und nicht zuletzt darum, wie die Lektüre und Analyse von Gegenwartsliteratur aus anderen regionalen und kulturellen Kontexten, dazu beitragen kann, etablierte Modelle und Methoden weiterzuentwickeln (dies zeigt Snežana Vuletić am Beispiel der Narratologie und eines nigerianisch-anglophonen Romans).

Snežana Vuletić beschreibt in»A Democratisation of Knowledge and the Advancement of Narrative Studies: Lessons from a NarratologyInformed Research in Nigerian Anglophone Narratives« zunächst die Asymmetrien, die sich für die Narratologie in postkolonialen Zeiten ergeben. So gäbe es zwar ein ständig wachsendes Interesse an afrikanischen und anderen nicht-westlichen Literaturen, dieses sei aber geprägt von zwei problematischen Herangehensweisen: Entweder diene die Beschäftigung mit nicht-westlichen Narrativen dazu, das an europäischen Literaturen entwickelte theoretische Wissen zu bestätigen, oder die fiktionalen Texte würden vor allem an ihrem sozialen und politischen Engagement gemessen, d.h. allein die inhaltliche Ebene stünde im Vordergrund. Vuletić nimmt sich stattdessen eine Lektüre von

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Chimamanda Ngozi Adichies Half of a Yellow Sun (2006) vor, die zeigt, wie der Blick auf afrikanische Literaturen die Narratologie weiterentwickeln kann. Ihre Analyse konzentriert sich auf die Fokalisierung und Vuletić legt dar, dass in diesem Roman in Hinblick darauf nicht nur die unterschiedlichen Charaktere zu beachten sind, sondern dass die Protagonistin Olanna als Subjekt der Fokalisierung in einer dynamischen Beziehung zu der im Entstehen begriffenen Igbo-Nation als Objekt der Fokalisierung steht. Damit trägt Vuletićs Beitrag zu einem verantwortungsvollen Umgang mit afrikanischen und nicht-westlichen Literaturen bei, da sie aufzeigt, dass deren Analyse weder nur der Bestätigung bereits etablierten Wissens noch lediglich der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den thematisierten politischen Ereignissen dient. Vuletić zeigt, wie die Analyse von Texten, die nicht dem europäischen Kanon zugehören, zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem narratologischen Instrumentarium und dessen Weiterentwicklung führen kann. Jeanne E. Glesener beschäftigt sich unter dem Titel »Prolegomena to a Comparative History of Small and Minority Literatures« nicht nur mit der Herausforderung, eine Geschichte kleiner Literaturen aus komparatistischer Perspektive zu schreiben, sondern sie verschiebt dabei auch den Fokus von regionalen und nationalen Verortungen hin zu einem weltliterarischen Rahmen. Glesener beschreibt im ersten Teil ihres Aufsatzes die begrifflichen und diskursiven blinden Flecken, die das Sprechen über kleine Literaturen und Minderheitenliteraturen prägen. Dabei geht sie auch auf die Rezeption des von Gilles Deleuze und Félix Guattari geprägten Konzepts der »littérature mineure« ein. Dagegen setzt sie Kriterien und Parameter, die für die Beschäftigung mit den kleinen Literaturen nützlich sein können. Im zweiten Teil des Aufsatzes steht die Auseinandersetzung mit Diskursen zu kleinen Literaturen innerhalb der World Literature Studies im Vordergrund. Nach einer Kritik an Zentrum-Peripherie-Modellen, deren Problematik sie anhand der Lektüre von Pascale Casanovas international breit rezipiertem Buch Le république mondiale des lettres (1999) diskutiert, plädiert sie für komparatistische Studien, die strukturelle und typologische Fragen in den Vordergrund rücken.

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Mihai-D. Grigore beschreibt in »Commonwealth of the East. Space, Culture, and Transregional Orders by the Example of an Imported British Concept«, wie das Konzept des Commonwealth auf das östliche Europa übertragen worden ist. Er zeigt, dass es zunächst unabhängig von der politischen Form war, dann jedoch mit Bedeutungen aufgeladen wurde, die sich auf der Grundlage der politischen Strukturen in England herausbildeten. Als grundlegend für die Übertragung des europäischen Konzepts auf das östliche Europa, die nach dessen Transfer nach Amerika erfolgt sei, benennt Grigore die 1971 erschienene Studie The Byzantine Commonwealth: Eastern Europe 500–1453 von Dimitri Obolensky. Dieser habe die orthodoxen Kulturen Ost- und Südeuropas zu einem »Byzantine Commonwealth« verknüpft und damit die Grundlage für die Wahrnehmung der südost- und osteuropäischen Region als geografischem Raum mit kultureller und historischer Kontinuität und Kohärenz geschaffen. Grigore schlussfolgert, dass das Konzept des Commonwealth, das im angelsächsischen Raum eine lange Geschichte hat, für das östliche Europa ein historiografischer Kunstgriff ist, der durch das Narrativ einer kulturellen und geopolitischen Identität des östlichen Europas einen Gegenbegriff zur westlichen Latinitas bildet. Damit stabilisiere das Konzept den »Ost«-»West«-Gegensatz und negiere zu einem gewissen Grad die Verflechtungsgeschichte zwischen Europas »Osten« und »Westen«. Katharina Tyran beschäftigt sich in ihrem Beitrag »Zwischen autochthon, Region und Nation – Konzeptualisierungen österreichischer Volksgruppen« nicht nur mit dem Status der sechs in Österreich anerkannten Volksgruppen – der kroatischen, slowenischen, slowakischen, tschechischen und ungarischen sowie den Roma –, sondern geht auch auf die Unterschiede in Hinblick auf deren Geschichte und auf divergierende Bezugnahmen auf die Region bzw. Nation ein. So entstanden einige der österreichischen Volksgruppen durch Migrationsprozesse seit dem Mittelalter, andere (die slowenische und die ungarische) durch Grenzziehungen. Unterschiede bestehen auch in Hinblick darauf, ob sie sich traditionell eher im ruralen oder urbanen Raum angesiedelt haben. Tyran untersucht die Geschichte ihrer Benennung (»Von Minderheiten zu Volksgruppen«) in Verträgen und Gesetzen. Des Weiteren

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zeigt sie am Beispiel des Burgenlandkroatischen, wie diese Minderheitensprache als solche konzeptualisiert und als eigenständige Sprache entwickelt worden ist. Sie beleuchtet auch die Entwicklung und den Status der anderen Sprachen. Zum Schluss diskutiert Tyran die Kriterien, die der Anerkennung als sogenannte Volksgruppe in Österreich zugrunde liegen. Kritisch sieht sie zum Beispiel das Kriterium der Autochthonizität (alle sechs anerkannten Volksgruppen werden als autochthon eingestuft). Dass dieses Kriterium kein hartes ist, sondern auch vom politischen Interpretationsspielraum abhängt, verdeutlicht sie am Beispiel der polnischen und serbischen Minderheit, die sich schon seit Längerem für ihre Anerkennung einsetzen. Die Beiträge von Christian Prunitsch, Renata Makarska sowie von Yaraslava Ananka und Heinrich Kirschbaum zeigen am Beispiel von drei kleinen Literaturen – der sorbischen, (ober-)schlesischen und belarussischen – auf, wie kanonische Konzepte (von Literaturgeschichte, Sprache oder Kultur) und strukturelle Asymmetrien (zwischen klein und groß, dominant und dominiert oder auch ein- und mehrsprachig) sich auf das Schreiben von Literaturgeschichte (Prunitsch) bzw. die Entstehung und Wahrnehmung einer Literatur (Makarska) auswirken und wie sie sich schließlich auf der Ebene der Literatur selbst, nämlich in einzelnen Gedichten, widerspiegeln (Ananka und Kirschbaum). Christian Prunitsch reflektiert unter dem Titel »Über das kanonische und das subversive Konzept sorbischer Literaturgeschichte« über zwei ganz unterschiedliche Zugänge zum Schreiben bzw. zur Tradierung von Literaturgeschichte und über die Differenzen, die sich durch deren Realisierung im institutionellen Kontext oder als Initiative eines einzelnen Forschers und Künstlers (Kito Lorenc) ergeben. Prunitsch beschreibt und analysiert zuerst den Versuch, eine Geschichte der sorbischen Literatur bzw. des sorbischen Schrifttums im Kontext des 1951 gegründeten Instituts für sorbische Volksforschung zu verfassen. Dieser war sowohl vom Kultur- als auch vom Wissenschaftsverständnis der DDR geprägt. Als Gegenentwurf zu diesem von Rudolf Jenč angestoßenen Großprojekt, das später von Dietrich Scholze fortgeführt wurde, versteht Prunitsch Kito Lorenc’ Sorbisches Lesebuch/Serbska čitanka (1981),

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welches er als subversives, dialogisches und mehrsprachiges Projekt beschreibt. Renata Makarska stellt in ihrem Beitrag »Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung. Oberschlesien und (Ober-)Schlesisch nach 1989« dar, wie es in Oberschlesien zu einer Neuidentifikation mit der Region und mit dem Schlesischen kam. Makarska beschreibt zunächst die allgemeinen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die zu einer Aufwertung der regionalen Kultur und Sprache führten, aber auch die kritischen Reaktionen darauf. Sie zeigt, dass für die geforderte Anerkennung des Schlesischen als Regionalsprache nicht nur sprachwissenschaftliche Argumente zählen, sondern dass diese Auseinandersetzung auch auf literaturwissenschaftlicher, psychologischer, soziologischer und nicht zuletzt politischer Ebene geführt wird. Der Hauptteil ihres Artikels widmet sich literarischen Werken auf Schlesisch – so etwa dem dreisprachigen Drach von Szczepan Twardoch (2014), einer 2011 von Zbigniew Kadłubek und Łucja Staniczek zusammengestellten Anthologie bzw. eines Kanons der schlesischen Literatur sowie der »Schlesischen Neuen Welle« –, dem Verlagswesen (am Beispiel von Silesia Progress) und Übersetzungsprojekten. Eine besondere Rolle spricht Makarska dabei der Verbindung zwischen verschiedenen kleinen Literaturen zu: Nicht nur würden kleine Literaturen oft vergleichend erforscht, sondern in Anthologien kleiner Literaturen fänden sich immer auch Texte anderer kleiner Literaturen. Yaraslava Ananka und Heinrich Kirschbaum widmen sich in ihrem Beitrag »(Des-)Illusionen der Induktivität. Holzwege zur belarussischen Gegenwartsdichtung« der ausführlichen Lektüre und Interpretation von zwei prominenten belarussischen Gedichten und einer Gedicht-Übertragung ins Belarussische. Gleich zu Beginn problematisieren sie den Status der belarussischen Literatur innerhalb der Russistik und hinterfragen gängige kulturwissenschaftliche Zugänge. Ihr Fokus liegt auf den Gedichten selbst: Belaruskaja mova (Belarussische Sprache) von Val’žyna Mort, Loskutnaja oda (Flickenode) von Dmitrij Strocev. Trwoga-sen (1918) (Furchttraum [1918]) von Czesław Miłoszs in der belarussichen Übersetzung von Andrej Chadanovič. Offen bleibt dabei die Frage, ob und wie die als autonom behandelten Kunstwerke

Einleitung

in ein Verhältnis zur belarussichen Gegenwart gesetzt werden können, wenn sie nicht im Dialog mit kulturwissenschaftlichen Konzepten, theoretischen Modellen und gesellschaftlichen Narrativen diskutiert werden. Der vorliegende Tagungsband versammelt eine Auswahl der auf der Tagung präsentierten Beiträge, darunter theoretische Impulse und Fallstudien zu unterschiedlichen Weltregionen. Die bewusst in einem kleinen Rahmen durchgeführte Konferenz kann nur einen Teil der Welt repräsentieren. Der Band versteht sich daher als Einladung an andere Forschende, sich in Bezug auf kanonische Konzepte, strukturelle Asymmetrien und Möglichkeiten des Vergleichs auch mit anderen kleinen und nicht-westlichen Kulturen auseinanderzusetzen.

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A Democratisation of Knowledge and the Advancement of Narrative Studies Lessons from a Narratology-Informed Research in Nigerian Anglophone Narratives Snežana Vuletić

Narrative Studies and Its Asymmetries in the Times of Postcoloniality The increasing Euro-American interest in African Anglophone literatures (Bahri 1997; Bungaro 2006) ever since Chinua Achebe’s Things Fall Apart in the latter half of the twentieth century and the more recent successes of other prominent Nigerian Igbo writers such as Chimamanda Ngozi Adichie and Chris Abani have not necessarily prompted a flattening of the hierarchies that persist in literary studies. A telling example is the reluctance in narratology, or a ‘science of narrative’ (Todorov 1969: 10), to acknowledge African literatures (and other non-Western literatures) as having the potential to further our understanding of narrative forms and their manifestations in different cultural contexts and literary traditions. Narratology is certainly not oblivious to the cultural and political developments of the post-colonial1 era: The emergence of postcolonial narratology testifies to a desire to account for a whole range of creative expressions in the literary

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In this particular instance, the term ‘post-colonial’ has a strictly temporal meaning and is therefore hyphenated. The non-hyphenated variant of the term is used in this paper to highlight the ideological dimension of ‘postcolonial,’ i.e.

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world. Yet the ways in which narratology engages with non-Western postcolonial literatures2 remain largely problematic, insofar as nonWestern postcolonial literatures either serve to confirm the theoretical knowledge produced mainly on the basis of European literatures, or are deemed valuable primarily for their socially and politically engaged content. Motivated by the initial impetus in narratology to engage with nonWestern postcolonial literatures, but not entirely convinced of the productiveness of some of those initiatives, I offer in this paper a reading of Chimamanda Ngozi Adichie’s Half of a Yellow Sun (2006) that demonstrates just how African literatures can contribute to advancing our knowledge of narrative forms. I demystify Nigerian Anglophone fiction, i.e. I do not read it as a window into a radically different, exotic or unknown world,3 and emphasise its value as texts whose features carry an immense potential to sharpen, challenge and advance our understanding of literary formal expression. To do that essentially means to establish a close rapport between the narratological toolkits, as developed by French and German narrative scholars, and contemporary Nigerian literature in English. Two important questions are addressed in the process: First, how can an engagement with contemporary Nigerian Anglophone novels produce new knowledge in narratology? Secondly, where does that leave our understanding of the status and role of African Anglophone literatures in relation to (dominant) European scholarly traditions? Answering these questions, I add to a productive

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its reference to the social, political, economic and cultural conditions that in some form or another are shaped by colonial and/or imperial initiatives. I use the term ‘non-Western literatures’ to designate a whole range of diverse literatures that exist(ed) outside of Europe before and after the colonial interventions, whereas the term ‘non-Western postcolonial literatures’ intentionally limits our focus to those literary works whose emergence is in one way or another linked to European colonial interventions. In The Postcolonial Exotic: Marketing the Margins (2001), Graham Huggan shows how postcolonial literatures are more often than not marketed and read in the West as exotic objects that provide glimpses into mystical, non-Western cultures.

A Democratisation of Knowledge and the Advancement of Narrative Studies

conversation initiated at the conference in Dresden in late 2019, “Conceptualising Small (European) and Non-Western Cultures,” which cast a critical eye on the asymmetries in contemporary knowledge production in literary and cultural studies. I approach the above-mentioned questions by analysing internal focalisation in Half of a Yellow Sun, a novel which relies on a peculiar relation between the subject and object of focalisation in order to depict the production of Igbo national identity at the time of the Republic of Biafra.4 In particular, I look at the chapters focalized by Olanna, a Britisheducated university lecturer who, along with the other two characterfocalizers (a young village-boy, Ugwu, and a white immigrant, Richard), participates in uncovering a range of marginalised, excluded or forgotten histories that constituted this brief but highly contentious period in Nigerian and Igbo history. While the novel traces how the three character-focalizers develop a sense of Igbo national identity, Olanna (unlike Ugwu or Richard) has a troubled relation to her object of focalisation, i.e. the emerging Igbo nation. For instance, Olanna foregrounds her private experiences and family matters, relegating the emergence of the Igbo nation to the background. In this study, I read this tendency as a formal expression of Olanna’s belated identification with the nascent national community. Conversely, the foregrounding of the Igbo nation at the end of the novel indicates the evolution in Olanna’s sense of Igbo national identity. In other words, this study demonstrates the benefits of reading Olanna as the subject of focalisation and the emerging Igbo nation as the object of focalisation in a close and dynamic relation to each other. Analysing the distance between the subject and the object of focalisation, a sense of which is produced through foregrounding the elements of that story or relegating them to the background, serves a twofold purpose. It allows me to further develop the (thus far only) preliminary discussions about the subject-object relation in focalisation when the object of focalisation is not another character. Demonstrating how 4

The Republic of Biafra (1967–1970) was a short-lived attempt by the Igbo (the third largest ethnic group in Nigeria) to form an independent nation-state.

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Nigerian Anglophone fiction can contribute to the production of narratological knowledge, my analysis also provides the basis for the larger argument in the paper, namely that the propelling force behind future advancements in narratology is the democratisation of knowledge and the decentralisation of knowledge production.

Early Negotiations between Postclassical Narratology and Postcolonial Anglophone Literatures The diversification that narratology has undergone in its postclassical phase5 has significantly refreshed the study of narrative. From the 1960s onwards, the development of poststructuralist, feminist, New Historicist and postcolonial criticism expanded classical narratology to include context, cultural history and interpretation (Nünning 2009: 56). Thus, despite having undergone a serious crisis in the late 1980s,6 narratology nowadays “seems to be more alive than ever” (Fludernik 1993: 730). Feminist and queer, postcolonial and ethnic, rhetorical and cognitive, transgeneric and intermedial, (trans-)cultural and historical approaches to fiction have all added new items to the narratological agenda. These approaches have broadened the horizons of structuralist or classical narratology, and thus triggered the rise of a striking number of new ways to apply or further develop established narratological toolkits. The diversity of the new narratological approaches that “might make one rub one’s eyes in astonishment” (Nünning 2009: 53) led David Herman (1999) to suggest that it makes sense to relegate the notion of ‘narratology’ in the singular to the past.

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One way to understand the evolution of narratology is to trace its development from the pre-structuralist period (until the 1960s) and the high structuralist period (until the 1980s) to the poststructuralist period (Ryan/van Alphen 1993; Nünning/Nünning 2002). In “How the Model Neglects the Medium,” Shlomith Rimmon-Kenan proclaimed that narratology had come to a standstill (1989: 157).

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Out of these developments came the impetus to expand the range and nature of narratives considered, for instance as reflected in the inclusion of postcolonial literatures in English. At the same time, narratology has attracted ever more interest among critics in postcolonial studies. In Sue J. Kim’s words, “[n]arratologists have been increasingly concerned with postcolonial texts, and ethnic studies critics and postcolonialists sometimes use theoretical tools derived from narratology” (2012: 233). This organically resulted in the emergence of a still fairly new approach in literary criticism, namely postcolonial narratology. In Narratology and Ideology, a recently published volume which brings postcolonial literatures and narrative studies into close dialogue, Divya Dwivedi, Henrik Nielsen and Richard Walsh insist that postcolonial literatures “also need to be studied in terms of their form, style, techniques and strategies, without which thematic analysis in the name of contextual specificity risks being at best imprecise, at worst erroneous” (“Book Proposal”). In that sense, postcolonial narratology represents an attempt to render the technical analysis of narrative fruitful for questions of postcolonial identity, race, ethnicity, gender, nationality, language and interculturalism, to name but a few. Some of the successful early exercises in postcolonial narratology challenge the implicit assumption that postcolonial literatures may be excellent windows into the diversity of experiences in the world, but not the right kind of foundation for our production of theoretical-narratological knowledge. For instance, in “When the Self is an Other’” (1999), Monika Fludernik suggests that narratological toolkits may provide a more rounded knowledge of identity and alterity in postcolonial writing, and she goes on to prove this in selected examples of contemporary Indian Anglophone literature. Fludernik demonstrates how identity and alterity are formally presented through descriptive and evaluative comments by the narrator, her/his social, cultural and historical location, the selection and combination of settings, character constellations, the representation of speech and the modes of focalisation. At the same time, she expresses acute awareness of the limitations of classical narratological categories in capturing the ambiguous forms of life that emerge in postcolonial texts, such as those discussed by Homi

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Bhabha under the rubrics of ambivalence and mimicry. Yet, according to Fludernik, this tension is precisely where the benefit of postcolonial narratology lies: By making narratology encounter different practical applications of its categories, postcolonial literatures may lead to a revision and/or expansion of those categories, and thus claim the rightful place of postcolonial fiction in the study of narrative (1999: 72–73). Other similar examples worth mentioning include Marion Gymnich’s “Linguistics and Narratology” (2002), Hanne Birk and Birgit Neumann’s “Go-between: Postkoloniale Erzähltheorie” (2002), Roy Sommer’s “Contextualism Revisited” (2007), and the aforementioned works by Sue J. Kim and Divya Dwivedi, Henrik S. Nielsen and Richard Walsh, where the authors discuss the benefits and underline the necessity of bridging the gap between narratology and postcolonial literatures. Yet this sort of change has hardly meant that the hierarchies and the asymmetries in power in narrative studies have been entirely eradicated. In fact, just a few years ago, Kim observed: “White and Western theorists speak the universal, analytical voice, while the minority text is a single instantiation; the narrative theory is the langue, the minority texts merely the parole” (2012: 237). Kim thus warned against the ‘critical hierarchies’ as “the institutionalizations of social hierarchies” (ibid.) that more often than not characterise the approaches to nonEuropean literatures among scholars in the West. A telling example is Gerald Prince’s vision of postcolonial narratology. For Prince, postcolonial narratology means using narratological categories for textual analysis in order to “help to shed light on the nature and functioning of the ideology those narratives represent and construct” (2005: 372). Yet Prince is also quick to add that he is interested in postcolonial narratives only insofar as they “test the validity and rigor of narratological categories and distinctions” (ibid.: 373). While there is certainly nothing wrong with Prince’s use of postcolonial literatures to ‘inflect and enrich’ narratology, it is problematic that he does not ponder the ramifications of narratological analysis for postcolonial literary studies. What is more, Prince does not challenge the status of narrative theory as universal and abstract, whereas in reality, like the knowledge produced in postcolonial studies, all narrative theory arises out of material and his-

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torical circumstances and, as such, variously intersects with social, political and cultural domains. The examples given above represent the initial (more and less successful) attempts to bring postcolonial literatures and narrative studies closer. Unfortunately, most of them remain largely theoretical in character and do not really take up the task of showing how different nonEuropean literatures can affect the process of knowledge production in narratology. Others, such as Prince’s vision of postcolonial narratology, obviously need to be challenged for their reluctant and/or limited engagement with postcolonial literatures and criticism. The present study, therefore, insists on a more engaged, practical approach to narratology and non-European literatures. It does so by showing the contribution of Nigerian Anglophone literature to our understanding of focalisation and, further, by relying on that result to call for granting non-European literatures a more central and active (not to say also a more ethically just) role in the production of theoretical knowledge. The contemporary understandings of internal focalisation offer ample room for further critical thought. Internal focalisation is commonly defined as any centre of perception or orientation that determines the perspective from which the narrated events are presented (Genette 1980: 186). Yet focalisation can hardly be understood in static terms, and so it is also often defined as a relation between the subject of focalisation (‘focalizer’) and the object of focalisation (‘focalized’) (Bal 1983; Bal 2013; O’Neill 1992). While a number of scholars have taken up Mieke Bal’s distinction between the subject and object of focalisation, they have been largely invested in understanding the relation between these two entities if the object of focalisation is another character (Bal 1983; O’Neill 1992; Nieragden 2002). But what can we understand about internal focalisation if we take up the less-trodden path, namely the relation between the subject and object of focalisation when the latter is not another character but a thing, place and/or event? Is Goran Nieragden entirely right to claim that the relation of subjects to objects of focalisation is “of special importance where characters, rather than other world elements, function as the latter” (2002: 689)? Intrigued by this gap in research on internal focalisation, I focus in what follows on

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the relation between the subject and object of focalisation in Adichie’s Half of a Yellow Sun and show how its dynamic sheds important light not only on the mechanisms of storytelling in this novel, but on its content, too.

Reading a Dynamic Relation between the Subject and Object of Internal Focalisation in Adichie’s Half of a Yellow Sun Half of a Yellow Sun alternates between the early 1960s (the period before the Biafran war) and the late 1960s (the time of the Igbo war for independence), and in the process reflects on the causes and effects of the ethnic tensions in newly independent Nigeria. The history of the Igbo nation or the Republic of Biafra is presented in three narrative strands, each told by the same, unnamed extradiagetic narrator, but alternatively focalised through three central characters: Olanna, a British-educated university lecturer; Ugwu, a young man from an Igbo village; and Richard, a white British journalist who moves to Nigeria to do research on Igbo-Ukwu art. What figural narration in Half of a Yellow Sun, or the situation in which the mediating narrator is replaced by three character focalizers (Stanzel 1984 [1979]), achieves is a shift to particular and limited angles from which the actions in the narrative are presented (Bal 1985). This sort of mediation in the novel is essential to creating a polyvocal narrative of the Igbo past, while its effect is a heightened sense of immediacy, subjectivity and plurality that triggers an active and affective engagement with the narrative. In the focus of this study is Olanna, or more specifically, the changing relation that we can observe between Olanna as subject of focalisation and the emerging Igbo national community as object of focalisation. The facts that Olanna has been educated in England, speaks with a perfect English accent, used to be romantically involved with a Muslim Hausa and readily contributes to her family’s cross-ethnic businesses make her the epitome of a modern middle-class Nigerian citizen. Rather than highlighting ethnic and religious affiliations, Olanna imagines postcolonial Nigeria to be shaped by ideas of human rights

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and national citizenship. When Olanna’s cousins from Kano7 make fun of how the Sardauna8 was killed in the Igbo coup, justifying the act of killing with a clear reference to ethnicity by saying that “the Sardauna was an evil man who hated the Igbo” (Adichie 2006: 130), Olanna directs the conversation away from the question of ethnicity toward the question of human rights and good governance: “‘They should not have killed him,’ Olanna said quietly. ‘They should have put him in prison’” (ibid.: 130). While Olanna initially strongly identifies with the Nigerian national community in the beginning of the narrative, she gradually shifts her affiliation to the Igbo national community after the proclamation of independence. This trajectory allows Adichie to examine the intricacies involved in the process of developing a sense of Igbo national identity. In the remainder of this section, I show how a careful observation of Olanna’s attention to and thus also relation with the Igbo (national) community as object of focalisation can yield a significant insight into that process. The part of the narrative that thematises the time before the official formation of the Republic of Biafra is primarily characterised by more or less subtle attempts by Olanna to foreground the constructed nature of Igbo identity. On a plane to Nsukka, Olanna encounters a man who subjects her to ethnic scrutiny. He says: “‘Are you Igbo?’ […] ‘But you have the face of Fulani people’” (ibid.: 227). The man’s statement is illustrative of his view of ethnic identity as a trait inscribed on one’s body. At the same time, the man’s statement undermines the validity of such a view, because he wrongly assumes that Olanna is a Fulani. Olanna, on the other hand, is amused by the possibility of fluid ethnic identity: “She could be a Fulani woman on a plane deriding Igbo people with a good-looking stranger” (ibid.: 227–228). As opposed to the man, who perceives ethnic identity as a natural category into which one simply falls, Olanna toys with the idea of dismissing one ethnic identity to

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Kano is a city in north-west Nigeria. This is a reference to Ahmadu Bello, who was the most important Islamic religious and political leader in Nigeria and who was commonly referred to as the Sardauna of Sokoto. He was assassinated on January 15, 1966.

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make room for another. What we witness in this scene is therefore a shift in presenting Igbo identity as a natural category to presenting it as a matter of (mis-)interpretation and (self-)definition. As ethnic tensions heighten and the question of ethnic belonging becomes a matter of life and death, Olanna is ever more eager to act in the ways that denaturalise Igbo identity. When Olanna is fleeing the northern Nigerian city of Kano because the Igbo are being attacked by local Hausa Muslims, her ex-boyfriend Mohammed advises her to “not raise her face” (ibid.: 148), lest she be recognised as an Igbo. Underlying Mohammed’s advice is the notion that ethnic Igbo identity is something that can be read on Olanna’s body; as such, it invokes the view expressed by the man on the plane. Yet Olanna dismisses the definition of ethnic Igbo identity as something that one is simply born into: She places a long scarf over her head and winds it round her neck, jokingly concluding that she “look[s] like a proper Muslim woman” (ibid.: 147). In this way, Olanna reframes ethnic identity as a question of bodily performance rather than something defined by birth. In masking her own features to appear as a Hausa Muslim, Olanna evokes Butler’s (1988; 2007 [1990]) notion of identity as constructed through performative acts as opposed to something that is simply given. Apart from bodily performance, it is also language that Olanna uses as a tool to emphasise the constructed dimension of Igbo identity. When Olanna and her cousin Arize find themselves surrounded by armed men at an open market in Lagos, they are ordered to identify themselves as Igbo. As in previous examples, Olanna dismisses Igbo identity by rapidly switching to “fluent, loud Yoruba” (Adichie 2006: 132). Such a reaction eventually causes Olanna to contemplate how easy it was to “deny who they were, to shrug off being Igbo” (ibid.: 133). In this example, Olanna treats ethnic identity as a series of “symbolic enactments that are semiotically indexed through speech” (Butler 2007 [1990]: xvi) and relativizes Igbo identity by challenging the view of it as an inescapable and determinate category. As shown thus far, by toying with the possibilities of presenting herself as a Fulani, a Yoruba and a Hausa, Olanna frames ethnic identity as a shifting category. Olanna thus denaturalises Igbo identity and em-

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phasises its socially constructed nature. A de-essentialising and denaturalising of Igbo identity, furthermore, invites the question of how Igbo identity becomes a naturalised category, or how one comes to internalise Igbo identity. I aim to show here how Olanna as focaliser can be read in the light of this question. Through the manipulation of the object of Olanna’s focalisation or, more precisely, that which is brought to the fore and that which is relegated to the background, a sense of belatedness is created in Olanna’s identification with the emerging Igbo national community: Whereas Olanna foregrounds her private experiences and family matters, she relegates the emergence of the Igbo nation to the background. Yet, in turn, Olanna’s belated identification with the emerging Igbo national community allows the narrator to trace the process of how Olanna eventually begins to feel part of that community and identify as Igbo. Initially, the object of Olanna’s focalisation shifts away from public displays of Igbo nationalism to private experiences. After General Ojukwu announces that the Republic of Biafra is officially established, Olanna at first observes how “Odenigbo and Baby were moving round and round […] singing off-key, a song he had made up – ‘This is our beginning, oh, yes, our beginning, oh, yes’,” only to then abruptly shift her attention to “the cashew-juice stain on the front of Baby’s dress” (ibid.: 162). The impression of abrupt shifts in the object of Olanna’s focalisation is confirmed in the very next scene, when Olanna watches Odenigbo raise his arm and shouts that “Biafra is born,” but thinks about “how awkwardly twisted Aunty Ifeka’s arm had looked, as she lay on the ground, how her blood had pooled so thick that it looked like glue” (ibid.: 163). Another similar instantiation of such a shift is when Olanna and Odenigbo participate in a political rally and Olanna first watches “Odenigbo sing Biafra win the war lustily,” only to immediately shift her attention to a sharp pain in her knee (ibid.: 275). The shifts away from public displays of Igbo nationalism to private experiences are symptomatic of Olanna’s inability to yet imagine the formation of the Igbo nation. Instead, Olanna shivers when she thinks how “[s]he had wanted the secession to happen, but now it seem[s] too big to conceive” (ibid.: 162).

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Olanna’s inability to conceive of the Igbo nation has a striking influence on her experience of the present, which sharply differs from how the wider Igbo community’s experience. Olanna quickly notices how “nobody talk[s] about things left behind” and how “[members of the wider Igbo community] tal[k] about win-the-war effort” (ibid.: 185). In comparison, she finds it “difficult to visualise anything concrete […] that did not feel like life being lived on suspended time” (ibid.). This contrast in how Olanna and the wider Igbo community experience the present is indicative of their relationship to the war of independence: While the wider Igbo community has evidently translated into its present what it expects to happen in the future, gathering around the common goal of gaining independence and formally confirming the birth of the Igbo nation, Olanna remains trapped in the past, with her “memories of Arize and Aunty Ifeka and Uncle Mbaezi” (ibid.: 185). The wider community experiences the Igbo nation as ‘future made present,’ which, in turn, strengthens the sense of communal Igbo identity, whereas Olanna’s view of the present as ‘time suspended’ implies a kind of a void that signifies ‘future not yet.’ Olanna’s perception of the present as time put on hold reflects the interruption in her experience of historical time, when she cannot imagine nor, arguably, identify with the Igbo national community. Olanna’s experience of historical time as disrupted evokes Antonio Gramsci’s definition of interregnum, as a time of crisis when “the old system is dying and the new cannot be born,” which causes “a great variety of morbid symptoms to appear” (1971: 276). In Olanna’s case, the ‘morbid symptom’ is an exceptionally prominent fear of death that she feels in the curious period between the collapse of ‘one Nigeria’ and the official establishment of the Republic of Biafra: “The siren did not go off early in the morning, and so when the fierce wah-wah-wah sounds of the bombers appeared from nowhere, as Olanna dissolved corn flour to make Baby’s pap, she knew this was it. Somebody would die. Perhaps they would all die. Death was the only thing that made any sense as she hunched underground, plucked

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some soil, rubbed it between her fingers, and waited for the bunker to explode” (Adichie 2006: 279–280). This fear paralyses Olanna to the point that she cannot participate in everyday communal life. Olanna’s experience of the present in terms of the possibility of dying as something personal, immediate, instinctive and almost tangible is at odds with the wider community’s experience of the present as the time of nation-formation, collective effort and coming together to survive. While Olanna “exist[s] limply, waiting to die” (ibid.: 208), the wider Igbo community enthusiastically participates in the Igbo national project. Consider the short conversation between Olanna and Mrs. Muokelu, an embodiment of the wider Igbo community: “‘Did you hear that we shot down their bomber around Ikot- kpene?’ Mrs Muokelu asked. ‘I didn’t hear.’ ‘And this was done by a common civilian with his hunting gun! You know, it is as if the Nigerians are so stupid that whoever works for them becomes stupid too. They are too stupid to fly the planes that Russia and Britain gave them, so they brought in white people, and even those white people can’t hit any target. Ha! Half their bombs don’t even explode!’ ‘The half that explodes is enough to kill us,’ Olanna said” (ibid.: 278). In the conversation between Mrs. Muokelu and Olanna, two ways of experiencing the present are juxtaposed: Whereas the Igbo community experiences the present as part of a larger historical frame – the formation of the Igbo nation-state – Olanna remains trapped in a much more reduced frame – the war – and cannot imagine anything beyond it. In keeping with this, a synchronisation of Olanna’s perception of the present with that of the wider Igbo community marks the beginning of Olanna’s strong identification with the Igbo nation. Olanna at first realises that there is nothing terminal in the present and that it is but a moment in the longue durée of history: “If she had died, if

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Odenigbo and Baby and Ugwu had died, the bunker would still smell like a freshly tilled farm and the sun would still rise and the crickets would still hop around. The war would continue without them” (ibid.: 280). This realisation is crucial because it eventually triggers the process of synchronisation between the aforementioned perspectives on the present. Olanna’s understanding of the time of the war as, in fact, not ‘time suspended,’ but a time that precedes another time and so on, causes her to move from seeing herself as a victim to an agent in history: “Olanna exhaled, filled with frothy rage. It was the very sense of being inconsequential that pushed her from extreme fear to extreme fury. She had to matter” (ibid.: 280). After that, Olanna begins to produce soap for her homestead (ibid.: 278), demonstrating thus that she is prepared to take part in the communal acts of solidarity, perseverance and survival. The shift in how Olanna perceives the present also suggests a change in the historical frames within which she imagines herself. While Olanna initially experiences the present as the time of the war, after the shift she begins to experience the present as the time preceding the establishment of the Igbo nation and thus reduces the ideological distance between herself and the rest of the Igbo community: “Until Biafra won, the vandals would no longer dictate the terms of her life” (ibid.: 280). A closer look at the formal level confirms the impression of Olanna’s successful integration into the Igbo national community. Olanna no longer strictly distinguishes the public from the personal, and the formation of the Igbo nation acquires a more prominent role as the object of her focalisation: “She was determined that their [children’s] minds were kept alert; they were Biafra’s future after all. So every day she taught them under the flame tree, away from the horrible smells towards the back of the buildings” (ibid.: 389). A similar sort of partaking in the emerging national perspective, i.e. a perspective which focuses on nation-building, can be spotted in some other examples of Olanna’s involvement with the wider Igbo community, such as in her participation in political rallies (ibid.: 190), her visits to her sister’s refugee camp (ibid.: 347), and her teaching the pupils about the Biafran flag and the symbolism of its colours (ibid.: 281). That the diverse forms of display-

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ing of Igbo nationalism become foregrounded as objects of Olanna’s focalisation essentially means that she has accepted the Igbo struggle for independence as hers and that she has begun to identify as Igbo. Olanna’s embodiment of Igbo identity is particularly emphasised when she joins the Igbo women in singing and dancing for Biafra, when she and other Igbo women arguably share the perspective:9 “Olanna joined them, buoyed by the words – Who will win? Biafra will win, igba!” (ibid.: 332). In this example, Olanna is not only fully immersed in public displays of Igbo nationalism that leave little to no room to contemplate anything else, but she also relies on the means that she initially manipulated in order to distance herself from the Igbo community – the body (here, dancing) and language (here, singing) – to now make obvious her becoming its member. This brief critical reading of an example of internal focalisation in Adichie’s Half of a Yellow Sun demonstrates how beneficial it is for understanding the mental states of character-focalizers and their relation to the surrounding world to consider their relation with the object(s) of focalisation, or what they foreground and what they relegate to the background. In Olanna’s case, this object of focalisation is the Igbo (national) community, and the changing distance that Olanna assumes, as subject of focalisation, from various displays of Igbo nationalism translates into her ideological distance from the Igbo national community. In the absence of overt comments on Olanna’s part about her reluctant identification with the emerging Igbo nation, the shifts that we can observe on the formal level are significant indicators of that which is left unsaid on the thematic level. Based on these findings, it is safe to claim that contemporary scholarship on internal focalisation, which favours the relations between characters as subjects and objects of focalisation, offers much room for improvement, in the sense of achieving a more nuanced understanding of the relations between different existents in narratives and the sematic potential of those relations.

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The perspective here refers to that which the characters see.

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Conclusion: Toward a Responsible Narratology I initiated this conversation wondering how an engagement with Nigerian Anglophone novels could contribute to postclassical narratology. Half of a Yellow Sun served as a productive vehicle to demonstrate how the contemporary Nigerian novel can advance our understanding of focalisation and challenge some current assumptions with regard to that strategy. At the same time, relying on Half of a Yellow Sun helped me to address an even more urgent question, namely how the sort of literary-theoretical knowledge that is based on African Anglophone literatures can invite a reconceptualization of the relationship between African Anglophone literatures and dominant European scholarly traditions. To answer this question meant to revisit the current rapport between these two fields and identify some possible strategies for its improvement that could lead to further advancements in narratology. Moreover, the sort of improvement in the rapport between narratology and postcolonial literatures that I put forth here is of great significance for non-Western postcolonial literatures too, insofar as it demands an appreciation of non-Western postcolonial literatures not only for their socially and politically significant themes, but also for their potential to help generate new literary-theoretical knowledge. While postclassical narratology still remains based on and largely oriented towards European/Western literatures (Kim 2012), the marked increase in interest in non-Western literatures in Europe10 is inevitably producing ever more pressure on scholarship to account for the diversity in literary expression. This, in turn, means a re-evaluation and almost necessarily also a redefinition of the sort of knowledge that constitutes contemporary narrative studies. Whereas we can certainly notice a number of attempts to incorporate non-Western postcolonial literatures in narrative studies, the question that remains unresolved is how

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For more detail about the rising popularity of, for instance, African Anglophone literatures in Europe, see Sarah Brouillette’s Postcolonial Writers in the Global Literary Marketplace (2007) and Caroline Davis’s Creating Postcolonial Literature: African Writers and British Publishers (2013).

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this is done: Are non-Western postcolonial literatures taken as mere case studies that are used to prove the theories about narrative texts that have already been established based on the readings of European literatures, or are non-Western postcolonial literatures approached as equally theoretically useful literary artefacts? This question simultaneously addresses the ethics of scholarly research and the advancement of scholarly knowledge, and insists that these two should not be seen separately. My analysis of Half of a Yellow Sun endorses the latter understanding of non-Western postcolonial literatures and insists on a recognition of their uniqueness, innovation and scholarly contribution. This sort of recognition is not solely directed at tackling the asymmetries in narrative studies and rendering that field more ethically just. It is also dedicated to achieving a responsible narratology, or a narratology that readily and actively engages with the newly accessible and emerging literatures. This sort of inclusiveness in narrative studies has the potential to deepen our understanding of narrative forms as dynamic and incomplete categories whose meaning is (re)defined through their engagement in different literary and social contexts (Fludernik 2012; Vuletić 2019). Understanding narrative forms in this way implies that we cannot talk, as Prince does, about the application of some abstract and universal narratological categories to non-Western postcolonial literatures. Rather, the encounter with non-Western postcolonial literatures challenges and/or expands our previous notions of literary forms, as this study has shown using the example of internal focalisation. We may then delink formal literary representations in non-Western literatures from Western notions of narrative organisation and representation, and reach a position from which we can fully acknowledge the uniqueness and innovation of non-Western forms of literary expression. In light of such thinking, this study may be understood as a call for a democratisation of knowledge, where democratisation does not only mean rendering visible non-Western postcolonial literatures and their specific forms of expression. It means rendering them visible in a particular way: As potentially active and equally valuable (and valued) contributors to the production, revision and, generally, advancement of

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literary theoretical knowledge. This visibility is a crucial contribution to the forms of resistance in academic contexts that have been triggered by the Rhodes Must Fall movement of 2015. Initially born at the University of Cape Town with the intention to question the colonial legacy in contemporary South African education, the movement sparked a whole range of international responses that sparked debates about inclusivity and (racial) diversity at European and American universities. Telling examples are more recent initiatives at numerous British universities to decolonize education, such as ‘Why is my Curriculum White,’ which have given an invaluable impetus to re-thinking knowledge regimes in the times of postcoloniality. It is to such an emerging intellectual and social climate that the results of the present study speak, by bringing to the focus and proving the benefits of an inclusive and democratic approach in knowledge production and dissemination.

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Chimamanda Ngozi Adichie and Chris Abani, Trier: Wissenschaflicher Verlag Trier.

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Prolegomena to a comparative history of small and minority literatures Jeanne E. Glesener

“Die Bezeichnung ‘eine kleine Literatur’,” writes Iso Camartin, scholar of Rhaeto-Romance literature, “beleidigt das Ohr eines jeden Rätoromanen. Es ist der Blick von außen, der zum Vergleich genötigte, der die Dinge so verkürzend und entstellt sieht. Gewiss, klein mag diese Literatur scheinen, wiegt man sie auf gegen den literarischen Produktionsausschuss einer Weltsprache. Doch wird literarische Bedeutung so gemessen? Ist nur das groß, was auch umfangreich ist? Müsste man nicht Vergleichbares vergleichen, um gerecht zu urteilen?” (Camartin 1992: 172–173) This quotation pinpoints a few of the topics that this article will address in some detail. Camartin raises an important issue when he questions the general tendency to measure literary significance solely in relation to the size of the literary output in world languages. His irritation with the appraisal of small literatures from the outside vantage point of major literatures, an appraisal which results in distorted representations, is a recurring argument in the self-reflexive discourse of small literatures. Furthermore, his question whether it is not more appropriate to compare what is alike, remains a pertinent one for literary comparativism. Where, one may wonder, does his uneasiness or his annoyance even with the designation ‘small literatures’ stem from? Is it merely a matter of susceptibility or does it go much deeper to more fundamental questions regarding the perception of small literatures in the world literary space? The latter begs yet another question: to what extent has

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this perception until very recently been conditioned by the axiological opposition between major and minor literatures underlying comparative literary history from the 19th  century onwards? In order to provide some possible answers to these questions, this article is structured into two parts. Part I concentrates on terminological ambiguities and discursive biases that persist, especially in the nondifferentiated and often synonymous use of the notions small and minor literature. The intent here is to highlight and questions the polyvalence of the authoritative “minor literature” concept coined by Gilles Deleuze and Félix Guattari in 1975. This part concludes with a typology of small literatures in Europe and provides a list of their main characteristics. Part II is concerned with perspectives and discourses. The aim is to show to what extent the normative genre of literary history has been instrumental in moulding an understanding of small literatures that still resonates in world literature scholarship today. This will be demonstrated by a close reading of excerpts from Pascale Casanova’s La république mondiale des lettres (1999) [The World Republic of Letters (2004)]. Underlying these reflexions is the call for more structural-typological comparative studies of the different types of small and minority literatures in order to complement the hitherto privileged center-periphery approach.

Part I: Terminology and Typology The study and analysis of small literatures is fast becoming an innovative and bourgeoning research domain: panel sessions at international comparative literature conferences, topic and conceptualization conferences, and the rise of publications exploring various specific aspects of small literatures, are activities testifying to that effect1 . It seems as

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The following overview of publication projects gives a good insight into the dynamic of the emerging research field: 2012 special issue in the Routledge Nationalities Papers Journal on Languages, politics and field theory – the question of the autonomy of small literatures edited by Clémence Scalbert-Yücel (Basque,

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though earlier exhortations to give small literatures their due attention in comparative literature scholarship are finally being heard. The quotation by Camartin joins a long line of pleas to pay more considerable and more considerate attention to the study of small literatures. Camartin’s request for comparing what is comparable in order to avoid unwarranted value judgements, echoes some of Hugo von Meltzl’s engaged concerns regarding the legitimacy to include small literatures and literatures in uncodified languages in the very first journal of comparative literature, the Acta Comparationis Literarum Universarum, edited in Cluj (Romania) between 1877–1888. In the first issue of the ACTA, Meltzl writes: “Our secret motto is: nationality as individuality of a people should be regarded as sacred and inviolable. Therefore, a people, be it ever so insignificant politically, is and will remain, from the standpoint of comparative literature, as important as the largest nation. The most unsophisticated language may offer us most precious and informative subjects for comparative philology” (Meltzl [1877] 2009: 45). Similar appeals to include small literatures in comparative literature scholarship followed at regular intervals through the decades. In his Précis de littérature comparée from 1931, Paul Van Tieghem, the first historian of comparative literature in France, advocates the recognition and inclusion of small literatures in studies on general literature on the one hand and in comparative history of literatures on the other (Van Thieghem [1931] 1946: 205–206). Writing in 1953, Joseph Remenyi sharpens the tone, when he stresses that “cultural leaders of ‘big nations’ err when they base the universal norms of literature exclusively on their Berber, Francophone Jewish, Kurdish literatures); 2014 issue of Studi Slavistici on Translating Small Literatures to the Global market (on Bulgarian and Georgian literature), edited by Jordan Ljuckanov; 2017 issue of the Journal of World Literature on Ultra-minor literatures, edited by Bergur Rønne Moberg and David Damrosch (Francophone Acadian, Malta, Faroese, Mauritian, Norwegian and literature in Malayalam); 2021 Jeanne E. Glesener/Oliver Kohns (ed.): Weltliteratur und Kleine Literaturen. Neue Konzepte und Lektüren, Würzburg: Königshausen und Neumann.

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own, and merely condescend to other [literatures] or speak [of them] in terms of glib generalizations” (Remenyi 1953: 120). By calling into question the general applicability of the so-called universal norms, Remenyi addresses an issue that is still unresolved in contemporary scholarship and that is also expressed in Camartin’s statement, namely the question of how one can say anything meaningful about small literatures within the framework of general literary theory when that very theory is derived from the episteme of major literatures. Another initiative to further the interest, the translation and the study of small literatures was undertaken in 1977 by the Hungarian homme de lettres György Gera, with a survey addressed to roughly 100 writers around the world, enquiring after possibilities for promoting literatures in lesser-known languages (Glesener 2015: 159–161). A last example worth mentioning is the 1993 Bernheimer Report on the state of comparative literature studies at the turn of the 20th  century. Bernheimer stressed the need, for the context of European literature studies, to abandon the sole focus on English, French, German and Spanish literatures, in order to look to the “minority literatures [that] also exist within Europe” (Bernheimer 1995: 45). The fact is, however, that the study of small literatures has, for most of the 20th  century, been in the hands of national philological research and that comparative endeavors have been scarce.

The terminological conundrum or the polyvalence of the minor As the previous historical overview indirectly indicates, the terms “small and minority literatures” were the most commonly used and most widely referred to when speaking of the literature of small nations, countries, communities or of minorities. Matters have become more complex ever since Gilles Deleuze and Félix Guattari coined the concept of ‘littérature mineure’ or ‘minor literature’ in their land-mark essay Kafka. Pour une littérature mineure from 1975. Since its inception, it has become the more commonly used concept despite the fact that, as César Dominguez et al. have noted, “its widespread use stands in sharp contrast to the paucity of its theoretical

Prolegomena to a comparative history of small and minority literatures

development” (Dominguez/Di Rosario/Ciastellardi 2018: 278). Rather than providing an in-depth commentary on the essay and on the minor literature concept, I will explore the concomitant dimensions and aspects that have since been linked to the term. The idea here is to show that, beyond the socioliterary and empirical approach to small and minority literatures, minorness is not primarily a matter of essence – or a quality determined once and for all – but rather a matter of perspective and time.

Minor as a concept Taking as their starting point Kafka’s essay on the literature of small nations from 1911, Deleuze and Guattari define as minor a literature that is written by a minority in a major language. Deterritorialization of the major language, connection of the individual and the political, and the collective character of enunciation are highlighted as distinctive traits (Deleuze/Guattari 1975: 29–33). This understanding of minor literatures had a considerable influence on how small literatures were consequently perceived. For some time now, the concept has been challenged and deconstructed and the conceptual and methodological aporia have been addressed. Pascale Casanova has criticised the philosophers’ misleading dehistoricization and overinterpretation of Kafka’s source text, the prevalent philosophical bias and the primacy of the political underlying the conceptualization of the minor (Casanova 1997: 233–247). Lise Gauvin proceeds to a close reading of Kafka’s journal entries leading her to deconstruct the tenant of language deterritorialization in order to show that it is not only misleading in the case of Kafka but also highly problematic for small literatures in general (Gauvin 2003: 19–41). Charles Sabatos, reconstructing the multilingual literary context of Kafka’s Prague, proceeds in a similar vein when he questions the linguistic assumptions of minor-literature-theory and exposes them as inadequate to capture the complex cultural landscape of modern Prague (Sabatos 2012: 281–294). The practical limitations of the minor literature concept also stand out whenever we want to canvas the

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inherent characteristics of small literatures with regard to aesthetic, linguistic and cultural specificities, issues of historical development and the set-up of the literary system – in short, many of those core aspects that impact on and shape writers and texts. In the decades following the publication of the essay, the concept has been generally, albeit randomly applied when discussing less established or lesser-known literatures. To some extent, it also became a kind of shorthand to legitimate the minimal attention devoted to small literatures in larger comparative contexts.

Minor as a matter of perspective The term minor literature is today widely used in scholarship from a centralist perspective and in world literature scholarship. Small literatures are often analyzed in a relational framework within a centre-periphery paradigm in order to highlight unequal power relations in the world literary system. It becomes apparent that, whether a literature is minor or not, is very much a matter of perspective (Juvan 2013). Designating a literature as ‘minor’ implicitly refers to a specifically situated viewpoint from which the claim or assessment is made. Rather than being neutral, this viewpoint is both geographically and culturally anchored. The vantage point is taken as a centre which is context-specific to the question or the argument. A good illustration of such a case can be found in David Damrosch’s article on “Major cultures and Minor Literatures” (2009). The vantage point here is North American scholarship looking at North American course syllabi on world literature (D’haen 2012: 74–96). Damrosch states that in the context of his analyses, minor literatures are “works from languages and regions rarely represented on North American syllabi” (Damrosch 2009: 194). In a lecture entitled “From Bergen to Bangkok? Major Minor writers in the world” delivered at the University of Luxembourg in 2017, Damrosch talked about Thai and Indonesian writers and described them as major minor writers. From a small literature perspective, it comes as a surprise to see authors described as minor

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authors when they come from a country that ranks in fourth place with regard to population numbers, and counts 281 million speakers, thus 281 million potential readers of Indonesian literature. The point here is not to accuse Damrosch of reductionism where the scope of Indonesian literature is concerned, but rather to showcase that the “minor”-status in this context is entirely a matter of perspective, and is preconditioned by the lack of familiarity of North-American readers with the corpus of Indonesian literature. We can easily assume that from a South Pacific perceptive, Indonesian literature is viewed quite differently.

Minor as a matter of literary time In the debate about small and minor literatures, some have argued that they are in fact the invention of literary history. They claim that these designations mainly help to pinpoint a phase in the development of a given literature, the so-called phase of emergence (Grassin 1996: 7), when a “literature is still a body of writing in becoming without a firm canon and without a prescriptive expectation of regularity and beauty [and still] has a ‘linguistically unregulated existence’” (Tihanov 2014: 170). As we will see in more detail later on, literary history played a major role in implementing the difference between big and small literatures from the early 19th  century onwards. The opposition was based on different criteria, including literary accomplishment, originality, refinement of the literary language and modernity. Literary history developed into a genre, devising a chronological framework which was not unlike a roadmap to retrace the evolution of literature in the centres. Periodization became a major tool to point out the paradigm shifts on topics, aesthetics, and poetics that occurred in literary productions through time. It provided the main model for literary historiography and gave the foundation for the timeline of literary evolution. In his provocatively entitled article “Do ‘Minor Literatures’ still exist?,” Galin Tihanov argues that:

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“The true history of ‘minor literatures’, in the sense of small and poor relatives of the mainstream European literatures commences only with the end of the ‘exotic phase’ [i.e. the focus on folklore] and the arrival of the more or less synchronized literary movements of the fin-du-siècle and later the avant-garde, the many isms (romanticism, realism, symbolism, expressionism, modernism, etc.) which begin to coordinate the map of literary Europe and entangle the smaller literatures […] into a larger landscape of shared conventions and styles” (ibid.: 173). The periodization model soon evolved into an evaluative paradigm with the isms-chronology as the foundation of the “axiological juxtaposition” between minor and major literatures (ibid.: 174). It became the yardstick by which literatures were measured and in time consolidated the categorization of the European literary landscape into developed/modern and backward/belated literatures. Since the demise of the ismschronology in comparative literary historiography, says Tihanov, this axiological juxtaposition has become problematic, and the distinction between major and minor literatures is valid only with regard to the status of languages, with the great languages spreading continents whereas the small or minor languages “remain trapped in the physical body of their respective nation states” (ibid.: 174). He further contends that, with the consolidation of transnationalism, transculturalism and translingualism, even this view is gradually waning. Tihanov’s long-term perspective raises questions, however, especially with regard to the material and empirical conditions of small literatures. These may change considerably over time, but even once a formerly emerging literature has developed into a fully-fledged one with a strong institutional basis, the condition linked to exiguity may remain challenging. These various perspectives and conceptual ambiguities (Dominguez/Di Rosario/Ciastellardi 2018: 282) inherent in the minorliterature-concept and the way it developed to become the institutionalized term, stress the need to be mindful of these implications when discussing small and minority literatures in terms of minor literatures.

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And this brings me to another salient issue related to the concept. It regards its widespread use as an umbrella term for what are in fact very different kinds of literatures. Even a cursory glance at the literary map of Western and North-Eastern Europe allows us to appreciate the variety of types there are: • • • •



Literatures of small states: Belgium, Estonia, Greenland, Iceland, Latvia, Lichtenstein, Luxembourg, Malta, Slovenia, etc. Minority literatures in unitary states: Catalonia, Friesland, Faroe Islands, Macedonia, Silesia, etc. Interregional Literatures: Greece-Cyprus-Turkey, Istria (ItalyCroatia-Slovenia) Literatures in small languages without external reference system: Basque, Estonian, Gaelic, Latvian, Luxembourgish, Maltese, Rhaeto-Roman, Sorbian, Welsh, etc. Small literatures in dominant languages: Luxembourg (German, French, English), Belgium (French, German), Switzerland (German, French, Italian), Italy (German), etc.

The typology is likely to gain considerably in complexity if we add to it the many different cases of small and minority literature from Eastand Central Europe. Even just a cursory glance at the European Charter for Regional and Minority Languages2 reveals the intricate situation of these minority literatures, or micro-literatures, a term coined by Mircea A. Diaconu to describe literary cultures that build up their identity “cross-statally and in conjunction with another or several other literatures within and without the host country” (Diaconu 2018: 137). The provisional typology already shows the factual heterogeneity that exists and that is obscured every time the homogenizing term of minor literatures is being used. That these different types share cores is evident; that there are manifest differences between them is equally

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See https://www.coe.int/en/web/european-charter-regional-or-minority-langua ges, accessed 10.04.2020.

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evident. In very general terms, we can assume, for instance, that the literatures of small states are legitimately recognized literatures, backedup by institutionalization and professionalization processes, by statesanctioned curricula-, research and archiving programs, and that they dispose of an operational literary field or system. In the case of minority literatures, these same elements cannot be taken for granted, especially if the literature in question, is situated either at the periphery of, or is enclosed by a dominant literature. Endeavors for legitimate recognition often go hand in hand with the fight for the political and cultural rights of the linguistic or ethnic minority in question. My rationale to give preference to the term small literatures – quite apart from the fact that it refers back to the original use made by Kafka in his reflections on literatures of small nations – is that the adjective small refers first to quantitative aspects. It also has the advantage of being more neutral, especially in contrast with the word ‘minor’ which implies a principal subordination to a major entity. Small thus points to the size of the literary system, which can be objectively described by considering such indicators as the number of authors, the yearly publication output, the number of institutions, and so forth. The study of small literatures has a lot to gain, I think, by starting out from more quantitative and empirical criteria which provide the basis for the analysis of specific problematics, discourses, themes and characteristics. Among the more comprehensive overviews to date on the defining characteristics of small literatures is Roland Marti’s and Christian Prunitsch’s 2010 article “Petites littératures en Europe”. The socioliterary approach and the focus on discourses enable them to outline some of the core issues. The article is also remarkable for its tracing of the numerous denominations small and minority literatures have known in Slavic scholarship. Quantitative as well as thematic and generic restrictions are quoted as some of the main features. The amateur status of writers and other literary agents in the field is taken as an indicator for the professionalization of the field. Marti and Prunitsch also identify the polyvalence of writers, meaning their practice of and proficiency in multiple literary genres as a further characteristic. The identitary function is rated as generally very high in the sense that literature is an

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important factor in the national identity formation and national emancipation often started with literary activities (Marti/Prunitsch 2010: 58). And finally, they point out the unilateral relations of dependence on other, often older and more established literatures. While these characteristics are generally valid, they are not so in absolute terms. We need to remember, for instance, that the amateur status of writers is a reality also in major literatures. Recent studies on the French literary field have shown, for instance, that, out of the 270,000 registered authors, only 7000 are professional ones, which is only three percent of the overall author population. We can assume however, that this percentage is even considerably lower in small literatures. Similar care is required with regard to the identitary function. While it is true that literature’s engagement played a crucial role in emancipation and nation-building processes in small literatures, it is good to remember that this was also the case in major literatures, especially during the Romantic period, as revealed by the Encyclopedia of Romantic nationalism in Europe, edited by Joep Leerssen and his team in 2018. This large-scale study on cultural nationalism focuses, among other aspects, on the production of the ethno-cultural repertoire that helped mobilize European nationalization processes all through the long 19th  century. But even beyond that period, the identitary function of literature remained crucial in major literatures. In France, the nation-building process during the Third Republic (1870–1940) proceeded on the one-nation-one-territoryone-language principle, and the nascent genre of literary historiography was among the main media for diffusing the nationalistic ideology. Other institutions held and still hold similar key roles. The nationally protective role of the Académie Française over the centuries, for instance, or the concepts and discourses of the Francophonie and to a lesser extent that of Commonwealth literature were used as a defensive strategy to segregate literatures and, as such, are signs of the national-identitary function attributed to literature in major literature contexts. The following provisional list of criteria may provide further elements to gain a clearer understanding of the characteristics of small and minority literatures. It is by no means complete nor does it intend

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to be prescriptive. It may however prove useful when identifying specific discourses or markers: •



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age: depending on historical events and geopolitical decisions, some literatures are comparatively recent whereas others with a longer literary past have a more established tradition; age also impacts then on international recognition/place in world literature written in lesser known languages (difficulty of access by international readership and difficulties to get major works translated → hence limited circulation and reduced visibility in world literature) written in multiple languages (questions of belonging, centre/periphery problems, etc.) and the ensuing polyliterariness, which Ďurišin describes as the overlapping both of literary tradition and literary convention in linguistically and culturally close communities (Ďurišin 1989: 128) geocultural location (border zones, in-between major literatures or cultural areas) presence or absence of external reference systems degree of institutionalization/degree of heteronomy/autonomy of the literary field polyfunctionality of writers, as they take on different roles in the system (editors, reviewers and journalists, scientists, lecturers, event organisers …) discourses of legitimation

What these characteristics highlight is that comparative research on small and minority literatures need not primarily be beholden to a relational dialectic based on a dominant-dominated framework. They also stress the need for more structural-typological comparative studies that are likely to bring to the fore as yet unrevealed aspects and practices. A combination of these two approaches, we can assume, will prove highly interesting and innovative for future research.

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Part II: Literary History This second part will mainly deal with the normative genre of literary history from the early 19th  century onwards, and the key role it played in moulding an understanding of small literatures that went largely unquestioned until recently. The aim is to interrogate in more detail the unease that Camartin, for instance, feels at the use of the term small literatures. The emergence of national literary historiography was concomitant with the rise of nationalism in Europe in the post-Napoleonic period and was instrumental in casting the literary map of Europe into small and big literatures. To some extent, small literatures functioned almost as the necessary Other against which the older, dominant and established literatures cast their superiority (Tihanov 2014: 172). 19th  century literary historiography introduced the evaluative paradigm which still resonates in the notions today. The organicist model of literary evolution, underpinning the genre, led to a division of the literary map into fully-fledged, autonomous, original and innovative national literatures, and those that were conceived of as “small, derivative, deprived of originality, benighted, lagging behind” (ibid.: 173). This perception of small literatures held fast for most of the 20th  century, and even the new systemic approaches in world literature studies put forth at the turn of the 21st  century operated on this belief (D’haen 2013). This is hardly surprising given that these new approaches and methods are mainly developed by the centers, and it is again through the center’s gaze with its concomitant epistemology that meaning and place are ascribed to small literary cultures. Rather than aiding their deterritorialization from the exiguity of territorial confines, they are firmly relocated within their borders.

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The historical paradigm or why we need a comparative history of small and minority literatures I would like to engage a bit more closely with Pascale Casanova’s The World Republic of Letters, a seminal study which combines systemic world literature theory with comparative literary history. I will present it here as a poignant example of the minorization of small literatures. Looked at critically, Casanova’s study provides us with a substantial amount of material to understand how the dichotomy between big and small literatures has developed, and how the axiological paradigm identified by Tihanov came to bear on the perception of small literatures. Situated in the area of new world literature studies, Casanova’s systems-theory approach combines Bourdieu’s field theory with notions largely inspired by Emmanuel Wallerstein’s economic world-system theory. Her aim is to demonstrate how the European literary system came into being and how it developed in parallel to the political, cultural and economic consolidation of the major European nation states from the late 18th  century onwards. Drawing the emerging European literary map as a space determined by power struggles between opposing and established nations, Casanova erects a framework of dominancedominated binary in order to show that the unequal distribution of literary resources assures enduring forms of domination. This enables her to contest the fallacy of “the equality of all writers as creative artists” which formed the ideological and epistemological backbone of Herder’s theory of equality of national literatures (Casanova 2007: 76). Cast as being caught up in rivalry and competition (Prendergast 2004: 7), major literatures are envisaged as vying for domination, with a clear focus on the alliance, especially during Romanticism, between England and Germany in order to destabilize France’s international cultural domination and influence. The scenario of this power battle is projected on the large canvas of the international literary map with spotlights highlighting the situation of those literatures excluded from partaking in this competition. Casanova dedicates a whole chapter to small literatures, which she equates not primarily with the literatures of small states and linguistic regions (that is empirically small liter-

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atures) but with those that are deprived of the symbolic capital and where political dependencies are paramount, meaning literatures that are highly nationalized. Her map of literary Europe is thus divided into two essentialized categories of literatures: dominant major literatures that gradually transcend the concerns of the nation-state, progressively achieve autonomy and reach the point where they invent their own laws (Casanova 2007: 86), and dominated small literatures, deprived of autonomy and subjected to national political concerns. Because they are perceived as committed to the nation-building project (ibid.: 79), the latter submit rather than partake in shaping the universal literary laws. The doxa of major literatures or the governing laws as established by the centres are referred to regularly in the study, and one such example is the temporal law of the literary universe. Casanova devises the concept of Greenwich Mean Time of literary history which enables her to assess the modernity of European literatures. This literary Greenwich meridian regulates literary time in that it measures the aesthetic distance or closeness of European literatures in relation to the center, in this case Paris: “the prime meridian determines the present of literary creation, which is to say modernity” (ibid.: 88). The prerequisite for engaging in the determination of modernity is age: “it is necessary to be old in order to have any chance of being modern or to decree modernity” (ibid.: 89). According to this time system, the literary world is divided into literatures that are ‘on time’ and those, that, because of the distance or non-compliance with the aesthetic at the center of the moment of evaluation, are deemed belated. The Greenwich Mean Time concept of literary history thus “institutes a regime of center and periphery” in which the developed agents “stipulate and defend the norms of the literary” (Prendergast 2004: 8), while the backward agents, subjected to the norms, strive to catch up. Yet there is a major blind-spot relating to this analogy with the Greenwich meridian. If you admit to the existence of the meridian, then it follows that you also admit to the existence of different time zones. The latter are determined by their location on either the geographical or literary map. As location means context, this is a given that cannot possibly be dispensed with when evaluating the time of a literature at

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a specific moment. Local specificities such as the status and number of the literary languages used by a literature, the state of development of the literary field and the opportunities for publication and distribution need to be considered. Furthermore, underlining the belatedness of small literatures implies a belief in the synchronicity of the emergence of literary phenomena in different contexts. And yet, as comparative theory and methods have stressed, asynchronicity tends to be the rule and is conditioned by the different, sometimes multilingual and pluricultural, set-up of literatures emerging in contexts that are not identical or similar (Brunkhorst 1981: 32). Equating asynchronicity with belatedness is restrictive in so far as it neglects to consider what John Neubauer calls the contemporaneity of the heterotemporal, i.e. the synchronicity of different literary times or the temporal asynchronicity of different literatures (Neubauer 2003: 66). Comparative scholarship in small literatures increasingly contests the notion of belatedness, as can be seen in recent Modernism studies concentrating on the advent of the Modernist Movement in literary cultures not primarily associated with it, but which possess an important Modernist tradition all the same. Writing about Icelandic literature, Astraður Eysteinsson has coined the term “creative anachronism” to pinpoint the emergence of Icelandic Modernism on the European timeline, arguing that this has little to do with belatedness or epigonism. The translation of Euro-American Modernist works, their emergence in a cultural-geographically different context, involves temporal as well as geographical anachronisms and “such cultural anachronism[s …] have substantial creative potential in the complex assemblage we call literary history” (Eysteinsson 2004: 180). The Greenwich meridian of literary time qualifies as one of the instances which Casanova herself criticizes in her study when she accuses the centers of “literary ethnocentrism” (Casanova 2007: 204) each time they apply their own aesthetic categories and politics to different literatures and contexts. It is an example of this central dominant perspective which is, at times, also her own bias.

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For one thing, there are the reductions that Casanova’s theory works with, the most notable being, as Prendergast has rightly objected, the “national [that] is made to do all the work, accorded such grand explanatory powers that it is effectively posited as capable of accounting for everything” (Prendergast 2004: 11). This is very evidently the case when she addresses small literatures. “Within deprived spaces, writers are condemned, in effect, to develop a national and popular theme: they must defend and illustrate national history and controversies, if only by criticizing them. Because they are for the most part concerned to defend a certain idea of their country, they are engaged in elaborating a national literature” (Casanova 2004: 191). The role of literature here is seen exclusively as participating in the ontological nation-building endeavor by developing the teleological narrative of the nation. This political mission is taken as a sign of their heteronomic state, which in turn provides the ground for their axiological appraisal. As already pointed out, the term ‘small’ here has a specific meaning, namely, being deprived of literary capital. Measured against the yardstick of the major, “universal” literatures, it is stretched further by having the endemic deficiencies of smaller literatures pointed out. Put bluntly, small literatures are deficient because they do not conform to the aesthetic, poetic and literary historical laws established by the center. Hence, small literatures are seen as deviations from the “universal” standard: “not only are the impoverished – whether their poverty is literary, political, or linguistic – never suitable, which is to say they never conform, never find their place, are never truly at ease in the literary world; more than this, their various unsuitabilities are themselves contradictory, forming an inextricable web of malediction, unhappiness, anger and revolt” (ibid.: 185). In Casanova’s macro perspective of the European literary system then, there is no room to zoom into more closely on the state of the individual small literatures to reveal other concerns, besides the national ones

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that these literatures also confront. The representatives of small literatures that she evokes are those who migrated from the periphery to the center, mainly Paris, and seem to be worth our attention only because of the impact they had on the center. The periphery, their home field, remains largely unexplored and mainly fixed in a state of provincial backwardness. The difficulty with Casanova’s postulates is not only that it posits the national-political paradigm as overall valid for small literatures, but also that she fails to provide “first hand insights into the literatures being described themselves” (Milutinovic 2014: 715). Although her analysis includes examples from the 19th into the late 20th  century, the latter remain frozen in the ideological time zone of literary nationalism. This is also one of the paradoxes of the study: while, on the hand, she casts small literatures as reactive to historical events, such as the nation-building process, on the other hand, she denies them the potential to react to events other than national concerns. In short, she denies them their contemporaneity and their ability to reflect and comment on external, transnational, global problematics and present them as refracted, transformed and retranslated in literary terms (Casanova 2004: 86). This denial however, is of course in tune with her logic. Zoran Milutinovic especially takes her to task for this lack of projection when he writes that: “[S]ince the 19th  century, even the newest and smallest among European literatures have moved, developed, diversified, although they can still be said to be small. Assuming that they have remained forever enchanted by their nations-in-the-making is simply wrong. Small literatures and their writers may crave recognition and attention, but they are not exactly helped if we approach them with a set of newly created stereotypes and dubious generalizations, based on equating them with the geopolitical situation of their respective nations, instead of, as was long the case, simply denying them any recognition or attention” (Milutinovic 2014: 716) He calls for a conceptual framework that dispenses with a literary map where the international literary system overlaps with the geopolitical

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map of the world. And this is, in nuce, also a call for a different approach to small literatures, one that is not solely based on the center-periphery inequality dynamics à la Wallerstein. Since its publication, Casanova’s work has been debated and criticized by numerous world literature scholars3 for drawing too general, too Eurocentric, too authoritative, too categorical, a picture of the literary map of Europe. It has also been taken to task for its depiction of small literatures. Her wish, expressed at the end of the book, that it will be a “critical weapon in the service of all deprived and dominated writers on the periphery of the literary world” in their struggle “against the presumptions, the arrogance, and the fiats of critics in the center, who ignore the basic fact of the inequality of access to literary existence” (ibid.: 715) may well be sincere, but her conception of small literatures and the limitations she bestows on them, corroborate, rather than dismantle, the biased view on small literatures. Trapping small literatures within the national paradigm does them a disservice as it obliterates all other themes, topics, discourses, and concerns that are distinctive for this type of literature. Prendergast’s criticism of Casanova’s overall approach is therefore also valid for her treatment of small literatures: “It is rather that a single generalizing description misses too much and is destined to do so if the partial description is offered as the description” (Prendergast 2004: 25). Commenting on the manner in which the smallness of small literatures is discursively constructed, Zoran Milutinovic rightly stresses that these descriptions run the risk of being inadequate, deductive, and reductionist (Milutinovic 2014: 715). The need to offer alternative descriptions of the literary development of small literatures is all the more urgent if one considers the fact that Casanova’s study itself emanates from a scholarly Western center and is not without claim to scientific authority. Without being questioned, her study is likely to exert the same descrip-

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For a detailed overview of the criticism by Christopher Prendergast, Helena Buescu, Mads Rosendhal Thomsen, Jerome McGann and David Damrosch levelled against Casanova’s book, see Dhaen (2012: 104–108).

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tive power over small literatures, as did the landmark essay of Deleuze and Guattari.

Different genealogies Scholars of small literatures have since criticized this ethnocentric or even centrocentic view. The coarse universal framework which looks for sameness is often not apt to account for context specificities that explain the literary chronology and aesthetic characteristics of a given literature. In an essay published in 1985, Iso Camartin stresses that: “Man missversteht die Bedeutung der kleinen Literaturen gründlich, wenn man sich darauf beschränkt zu fragen, was sie Ebenbürtiges bieten können zu dem, was man schon kennt und hochschätzt” (Camartin 1992: 179). The Luxembourgish writer and essayist Mars Klein makes a similar point when he comments on the axiological framework of general literary history when applied to Luxembourgish literature from the outside without considering the socio-historical context. Klein’s reflection on periodization illustrates the problem created by searching Luxembourgish literature for equivalent examples of major literary movements that are context specific. As Anne-Marie Millim has noted, “the absence of such examples, or their belated appearance compared to canonical masterpieces, all too easily and misleadingly created an impression of Luxembourgish literature as backward and uninteresting, and merely copying the inventions of others” (Millim 2019: 15). However, Klein asks: “Ist es vielleicht ein Zeichen von literarischer Rückständigkeit, dass es zwischen 1915 und 1920 bei uns keine expressionistische Experimentallyrik gab?” (Klein 1985: 9). Identifying life in the metropolis and the direct experiences of the trenches during World War I as preconditions for expressionist writing, Klein argues that, rather than literary belatedness or deficiency, the absence of this kind of writing in Luxemburgish literature can be explained by the lack of these experiences as Luxembourgish writers did not live in a metropolis and did not, “thankfully,” experience Verdun (Millim 2019: 15).

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Looking for equivalents to the masterpieces produced in different metropolitan contexts obscures the merits inherent in smaller delimitations of literature according to Klein: “Wer die Literatur nicht danach misst, wie sinnvoll sie reagiert auf die Gesellschaft, in der sie entsteht, sondern nach dem abstrakten Kriterium einer internationalen Modischheit, wer Regionalität ausschließt und dafür eine Art Literatur-Zentralismus anstrebt, wen nur die zehn besten Spitzen-Autoren interessieren, nicht aber der breit gewobene Teppich von Literatur an sich, ja für den mag die leidige Legende von der Rückständigkeit Glaubenssache sein” (ibid.: 9). More recently, the Belgian comparatist François Provenzano has argued in his seminal work Historiographies périphériques. Enjeux et rhétorique de l’histoire littéraire en francophonie du Nord. Belgique, Suisse romande, Québec (2011), that in literary phenomena habitually relegated to a marginal position, one observes a refusal of peripheralization and a questioning of normativity traditionally taken as a model (Provenzano 2011: 9). This ties in with another of Camartin’s statements that not every scientific questioning relevant for dominant literatures is transferable or appropriate for small literatures: “Man hat die Literatur nach dem zu befragen, was in irgendeinerweise auch das Leben bietet – und sei es nur in Form der empfundenen Entbehrungen. Man sucht nicht nach Austern, wo kein Meer zur Disposition steht” (Camartin 1992: 172). Life here means context, and it is the context that will reveal what is at one’s disposal. Comparative judgment from the perspective of major literatures and according to central norms has had a profound impact on the selfperception of small literatures. It has given rise to what I have elsewhere called the discourse of smallness (Glesener 2015: 161) in reference to François Paré’s concept of minorization (Paré 2001: 27). In her analyses on Francophone Belgian literature, Reine Meylearts talks of interiorized forms of French domination that nourished the conviction of the illegal status of Belgian literature (Meylaerst 2004: 19). This belief of illegitimacy is at the heart of an inferiority complex which finds expression, according to the Belgian literary sociologist Paul Dirkx in “a Bel-

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gian tendency for self-criticism, self-mockery or even self-abasement, or to use the provisional term, a tendency for self-devaluation. […] This tendency exists among producers themselves, especially in their faithfully applying (admittedly) Parisian models […] and looking down on Belgian models, which they usually call ‘regionalist’” (Dirkx 1995: 78). Comparative literary history research on small literatures is thus faced with major challenges, and the nature of genre as well as its methodology raise several questions. As we have seen, approaches have greatly changed. If in the past, literary historical comparison between big and small literatures tended to underscore the similarities in abstract qualities deemed universal, it is clear now that comparative methodology should privilege historical, geographical and cultural specifics of literature. More room should be given to the idea, I think, that different communities, territories and nations experienced and created different narratives of becoming and diverging “stories of modernity,” as Friedmann, writing in her book on Planetary Modernism, would have it. Likewise, there is the urgency to abrogate the centralimperial model of literary historiography as the “default position [and] measure of all others” (Stanford Friedman 2015: 93). Current debates in comparative literary history theory address these issues with the aim to devise a framework for a comparative history of world literature. Claims have been made that it is essential to avoid, what Prendergast has called “Eurochronology,” i.e. the inbuilt ethnocentrism of literaryhistorical periodizations (Prendergast 2004: 6). What is valid for a history of world literature also seems valid for a history of small literatures in Europe and the world, precisely because their appraisal tends to be done by applying a dominant eurochronological framework. I would like to conclude with some musings about the critical contribution of small literature scholarship to general literature theory. I wonder at the more general heuristic potential of the typology, the list of characteristics as well as the reflections on literary history that have been presented here. Are they not also an opportunity to delve deeper and to enquire more fundamentally about types of literatures or the extant diversity of literatures? Is a major literature not also ‘just’ a type of literature, with a fixed set of characteristics just as small literatures

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or minority literatures are? Thinking of literatures as different types will help us to go beyond the thought pattern that distinguishes between a normal and standard type of literature and its sub-standard deviations. According to Gregory Jusdanis, this pattern has “the effect of dispossessing any literature not succeeded by the epithet ‘great’ and ‘universal’ [of literary significance] and divide writing into, on the one hand, the prototype and major, and on the other, the imitation and minor” (Jusdanis 1990: 14). Distinguishing between types requires devising a new terminological and conceptual toolbox in order to abandon the axiological discrimination between ‘small’ and ‘big’ literatures and to lose the derogatory notions of belatedness, abnormality, deficiency and other characteristics viewed as shortcomings. Focusing on strengths, such as the tradition of literary multilingualism, interliterary transfer processes, polyliterariness, creative reception, to name but these, could be a way forward.

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Commonwealth of the East Space, culture, and transregional orders by the example of an imported British concept Mihai-D. Grigore

Introduction “A common wealth is called a society or common doing of a multitude of free men collected together and united by common accord and coveanauntes [convenientes] among themselves, for the conservation of themselves as well in peace as in warre” (Smith 1583: 10). In this way, Sir Thomas Smith (1513–1577), the English scholar and diplomat, defines the Commonwealth of England in his work De republica anglorum written in 1583. This title was translated in a later edition from 1609 as “The Commonwealth of England” meaning nothing more than the English state’s monarchy of that time (Smith 1583; Smith 1609). Thomas Smith was far from alone in regarding England as a commonwealth. The origins of “commonwealth” are in the fifteenth century. The concept and the word linked to it emerge in the context of the noble rebellion against King Henry VI (1462–1461; 1470–1471), when documents speak of “common weal”1 . The rebels used it polemically (Watts 1995: 7–17). It was a term of protest, of claiming that any government was provided for the bonum commune, for the utilitas communis, or for 1

“From Middle English wele, from Old English wela (‘wellness, welfare, prosperity, riches, well-being, wealth’), from Proto-Germanic *walô (‘well-being, wellness, weal’). Cognate with German Wohl, Danish vel, Swedish väl” (https://en.w iktionary.org/wiki/weal#Etymology_1, accessed 17.03.2020).

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the utilitas publica, i.e. the general good of the subjects. Legitimate is that government, which makes the necessary polity in order to gain the common good, understood also as “common profit” of the subjects. “Hence ‘common weal’ was […] denoting the ethical and social purpose of government, its duty to provide for security, social order, justice, peace, and prosperity” (Early Modern Research Group 2011: 663–664). In this meaning, the political form (monarchy, republic, or constitutional monarchy) does not truly matter, because the principle of “commonwealth” is not dependent of the political form, but of the effectiveness to ensure the wealth of its subjects. “Commonwealth” soon gained connotations of political structure, meaning in fact the English state bundling the interests of its subjects due to integrative law system, taxation, and representation in a parliament. In the 1460s, a chronicle from York stipulated, “the commones of this lande […] loved the Duk of York, because he loved the communes and preserved the commune profyte of the londe” (Marx 2003: 72, emphasis added). We have that way in England “commonwealth” denominating a body political: the ideal part of the common good, the social basis of subjects’ collective, the polity to gain the subjects’ common good and profit, and, of course, the structures of it, laws and institutions. Therefore, the keyword and the concept made a remarkable career in the British history of political thought.   Digression on Begriffsgeschichte   In the German Begriffsgeschichte as proposed by Reinhart Koselleck (1979; 2006), concepts connect language with the socio-cultural body, which developed it. We speak in this regard of historische Semantik, historical efficiency of concepts (Richter 1987). Critics, especially from mathematics and law theory (Frege 1987: 7f.; Röhl/Röhl 2008: 10), argued that words have also a meaning by their own, independently of historical becoming, so it is necessary to systematically analyse concepts, in order to avoid historical relativism and the “dissolution” of reality in historical contingency and relativity. Another drawback of Begriffsgeschichte is that it does not consider concepts as fields of social com-

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munication, as being a social practice of communication in the social system. This understanding of social semantics, as proposed by Niklas Luhmann (1980), can efficiently be applied on historical contexts, for instance, of the Middle Ages, as I proposed somewhere else (Grigore 2009). For Luhmann, social semantics fulfil three functions. Firstly, they possess linguistic representation function of concrete/observable phenomena. This is how, secondly, a social group concretizes itself in its semantics. Thirdly, semantics generate a group, constantly update it, and control it normatively; because semantics preserve those inherited values, which are transmitted further to next generations. They are necessary for the articulation and existence of any social structure, so long those social structures consider these values as defining. Semantically handed-down values thus norm the group or the social structure and become traditions. For these reasons, the social context cannot be separated from its semantic expression (Luhmann 1980: 17–30). Applied to “commonwealth,” all this theoretical frame enables us to speak of three aspects. We have in “commonwealth” “(a) a keyword, […] a term, that had particular importance in the early modern period […], but also a (b) word or term that requires careful contextualization, in the broadest possible sense and not just at any one moment but across time, and (c) a part of a conceptual field, denoting certain values and ideals that certainly needed language to define them …” (Early Modern Research Group 2011: 62; see also Knights 2010: 439–444).   From England and the British Islands, “commonwealth” translated overseas in the American commonwealths of Massachusetts, Pennsylvania, Virginia, and Kentucky, to end up with the Statute of Westminster in 1931, which created the Commonwealth of Nations. In this post-imperial, I would say neo-imperial2 , form it already became an exportconcept when, for instance, a number of post-Soviet states established 1991 the Commonwealth of Independent states (CIS). 2

On the new-imperial thesis and the legitimation problems of the Commonwealth of Nations, see Murphy 2011; Murphy 2018; Stockwell 2018; WandesfordeSmith 2019.

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Nevertheless, this is not the “Commonwealth of the East,” in which this paper is interested. In 1971 the Russian scholar of Byzantine history Dimitri Obolensky (1918–2001) (Bryer 2001), who was active at Oxford University, published the groundbreaking study The Byzantine Commonwealth: Eastern Europe 500–1453 (Obolensky 1971). Obolensky proposed a concept – a commonwealth-like intertwined “Eastern and South Eastern Europe” – which “gained the status of orthodoxy” (Speake 2018: 5) and to this day decisively shapes entire technical terminologies in academic disciplines like Byzantine studies, Eastern and South Eastern European history, Eastern Christianity studies, Slavic studies, etc. I speak of the incredibly successful career of this concept for several reasons. Not only is “Byzantine Commonwealth” used in many encyclopaedias, companions and introductions to Byzantium and postByzantine successor states3 , it also serves to underpin the theory of a coherent and continuous cultural and historical area “South Eastern and Eastern Europe,” and thus finds its way not least into the university policies and funding4 . In scientific studies one speaks analogously also of other “commonwealths” like an “Orthodox” (Kitromilides 2007). or even an “Athonite Commonwealth” (Speake 2018), in an integrative approach, which tries to overcome spatial-geographical and historiographical heuristics of a South Eastern and Eastern European common history with a new focus on culture, religion, or even monastic traditions.

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E.g. Shepard 2006, who interestingly extends the chronological limits of the concept hundred years further, to 1550, as Obolensky originally did (Speake 2018: 5). See, for instance, the Leibniz Science Campus Byzanz zwischen Orient and Okzident (https://www.byzanz-mainz.de, accessed 18.02.2020) or the Graduate school Byzanz und die euromediterranen Kriegskulturen (https://grk-byzanz-krieg skulturen.uni-mainz.de, accessed 18.03.2020). Both are located in Mainz, Germany. They use among other things the narrative of a “Byzantine” and “PostByzantine” area of continuance of Byzantine culture, religion, law and political structures from Constantinople to Moscow.

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In this contribution, I will compare the English/British concept of “commonwealth,” which was regarded as a model for Obolensky, with the concept of the “Byzantine Commonwealth.” Above all, I would like to show, how, in the new deployment, the concept was subject to a much stronger constructivist effort. Obolensky and the authors he has influenced to this day use geographical, cultural, religious and economic arguments in order to construct a specific historical area – separated from the rest of Europe – that builds on its common Byzantine heritage. After few considerations on “commonwealth” and geography in the concept “Byzantine Commonwealth,” I will discuss “commonwealth” from the cultural, religious, and polemical point of view. The conclusions I sum up under the title The immortal Byzantium in order to affirm that the historical Byzantium lives forth in the historiographically constructed and academically, politically, and medially maintained concept of “Byzantine Commonwealth.”

“Commonwealth” and geography “The study of cultural intermediaries [i.e. agents of cultural diffusion] can help to bring out the importance of the geographical factor in this process of diffusion. Seas, plains, river valleys and mountain passes were the channels through which the centres of Byzantine civilization sent out, like great searchlights, their beams of light to the most distant corners of Eastern Europe” (Obolensky 1971: 362–363, emphasis added). The scholars were influenced in the 1970s, when Byzantine Commonwealth was published, by the French École des Annales with its structuralist approach to history. Especially the category of “diffusion” and the importance given to geography in processes of cultural diffusion, found in Fernand Braudel’s (1902–1985) works on the Mediterranean (Braudel 1949; 1978), determines the conceptual framework of Obolensky’s “Byzantine Commonwealth.” He constructs his “Byzantine Commonwealth” in the same “pacifying and acritical historiographical

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ecumenism in which everything runs together,” how Mario del Treppo put it in 1976 criticizing Braudel in an important article (Treppo 1976)5 . “Byzantine Commonwealth” describes a huge area of acculturation, enculturation, and cultural diffusion beyond the political borders of Byzantium. Cultural diffusion from an imagined centre of civilized Constantinople to peripheral cultures in the Rus’, in the Balkans, in the Caucasus and so on. “These beams [of light, see above] radiated from Constantinople up the Maritsa valley to Northern Thrace and the Bulgarian hinterland; from Thessalonica up the Vardar into Macedonia; from Dalmatia up the Zeta river to Southern Serbia, and up the Neretva to Herzegovina and Bosnia; up the Dnieper and its effluents to Russian cities” (Obolensky 1971: 263, emphasis added). Obolensky titles his book introduction of 45 pages The Geographical Setting, proliferating the idea that geography and culture are intertwined. “The movement of men, goods and ideas across the Balkan peninsula in the Middle Ages was greatly affected by the features of its physical geography. Three of these features had a lasting effect upon the history of the Balkan lands. In the first place, the peninsula, itself predominantly mountainous, opens funnel-wise at its northern end into a vast plain, some 1200 kilometres long, which is traversed by the Danube and its tributaries, the Sava and the Drava, and which – save for the low-lying plateau surrounding the Iron Gate and forming the southern extremity of the Transylvanian Alps – is barred by no physical obstacle. […] Secondly, the mountainous nature of the peninsula and the fragmentation of its landscape, caused by its multiple ranges and isolated valleys, have deprived it of a commanding geographical centre. Its principal cities – Constantinople and Thessalonica – occupied a peripheral position; Constantinople, the capital of the Byzantine Empire, 5

The main critics against the Annales came from the Italian academia, influenced by Benedetto Croce’s and Karl Marx philosophy of history (Marino 2010: 7–9). Main accusation point was that Annales method represents an artificial modus of a history “without people and without human agency” (Marino 2010: 8).

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succeeded at times in enforcing its sovereignty over all or most of the Balkans, but these periods of Byzantine hegemony were few and brief” (ibid.: 19, emphasis added). In this, Obolensky follows again Fernand Braudel, who established the analytical category of “géohistoire” to counteract the geographical determinism of the 19th century German scholar Friedrich Ratzel (1844–1904) expressed in the concept of “politische Geographie” (Ratzel 1897). According to Ratzel, the geographical location provides a certain space with a relation to neighbouring spaces, understood as political locations of states. This relation conditions the states. Ratzel represents in his writing a so-called “geographical determinism” based on natural landscape conditioning of state and politics (Dünne 2018: 374–375). The keyword for Ratzel is “geographical location” semantically described by the metaphor of the river: “The river is always new, for it keeps on flowing; but the shape of its riverbed remains the same and causes it to be subjected to the same influences in the same place again and again. Thus the generations of men pass over the earth, whose ground, unchangeable or little changeable, exerts the same influence on their movements in the same place. In the two words ‘geographical location’ we summarize this permanence in movement, which belonged to the earth and is expressed in all life on the earth's surface […] and therefore passes into all expressions of life” (Ratzel 2018: 386, own translation). Braudel argues, on the contrary, that geographical space is to be understood as a relational and thus a self-changeable framework for enabling political, cultural and economic practice. This practice is not tied to an organisational conception of state. It transcends the territorial ties of state structures to a transregional framework of different relations: religious, cultural, or economic. “No, geography does not explain the whole life and not the whole history of people. The surroundings, in which they live, however important they may be, […] does not determine everything. Outside its influence, man’s work on the environment

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and man’s work on man is constantly growing” (Braudel 2018:403–404, own translation, M.-D.G.). Braudel combines the temporal and geographic elements in his main category of “géohistoire,” but it needs also subsequent categories like “longue dureé,” “conjoncture,” or “événements” in order to develop a total history (Marino 2010: 10–11; Dünne 2018: 376). Such approach makes possible histories beyond histories, such as a history of Italy before there was an Italian state or a history of Byzantine Commonwealth beyond the political and temporal limits of Byzantium. Obolensky follows Braudel in this generously open view on relation between culture, geography, and state only partially. Accentuating that much the geographical setting of the Byzantine Commonwealth, the Russian scholar reconciles in fact the two paradigms on space theory discussed previously. He uses one third of his book in order to show how Byzantium’s military and political expansion caused the establishment of the Commonwealth, imposing its military, political, and – implicitly – cultural supremacy on neighbours. Therefore, the Commonwealth is to an extent, for Obolensky, consequence of state policies. Afterwards, when Byzantine sovereignty in the Balkans and in Eastern Europe disappeared, while the imperial Byzantine state was irreversibly shrinking, the Commonwealth ties still functioned due to irradiation and diffusion facilitated by the geographical setting. Roman or Eastern Roman state’s expansion and control laid in nuce the preconditions for this late diffusion. Therefore, we encounter both the Ratzelean and Braudelean paradigm in Obolensky’s approach, with preponderance of the latter. Byzantium’s territorial expansion was dependent on the geographical barriers, which could not be crossed by armies. That way the huge steppes of Rus’ were never provinces of the Empire but for sure, integral part of the Byzantine Commonwealth. Therefore, not all cultures included in the Commonwealth were political subjects of the Byzantine emperors. However, it was said against Obolensky’s “Byzantine Commonwealth” centred especially on South Eastern and Eastern Europe, that the influence of Byzantium covered all of Europe and the Near East (McCormick 1987; Raffensperger 2012, 11–12); influences in

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court ceremonies could be observed even at the Caliph’s court in Baghdad (Shepard 1992: 57–58). This conception, of “commonwealth” without state, contradicts flagrantly the original semantics of the concept in England/British Empire, where it raised: that of a body political, with government preoccupied of the subjects’ welfare and wealth. All the historical or contemporary commonwealths have in common the power relation instituted in a body political between ruling and ruled structures, between state and subjects. Commonwealths reunite subjects bound to a political core, as there were, for instance, the American colonial commonwealths of the 17th and 18th centuries. On the other hand, they reunite former subjects around the former capital, as it is the situation with the Commonwealth of Nations (coordinated from London) or with the mentioned Commonwealth of Independent States (coordinated from Moscow).

“Byzantine commonwealth” as polemic term It is difficult to construct such a huge coherent area of geopolitical relevance called “Byzantine commonwealth.” Obolensky was one of the greatest Byzantine historians there are, so he knew very well that his concept would not apply perfectly on the geopolitics in the Byzantine millennium (500–1453). Few years after the book’s publication he showed, he was aware of this. “Some years ago, in a book entitled The Byzantine Commonwealth, I ventured the opinion that in the Middle Ages, despite notable differences in social and political life, those East European countries which owed their religion and much of their culture to Byzantium formed a single international community; its nature, I argued, is revealed in a common cultural tradition shared and contributed to by their ruling and educated classes. They were bound by the same profession of Eastern Christianity; they recognized that the Byzantine emperor was endowed with a measure of authority over the whole Orthodox Christendom; they accepted the principles of the Roman-Byzantine law; and they held that

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the literary standards and artistic techniques of the Empire’s schools, monasteries, and scriptoria were universally valid models. This international community I rather intrepidly called the Byzantine Commonwealth” (Obolensky 1988: 1, emphasis added). Critics indicated the political and cultural differences, even the religious ones, between the presupposed cultures and states of the Byzantine Commonwealth, which, thus, speak against a monolithic view on such a huge area. Even the top-down vision of Obolensky’s “commonwealth”, which he borrowed from the British Commonwealth, ignoring the major difference of political belonging, found critics, who accentuated the need of stressing “the connective” history of the Byzantine Commonwealth, i.e. trade, diplomacy, networks, etc. (Cameron 2014: 39; Kaldellis 2015). Obolensky develops his conceptual construction in the direction of cultural geography, towards a transregional space characterized by cultural homogeneity due to phenomena of acculturation, enculturation and diffusion. Beginning with considerations on geographical setting, his book ends affirming the Byzantine Commonwealth as being a cultural dimension stretching theoretically out from Mount Sinai to Moscow and from Georgia to Finland (Obolensky 1971: maps on pp. 43, 378–379). Moreover, the special “binding agent” of this huge cultural osmosis was the religious orthodox faith coordinated from Constantinople. Knowing that the ecclesiastical jurisdiction of the Ecumenical Patriarchate in Constantinople always transgressed the geographical and temporal limits of the Byzantine political state, Obolensky has to stabilize the heuristic force of his concept using culture, and especially the religious homogeneity. “The work of East Roman missionaries, and the administrative buildup of territorial churches that followed it, resulted in the transplantation of the Christian Orthodox tradition of Byzantium to the countries of Eastern Europe. Nowhere perhaps is the whole-sale nature of this borrowing more apparent than in the field of monasticism. The slight variations of type, which can be detected in the early Middle Ages between the monasteries of the different East European areas are far less

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significant than the underlying unity of formal structure and spiritual experience, which they reveal; and these differences become even less perceptible after 1300, when a new current of asceticism and spirituality, which originated in the leading monasteries in the Byzantine Empire, further strengthened the ties that bound together the various local branches of East European monasticism. […] It seems a justifiable inference from the sources to suggest that, at least in the field of religion, the Byzantine tradition in Eastern Europe became during the Middle Ages increasingly homogeneous” (Obolensky 1971: 381, emphasis added). At this point, where Obolensky’s book The Byzantine Commonwealth ends, with considerations on the homogenizing power of religion, the Greek scholar Paschalis Kitromilides takes over in his book An Orthodox Commonwealth. Symbolic Legacies and Cultural Encounters in South Eastern Europe (Kitromilides 2007). The Greek author stipulates in the book’s introduction that he is trying to further apply the concept, Obolensky developed for the Byzantine millennium, to the post-Byzantine history, after the 15th century until the beginning of the 20th century, when the Balkan Wars started (ibid.: ch. VI, 18). “As a historical phenomenon, the ‘Orthodox Commonwealth’, the cultural creation of Byzantium, remained a hallmark of the post-Byzantine period, and the provision of its spiritual leadership was understood as an essential element in the historical mission of the period, Orthodox religious institutions (patriarchates, monastic foundations, places of pilgrimage) in the broad geographical area from the Baltic to the Red Sea functioned as substitutes for the Christian Empire, and became the focal points in the collective life of the Orthodox communities. […] In this sense, Byzantium survived after 1453” (ibid: ch. VI, 6–7, emphasis added).

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Kitromilides, we have seen, decidedly focuses on the binding power of Orthodox confession6 . He stresses even more than Obolensky the unifying power of Eastern Orthodoxy, seen, in an essentialist way, as something definite and efficiently per se. Political implications, alterations of this “ideal” Orthodoxy, even epigonate to the orthodoxy of the Seven Ecumenical Councils, are ignored. “The title of the present collection is obviously inspired by that of the evocative work of the late Professor Dimitri Obolensky, The Byzantine Commonwealth. […] The title I have chosen for this collection has been inspired by that of Obolensky’s work but it should be noted as well that there are differences […]. I refer to An Orthodox Commonwealth trying to recast by means of the indefinite article the broad assertion in Obolensky’s title into an interpretative and exploratory hypothesis. Furthermore, the indefinite article is meant to suggest that the focus of the present collection is upon a narrower region within the broader world of Eastern Europe evoked by Obolensky’s magnum opus. […] Therefore, I refer not to the Byzantine period but to the Orthodox cultural forms that survived and adjusted themselves to the pressures of conquest and later responded to the challenges of modernity. The Orthodox Commonwealth in the post-Byzantine era, in the period after the fall of Constantinople in 1453, remained as broad in geographical terms as the Byzantine Commonwealth” (ibid.: ix). Kitromilides intensifies tendencies of delimitation from the West already established in Obolensky’s Byzantine Commonwealth. He proliferates the idea of West-East antagonism with perilous tendencies of alteration coming from the West and the salvation mission of a providential Greek spiritus rector of the Orthodox Commonwealth coordinated from Constantinople (Istanbul after 1453).

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On the justifiabile application of the historiographical confessionalization paradigm on Eastern Orthodox traditions, see among others Grigore/KührerWielach 2018.

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“Despite the destruction of the Christian Empire and the humiliation of captivity, the intellectual reserves of the Greek East continue to form the most important cultural resource of the Orthodox Commonwealth. The intellectual contribution of the Greek East to the Russian world embraces primarily the men of letters […] and also those who subsequently taught Greek letter and cultivated the Orthodox spirit in Russia. Scholars and prelates arrived in waves over a period of four centuries […] to sustain and in turn be encouraged by the intellectual endeavours and the hopes which Russia symbolised for the Orthodox world. The intellectual contribution also included the struggles of the Patriarchs of the Greek East to protect Orthodoxy in Russia, the Ukraine, and Poland, from the penetration of the Uniate Church, the stealthy advances of Protestantism, and the open pressures from Rome” (ibid.: 7). While the analysis is in many regards accurate and describes the tendencies in interconfessional dynamics after the 16th century, we have, on the other hand, to observe the polemical tone in the choice of terms he uses in writing history: “struggle,” “penetration,” “to protect,” or “protect Orthodoxy.” In his collection of studies, Kitromilides bundles together entire academic and public discourses from systematic theology, to history and film. His accentuation of Byzantium living forth after 1453 in the Orthodox Eastern and South Eastern Europe creates a narrative, which flourishes in the scholar research in the area here discussed. We have, for instance, young scholars speaking of a “Byzantium of the Church” (as continuator of the political Byzantium until 19th century) (Cotovanu 2003: 534–535). We also encounter theological treaties in Russia or Greece arguing for a neo-Orthodox front against the dangerous tendencies from the West like humanism, individualism, secularism, human rights, rationalism, Catholicism, Protestantism, materialism, etc. (Payne 2011; Makrides/Uffelmann 2003; Stöckl 2006; Stöckl 2008). There are documentaries comparing Putin’s Russia with Byzantium (The Fall of an Empire – The Lesson of Byzantium 2008 [RUS, R:

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Tichon Schewkunow]7 ). And, finally, fundamentalist trends in Russia celebrate the nuclear arsenal as “nuclear Orthodoxy,” God’s weapon against the (political) evil (Hagemeister 2016: 22–74). For sure, I do not want to say that Obolensky or Kitromilides, great historians, argue for such things. The most of their historical analysis is insightful and inspiring. I only want to show the problematic potential when using the “commonwealth” concept.

The immortal Byzantium. Final considerations The application of the English concept of “commonwealth” to alien regions and historical contexts is difficult. In the Anglo-Saxon area, commonwealth has a centuries-old history as a concept, term and value system. It is part of the thesaurus and has been subject to many discussions, adaptations, and appropriations, so that “commonwealth” intrinsically belongs to political culture, ethics and language. In the East, it is a historiographical artifice. In England, and in traditions emerging from England in early modern history and the colonial era, “commonwealth” developed its semantics in political ethics and global post-imperial policies. In England, in Great Britain, or in the British Empire, to speak about “commonwealth” had the premise of ruling structures between ruling institutions and subjects. They regard, first, the common good of the people in a body political, secondly, the polity in order to gain it, and, thirdly, the institutions organising that polity, symbolising it, if we use the terminology of the German sociologist Karl-Siegbert Rehberg. Orders, like the post-imperial order of “commonwealth” can not be without institutional symbolisation and linguistic appropriation. Institutions are concrete symbols mediating cultural meaning (kulturelle Sinnproduktion), effective through binding values and norms as shown by Karl-Siegbert Rehberg in his book on symbolic orders (Rehberg 2014). “Institutions are essential for 7

The film director is abbot of a leading Russian monastery and confessor of Vladimir Putin.

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political creation and enforcement of judgments. Institutions are about creating and maintaining the culturally shaped self-image of a group. In this sense, it is a synthesis of ideal and practical orientations” (ibid.: 54)8 . Institutions need further conceptualization, which is this way in permanent interdependence with the body political as place of political practice, political communication, and political ideal. The concepts of “commonwealth” applied to Eastern or South Eastern Europe are recent and much more artificial. They are creations of historians in order to construct heuristic instruments for the description of different geo-political or geo-cultural areas. It is not the place here to speak about the so-called “Polish-Lithuanian Commonwealth,” which scholars of Eastern European history are using, not thinking they apply a term not taken from sources. Sources, which officially titled the confederation established de jure uxoris in 1386 Królestwo Polskie i Wielkie Księstwo Litewskie or Regnum Poloniae Magnusque Ducatus Lithuaniae, use further occasionally the Latin “res publica” or Polish “rzeczpospolita,” which is different from the semantics of “common wealth.” However, the monarchical system of Polish-Lithuanian confederation justifies much more the use of “commonwealth,” which describes as mentioned a body political and its structures. Compared to Obolensky’s usage, Kitromilides’ “Orthodox Commonwealth” has a much more solid fundament in the transregional religious deployment of orthodox dogma, orthodox institutions, orthodox liturgical practice, and orthodox cultural production. The canonical jurisdiction and administration of the Constantinople Patriarchate did really include all the parts of the “Orthodox Commonwealth.” Therefore, we may use this concept historically justified, if we absolutely want it. Not

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“Für die ‘politische’ Kreation und Durchsetzung von Entscheidungen folgt daraus, dass jene Einheiten der politischen Gesamtstruktur in besonderem Maße als ‘Institutionen’ zu verstehen sind, in denen es um die Schaffung und Aufrechterhaltung des kulturell geformten Selbstbildes einer Gruppe und in diesem Sinne um eine Synthese ideeller und praktischer Orientierungen geht” (own translation.).

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that easy would be to use “Byzantine Commonwealth.” It is problematic to affirm that geography facilitates cultural homogenization and cultural hegemony of a core over underdeveloped peripheries. In the application of the “commonwealth” concept on Byzantine and adjacent cultures history, scholars import not only a concept, which is always an artificial act, but import the logic of classical eurocentrism underlying it, irradiating in all directions values, culture, civilization, power, etc. “Byzantine Commonwealth” constructs a narrative of a huge area’s geopolitical and geo-cultural identity, which opposes and offers an alternative to another huge area of the so-called “Western Latinitas.” The concept is, in conclusion, a historiographical construction with polemic potential, because recent historical studies show the common history of entanglement not only of Byzantium and the “West” but also of Byzantium and the Islamic traditions of the Near and Middle East (see above). “Byzantine Commonwealth” underpins exoticism and the specific-other of the Byzantium-influenced East in delimitation from the West. It neglects, ergo, historical realities, which speak in fact of blurred demarcations between East and West, which evidence strong mobility of people, ideas, and goods, from the pre-historical age until today between Europe’s “East” and “West.”

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Zwischen autochthon, Region und Nation Konzeptualisierungen österreichischer Volksgruppen Katharina Tyran

Einleitung Der europäische Dachverband der autochthonen nationalen Minderheiten, Nationalitäten und Sprachgemeinschaften, vielen unter dem Kürzel FUEN (Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten) bekannt, zählt mehr als 400 europäischer Minderheitengemeinschaften. Damit gehören mehr als 100 Millionen Menschen europaweit und mehr als 50 Millionen EU-weit einer ethnischen, nationalen und autochthonen Minderheit an (vgl. fuen.org). In Österreich anerkannt sind sechs davon: die slowenische, die kroatische, die ungarische, die tschechische, die slowakische Volksgruppe sowie die Volksgruppe der Roma. Allgemein können sie gewissermaßen als ›Ergebnis‹ der frühen Nationalstaatsbildung in Europa charakterisiert werden, also im konkreten Fall des Zerfalls der Habsburger Monarchie. Dabei fällt auf, dass die slowenische und die ungarische als durch Grenzziehungsprozesse entstandene Volksgruppen charakterisiert werden können, wohingegen die kroatische, die tschechische und slowakische sowie Roma (und Sinti) durch unterschiedliche Migrationsprozesse seit dem Mittelalter im heutigen Österreich beheimatet sind, und sich dann mit dem Zerfall der Habsburger Monarchie nicht mehr in einem Vielvölkerstaat mit mehreren Staatssprachen, sondern in einem österreichischen Nationalstaat mit deutscher Sprache wiederfanden.

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Die slowenische, kroatische und ungarische Minderheit sowie Roma (und Sinti) sind traditionell eher im ruralen Raum und vor allem auch in Grenznähe beheimatet, wohingegen die tschechische und slowakische Minderheit in Wien anerkannt wurden und damit in einem urbanen Umfeld bestehen, wenn auch solch starre Kategorisierungen aus aktueller Perspektive nur mehr bedingt funktionieren. Betreffend die Frage nach der Konzeptualisierung von anerkannten Minderheiten im österreichischen Kontext als kleine Kulturen zeigt diese kurze einleitende Skizzierung schon, dass hinsichtlich der sechs Volksgruppen in Österreich durchaus divergierende Referenzen zu Nations- und Regionskonzeptionen zu erwarten sind, zu Österreich ebenso wie zu den kin-states, zu den Bundesländern ebenso wie Städten. Allen gemein ist, dass die Anerkennung als Volksgruppe auf ihrer Zuschreibung als »autochthone« Minderheiten in Österreich basiert (vgl. bundeskanzleramt.gv.at), also als ortsansässige oder alteingesessene, als »traditionell in einer Region, in einem Staat beheimatete Gruppe«, in einer Gegenposition zu den allochthonen, also späteren Zuwanderergruppen (Marten 2016: 59). Wann, wie und warum die zeitliche Bruchlinie zwischen autochthon und allochthon gezogen wird, ist auch im österreichischen Kontext manchmal nur bedingt genau nachvollziehbar. In meinem Beitrag wende ich mich zuerst ausgewählten Vertrags- und Gesetzestexten zu, die von Seiten der österreichischen Politik die Volksgruppenthematik behandeln respektive die Minderheiten als solche anerkannt haben. Konkret untersuche ich die auf verfassungsrechtlicher Ebene relevanten Texte – die Artikel 62–69 des Staatsvertrags von Saint-Germain-en-Laye (1919), den Artikel 7 des Staatsvertrags von Wien (1955) und den Artikel 8 des Bundes-Verfassungsgesetztes – sowie die einfachgesetzlichen Rechtstexte des Volksgruppengesetzes in seiner konsolidierten Fassung und das Bundesgesetzblatt mit Änderungen dieses hinsichtlich der sprachlichen und diskursiven Positionierung der Volksgruppen zwischen den oben skizzierten Polen von ›autochthon‹, ›Region‹ und ›Nation‹. Alle genannten Rechtstexte sind über die Homepage des Bundeskanzleramts zugänglich (bundeskanzleramt.gv.at). Im zweiten Teil fokussiere ich darauf aufbauend dann auf die Minderheitensprachen

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und ihre Bezeichnungen, da sich hier hinsichtlich dieser Referenzrahmen Differenzen zwischen den Volkgruppen erkennen lassen. Dabei kommt es vor allem bei der kroatischen Volksgruppe zu einer terminologischen und konzeptuellen Verschiebung und damit zu einer die Minderheiten betreffenden Ausrichtung, die durchaus von den übrigen Volksgruppen abweicht. Die hier präsentierten Erkenntnisse zum kroatischen Fallbeispiel beruhen in weiten Teilen auf den Ergebnissen meiner Dissertation (vgl. Tyran 2015) und werden hier im Kontext von minderheiten- und gesellschaftspolitischen Entwicklungen erklärt und in Relation zu den sprachlichen Positionierungen der übrigen österreichischen Volksgruppen gestellt.

Vertrags- und Gesetzestexte: Von Minderheiten zu Volksgruppen Der Wechsel von mulitnationalen Reichen zur postimperialen nationalstaatlichen Epoche als Folge des Ersten Weltkriegs schlug sich auch in der Terminologisierung und Konzeptionierung von Minderheiten nieder. Die Dezemberverfassung von 1867 bezieht sich noch auf »Volksstämme des Staates«, denen eine eigene Nationalität und Sprache zugesprochen wurde, wobei letztere als »landesübliche Sprachen« anerkannt war – wenn auch die Durchführung und Umsetzung dieses Artikels 19 ebenso wie die Frage, welche Gruppe das Recht habe, sich als solch ein »Volksstamm« zu deklarieren, einige Problemfelder aufwarf. So hatte zum Beispiel die tschechische Volksgruppe in Wien Ende des 19. Jahrhunderts noch damit zu kämpfen, dass sie als nicht autochthon genug für eine auf dem Artikel 19 basierende öffentliche Minoritätenschule galt, da sie keine »historischen Wurzeln geschlagen« hätte. Als tschechischer »Volksstamm« galt damals nur jene Bevölkerungsgruppe oberhalb der Enns (vgl. Reiter 2003: 14ff.). Mit dem am 10. September 1919 in Saint-Germain-en-Laye unterzeichneten Staatsvertrag zwischen der Republik Österreich und den alliierten und assoziierten Mächten, in dem offiziell erklärt wurde, »daß die Österreichisch-ungarische Monarchie heute aufgehört hat zu exis-

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tieren und daß an ihre Stelle in Österreich eine republikanische Regierung getreten ist« (Staatsvertrag 1919, Präambel), kam es zu einer ersten terminologischen Verschiebung. Im Abschnitt V. des Staatsvertrages spricht man nun nicht mehr von Volksstämmen, sondern vom »Schutz der Minderheiten« (Staatsvertrag 1919, Abschnitt V.). Die Minderheitenschutzbestimmungen beziehen sich dabei auf »Personen […], die nach Rasse, Religion oder Sprache Minderheiten angehören« (Staatsvertrag 1919, Abschnitt V., Artikel 69.), sich also von der österreichischen Mehrheitsbevölkerung nach einem der drei genannten Marker unterscheiden. In den Artikeln wird dabei festgeschrieben, dass alle »österreichischen Staatsangehörigen ohne Unterschied der Rasse, der Sprache oder Religion […] vor dem Gesetzte gleich [sind] und […] dieselben bürgerlichen und politischen Rechte [genießen]« (Staatsvertrag 1919, Abschnitt V., Artikel 66.). Ebenso dürfe es keine Beschränkungen hinsichtlich des freien Gebrauchs »irgend einer Sprache« für österreichische Staatsangehörige geben (ebd.). Konkrete Sprachen werden in diesen Minderheitenschutzbestimmungen allerdings nicht genannt, ebenso wenig wie konkrete Zahlen von Sprechern und Sprecherinnen, die es für die Einforderung dieser festgeschriebenen Rechte erfordert. Vielmehr bleibt es bei der vagen Formulierung von einer »verhältnismäßig beträchtliche[n] Zahl anderssprachiger als deutscher österreichischer Staatsangehöriger« (Staatsvertrag 1919, Abschnitt V., Artikel 68.). Damit blieb es Frage der Auslegung, was als verhältnismäßig beträchtliche Zahl galt, die von der Rechtsprechung festgelegt werden sollte (vgl. Reiter 2003: 30f.). Festzuhalten ist jedoch, dass mit der für den Gesetzestext gewählten Terminologie der nationale österreichische Orientierungspunkt als Staatsbürger in den Vordergrund gestellt wurde. Der Staatsvertrag zur Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich 1955 enthält ebenfalls einen eigenen Artikel die Minderheitenrechte betreffend. Terminologisch kommt es zu keinen Verschiebungen, auch der Artikel 7 spricht von »Minderheiten«, allerdings werden hier zwei Gruppen explizit benannt: die slowenische und die kroatische (Staatsvertrag 1955). Damit wurden diese beiden Minderheiten offiziell anerkannt. In den fünf Punkten des Artikels 7 gibt es außerdem eine wichtige regionale Einschränkung, die gleich

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im ersten Punkt festgelegt wird: Die festgeschriebenen Rechte gelten für »[ö]sterreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark«, und damit werden die beiden Volksgruppen in bestimmten Bundesländern verortet, in denen sie eben als autochthon gelten. Damit kommt es zwar zu eine Verbesserung für zwei Minderheiten, auch wenn die tatsächliche Umsetzung einiger Fragen Jahrzehnte in Anspruch nahm, was auch wieder der vagen Formulierung von »verhältnismäßigen« Zahlen geschuldet ist, doch andererseits ist hier eine klare Verengung im Vergleich zum Staatsvertrag von 1919 zu erkennen: Dieser galt weder dezidiert für ausgewählte Gruppen, noch war die Anwendung grundsätzlich regional-territorial begrenzt (vgl. Reiter 2003: 44ff.). Die Fokussierung auf die slowenische und kroatische Minderheit in besagten Bundesländern muss definitiv dem Einsatz Jugoslawiens zugeschrieben werden, da dessen kommunistische Führung rund um Josip Broz Tito nach unerfüllten Gebietsforderungen darauf insistierte, diese beiden südslawischen Gruppen rechtlich zu schützen. Auch gab es enge politische Verbindungen von Teilen der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten, die sich während des Zweiten Weltkriegs den Partisanen angeschlossen hatten, somit kann durchaus davon ausgegangen werden, dass es vor allem die slowenische Minderheit war, für die Jugoslawien Rechte festschreiben wollte (vgl. Reiter 2003: 47; vgl. Matscher 2005: 813). Der genaue Wortlaut wurde während der Ausarbeitung des Artikels 7 durchaus diskutiert. Während die sowjetische Seite von einer slowenischen und kroatischen Minderheit sprach, gingen die Briten von österreichischen Staatsangehörigen mit anderer sprachlicher Zugehörigkeit aus (vgl. Stourzh 2005: 157; vgl. Tyran 2015: 146). Beides fand schließlich Eingang in den Artikel 7 des Staatsvertrages, das sowjetische Wording in der Überschrift, die britische Formulierung im ersten Abschnitt. Diese klare Formulierung, es handle sich um österreichische Staatsbürger, kann sicher dahingehend interpretiert werden, als eine nationale jugoslawische Vereinnahmung damit nicht möglich war. Die beiden Sprachen – Slowenisch und Kroatisch – wurden außerdem klar als regionale Minderheitensprachen markiert, die in den drei genannten Bundesländern Kärnten, Burgenland, Steiermark auch

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im Schulwesen, als Amtssprache und als topographische Aufschriften verankert werden sollten. Doch wieder stellte sich die Frage nach Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, einer notwendigen Ausführungsgesetzgebung und ab wann ein verhältnismäßiger Anteil an Slowenisch- oder Kroatischsprechenden erreicht war, um minderheitenrechtliche Ansprüche einfordern und umsetzen zu können (vgl. Reiter 2003: 44ff.). Der Begriff der ›Minderheit‹ wurde schließlich 1976 aus der österreichischen Jurisdiktion ausgeschlossen und durch ›Volksgruppen‹ ersetzt. Dem vorangegangen waren zwei Jahrzehnte an Diskussionen und Kämpfen rund um die Umsetzung des Artikels 7 von 1955. Während die kroatische Volksgruppe intern debattierte, wie man sich zu den Minderheitenrechten positionieren sollte, entspann und vertiefte sich in Kärnten ein Konflikt entlang ethnischer und sprachlicher Linien (vgl. zum Beispiel Reiterer 1990: 62f.; Pelinka 2004, Reiter 2003: 46ff.). Die Vereine und Vertretungen im Burgenland waren tendenziell anhand der beiden damals regierenden Großparteien ÖVP (Österreichische Volkspartei) und SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs) gespalten. Eher konservative Vereinigungen wie der Kroatische Kulturverein HKD stellten wiederholt Forderungen zur Umsetzung der Minderheitenrechte, wohingegen die sozialdemokratisch orientierten Vereinigungen den Artikel 7 und die Forderungen nach dessen Umsetzung zu einer sozialen Hürde für die kroatischsprachige Bevölkerung des Burgenlandes erklärten und argumentierten, aus dem Recht keine Pflicht machen zu wollen (vgl. Tyran 2015: 53). In Kärnten kam es spätestens ab 1970 zu heftigen Streitigkeiten zwischen deutsch-nationalen und slowenischen Kärntnerinnen und Kärntnern rund um die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln, was im Herbst 1972 im »Ortstafelsturm« endete und Österreichs südlichstes Bundesland bis in das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts regelmäßig in die Schlagzeilen brachte (vgl. Gstettner 2004). Doch genau die Ereignisse des Jahres 1972 waren es, die zur Zusammenstellung einer Ortstafelkommission führten, die sich mit der Interpretation des Artikels 7 beschäftigen sollte. Deren Abschlussbericht und Gesetzesvorschläge wurden 1976 als Volksgruppengesetz beschlossen (vgl. Reiter 2003: 54ff.). Schon der Titel zeigt, dass anstelle von »Min-

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derheiten« nun von »Volksgruppen« gesprochen wird, die ebenso wie bisher definiert werden als »in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und beheimateten Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher Muttersprache und eigenem Volkstum« (Volksgruppengesetz 1976, Abschnitt I). Diese Begriffsverschiebung kann nun als Anpassung »modernen linguistischen Tendenzen folgend« (Matscher 2005: 805) interpretiert werden, die Abkehr von der Bezeichnung ›Minderheit‹ war sicher auch der semantischen Auslegung von ›minder‹ nicht nur im Sinne von ›kleiner‹, sondern auch im Sinne von ›schlechter‹, verbunden auch mit einem Minderwertigkeitsgefühl innerhalb der Volksgruppen ihre Sprache und Zweisprachigkeit betreffend, geschuldet. Prägend hierfür war sowohl die politische Lage seit den 1950er Jahren als auch die Tatsache, dass alle Minderheitensprachen im österreichischen Kontext konnotativ mit dem Kommunismus verbunden wurden, was zu anhaltenden Diskussionen rund um den Wert von Volksgruppensprachen und Bilingualismus führte (vgl. zum Beispiel für die ungarische Volksgruppe die wegweisende Studie von Gal 1979). Anders als im Staatsvertrag von 1955, der konkret von zwei Volksgruppen sprach, gibt es im Gesetzestext von 1976 keine genaue Festlegung oder Festschreibung, um welche Gruppenes sich handelt. Die oben angeführte Definition schließt aber sowohl an das Autochthonizitätsprinzip an – durch die Deklarierung als »beheimatete Gruppen« –, als auch wie bisher an die österreichische Nation sowie an kleinere regionale Zuschreibungen, da explizit angeführt wird, dass Volksgruppen nur in »Teilen des Bundesgebietes« wohnen (Volksgruppengesetz 1976, Abschnitt I). Durch das Volksgruppengesetz geregelt wurde nun die Einrichtung von Volksgruppenbeiräten, Förderungen durch den Bund, ebenso wie die strittigen topographischen Aufschriften und Fragen der Amtssprachen. In diesem unter Punkt V. behandelten Thema werden nun erstmals konkrete Sprachen genannt: die kroatische, slowenische und ungarische Sprache. Demnach wurde mit dem Volksgruppengesetz auch die ungarische Minderheit im Burgenland anerkannt. Die genaue regionale Festschreibung der Anwendbarkeit der genannten Volksgruppensprachen erfolgte in Anlagen, in der sämtliche Gemeinden, die als zweisprachig galten, angeführt wurden. Für das Burgenland sind dies

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47 Gemeinden und Ortsteile, in denen neben der deutschen auch die kroatische Sprache gilt, sowie vier auch ungarischsprachige Gemeinden und Ortsteile. 164 Gemeinden und Ortsteile in Kärnten gelten heute als deutsch- und slowenischsprachig (Volksgruppengesetz 1976, Anlage 1). Auch wenn nicht explizit im Gesetzestext genannt, so wurde mit dem Volksgruppengesetz auch die tschechische Minderheit in Wien anerkannt: Anfang 1977 erließ die Bundesregierung eine Verordnung zur Bestellung der Volksgruppenbeiräte basierend auf dem Gesetz von 1976, und hier wurde festgelegt, dass diese für »die kroatische Volksgruppe, die slowenische Volksgruppe, die ungarische Volksgruppe und die tschechische Volksgruppe« eingerichtet werden sollen (vgl. Bundesgesetzblatt 38/1977). Mit einer weiteren Verordnung im Juli 1992 wird diese Liste um die slowakische Volksgruppe erweitert (vgl. Bundesgesetzblatt 425/1992), im Dezember 1993 wird dann schließlich auch die Volksgruppe der Roma in die Liste aufgenommen (vgl. Bundesgesetzblatt 895/1993). Der Begriff ›autochthon‹ taucht als solcher in den bisher zitierten Gesetzestexten selbst nicht auf. Im Sommer 2000 wird er allerdings in den Artikel 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes aufgenommen, indem bereits seit 1930 die deutsche Sprache »unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte« zur Staatssprache der Republik erklärt wurde (Bundes-Verfassungsgesetz 1930, Artikel 8). Nun wird in Punkt (2) das Bekenntnis der Republik zur sprachlichen und kulturellen Vielfalt präzisiert, »die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt« (Bundesgesetzblatt 68/2000). Das österreichische Parlament erklärt auf seiner Homepage bezüglich der Rechte der Volksgruppen interessanterweise, dass dieses Modell aus der Habsburgermonarchie und ihrer Definition als Vielvölkerstaat übernommen wurde, wo es »kein Staatsvolk oder Mehrheitsvolk und dementsprechend auch keine Minderheiten […]« gab (parlament.gv.at). In weiterer Folge wird eingeräumt, dass nun in der Republik Österreich »die weitaus überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutschsprachig« ist, es aber sechs Gruppen gibt, die im Laufe der Zeit als »autochthone ( = einheimische, alteingesessene) Volksgruppen anerkannt« wurden (parlament.gv.at). Auch die regiona-

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len Zuschreibungen werden hier explizit genannt: »[…] in Kärnten gab und gibt es einen signifikanten Anteil an SlowenInnen, einen kleinen Teil von ihnen auch in der Steiermark. Im Burgenland leben KroatInnen und UngarInnen, sowie Roma und Sinti, in Wien TschechInnen und SlowakInnen« (parlament.gv.at). Auch das Bundeskanzleramt, das für Volkgruppenfragen zuständig ist, erklärt, dass »[i]n Österreich […] 6 autochthone Volksgruppen [bestehen]« (vgl. bundeskanzleramt.gv.at). Hier zeigt sich aber eine neue Begrifflichkeit, die so bisher noch in keinem der angeführten Rechtstexte aufschien: Jene Volksgruppe, die bisher als kroatische betitelt wurde, wird vom Bundeskanzleramt nun mit dem Kompositum »burgenlandkroatische« Volksgruppe versehen (ebd.) und erfährt damit ethnonymisch regional eine Festlegung und Zuschreibung, die es bei den andern so nicht gibt.

Konzeptualisierung von Minderheitensprache Die regionale Einschränkung respektive terminologische und damit auch semantische Verengung hinsichtlich der kroatischen Volksgruppe erkennt man auch an den wechselnden Glottonymen, was man mit den bis 2001 alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen deutlich illustrieren kann. Seit 1971 finden sich hier Veränderungen hinsichtlich möglicher Auswahlkriterien bei der Frage nach der Umgangssprache. Die Volkzählung von 1971 zeigt neben der deutschen Sprache auch Kroatisch, Slowenisch, Tschechisch und Ungarisch als Auswahlmöglichkeit, also zwei der damals schon anerkannten und zwei der kurz darauf anerkannten Volksgruppen. 1981 finden sich drei weitere Sprachen zur möglichen Auswahl, nämlich Slowakisch, Türkisch und Serbokroatisch, das nun neben der bereits bestehenden Option Kroatisch sicher eingeführt wurde, um jüngeren Migrationsströmen gerecht zu werden. 1991 gab es keine Veränderungen, doch bis 2001 gab es einige sprachpolitische Entwicklungen, auf die die Behörden reagierten. Hinzugekommen war einerseits Romanes als Sprache der mittlerweile als Volksgruppe anerkannten Roma, andererseits war das Serbokroati-

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sche nach dem Zerfall Jugoslawiens auch in Einzelsprachen gespalten, von denen eine nun offiziell auch außerhalb Kroatiens »Kroatisch« hieß. Damit wäre aus österreichischer Perspektive die autochthone Volksgruppe mit den kroatischen Migranten und Migrantinnen auf der Ebene der Umgangssprache zusammengefallen, was dazu führte, dass bei den Volkszählungen Kroatisch mit einer neuen semantischen Bedeutung versehen werden sollte, wohingegen die Volksgruppensprache statt »Kroatisch« nun unter »Burgenlandkroatisch« firmierte (vgl. Tyran 2015: 144f.). Doch nicht nur in dieser Fremdzuschreibung durch die österreichischen staatlichen Behörden findet sich ein zweigliedriges Glottonym. Auch gruppenintern taucht spätestens ab 1982 die sprachliche Eigenbezeichnung gradišćanskohrvatski auf, also »burgenländisch-kroatisch«. Hier zeigt sich vor dem Hintergrund der Frage nach der Konzeptualisierung kleiner Kulturen im österreichischen Kontext eine besondere Konstellation: Hinsichtlich der standardsprachlichen Verankerung hat die kroatische Volksgruppe als Einzige einen eigenen, regional fokussierten Weg eingeschlagen. Während für die tschechische Volksgruppe die tschechische Standardsprache gilt, für die ungarische Volkgruppe die ungarische Standardsprache – und diese Analogie lässt sich auch auf die slowakische und slowenische Minderheit anwenden – so entschieden sich die sprachpolitischen Akteure der kroatischen Volksgruppe Ende des 20. Jahrhunderts nach jahrzehntelangen Diskussionen rund um die Standardsprachenproblematik für die Normierung einer eigenständigen Schriftsprache. Diese beruht im Gegensatz zur kroatischen Standardsprache auf dem čakavischen, und nicht auf dem štokavischen Dialekt. Die Elitendiskurse rund um diese Normierung, die 1982 mit der Publikation eines ersten Wörterbuches begann und 2003 mit einer allumfassenden normativen Grammatik ihren Höhepunkt erreichte, waren bestimmt von divergierenden Positionen zwischen nationalen Zugehörigkeiten und regionalen Verankerungen. Schon seit der Migration vornehmlich bäuerlicher Bevölkerung aus dem heutigen Kroatien und Nordwest-Bosnien zwischen den Flüssen Una, Kupa und Sava in das damalige Westungarn im Laufe des 16. Jahrhunderts (vgl. Neweklowsky 1978b: 7ff.; vgl. Breu 1970: 23), gab es bald

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keine direkten Kontakte mehr in die übrigen kroatischsprachigen Teile der Habsburger Monarchie. In den vielen kleinen Sprachinseln, räumlich getrennt vom so genannten kin-state oder Mutterland, konnten sich so spezifische sprachliche Charakteristika gut erhalten. Basierend darauf entstand eine eigenständige schriftsprachliche Tradition, die vor allem vom Klerus getragen wurde und sich spätestens ab der Mitte des 18. Jahrhunderts kontinuierlich entwickelte (vgl. Benčić 1998; Tyran 2015: 80ff.). Obwohl die kroatischsprachigen Gebiete im damaligen Westungarn durchaus dialektal gegliedert sind (vgl. Neweklowsky 1978a; vgl. Tyran 2015: 74), setzte sich in dieser schriftlichen Produktion, die meist liturgischen Charakters war, die čakavisch-ikavisch-ekavische Sprachform durch. Als ab Mitte des 19. Jahrhunderts die nationalen Bewegungen in Mitteleuropa aufkamen und damit auch das Konzept von Standardsprache als nationsübergreifender Identitätsspange, zeigte sich für die kroatische Volksgruppe im damaligen Westungarn ein erster Bruch: Sie partizipierte nicht an den südslawischen Nationalbewegungen und damit auch nicht an den Normsprachendiskussionen und der Etablierung des Štokavischen, sondern hielt an ihren regionalen, nicht-standardisierten Idiomen fest. Eine sprachliche und damit auch politische Einbindung an die südslawische Idee unterblieb damit; es gab zwar durchaus Einzelpersonen, Lehrer, Priester, Schulinspektoren, die hierfür optierten und argumentieren, doch gab es für diese Idee keinen breiten Rückhalt, wie zum Beispiel in der Lehrerschaft allgemein, die solch eine Standardsprachkonzeption hätte mittragen müssen (vgl. Tyran 2015: 83ff.). Damit war der erste entscheidende Schritt hin zur Idee einer regionalen eigenständigen Sprache getan, was durchaus auch mit den Identifikationsnarrativen jener Zeit korrespondierte. Erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bekam die Sprachenfrage wieder Auftrieb und wurde meist über die neu gegründete kroatische Wochenzeitung artikuliert. Die bereits in den Jahrzehnten davor angeklungenen Positionen verstärkten sich und die normsprachliche Konzeption bewegte sich zwischen dem Festhalten an der čakavischen Variante mit schriftsprachlicher Tradition seit Jahrhunderten einerseits, einer Übernahme

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der štokavischen hochsprachlichen Variante des Kroatischen, respektive Serbokroatischen, andererseits. Die Etablierung einer (Hoch-)Sprache sollte vor allem den weiteren Erhalt der Burgenländischen Kroaten und Kroatinnen garantieren – so argumentierten beide Seiten. Für die einen war die Anbindung an die größere nationale, die »jugoslawische« Idee und den Kulturraum sowie die »südliche« etablierte Sprache Garant hierfür, der man sich nicht durch einen radikalen Wechsel, sondern schrittweise Neuerungen angleichen solle. Auf der anderen Seite herrschte die Meinung vor, man müsse am Lokalen festhalten, um genau dies zu erreichen, und man habe genügend Eigenständiges, um sich nicht an anderen orientieren zu müssen (vgl. ebd.). Doch wurde die Normsprachenfrage auch in der Zwischenkriegszeit nicht gelöst und tauchte somit auch nach dem Zweiten Weltkrieg erneut im Spannungsfeld zwischen dem Festhalten am regionalen Čakavischen und der schrittweisen Implementierung des Serbokroatischen auf. Wieder war die Wochenzeitung wichtigstes Organ und hier versuchte man die bereits früher angedachten schrittweisen Anpassungen umzusetzen und so zur Norm zu machen. Die Leserschaft reagierte teils mit großem Unverständnis und erbost, und warf den Redakteuren vor, sie würden Serbisch, Russisch, Slowakisch schreiben, aber keineswegs so, wie es sich ›gehörte‹ und wie es für die kroatischsprachige Bevölkerung im Burgenland verständlich sei. Zusätzlich erschwerend für eine breitere Akzeptanz des štokavischen Serbokroatischen war die politische Situation und Lagerbildung des Kalten Krieges sowie eine grundsätzliche Konnotation als Sprache des kommunistischen Jugoslawien und später auch als Sprache der Gastarbeiter, womit sie in Österreich zu jener Zeit sicherlich zu den weniger prestigeträchtigen Sprachen zählte, und damit auch als Hindernis für den sozialen Aufstieg stigmatisiert wurden. Die andauernden Diskussionen, das Fehlen einer klaren Linie und die Stigmatisierung der kroatischen Sprache führten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer breiten Assimilationsbewegung (vgl. ebd.: 93ff.). Um dem entgegenzuwirken setzte sich schließlich jene Strömung innerhalb der burgenländischkroatischen Eliten durch, die sich für die Normierung einer regionalen čakavischen Koine einsetzte (vgl. Weilguni 1984: 101). Ein erster Schritt

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hierzu war eine dreiseitige maschingeschriebene Zusammenstellung grammatikalischer und orthographischer Empfehlung für Redakteure und Autoren. Die drei Verfasser, allesamt schon seit Jahrzehnten in der Sprachenfrage aktiv, erklärten ihre Hinwendung zur regional verankerten čakavischen Variante der kroatischen Sprache damit, dass man Leser nur dann erreichen könne, wenn die verwendete Sprache für diese leichter verständlich sei (Mersich/Zvonarich/Horvat s.a.: 1, vgl. Tyran 2015: 101). Bereits seit den frühen 1970er Jahren arbeitete eine Gruppe von Philologen rund um den in Wien tätigen kroatischen Sprachwissenschaftler Josip Hamm an einem normativen Wörterbuch der burgenländischkroatischen Sprache. 1982 erschien der erste Band mit deutschen Lemmata an erster Stelle und der burgenländischkroatischen sowie der kroatischen Übersetzung, 1991 dann der zweite mit Burgenländischkroatisch als Ausgangssprache. Dem Autorenteam war dabei einerseits wichtig zu betonen, dass es sich nicht um ein dialektologisches, sondern um ein normatives Wörterbuch der »autochthonen Schriftsprache« (Finka/Katičić 1991: 21) handle, auch wenn sie andererseits uneins darüber waren, ob dies der »richtige Weg« sei (ebd.: 23). Die Normierung des Wortschatzes beendete also keineswegs gruppeninterne Diskussionen zur Akzeptanz dieser Variante im Gegensatz zur štokavischen Hochsprache, für deren Implementierung es auch weiterhin Befürworter gab (vgl. Tyran 2015: 105ff.). 2003 wurde das Normierungsprojekt mit der Publikation einer umfangreichen normativen Grammatik einen entscheidenden Schritt vorangebracht, mit der nun die Verwendung des Burgenländischkroatischen im Sinne eine Standardsprache endlich möglich sei (vgl. Sučić et al. 2003: 22f.). Ein vergleichender Blick auf die ungarische Minderheit im Burgenland zeigt, dass es hier einen klaren Unterschied hinsichtlich der Standardsprache gibt, da sich die ungarische Volksgruppe nicht zur Normierung einer eigenständigen Sprachform entschieden hat, sondern sich einfach an der ungarischen Hochsprache orientiert. Ein wichtiger Unterscheidungspunkt ist sicher, dass die ungarischen Dialekte des Burgenlands direkt an das restliche ungarische Sprachgebiet anschließen, wohingegen für die kroatischen Dialekte des Burgenlandes gilt, dass sie Inselstatus haben. Was die ungarischen und kroatischen Varie-

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täten des Burgenlandes aber auf jeden Fall verbindet, ist einerseits die Einordnung als archaischere Sprachformen mit ruralen Bezugspunkten, und damit einhergehend vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Stigmatisierung als minderwertig und rückständig sowohl in Bezug zur übergeordneten Sprachform, als auch in Relation zum Deutschen als Sprache der Mehrheitsbevölkerung (vgl. Baumgartner 1993: 228ff.). Damit kommt es zu einer Entwertung der Volksgruppensprachen, die als hinderlich für den sozio-ökonomischen Aufstieg gewertet wurden, was außerdem durch die politische Lage und die Markierung der Sprachen als ›kommunistisch‹ noch verstärkt wurde (vgl. Gal 1979: 97ff.; Tyran 2015: 98f.). Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kommt es für beide Volksgruppensprachen zu einer »Trendwende zur funktionalen Zweisprachigkeit« (vgl. Baumgartner 1993: 234; vgl. Tyran 2015: 111ff.). Auch Romanes wurde im Burgenland auf Grund sozio-ökonomischer Umstände durch die deutsche Sprache zurückgedrängt, nachdem es bis in die 1960er Jahre vor allem in den südburgenländischen RomaSiedlungen noch als Familiensprache und Kommunikationsmittel verwendet worden war. Doch auch innerhalb der Volksgruppe der Roma lässt sich seit dem Ende des 20. Jahrhunderts wieder eine positivere Selbsteinstellung im Rückgriff auf die Volksgruppensprache erkennen (vgl. Schwarzmayer 1993: 237ff). Wichtig anzumerken ist hier, dass die Roma-Volksgruppe in Österreich eine sehr heterogene Gruppe ist, was auf mehrere Migrationsbewegungen zurückgeführt werden kann. Im Burgenland lebt die älteste Roma-Gemeinschaft, die sich bereits im 15. beziehungsweise frühen 16. Jahrhundert hier angesiedelt hat, und zusammen mit eher in urbanen Räumen seit jener Zeit angesiedelten Sinti-Gruppen als »autochthone« Gruppe in Österreich gelten (vgl. romaniprojekt.uni-graz.at/roma). Diese Heterogenität zeigt sich auch hinsichtlich der Sprache Romani, die als ein »heterogenes Varietätenbündel mit einem homogenen lexikalischen und morphologischen Kern, jedoch ohne homogenisierenden Standard« klassifiziert werden kann (romaniprojekt.uni-graz.at/romani). Damit zeigt sich für die Volksgruppe der Roma in Österreich eine starke regionale Ausrichtung in ihrer linguistischen Pluralität, wobei das Nebeneinander

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regionaler Varietäten und das Fehlen eines übergeordneten Standards sowohl in historischer als auch in zeitgenössischer Perspektive einer gesellschaftliche Stigmatisierung und Marginalisierung zugeschrieben werden muss (vgl. romaniprojekt.uni-graz.at/romani). Eine gänzlich andere Stellung hatten die tschechische und die slowakische Sprache als Volksgruppensprachen in Österreich. Vor allem erstere hatte bereits in Zeiten der Habsburger Monarchie ein hohes Prestige und galt schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als weit entwickelte und gefestigte Sprache, die auch institutionell bereits damals gut verankert war (vgl. Newerkla 2000: 73ff.). Somit waren Normdiskussionen im Volksgruppenkontext gar nicht notwendig, vor allem auch da Wien schon in Zeiten der Habsburger Monarchie für beide Sprachen als Zentrum angesehen war (vgl. ebd.: 82f.; vgl. Glovňa 2000: 117ff.). Standardsprachlich erfolgte somit für beide Volksgruppen eine Eingliederung in und Bindung an die nationalsprachlichen Konzepte des Tschechischen und Slowakischen. Hinsichtlich der kolloquialen Ausprägung gibt es durchaus von der Normsprache abweichende Ausprägungen des Wiener Tschechischen, vor allem bei älteren Generationen findet man mundartliche Tendenzen, jedoch kann man von keinem fest gefügten Sprachsystem sprechen: Es fehlt die einheitliche Dialektbasis und die geschlossene Sprachinsel (vgl. Kloferová 2000: 109). Ein abschließender Vergleich zur slowenischen Volksgruppe zeigt, dass es hier durchaus Versuche einer regional verankerten Sprachenkonzeption gegeben hat, diese kam jedoch nicht aus der Gruppe selbst und wurde vor allem als politisches Instrument interpretiert. Daher gilt auch für die slowenische Volksgruppe hinsichtlich der standardsprachlichen Überdachung, dass diese über die slowenische Standardsprache funktioniert. Die slowenischen Idiome in Kärnten teilen sich ebenfalls in verschiedene Dialektformen. Diese gliedern sich jedoch in das angrenzende slowenische Dialektkontinuum ein und stellen keine Sprachinsel dar (vgl. Fischer 1980: 90f.). Nach den Kämpfen, Streitigkeiten und Abstimmungen rund um die Grenzziehung zwischen Österreich und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen beziehungsweise später Jugoslawien ab 1918 kommt es in Kärnten zu zwei sprachlich-eth-

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nisch motivierten nationalen Auslegungen der historischen Ereignisse und zu einer starken Polarisierung der regionalen Bevölkerung anhand ebensolcher Linien (vgl. Weinmann 2008: 119ff.). In diesem Kontext versucht der damalige Kärntner Landesarchivar Martin Wutte 1927 das sprachliche und ethnische Konzept des »Windischen« zu etablieren (vgl. Wutte 1927). Rückgreifend auf einen archaischen Terminus, der in mehreren slawischen Kontexten bekannt ist, versucht Wutte, durch eine semantische Neudefinierung eine politische Kategorie zu erschaffen. Die windische Sprache würde sich demnach von der künstlich neugeschaffenen slowenischen Sprache deutlich unterscheiden (ebd.: 12) und sei eben regional mit den dortigen Dialekten als Referenzpunkt in Kärnten zu verankern, was einen diskursiven Ausschluss aus dem slowenischen Nationskonzept ermöglichen sollte. Dieses Identifikationskonzept inkludierte neben dem Bezug auf dialektale Sprachformen auch eine starke Ablehnung des slowenischen Nationalgedankens und bezog sich vielmehr auf Kärnten (vgl. Wörsdörfer 2002: 151), da sich die ›Windischen‹ laut Wutte dem Kärntner Deutschtum zugehörig fühlten (Wutte 1927: 14f.). Damit gab es innerhalb der slowenischen Volksgruppe nach 1918 durchaus zwei Identitätsentwürfe, die entweder auf eine nationale oder eine regionale Positionierung rekurrierten. Da der sich als Windische deklarierende Teil der slowenischen Volksgruppe allerdings keinerlei minderheitenpolitische Ambitionen zeigte, gab es auch keine Eliten, die dieses Sprachkonzept weiterentwickelt oder getragen hätten, das grundsätzlich in seiner Ausrichtung einer standardsprachlichen Ausrichtung widersprach und nur als Dialektzusammenschluss argumentiert wurde (vgl. Wörsdörfer 2002: 154). Jener Teil der slowenischen Minderheit, der sich bewusst für Volksgruppenrechte einsetzte, empfand politisch und sprachlich keine Abgrenzungsnotwendigkeit zur slowenischen Sprache. Auch die negative politische Stigmatisierung, es handle sich um eine ›kommunistische‹ Sprache, greift in diesem Kontext nicht. Vielmehr ist der Partisanenkampf während des Zweiten Weltkriegs und die starke Opposition zum deutschen Nationalismus und Nationalsozialismus bis heute entscheidender Teil der Identifikationsnarrative für viele Kärntner Slowenen und Sloweninnen (vgl. Fischer 1980: 30ff. und 168ff.). Somit gilt auf Hochsprachenebene nun für die

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slowenische Volksgruppe in Österreich auch die slowenische Sprache – und keine eigenständige normierte sprachliche Form wie dies bei der kroatischen Volksgruppe der Fall ist.

Fazit Die sechs anerkannten Volksgruppen in Österreich stellen als Minderheiten alle kleine Kulturen dar. Allen gemein ist die Einordnung als autochthone Gruppen, wenn auch an dieser Stelle angemerkt sei, dass durchaus nicht alle Sprachminderheiten in Österreich allein basierend auf ihrer vermeintlichen Autochthonizität in den Status einer anerkannten Volksgruppe gehoben wurden. Vor allem die polnische und auch die serbische Minderheit setzen sich schon seit Jahrzehnten dafür ein, auch anerkannt zu werden. Während zum Beispiel polnische Vereine argumentieren, dass schon seit der Habsburger Monarchie und damit seit mehreren Generationen Polen und Polinnen in Österreich wohnen und damit hier eine autochthone Gruppe darstellen, hält die österreichische Politik entgegen, dass das Kriterium der ›Beheimatung‹ nicht erfüllt sei, dass sie eben nicht in bestimmten Teilen im Bundesgebietes beheimatet seien (diepresse.at 2011). Damit scheint in diesem Fall der regionale Bezug zu fehlen, der allen anderen Volksgruppen zugeschrieben wird, auch wenn dies aus Kreisen der Volksgruppenvertreter als Vorwand interpretiert wird (ebd.). Für die anerkannten Minderheiten gilt vor allem hinsichtlich der Umsetzung gesetzlicher Schutzbestimmungen, dass diese meist an ›autochthone Regionen‹ gebunden sind. Die Rechtsgrundlage für die kroatische Volksgruppe zum Beispiel ist nur auf eine Gültigkeit im Burgenland als ›autochthones‹ Siedlungsgebiet ausgearbeitet und ignoriert, dass ein beträchtlicher Teil bereits seit Generationen auch in Wien lebt. Versuche, auch in Wien ein zweisprachiges Schulwesen einzurichten, sind bisher unter anderem daran gescheitert. Die jüngsten politischen Entwicklungen in Österreich und die Angelobung einer Regierung aus der Österreichischen Volkspartei und erstmalig den Grünen lassen Minderheitenvertreter auf positivere Entwicklungen hoffen, ist die Volksgruppenthematik doch erstmalig im

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Regierungsprogramm als Teil der Agenda festgeschrieben (Regierungsprogramm 2020: 13). Allerdings ist festzustellen, dass sich die Volksgruppen durchaus unterschiedlich auf regionale und nationale Konzeptionen beziehen, was vor allem hinsichtlich der Sprachkultur deutlich wird. Die kroatische Volksgruppe hat sich gewissermaßen für eine ›kleine Sprachkultur‹ entschieden und hat eine eigenständige, regional verankerte Varietät abseits der kroatischen Standardsprache kodifiziert. Die korrespondierenden Diskurse zeigen, dass dies einerseits dadurch bedingt ist, dass es für die übergeordnete nationale Sprachvarietät, die vormals kroatische, respektive früher serbokroatische, Standardsprache zu wenig Akzeptanz gab und gibt, um diese als Norm einzuführen. Bedingt war dies sicher durch die politischen Rahmenbedingungen und den fehlenden Anschluss an die südslawische und später jugoslawische Idee, und damit einhergehend auch durch eine fehlende Identifizierung mit der korrespondierenden Sprache. Für die anderen Volksgruppen zeigt sich, mit Ausnahme der Roma, dass es durchaus stärkere Einbindungen in das zugehörige Nations- und damit auch Normsprachenkonzept gab. Dieser eigenständige sprachliche Weg abseits der kroatischen Hochsprache wird von Teilen der kroatischen Volksgruppe durchaus auch als Argumentationsmuster für ethnische Autonomie verwendet, als regional, burgenländisch verankerte Gruppe in Abgrenzung von den ›großen‹ national-definierten Kroaten. Dem gegenüber steht die Position, dass man zwar eine andere dialektale Basis zu einer normierten Sprache ausgebaut habe, diese sich aber trotzdem unter das Dach der kroatischen Sprache einordnen lassen könne (vgl. Tyran 2015: 133). Vor allem auch von Seiten kroatischer Philologen wird diese Haltung erwartungsgemäß unterstützt. So spricht zum Beispiel Radoslav Katičić dem Burgenländischkroatischen anlässlich der Promotion des zweiten Bandes der normativen Wörterbücher durchaus ab, eine Mikroliteratursprache zu sein, ein Konzept, dass der russische Slawist Aleksandr Duličenko für Schriftsprachenprojekte vorgeschlagen hat, die durchaus dem Ausbauprozess von Standardsprachen unterliegen, aber letztendlich weniger streng normiert sowie räumlich und funktional oft begrenzt sind (vgl. Duličenko 2003: 85). Katičić verneint dies: Für das Bur-

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genländischkroatische gelte es nicht, da es eben keine eigenständige Sprache sei, sondern Teil des kroatischen sprachlichen Korpus (vgl. Katičić 1992, zitiert nach Katičić 2004: 126). Abschließend lässt sich sagen, dass durch die Veränderung des Machtgefüges und neue politische Konstellationen nach 1989 und dann vor allem mit der EU- Osterweiterung 2004 und Österreichs Aufstieg zu einem wichtigen Investor in den ost- und südosteuropäischen Ländern, die Minderheitenzweisprachigkeit im österreichischen Kontext wieder neu diskutiert wird und die Volksgruppensprachen grundsätzlich eine diskursive Aufwertung erfahren haben, die oft auch mit besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt begründet wurde – die Minderheitensprachen wurden nun nicht mehr vorrangig als Stigma, sondern als soziales Kapital verstanden (vgl. Tyran 2015: 113, 128). Vor diesem Hintergrund eröffnete sich für die kroatische Volksgruppe und ihrem das Nationalsprachenimperativ unterwandernden Sprachkonzept allerdings die Frage nach dem ›Wert‹ ihrer ›kleinen‹ Sprache. Interessant bleibt dabei, dass die unterschiedlichen Sprachkonzepte hier aktuell immer monoparadigmatisch diskutiert werden und nicht in ihrer möglichen Überlappung, Verflechtung oder Hybridität gesehen werden. Es zeigt sich, dass übergeordnete Konzepte und Paradigmen dominieren und auch innerhalb der Volksgruppen angeeignet und reproduziert werden, wohingegen eine tatsächliche und neuartige Konzeptualisierung als ›kleine Kultur ‹ frische Perspektiven aufwerfen würde, und damit auch zeitgemäße Lösungsansätze für unterschiedliche Problemstellungen innerhalb der Volksgruppen.

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Zwischen autochthon, Region und Nation

Bundesgesetzblatt 895/1993: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bg blPdf/1993_895_0/1993_895_0.pdf, zuletzt abgerufen am 20.2.2020, 11.00 Uhr. Bundesgesetzblatt 68/2000: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Bg blPdf/2000_68_1/2000_68_1.pdf, zuletzt abgerufen am 21.2.2020, 16.00 Uhr. bundekanzleramt.gv.at: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen /volksgruppen.html, zuletzt abgerufen am 17.2.2020, 16.30 Uhr Bundes-Verfassungsgesetz 1930: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/ale x?aid=bgb&datum=1930&page=36&size=45, zuletzt abgerufen am 20.2.2020, 12.00 Uhr. diepresse.at 2011: https://www.diepresse.com/647924/polen-wollen-als -volksgruppe-anerkannt-werden, zuletzt abgerufen am 29.2.2020, 14.30 Uhr. fuen.org: https://www.fuen.org/de/article/Autochthonous-minoritiesin-Europe, zuletzt abgerufen am 12.2.2020, 10.30 Uhr. parlament.gv.at: https://www.parlament.gv.at/PERK/VERF/VOLK/, zuletzt abgerufen 20.2.2020, 11.30 Uhr. Regierungsprogramm 2020: https://www.dieneuevolkspartei.at/Do wnload/Regierungsprogramm_2020.pdf, zuletzt abgerufen am 29.2.2020, 15:00 Uhr. romaniprojekt.uni-graz.at/roma: http://romaniprojekt.uni-graz.at/aut roma-roma.de.html, zuletzt abgerufen am 24.2.2020, 13:30 Uhr. romaniprojekt.uni-graz.at/romani: http://romaniprojekt.uni-graz.at/a utroma-romani.de.html, zuletzt abgerufen am 24.2.2020, 14:00 Uhr. Staatsvertrag 1919: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?A bfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000044, zuletzt abgerufen am 19.2.2020, 10:30 Uhr. Staatsvertrag 1955: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1955/152/A7/NOR 12005177, zuletzt abgerufen am 21.2.2020, 15.30 Uhr. Volksgruppengesetz 1976: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassun g.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000602, zuletzt abgerufen am 20.2.2020, 10:30 Uhr.

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Über das kanonische und das subversive Konzept sorbischer Literaturgeschichte Christian Prunitsch

Die slavischen Kulturen gelten in der europäischen Tradition einer nationalen Geschichts-, insbesondere Kulturgeschichtsschreibung als – jeweils in unterschiedlichen Zusammenhängen – »verspätet«. Insofern wäre Deutschland, das im Sinne Helmuth Plessners eine »verspätete Nation« ist, dem slavischen Kulturkreis anverwandter, als es die neuere Geschichte nahezulegen scheint. Vor allem der beträchtliche Anteil slavischer Minderheiten in Deutschland seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist nicht nur Anlass für einen auf internationaler Skala überdurchschnittlich starken Ausbau der Slavistik – fachlich ein Kind des 19. Jahrhunderts – gewesen; er ist zugleich immer wieder Ausgangspunkt für wissenschaftliches wie populäres Staunen über das geringe Verständnis, das deutscherseits den westslavischen Nachbarn entgegengebracht wurde und wird. Politisch wird seit dem Absinken der in den 1990er Jahren hoch dynamischen, kulturell attraktiven Polen (Frankfurter Buchmesse 2000, Popularität Andrzej Stasiuks in Deutschland) und Tschechen (anhaltende Begeisterung für Václav Havel) in einen grauen, grosso modo recht unambitionierten Nationalismus gerade in Ostdeutschland die Achse Deutschland-Russland beschworen, während auf kulturellem Gebiet der mittelalterlichen Devise »Slavica non leguntur« wieder stärkere Geltung zukommen dürfte. Wäre der Verspätete rechtzeitig da gewesen, wäre er auch sichtbar. Nach Lage der Dinge behält jedoch das westzentrierte Konzept europäischer Kultur ungebrochene Beharrungskraft. Der Kreis der deutschen Germanisten, die sich, ggf. unter Aufbietung fremdsprachlicher

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Kenntnisse, mit deutsch-slavischen Angelegenheiten befassen, war und ist klein (Akteure wie der viel zu früh verstorbene Jürgen Joachimsthaler bilden eine seltene Ausnahme), sodass das benannte Feld zumeist eher achtlos den jeweiligen Fachkollegen aus den slavischen Ländern überlassen bleibt. Die Beobachtung dieses Zustandes soll nun nicht in ein wohlfeiles Lamento über skandalös vernachlässigte Desiderata der Geisteswissenschaften münden – in einer solcherart markierten Wohlfühlzone hatte sich die deutsche Slavistik lange und bequem eingerichtet gehabt. Vielmehr soll es um Grundzüge kultureller Konzeptualisierung gehen, die wissenschaftlich wie gesellschaftspraktisch, explizit oder implizit handlungsleitend für kulturelle Selbst- und Fremdbeschreibungen bzw. die Konstruktion von Differenz (Balogh/Leitgeb 2017) wirken. In der Slavistik, aber auch in der Polonistik z.B. sind postkoloniale Ansätze ab der Jahrtausendwende sehr fruchtbar geworden; Ähnliches ließe sich für transfer- und verflechtungsgeschichtliche Ansätze behaupten. An der Erforschung sorbischer Literatur und Kultur sind solche Ansätze größtenteils lange vorbeigegangen. Ähnlich wie die Slowaken im Windschatten von Ungarn, später Tschechen standen, befinden sich die Sorben in einem gleichsam mehrfachen toten Winkel: Ihre Kultur als rural geprägte, v.a. religiös und darauf bezogen sprachlich manifestierte Kultur eines »kleinen Volkes« befindet sich gegenüber der deutschen, aber auch den westslavischen (Adels-)Kulturen der Polen und Tschechen in einer klaren Minderheitenposition. Der Diskurs über sorbische Kultur gleicht also dem in der Netzgemeinde derzeit gerne betriebenen Scherz über die Stadt Bielefeld, deren Existenz schlichtweg geleugnet wird, oder andersherum: Die Konzeptualisierung der minoritären sorbischen Kultur beginnt an dem Punkt, wo ihre schiere Existenz argumentativ und/oder faktographisch nachzuweisen ist. Historisch setzt diese Nachweispflicht in der Frühen Neuzeit ein (aktuell dazu: Pollack 2018); doch bleibt sie bis in die Gegenwart ein markantes und wirkmächtiges Element, auf das entweder mit quantitativen oder qualitativen Strategien reagiert wird. Am Beispiel der Sprachgeschichte im Allgemeinen und der Literaturgeschichte im Besonderen lassen sich Prozesse kultureller Konzep-

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tualisierung nachvollziehbar rekonstruieren. Eine nationalsprachliche Literatur zu besitzen, gehört seit der Renaissance zu den priorisierten kulturellen Zielen der Völker in Europa. Die polnische Literatur des 16. Jahrhunderts strotzt geradezu vor Belegen für den tief empfundenen Stolz der Adelsnation, nun – endlich! – auf Augenhöhe mit Franzosen, Italienern oder Deutschen zu stehen, nachdem der Ausbau des Polnischen zur Literatursprache gelungen sei. Noch länger zurückliegender Verdienste können sich die Tschechen rühmen, die mehr noch als die Polen an der gemeinsamen mittelalterlichen Tradition lateinischer Literatur teilhaben. Über eine Staatsform zu verfügen, gehört bei solchen Ambitionen freilich zu den durchaus begünstigenden, wenn nicht ohnehin zwingenden Faktoren. Die Sorben nehmen an diesem kulturellen Wettlauf bekanntlich nur mit sehr wenigen Athleten auf dem Nebenschauplatz religiöser Literatur im Gefolge der Konfessionalisierung teil. Weltliche Literatur entsteht bei ihnen erst am Ende des 18. Jahrhunderts, als ringsum die nationalsprachliche bzw. -literarische Liturgie bereits voll ausgeprägt ist. Herkömmlichen Konzeptualisierungsmustern folgend, müsste man konsequent vom tatsächlichen »Fehlen« oder »Zuspätkommen« der Sorben sprechen, und daraus würde sich für die Kulturgeschichtsschreibung des 19.-21. Jahrhunderts ein nahezu zwingend kompensatorischer Gestus ableiten, der z.B. mit der Bevorzugung der Rede vom »Schrifttum« (»pismowstwo«) gegenüber jener von der »Literatur« (»literatura«) realisiert wird. Professionelle sorbische Literaturgeschichtsschreibung folgt ziemlich genau diesem kompensatorischen, rechtfertigenden, unter bestimmten ideologischen Prämissen bisweilen sogar verhalten auftrumpfenden Muster. Rudolf Jenčs (1903–1979) Geschichte des sorbischen Schrifttums (Stawizny serbskeho pismowstwa, 1954f.) als erster auf maximale Erfassung des Vorhandenen ausgerichteter Literaturgeschichte gebührt dabei alle Anerkennung, entsteht sie doch nicht nur in einer ideologisch stark polarisierten Zeit als wissenschaftlicher Nachweis für die Unrechtmäßigkeit sorbischer Unsichtbarkeit bis zur Berichtigung der historischen deutsch-slavischen Schieflage, die am eklatantesten am Beispiel der jahrhundertelangen Unterdrückung der Sorben in Deutschland nachgezeichnet werden könne. Jenč musste sein Buch

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nach der Zerstörung umfangreicher und wertvoller kulturhistorischer Archivalien der Sorben, insbesondere der Bibliothek der Maćica Serbska durch die Nationalsozialisten, verfassen und hatte angesichts der durchaus nicht ganz konfliktfrei verlaufenen Institionalisierung sorbischer Kultur in Gestalt u.a. der Begründung des Instituts für sorbische Volksforschung 1951 gewiss Veranlassung zu einem zeittypischen Narrativ der nachholenden Wiedergutmachung deutscher Gewalt gegen die Sorben als Mitglied der im 19. Jahrhundert konzeptualisierten großen Slavenfamilie. Jenč gibt im Vorwort zu seiner Studie ausführliche Auskunft über die Hintergründe und Entstehungszusammenhänge der ersten großen Literaturgeschichte der Sorben. Eigentlicher Auslöser für die Arbeit an dem Buch sei der 1949 kultusbehördlicherseits ergangene Auftrag gewesen, Józef Gołąbeks 1938 erschienene Monographie Literatura serbskołużycka aus dem Polnischen ins Sorbische zu übersetzen.1 Der Aufgabe habe er sich getreulich und gewissenhaft gewidmet, um jedoch nach ihrer Erledigung festzustellen, dass Gołąbeks Buch – immerhin der erste umfangreichere Versuch einer sorbischen Literaturgeschichte – sich für die Sorben »nicht eigne« (»njehodźeše«, Jenč 1954: VIII). Der Verfasser habe die sorbischen Angelegenheiten nicht hinreichend durchdrungen (»njeje naše poměry dosć znał«, ebd.), vor allem aber habe er für ein polnisches Publikum im Vergleich sorbischer v.a. mit polnischer Literatur den Existenzbeweis ebendieser sorbischen Literatur erbracht. Der

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Gołąbek (1938: 7) akzentuiert in seinem Vorwort den defensiven Charakter sorbischer Literatur (»dla obrony narodowej«), mit dem das ästhetisch durchaus unterschiedliche Niveau der behandelten Texte korreliere. Ziel seiner Studie sei der Nachweis der Vitalität des sorbischen Volkes: »[…] zamierzeniem a zarazem dążeniem niniejszej książki jest udowodnienie, że właśnie naród łużycki dzięki wypowiadaniu się we własnej mowie poetyckiej wykazuje stałą odporność, stały pęd do życia i nie rezygnuje z prawa do niego« (ebd.). [»Absicht und zugleich Bestreben dieses Buches ist der Nachweis, dass das sorbische Volk eben durch die Äußerung in eigener poetischer Rede eine feste Widerstandsfähigkeit, einen beständigen Trieb zum Leben offenbart und auf das Recht dazu nicht verzichtet.«]

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aktuelle Bedarf der Sorben sei jedoch ein ganz anderer, benötigt werde nämlich der Nachweis, »[…] wie sich im sorbischen Schrifttum die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse spiegeln, unter denen das sorbische Volk in den einzelnen Epochen seiner Geschichte lebte, und wie dieses Schrifttum zum Erhalt des Sorbentums und zur Entstehung nationalen Bewusstseins beitrug […]« (ebd.).2 Folgerichtig habe Jenč sich den Auftrag zur Erarbeitung einer solchen Darstellung vom neu gegründeten Institut für sorbische Volksforschung geholt und lege nunmehr seine Ergebnisse vor. Der im Weiteren bemühte Topos der Unzulänglichkeit verstärkt paradoxerweise den diskursiv beständig mitschwingenden Verdacht auf Mangelhaftigkeit sowohl von Untersuchungsobjekt als auch von Forschungsergebnissen. In zu kurzer Zeit habe bei weitgehend unaufgearbeiteter Quellenlage Monographisches entstehen müssen – Jenč hält seine Arbeit deshalb eher für eine Kompilation des Auf- und Vorgefundenen an Literatur einschließlich des über diese Literatur Verfassten; sie sei »[d]er erste Versuch von sorbischer Seite, einen Überblick über alles zu geben, was auf Sorbisch geschrieben wurde, und alles zusammenzufassen, was über das sorbische Schrifttum geschrieben wurde« (ebd.: IX).3 Seine Zielgruppe ist demzufolge sehr breit – unter Exklusion ausgerechnet der gelehrten Welt: »Für wen also ist das Buch also geschrieben? Nicht für einige gelehrte Abteilungsleiter [lies: Fachleute, C.P.], sondern für alle, die es drin2

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»[…] kak so w serbskim pismowstwje wotražuju hospodarske, socialne a kulturne poměry, w kotrychž je serbski lud w jednotliwych dobach swojich stawiznow žiwy był, a kak je tuto pismowstwo přinošowało k zdźerženju Serbstwa a k nastaću narodneho wědomja […].« »Z prěnim pospytom ze serbskeje strony, dać přehlad wo wšěm, štož je so serbsce pisało, a zjimać wšo, štož je so wo serbskim pismowstwje pisało.«

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gend benötigen und danach rufen: Sorbische Lehrer und Dozenten der sorbischen Volkshochschule, sorbische Studenten und Schüler der sorbischen Oberschulen, weiter alle Sorben, ob Arbeiter oder Bauern, Handwerker oder sonst wer, Männer oder Frauen, kurz alle, die sich dafür interessieren, was wir an geistigen Gütern haben und was uns unsere besten Männer hinterlassen haben« (ebd.: XI).4 Jenč beabsichtigt eine populäre Aufbereitung sorbischer Schrifttumsgeschichte, zu der, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, der große Vorläufer Ota Wićaz (1874–1952) wesentliche Beiträge geliefert hat und die in spezifisch sorbischer Diktion das Nationalbewusstsein der Sorben befördern soll. Den seit Herder bekannten kanonischen Konzepten des organischen Wachstums folgend, ist die vorgelegte Schrifttumsgeschichte als Dünger, als Nährstoff zu begreifen, damit das Sorbentum zu immer schönerer Blüte gelange (»zo by dale rjeńšo zakćěwało«, ebd.). Die Kehrseite dieser auch textsortenspezifischen Nachholung sorbischer Kulturgeschichtsschreibung besteht freilich in der kaum problematisierten Übernahme des dominant westlichen Konzeptualisierungselements der Vollständigkeit, nicht zuletzt im Sinne von Kontinuität. Die »Stawizny« richten sich an den zeitgenössischen und künftigen, selbstverständlich sozialistisch eingestellten sorbischen Kulturträger, der – vor der Geschichte im Recht – nun vollzieht, was intentional mindestens hundert, wenn nicht zweihundert Jahre früher in zumeist größeren europäischen Kulturen bereits stattgefunden hat: die geduldige, komplette sowie komplett selbstbezogene National-Erzählung. Damit bestätigt Jenč indirekt das kanonische Konzept europäischer Literatur, in dem es seit der Frühen Neuzeit darauf ankommt, der Erste auf dem Platz gewesen zu sein bzw. das verbriefte Erbe der Antike im Bündel der kulturellen Berechtigungsscheine mit sich zu führen. Schon 4

»Komu je kniha potajkim pisana? Nic někotrym wučenym wotrjadnikam, ale wšěm tym, kiž ju nuznje trjebaju a za njej wołaju: serbskim wučerjam a docentam Serbskeje ludoweje uniwerzity, serbskim studentam a šulerjam serbskich wyšich šulow a dale wšěm Serbam, hač su dźěłaćerjo abo ratarjo, rjemjeslnicy abo štožkuli, mužojo abo žony, skrótka wšěm, kiž so za to zajimuja, što do duchownych kubłow mamy a što su nam naši najlěpši mužojo zawostajili.«

Über das kanonische und das subversive Konzept sorbischer Literaturgeschichte

die ersten Passagen des Buches reagieren auf das historische Verhältnis sorbischer Literatur zu anderen europäischen Literaturen: »Warum gab es nicht schon im Mittelalter ein sorbisches Schrifttum?« (»Čehodla njebě hižo w srjedźowěku serbskeho pismowstwa?«, ebd.: 3), lautet die Eingangsfrage, mit der automatisch ein gesamteuropäisch kanonischer Bewertungsmaßstab an die sorbische Literatur gelegt wird. Es kann kaum ausbleiben, dass unter dieser Bedingung die Geschichte des sorbischen Schrifttums mit ausführlichen Erläuterungen zu deren spätem Beginn anhebt, mithin eine epochenbezogene Fehlanzeige als (qua deutscher Unterdrückung) fremdverschuldet rechtfertigt. Die ausführliche chronologische Zusammenstellung sorbischen Schrifttums bis zur Jungsorbischen Bewegung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgt im Wesentlichen diesen Prämissen. Im Vorwort zum 1960 erschienenen zweiten Band bestätigt Jenč den grundsätzlichen Anschluss an die Ausrichtung des ersten Bandes, betont aber die überraschende Materialfülle und Bedeutung der Epoche nach Einsetzen der Jungsorbischen Bewegung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Die vorgefundenen Umstände sowie das Fehlen einer entsprechenden geschichtswissenschaftlichen Darstellung der Zeit zwischen ca. 1870 und 1920 hätten ihn zu dem Entschluss geführt, die ursprünglich vorgesehene Fortschreibung sorbischer Literaturgeschichte bis in die Gegenwart auf einen – dann kollektiv zu verfassenden – dritten Band zu verschieben sowie die Darstellung niedersorbischen Schrifttums ab dem 19. Jahrhundert ebenfalls auszulagern. Mit im Vergleich zum ersten Band deutlich gesteigertem Selbstbewusstsein vermerkt Jenč die größere Eigenständigkeit des Vorgelegten, das nun nicht mehr kompilatorisch zusammengetragen, sondern in selbständigen Analysen ermittelt worden sei. Der gesamte Ansatz erscheint professioneller und freier von Pathos, wie sich an der vergleichsweise knappen Bestimmung des Zielpublikums zeigt: Nach wie vor sei das Buch nicht für einen »engen Kreis von Abteilungsleitern [lies erneut: Fachleuten, C.P.]« (»wuski kruh wotrjadnikow«, Jenč 1960: 6) bestimmt, sondern »breiten Kreisen des sorbischen Volkes« (»sěrokim kruham serbskeho luda«, ebd.) zugedacht. Diese Adressaten erhalten die Fortsetzung des im ersten Band begonnenen Großnar-

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rativs sorbischen kulturellen Widerstands gegen den übermächtigen germanisierenden Gegner, angefangen von der »stärkeren Bedrohung des Fortbestands des Sorbentums« (»Sylniše wohroženje dalšeho wobstaća Serbstwa«, ebd.: 7ff.) durch das kapitalistisch-imperialistische Deutschland über die erwähnte Jungsorbische Bewegung, die ausführliche Beschäftigung mit dem »mutigen Erneuerer« (»chrobły nowotar«, ebd.: 220ff.) Jakub Bart-Ćišinski bis zur »Stagnation im sorbischen nationalen und kulturellen Leben« (»Stagnacija w serbskim narodnym a kulturnym žiwjenju«, ebd.: 283ff.) zu Beginn des 20. Jahrhunderts und »Anzeichen der Belebung« (»Zjawy wožiwjenja«, ebd.: 365ff.) nach 1910. Die weitere Geschichte der quasi offiziellen, jedenfalls institutionalisierten sorbischen Literaturgeschichtsschreibung bedarf noch eingehenderer Untersuchung. Die von Jenč angekündigte Fortsetzung des Projekts kam jedenfalls bis zur Wende, Wiedervereinigung und institutionellem Neubeginn der Sorabistik nicht mehr zustande. 1998 legte Dietrich Scholze unter im Grunde ähnlichen Bedingungen, wie sie 1954 Jenč im ersten Band skizziert hatte, eine zumindest im Vorwort ohne konkrete Benennung des Zielpublikums verbleibende, klassisch an der »traditionellen biografischen Methode« (»tradicionelnu biografisku metodu«, Scholze 1998: 8) orientierte Darstellung sorbischer Literatur zwischen 1918 und 1945 vor, wobei er sich – wie einst Jenč auf Wićaz – auf Vorarbeiten des zu Beginn der 1960er Jahre beauftragten Trios Jurij Młynk (1927–1971), Pawoł Nowotny (1912–2010) und Kito Lorenc (1938–2017) stützte. Nowotny hatte den frisch gebackenen Slavisten Lorenc 1961 ans Bautzener Institut zur Verstärkung für die philologische Abteilung geholt. Die für 1963 vorgesehene Veröffentlichung des dritten Bandes scheiterte an »organisatorischen und personellen Schwierigkeiten« (»Organizatoriske a personelne ćeže«, ebd.). Welcher Art diese Schwierigkeiten waren, mag an dieser Stelle offen bleiben; fest stehen dürfte jedenfalls, dass für eine weit ausgreifende künstlerische Persönlichkeit wie Kito Lorenc die straff vorgegebene Struktur einer kanonisch ausgerichteten Literaturgeschichtsschreibung in Fortsetzung des von Jenč vorgegebenen Weges keine wirklich attraktive Herausforderung war. Institutionell gesehen türmten sich die Aufgaben für die

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Literaturwissenschaftler im Institut immer mehr – ab 1969 bzw. 1972 erschienen die Werkausgaben von Jakub Bart-Ćišinski sowie Handrij Zejler; schon in den 1960er Jahren erarbeiteten die Wissenschaftler am Institut auch Einzelstudien, Editionen etc., während der dritte Band ebenso wie ein parallel konzipierter vierter Band über die Zeit nach 1945 »bald ins Stocken« gerieten (Zeil 1996: 174). Weder der eher buchhalterische Ansatz Scholzes, der in seiner Arbeit die »elf wichtigsten Literaten der Zwischenkriegszeit« (»jednaće najwažnišich literatow mjezywójnskeje doby«, Scholze 1998: 8) vorstellte, noch der eher ratlose Zugang des Autorenkollektivs, das vier Jahre zuvor eine Zusammenstellung von Einzelbeiträgen zu verschiedensten literaturhistorischen Aspekten der Zeit von 1945–1990 (unter Einbeziehung z.B. auch religiöser, volkstümlicher, übersetzter oder wissenschaftlicher Literatur) verantwortet hatte, konnten den Befund aus der Welt schaffen, dass das Konzept einer kanonisch fundierten sorbischen Literaturgeschichte letztlich nicht aufgegangen ist. Das Geleitwort des 1994 erschienenen Sammelbandes Přinoški k stawiznam serbskeho pismowstwa lět 1945–1990 gibt Einblick in das zu Beginn der 1990er Jahre herrschende ideologische, aber auch methodologische Vakuum, in das die sorbische Literaturgeschichtsschreibung geraten war: Das im marxistischen Wissenschaftssystem favorisierte Modell des Autorenkollektivs war nicht in der Lage, eine »ausgewogene Darstellung der Entwicklung der sorbischen Literatur nach 1945 in all ihren Zweigen« (»wurunane předstajenje wuwića serbskeje literatury po 1945 we wšěch swojich hałuzach«, Völkel 1994: 7) hervorzubringen. Auch 1994 betonte man wie Jenč schon 1954 die personellen Kapazitätsprobleme, die das Projekt einer Gesamterzählung sorbischer Literaturgeschichte immer wieder bedroht hätten, weshalb der Band nun schlicht die überwiegend vor 1989 entstandenen Einzelarbeiten präsentiere. Auch die Zielgruppe blieb zwischen 1954 und 1994 im Wesentlichen unverändert: Die Autoren äußerten die Hoffnung, »[…] dass nicht nur Schüler, Studenten oder Lehrer dieses Buch lesen werden, sondern dass Sorben mit verschiedenen Berufen und Inter-

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essenlagen in diesen Beiträgen zur Geschichte des sorbischen Schrifttums im 20. Jh. eine anregende Lektüre finden« (ebd.).5 Damit lässt sich – unter Anerkennung aller Anstrengungen und Hindernisse – vorläufig behaupten, dass es trotz vergleichsweise erheblicher Institutionalisierung sorbischer Literatur- und Kulturgeschichtsschreibung bis heute nicht gelungen ist, das kanonische Konzept einer vollständigen Literatur »in all ihren Zweigen«, also in konkurrenzfähigem Differenzierungsgrad bei quantitativ reduzierter Ausdehnung, als faktographisches, deskriptiv-universelles Gesamtvorhaben zu realisieren. Die Gründe hierfür dürften nicht so sehr in strukturellen oder persönlichen Überforderungslagen zu suchen sein; vielmehr gelangt eine kleine Literatur wie die sorbische auch im Versuch ihrer letztlich sprachnational begründeten Selbstbeschreibung zu rasch an gewisse Plausibilitätsgrenzen. Wenn sorbische Literaturgeschichte zunächst den sorbischsprachigen Sorben die – konzeptionell entlehnte – Werdung ihres in Texten geronnenen nationalen Selbstbewusstseins bzw. -verständnisses erzählen soll, so offenbart dieses Konzept allzu schnell seine Deckungslücken, wird aus der nachholenden Ganzheitlichkeit die uneingestandene Fragmentarität. Gerade nach den literaturwissenschaftlichen Kanonkriegen um die Jahrtausendwende stellt sich allerdings noch deutlicher als zuvor die Frage, ob ein solches Konzept zur Erreichung des letztlich kulturpolitischen Zieles – Sprach- und Kulturerhalt sowie -entwicklung – überhaupt geeignet ist, ob der binnensorbische Monolog also hinreichend produktiv sein kann, um generationenübergreifend jenes historische Gruppenzugehörigkeitsbewusstsein zu erzeugen, das über die schiere Existenz der Sorben hinaus einen gemeinsamen zukunftsbezogenen Gestaltungswillen stärkt. Es lohnt deshalb, ein großes, grundlegend anderes, nämlich subversiv konzipiertes Alternativprojekt zur heroisch-traditionellen Einzel-

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»[…] zo njebudu jenož šulerjo, studenća abo wučerjo tutu knihu čitać, ale zo namakaja Serbja wšelakich powołanjow a zajimow w tutych přinoškach k stawiznam serbskeje literatury 20. lětstotka pozbudźowacu lekturu.«

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bzw. Gruppenleistung der Stawizny serbskeho pismowstwa in Kontrast zu setzen. Kito Lorenc hat dieses Projekt nach seinem Ausstieg aus dem Bautzener Institut sowie einer beruflichen Zwischenstation als Dramaturg beim Sorbischen Nationalensemble außerhalb aller institutionellen Bindungen, als subjektive und zugleich dialogische Perspektive auf die sorbische Literatur in Gestalt des Sorbischen Lesebuchs/Serbska čitanka (1981) bewältigt. Das ausnehmend häufig rezensierte »Lesebuch« (das nie eine zweite Auflage erlebte) ist anstelle eines Vorworts mit einem »Vorbericht« ausgestattet, darüber hinaus gibt es aber auch eine Art Vor-Gedicht, das 1984 in Lorenc’ Gedichtsammlung Wortland mit der Datierung »1981 und früher« unter dem Titel Sitzend überm Sorbischen Lesebuch erschien. Das lyrische Subjekt zeigt sich darin in seiner Doppelrolle als Dichter und Literaturhistoriker im Bild des Maulwurfs und zugleich Maulwurfsjägers. Die Arbeit am »Lesebuch« ist Wühlarbeit, Grubenausbau, Schädlingsjagd, sie ist in jedem Fall einsame Pionierarbeit unter Tage statt kollektiv abgestimmtes Tag-Werk: »Vergraben zu den vergrabenen Dichtern / das eigne Mundwerk / wer weiß für wes Wurf / grab ich ihr Feld um werf / Mundwurfshügel auf schlag zu / mit dem Spaten dem späten / wenns hochkommt immer / auf das schnelle Mundwerk« (Lorenc 1984: 20) Sorbische Literatur ist hier konzipiert als vergrabener, verschütteter, mühsam zu Tage zu bringender Bodenschatz, der professionell – unter Einsatz von »Forschereigenschaften« – geborgen werden kann. Dabei deutet der Text durchaus an, dass dieser Schatz eigentlich eine oberirdische Geschichte hat: er ist einst »bekannt« gewesen und kann als einfache, naturnahe Vorarbeit, Vorlage für Hochmodernes, Zeitgenössisches funktionieren: »Denn Forschereigenschaften sind überall / vonnöten am Czorneboh wie in den Anden / am Czorneboh vielleicht noch ehr wo / fast nur bekannte Dinge / unbekannt plötzlich kommt jemand / drauf bauf dem Froschauge aus / dem Wiesentümpel´s Sputnikbahnbeobachtungs / gerät nach« (ebd.)

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Hieraus leitet sich schon klar das im Vergleich zum Literaturgeschichtskollektiv ganz andere Frage- und Erkenntnisinteresse an der eigenhändig bzw. ›eigenmündig‹ erschlossenen sorbischen Literaturgeschichte ab. Das Ausgegrabene, Aufgefundene soll Inspiration und Schöpferkraft befördern, nicht als museales Exponat zur Bestätigung einer tendenziell immer statischen nationalen Selbstversicherung, sondern als individuell erfahr- und erforschbare, je eigen auszuhebende Geschichte, die als Aufgabe für den literaturhistorischen Abenteurer eine Vielzahl von immer neu erzählbaren Geschichten ergibt. Der Literaturhistoriker lebt also gefährlich wie der Bergmann oder der Maulwurf, den sein Aushub (per Spatenschlag) den Kopf kosten kann; die innovative Kombination beider Bilder weist jedoch den Weg zum Erfolg. Der Bergmann-Maulwurf gelangt zum baulich stabilierten »Mundloch« und damit an die Oberfläche, er schafft den sichtbaren Zugang zum sorbischen Literatur-Stollen: »oder spannt den Maulwurf / vor und schlaffts / allemal loch« (ebd.). Das »Lesebuch« ist, wie natürlich auch schon an der Textsortenkennzeichnung ersichtlich, von vornherein keine Literaturgeschiche herkömmlicher Art. Es ist vielmehr das Ergebnis vieljähriger Erschließung, Aneignung, zuletzt Anordnung und Präsentation nach autonom gefassten Regeln. Im »Lesebuch« zeigt der womöglich gründlichste Kenner sorbischer Literaturgeschichte sein Regelwerk, das weder kompilatorischen noch irgend »klassisch biografischen« Strukturmustern folgt, sondern aus einem gründlichen Reflexionsprozess individueller Prägung hervorgeht. Im »Vorbericht« (Lorenc 1981: 5–11), der wie die beiden Vorworte von Jenč auf einen Dezember datiert ist (hier ist es der Dezember 1978), steckt nicht nur ein kurzer, einleitender Kommentar zu den folgenden über siebenhundert Seiten, sondern in nuce ein konzeptioneller Gegenentwurf zum traditionellen Modell von Literaturgeschichte. Lorenc nennt die schwierigen Entstehungsbedingungen sorbischer Literatur in der »tausendjährigen geistigen Not« (ebd.: 5) der Sorben durchaus beim Namen: Sprachverbote, Erniedrigung, »gesellschaftliche Isolierung« (ebd.: 6), auch mangelnde Institutionalisierung. Doch erkennt er zugleich »innere Erschwernisse« (ebd.: 5), allen voran das »Trauma einer exklusiv nationalen Verpflichtung« (ebd.:

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6) in Form nachahmender Sorbentümelei – der Versuch der kleinen Literatur, strukturell wie ideologisch ihrer großen Nachbarin ähneln zu wollen, führt letztendlich zur Selbstbeschädigung. Deshalb seien Vorgängerarbeiten wie das Lesebuch des tschechischen Slavisten Josef Páta (1920) mit seiner »nationalistische[n] Grundtendenz« (ebd.: 7) und seinen »pädagogisch-baedekerhaften Intentionen» »heute weitgehend ungenießbar« (ebd.). Das Ziel der vorgelegten Publikation ist ganz anders gesteckt – es gehe darum, »[…] in einem wesentlich chronologischen Aufbau den Entwicklungsprozeß der sorbischen Literatur zu modellieren: ihr allmähliches schwieriges Wachstum, den bei aller Einschränkung doch unverkennbaren inneren und äußeren Stoffwechsel dieses kleinen, relativ eigenlebigen Literaturorganismus, sein System von Korrespondenzen und Verweisungen, Längs- und Querbezügen, Vor- und Rückgriffen. Vor allem sollte ihr Spektrum nach Möglichkeit durch das Prisma dieser Literatur selbst betrachtet werden, sollten die Texte für sich und wechselseitig über sich sprechen, auch mit kritischem Selbstverständnis. Das betrifft unmittelbar das dargestellte Verhältnis von Erbe und Gegenwart: So wurde das Erbe daraufhin gesichtet, inwieweit sich daraus menschlich Bedeutsames in produktive Beziehung zu Heutigem setzen läßt; aus der Gegenwart wurden Beiträge bevorzugt, die solche Beziehungen aufnehmen« (Lorenc 1981: 9). Lorenc konzipiert das literaturhistorische »Lesebuch« – schon in den 1970er Jahren! – als Diskurs- und Verflechtungsgeschichte, als »Informationsgeflecht, das sich aus dem mehrsprachigen, kritischen Dialog der Leseproben und ihrem Zusammenspiel ergibt« (ebd.: 10–11). Das Buch soll nicht so sehr die sorbische Rede der Sorben mit- und übereinander stabilisieren, sondern die Spezifik sorbischer literarischer Äußerungen aus ihrem prinzipiell mehrsprachigen dialogischen Potential heraus deutlich machen. Darin weicht er ganz fundamental von den Annahmen Jenčs, später Scholzes, ab. An die Stelle der Quantität setzt er die Qualität als Eigenlogik und Aussagekraft literarischer Texte, deren ästhetische Offenheit jede nationalistische Einengung sprengt. Der systematisierende, rezeptionssteuernde Auftrag des Herausgebers

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reduziert sich auf »ein System kommentierender Herausgebertexte – Biographien, Anmerkungen und eine Zeittafel, die Um- und Vorfeld wie gelegentliche Hintergründe der dokumentierten Literatur erläutern« (ebd.: 11). Man könnte diesen Ansatz subversiv nennen, indem die quasi nur archivierende Einsortierung von Autoren und Texten in ein klassisch nationalbezogenes Großnarrativ nicht nur aufgegeben, sondern explizit vermieden wird zugunsten einer dynamischen, individuellen Leseerfahrung und daraus entstehenden ebenso individuelle Eindrücke und Urteile befördernden Strategie der Offenheit. Die binäre Opposition von deutschem Unterdrücker und sorbischem Unterdrückten weicht gegen die – in überaus elegantem Stil angebotene – Integration sorbischer Literatur in ein supranationales Geflecht von Texten und ihren unendlichen dialogischen Beziehungspotentialen. Das »Lesebuch« kann und will keine »soziologisch-historische ›Geographie‹ sorbischer Literatur« (ebd.: 9) ersetzen. Dem LiteraturBergmann Lorenc ist Ende der 1970er Jahre bewusst, dass eine »umfassende Darstellung« (ebd.) dieser Literatur nicht existiert, zumal ein systematisches Zutagefördern der Quellen, die zu einem guten Teil »noch immer verdeckt« (ebd.) sind, bei geringer Mannstärke der in die Literaturgrube Einfahrenden noch »etliche Jahre, wenn nicht Jahrzehnte« (ebd.) andauern wird. Gerade aufgrund dieses bis in die Gegenwart gültigen Befundes rückt die von Lorenc gewählte Alternative jedoch umso mehr ins Zentrum bei der Suche nach tragfähigen, produktiven Konzepten für die Erschließung und Aneignung der Geschichte einer kleinen Literatur. 2004 hat Lorenc diesen Ansatz in seiner Anthologie sorbischer Dichtung unter dem Titel Das Meer die Insel das Schiff erfolgreich wiederholt; der damalige Verfasser des Vorworts war von sorbischer Lyrik so begeistert, dass er seinen Einfluss beim renommiertesten deutschen Literaturverlag geltend machte und 2013 für ein Novum sorgte: Peter Handke bevorwortete das erste Buch eines sorbischen Schriftstellers – Kito Lorenc – im SuhrkampVerlag (Lorenc 2013). Sorbische Literatur ist damit im weltliterarischen Begegnungsraum angekommen. Die analytische Untersetzung der hier angestellten Überlegungen zu kanonischen und subversiven Konzepten von sorbischer Literatur-

Über das kanonische und das subversive Konzept sorbischer Literaturgeschichte

geschichte erfordert einen genauen, detaillierten Vergleich der Selektion und Kombination literaturhistorischer Bausteine bei Jenč et al. sowie bei Lorenc. Insbesondere stellt sich die Frage, wie ausgeprägt die subjektive Sicht des »Lesebuchs« angesichts der außergewöhnlichen literaturhistorischen Quellenkompetenz ihres Herausgebers tatsächlich gegenüber dem Kollektivprojekt einschließlich der beiden nach 1981 erschienenen Bände ausfällt. Hierzu sind umfangreiche, v.a. auch archivalische Forschungen nötig. Vorerst scheinen bei einer Gegenüberstellung folgende Oppositionen plausibel: Tabelle 1 Kanonisches Konzept sorbischer Literaturgeschichte

Subversives Konzept sorbischer Literaturgeschichte

Quantität

Qualität

Vollständigkeit

Repräsentativität

Kontinuität

Fragmentarität

Nationales, monologisches Großnarrativ

Ästhetisches, dialogisches Einzelnarrativ

Geschlossenheit

Offenheit

Didaktik

Literarizität

Einsprachigkeit

Mehrsprachigkeit

Kollektivität

Individualität

Rezeptionssteuerung

Rezeptionsermunterung

Die sorbische Literaturgeschichte aus dem institutionellen sorabistischen Zentrum steht als unvollendeter Monolith neben der sorbischen Literaturlese aus der peripheren Position des unabhängigen, freien Schriftstellers, die demgegenüber einen weit höheren Vollendungsgrad aufweist. Sorbische Literaturgeschichte als Lesebuch und Angebot ist somit anders als die zugleich akademische und popularisierende Literaturgeschichte geglückt. Für die künftige Ausrichtung sorabistischer Literaturwissenschaft als Dialogpartnerin in weltliterarischen Zusammenhängen dürfte dies eine klare Wegmarkierung bedeuten.

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Bibliographie Balogh, András F./Leitgeb, Christoph (Hg.) (2017): Zur kulturellen Funktion von kleiner Differenz: Verwandtschaften, Freundschaften und Feindschaften in Zentraleuropa. Wien: Praesens. Gołąbek, Józef (1938): Literatura serbsko-łużycka (=Pamiętnik Instytutu Śląskiego, V), Katowice: Wydawnictwa Instytutu Śląskiego. Jenč, Rudolf (1954): Stawizny serbskeho pismowstwa (= Spisy Instituta za serbski ludospyt, 1), Budyšin: Domowina. Jenč, Rudolf (1960): Stawizny serbskeho pismowstwa. II. dźěl (= Spisy Instituta za serbski ludospyt, 12), Budyšin: Domowina. Lorenc, Kito (1984): Wortland. Gedichte aus zwanzig Jahren. Leipzig: Reclam. Lorenc, Kito (2013): Gedichte. Ausgewählt und mit einem Vorwort versehen von Peter Handke. Frankfurt: Suhrkamp. Lorenc, Kito (Hg.) (1981): Sorbisches Lesebuch. Serbska čitanka. Leipzig: Reclam. Lorenc, Kito (Hg.) (2004): Das Meer die Insel das Schiff. Sorbische Dichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart. Heidelberg: Wunderhorn. Pollack, Friedrich (2018): Kirche – Sprache – Nation. Eine Kollektivbiographie der sorbischen evangelischen Geistlichkeit in der frühneuzeitlichen Oberlausitz (= Schriften des Sorbischen Instituts. Spisy Serbskeho Instituta, 65). Bautzen: Domowina. Scholze, Dietrich (1998): Stawizny serbskeho pismowstwa 1918–1945. Budyšin: Domowina. Völkel, Měrćin (Hg.) (1994): Přinoški k stawiznam serbskeho pismowstwa 1945–1990. Zběrnik (Spisy Serbskeho Instituta, 5.), Budyšin: Domowina. Wimmer, Andreas/Glick Schiller, Nina (2002): »Methodological Nationalism and Beyond: Nation-State Building, Migration and the Social Sciences«, in: Global Networks 2(4), S. 301–334. Zeil, Wilhelm (1996): Sorabistik in Deutschland. Eine wissenschaftsgeschichtliche Bilanz aus fünf Jahrhunderten (= Schriften des Sorbischen Instituts/Spisy Serbskeho Instituta, 12). Bautzen: Domowina.

Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung Oberschlesien und (Ober-)Schlesisch nach 1989 Renata Makarska

I.

Kleinheit im Fokus der Forschung

In verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und der wissenschaftlichen Reflexion ist die Rede von Kleinheit: von kleinen Sprachen, Kulturen oder Fächern. Die UNESCO zählt zu »kleinen Sprachen« diejenigen, die gefährdet sind1 , die Linguistik spricht von Mikrosprachen (sowie Megasprachen und Makrosprachen) (Dalby 1999/2000), die Kulturwissenschaft beobachtet und beschreibt »kleine Kulturen« (vgl. z.B. Prunitsch 2009) und die Translationswissenschaft verwendet den Terminus »große Sprachen« bzw. »kleine Sprachen« in Bezug auf den Anteil der Übersetzungen aus einer Sprache am gesamten Übersetzungsmarkt2 . Im Folgenden werden diese verschiedenen Aspekte der Kleinheit in der Reflexion über den Status der schlesischen Sprache und Kultur der letzten Jahrzehnte zusammengeführt. Zum

1

2

Vgl. den Weltatlas der bedrohten Sprachen der UNESCO: http://www.unesco.o rg/languages-atlas/. Man unterscheidet zwischen den Kategorien: »potentiell gefährdet« (vulnerable), »gefährdet« (definitely endangered), »ernsthaft gefährdet« (severely endangered) oder »moribund« (critically endangered). Der niederländische Soziologe Johan Heilbron (2010) hat hierfür eine genauere Nomenklatur vorgeschlagen: zentrale, periphere und semi-periphere Sprachen (vgl. auch Zajas 2019: 170f.).

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einen zählt Schlesisch3 zu den ernsthaft gefährdeten Sprachen, weil es von einer immer kleiner werdenden Sprechergruppe verwendet wird, und die Sprachwissenschaft untersucht es als Mikrosprache. Zum anderen beschäftigen sich die Literatur- und Kulturwissenschaften in ihren regionalistischen und postkolonialen Zugängen derzeit häufiger als früher mit dem Raum Oberschlesien und deren Sprache: mit der Selbstidentifikation und -Reflexion der Region, mit dem Phänomen der Mehr- und Mischsprachigkeit, mit den Prozessen der Textproduktion und -Translation. Zentral werden in diesen Untersuchungen Aspekte des Gedächtnisses und des postkolonialen Erbes: Hierarchische (Macht-)Beziehungen zwischen der (dominierten) schlesischen Sprache/Kultur und der (dominanten) polnischen Sprache/Kultur lassen sich heute besonders deutlich erfassen und beschreiben (vgl. u.a. Nijakowski 2014, Szmeja 2017 und Tambor 2018). Nach der politischen Wende des Jahres 1989 kam es im Zuge des nachlassenden kulturellen Zentralismus Polens und der allmähligen Sichtbarkeit der nationalen und ethnischen Minderheiten zu einem neuen Identifikationsprozess und zu einer Neufindung der Region. Dieses national, konfessionell und sozial konstante Gebiet erlebte nach 1945 eine Welle von Vertreibungen der deutschen Bevölkerung und von Neuansiedlungen4 . Die sogenannte autochthone Bevölkerung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg einer starken Polonisierung ausgesetzt. Die Zeit nach der Wende hat eine Eruption an autobiografischen Texten hervorgebracht, die die Erfahrung des 20. Jahrhunderts thematisierten und das Schlesische zu erfassen versuchten: Die Sprache war dabei nämlich das zentrale Element, das Bindeglied zwischen

3

4

In der Fachliteratur dazu findet man zwei Termini, die synonymisch verwendet werden: Schlesisch (język śląski) sowie Oberschlesisch (język górnośląski). In Bezug auf die Region werde ich im Folgenden über Oberschlesien sprechen, in Bezug auf die Sprache über Schlesisch (die historische Opposition »Oberschlesisch – Niederschlesisch« ist nicht mehr aktiv, daher ist die Eindeutigkeit des Begriffes gewährleistet). Nach 1970 haben Schlesien viele Spätaussiedler verlassen.

Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung

dem sozial und kulturell Charakteristischen und dem individuellen (Familien-)Gedächtnis. Obwohl das Schlesische in Polen formell nicht als Regionalsprache anerkannt ist, wird es immer stärker sichtbar und zwar – so meine These – auf drei Gebieten: 1) Um die Mehrsprachigkeit und Mischsprachigkeit der Region zu verdeutlichen, wird das Schlesische immer häufiger in literarischen und essayistischen Werken thematisiert; 2) Es entstehen immer mehr Originalwerke in schlesischer Sprache, wodurch die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache erweitert werden und vor allem die Kodifizierung der Orthografie Realität wird; 3) Auch die Zahl der Übersetzungen ins Schlesische steigt und der Markt hierfür professionalisiert sich allmählich5 . Alle drei Prozesse tragen zu einer immer größeren Sichtbarkeit und Stabilität des Schlesischen bei. Mit diesen Bereichen der Entwicklung der schlesischen Sprache werde ich mich im Folgenden beschäftigen, wobei ich zuerst das Phänomen der Stärkung des regionalen Bewusstseins in Oberschlesien nach 1989 und die Bemühungen um die Anerkennung des Schlesischen als regionaler Sprache beleuchte. Meine Erörterungen haben an vielen Stellen einen Überblickscharakter, ab und zu stütze ich meine Thesen auf kurzen Analysen.

II.

(Ober-)Schlesien, (Ober-)Schlesier und (Ober-)Schlesisch nach 1989

In der Volksrepublik Polen, die ethnisch »sauber wie ein Glas Wasser« (Łodziński 2005: 89; vgl. auch Makarska 2015) sein wollte und die Existenz von nationalen bzw. ethnischen Minderheiten stark marginalisierte, war das Schlesische wie viele andere regionale Sprachen oder Dialekte gesellschaftlich verpönt. Es wurde mit Regionalität im Sinne von Provinzialität assoziiert und mit einer Literatur, deren Potenzial nicht 5

Die Gruppe der Übersetzer und Übersetzerinnen (vor allem aus dem Polnischen) ins Schlesische wird immer zahlreicher, ebenso gibt es mittlerweile ein stabiles Verlagsnetz.

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über das Folkloristische hinausreicht. Die Sprache galt als ein (lokales) Merkmal, das u.a. durch die Schulbildung so schnell wie möglich zu beseitigen war. Auch heute noch – wie Vorurteilsforschungen zeigen – wird die Verwendung des Schlesischen eher in einem privaten (familiären) Kontext akzeptiert als in einer offiziellen und öffentlichen Situation6 . Nach der Wende hat sich die Wahrnehmung des Schlesischen und der Regionalität im Allgemeinen schrittweise verändert, denn durch die Abkehr vom Zentralismus im Kulturleben kam es zu einer Belebung der Regionen, der Peripherien und der (geografischen und teilweise kulturellen) Ränder des Staates. Vor allem auf das literarische Leben bezog sich die griffige Metapher von Przemysław Czapliński: In seiner Interpretation ähnelte Polen einem Brotkringel – das Wichtigste und Wertvollste fand an dessen Rändern statt (Czapliński 2007: 28f.). Einen Teil dieses Kringels bildet das Schlesische: Die Renaissance der Sprache wurde von einem kulturellen Erwecken und der Entwicklung einer immer stärkeren regionalen Identität der Oberschlesier begleitet. Die Reaktionen der Mehrheitsgesellschaft auf diese Renaissance waren nicht ausschließlich positiv, aus der neuen Situation in Oberschlesien (Aufwertung der Sprache, Kultur und Lebensart, aber auch Diskussionen über eine Autonomiebewegung) wurde bald ein Politikum. Den »Wettbewerb« um die Anerkennung des Schlesischen als einer regionalen Sprache haben die lokalen Aktivisten verloren: Als Polen Anfang 2005, also unmittelbar nach dem EU-Beitritt, das »Gesetz über die nationalen und ethnischen Minderheiten sowie die regionale Sprache« verabschiedet hat, wurde darin nur eine einzige regionale Sprache, die

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Die Psychologin Karolina Hansen hat das Verhältnis der polnischen Bevölkerung zu Dialekten und zur regionalen Aussprache untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ihre Respondenten zwar einerseits eine große Offenheit gegenüber regionalen Sprechweisen deklarierten, sich aber andererseits für die Verwendung der Standardsprache in offiziellen Situationen ausgesprochen haben (vgl. Hansen 2015: 167f.; »niestandardowa wymowa w domu, ale nie w pracy«, ebd.: 168).

Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung

kaschubische, anerkannt7 . Seit 2005 haben die schlesischen Aktivisten bereits vier Versuche unternommen, das Schlesische ins Gesetz aufzunehmen (2007, 2010, 2012, 2018) – jedes Mal ohne Erfolg (Michna 2019: 59). Diese distanzierten Reaktionen auf die Renaissance der Sprache und der Region und generell auf alle Regionalismen interpretiert Karolina Pospiszil als einen Ausdruck der »Ethnoangst« (»etnolęk«): »Regionale Kulturen […] erscheinen oft als etwas ›halbfremdes‹, aber auch ›halbeigenes‹ (beide Arten der Kultur [die überregionale und die regionale – R.M.] können unterschiedliche Sprache, Metasprache oder andere Wertvorstellungen haben), was ähnliche Emotionen wie bei einer Begegnung mit dem Vertreter einer anderen/fremden Kultur hervorrufen kann – vor allem aber, so scheint es mir, eine Angst« (Pospiszil 2018: 19)8 . Pospiszil plädiert im Bereich der Kontakte zwischen Mehrheitsund Minderheitskulturen für eine kommunikative Kompetenz, die sich ständig selbst reflektiert, sowie für eine gesellschaftliche (sprachliche wie kulturelle) Heteroglossie, die den kleinen (und noch kleineren) Kulturen offen gegenüber steht (ebd.: 20). Die Diskussion über den Status des Schlesischen wird innerhalb der Linguistik, aber auch der Literaturwissenschaft, Soziologie oder Psychologie geführt. Die Soziologin Ewa Michna vertritt die Meinung, dass »sich das Schlesische innerhalb von wenigen Jahren von einer Sprache, die vor allem im Privaten verwendet wurde, rasch zu einer Sprache gewandelt hat, die die meisten Aspekte des Lebens abdeckt« (Michna 2019: 59). Die Diskussion über die Zukunft der schlesischen Sprache hat innerhalb der Linguistik 1998 Władysław Lubaś begonnen – mit dem Beitrag Czy powstanie śląski język literacki? (Wird es eine schlesische Standardsprache geben?). Die Prognosen haben sich bald um detaillierte Beschreibungen und Postulate erweitert, bereits 2006 hat die Kattowitzer Linguistin Jolanta Tambor ihre Monografie Mowa Górnośląz-

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Polen hat 2009 die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert. Der Europarat lässt den jeweiligen Staaten viel Freiheit in der Auslegung der Richtlinien zur Anerkennung von Regionalsprachen. Wenn es nicht anders gekennzeichnet ist, stammen die Übersetzungen der polnischen Zitate von mir, R.M.

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aków9 vorgelegt, die Maßstäbe für weitere Diskussionsbeiträge gelegt hat. Zwei Jahre später fand die Tagung »Mowa Górnoślązaków – nowe otwarcie« statt: Neben der immer noch nicht eindeutig beantworteten Frage »Ist Schlesisch eine Sprache, ein Dialekt oder eine Mundart?« hat sich die Debatte auf die Aspekte der Kodifizierung der Orthografie konzentriert. Die theoretischen Überlegungen führten schnell zu praktischen Lösungen: Bereits zu Anfang der 2010er Jahre hat der Verein Pro Loquela Silesiana eine neue Rechtschreibung (»ślabikŏrzowy szrajbōnek«) vorgeschlagen10 , die die Orthografie nach Felix Steuer (»Steuerowy szrajbůnek«) ersetzen sollte. Die Frage nach der Kodifizierung (der Sprache und der Orthografie) wurde insofern zu einem der Hauptthemen, da dies in der polnischen Auslegung der Richtlinien zur Anerkennung von Regionalsprachen als Bedingung der Anerkennung eines Ethnolekts als regionaler Sprache angesehen wird. Jolanta Tambor kritisiert diese Bedingung seit Langem (vgl. Tambor 2014: 47f.), denn der Europarat lässt den jeweiligen Ländern generell viel Freiheit in der Interpretation des Gesetzes. Die polnische Auslegung ist in dieser Hinsicht sehr restriktiv. Eine potentielle Anerkennung des Schlesischen als regionaler Sprache würde zuallererst ein viel höheres Prestige bedeuten (»Sprachen« werden mehr geschätzt als »Dialekte« oder »Mundarten«), darüber hinaus hätten die Oberschlesier mit den gesetzlich festgelegten rechtlichen Schutzlinien und finanziellen Zuschüssen (Schutz und Entwicklung einer Regionalsprache) rechnen können (ebd.: 45). Von sprachwissenschaftlichen Argumenten ausgehend plädiert Tambor für die Anerkennung des Schlesischen als einer regionalen Sprache und weist darauf hin, dass es neben einer (linguistischen) Kodifizierung oder einer politischen Anerkennung noch eine andere Kategorie gibt, und zwar den »Willen der Sprecher«, den es zu beachten gilt (ebd.: 37). Unmittelbar mit dem Willen oder dem Bewusstsein der Sprecherinnen und Sprecher beschäftigt

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Die deutsche Übersetzung erschien 2011 unter dem Titel Oberschlesien – Sprache und Identität im Georg Olms Verlag. Seit 2010 entsteht in dieser Orthografie die schlesische Wikipedia.

Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung

sich die Soziologin Ewa Michna, die seit 2008 Interviews mit schlesischen Aktivistinnen und Aktivisten führt und sich dabei der anthropologischen Methode bedient, d.h. sie fragt nach der Perspektive der Sprecher und nach ihrer Sprachidentität (vgl. Michna 2019). Michna hält fest, dass ein Großteil der von ihr interviewten schlesischen Aktivisten für den Status des Schlesischen als einer Sprache plädiert, für viele Leute erfüllt sie nämlich die Funktion einer Muttersprache (ebd.: 69). Dieser politische Wille wartet seit 2005 auf entsprechende Anerkennung durch die Mehrheitsgesellschaft. Als Argumente gegen den Status der regionalen Sprache für das Schlesische werden meistens der geringe Kodifizierungsgrad der Sprache und eine Vielzahl an lokalen Sprachvarietäten genannt11 . In kulturwissenschaftlichen Untersuchungen wird eine solche Region meistens im Verhältnis zu der »Nationalkultur« und der dominierenden Sprache sowie zu anderen Mikroregionen (z.B. der kaschubischen oder der des polnisch-belarussisch-litauischen Grenzgebietes) gesehen (vgl. u.a. Tambor 2018). Auch in der Literaturwissenschaft wird die Diskussion um die Aufwertung der schlesischen Sprache geführt: Mehrere schlesische Literaturwissenschaftler haben diese Diskussion in Gang gebracht, am frühesten Stefan Szymutko mit seinen autobiografischen Essays Nagrobek ciotki Cili (Der Grabstein für die Tante Cilia, 2001), Zbigniew Kadłubek mit Listy z Rzymu (Briefe aus Rom, 2008) und schließlich auch Aleksander Nawarecki mit Lajerman (Leiermann, 2011)12 . Ihre polnisch- und schlesischsprachigen Texte, die die Mehrsprachigkeit der Region anschaulich in Szene setzen, thematisieren einerseits das befürchtete Ende des schlesischen Ethnos13 , 11

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Vgl. die Stellungnahme des Rats der Polnischen Sprache: »Śląszczyzna jest odmianą dialektalną języka polskiego«, in: Śląsk 11/2012, S. 3, online: www.sbc.org.pl/Content/94982/iii351674-2012-11.pdf (Zugriff: 24.05.2020). Mit dem Bild von Schlesien in literarischen Texten auf der Schwelle zwischen dem 20. und 21. Jahrhundert befasst sich u.a. Elżbieta Dutka (2011). Die Forscherin untersucht in ihrer Studie sowohl Texte etablierter Autoren (Kazimierz Kutz oder Henryk Waniek) als auch weniger bekannter (Stanisław Krawczyk, Ryszard Ćwirlej, Jacek Durski). Vgl. »zmierzch śląskiego etnosu« im Titel eines Kapitels bei Ćwiklak 2013.

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andererseits den allgegenwärtigen Lebenswandel in Schlesien nach der Schließung der Kohlengruben, dem Vormarsch des Kapitalismus und der immer größeren Arbeitslosigkeit. Während die Erforschung der (literarischen) Regionen in den 1990er Jahren noch im Lichte der »kleinen Heimat« (»mała ojczyzna«) stand, wandelte sich der Zugang insbesondere in den 2000er Jahren unter dem Einfluss des topographical turn: Im Zentrum des Interesses stand eine geografisch-geologisch-historischgesellschaftliche Einheit, die auf der Grundlage von Texten, aber auch Medien, bildender Kunst usw., neu erfasst wurde14 . Die »kleine Heimat« – autobiografisch und historisch verankert – wandelte sich in eine Struktur, in der die Geografie genauso wichtig wie die Geschichte bzw. die géohistoire im Sinne von Ferdinand Braudel wurde. Diese wiederum hatte immer wieder mit Aspekten des Gedächtnisses zu tun. Die Autoren verbinden ihre Erfahrung des Ortes einerseits mit einem universellen Wissen, andererseits mit der eigenen Familiengeschichte (Ćwiklak 2013: 268). Im Fall von Szymutko hängt die Beziehung zur Familiengeschichte eng mit der Erinnerung an die Verwandten und mit der Familiensprache zusammen: »Z babką […] durch sie godało, łosprowiało, klyciło, klachało, fanzoliło, fulało i wadziło« (Szymutko 2001: 34). In Nawareckis Lajerman wird eine Kette von Erfahrungen beschrieben: Schlesien im Allgemeinen, der individuelle Alltag sowie Gegenstände und deren schlesische Bezeichnungen. In einem der Essays konzentriert sich der Autor gerade auf die persönlichen Gegenstände und ihre Bezeichnungen: »ryczka« (etwa: niedriger Hocker) und »szolka« (etwa: eine Kaffeetasse, eine Schale). Ein Wortklang und ein Gegenstand dazu verbinden sich hier zuerst mit einer individuellen Erinnerung, aber gleich im nächsten Schritt mit einer viel breiteren –

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Vgl. hier eine Reihe von Publikationen, die seit 2012 im Verlag Universitas (Krakau) veröffentlicht werden: »Nowy regionalizm w badaniach literackich«. In dieser Reihe ist u.a. die Anthologie der polnischen regionalistischen Texte erschienen: Regionalizm literacki w Polsce. Zarys historyczny i wybór źródeł (2016).

Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung

regionalen – Geschichte. Zusammen mit Fotografien versuchen hier die Texte, die Erinnerung und die Sprache einzufangen15 . Szymutko und Nawarecki bedienen kein orientalisierendes Bild von Oberschlesien: Der Raum wird bei ihnen nicht als ein buntes (und exotisches) Grenzgebiet dargestellt, sondern als eine »Region, die sich ihrer kulturellen und mentalen Andersartigkeit bewusst ist« (Ćwiklak 2013: 277). Die sprechenden Subalternen geben der oberschlesischen Identität, trotz der Sorge um das Fortbestehen der oberschlesischen Kultur, einen neuen Anfang. Die Frage »Kaj my to som?« (Wo sind wir?) (Nawarecki 2011: 79f.) wird nämlich jedes Mal auch zur Bestätigung der eigenen Existenz16 . Auch ohne den Status einer regionalen Sprache entwickelt sich das Schlesische in den letzten Jahrzehnten in einem großen Tempo: Die Entwicklung und die Emanzipation betreffen nicht nur eine Rückkehr zum Gebrauch der Sprache im Alltag und ihre sichtbare Aufwertung, sondern ebenso die Ausweitung der Verwendung des Schlesischen auf andere Kontexte. Neben der wissenschaftlichen Diskussion dauert seit mindestens 2004 eine öffentliche Debatte über den Status des Schlesischen an17 ; auch wird der Entwurf einer »schlesischen Literatur« immer populärer.

III.

Mehrsprachigkeit der Region, Mehrsprachigkeit der Texte: Szczepan Twardochs Drach

Die interkulturelle Literaturwissenschaft beschäftigt sich in den letzten Jahrzehnten immer intensiver mit dem Phänomen »textueller 15

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Vgl. die Fotografie eines Innenhofes mit der besagten »ryczka« (Nawarecki 2011: 62). Die Fotos zeichnen eine private Alltagsgeschichte nach, jenseits der exotischen Orte und Merkmale der Region. Das ›schlesische‹ Thema blieb in der polnischen Kultur über die Jahre der Volksrepublik Polen (PRL) trotzdem verankert, und zwar vor allem dank der »schlesischen Trilogie« von Kazimierz Kutz. Vgl. u.a. Musiał 2015: »Nicht die Zahlen entscheiden über die Anerkennung eines Ethnolekts als Sprache, sondern eine politische Entscheidung«.

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Mehrsprachigkeit« (= »sprachlicher Hybridität«) der Literatur, welche insbesondere Texte, die in den ehemals kolonialen Gebieten entstehen bzw. entstanden sind, oder Werke der Migrationsliteratur (auch »interkulturelle« oder »transkulturelle Literatur« genannt) charakterisiert. Unter »textueller Mehrsprachigkeit« (bzw. »sprachlicher Hybridität«) verstehe ich das Vorkommen von mehr als einer Sprache in einem literarischen Text, beide Begriffe verwende ich im Folgenden als Synonyme. Die sprachliche Hybridität der Texte kann genauso stark mit der für manche Regionen typischen gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit zusammenhängen, die wiederum mit früheren Migrationen, Kultur- und Sprachkontakten oder Grenzverläufen zu tun hat: So ist es auch im Fall von Oberschlesien18 . Gleichzeitig kann man die heutige Situation Oberschlesiens durchaus als eine postkoloniale betrachten (vgl. Geisler 2015). Die sprachliche Hybridität wird heute auch im Zuge der Entwicklung des sog. neuen Regionalismus – mit seinem Interesse für regionale Geschichte, Kulturgeografie, lokale Dialekte und eben Mehrsprachigkeit – zum Gegenstand der Forschung. Die textuelle Mehrsprachigkeit war und ist typisch für die polnische Literatur, die in Grenzregionen entsteht: Insbesondere in der Prosa der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus Westgalizien war sie ein häufiges Phänomen (u.a. Stanisław Vincenz, Józef Wittlin, Zygmunt Haupt).

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Vgl. dazu u.a. meine Artikel: Makarska 2016 und Makarska 2018. In Bezug auf die Großregion Schlesien kann man die Verwendung von Mehrsprachigkeit insbesondere in der tschechischen Literatur beobachten. Das Phänomen greift hier auf eine längere Tradition zurück als es in Polen der Fall ist: Einer der wichtigsten Autoren der mehrsprachigen Literatur ist Óndra Łysohorský (1905–1989; eigentl. Erwin Goj), der – zwecks der Popularisierung des »Schlesischen« – anfing, in der lachischen Sprache zu schreiben (vgl. dazu Makarska 2012a). Łysohorský bleibt bis heute ein mitteleuropäischer Guru, auf dessen Spuren mehrsprachige schlesische Schriftsteller pilgern (vgl. Makarska 2014). Von den zeitgenössischen tschechischen Autoren, welche die sprachliche Hybridität der Grenzregion in ihren Texten kreativ einsetzen, seien an der Stelle Jan Vrak (eigentlich: Tomáš Koudela), Petr Čichoň, Radek Fridrich oder Jaroslav Rudiš genannt.

Kleine Kulturen, dominierte Sprachen und Übersetzung

Zu dieser Gruppe von Autoren gesellen sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitere, u.a. seit 2014 Szczepan Twardoch: Sein Drach spielt in Oberschlesien und bedient sich dreier Sprachen – des Polnischen, Deutschen und Schlesischen. Neben der Verwendung von textueller Mehrsprachigkeit setzt Twardochs Roman – in den schlesischen Passagen – »orthografische Komplikationen« (Cyran 2015) ein: Umsonst suchen die Lesenden nach einer Übersetzung der deutschen und schlesischen Passagen im Buch bzw. nach Informationen, wie die Vokale mit den ungewöhnlichen Diakritika ausgesprochen werden. Einer der Kritiker, Dariusz Nowacki, beschwert sich daher, dass Drach nicht gerade »leserfreundlich« sei (Nowacki 2014). Das Schlesische wird im Roman in verschiedenen Orthografien verwendet: »das archaische ›Wasserpolnisch‹ neben neueren Varianten, die dem Herz des ›Mundartschriftstellers‹ näher seien« (ebd.). Eine solche Handhabung der textuellen Mehrsprachigkeit ist in der polnischen Gegenwartsliteratur eher eine Ausnahmeerscheinung: 2015 fanden sich in Polen unter den Titeln, die zum Nike-Preis nominiert wurden, zwei »mehrsprachige Romane«, neben Drach war es noch Sońka von Ignacy Karpowicz, ein Text, in dem jeder kleinste belarussische Ausdruck mit einer Übersetzung versehen ist. Über seine radikale Entscheidung sprach Twardoch u.a. im Interview mit Justyna Sobolewska: »Das Fehlen von Fußnoten in Drach soll dem Gefühl der Fremdheit dienen. Im Roman liest man verschiedene Sprachen, so wie sie in der dargestellten Welt gesprochen werden. So muss es sein« (Sobolewska 2014). Trotz der zahlreichen »Komplikationen«, denen die Lesenden im Roman ausgesetzt sind, wurde Drach sehr gut aufgenommen, 2016 erschien die deutsche Übersetzung (von Olaf Kühl), die mit dem Brücke-Preis-Berlin ausgezeichnet wurde, und 2018 – die schlesische (von Grzegorz Kulik). Im Erzählfluss des Drach finden sich nicht nur einzelne deutsche oder schlesische Wörter bzw. Eigennamen (Wilhelmstraße, ōma, kołŏcz, mannschaft, frelka, mamlas, masŏrz), deren Bedeutung sich leicht aus dem Kontext erschließt, sondern ebenso längere fremdsprachige Passagen, denen gegenüber die Lesenden ratlos sind. Selten werden im Text Sprachparallelismen verwendet, die die Bedeutung der

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einzelnen Phrasen erklären: »›Nur keinen Fußbreit Boden freiwillig räumen‹, mówi zasada sformułowana w Sztabie Generalnym. Ani stopy ziemi dobrowolnie« (Twardoch 2014: 214). Dem Gefühl der Fremdheit sind aber nicht nur die Lesenden des Romans ausgesetzt, sondern auch die Protagonisten selbst, nicht alle sind nämlich zwei- oder dreisprachig (warum soll es dem Leser besser ergehen als ihnen?), die Narration bedient sich daher manchmal selbst einer Übersetzung: »– Ihr bleibt hier nicht einmal drei Tage am Leben, Schweinehunde – mówi gefreiter Piskula, który wojnę rozpoczął w dniu samej mobilizacji […]. – Co ôn gŏdŏ? – szeptem pyta Josefa muszkieter Kaczmarek, który niezbyt dobrze mówi po niemiecku. – Niy przeżijecie sam trzech dni, pierōny zatracone, gizdy, mamlasy – mówi gefreiter Piskula, słysząc szept Kaczmarka« (ebd.: 212f.).19 Einige Protagonisten sprechen keinerlei Sprache fließend, wie z.B. Hans Burek: »Słabo mówi po niemiecku. Po polsku wcale. Po śląsku jako tako, ale niechętnie i też nie najlepiej. Całe życie spędził, uprawiając regularnie zalewane przez Odrę dwanaście mórg pola we wsi Lubomia«

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Es stellt sich hier die Frage, wie man im Prozess der literarischen Übersetzung mit der textuellen Mehrsprachigkeit umgeht (dazu vgl. Makarska 2012b). Vgl. die deutsche Übersetzung der zitierten Passage von Olaf Kühl: »›Ihr bleibt hier nicht einmal drei Tage am Leben, Schweinehunde‹, sagt der Gefreite Piskula, der den Krieg seit dem Tag der Mobilmachung mitmacht […]. ›Was loabert der?‹, flüstert Musketier Kaczmarek, der nicht sehr gut Deutsch spricht, Josef zu. ›Ihr ieberlebt dort keene drei Tage, verfletste Klops, ihr, Riepel, Tomlaken‹, sagt der Gefreite Piskula, als er Kaczmareks Flüstern hört« (vgl. Twardoch 2016: 225). Auch in der schlesischen Übertragung von Grzegorz Kulik (Twardoch 2018: 166) ist die Mehrsprachigkeit enthalten:   »– Ihr bleibt hier nicht einmal drei Tage am Leben, Schweinehunde – padŏ gefrajter Piskula, co wojnã zaczōn we dniu samyj mobilizacyje […]. – Co ôn gŏdŏ? – szeptym pytŏ Josefa muszketer Kaczmarek, niy za dobrze gŏdŏ po niymiecku. – Niy przeżyjecie sam trzech dni, pierōny zatracōne, gizdy, mamlasy – padŏ gefrajter Piskula, jak słyszy szept ôd Kaczmarka« (ich zitiere hier nach der E-Book-Ausgabe).

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(ebd.: 385)20 . Josef Magnor, der Hauptprotagonist, verwendet jedoch alle drei Sprachen – in der Regel in verschiedenen Kontexten und in Kontakten mit verschiedenen Personen: Auf dem Weg zur Westfront des Ersten Weltkrieges empfindet er eine starke Verbindung mit seiner Heimatregion und wiederholt die Worte eines alten Freundes, fast im gleichen Wortlaut wie einst gehört: »Strōm a człowiek, a sŏrnik sōm jedno. Takie je to nasze żywobyci na tyj ziymie« (ebd.: 16)21 . Mit seiner Geliebten Caroline spricht Josef Deutsch mit schlesischem Akzent: »niemczyzn[a] przyzwoit[a], acz wyraźnie śląsk[a], z wibrującym ›r‹ i niewyraźnym ›äu‹ [im Wort Fräulein – RM]« (ebd.: 69)22 . Manchmal mischt Magnor alle drei Sprachen in einer Textsorte: Das Mehrsprachige (und Mischsprachige) der Region kommt sehr deutlich in seinem Brief an die Eltern zum Ausdruck: »Liebe Eltern. Ociec, Mamulka a Braciki. Przyslom mie Patentknopfen piync dwaciścia a Tuste w putnie, Cygaretow abo Tabak do Fifki, yno dobry. Przyslom mie tysz jaki Handtuch, Fuzekle. Mlyka. Käse. Litewka możno by mie kupiyli, yno kaj kupić, niy wiym. Piynidzy mi pszyslom choby 10 Marek. U mie wszisko dobrze. Widzioł żech englischer Panzer. Srogi boł a szczyloł. Jeżech zdrow. Napiszom, co Doma.   Z Bogiem Die besten Grüße Euer Josef« (ebd.: 229).23 20

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»Er spricht schlecht Deutsch. Polnisch gar nicht. Schlesisch so einigermaßen, aber auch nicht gern und nicht sehr gut. Das ganze Leben hat er damit verbracht, zwölf Morgen in dem Dorf Lubomia, die regelmäßig von der Oder überflutet wurden, zu bestellen« (Twardoch 2016: 403). In der deutschen Übersetzung verwendet Olaf Kühl an dieser Stelle den niederschlesischen Dialekt: »Das Rieh ist doas selbigte wie een Baum un een Mensch. […] Doas ist een Rieh. Das semmer. Un doas ist een Baum. Genau daselbigte, gelt ock? So is unser Daseen uf dieser Erde.« (Twardoch 2016: 19). »in ordentlichem, wenn auch hörbar schlesischem Deutsch, mit vibrierendem ›r‹ und undeutlichem ›äu‹« (Twardoch 2016: 74). »Voater, Mamulka un Briederla. Schickt mir Patentknifel finfunzwanzig un Schmalz inne Bichse, Zigaretten oder Pfeifentobak, aber guten. Schickt mir

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Die deutschen Wörter (liebe Eltern, Handtuch, Käse) stehen hier neben den polnischen Lexemen (litewka), manche Sätze beginnen im Schlesischen, enden jedoch auf Deutsch (»Widzioł żech englischer Panzer«); die Sprache der Kommunikation ist sichtbar das Schlesische, die meisten Termini kommen jedoch entweder aus dem Deutschen (häufiger) oder aus dem Polnischen (seltener): Panzer, Tabak, Käse, litewka. Auch findet man im Brief deutsche wie polnische feste Routineformeln (»liebe Eltern«, »z Bogiem«). Der Brief gehört zu den Romanpassagen, die nicht in allen Details von einem polnischen (=nicht-schlesischen) Leser auf Anhieb verstanden werden können, im Umgang mit der Fremdheit des Textes kann der Leser jedoch der »translatorischen Direktive« (Balcerzan 2011: 102) folgen und selber in Erfahrung bringen, was »Käse« und »fuzekle« bedeuten. Mithilfe der textuellen Mehrsprachigkeit werden im Drach die Eigenschaften eines konkreten Raumes festgehalten, zugleich auch seine Bewohner porträtiert. Die Stimmen der Kritiker schreiben der Mehrsprachigkeit verschiedene Funktionen zu. Cyran (2014) verweist auf das Periphere des Raumes und die Eigenart der Bewohner: Aus der Beschreibung »entsteht ein Bild eines selbstständigen und merkwürdigen Stammes, der zwischen größere Nationen – die Deutschen, Polen und Tschechen – reingequetscht ist«. Ryszard Koziołek (2014) betont die postkoloniale Perspektive: Das Schlesische bedeutet seiner Meinung nach »die Spur der menschlichen Stimme gegenüber der unmenschlich sauberen [fehlerfreien – R.M.] polnischen Sprache der Bestie«; dieses unmenschlich saubere Polnisch (ohne jegliche regionale Einflüsse) ist hier die Sprache des Zentrums, die Sprache der (großen) Geschichte, die Sprache der Mehrheit, die sich nicht um das Schicksal der fernen Provinz kümmert. Das Schlesische des Drach ist die Sprache, die 2005

auch ein Handtuch, Fußeckle. Melech. Kees. Eine Litewka kenntet ihr mer kaufen, wees nur nich, wo. Geld schickt mir, wenigstens 10 Mark. Bei mir ist alles gut. Ich hoob einen englischen Panzer gesehen. Er war schlimm un hoot geschossen. Ich bin gesund. Schreibt was von doaheim. Gott sei bei Euch. Die besten Grüße Euer Josef« (Twardoch 2016: 243f.).

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(und in Folgejahren) durch das polnische Parlament nicht als regionale Sprache anerkannt wurde. Daher schreibt Koziołek: »In dem Streit über den Status der schlesischen Sprache, macht der Autor das einzig Sinnvolle – er zeigt die literarische Kraft dieser Sprache« (ebd.).

IV.

Schlesische Literatur oder Literatur auf Schlesisch?

2011 hat Zbigniew Kadłubek mit seinem in Zusammenarbeit mit Łucja Staniczek zusammengestellten »Kanon der schlesischen Literatur« eine bis heute andauernde Debatte über diesen Begriff entfacht. Die Anthologie 99 książek czyli mały kanon górnośląski (99 Bücher oder Kleiner oberschlesischer Kanon) enthält nämlich nicht nur Texte auf Schlesisch oder mehrsprachige Texte, präsentiert nicht nur lokale polnische, tschechische oder deutsche Autorinnen und Autoren, sondern auch z.B. Homer, Aischylos, Petr Bezruč oder Ivo Andrić. Dieser Kanon24 möchte einerseits die Aufmerksamkeit auf die schlesische Mehrsprachigkeit (und die Eigenart Oberschlesiens im Allgemeinen) lenken, andererseits aber auf das Regionale als ein globales Phänomen, das sich in verschiedenen Epochen und Gegenden wiederholt. Er möchte die »oberschlesische Identität in der Literatur verankern« und »eine historische Kontinuität« schaffen (Kadłubek 2011: 8f.). Zu dieser Anthologie kehrt Kadłubek in seinem Aufsatz Bez języka. Esej o literaturze górnośląskiej (Ohne Sprache. Essay über die oberschlesische Literatur) aus dem Jahr 2019 zurück und fasst noch einmal die Idee zusammen, die hinter seinem Konzept der »schlesischen Literatur« steht: »Die schlesische Literatur kann auf Schlesisch entstehen, aber auch auf Deutsch, Tschechisch oder Polnisch. Sie muss sich aber für die Idee der schlesischen Emanzipation engagieren. Nur dann ist sie schlesisch und gehört zur Gemeinschaft des schlesischen Sinns. Nur dann hat sie

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Der sich nicht als ein kompletter, abgeschlossener Vorschlag versteht, die Zahl »99« soll hier im Gegensatz zu »100« suggerieren, dass die Liste der Werke beliebig erweitert werden kann. Vgl. darüber Kadłubek 2019: 223.

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eine schlesische Form, wenn man es so formulieren kann, unabhängig davon, aus welchem Material sie entstanden ist« (Kadłubek 2019: 223).25 Zur Entwicklung einer »schlesischen Literatur« im engeren Sinne hat Zbigniew Kadłubek – Klassischer Philologe, Schriftsteller, Übersetzer und Professor der Schlesischen Universität in Kattowitz – schon früh mit seinen Listy z Rzymu (2008) beigetragen. Auch hier geht Kadłubek inkludierend vor: Die auf Schlesisch verfassten Briefe begreifen das Oberschlesische als ein universelles Phänomen (des Regionalen). In der Einleitung zu dem Band schreibt Aleksander Nawarecki, dass sich der Autor mit seinen Briefen zu der »schlesischen Religion« bekennt, deren Propheten bereits u.a. Angelus Silesius, Jacob Boehme oder Andreas Gryphius waren (Nawarecki 2012: 14). Seit den 2010er Jahren ist eine neue Entwicklung sichtbar, die Kadłubek selbst »Schlesische Neue Welle« nennt (Kadłubek 2019: 224): die Produktion von literarischen Texten auf Schlesisch, die sich an eine sehr kleine Leserschaft richten und jenseits des polnischen Buchmarktes und des literarischen Mainstreams rezipiert werden. Diese Publikationen werden kaum in den Rezensionen der polnischen Wochenzeitungen beachtet, auch werden sie nicht für Literaturpreise nominiert. Die einzige Ausnahme ist der seit 2016 in Oberschlesien verliehene Juliusz-Literaturpreis für das beste polnische Buch: Für diesen Preis wurde 2017 u.a. der auf Polnisch und Schlesisch schreibende Alojzy Lysko nominiert (für das Buch Jak Niobe. Opowieść górnośląska). Die »Schlesische Neue Welle« konnte sich dank einer guten Verlagslandschaft entwickeln. 2012 wurde der Verlag Silesia Progress gegründet, dessen Programm sich in drei Sparten einteilen lässt: Publikationen über Schlesien, im Original auf Schlesisch verfasste Bücher sowie Übersetzungen ins Schlesische. Einer großen Beliebtheit erfreut sich 25

Orig. »Może być pisana literatura śląska po śląsku, po niemiecku, po czesku czy wreszcie po polsku. Musi jednak być zaangażowana w ideę śląskiej emancypacji. Wtedy jest śląska, przynależąc do wspólnoty śląskiego sensu. Wtedy ma śląski kształt, jeśli wolno tak powiedzieć – niezależnie od tego, z jakiego powstała tworzywa.«

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seit Jahren die Krimiserie Kōmisorz Hanusik (Hauptmann Hanusik) von Marcin Melon26 , einzelne Hefte werden auch zweisprachig – Polnisch und Schlesisch – veröffentlicht. Der Autor – Journalist, Schriftsteller und Lehrer, Jahrgang 1979 – sagt über sich selbst, dass er zu einer Generation gehört, in der es verpönt war, Schlesisch zu sprechen, die Eltern wollten nämlich, dass die Kinder keine Probleme in der Schule bekommen (»po naszymu niy śmiało sie godać, co by bajtel niy mioł problymów we szkole«27 ). Vertreter eben dieser Generation plädieren heute bewusst für eine Stärkung des Schlesischen. Die Texte der »Schlesischen Neuen Welle« drehten sich zuerst thematisch um Schlesien oder die Handlung spielte in der Region. Erst im nächsten Schritt erfolgte eine weitere Emanzipation der schlesischen literarischen Sprache, die sich anderer Themen angenommen hat. So hat der Silesia Progress-Verlag 2017 mit dem Buch Leanderka von Rafał Szyma eine neue Serie »Schlesischer Druck. Moderne Literatur in unserer Sprache« (Ślōnski druk. Modernŏ literatura pō naszymu) initiiert. Auf der Verlagshomepage ist ein fast programmatischer Text als Ankündigung des Erzählbandes von Szyma zu lesen: »Die in ihm [dem Band – RM] enthaltenen Texte gehören der Gegenwartsprosa an, die keinen folkloristischen Charakter aufweist. Die schlesische Sprache ist hier kein Zweck an sich, sie verhält sich auf jeden Fall wie jeder autonome literarische Stoff. Der Band ist ein Experiment des Autors mit dem geschriebenen Schlesischen und gleichzeitig ist ein Versuchsfeld, um die Möglichkeiten der schlesischen Prosa zu testen: ohne Nachsicht, mit der Überschreitung der vertrauten Konventionen des Schreibens in der godka.«28

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Neben der Printausgabe und einem E-Book gibt es mittlerweile zu einzelnen Teilen auch ein Audiobook. Vgl. http://marcinmelon.eu/ (Zugriff : 14.08.2020). https://www.silesiaprogress.com/pl/p/Leanderka-Rafal-Szyma/1152 (Zugriff: 14.08.2020). Orig. »Zawarte w nim teksty to współczesna, nowoczesna proza pozbawiona folklorystycznego charakteru. Język śląski nie jest w niej celem samym w sobie – w każdym razie nie bardziej niż jako regularne, autonomiczne tworzywo literackie. Ten tom to tyleż przygoda autora z pisanym

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Zbigniew Kadłubek schrieb damals begeistert: »Es ist eine Pionierleistung, die Erzählungen markieren eine neue Etappe im Verfassen von Literatur auf Schlesisch«29 . »Keiner vor ihm hat so geschrieben, er verwendet das Schlesische wie jede andere Sprache und tut es transparent« – so schreibt über das Buch eine lokale Literaturzeitschrift (Prandzioch 2017). Szymas Plots begrenzen sich nicht nur auf Schlesien und das Schlesische, der Autor zeigt vielmehr, dass die Sprache flexibel genug ist, um jedem Thema Stand zu halten, so ist z.B. eine seiner Erzählungen 9/11 gewidmet30 . Eine besondere Anziehungskraft übt bei Leanderka auch das Coverbild des bekannten Kattowitzer Comicautors Krzysztof »Prosiak« Owedyk aus. Owedyk begann seine Comickarriere in der Undergroundszene der 1990er Jahre mit Publikationen in Fanzine-Heften. Im gewissen Sinne bildet auch die derzeit in Polen entstehende Literatur auf Schlesisch eine eigene Undergroundszene: mit eigenen Verlagen, Autoren, eigener Leserschaft und Literaturkritik sowie ganz anderen Finanzierungsmechanismen als der literarische Mainstream.

V.

Silesia Progress und das übersetzerische Projekt

Seit 2005 entwickelt sich – dank dem Status der regionalen Sprache – eine rege translatorische Tätigkeit zwischen dem Kaschubischen und Polnischen (Makurat-Snuzik 2019a, 2019b; vgl. auch Kamiński 2012), wobei das Kaschubische eindeutig die Position der »dominierten Sprache« annimmt. Auch ohne staatliche Zuschüsse entstehen jedoch zur gleichen Zeit zahlreiche Übersetzungen ins Schlesische. Dabei spielt nicht erstrangig die Zugänglichkeit vieler Texte erst in der konkreten

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śląskim, co poligon testujący możliwości prozy po śląsku: bez taryfy ulgowej, z przekroczeniem oswojonych konwencji pisania godkōm« (ebd.). Ebd. Die Erzählung Jedynŏsty (Der Elfte) kann man vollständig auf dem Blog von Szyma nachlesen: https://oschl.wordpress.com/2013/12/27/jedynosty-colki-tekst / (Zugriff: 19.04.2020).

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Übersetzung die zentrale Rolle, schließlich sind alle in den letzten Jahren ins Kaschubische oder Schlesische übersetzten Werke schon vorher in polnischen Übersetzungen zugänglich gewesen. Es handelt sich oft – insbesondere bei Titeln der Weltliteratur – um Übertragungen aus zweiter Hand: nicht direkt aus dem Italienischen, Russischen, Spanischen usw., sondern über die Vermittlung des Polnischen. Dass dank Übersetzungen das lexikalische und stilistische Repertoire einer Sprache wesentlich erweitert wird, dass dadurch in die Zielsprache neue literarische Gattungen oder – breiter gefasst – Textsorten, ebenso wie neue Kulturphänomene und Weltbilder übertragen werden, ist bereits Gegenstand vieler Studien gewesen (vgl. u.a. Boguna 2014). Viele Forscher sprechen in diesem Kontext deutlich von dem gemeinschaftsbildenden Aspekt der Translation (vgl. u.a. Pospiszil 2019a). Einzelne Übersetzungen ins Schlesische gab es bereits im 19. und 20. Jahrhundert, es waren vor allem Unterhaltungs- oder religiöse Texte, manchmal auch schlesische Textadaptionen für die Bühne, mit einem translatorischen Boom haben wir es jedoch erst im 21. Jahrhundert zu tun. Mit dem Phänomen beschäftigt sich systematisch Karolina Pospiszil von der Schlesischen Universität in Kattowitz: In einer Studie ›inventarisiert‹ sie alle Übersetzungen, die zwischen 2002 und 2018 publiziert wurden. Es sind vor allem drei Texttypen: Beispiele der Kinderliteratur, biblische Texte sowie Anthologien mit Ausschnitten aus der Weltliteratur. In den Übersetzungen kann man immer noch unterschiedliche Versionen der Rechtsschreibung des Schlesischen beobachten: Es ist zum einen die Orthografie nach Felix Steuer (»Steuerowy szrajbůnek«), zum anderen die neue Rechtschreibung, die im 21. Jahrhundert vom Verein Pro Loquela Silesiana vorgeschlagen worden ist (»ślabikŏrzowy szrajbōnek«) (vgl. auch Syniawa 2010); es lassen sich aber auch ganz individuelle Orthografien finden, die von den beiden Standards abweichen (»zapis niestandaryzowany«, Pospiszil 2019b: 104). Pospiszils Übersicht der Übersetzungen ins Schlesische beginnt mit zwei Anthologien, die entweder neue Übersetzungen der polnischen und der Weltliteratur (in Fragmenten) präsentierten – Ślązoki nie gęsi, czyli konski nojfajniyjszych książek na świecie przełonaczone na śląsko godka (Schlesier sind keine Gänse, oder Leckerbisse aus den schönsten Bü-

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chern der Weltliteratur ins Schlesische übersetzt)31 – oder an historische Übersetzungen (2. Hälfte des 19. Jahrhunderts) aus dem Deutschen erinnern: Tak na spas übersetzowane. Doktora Haasego żartobliwe spolszczenia poezji niemieckiej (Übersetzt zur Unterhaltung. Lustige Polonisierungen deutscher Poesie von Dr. Haase)32 . Als nächstes wurden Comics – es waren gar nicht die Asterix- und Obelix-Hefte, sondern polnische Produktionen von Janusz Christa (Kajko i Kokosz) – und populäre Opernlibretti ins Schlesische übersetzt. Erst 2012 ist ein längerer Text in schlesischer Übersetzung erschienen: ein Ausschnitt aus Winnie the Pooh (eine englisch-schlesische Ausgabe: Winnie the Pooh/Berek Puchok). Schon im Jahr darauf wurden Kindergedichte von Julian Tuwim sowie »Klassik für Erwachsene« –Bibelübersetzung (Textauswahl)33 und antike Klassiker34 – veröffentlicht. 2014 ist zuerst die umfangreichere Anthologie Dante i inksi. Światowŏ poezyjŏ po ślōnsku (Dante und andere. Weltlyrik auf Schlesisch) von Mirosław Syniawa konzipiert und übersetzt worden35 . In seiner Einleitung zu dem Band erklärt Syniawa den Zusammenhang zwischen der oberschlesischen Region und der Weltliteratur: »Ftoś mōg by sie spytać: na co tumaczyć na ślōnskõ gŏdkã wiersze ôd poetōw, kerzi żyli dŏwno tymu, daleko ôd Ślōnska i – zdŏwałoby by sie – Ślōnzŏkōm niywiela majōm do pedzyniŏ? A przecã kożdy ś nich pytoł

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Ślązoki nie gęsi, czyli konski nojfajniyjszych książek na świecie przełonaczone na śląsko godka, übers. Marek Szołtysek, Rybnik 2002. Der 96 Seiten zählende Band ist im Verlag Wydawnictwo Śląskie ABC erschienen. Die Texte der Weltliteratur wurden ins Schlesische nicht aus dem Original übersetzt, sondern auf der Grundlage der vorhandenen polnischen Übersetzungen. Vgl. die gleiche Tendenz für das Kaschubische, Makurat-Snuzik 2019b: 127f. Obrączka 2002. Mit Polnisch ist hier »Wasserpolnisch« gemeint. Nowy Testament/Ewangelie śląskie, übers. Marek Szołtysek, Rybnik 2013; Księga Genesis/Biblijo: poczōntek. Przetuplikowoł na ślōnsko godka Czaja Ireneusz szwager z Laband, übers. Ireneusz Czaja, Zabrze 2013. Ich meine hier Zbigniew Kadłubeks Übersetzungen von Aischylos: Ajschylos, Prōmytojs przibity, Opole 2013. In dieser Anthologie finden sich u.a. Gedichte von Dante, Angelus Silesius, Jakub Bart-Ćišinski, William Blake, Horaz, Siergiej Jesienin, Kawafis, Thoreau oder Jaroslav Vrchlický.

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sie ô to samo, ô co my sie pytōmy, kożdego ś nich trŏpiyło to samo, co nŏs trŏpi. Tumaczynia mogōm nōm pokŏzać, że i my mogymy gŏdać ô tym wszyjskim, co dlō nŏs ważne, ô naszym bōlu, starościach, strachu, ô naszych nadziejach, miyłości i śnikach. Ku tymu niy jyno gŏdać, ale i gŏdać piyknie.«36 Teilweise in Anthologien, teilweise in Zeitschriften wurden auf Schlesisch ebenso Texte aus anderen Teilen der Region präsentiert (u.a. Petr Bezruč, Joseph von Eichendorff) oder auch von Autoren anderer kleiner Sprachen (z.B. Jakub Bart-Ćišinski oder Robert Burns). Nicht selten waren zwei- oder mehrsprachige Textausgaben erschienen: englisch-schlesisch, deutsch-schlesisch, schottisch-schlesisch oder auch deutsch-polnisch-schlesisch. Zu einem besonderen Ereignis in diesem Prozess wurde 2018 die schlesische Übersetzung von Szczepan Twardochs Drach, die nicht in einem Nischenverlag erschienen ist, sondern in dem renommierten Wydawnictwo Literackie in Krakau, wo auch das Original herausgegeben wurde37 . Dadurch sind auch Nicht-Schlesier auf das Phänomen der Literatur auf Schlesisch aufmerksam geworden. Um die Lektüre zu er-

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Zit. nach der Homepage des Verlags: https://www.silesiaprogress.com/pl/p/C SSB-3-DANTE-I-INKSI-Swiatowo-poezyjo-po-slonsku/757 (Zugriff: 20.05.2020). Übers. »Jemand könnte fragen, wozu soll man ins Schlesische Lyrik der Dichter übersetzen, die vor langer Zeit weit weg von Schlesien gelebt haben. Und noch dazu – könnte man vermuten – den Schlesiern nicht viel zu sagen haben. Aber jeder von ihnen fragte doch nach dem gleichen, wonach wir auch heute fragen, jeden von ihnen beunruhigte dasselbe, was auch uns heute beunruhigt. Die Übersetzungen können uns zeigen, dass auch wir über Dinge, die uns wichtig sind, sprechen können: über unseren Schmerz, Sorgen, Angst, über unsere Hoffnungen, Lieben und Träumen. Außerdem können wir nicht nur sprechen, sondern auch schön sprechen.« Vgl. https://www.wydawnictwoliterackie.pl/ksiazka/4869/Drach-Edycyj%C5%8F -sl%C5%8Dnsk%C5%8F---Szczepan-Twardoch (Zugriff: 24.05.2020). Der Übersetzer Grzegorz Kulik hat außerdem in den letzten Jahren den Korpus der schlesischen Sprache geschaffen und auch die schlesische Version des Google Translator, vgl. Tudzierz 2018.

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leichtern und den Text noch sichtbarer (hörbarer?) zu machen, wurde zusätzlich zu der Buchpublikation ein Audiobook vorbereitet38 . Wichtig bei der Erforschung des Themas der Übersetzungen ins Schlesische ist es, das gesamte translatorische Feld zu betrachten: nicht nur übersetzte Werke, sondern auch die Verlagslandschaft, die gut vernetzte Gruppe der Übersetzer, die Kritiker, die die Publikationen besprechen, und schließlich auch Mäzene, die hier anstelle der staatlichen Förderung einspringen. Als Publikationsstätten wiederholen sich vor allem drei Verlage: Narodowa Oficyna Śląska (Zabrze), Wydawnictwo Śląskie ABC (Chorzów) sowie Silesia Progress (zuerst Opole, danach Kotórz Mały). Die Liste der Übersetzer ist mittlerweile sehr lang, ich nenne hier nur die aktivsten: Ireneusz Czaja, Zbigniew Kadłubek, Grzegorz Kulik, Mirosław Syniawa und Marek Szołtysek. Überraschend ist dabei, dass dies ausschließlich Männer sind, ähnlich wie in der Gruppe der schlesischen Aktivisten. Die Verlage haben oft den Status von Nonprofit-Organisationen und können mit 1% der Einkommenssteuer rechnen. Sie werden auch von anderen schlesischen Organisationen aktiv unterstützt, z.B. Pro Loquela Silesiana39 .

VI.

Fazit: Oberschlesien und das postkoloniale Erbe

Nicht nur in der Erforschung Oberschlesiens werden Vergleiche zu anderen kleinen und postkolonialen Kulturen deutlich: An der Tagesordnung sind parallele Studien zu Oberschlesien und Katalonien oder Oberschlesien und Schottland (vgl. Dołowy-Rybińska 2011; Geisler 2015: 107). Auch kann man eine Selbstreflexion des Oberschlesischen beobachten, die darum bemüht ist, Vergleiche zu ähnlichen Kontexten

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Das Audiobook (der Roman wird von dem Schauspieler Dariusz Chojnacki gelesen) ist in Fragmenten frei zugänglich: https://www.youtube.com/watch?v=V LL1f7_rQGI (Zugriff: 20.05.2020). Der vollständige Name lautet: LOQUELA SILESIANA. Towarzystwo Kultywowania i Promowania Śląskiej Mowy (Vereinigung für die Kultivierung und Verbreitung der Schlesischen Sprache).

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zu ziehen: So sind in den auf Schlesisch herausgegebenen Anthologien der Weltliteratur immer auch sorbische und schottische Autoren zu finden. Der postkoloniale Blick auf Schlesien erlaubt, emanzipatorische Diskurse der Gegenwart genau zu beschreiben: Die oberschlesische Identität kommt nicht nur in den Bemühungen um den Status des Schlesischen als einer regionalen Sprache deutlich zum Ausdruck, sondern auch in den immer professionelleren Arbeiten an der Kodifizierung der schlesischen Sprache (dazu gehören auch die Erarbeitung des Korpus der schlesischen Sprache und des Google Translator für Schlesisch) und dem gesamten Bereich der Publikationen auf Schlesisch. Die schlesische Sprache wird immer sichtbarer in verschiedenen Bereichen des Lebens – nicht nur, wie noch vor Kurzem, im familiären Kontext. Als Forscher können wir davon ausgehen, dass das Phänomen der »schlesischen Literatur«/der »Literatur auf Schlesisch« ähnlich wie der Markt für Übersetzungen ins Schlesische, erst im Entstehen begriffen ist und dass die nächsten Jahre eine Zunahme der Publikationen auf Schlesisch mit sich bringen.

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(Des-)Illusionen der Induktivität Holzwege zur belarussischen Gegenwartsdichtung Yaraslava Ananka & Heinrich Kirschbaum

»Wir können nur von den bestimmten theoretischen Prinzipien sprechen, die uns nicht das eine oder andere methodologische oder ästhetische System, sondern die Untersuchung des konkreten Materials in seinen spezifischen Besonderheiten nahelegt. […] Wir stellen konkrete Prinzipien auf und halten uns daran in dem Maße, in dem sie sich durch das Material bewähren. Wenn das Material nach Komplizierung oder Veränderung verlangt, komplizieren und verändern wir sie.« B. Ėjchenbaum (1987: 375f.)1   »Es kommt einfach mal ein Tag, an dem man eine gewisse Dringlichkeit verspürt, die Schrauben der Theorie ein wenig zu lockern, den Diskurs, den sich wiederholenden und erstarrenden Idiolekt zu verrücken […].« R. Barthes (1973: 102)

Minorität der Theorie Unser Artikel ist eigentlich gar kein Artikel im herkömmlichen Sinne, sondern eher ein fragmentarischer Erfahrungsbericht, Diskussionsbeitrag und Plädoyer in einem. Seit Anfang der 2010er Jahre beschäftigen wir uns mit der belarussischen Gegenwartsdichtung, natürlich am Rande unserer berufsstrategisch bedingt primären russistischen und polo1

Soweit nicht anders vermerkt, stammen die Übersetzungen von den Verfassern.

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nistischen Studien, immer wieder aus gegebenem Anlass. Manchmal versuchen wir bei allerlei Konferenzen und Workshops mit Ach und Krach belarussistische Themen einzubinden. Manchmal (selten, aber immer häufiger) gibt es Tagungen oder Panels, bei denen eine belarussistische Perspektive explizit gefragt wird. Diese letzteren mögen wir besonders, weil sie davon zeugen, dass die belarussistische Optik als Desiderat empfunden wird. Der Einsatz lohnt sich also. Der blinde Fleck der belarussischen Literatur wird in der deutschsprachigen slavistischen Landschaft immer sichtbarer, nicht zuletzt auch dank unseren und mit unseren Kollegen veranstalteten fachlichen und kulturellen Aktivitäten auf dem Gebiet. Vor zehn Jahren noch undenkbar, sind heuer sogar bei den Ausschreibungen slavistischer Stellen nicht nur ukrainistische, sondern auch belarussistische Kompetenzen als Zusatz- und Bonus-Qualifikationen gefragt. Man muss nicht warten, bis Russland in das nächste Nachbarland einmarschiert und die fehlende Expertise dazu spürbar wird. Unser Fach widersetzt sich der Kumulativität. Zu Recht: Zerstreute Artikel sind zwar auch Beiträge, die aber schließlich verfallen. Nur Bücher bleiben, so der innere womöglich anachronistische bibliophile Glaube bzw. das Credo unserer Disziplin. Nach zwei-drei Gelegenheitsbeiträgen zur belarussischen Gegenwartsdichtung kamen wir auf die langfristige Idee einer Monographie, die irgendwann alle diese Brotarbeiten unter einen gemeinsamen Nenner bringen sollte. Was wäre aber dieser gemeinsame Nenner? Not macht erfinderisch: Wir verwarfen die anfänglichen Ambitionen, die Landschaften der belarussischen Gegenwartslyrik in ihrer Fülle und Buntheit zu reflektieren, auch wenn diese Heterogenität für sie programmatisch ist. Der Panorama-Enzyklopädität und dem anthologischen Überblick zogen und ziehen wir ein zwischen Kommentar und Dekonstruktion balancierendes Close Slow Reading ausgewählter, prominenter poetischer Texte vor. Eine aus der Beschäftigung mit dem Formalismus stammende methodologische Selbstverunsicherung und ein eventuell nicht sehr tiefes, jedoch immer wieder zum Vorschein kommendes Misstrauen gegenüber der Konjunktur kulturwissenschaftlicher Kausalisierungen

(Des-)Illusionen der Induktivität

und Pauschalisierungen, und unsere generelle Abneigung gegenüber einem illustrativ-exemplifizierenden Umgang mit Primärtexten brachten uns auf die Idee, kein bestimmtes (Mode-)Forschungsparadigma zu privilegieren. Eine kritische Auseinandersetzung mit den alten und neuen Theorien und Konzepten sollte je nach der hermeneutischen Intrige einer konkreten Textstelle stattfinden und vor allem zu deren Analyse beitragen und umgekehrt. Der Primärtext ist seinem Namen nach primär, und schließlich sind Raffinessen der Theoretisierung ein imperialer Luxus. Mit einem Wort: Wir verzichteten auf begriffliche Universalschlüssel und theoretisch-methodische Deduktionen bzw. reduzierten unsere konzeptuellen Präsuppositionen auf ein für das minoritäre Schreiben konstitutive (und ebenfalls zu überprüfende) Minimum: auf die für die belarussische Literatur fundamentale und programmatische Metalingualität, die prinzipielle, wenn auch latente Politizität jeglicher Aussage auf Belarussisch (oder über Belarussisch) und die damit zusammenhängende Gleichzeitigkeit, mit der Fragen von Diglossie und Dissens verhandelt werden. Als Ergebnis entstanden (und entstehen) leitmotivisch miteinander verbundene, von der hoffentlich fruchtbaren Induktionsillusion geleitete, mikroanalytische Etüden, in denen wir einige repräsentative und zugleich originelle poetische Ereignisse der belarussischen Gegenwartsdichtung in ihrer textimmanenten Dynamik und kontextuell-diskursiven Referenzialität zu analysieren und kommunizieren versuch(t)en. Die sich in der Sinnstiftung und Sinnverweigerung dieser Texte niederschlagenden aktuellen Tendenzen der belarussischen Kultur und Literatur des 21. Jahrhunderts mögen – so unsere hermeneutische Hoffnung – eine gewisse Relevanz und Gültigkeit auch für die anderen ›kleinen Literaturen‹ haben. Und wenn nicht, dann ist es auch ein Gewinn, schließlich leben die so genannten kleinen Literaturen und Kulturen von bzw. trotz der negativen Selbstperformanz. Inwiefern wir dabei den Phänomenen ›kleiner Literaturen‹ auf der Spur oder doch auf dem Holzweg waren/sind, kann man erst in der Polemik mit anderen Ansätzen und Zugängen herausfinden. Für eine solche dialogische Selbstrevision stellt auch der vorliegende Sammelband eine produktive Plattform dar.

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Im Folgenden möchten wir anhand von drei Beispielen zeigen, wie die Primärtexte unsere anvisierten Fokussierungen leite(te)n und verzerr(t)en.

(Anti-)Systematik und Metasprachlichkeit Wie oben angemerkt, stellt die Metasprachlichkeit eine Konstante oder sogar die Dominante der belarussischen Gegenwartsdichtung dar. Um diese mehr oder weniger auf der Oberfläche liegende Vermutung zu nuancieren, nahmen wir ein Gedicht zum Gegenstand der Analyse, welches das Belarussische bereits paratextuell anspricht und somit zu verhandeln vorgibt: das einst, Anfang der 2000er, prominente Gedicht Belaruskaja mova (Belarussische Sprache) der im Jahre 1981 geborenen und heute in den USA lebenden Dichterin Val’žyna Mort (vgl. Ananka/Kirschbaum 2017). Uns faszinierte, wie Morts Gedicht mit seiner poetischen Diskursivierung der Sprachfrage eine Alternative zu den damals wie heute in Belarus herrschenden genealogischen Identitätsentwürfen entwarf, diese Generativität grundsätzlich hinterfragte, verwarf und ihr eine Performativität des Belarussischen gegenüberstellte. Und zwar in den Figurationen der Nicht-Präsenz oder des Phantoms, also durch eine fast barock-allegorisch anmutende negative Ontologie des Selbst. Hier ein Auszug aus diesem Text, der eine gender-generative Exposition und Konstellation, jene zwischen Mutter (Belarus) und Tochter (Sprache), beides im Belarussischen weiblich, weiter entfaltet: »твая мова такая маленькая, што яшчэ й размаўляць ня ўмее. а ты, беларусь, у гістэрыцы, табе ўсё здаецца, што акушэркі пераблыталі скруткі. што ж табе зараз карміць чужое дзіця, сваім малаком паіць мову чужую? мову, што ляжыць сіняя на падваконьні,

(Des-)Illusionen der Induktivität

ці мова гэта, ці шэрань леташняя, ці шэрань гэта, ці толькі ад укрыжаваньня цень, ці цень гэта, ці проста нічога. гэта ня мова, бо няма ў ёй ніякай сыстэмы. яна, як сьмерць, раптоўная й неразборлівая, як сьмерць, ад якой немагчыма памерці, як сьмерць, ад якой мерцьвякі ажываюць.« (Mort 2005: 304f.)   »Deine Sprache ist so klein, / dass sie sogar noch nicht sprechen kann. / Und du, Belarus, bist hysterisch, dir scheint es, / dass die Hebammen die Steckkissen verwechselten. / Warum sollst du jetzt ein fremdes Kind stillen, / eigene Milch einer fremden Sprache zu trinken geben? / Die Sprache, die blau auf dem Fensterbrett liegt, / Ist es etwa Sprache oder Reif vom letzten Jahr, / Ist es etwa Reif oder nur der Kreuzigung Schatten, / Ist es Schatten oder einfach gar nichts. / Das ist keine Sprache, weil es kein System hat, / Sie ist wie der Tod, plötzlich und nicht wählerisch, / wie der Tod, an dem man nicht sterben kann, wie der Tod, vor dem die Toten aufwecken.« Für die ›Muttersprache‹ hat das heutige Belarussische zwei Möglichkeiten: ›матчына мова‹ und ›родная мова‹ (eine sekundäre Analogiebildung zum russischen ›родной язык‹: Muttersprache, wörtlich: genuine Sprache). Der Text kontaminiert diese beiden Idiome. Dabei kann die neugeborene Sprache (»мова«) nicht sprechen (»размаўляць«). Der Text verweist zugleich auf das andere, nicht direkt artikulierte Wort des semantisch-etymologischen Feldes der Muttersprachlichkeit: Auf Belarussisch ist der Säugling ›немаўля‹, d.h. wörtlich der Nicht-Sprechende bzw. der Nicht-sprechen-Könnende. Die konstitutive Sprachlosigkeit des Säuglings verschärft das latente Appellieren an das Problem des tatsächlichen Nicht-Sprechens auf Belarussisch in Belarus. Das wäre eine referentielle Interpretation. Dabei gibt es – so die negative Imagination des Textes – die belarussische Sprache als Subjekt und Objekt der Autoreflexion referenzi-

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ell nicht, man dekonstruiert sich selbst im Performativ des Sprechens über die eigene Absenz. Die verlassene, blau angelaufene »мова« taut wie der Reif vom letzten Jahr, wie der Schnee von gestern. Eben geboren, ist die Sprache bereits ein nutzloser Archaismus. Das mögliche Szenario des tödlichen Verschwindens der »мова« entfaltet sich im interpretatorischen Nebel; der Umriss des Säuglings auf dem Fensterrand bzw. der Säugling selbst ist nun ein (grab-)kreuzförmiger Schatten. Es bringt nichts, einen substantiellen Beweis für die Überlebenskraft dieser »мова« zu suchen: Ihn gibt es nicht. Die einzige Bestätigung, dass die Sprache existiert, ist ihr Dasein hier und jetzt, in einem jeden Text, der auf Belarussisch gesprochen und geschrieben wird. Und man kann, wie gesagt, diese Aussage auf die prekäre Lage des heutigen Belarussischen beziehen. Oder auf diese kulturwissenschaftliche Reduktion verzichten und spekulieren, inwiefern dieses Gedicht überhaupt das heikle Verhältnis von Sprache und Referentialität, Sprachlichkeit und Historizität verhandelt. Natürlich könnte man diese Stelle auch als Illustration des postkolonialen Aphorismus von Gayatri Chakravorty Spivak Can the Subaltern speak? (2010) lesen. Spivaks rhetorische Frage problematisiert die Abwesenheit und zugleich die (Un-)Möglichkeit einer antikolonialen Sprache in der Situation, in der marginalisierte und unterworfene Objekte der hegemonialen Gewalt ihre Eigenartigkeit und ihre Resistenz nicht artikulieren und zur Subjektivität nicht gelangen können, weil der Modus dieser Artikulation selbst, das diskursive Sprachsystem des Dissenses von der hegemonialen Macht aufgezwungen bzw. ›angeboten‹ wird. Im Vorschreiben bzw. in der Vorschrift der Sprache (der diskursiven oder natürlichen Sprache des Systems) offenbart sich das metalinguistische Anliegen der Kolonisation. Ja, aber würde uns eine solche taxonomische Illustrierung wirklich weiterbringen? Ist jegliche Exemplifizierung, jegliche Diktion und Argumentation mithilfe eines, noch eines Beispiels, nicht ein kolonialer Gestus selbst? Die Sprachlosigkeit, die das Gedicht behauptet und oxymoral von sich behauptet, erweckt nicht nur postkoloniale Empathie, es wirft auch grundlegende Fragen bezüglich unserer Metasprache auf, die genauso haltlos ist. Die Sprache (»мова«), sagt das Gedicht,

(Des-)Illusionen der Induktivität

kann nicht sprechen (»размаўляць«). Für seine (Selbst-)Beschreibung beharrt der Text auf etymologischen Figuren und artikuliert die für den belarussischen lingualen Raum entscheidende Nicht-Unterscheidung zwischen Sprache und Rede. Alles ist ›mova‹, ein und dasselbe Wort für Sprache und Rede. Natürlich hat man in der belarussischen Sprachwissenschaft bei der Wiedergabe der Saussure’schen langueparole-Opposition eine ›künstliche‹ Analogie gefunden: ›мова‹ und ›маўленне‹; jedoch bleibt sogar in diesem Neologismus, der schlicht das Verb ›размаўляць‹ substantiviert, die etymologisch-tautologische Metonymik von Sprache und Rede erhalten. Das Belarussische sabotiert diese Unterscheidung. Morts Text insistiert, dass die belarussische ›mova‹ kein System besitzt. ›Metaphorisch‹ verweist der Text sicherlich auf das politische ›System‹, dieses noch aus den Sowjetzeiten stammenden Euphemismus für die totalitäre Staatsgewalt (man denke etwa an die festen Redewendungen wie ›gegen das System kämpfen‹). Ihrerseits heben diese gesellschaftlich-politischen ›System‹-Anspielungen die metalinguistische Dominante des Textes nicht auf. Saussures Schema – und hier übertreiben wir, um das Phänomen zu markieren – funktioniert auf Belarussisch nicht. Der Schweizer Linguist trennt Sprache und Rede, um Soziales vom Individuellen zu trennen und das Substantielle vom Peripheren und Zufälligen: Während die Sprache die Funktion des sprechenden Subjekts sei, ein vom Individuum passiv zu registrierendes Produkt, dann sei die Rede individueller Akt des Willens und des Verstehens, der Kombinationen beinhalte, mit deren Hilfe das sprechende Subjekt den Sprachkodex benutze; in der Rede gebe es nichts Kollektives, so Saussure (2013: 72–73, 77–81). Natürlich ist das ›Außersystematische‹ des Belarussischen aus einer linguistischen Perspektive Unsinn und Hyperbel, aus der Perspektive des Textes von Mort jedoch nicht. Morts Gedicht redet weniger von der relativen Nicht-Normiertheit des Belarussischen, sondern verweist auf die Relation des metalingualen Diskurses mit den Diskursen der Macht. Kleine Literaturen subvertieren und sabotieren unsere Forschungsprämissen. Eine dem Belarussischen ähnliche Nicht-Trennung von Sprache und Rede ist auch im Ukrainischen zu beobachten, das für die Widerga-

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be der Saussure’schen Dichotomie ebenso mit einer tautologisch-etymologischen Figur arbeitet: ›мова‹ – ›мовлення‹. Es wäre sicherlich aufschlussreich aus der Perspektive des postkolonialen Paradigmas zu verfolgen, warum die Nicht-Trennbarkeit zwischen Sprache und Rede in den lingualen Kulturen der ehemaligen Subalternen (Belarus und Ukraine) auftritt, während dagegen die Entsprechungen für Saussures Schema ohne Mühe im Polnischen (język und mówienie) und Russischen (jazyk und reč’) gefunden werden können, d.h. in den diskursiven Systemen, die lange Zeit die Autonomie des Belarussischen und Ukrainischen negierten und sie zu ›Dialekten‹ degradieren wollten. Dies wäre wiederum eine postkoloniale Route der Interpretation. Aber Morts Text, seine (meta-)poetisch-linguistische Performativität auf Belarussisch über das Belarussische sowie die etymologisch-tautologische Figur der (noch nicht) sprechenden Sprache bzw. der (noch nicht) redenden Rede verkörpert und verwirklicht die grundsätzliche Nicht-Trennbarkeit Sprache und Rede. Die ›мова‹ ist sozial und privat, sie ist Funktion und Realisierung, Schema, Kodex und Akt, Kanal und Code (auch wenn es ein Code der Noch-Absenz ist), die eigentliche Mitteilung, aber auch ein Kenn- und Passwort, Kompetenz als Performanz. Die Sprache verspricht, vor allem verspricht sie sich selbst, verplappert sich, entblößt den Bluff einer außersprachlichen Referenz. Im Gegensatz zu den angeblich Großen Literaturen, die von der selbstgesetzten Kulturrente leben und dabei durch nichts garantierte spekulative Aktien angeblicher Referenzialität verkaufen, machen die klein genannten Literaturen zwar kleine Versprechen, aber sie halten ihr Wort.

Der implizite (Nicht-)Leser In Belarus leben Dichter und Prosaiker, die nicht nur belarussisch, sondern auch russisch schreiben. Viele von ihnen gehen im Laufe ihres literarischen Lebens, allmählich oder entschieden, zum Belarussischen über; jedoch schreiben einige, trotz der damit verbundenen Identitätskomplikationen und -dilemmata, weiter auf Russisch. Sollen wir sie in

(Des-)Illusionen der Induktivität

unseren Überlegungen zur belarussischen Gegenwartslyrik ignorieren oder doch berücksichtigen? Seit Jahren kennen und schätzen wir den Minsker Dichter Dmitrij Strocev (geb. 1963), der sich einen festen Platz nicht nur in der russischsprachigen Community in Belarus, sondern vor allem auch im russischen Moskauer poetischen Milieu bereits sicherte: 2008 erhielt er den Russischen Preis, einen hochdatierten Preis für die russische Literatur außerhalb Russlands, außerdem kam er auf die Shortlist des renommierten Andrej-Belyj-Preises (2009), des Preises Moskauer Rechnung (2010) sowie des Maksimilian-Vološin-Preises (2010). Der Erfolg des russischsprachigen poetischen Schicksals Strocevs ist Tatsache; komplexer sieht es mit dem Status des Minsker Dichters in der belarussischen literarischen Landschaft aus. Viele belarussische Schriftsteller und Leser sahen das russische Schreiben belarussischer Autoren mit Argwohn. Offen bleibt die Frage, inwiefern die nationale Bewegung der ersten Hälfte der 1990er Jahre, die von den Appellen zur beschleunigten Belarussifizierung der sprachlichen und kulturellen Identität des Landes begleitet wurde, die Umorientierung vieler russischsprachiger Schriftsteller in Belarus auf das russische Auditorium forcierte oder es in vielerlei Hinsicht eine Folge und Reaktion auf die (Selbst-)Russifizierung des Landes und die Ignoranz belarussischsprachiger Literatur seitens russischsprachiger Literaten war. Viele begegne(te)n dem Modus einer literarischen Arbeit, die auf zwei Zielauditorien gerichtet war und mit den für die Selbstbewusstwerdung der belarussischen Literatur grundlegenden Strategien der Emanzipation und Revision der russischen Einflüsse konfligierte, mit Skepsis. Einer speziellen, den Rahmen des vorliegenden Beitrages sprengenden Thematisierung bedürfen die Veränderungen des Verhältnisses zur russischsprachigen Literatur (in Richtung mehr Toleranz) im Vorfeld und unmittelbar nach der russischen Aggression gegen die Ukraine, als der Faktor der Russischsprachigkeit zum Problem wurde. Die Frage, ob oder inwiefern Strocevs Texte zur belarussischen Literatur gehören oder nicht, ist eine taxonomische und daher nicht gerade ergiebige. Wir fanden es viel spannender, zu beobachten zu versuchen, wie in so einem angespannten Rezeptionskontext diejenigen literari-

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schen Texte funktionieren, die sich, ohne auf das Russische zu verzichten, dezidiert auf belarussische Realien und Referenzen beziehen. Ein bezeichnendes Beispiel stellt dafür Strocevs Loskutnaja oda (Flickenode) dar. Der Text der Flickenode, die poetisch politische und kulturpolitische Ereignisse in Belarus der 2000er Jahre reflektiert, lädt zur Hinterfragung der entsprechenden Erwartungshorizonte ein: Was lesen und verstehen einerseits die russländischen Leser Strocevs, die im besten Falle oberflächlich mit belarussischen Kontexten vertraut sind, und andererseits seine Leser in Belarus, die ihre Aufmerksamkeit auf die akute politische Aktualität der Flickenode fokussieren, jedoch das Medium selbst, das Russische, nicht einfach so akzeptieren können. Die eine Autorin dieses Beitrags sollte Strocevs Text mit belarussischen Augen lesen, der andere Autor mit den russischen. So wollten wir problematisieren, wie so eine bipolare Rezeptionskonstellation und die daraus resultierenden Störung und Spaltung des lyrischen Subjekts die doppelte Orientierung die Textinterpretation beeinträchtigen. Mit einem Wort: Wie wird ein Phänomen inszeniert, das wir provisorisch als ›Performative Unlesbarkeit‹ bezeichnen würden (vgl. Ananko/Kiršbaum 2018)? Hier nun der Auftakt dieses Gedichts: »сорочий хвост Скорины избой прищемлен первочитальня плазменная друза еще с тобой под груздем почитаем на трасянке« (Strocev 2012: 27)   »Skorinas Elsterschwanz / vom Holzhaus eingeklemmt / die Erstbücherei / eine Plasma-Druse / noch werde ich mit dir unter dem Milchling lesen / in einer [trasjanka-]Mischsprache« 1517 druckte Franziskus Skorina in Prag eine Bibel in Altkirchenslavisch mit altbelarussischen Elementen. Skorina hat in Belarus den Ruf eines Jan Hus, Gutenberg und Luther in einer Person. Er gilt als Begründer des belarussischen Schrifttums und somit als die erste große symbolische Renaissance-Verkörperung der Autonomie der belarussischen

(Des-)Illusionen der Induktivität

Kultur. Für Strocevs Text ist nicht zuletzt auch Skorinas Bedeutung als Buchdrucker relevant. Gleich im Auftakt annonciert das Gedicht seine meta-biblio-poetische Dimension. Indirekt spricht der Text auch das Problem der Schriftlichkeit des Belarussischen an, dem bis heute die Aureole einer dialektalen Oralität anhaftet. Diese Schrift-BuchKonnotationen komplizieren sich im Bild des Elsterschwanzes. Neben seiner primären Bedeutung ist der »Elsterschwanz« auch eine Schreibfeder, mit der Skorina auf einer kanonischen Gravüre aus der von ihm gedruckten Bibel dargestellt wird, die auf dem Umschlag der Schulnotenhefte gedruckt und jedem Belarussen seit der Kindheit bekannt ist. Für die Einwohner Minsks provoziert das Bild aber auch topographische Allusionen, welche unmissverständliche politische Assoziationen hervorrufen. Bis 2005 trug die wichtigste Magistrale der Hauptstadt Skorinas Namen. Die Skorina-Allee wurde zwar in die Unabhängigkeitsallee umbenannt, jedoch nennen sie viele Minsker immer noch inoffiziell so. Auf dieser Allee liegt wie ein aufgefächerter Elsterschwanz der Oktoberplatz, auf dem im März 2006 eine große Protestaktion gegen die gefälschten Präsidentenwahlen stattfand, hier stand das Zeltlager der Protestierenden, welches dann in einer Nachtaktion brutal geräumt wurde. Strocevs Text ist semantisch auf der Seite der belarussischen inoffiziellen Kultur, des Dissenses, ist jedoch russisch geschrieben, d.h. in einer Sprache, die metonymisch mit der Sprache der Macht verbunden ist: Diese linguale Inkompatibilität steigert die dramatische Dissonanz der Aussage. Der Text entblößt und versteckt seine diskursiv-bilinguale Störung nicht nur vor dem Leser, sondern auch vor sich selbst. Das lexikalische Feld des Holzhauses verstärkt zudem das ruralfolkloristische Element, das bereits im Elsterbild angedeutet wurde. Es verdichtet sich dank des Neologismus »первочитальня« (Erstbücherei), der aus der Verschmelzung von zwei Wörtern entstand: aus »первопечатник« (Erstdrucker: Skorina) und »читальня« (Dorfbücherei). So artikuliert das Gedicht unterschwellig eines der wichtigsten Identitätsprobleme in Belarus: die Spannung zwischen der aufgezwungenen und teilweise assimilierten Selbstruralisierung Belarus’ und des Belarussischen einerseits und der sie autodekonstruierenden Selbsturbani-

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sierungsdiktion andererseits. Diese Diskrepanz führt zu zusätzlichen hermeneutischen Konflikten angesichts der Tatsache, dass der die programmatisch städtische, Minsker, russischsprachige Stimme des Erzählers über urbane Ereignisse in einer ruralen Topik berichtet. Zugleich wird somit der topographische Narrativ des Gedichts fortgesetzt, indem auf die Nationalbibliothek, ein Prestigeobjekt der amtierenden Macht, verwiesen wird. Das neue Kubo-Rhombus-Gebäude der Nationalbibliothek in Form einer Druse wurde 2006 pompös eröffnet. Die staatskontrollierten Medien präsentierten den Bau der gigantomanischen Megabücherei als nationales Projekt, für dessen Finanzierung das ganze Land aufkommen musste. Für die Nationalbibliothek ›spendeten‹ praktisch alle Bürger, denen nach dem Modell der sowjetischen Mitgliedsbeiträge Geld von den Gehältern abgezogen wurde. Für die oppositionell gestimmten Kreise der Intelligenz wurde das Projekt der Nationalbibliothek als Tempel der belarussischen Kultur zur ideologisch-architektonischen Verkörperung der totalitären, zynischdemagogischen ›Volkstümlichkeit‹ der Macht. Die Nationalbibliothek befindet sich praktisch an der Kreuzung zweier Straßen: der ehemaligen Skorina-Allee (heute Unabhängigkeitsallee) und der neuen SkorinaStraße. Der Text verbindet und trennt bereits auf der Ebene der kryptotopographischen Chiffren seine beiden impliziten Leser: den russischen und den belarussischen. Die Verweise auf Skorina und die Nationalbibliothek markieren das Metamotiv des Lesens. Eine weitere (meta-)linguistische Schichtung dieses Palimpsestes ist trasjanka, eine belarussisch-russische Mischsprache, ein lokaler Soziolekt des Russischen mit einer belarussischen Phonetik, in dem die Mehrheit des Landes kommuniziert. Für viele ist dieses Idiom der trasjanka eine sprachliche Verkörperung der kulturellen und politischen Russifizierung, die langsam, aber sicher, das Aussterben des Belarussischen und der belarussischsprachigen Identitätsfindungen forciert. Für viele hat die trasjanka auch Konnotationen einer ›Dorfsprache‹. Diese ruralen Implikationen sollten nicht aus dem Blick geraten, zumal Strocev ausschließlich auf Russisch schreibt und sich nicht als ein belarussischer, sondern ein Minsker Dichter positioniert und in sei-

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nen Konzeptualisierungen der Kulturgeschichte des Landes die ›Minsker Schule‹ der russischsprachigen Stadtlyrik betont. Diese Zweideutigkeit der (meta-)poetischen Selbstpositionierung schlägt sich auch in der ironischen Diskrepanz des Ausdrucks »Ich werde mit dir noch auf trasjanka lesen« nieder: Die trasjanka ist eine orale Kommunikationssprache, in der Bibliothek werden dagegen Texte in Standardsprachen gelesen. Die trasjanka als lebendige ›Mundart‹, als reine, oder, anders gesehen, unreine Parole-Performanz ohne jegliche langue dissoniert mit der schriftlichen ›Archivsprache‹ der Bibliotheksliteratur. Im metapoetischen und metalinguistischen Sinne ist der ganze Text Strocevs in einer trasjanka geschrieben: in einer russischen poetischen Flickensprache über belarussische Ereignisse. Nun wird die metaphorische Textur der Flickenode weiter kompliziert: »а скатерть лобная хохлатка палаточных птенцов не удержала держава-птичница в подоле унесла оранжевых цыплят окрест теперь пестрят« (Strocev 2012: 27)   »und die Richtplatz-Tischdecke / die Hauben-Henne / hielt die Zeltnestlinge nicht / das Reich, die Geflügelzüchterin trug im Rockzipfel weg / die orangenen Küken / ringsherum leuchten sie jetzt bunt [grell]« Die Semantik der Unschuld und Infantilität trifft auf das bildlexikalische Feld der Hinrichtung. Die offizielle belarussische Propaganda versucht die Relevanz der Proteste zu revidieren, indem sie die Protestierenden systematisch als ›Nichtvolljährige‹ bezeichnet. Dadurch wird der Dissens in die Topik der Flegeljahre eingeschrieben. Die Protestbewegung wird zum Ausdruck eines zeitweiligen, hässlichen, aber normalen, altersbedingten, psychologisch erklärbaren Pubertätsverhaltens und eines anatomisch determinierten jugendlichen Maximalismus degradiert.

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Die Lexeme »Hauben-Henne«, »Nestlinge«, »Geflügelzüchterin« und »Küken« intensivieren das Paradigma der Vogel-Figurationen. Der politische Subtext, unterstrichen durch die Komposita-Wortverbindung »das Reich, die Geflügelzüchterin« verleiht diesem bildsemantischen Feld heraldische Konnotationen. Semantisch-stilistische Register fangen an, produktiv zu dissonieren: Die ›hohe‹ Vogel-Allegorik wird durch Assoziationen mit einem ›Dorfhühnerstall‹ geerdet. Eine tiefgreifende Transformation der Vogelheraldik kann man auch am Bild der orangenen Küken feststellen, das auf die Orangene Revolution, den Kiewer Majdan von 2004 rekurriert, d.h. auf den gesellschaftlichpolitischen ›Intertext‹ der belarussischen Proteste. Das ukrainische Substrat kodiert auch das Wort »хохлатка« (Hauben-Henne) um: Darin werden auch pejorativen Bezeichnungen für die Ukrainer (›хохол‹, ›хохлушка‹) in der russischen imperialen Alltagssprache hörbar. Das Gedicht spricht über belarussische Ereignisse via die damit metonymisch verbundenen (und dem russischen Leser eher bekannten) ukrainischen. Das entscheidende Signalwort dieses politisch-linguistischen Amalgams ist »держава«: Im Belarussischen (дзяржава) und im Ukrainischen (держава) ist dieses Wort eine stilistisch neutrale Bezeichnung für den ›Staat‹, im Russischen hat es jedoch spezifische politische und poetische Markierungen. »Держава« ist eine stilistisch hohe Selbstbezeichnung des Imperiums. Russische imperiale Konnotationen von »держава« verstärken in Strocevs Text die Semantik der Repressalien und des Totalitarismus. Indem jedoch Belarus russisch als »держава« bezeichnet wird, wird es auch ironisiert. Hier offenbart Strocevs lyrisches Subjekt unwillkürlich seine russozentrische Wahrnehmung des Belarussischen. Auf Russisch ist Belarus auf keinen Fall ein Reich (держава), dieses Wort ist für Russland reserviert. Unklar bleibt die geopolitische Konstellation der Strophe: Handelt sie von der Ukraine, die den Majdan von 2004 »nicht halten« konnte, von wo sich die ›orangene Epidemie‹ auf die anderen Länder des postsowjetischen Raumes ausbreitete? Ukrainische Assoziationen sind ja nicht nur in der ›ukrainischen‹ Henne (»хохлатка«) und den »orangenen Küken« hörbar, sondern sogar im Wort »подол« (Rockzipfel): ›Po-

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dol‹ heißt – und hier ist wiederum das Topographische im Spiel – ein Viertel in Kiew, nicht weit vom Majdan. Dabei wird die Kiewer Topographie mit der Minsker amalgamiert: Das Wort »окрест« (ringsherum) verweist auf Okrestino, die Minsker Untersuchungshaft-Anstalt, in die man die bei den Protesten Verhafteten brachte. Im Gedicht kommt immer wieder die (Post-)Perestrojka-Perspektive, die metaphorische Beschreibung des Zerfalls des Imperiums, zum Vorschein, was wiederum eine russozentrische Einstellung Strocevs verrät. Dieser russozentrische Postsowjetismus des lyrischen Subjekts ist dabei der Erzählinstanz der Nobelpreisträgerin Svetlana Aleksievič ähnlich. Beide Autoren fokussieren ein traumatisches Bewusstsein, jedoch nicht aus dem Inneren der belarussischen Identitätsdiskurse, sondern aus einer post-pansowjetischen Selbstpositionierung. Im Falle der Flickenode haben wir es nicht mit einzelnen Ausbrüchen von Affektivität zu tun, sondern mit einer sich konsequent und sukzessiv entfaltenden Trauma-Poetik, die sich in den folgenden Strophen erst intensiviert: »с позором изгнан сплин в клубах цементной пыли отбойные читают молотки хромую смету первой полосы« (Strocev 2012: 27)   »Geschändet [mit Schande] / vertrieben / der Spleen / in ZementstaubWolken / lesen die Abbauhammer / den lahme Voranschlag der [Zeitungs-]Titelseite« Die »Schande« liest ein belarussischer Leser als wörtliche Übersetzung eines der häufigsten Slogans der Proteste auf dem Oktoberplatz von 2006 (belarussisch: ›Ганьба!‹), mit dem die Protestierenden auf die Anklagereden über die Rechtverstöße während der Wahlkampagne und die Illegitimität solcher Wahlen überhaupt reagierten. Es wird weiter der Bau der berüchtigten Bibliothek metaphorisiert. So – in Kürze – könnte ein belarussischer Leser den Auftakt dieses Gedichts deuten: als

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Entwurf einer poetisch-metalingualen Topographie des Dissenses, gesprochen aus der Aphasie, die das Strocev’sche Subjekt suggeriert. Dem russischen Leser bleiben diese Nuancen jedoch verwehrt, und er braucht sie auch nicht wirklich: Ihm reicht das Irritationspotenzial der russischen intertextuell-poetischen Reminiszenzen aus. Zum Beispiel die Anspielungen auf Mandelstams Griffelode (Grifel’naja oda): »День пестрый выметен с позором. И ночь-коршуница несет Горящий мел и грифель кормит. С иконоборческой доски Стереть дневные впечатленья И, как птенца, стряхнуть с руки Уже прозрачные виденья!« (Mandel’štam 2011a: 96)   »Der grelle [bunte] Tag ist geschändet weggefegt. / Und die GeierNacht trägt / Die brennende Kreide und füttert den Griffel. / [Es gilt nun] Vom ikonoklastischen Brett / Die Tageseindrücke wegzuwischen / Und wie einen Nestling von der Hand abzuschütteln / die bereits durchsichtigen Visionen!« Die Korrespondenzen zwischen der Griffelode und der Flickenode sind nicht nur paratextuell und thematisch (Gedächtnis und Vergessen), sondern auch konkret lexikalisch. Strocevs Wortverbindung »geschändet vertrieben der Spleen« schreibt die Mandelstam’sche »Der grelle Tag ist geschändet weggefegt« fort. Mandelstams Epitheton »пёстрый« (bunt bzw. grell) benutzte Strocev außerdem bereits in der Verbalform in der zweiten Strophe (»пестрят«). Klarer (und zugleich verwirrender) werden auch die intertextuellen Mandelstam-Subtexte der ornithologischen Metaphorik der Flickenode. Die »держава-птичница« erweist sich als ein morphologisches Echo von Mandelstams neologischem Kompositum »ночь-коршуница«. Außerdem braucht Strocev und seine russischen Leser nicht zusätzlich daran zu erinnern, dass die Zeilen »lahmer Voranschlag der [Zeitungs-]Titelseite« zu Mandelstams Stansy (Stanzen, 1937) führen: »Вот Правды первая страница, вот с пригором полоса« (Da ist

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die erste Seite der Prawda, das ist die Kolumne mit den Urteilen) (Mandel’štam 2011b: 260). Strocev wählt Mandelstam zum Gesprächspartner genau kraft des fragilen Pathos einer letzten Direktheit, einer diskursiv-sprachlichen Ohnmacht, aus deren Abgrund eine radikale Entschiedenheit des zweiten Atems erst generiert werden kann. Mit einer surrealistischen Fragmentarität und äsopischen Motivierung verdichteter metaphorischer Textbewegungen versuchte Mandelstam seinerzeit, das berüchtigte Diktat der Realität, die seit den 1920er Jahren anwachsende Gewalt der sowjetischen Wirklichkeit, umzusemantisieren. Die Analyse von Strocevs langem Gedicht ließe sich fortsetzen, um weiter zu demonstrieren, wie es einen potentiellen russischen und belarussischen Leser anspricht. Nach allen Beobachtungen müssten wir jedoch zum Problem zurückkehren, das bereits angedeutet wurde. Strocevs Text, der belarussische Ereignisse poetisch verarbeitet, ist in erster Linie an einen russischen Leser gerichtet. Die oben skizzierten komplexen belarussischen Realien bleiben für den russischen Leser im besten Falle eine Art metaphorisches Doping und Dekor, roher und hermeneutisch keineswegs obligatorischer ›Stoff‹, passives Material einer transmentalen Ode. Der russische Leser kann natürlich eine ›belarussische Lektüre‹ des Textes vornehmen. Dabei mag er ein imperiales Behagen oder Unbehagen darüber verspüren, dass in ›seiner‹ Sprache über belarussische Realien gesprochen wird. Der russische Leser steht vor der Wahl: er kann die Autonomie der belarussischen Problematik anerkennen, indem er akzeptiert, dass er sie nicht versteht oder er kann sie als metonymisch-russische lesen. Dabei kann Strocevs Text zur Dekonstruktion der Begriffe ›russische Sprache‹ und ›russische Literatur‹ bewegen, jedoch auch zur Stabilisierung des postsowjetisch-imperialen Paradigmas der ›Russischen (intertextuellen) Welt‹ beitragen. Unabhängig davon, welche antiimperialen Statements Strocevs Text und die Texte anderer russischsprachiger Schriftsteller in Belarus kommunizieren mögen, wird deren Semantik durch die Verwendung der russischen Sprache destabilisiert. Die Flickenode legt eine nicht wiedergutzumachende Dissonanz zwischen Mitteilung und Kanal offen. Die Topographie des politischen Protests transformiert sich in die Allegorie

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einer anderen Topographie: Topographie des Ungehorsams des Textes. Der Text wird nicht gehört und gehorcht nicht, er spricht an den Lesern vorbei, die er finden oder generieren wollte. Aber er findet die neuen, jene, uns, die entdecken und beobachten können, wie Strocevs Botschaft per definitionem ihre Adressaten verfehlt, jedoch performativ, am eigenen Leib des Textes die (Un-)Möglichkeit der russischsprachigen Poesie in Belarus zeigt. Und, nicht zuletzt, die (Un-)Möglichkeit der Lektüre.

Index der (Un-)Übersetzbarkeit Das nächste – letzte und längere – Beispiel illustriert unsere Strategie, belarussistische Themen in andere slavistische Studien zu integrieren bzw. sie mit diesen zu kombinieren. Vor ein Paar Jahren beschäftigten wir uns (Ananka/Kirschbaum 2020) mit dem Gedicht des polnischen Dichters Czesław Miłosz (1911–2004) Trwoga-sen (1918) (Furcht-Traum [1918]). Das Jahr in Klammern gehört zum Titel: Das Gedicht selbst wurde im Jahre 1985 geschrieben, d.h. in der Zeit der Reflexion über den Untergang der Solidarność und die Repressionen des Kriegsrechts, die zeitlich mit dem vierzigsten Jahrestag der Jalta-Konferenz zusammenfiel, die die sowjetische Okkupation Mitteleuropas zur Folge hatte. In Miłosz’ Text spielt die Handlung in der Stadt Orša, die heute in Belarus liegt. Wir entschlossen uns daher, uns die belarussische Übersetzung dieses Gedichts des Nobelpreisträgers, gemacht von Andrej Chadanovič (geb. 1973), genauer anzuschauen und dabei zu beobachten, wie die belarussischen Rezeptionshorizonte nicht nur die geopoetischen und geokulturellen Koordinaten von Miłosz’ poetischen Selbstbefragungen verschieben, sondern sie auch gleichzeitig durch eigene landesspezifische Erfahrungen antikolonialer Affekte anreichern. Eine solche translatologische Problemstellung schien uns produktiv zu sein, da Miłosz’ Text die (Un-)Möglichkeit jeglicher Artikulation eines Traumas (der Vertreter der so genannten kleinen Kulturen) selbst zum Thema hat und die Kategorie des Kleinen radikal verhandelt. Bereits in seinem Titel enthält das Gedicht Furcht-Traum (1918) eine Anspielung auf ein konkretes Jahr. 1918 erlangte Polen nach über hun-

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dert Jahren seine Staatlichkeit wieder. Ähnliche Assoziationen stiftet das Jahr 1918 beim belarussischen Leser. Im Jahre 1918 wurde die Belarussische Volksrepublik proklamiert. Wir lassen die heikle Frage beiseite, wie unabhängig die Politik des neuen Staates tatsächlich war: In Folge des Friedens von Brest-Litowsk befand sich praktisch das ganze Territorium des heutigen Belarus unter deutschem Protektorat. An dieser Stelle ist etwas anderes wichtiger: In der gegenwärtigen (nicht offiziellen) Historiographie des Landes ist die Belarussische Volksrepublik eine erste, kurze und von außen unterbrochene Erfahrung der Souveränität. Die Erinnerung an das Jahr 1918 wurde zum Identitätskode der nicht loyalen belarussischen Kultur. Wie nostalgisch auch die Leserassoziationen mit dem Jahr 1918 seien mögen, der morphologisch seltsame Titel des Gedichts, Trwoga-sen (Furcht-Traum; im Polnischen sind Komposita sehr selten), der eine Vorahnung des Schlechten bzw. Bösen impliziert, destabilisiert jegliche positive Erwartung. Das (Nicht-)Zusammenfallen von historischen Allusionen und der Semantik einer Erwartung des Furchtbaren wird zum sinnstiftenden Hintergrund der Textrezeption: »Orsza zła stacja. W Orszy pociąg może stać i dobę. Więc może to w Orszy zgubiłem się, sześcioletni, I pociąg repatriantów ruszał, zostawiając mnie Na zawsze. […]« (Miłosz 2004)   »Orsza eine schlechte Station. Hier kann der Zug einen Tag lang stehen. / Deshalb habe ich mich wahrscheinlich in Orsza verloren, sechsjährig, / Und der Repatriantenzug fuhr ab, mich zurücklassend / Für immer. […]« Hier Chadanovičs Übersetzung: »Ворша – страшная станцыя. Тут цягнік прастаяць можа суткі. То, можа, я ў Воршы згубіўся, шасцігадовы, І цягнік рэпатрыянтаў рушыў, пакінуўшы мяне Назаўсёды. […]« (Chadanovič 2013: 127)  

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»Orša – eine schreckliche Station. Hier kann der Zug einen Tag lang stehen. / Es ist wahrscheinlich in Orša, wo ich mich verloren habe, sechsjährig, / Und der Repatriantenzug fuhr ab, mich zurücklassend / Für immer. […]« Fixiert und fokussiert der Titel die historische Zeit des Geschehens, so lokalisiert der erste Vers dessen Geographie. Der Handlungsort ist Orša. Im Jahre 1918 verlief die Demarkationslinie zwischen dem Westen und Sowjetrussland durch Orša. Die Stadt wurde zu einem wichtigen Grenzpunkt, durch den Flüchtlinge und Gefangene nach Belarus, Litauen und Polen zurückkehrten, darunter wohl auch die Familie des autobiographischen Erzählers. Liest man die erste Phrase des Gedichts (»Orsza zła stacja«), weiß man noch nicht, aus wessen Perspektive dieser erste, verblose (und entsprechend zeitlose) Satz artikuliert wird. Das polnische Lexem »zły« ist für ein belarussisches (und auch deutsches) Ohr polysemantisch. Es kann »schlecht«, aber auch »böse« bedeuten, und die natürlichste Möglichkeit einer Arbeitsübersetzung dieser Phrase wäre »Orša ist eine schlechte Station«: nicht gut, ungemütlich. Aber schon bald darauf begreift man, dass der Text dramatisch zwischen der mnemonischen Perspektive des Erzählers und der inneren Perspektive des Kindes balanciert, in das er (und mit ihm der Leser) sich einlebt. Spätestens dann kehrt man zum Auftakt des Textes zurück und übersetzt die erste Phrase des Gedichts etwas anders, mit den Augen und mit der Sprache eines Sechsjährigen, der, verloren im Nachkriegschaos, auf einem fremden Grenzbahnhof steht: »Orša ist eine böse Station«. Chadanovič löst diese sich im Laufe des Textes nur weiter entfaltende Mehrdeutigkeit mit einem dritten Wort, das die das Geschehen dämonisierende Konstituente expliziert: »страшная«, »Orša ist eine schreckliche, Schrecken erregende, beängstigende Station«. Die Motivierung der übersetzerischen Transformation des Schlechten bzw. Bösen ins Schreckliche kommt vom Titel her: »Trwoga« ist die weitsichtige Vor-Furcht, der sich verdichtende Vorabend der Angst, Angst vor der Angst. Das Adjektiv »schrecklich« summiert die polysemantischen Erfahrungen des Schlechten und Bösen.

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Das erzählende Subjekt, das vor sich historische Karten ausbreitete, ist sich nicht sicher, wo das geschah, was es bis heute schmerzt und nicht in Ruhe lässt. Vermutlich – vielleicht – wahrscheinlich in Orša. Das Gedicht präsentiert ein keineswegs sicheres Ergebnis trüber quälender Erinnerungen und Abgleiche dieser Erinnerungen mit historischen Dokumenten, Fakten, Karten. Im Gedicht wird die Situation des sich Erinnernden nicht direkt ausgesprochen, sie ist höchstens aus den vom Text vorgegebenen Ambiguitäten, blinden Flecken und Flashbacks sowie Erinnerungspalimpsesten rekonstruierbar. Vieles ist vergessen, und wir können nur rätseln, warum: weil so viele – siebzig – Jahre dazwischen liegen, ein ganzes Jahrhundert, das wohl grausamste der ganzen Menschheitsgeschichte? Diese Identität des Historischen und Individuellen erschreckt durch die Dominanz des Geschichtlichen, wenn ein Mensch, im 20. Jahrhundert ein Subalterner des Schicksals, nichts außer seinem Recht auf das Selbstvergessen des Traumas hat. Das Gedächtnis versucht die bösartige und böswillige Erinnerung zu verdrängen und zu löschen, den schlechten, bösen Alptraum zu vergessen, und dem Leser wird dabei angst und bange, und zwar nicht nur wegen der Einfühlung in die Seele und in den Körper eines Sechsjährigen, der verloren auf einer Bahnstation in einer post-katastrophischen Peripherie steht, sondern auch wegen des sich intensivierenden Mitgefühls mit dem lyrischen Erzähler, der vergeblich versucht, sein Kindheitstrauma geographisch und historisch zu lokalisieren. Die von einer doppelten Empathie durchdrungene Rekonstruktion der narrativen Situation des Gedichts droht jeden Augenblick zu scheitern, und diese Unsicherheit und Instabilität emotionalisieren die im Titel angekündigte Semantik der Furcht. Die Lücken des personellen Gedächtnisses sind durch das kulturell-gemeinschaftliche Gedächtnis zu füllen, das eigentlich hegemonial konstituiert ist. Die historische Geographie soll die (Un-)Möglichkeit einer Autobiographie kompensieren. Die elementar-fatale Gewalt der Geschichte und Geographie über den Menschen hat einen Namen, der im Text nicht direkt artikuliert wird: Russland. Diese Unartikuliertheit ist aber sprechend, schreiend. Für den Erzähler ist Orša eine Grenzstation, die Schwelle zwischen Russland und dem Westen, eine synchron klare und feste Grenze, je-

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doch diachron eine temporäre, eine reale und zugleich flexible, unzuverlässige, willkürliche Grenze, die nach Belieben verschoben werden kann. Miłosz demontiert die bürokratischen Konnotationen des (Fremd-)Wortes ›Repatriierter‹, indem er dessen ursprüngliche Bedeutung (Heimkehrer) regeneriert. Erschreckend und ansteckend ist die nicht loszuwerdende Furcht, dass das Land, aus dem der autobiographische Held zu sich nach Hause herauswill, sich im Recht sieht, nach dem Recht des Stärkeren und der diese Stärke demonstrierenden Willkür, die Grenzen und Schwellen zu brechen und dabei das Vergnügen zu verspüren, die Semantik der Grenze selbst zu erschüttern. Chadanovičs Übersetzung gestattet es dem belarussischen Leser, sich nicht nur in die (auto-)biographisch-historische Kollision des polnischen Originals einzuleben, sondern auch – zusätzlich – sie in ein belarussisches kulturhistorisches Koordinatensystem einzuschreiben. Für die Belarussen ist die Stadt Orša ein konzeptueller Erinnerungsort, ein Mnemotopos der historischen Selbstbestimmung. Im Jahre 1514 fand hier bzw. in der Umgebung der Stadt die so genannte Schlacht bei Orša, ausgetragen zwischen dem Heer des Großfürstentums Litauen und des polnischen Königreichs einerseits und dem Moskauer Großfürstentum andererseits, statt. Die Schlacht wurde zu Gunsten der Litauer und Polen entschieden, als Folge wurde ein Frieden geschlossen und für eine lange Zeit eine feste Grenze zwischen Litauen und Moskovien bestimmt. Das sind die ersten spontanen historischen Orša-Assoziationen und -Allusionen. Heute ist Orša eine belarussische Stadt, ein Regionalzentrum innerhalb des Vitebsker Gebiets, ein großer Eisenbahnknoten, hier halten alle Züge von Minsk nach Moskau bzw. von Moskau nach Minsk. Orša ist die letzte bzw. erste belarussische Station vor der Einbzw. Ausreise von bzw. nach Russland. Diese liminale Semantik von Orša gestattet Miłosz’ Gedicht problemlos im belarussischen Rezeptionskontext zu funktionieren, bedarf jedoch bestimmter Anmerkungen und Umkodierungen. So besteht der Schrecken der Alptraumerinnerung im polnischen Original in der Verlassenheit des sechsjährigen lyrischen Helden am Rande des Imperiums, aber noch im Imperium. Bei der belarussischen Lektüre blickt man voller Furcht bereits von zu

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Hause aus auf das kommende, angrenzende Land, das jederzeit bereit ist, die Grenze zu überqueren. Orša wird zur geopolitischen Synekdoche einer Puffer- und Transitzone zwischen Russland und dem Westen und zum geokulturellen borderline state in seinen wörtlichen und übertragenen Bedeutungen: als Grenzland in einem Grenzzustand. Die bittere Ironie dieser Polysemie besteht darin, dass im Falle von Belarus der Grund dieses neurotischen (prä-)pathologischen Grenzzustandes im von außen aufgezwungenen Bewusstsein der eigenen geopolitischen und geokulturellen Liminalität liegt. Ruft man sich die ethnologisch-soziologische Herkunft des Liminalitätsbegriffs ins Gedächtnis (vgl. Van Gennep 1909), so kann man über die Initiationsfunktion dieser Liminalität sprechen. Das Problem ist jedoch, dass diese liminale Extremität nicht okkasionell und situativ ist, sondern essentiell, sie ist ein Dauerzustand. Das Identitätsintervall transformiert sich in ein nicht wiedergutzumachendes Durchhängen, jenseits jeglicher extatischen Exzessivität, die eigentlich der Liminalität anhaftet. Die Polysemie des borderline state wird zu einem Paradoxon an der Grenze zur aporetischen Ratlosigkeit. Der Diskurs von der belarussischen Liminalität, der direkt oder indirekt jegliche Souveränität schmälert, wird nicht nur in Russland, sondern auch in Belarus selbst kultiviert: Im Geschichts- und Geographieunterricht wird die ständige Einschließung der Gebiete des heutigen Belarus – mal in das Großfürstentum Litauen, mal in Polen, mal in Russland – als Puffer-(Vor-)Bestimmung des Landes erklärt. In diesem Sinne gibt Miłosz’ Gedicht dem belarussischen Leser die Möglichkeit, in Belarus nicht nur ein geopolitisches und kulturelles Provisorium zu sehen, sondern ein autonomes Gebilde, dessen Selbstständigkeit genau eine Grenzziehung garantiert, eine feste Linie, hinter der expansive geohistorische Elemente walten. Miłosz’ Text weist auf die kulturpsychologische Virulenz der diskursiven Figur des Dazwischen hin. In der nächsten Strophe wird dann das imaginierte Schicksal des Helden geschildert, wenn er in Russland geblieben wäre: der anonyme Tod an Ufern der Kolyma oder des Ochotskischen Meeres. Der Konjunktivexkurs in das (nicht) vollzogene Fatum, auf den Grund, oder genauer, den Abgrund der Hölle, in den Raum des Massensterbens in der men-

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schenverachtenden Gulag-Maschine baut eine neue dramatische Spannung zwischen Mnemonik und Apokalyptik auf. Der Alptraum des doppelten autobiographischen Helden kommt in den bösen, prospektiven und retrospektiven Korrespondenzen und Amalgamierungen von Erinnerung und Vision zum Vorschein. Die lyrische Stimme, welche selbst rätselt, wer sie ist, ein mnemonischer Erzähler, das Objekt oder Subjekt der Erinnerung und Erleuchtung, Ergriffenheit und Einsicht, geht zu einer prophetischen Intonation über: »I wielka trwoga wtedy mnie nawiedziła, Ta, która miała być matką wszystkich moich trwóg.« (Miłosz 2004)   »Und die große Furcht ergriff [bzw. besuchte] mich dann, / Die zur Mutter all meiner Fürchte werden sollte.« Hier zum Vergleich Chadanovičs Übertragung: »І мяне скаланула ад вялікай трывогі, Што стала маці ўсім маім прышлым трывогам.« (Chadanovič 2013: 127)   »Und mich erzitterte es vor der großen Furcht, / Die zur Mutter meiner künftigen Fürchte wurde.« Die Allusionen dieser Verse vibrieren zwischen Zeugenaussage und Gebet, Privatheit des Psalters und den chronikalischen Beschreibungen der babylonischen Gefangenschaft im Buch des Propheten Daniel, und die Formel »matkа wszystkich moich trwóg« auf die neutestamentliche Tradition der »Mutter aller Nöte« verweist: Das polnische Wort »trwoga« hat nicht nur die Semantik von Angst und Furcht, sondern auch von Not und Trauer. Aber nicht nur. Mariä Heimsuchung, der Besuch Marias bei ihrer Base Elisabeth wird in der polnischen katholischen Tradition »Nawiedzenie Najświętszej Maryi Panny« genannt: Im »nawiedzenie« (»Besuch, Heimsuchung«) hört man denselben Stamm wie im »nawiedziła«. Umso fataler klingt dieses mariologische Bild, wenn es in das semantische Feld der temporären Verwaisung und des Elternverlustes im Bahnhofschaos des unglücklichen Orša gerät.

(Des-)Illusionen der Induktivität

Die Rhetorik wird in einer Superlativ-Steigerung intensiviert: Eine große Furcht/Sorge/Trauer (»trwoga«) löst die kleine (des Kleinen) ab, die (Ur-)Mutter aller kommenden Fürchte ersetzt dem sechsjährigen Helden die echte Mutter. Der Vers realisiert zudem die Metapher der angeborenen Angst.2 Chadanovič lässt in seiner Übersetzung die alttestamentlichen Implikationen fallen und betont weniger die religiös-metaphysische, sondern viel mehr die physiologische Dimension der Furcht. Sein Held »erzittert« bzw. »mich erzitterte«, im für das Gedicht bedeutungskonstituierenden Passiv: »мяне скаланула«. Bei Miłosz enthält das Verb »nawiedziła« (ergreifen, wörtlich: besuchen) die Semantik der Bewegung und der Invasion von außen. Chadanovičs Verb »скаланула« ist dagegen statischer, es kommuniziert die Semantik der inneren körperlichen Erschütterung. Erscheint im polnischen Original die Furcht als Zustand und Gefühl, verursacht durch die fremde Einmischung, so gerät der Held Chadanovičs ins innere Zittern, die Furcht hat sich in ihm bereits tief eingenistet. Die affektive Körperlichkeit des Zeugnisses ist der belarussischen Interpretation wichtiger als biblische Intertextualität und kulturelle Rhetorizität. Gegen diese Rhetorizität richtet sich auch die übersetzerische Erfindung Chadanovičs, das Wort »прышлы«. Zum einen wird dabei eine polnische lexikalische Folie offengelegt: »przyszły« (zukünftig); das gebräuchliche belarussische Wort dafür wäre »будучы«, jedoch wählt Chadanovič die Neubildung »прышлы«. Die poetisch-translatorische Komplexität seiner Entscheidung besteht darin, dass dieser okkasionelle improvisierte Neologismus ein doppeltes linguistisches Spiel mit dem Polnischen und mit dem Russischen spielt. Das Wort »прышлы« zielt auf die interlinguale Homonymie sowohl mit dem polnischen »przyszły« ab als auch mit dem russischen »пришлый«

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Neben hieratischen Anspielungen enthält die Wortverbindung »wielka trwoga« im Polnischen außerdem eine historiographische Aureole. So wird ins Polnische La Grande Peur (Große Furcht), die Zeit der Massenpanik im Sommer 1789 übersetzt.

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(von der Seite kommend, fremd, nicht hiesig) und während das polnische Lexem »przyszły« mit der Semantik der Zeit operiert, arbeitet das russische »пришлый« mit der räumlichen Dichotomie von Eigen und Fremd. Das belarussische Wort »прышлы« ist somit nicht zuletzt als ein fremder, von der Seite gekommener Russizismus bzw. Polonismus lesbar, der die fremde sprachliche Gewalt markiert und sie ihrer Invasion ins Belarussische vorführt. Vor uns ist ein antikolonialtranslinguales Verfahren. Mit diesen Implikationen von »прышлы« kompensiert Chadanovič die expansive Fremdheit der Furcht, die im Verb »скаланула« fehlte. Jedoch führt diese Kompensation nicht zu einer Ausbalancierung, sondern zu einer Intensivierung. Der Held der belarussischen Übersetzung wird von zwei zusammenhängenden Fürchten ergriffen, der inneren und der ihn von außen zum Erzittern bringenden, der angeborenen bzw. inkorporierten einerseits und der fremdverursachten, aufgezwungenen andererseits. Chadanovičs multilinguale Homonymie wird umso wirksamer im Lichte der historischen belarussischen Selbstbezeichnungen. Im Gegensatz zu den Nachbarvölkern der Region definierte man sich auf dem Territorium des heutigen Belarus nicht ethnisch, religiös oder national, sondern durch die Opposition ›Der hiesige‹ (›tutėjšy‹) und ›Der nicht-hiesige‹ (›ne-tutėjšy‹). Diese punktuelle identifikatorische Lokalisierung wurde nicht einmal von einem Substativ gebildet (Substantive sind für die Sprache des Hegemonen reserviert), sondern vom schlichten, einsilbig-›armen‹ Adverb ›tut‹ (hier, da). In dieser Synonymie der jegliche geopolitischen Eigennamen sabotierenden Lokalisierung wird nicht nur der Ausdruck eines vom Zentrum aufgedrängten Regionalismus oder einer Peripherität erkennbar. Die indirekte Polarisierung von Eigen und Fremd, Hiesig und Fremd ist hier nicht offensiv, sondern explizit defensiv. Eine solche Identifikation schließt prinzipiell die Möglichkeit territorialer Prätentionen aus und zeugt zugleich von einer geohistorisch unaufhörlichen Frustration und Erwartung, von der traumatischen Furcht und Besorgnis über die nächste Ankunft einer fremden Gewalt. Die doppelte poetische Ironie Chadanovic’ besteht darin, dass im Rahmen einer einzigen übersetzerischen Entscheidung nicht nur

(Des-)Illusionen der Induktivität

russische imperiale Gesten kritisch demontiert werden, sondern auch Rudimente und Ressentiments des polnischen Revisionismus in Bezug auf die Gebiete (und die Sprache) des heutigen Belarus (Topik des sogenannten einstigen Polen, Kresy-Diskurse usw.). Dabei impliziert die Demontage der kolonialen Geopolitik eine Revision der kolonialen Sprachpolitik. Sowohl von den Polen als auch von den Russen wurde bzw. wird das Belarussische oft mit einer imperialen Superbia als kuriose Mischung aus dem Polnischen und Russischen beschrieben, als ein linguistisch und kultureller Bastard. Chadanovič setzt in seiner Übersetzung eine translinguale Quasihomonymie des Wortes »прышлы« als (Pseudo-)Polonismus und (Pseudo-)Russizismus ein und zeigt dabei das subversive Potenzial des Belarussischen, das im Stande ist, seine eigene Sprachautonomie durch eine Dekonstruktion des kolonialen Lexikons der hegemonialen Nachbarn zu behaupten. Miłosz’ Text in Chadanovičs Übertragung schließt an die ästhetischideologische Identitätsarbeit an, mit der sich die unabhängige belarussische Kultur und Literatur der letzten Jahrzehnte beschäftigt. Die Wirksamkeit und Wirkung des Originals in der übersetzerischen Interpretation legt die Verflechtung der antiimperialen polnisch-belarussischen Diskurse offen. Die wenigen Dissonanzen stellen deren produktive Konstituente dar. Die sprachliche Obdachlosigkeit des Traumas des Subalternen allegorisiert die Liminalität über die Grenzen nationaler Selbstbestimmungen hinaus. Der Subalterne hat keine Sprache, wenn er alleine spricht, die Monologizität ist eine rhetorische Falle des Imperialen. Die übersetzerisch übertragbaren antikolonialen Affekte problematisieren dagegen die dialogischen Besonderheiten der mitteleuropäischen Diskurstranslation. Chadanovičs Übersetzung von Miłosz’ Gedicht setzt die Erfahrung der mitteleuropäischen Sprachlosigkeit fort. Der Grenzzustand am Rande Europas garantiert keine historische Selbstbestimmung, erzeugt jedoch eine individuell-körperliche und zugleich kulturelle und sprachliche Furcht-Unruhe. In den ›kleinen Literaturen‹ spricht ein autobiographisch garantierter und zugleich unzuverlässiger Erzähler, der ein treues Zeugnis von einer ultimativen wehrlos-verschwörerischen Unzuverlässigkeit des Subjekts ablegt. Dieses Zeugnis ist nicht weniger wertvoll als alle universalistischen

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Offenbarungen, deren Luxus sich die so genannten großen Literaturen leisten können.

Bibliographie Ananka, Yaraslava/Kirschbaum, Heinrich (2017): »›Belarussische Rede‹: Performativität und Genese«, in: Kenneth Hanshew/Sabine Kohler/Christian Prunitsch (Hg.), Texte prägen. Festschrift für Walter Koschmal, Wiesbaden: Harrassowitz, S. 391–411. Ananka, Yaraslava/Kirschbaum, Heinrich (2020): »Translation der Liminalität. Czesław Miłosz in belarussischer Übersetzung«, in: Yaraslava Ananka/Heinrich Kirschbaum/Magdalena Marszałek (Hg.), Heu auf dem Asphalt. Topoi belarussischer Selbstverortungen (im Druck). Ananko, Jaroslava/Kiršbaum, Genrich (2018): »Bilingval’noe rasstrojstvo. Implicitnyj (ne)čitatel’ i (belo)russkij sub’’ekt v ›Loskutnoj ode‹ D. Stroceva«, in: Novoe literaturnoe obozrenie 150(2), S. 251–270. Barthes, Roland (1973): Le plaisir du texte, Paris: Seuil. Chadanovič, Andrėj (2013): »Tryvoha-son (1918)«, in: Andrėj Chadanovič, Razam z pylam, Minsk: Knihazbor, S. 127f. Ėjchenbaum, Boris (1987): »Teorija ›formal’nogo metoda‹«, in: Boris Ėjchenbaum, O literature. Raboty raznych let, Moskva: Sovetskij pisatel’, S. 375–408. Mandel’štam, Osip (2001a): »Grifel’naja oda«, in: Osip Mandel’štam, Stichotvorenija, Proza, Moskva: Folio, S. 95–97. Mandel’štam, Osip (2001b): »Stansy«, in: Osip Mandel’štam, Stichotvorenija, Proza, Moskva: Folio, S. 260–262. Miłosz, Czesław (2004): »Trwoga-sen (1918)«, in: Czesław Miłosz, Wiersze, T. 4, Kraków: Znak, S. 195. Mort, Val’žyna (2005): »Liryka«, Arche 6, S. 301–306. Saussure, Ferdinand de (2013): Cours de linguistique générale. Tübingen: Gunter Narr. Spivak, Gayatri Chakravorty (2010): »Can the Subaltern Speak?«, in: Rosalind C. Morris (Hg.), Can the Subaltern Speak? Reflections on

(Des-)Illusionen der Induktivität

the History of an Idea, New York: Columbia University Press, S. 237–292. Strocev, Dmitrij (2012): »Loskutnaja oda«, in: Dmitrij Strocev, Gazeta, Moskva: Novoe literaturnoe obozrenie, S. 27–30. Van Gennep, Arnold (1909): Les rites de passage, Paris: Nourry.

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Die Autoren und Autorinnen

Yaraslava Ananka ist Slavistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören Exilschreiben, Postromantik und Dilettantismus, Ikonoklasmus in der postsowjetischen Kunst und Literatur sowie Ruralitätsdiskurse in Osteuropa. Ausgewählte Publikationen: Potemkinsche Dörfer der Idylle. Imaginationen und Imitationen des Ruralen in den europäischen Literaturen, hg. mit Magdalena Marszałek, Bielefeld 2018. »›Belarussische Rede‹: Performativität und Genese« (mit Heinrich Kirschbaum), in: Kenneth Hanshew et al. (Hg.): Texte prägen. Festschrift für Walter Koschmal. Wiesbaden 2017, 391–411. »Kain im Fegefeuer. Vladislav Chodasevičs Poetik des Dazwischen«, in: Nina Frieß et al. (Hg.): Grenzräume – Grenzbewegungen. Bd I. Potsdam 2016, 175–186. Diana Hitzke ist seit 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Slavistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen, von 2018 bis 2020 war sie auch wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Slavistik an der Technischen Universität Dresden. Sie studierte Allgemeine und vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft/Komparatistik, Musikwissenschaft und Slavische Literaturwissenschaft (Kroatisch) an der Justus-Liebig-Universität Gießen und an der Universität Zagreb. Die Promotion erfolgte 2013 im Rahmen der Plattform »Weltregionen & Interaktionen – Area Studies Transregional« an der Universität Erfurt zum nomadischen Schreiben nach dem Zerfall Jugoslawiens. Aktuelle Publikationen: Nach der Einsprachigkeit. Slavisch-deutsche Texte transkulturell, Berlin u.a. 2019. Taktungen und Rhythmen. Raumzeitli-

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Dominanz und Innovation

che Perspektiven interdisziplinär, hg. mit Sabine Schmolinsky und Heiner Stahl, Berlin 2019. Slavische Literaturen der Gegenwart als Weltliteratur. Hybride Konstellationen, hg. mit Miriam Finkelstein, Innsbruck 2018. Jeanne E. Glesener is associate professor in Luxembourgish Literature at the University of Luxembourg. She is a member of the committee ‘Comparative History of Literatures in European Languages’ of the International Comparative Literature Association. Her research fields are contemporary migration literature and small literatures in Europe. She has published on multilingual writing practices, intercultural transfer processes in and the history of Luxembourgish literature and the relationship between small literatures and world literature. Recent and future publications: Weltliteratur und Kleine Literaturen, ed. with Oliver Kohns, Paderborn 2021. “Kleine Literaturen: Eine Übersicht der Begrifflichkeiten”, in: Andreas Leben, Alenka Koron, (eds.): Literarische Mehrsprachigkeit im österreichischen und slowenischen Kontext, Tübingen 2019, 47–63. “The Periodical as a Strategy of Recognition for Small Literatures”, in: Interlitteraria, 1 (2015), 159–176. Mihai-D. Grigore, Studium der Orthodoxen Theologie/Historischen Theologie an der Universität Bukarest; Promotion in Kirchengeschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg; Postdoktorand am Max-Weber Kolleg und an der Plattform »Weltregionen und Interaktionen: Area Studies, Transregionally«; Habilitation in Erfurt im Fach Religionswissenschaft/Christentum; Stanley S. Seeger Fellow der Universität Princeton. Seit November 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz. Forschungsschwerpunkte: Christentumsgeschichte in der Vor- und Frühmoderne; Vergleichende Kirchen- und Religionsgeschichte; Ostkirchenkunde; Postbyzantinische Geistesgeschichte; Politische Semantik und Anthropologie in der Vor- und Frühmoderne. Aktuelle Publikationen: »Europa – Christianitas – Europa Christiana. Zur Geschichte eines umstrittenen Narratives anhand mittelalterlicher Quellen«, in: Michael Meyer-Blanck (Hg.): Christentum und Europa. XVI. Europäischer

Die Autoren und Autorinnen

Kongress für Theologie, Leipzig 2019, 457–473. »Gespaltene Orthodoxie in der Republik Moldau«, in: Religion & Gesellschaft in Ost und West 11 (2018), 12–14. »The Space of Power. Religious Policy as Instrument of Statal Consolidation in the Danube Principalities (14th to 16th centuries)«, in: Acta Poloniae Historica 116 (2017), 35–56. »The Past as Pre-Text. Neagoe Basarab and the Making of History in South-East Europe«, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 129/1 (2018), 29–40. Heinrich Kirschbaum ist Slavist und seit 2019 Professor für Slavische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören west-osteuropäische Literaturbeziehungen, Formalismus, Rhetorik und Parömiologie, Melancholie und Ekphrasis, russische, belarussische und polnische Lyrik. Ausgewählte Publikationen: »Valgally beloe vino … « Nemeckaja tema v poėzii O. Mandel’štama. [»Walhallas weißer Wein …« Das deutsche Thema in der Dichtung Osip Mandel’štams], Moskau 2010. Im intertextuellen Schlangennest. Adam Mickiewicz und polnisch-russisches (anti-)imperiales Schreiben. Frankfurt am Main et al. 2016. Wiedergänger, Pilger, Indianer. Polen-Metonymien im langen 19. Jahrhundert (Hg.), Frankfurt am Main et al. 2017. Renata Makarska, Professorin für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft Polnisch an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in Germersheim. Forschungsschwerpunkte: westslavische Kulturen des 20. und 21. Jahrhunderts (u.a. Migration, Mehrsprachigkeit, Regionalismus, Beziehungen zwischen Text und Bild, Übersetzungstheorien). Neueste Publikationen: Erweiterung des Horizonts. Fotoreportage in Polen im 20. Jahrhundert, hg. mit Iwona Kurz, Schamma Schahadat und Margarete Wach, Göttingen 2018. Wyjść tłumaczowi naprzeciw. Miejsce tłumacza w najnowszych badaniach translatologicznych, hg. mit Jadwiga Kita-Huber, Krakau 2020. Christian Prunitsch studierte von 1990–1997 Slavistik und Anglistik in Regensburg und Łódź. Dissertation zur sorbischen Lyrik 2000. Habilitation zu kleinen slavischen Kulturen 2005. Professur für Polnische

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Dominanz und Innovation

Landes- und Kulturstudien an der TU Dresden 2005, Widmungsänderung zu Westslavischer Literatur- und Kulturwissenschaft 2018. Seit 2006 wechselnde Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung. Forschungsschwerpunkte: Polnische und sorbische Literatur und Kultur. Katharina Tyran ist Universitätsassistentin (Post-Doc) am Institut für Slawistik der Universität Wien. Sie studierte in Wien und Zagreb und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Arbeit zu Sprach- und Identifikationsdiskursen bei den Burgenländischen Kroaten als grenzüberschreitende Minderheit/Volksgruppe. Ihre Forschungsschwerpunkte beinhalten soziolinguistische Fragestellungen mit einem Fokus auf Schrift und Graphie, Minderheitensprachen und Volksgruppen sowie Border Studies. Snežana Vuletić earned her doctoral title at two universities: at the International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) in Germany – under the supervision of Prof. Dr Ansgar Nünning – and at Stockholm University in Sweden – under the supervision of Prof. Dr. Stefan Helgesson. Her dissertation explores literary representations of Igbo identities in modern and contemporary Nigerian Anglophone literature. As a member of the Integrative Graduate Humanities Education and Research Training (IGHERT), she also participates in an international and interdisciplinary discussion on indigeneity. She is currently co-editing a volume entitled Indigeneity in the Humanities. Snežana is also engaged as reviewer in The Nordic Journal of African Studies. Her research interests include African Anglophone literatures, indigenous literatures and world literature, with particular focus on identity politics. Vuletić works as a research and teaching assistant in the English Department at Ludwig-Maximilian University in Munich.

Literaturwissenschaft Werner Sollors

Schrift in bildender Kunst Von ägyptischen Schreibern zu lesenden Madonnen September 2020, 150 S., kart., 14 Farbabbildungen, 5 SW-Abbildungen 16,50 € (DE), 978-3-8376-5298-7 E-Book: PDF: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-5298-1

Sascha Pöhlmann

Stadt und Straße Anfangsorte in der amerikanischen Literatur 2018, 266 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-4402-9 E-Book: PDF: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4402-3

Ulfried Reichardt, Regina Schober (eds.)

Laboring Bodies and the Quantified Self October 2020, 246 p., pb. 40,00 € (DE), 978-3-8376-4921-5 E-Book: PDF: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4921-9

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Literaturwissenschaft Renata Cornejo, Gesine Lenore Schiewer, Manfred Weinberg (Hg.)

Konzepte der Interkulturalität in der Germanistik weltweit August 2020, 432 S., kart., 6 SW-Abbildungen 50,00 € (DE), 978-3-8376-5041-9 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation PDF: ISBN 978-3-8394-5041-3

Claudia Öhlschläger (Hg.)

Urbane Kulturen und Räume intermedial Zur Lesbarkeit der Stadt in interdisziplinärer Perspektive Juli 2020, 258 S., kart., 10 SW-Abbildungen 40,00 € (DE), 978-3-8376-4884-3 E-Book: PDF: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4884-7

Wilhelm Amann, Till Dembeck, Dieter Heimböckel, Georg Mein, Gesine Lenore Schiewer, Heinz Sieburg (Hg.)

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 11. Jahrgang, 2020, Heft 1 August 2020, 226 S., kart. 12,80 € (DE), 978-3-8376-4944-4 E-Book: PDF: 12,80 € (DE), ISBN 978-3-8394-4944-8

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