Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern [1 ed.] 9783428548569, 9783428148561

Christina Dörr beschäftigt sich mit der strafrechtlichen Rechtfertigung in Fällen, in denen ein Rechtsgut einer Person v

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German Pages 369 Year 2016

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Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern [1 ed.]
 9783428548569, 9783428148561

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Schriften zum Strafrecht Band 291

Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern

Von

Christina Dörr

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTINA DÖRR

Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern

Schriften zum Strafrecht Band 291

Dogmatische Aspekte der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern

Von

Christina Dörr

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14856-1 (Print) ISBN 978-3-428-54856-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84856-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Vor der Veröffentlichung wurde sie nochmals überarbeitet und befindet sich nun auf dem Stand von November 2015. Mein ganz herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Hillenkamp für seine große Unterstützung während meiner gesamten Promotionszeit und außerdem für seine Bereitschaft, mich trotz seines bevorstehenden Ruhestands noch als Doktorandin anzunehmen. Prof. Hillenkamp hat schon im ersten Semester mein Interesse und meine Freude am Strafrecht geweckt und immer weiter verstärkt – auch hierfür möchte ich ihm meinen herzlichen Dank aussprechen! Herrn Prof. Dr. Wilfried Küper danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Der Studienstiftung des deutschen Volkes gilt mein Dank für die Gewährung eines Promotionsstipendiums, das es mir ermöglichte, mich vollständig auf die Arbeit an meiner Promotion konzentrieren zu können. Ferner soll – trotz § 762 I 1 2. Alt. BGB – mein ehemaliger Kommilitone Herr Stefan Bien nicht unerwähnt bleiben, dem ich bereits zu Studienzeiten einen Platz in diesem Vorwort reservierte. Ganz besonders danken möchte ich den Menschen in meinem privaten Umfeld, die mich während meiner Promotion stets begleitet haben und mir eine Stütze und Freude waren: – Meinen Eltern Helmut Dörr und Barbara Hügle-Dörr – meiner Mutter gilt dabei noch ein spezielles Dankeschön für ihre qualifizierte formale Korrektur meiner umfangreichen Arbeit –, meinem Bruder Felix Dörr sowie meinem leider kurz vor Abschluss der Promotion verstorbenen Großvater Paul Hügle. – Meinem Freundeskreis, dabei insbesondere meinen besten Freundinnen, die ich schon aus der Schule kenne und mit denen ich noch immer viel und gerne Zeit verbringe. – Und schließlich meinem Lebensgefährten Herrn Daniel Rodi, für viele fachlich weiterbringende Diskussionen, für ein stets offenes Ohr bei Unklarheiten und Fragen und ganz besonders dafür, dass er immer für mich da ist! Heidelberg, im Februar 2016

Christina Dörr

Inhaltsverzeichnis A. Einführung in die Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit . . .

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B. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Definition der Konstellation in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bedeutung des Wortzusatzes „Binnen“ – Unterscheidung zwischen reiner und partieller Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Begriffskomponente „Rechtsgut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition des Begriffs „Rechtsgut“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über die herkömmlichen Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . b) Beziehung des Rechtsgutsbegriffs zum Gegenstand des Strafrechts . . c) Eigene Herangehensweise: Der erweiterte Rechtsgutsbegriff . . . . . . 2. Unterschied zwischen „Rechtsgut“ und „Interesse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbstbestimmung im rechtsgutsbezogenen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgutscharakter der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Bedeutung der Selbstbestimmung im Zusammenhang tatbestandlich geschützter Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierte Betrachtung der tatbestandlichen Relevanz von Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Existenz und Bedeutung synthetischer Rechtsgüter . . . . . . . . . . . cc) Untersuchung der willensbasierten Delikte unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Begriffskomponente „Kollision“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Definition des Begriffs „Kollision“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme einer Kollision bei Betroffenheit einer einzigen Person . . . . . 3. Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Annahme einer Kollision bei bloßer Gefährdung eines Rechtsguts . . b) Annahme einer Kollision bei Betroffenheit des gleichen Rechtsguts in verschiedenen Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Annahme einer Kollision bei bloßer Ausübung der Selbstbestimmung – Differenzierung zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Annahme einer Kollision bei Lebensbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung zur Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 22

C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung und Voraussetzungen einer einheitlichen Handhabung der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 26 26 26 29 29 31 33 33 40 40 43 47 53 53 55 55 56 57

58 61 63 66 66

8

Inhaltsverzeichnis 1. Dogmatik als maßgeblicher Begründungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Untersuchung der Einschlägigkeit von Art. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit unter Berücksichtigung der entwickelten Systematik der Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Vergleichbarkeit der Fälle reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Untersuchung der wesentlichen Gleichheit: Die Maßgeblichkeit der Selbstbestimmung als entscheidendes Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Untersuchung hinsichtlich möglicher die Ungleichbehandlung rechtfertigender Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Struktureller Vergleich zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Betroffenheit des Lebens gegenüber der Selbstbestimmung als potentielles Unterscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 c) Ausblick auf den Charakter des einheitlichen Rechtfertigungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Vergleichbarkeit zwischen Fällen reiner und partieller Binnenkollision . . 80 3. Vergleichbarkeit der Fälle partieller Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Untersuchung der wesentlichen Gleichheit aller Fälle partieller Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Differenzierung nach möglichen auftretenden Konstellationen . . . . . 82 aa) Grundlegende Erörterung eines relevanten Definitionsmerkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Spezielle Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Beteiligung aller Drittrechtsgüter auf derselben Kollisionsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (3) Vergleichbarkeit innerhalb der entwickelten Untergruppen . . 87 III. Zusammenfassung zum Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . 91 I. § 34 StGB als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Eignung des § 34 StGB als allgemeingültiger Lösungsansatz . . . . . . . . . 93 a) Das Gefahrerfordernis des § 34 StGB als potentieller Hinderungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Konflikte der Anwendung bei Lebensbetroffenheit als potentieller Hinderungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Konkurrenzrechtlicher Ausschluss des § 34 StGB als potentieller Hinderungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Kongruenz des § 34 StGB mit der reinen Binnenkollision . . . . . . . . . . . . 100

Inhaltsverzeichnis

9

a) Berücksichtigung des hinter § 34 StGB stehenden Prinzips . . . . . . . . 102 aa) § 34 StGB als Ausdruck des formalen Abwägungsprinzips des überwiegenden Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (1) Darstellung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . 104 (3) Kritische Überprüfung des dargestellten Ansatzes als potentielles Prinzip des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) § 34 StGB als Ausdruck des utilitaristischen Prinzips des größtmöglichen Gesamtnutzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (1) Darstellung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . 111 (3) Kritische Überprüfung des dargestellten Ansatzes als potentielles Prinzip des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 cc) § 34 StGB als Ausdruck des Ersatzes bzw. der Repräsentation einer Staatspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (1) Darstellung entsprechender Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . 117 (3) Kritische Überprüfung der dargestellten Ansätze als potentielle Prinzipien des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 dd) § 34 StGB als Ausdruck des Prinzips wechselseitiger Mindestsolidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (1) Darstellung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . 124 (3) Kritische Überprüfung des dargestellten Ansatzes als potentielles Prinzip des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 ee) Konsequenzen für die Kongruenz des § 34 StGB mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Normstrukturelle Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Notstandshilfe . . . . 137 bb) Abweichung von der normtypischen Abwägungssituation . . . . . 138 cc) Fehlende Sinnhaftigkeit des „wesentlichen Überwiegens“ . . . . . 139 dd) Inkompatibilität mit der durch § 34 StGB statuierten Duldungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c) Konflikte mit der Wahrung des Autonomieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Erörterung einer Rechtfertigungsmöglichkeit gegen den Willen des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Erörterung der Rechtfertigungsmöglichkeit jedes willensgemäßen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc) Autonomiebezogene Gesamtbetrachtung des § 34 StGB . . . . . . 148 d) Bedeutung und Folgen der festgestellten Inkongruenz speziell auch für die konkurrenzrechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

10

Inhaltsverzeichnis 3. Sonderproblematik: Potentielle Umgehung der Einwilligungssperren durch § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung zur Heranziehung des § 34 StGB als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Einwilligungsregeln als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Untersuchung der Einwilligung als taugliche Rechtfertigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematische Einordnung der Einwilligung in den Deliktsaufbau . . aa) Erörterung einer generell tatbestandsausschließenden Wirkung der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Argumentation für eine Einordnung als Tatbestandsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Argumentation für eine Einordnung als Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einordnung der Zustimmung bei willensbasierten Delikten . . . . b) Das Rechtfertigungsprinzip der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der abwägungsbasierte Erklärungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . (3) Kritische Betrachtung des dargestellten Ansatzes . . . . . . . . . . bb) Der Erklärungsansatz der fehlenden Schutzwürdigkeit . . . . . . . . (1) Darstellung der jeweiligen Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . (3) Kritische Betrachtung des dargestellten Ansatzes und seiner Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchung der mutmaßlichen Einwilligung als taugliche Rechtfertigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematische Einordnung der mutmaßlichen Einwilligung in den Deliktsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Rechtfertigungsprinzip der mutmaßlichen Einwilligung . . . . . . . aa) Der objektiv-abwägungsbasierte Erklärungsansatz . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . (3) Kritische Betrachtung des dargestellten Ansatzes . . . . . . . . . . bb) Der autonome willensbezogene Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Darstellung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . (3) Kritische Betrachtung des dargestellten Prinzips . . . . . . . . . . c) Binnenkollisionsspezifische Untersuchung der Fallgruppen mutmaßlicher Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Darstellung der Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 153 157 159 159 161 161 163 168 170 172 172 174 175 177 177 180 182 186 186 188 189 189 191 193 195 195 199 202 208 209

Inhaltsverzeichnis

11

bb) Binnenkollisionsbezogene Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Existenz und Ausprägung einer verkörperten Binnenkollision bezogen auf die Unterscheidung im engeren bzw. im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Differenzierung nach der Repräsentation einer reinen bzw. partiellen Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konsequenzen für die Heranziehung der mutmaßlichen Einwilligung in Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . 3. Die Einwilligungsregeln als gemeinsamer allgemeingültiger Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vergleichbarkeit von Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung b) Sonstige allgemeingültigkeitsbezogene Aspekte der Einwilligungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung zur Heranziehung der Einwilligungsregeln als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtfertigungsgrund im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die wesentlichen Charakteristika des Rechtfertigungsgrundes . . . . . . . . 3. Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergänzende Untersuchung der Allgemeingültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung zur Heranziehung der Geschäftsführung ohne Auftrag als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision . . IV. Untersuchung sonstiger potentieller Rechtfertigungsansätze bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis zur Suche eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes bei reiner Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

E. Die sachgerechten Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision . . I. Beteiligung aller Drittrechtsgüter auf derselben Kollisionsseite . . . . . . . . . . 1. Parallelität aller Drittrechtsgüter mit der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln . . . . . . . . b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antagonistische Positionierung aller Drittrechtsgüter zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln . . . . . . . . b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten . . 1. Parallelität aller beteiligten Rechtsgüter Selbstbestimmung sowie Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln . . . . . . . .

247 252

209 211 214 215 215 219 222 226 229 232 233 240 241 243 245

252 253 254 256 258 260 263 263 265

12

Inhaltsverzeichnis b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antagonistische Positionierung der beteiligten Rechtsgüter Selbstbestimmung bzw. Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit . . . . . . . a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln . . . . . . . . . b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auseinandersetzung mit potentiellen Ungereimtheiten bei einem Vergleich der entwickelten Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung zur Suche der sachgerechten Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln . . . . . . . . . . I. Untersuchung der Einwilligungssperren aus binnenkollisionsspezifischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Einwilligungssperre aus § 216 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als betroffenes Drittrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herleitung und Inhalt der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als Schutzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Beteiligung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Binnenkollisionsspezifische Betrachtung der Rechtfertigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Einwilligungssperre aus § 228 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausblick auf sonstige potentielle Einwilligungssperren . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das herkömmliche Verständnis einer Einwilligung in eine Gefährdung . . 2. Untersuchung einer potentiellen Identität von erfolgs- und gefährdungsbezogener Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen für die Einwilligungsmöglichkeit bei Lebensgefährdungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit . . . . 1. Die herkömmliche Handhabung im Falle fehlender Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die mutmaßliche Einwilligung als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei Einwilligungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen einer derartigen Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung zu den Folgeproblemen im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266 267 269 269 271 274 278 279 279 280 280 284 289 290 294 297 301 302 306 309 310 311 313 320 322

G. Erörterung der Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 I. Lebensgefährliche Rettungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 II. Anerkannte Sterbehilfekonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Inhaltsverzeichnis 1. Der Behandlungsabbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die indirekte Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhinderung eines Suizids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung zur Erörterung der Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 330 334 338 344

H. Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließendes Fazit . . . . . . . . . . . . . 346 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. Abschn. AcP AE a. F. AL AMG Art. AT Aufl. Bandred. BeckOK Begr. Bes. SchuldR BGB BGH BGHSt BLJ BT BT-Drucks. BVerfGG bzw. DNotZ EL EuR f. ff. FG RG Fn. Frankfurt a. M. FS GA Gesamtred.

andere Ansicht am angegebenen Ort Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis Alternativentwurf alte Fassung Ad Legendum Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln Artikel Allgemeiner Teil Auflage Bandredakteur(e) Beck’scher Online-Kommentar Begründer Besonderes Schuldrecht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bucerius Law Journal Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Gesetz über das Bundesverfassungsgericht beziehungsweise Deutsche Notar-Zeitschrift Ergänzungslieferung Europarecht folgende fortfolgende Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts Fußnote Frankfurt am Main Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gesamtredaktion

Abkürzungsverzeichnis GG GS HK-GS h. M. HRRS Hrsg. insbes. i. S. d. i.V. m. JA JR Jura JuS JZ Kap. KFZ KJ LK LPK MDR MedR MK MschrKrim m.w. N. NJW NK Nr. NStZ NStZ-RR NZV OLG PflVG Red. RGSt Rn. S. SchuldR. SK sog. StGB StV

15

Grundgesetz Gedächtnisschrift Handkommentar Gesamtes Strafrecht herrschende Meinung Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Herausgeber insbesondere im Sinne der in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung JuristenZeitung Kapitel Kraftfahrzeug Kritische Justiz Leipziger Kommentar Lehr- und Praxiskommentar Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht Münchener Kommentar Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift NomosKommentar Strafgesetzbuch Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Oberlandesgericht Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter Redakteur(e) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Seite/innerhalb einer Norm: Satz Schuldrecht Systematischer Kommentar sogenannte/r/n Strafgesetzbuch Strafverteidiger

16 TierschG u. a. v. VG vgl. Vor VwGO z. B. ZfL ZIS ZJS ZRP ZStW

Abkürzungsverzeichnis Tierschutzgesetz und andere von Verwaltungsgericht vergleiche Vorbemerkungen zu Verwaltungsgerichtsordnung zum Beispiel Zeitschrift für Lebensrecht Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

A. Einführung in die Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Im Kontext strafrechtlicher Rechtfertigung stellt die Binnenkollision von Rechtsgütern kein seltenes Phänomen dar. Ein häufig aufgegriffenes Beispiel ist etwa der sogenannte „Brand-Rettungsfall“ 1, bei dem eine Person – je nach Fallgestaltung der Vater oder ein Feuerwehrmann – ein Kind aus dem Fenster eines brennenden Hauses in die Arme eines auffangbereiten Retters wirft, um es vor dem ansonsten drohenden Tod durch die Flammen oder den Rauch zu retten. Dabei wird eine Verletzung oder gar Tötung des Kindes in Kauf genommen.2 Weitere relevante Beispiele stellen Konstellationen der Sterbehilfe3, die Verhinderung eines Suizids sowie notfallmäßige, oft lebensgefährliche Rettungsmaßnahmen im medizinischen Kontext dar.4 Minder dramatisch, aber nicht weniger verbreitet ist auch das Beispiel des Eindringens in ein Haus, unter Umständen bei gleichzeitiger Beschädigung von Fenstern oder Türen, um den Wasserfluss einer schadhaften Wasserleitung aufzuhalten und somit größere Schäden für den Eigentümer zu verhindern.5 In die gleiche Richtung geht das gewaltsame Aufbrechen der Tür eines fremden Hauses, aus dem Rauch dringt.6 Alle aufgeführten Fälle weisen eine Gemeinsamkeit auf: Ein Dritter opfert oder gefährdet ein Rechtsgut des Betroffenen, um ein anderes derselben Person 1

So bezeichnet von Kühl, AT, § 8 Rn. 34. Diese Konstellation lag einem vom BGH entschiedenen, in JZ 1973, 173 f. veröffentlichten Fall zugrunde, auch wenn es dort nicht um die Frage der Rechtfertigung des Handelns, sondern um die Strafbarkeit des Nichthandelns ging; siehe dazu die Besprechung von Ulsenheimer, JuS 1972, 252 ff., sowie zur Sachverhaltsdarstellung ausführlich Dallinger, MDR 1971, 361, 361. In der hier angesprochenen Konstellation wird der Fall z. B. aufgegriffen bei Jakobs, AT, Abschn. 13 Rn. 30; Roxin, AT I, § 16 Rn. 102; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9 Rn. 106; Welzel, Strafrecht, S. 91 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 9 Rn. 476; Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 8a; Zieschang, in: LKStGB, § 34 Rn. 59, 61. 3 Die Bezeichnung eines Verhaltens als „Sterbehilfe“ wird in der Literatur zum Teil kritisch betrachtet, vgl. Schöch/Verell, GA 2005, 553, 560. Im Folgenden soll dieser derzeit noch überwiegend gebrauchte Begriff jedoch weiterhin verwendet werden. Vgl. ausführlich zum Begriff „Sterbehilfe“ und möglichen alternativen Bezeichnungen Hillenkamp, in: Handbuch Sterben und Menschenwürde I, S. 349, 350 ff. 4 Vgl. zu diesen Beispielen im genannten Zusammenhang auch Engländer, GA 2010, 15, 17, 25 f. 5 Jescheck/Weigend, AT, S. 386; Roxin, AT I, § 18 Rn. 5; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9 Rn. 32; Welzel, Strafrecht, S. 92; siehe auch bereits Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 106. 6 Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55. 2

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A. Einführung in die Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

zu retten. Die betreffenden Rechtsgüter stehen also demselben Rechtsgutsträger zu. Angesichts dieser Gleichartigkeit der Grundsituation mutet es auf den ersten Blick inkonsequent an, dass sich die Parallelität nicht auch in der Rechtfertigung der Konstellationen widerspiegelt. Während nämlich grundsätzlich in derartigen Fällen auf die Einwilligungsregeln, das heißt konkret die Rechtfertigungsgründe der Einwilligung und mutmaßlichen Einwilligung, abgestellt wird, kommt in den Fällen, in denen diese an ihre Grenzen stoßen, häufig der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB zum Tragen.7 Die unterschiedliche Handhabung zeigt sich exemplarisch auch im Vergleich der Lösung zweier der genannten prominenten Beispielsfälle. Die „schadhafte Wasserleitung“ fungiert als typisches Beispiel für das Eingreifen einer mutmaßlichen Einwilligung,8 der „Brand-Rettungsfall“ hingegen wird überwiegend im Zusammenhang mit § 34 StGB erörtert und dementsprechend gelöst.9 Deutlich erkennbar ist die Intention hinter der genannten Vorgehensweise. Die Anwendung des § 34 StGB in den „kritischen“ Fällen dient dazu, die durch die Einwilligungsregeln begründeten Hindernisse zu umgehen und auf diesem Wege ergebnisorientiert die Rechtfertigung des Handelns zu ermöglichen.10 Konkret wird dies relevant, wenn über das betroffene Rechtsgut, insbesondere das Leben, nicht verfügt werden kann, sowie teils bei fehlender Einwilligungsfähigkeit.11 Die Wahl des Rechtfertigungsgrundes ist indes keine praktische, sondern eine dogmatische Frage. Dogmatik wiederum zeichnet sich dadurch aus, in sich schlüssige und allgemeingültige Regeln und Systematisierungen zu entwickeln, an denen sich das Recht dem Aufbau und der Konzeption nach orientiert.12 Eine 7 Siehe dazu etwa Roxin, AT I, § 16 Rn. 101 f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 9 Rn. 476; Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 60 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 34 Rn. 4; Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 8a; Boll, S. 108 f.; Merkel, S. 154 f.; Thiel, S. 95 f.; für eine durchgehende, wenn auch analoge, Anwendung des § 34 StGB allerdings Wollschläger, S. 273, 275, dessen Argumentation jedoch schwerpunktmäßig auf das Zivilrecht ausgerichtet ist. 8 Wie sich den in Fn. 5 Abschn. A. genannten Nachweisen entnehmen lässt; mit Ausnahme von Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 106, der eine Rechtfertigung über die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag vorschlägt. Siehe aber Heidner, S. 169 zur Erfassung auch des Beispiels der geplatzten Wasserleitung durch § 34 StGB. 9 So von allen in Fn. 2 Abschn. A. genannten Autoren der Lehrbücher und Kommentarliteratur; Welzel, Strafrecht, S. 91 f. allerdings noch zur Rechtslage vor der Normierung des § 34 StGB unter Anwendung des diesem entsprechenden übergesetzlichen rechtfertigenden Notstands. 10 Kritisch zu dieser Vorgehensweise aber Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 32. 11 Vgl. zu diesen Konstellationen Schmitz, S. 20 ff. In den Fällen, in denen gegen den Willen des Betroffenen gehandelt wird, wird herkömmlicherweise lediglich bei Gefährdung des Lebens eine Rechtfertigungsmöglichkeit durch § 34 StGB eröffnet. Daher sollte man diese entgegen Schmitz, S. 25 ff. nicht als eigenständige Fallgruppe der Anwendung des rechtfertigenden Notstands ansehen, sondern besser im Zusammenhang mit den Fällen der Lebensbetroffenheit klassifizieren. 12 Vgl. dazu Würtenberger, in: Rechtsdogmatik, S. 3, 6. Siehe allgemein zu Begriff, Geschichte und Entwicklung von Dogmatik die Abhandlung von Herberger, 1981.

A. Einführung in die Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

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Argumentation rein vom Ergebnis her erscheint dabei nicht zulässig.13 Zwar ist das Ergebnis im Rahmen einer dogmatischen Herangehensweise nicht zwingend bedeutungslos. Ihm kann insoweit jedoch allenfalls eine Überprüfungs- oder Begrenzungsfunktion zukommen.14 Das Bewertungsergebnis darf der zugrunde liegenden Dogmatik aber nicht überlegen sein, um die Gefahr einer Beliebigkeit in der Entscheidungsfindung zu verhindern.15 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen stellt sich die Frage, wie eine dogmatisch konsequente Lösung der Problematik ausgestaltet sein sollte und ob die herrschende unterschiedliche Handhabung der anzuwendenden Rechtfertigungsgründe damit in Einklang steht. In der Literatur wird jener Thematik bislang nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Problemkreis „Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern“ wird zwar nicht völlig aus der strafrechtlichen Behandlung ausgeklammert.16 Auch die mögliche Inkonsequenz in der Wahl des Rechtfertigungsgrundes ist vereinzelt als problematisch herausgestellt worden.17 Insgesamt handelt es sich jedoch zumeist nur um fragmentarische Erörterungen, die spezielle Problempunkte herausgreifen. So wird die Frage nach der Behandlung einer Binnenkollision von Rechtsgütern insbesondere im Rahmen der Diskussion um die sogenannte indirekte Sterbehilfe angesprochen18 und damit eine Sonderproblematik, nämlich der Bezug zu dem Rechtsgut Leben und der Einwilligungssperre aus § 216 StGB, fokussiert. Hinsichtlich der dogmatischen Aspekte finden sich in den meisten Fällen – wenn überhaupt – schwerpunktmäßig Ausführungen zur strukturellen und teleologischen Anwendbarkeit des § 34 StGB.19 Soweit bisher ersichtlich, liefern lediglich zwei Autoren eine allein und explizit den Themenbereich der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern betreffende allgemeine Abhandlung: Engländer widmet sich der Thematik in einem Beitrag in Goltdammer’s Archiv für Strafrecht mit dem Titel „Die Anwendbarkeit von § 34 StGB auf intrapersonale Interessenkollisionen“ aus dem Jahr 2010,20 wenngleich

13 Siehe zur Ablehnung einer primär ergebnisorientierten Begründung im Recht auch die Ausführungen bei Larenz, Methodenlehre, S. 156. 14 Vgl. diesbezüglich etwa die Bedeutung des § 34 S. 2 StGB als Ausdruck von Abwägungsgrenzen, wozu unter D. I. 2. a) aa) (3) nähere Erörterungen folgen, oder das argumentum ad absurdum, das eine ergebnisbasierte Argumentationsmöglichkeit zur Überprüfung bzw. Korrektur eines gefundenen Ergebnisses darstellt. Siehe ausführlich zum argumentum ad absurdum Stellhorn, ZJS 2014, 467 ff. 15 Vgl. Joerden, in: FS Roxin 2011, S. 593, 606. 16 Siehe etwa Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 32 ff.; Merkel, S. 154 f., 528 f. 17 Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 32. 18 Exemplarisch dafür Neumann, in: FS Herzberg, S. 575 ff. 19 Vgl. etwa Knauf, S. 83 ff.; Trück, S. 87 ff. Kurze Erwägungen zu diesem Problemkreis lassen sich ebenfalls etwa bei Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9; Fisch, S. 106 finden. 20 GA 2010, 15 ff.

20

A. Einführung in die Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

auch hier der Schwerpunkt auf der Erfassung der Konstellation durch § 34 StGB, speziell unter Berücksichtigung von dessen Telos, liegt. Letzteres gilt auch für die zweite eigenständige Abhandlung in diesem Kontext, die von Schmitz im Jahre 2013 unter dem Titel „Rechtfertigender Notstand bei internen Interessenkollisionen“ veröffentlicht wurde. Diese stellt § 34 StGB in den Mittelpunkt und erörtert sehr ausführlich dessen dogmatische Kongruenz mit der aufgeworfenen Konstellation. Daneben werden auch andere, innerhalb der betreffenden Konstellation wichtige Punkte behandelt und in Hinblick darauf fruchtbare Ergebnisse erzielt. Charakteristisch für diese Arbeit ist jedoch, dass der Autor die einfach gelagerten Fälle der Betroffenheit desselben Rechtsgutsträgers für wissenschaftlich nicht diskussionsbedürftig erachtet und daher lediglich die einleitend erwähnten „Problemfälle“ zum Ausgangspunkt seiner Erörterung macht.21 Dementsprechend stehen fast durchweg die „kritischen“ Sachverhalte im Mittelpunkt der Diskussion. Über § 34 StGB hinausgehende vereinzelte abstrakte Erwägungen, die auf unproblematische Konstellationen passen,22 fallen als solche nicht ins Gewicht, sondern dienen im Ergebnis wieder der Behandlung der Sonderfälle.23 Damit fehlt es auch mit dieser Abhandlung nach wie vor an der Behandlung des dogmatischen Fundaments der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern, genauer an einer Systematisierung, die die Grundlagen ergebnisoffen und abstrakt erforscht. Ein solches Vorgehen ist jedoch erforderlich, um Parallelen und Unterschiede zwischen den einzelnen Fallgruppen herauszuarbeiten und damit die Basis für die Bewertung der unterschiedlichen Handhabung in Hinblick auf eine mögliche Inkonsequenz zu finden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die aufgezeigte Lücke in der wissenschaftlichen Erörterung zu schließen und weiteres „Licht in das Dunkel“ dieser juristisch noch nicht besonders durchdrungenen Konstellation zu bringen. Konkret gesprochen wird die Problematik der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern zunächst rechtlich konturiert, um dann eine stringente dogmatische Lösung zu finden, die auch die praxisrelevanten Fälle wissenschaftlich zufriedenstellend behandeln kann. Als Basis für alle weiteren Erwägungen soll zunächst eine einheitliche und treffende Begrifflichkeit der zu thematisierenden Fallgestaltung festgelegt werden. Dabei gilt es, genau zu untersuchen, ob alle Komponenten jenes Begriffs mit der hier einschlägigen Konstellation kongruent sind. Gegebenenfalls müssen an dieser Stelle bereits notwendige Systematisierungen und Differenzierungen vorgenommen werden. Voraussetzung für die Notwendigkeit einer einheitlichen Behandlung der betreffenden Problemkonstellation – und nächster Untersu21

Schmitz, S. 20; vgl. dort auch S. 101 Fn. 190. Vgl. etwa die Erwägungen bei Schmitz in Teil D., S. 71 ff. 23 So stellt Schmitz beispielsweise bereits auf S. 85 ff. wieder den Bezug zu den Sonderfällen her. 22

A. Einführung in die Problemstellung, Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

21

chungsgegenstand – ist die Frage, ob überhaupt in allen genannten Beispielen inhaltlich vergleichbare Situationen vorliegen. Anderenfalls kann aus einer unterschiedlichen Handhabung in Bezug auf die Wahl des Rechtfertigungsgrundes keine Kritik hergeleitet werden. Sollte eine gemeinsame Vergleichsgrundlage gefunden und jedenfalls insofern die Notwendigkeit einer einheitlichen Betrachtung festgelegt werden, stellt sich weitergehend die Frage, wie eine diesbezügliche in sich konsequente Rechtfertigung konkret auszusehen hat. Dafür müssen zunächst die verschiedenen in Betracht kommenden Rechtfertigungsansätze aufgezeigt werden. Das Hauptaugenmerk wird entsprechend den gängig gebrauchten Möglichkeiten auf dem rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB sowie auf der Einwilligung bzw. der mutmaßlichen Einwilligung liegen. Auch speziell der Geschäftsführung ohne Aufrag soll nähere Beachtung geschenkt werden. Erforderlich ist eine tiefgehende Untersuchung der rechtlichen Instrumente insbesondere dahingehend, ob sie dem Telos und der Struktur nach im Fall einer Binnenkollision Anwendung finden können. Allgemeine Charakterisierungen der jeweiligen Rechtfertigungsgründe sind dafür unerlässlich. Ist ein passender Rechtfertigungsansatz gefunden worden, so gilt es zu überprüfen, welche Probleme sich bei dessen Anwendung ergeben können. Um die angesprochene Ergebnisorientierung zu vermeiden, dürfen derartige potentielle Problematiken keinen Einfluss auf die vorangegangene Auswahlentscheidung haben, was deren Erörterung erst an jener späteren Stelle bedingt. Im Speziellen24 wird hierbei zum einen auf die Einwilligungssperren in Hinblick auf deren Struktur aus binnenkollisionsspezifischer Perspektive einzugehen sein. Des Weiteren sind die im Rahmen der Rechtfertigung bei Binnenkollision häufig relevant werdenden Fragen nach der rechtlichen Einordnung der Einwilligung in eine Gefährdung sowie der Rechtfertigung bei Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen zu thematisieren. Auch wenn die Dogmatik das Fundament der Rechtsanwendung darstellt und daher eine diesbezügliche Forschung unerlässlich ist, muss das Recht auch in der Praxis handhabbar sein. Daher gilt es, im Anschluss an die abstrakten Erwägungen kurz die Anwendbarkeit der entwickelten Grundsätze auf konkrete Sachverhalte zu untersuchen und dabei eventuelle Spezifika herauszukristallisieren. Hierbei sollen die Fälle der lebensgefährlichen Rettungsmaßnahmen, der Sterbehilfe sowie der zwangsweisen Verhinderung eines Suizids behandelt werden.

24 Dieser Ausblick impliziert notwendigerweise einen Vorgriff auf die Wahl eines passenden Rechtfertigungsgrundes.

B. Begriffsbestimmung Hinsichtlich der hier zu untersuchenden Konstellation wurde im Sinne einer Arbeitshypothese der Begriff „Binnenkollision von Rechtsgütern“ verwendet. Dieser soll im Folgenden auf seine Berechtigung hin untersucht werden.

I. Definition der Konstellation in der Literatur Zunächst ist ein Blick auf die Charakterisierung jener Fallgestaltung in der vorhandenen Literatur zu werfen. Auf diese Weise lässt sich ein Überblick hinsichtlich des derzeitigen Standes der Wissenschaft erlangen. Außerdem können mögliche alternative Begriffe dem hier entwickelten gegenübergestellt werden, um im Endeffekt die angemessenste Bezeichnung herauszuarbeiten. In der Fachliteratur wird die zu untersuchende Konstellation häufig lediglich umschrieben.1 So wird etwa ausgeführt, dass es sich um eine Fallgestaltung handle, in der „höherwertige Interessen ein und desselben Rechtsgutsträgers auf Kosten eines weniger wertvollen Gutes zu retten“ seien,2 oder „dass Erhaltungsund Eingriffsgut demselben Rechtsgutsträger zustehen“ 3. Auch wird von einer „Kollision innerhalb der Hoheitssphäre desselben Berechtigten“ gesprochen, in der der Betroffene eine „Doppelrolle als Verletzter und Berechtigter“ inne habe.4 Wenn keine Umschreibung verwendet wird, lassen sich vielfach die Begriffe „intrapersonaler [Interessen]Konflikt“ 5 oder „intrapersonale Interessenkollision“ 6 finden. Unter Verwendung eines ähnlichen Adjektivs ist häufig auch die Rede von einem „internen Interessenkonflikt“ 7 bzw. einer „internen Interessenkolli-

1 Neben den im Text explizit dargestellten Umschreibungen finden sich weitere z. B. bei Kühl, AT, § 8 Rn. 34; Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 30; Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 60; Kindhäuser, LPK-StGB, § 34 Rn. 39. 2 Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 9 Rn. 476. 3 Roxin, AT I, § 16 Rn. 101. 4 Schmidhäuser, AT Studienbuch, Abschn. 6 Rn. 87. 5 Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9; Knauf, S. 83. Für hier und im Folgenden ist darauf hinzuweisen, dass die genannten Begriffsbezeichnungen keine wörtlichen Zitate sind, sondern den gewählten Begriff unabhängig von dem in der Quelle gewählten Kasus und Numerus sowie dort zusätzlich verwendeten Anführungszeichen oder Hervorhebungen darstellen. 6 Engländer, GA 2010, 15 ff. 7 Fisch, S. 107.

I. Definition der Konstellation in der Literatur

23

sion“ 8. Während somit bei der Wahl der Attribute „intern“ bzw. „intrapersonal“ charakteristisch ist, dominiert hinsichtlich des Gegenstandes die Betonung von „Interessen“, allerdings wird teils auch der hier in Rede gestellte Begriffsteil „Rechtsgut“ erwähnt und etwa von einer „internen Güterkollision“ 9 gesprochen. Die Beschreibung als „Kollision“ ist neben der als „Konflikt“ ebenfalls häufiger Bestandteil. Insofern zeigt sich in Teilelementen eine Kongruenz mit dem hier gewählten Begriff. Dessen Charakteristikum, nämlich die Bezeichnung als „Binnenkollision“, wird hingegen im betreffenden Zusammenhang nur vereinzelt erwähnt.10 Der im Arbeitstitel verwendete Begriff „Binnenkollision von Rechtsgütern“ als Ganzes stellt, soweit ersichtlich, noch keine gängige Bezeichnung dar. Als wichtiges Ergebnis hat sich darüber hinaus gezeigt, dass in Hinblick auf jene Konstellation bislang keine einheitliche Begrifflichkeit besteht. Da es sich um eine weitgreifende und facettenreiche Fallkonstellation handelt, ist die Benutzung eines einheitlichen Fachbegriffs aber geboten, um Übersichtlichkeit herzustellen und Geschlossenheit auszudrücken. Dies lässt sich am besten erreichen, wenn ein zweifelsfrei passender Begriff geschaffen wird, der durch seine akkurate Kongruenz mit sämtlichen zu erfassenden Situationen bestechen und sich damit unter Umständen auch in der Literatur als einheitlich verwendeter Ausdruck durchsetzen kann. Unter Berücksichtigung dieses Anliegens wird im Folgenden der vorgeschlagene Begriff „Binnenkollision von Rechtsgütern“ eingehend analysiert werden. Aufgrund der Tatsache, dass es den Begriff in dieser konkreten Zusammensetzung noch nicht gibt, müssen die einzelnen Komponenten unter Umständen in anderen Zusammenhängen aufgegriffen und untersucht werden. Dabei ist jedoch immer zu berücksichtigen, ob Besonderheiten existieren, die nur auf den geregelten Fall zutreffen und daher unter Umständen für die Untersuchung der hier relevanten „Binnenkollision“ modifiziert werden müssen.

8 So Schmitz schon im Titel seiner Monographie und auch in deren Text, wobei er auf S. 16 auch die mögliche Bezeichnung als „intrapersonalen Interessenkonflikt“ erwähnt. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 581 verwendet die Bezeichnung „interne (intrapersonale) Interessenkollision“. 9 Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 54; Lanzrath/große Deters, HRRS 2011, 161, 162; Uhlig/Joerden, AL 2011, 369, 374; Wollschläger, S. 275; nicht einheitlich insofern Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32, wo sich in Rn. 33 der Terminus „interne Interessenkonflikte“ finden lässt, später aber in Rn. 55 auch das „Gut“ in Form von „interner Güter- und Interessenkollision“ erwähnt wird. Siehe zur Verwendung des Begriffs „Rechtsgüterkollision“ in jenem Zusammenhang auch Rudolphi, in: GS Kaufmann, S. 371, 393. 10 Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 110 f., 113; Glöckner, S. 97; Merkel, S. 155. Vgl. zur Verwendung jenes Ausdrucks außerhalb des hier relevanten Zusammenhangs etwa Dammann, S. 248 im Kontext der europäischen Grundfreiheiten.

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B. Begriffsbestimmung

II. Die Bedeutung des Wortzusatzes „Binnen“ – Unterscheidung zwischen reiner und partieller Binnenkollision Der Wortzusatz „Binnen“ verdeutlicht, dass sich ein relevantes Objekt oder Ereignis innerhalb konkret gezogener Grenzen befindet, sprich dass ein Innenraum betroffen ist. Bekannt ist dieser Terminus vorwiegend aus anderen Gebieten als dem Strafrecht. So kennt man beispielsweise den Begriff „Binnengewässer“, speziell darunter fallend auch die sogenannte „Binnenalster“ in Hamburg. Auch „Binnenschifffahrt“ oder „Binnenmarkt“ sind gängige Bezeichnungen, denen unmittelbar ein Innenraumbezug anhaftet. Die damit verbundene bildliche Vorstellung lässt sich auf den einzelnen Betroffenen in der hier relevanten Fallkonstellation projizieren. In dessen „Innenbereich“ nämlich, sprich allein im Bereich der ihm zustehenden Rechte, spielt sich die Kollisionssituation ab. Der genannte Assoziationsfaktor, der die Grundkonstellation eindeutig hervorbringt, ist als Vorteil gegenüber den synonym verwendeten Attributen „intern“ und „intrapersonal“ zu erachten. Des Weiteren kann man den Zusatz „Binnen“ leicht mit „Kollision“ zu einem Wort verknüpfen. Dies dient im Vergleich zu den sonstigen genannten Begriffen der Vereinfachung sowie folglich der besseren Adaptionsmöglichkeit des Begriffs11 aus semantischer Sicht. Mit der Verwendung des Zusatzes „Binnen“ hat man folglich eine eingängige und gut verständliche Komponente, die das Charakteristische der Situation treffend beschreibt und sich aus diesem Grunde als allgemeingültiges Element zur Situationsbeschreibung gut eignet. Fraglich erscheint allein die Reichweite dessen, was man unter diesen Begriff subsumieren kann. Handelt es sich nur dann begrifflich um eine Binnenkollision, wenn einzig und allein Rechtsgüter einer Person involviert sind? Oder kann man auch von einer Binnenkollision sprechen, wenn auf der einen oder anderen Seite der Kollisionslage, gegebenenfalls auch auf beiden, Rechtsgüter von Dritten12 hinzutreten? Ersteres ist freilich der Paradefall, der vielen der eingangs aufgezählten Situationen zu Grunde liegt.13 Beispiele für die zweite Konstellation lassen sich jedoch einfach bilden, indem man die herkömmlichen Fälle leicht abwandelt. Man nehme etwa die Variation, dass das gewaltsame Öffnen einer Tür mit dem Ziel, den Wasserfluss einer schadhaften Wasserleitung aufzuhalten, nicht nur zur Rettung von Gütern des betroffenen Eigentümers erfolgt, sondern auch zu Gunsten 11 Die Verwendung des Teilelements „Kollision“ erfolgt hier sowie im weiteren Verlauf dieses Unterabschnitts unter der Prämisse, dass es sich später als sachgerecht herausstellen und daher verwendet werden wird. Dies wird unter dem Gliederungspunkt B. IV. noch näher erörtert werden. 12 „Dritter“ ist dabei im Sinne einer von dem Binnenbetroffenen verschiedenen Person zu verstehen. Rechtsgüter eines Dritten könnten Güter des Handelnden oder eines davon unabhängigen Dritten sein. 13 Die Abhandlung von Schmitz ist auf die Behandlung jener Konstellation beschränkt, vgl. dort S. 39.

II. Die Bedeutung des Wortzusatzes „Binnen‘‘

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derer eines ebenfalls im Haus wohnenden Mieters. Auch hierbei stehen sich Rechtsgüter derselben Person gegenüber, nämlich das Inventar als durch den drohenden Wasserschaden in seinem Bestand gefährdetes Eigentum des Hauseigentümers, dessen Bewahrung gegen das Eigentum an der Tür desselben Berechtigten streitet.14 Die Lage wird lediglich ergänzt durch das Hinzutreten weiterer Güter einer anderen Person. Das ändert aber nichts daran, dass auch der „Innenraum“, sprich der „Binnen“-Bereich einer Person betroffen ist. Daher muss man die Bezeichnung „Binnenkollision“ immer dann als einschlägig ansehen, wenn sich Rechtsgüter derselben Person gegenüber stehen, unabhängig davon, was additiv hinzu kommt. Um aber die offensichtlich bestehenden Unterschiede zwischen den beiden Konstellationen deutlich zu machen, bietet es sich an, die Grundkonstellation der Binnenbetroffenheit näher zu beschreiben und begrifflich zu verankern. Handelt es sich demnach um die Situation, dass lediglich Rechtsgüter ein und derselben Person beteiligt sind, so wird im Folgenden von „reiner Binnenkollision“ gesprochen. Demgegenüber soll die Fallgestaltung, dass mindestens ein Rechtsgut eines Dritten zu der Binnensituation hinzutritt, als „partielle Binnenkollision“ bezeichnet werden. Hinsichtlich der partiellen Binnenkollision ist noch eine Klarstellung erforderlich. In den allermeisten Situationen werden auf irgendeine Art und Weise Rechtsgüter Dritter beteiligt sein, speziell wenn es hinsichtlich der Binnensituation um persönliche Rechtsgüter wie Gesundheit oder Leben geht. Ohne eine genaue Einordnung unter den Rechtsgutsbegriff vornehmen zu wollen, ist hierbei an Ansprüche von Verwandten oder Ehegatten auf Unterhalt15 oder an das elterliche Erziehungsrecht16 zu denken. Für eine reine Situationsbeschreibung kann es nicht darauf ankommen, inwieweit diese Positionen Dritter inhaltlich mit den betroffenen Gütern der jeweiligen „Binnenperson“ in Einklang stehen.17 Die hier 14 Das unter Umständen zudem in Frage kommende Hausrecht nimmt als Rechtsgut eine Sonderstellung ein, was dessen binnenkollisionsspezifische Einordnung bzw. Behandlung erschwert. Der Einfachheit halber soll es daher hier sowie im Folgenden aus der Darstellung des Beispiels der schadhaften Wasserleitung weitestgehend ausgeklammert werden. Auf die Auswirkung der Beteiligung des betreffenden Gutes für die Behandlung des einschlägigen Fallbeispiels wird lediglich in Fn. 513 Abschn. D. kurz eingegangen werden; vgl. außerdem zu Struktur sowie Bedeutung jenes Rechtsguts die Ausführungen unter B. III. 3. b) bb) und cc). Über das Hausrecht hinaus muss des Weiteren auch der Wille des Inhabers als eigenständige Position – allerdings lediglich an der vorliegenden Stelle – noch außen vor gelassen werden, da hierfür weitere, unter B. III. 3. a) zu erörternde Erkenntnisse notwendig sind. 15 Vgl. dazu Schmitz, S. 50, 52. 16 Knauf, S. 82. 17 Anders aber Knauf, S. 82, der aus dem Grund, dass das elterliche Erziehungsrecht in der Regel in keinem Konflikt mit den „Interessen des Kindes“ – das Verhältnis vom Interessen- und Rechtsgutsbegriff wird noch geklärt werden – steht, vom Vorliegen der Konstellation ausgeht, die hier als „reine Binnenkollision“ bezeichnet wird.

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B. Begriffsbestimmung

betroffene Abgrenzung von reiner und partieller Binnenkollision erfordert vielmehr eine nähere Spezifizierung der Beteiligung eines Drittrechtsguts. Diese muss dabei so eng wie möglich gefasst werden, um eine konturlose Ausweitung zu vermeiden. Berücksichtigungsfähig sind insofern allein unmittelbar an der Grundsituation beteiligte Positionen.18 Rechtlich bedeutsame Komponenten, die immer eine Verbindung zu einem der beteiligten Güter aufweisen, in der betreffenden Kollisionssituation aber keine darüber hinausgehende Rolle spielen, wie etwa das elterliche Erziehungsrecht, fallen aus dem Regelungsbereich der partiellen Binnenkollision heraus. Auch etwaige Folgen, die aus den unmittelbaren Schäden oder Gefahren der Tat mittelbar für andere entstehen können, wie die genannten zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche,19 müssen außen vor bleiben. In derartigen Konstellationen ist lediglich eine reine Binnenkollision anzunehmen.

III. Die Begriffskomponente „Rechtsgut“ Unter Erforschung dessen, was ein Rechtsgut dem Inhalt nach ausmacht, ist im Folgenden zu ermitteln, ob dieser Terminus eine hinreichende und gleichzeitig präzise Beschreibung im Rahmen der zu diskutierenden Fallgestaltung liefern kann. Dabei gilt es, gerade in Abgrenzung zu den synonym verwendeten Ausdrücken der „intrapersonalen“ bzw. „internen Interessenkollision“ herauszuarbeiten, inwieweit der Begriff des Interesses anders zu verstehen ist als der des Rechtsguts. Darüber hinaus wird speziell die Selbstbestimmung betrachtet werden, bei der die Subsumtion unter den Rechtsgutsbegriff in mehrerlei Hinsicht eines besonderen Begründungsaufwandes bedarf. Die Erörterung des Themenkomplexes „Rechtsgut“ ist vor der Behandlung des Begriffsteil „Kollision“ vorzunehmen, da der Gegenstand feststehen muss, bevor man diesen in eine wie auch immer geartete Beziehung zu etwas setzen kann. 1. Definition des Begriffs „Rechtsgut“ a) Überblick über die herkömmlichen Definitionsansätze Definition und entsprechender Inhalt des Terminus „Rechtsgut“ finden im strafrechtlichen Schrifttum große Beachtung.20 Es existieren diverse Definitions18 Auch Schmitz, S. 51 stellt insofern lediglich auf unmittelbar betroffene Faktoren ab. Er bezieht dies zwar auf die Relevanz innerhalb des rechtfertigenden Notstands. Da jener aber eine konkrete Kollisionssituation beschreibt, kann man insofern durchaus Parallelen ziehen. 19 Siehe auch Bottke, GA 1982, 346, 353 zu einem als mittelbar bezeichneten Einfluss einiger derartiger Rechte, wenngleich speziell in Hinblick auf eine mögliche Pflicht eines Suizidwilligen zum Weiterleben. 20 Eingehend zu diesem Thema z. B. die Abhandlung von Marx, 1972; siehe auch Amelung, in: Rechtsgutstheorie, S. 155 ff.

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ansätze, die aber an dieser Stelle nicht in aller Ausführlichkeit dargestellt werden sollen.21 Im Folgenden werden daher lediglich die wichtigsten Strömungen angesprochen. Nach dem normativen Rechtsgutsbegriff 22 ist das Rechtsgut schlicht gleichzusetzen mit dem Telos der betreffenden Norm.23 Demgegenüber wird nach einem spiritualisierten bzw. idealistischen Ansatz24 zur Definition des Rechtsguts auf Bedingungen abgestellt, die außerhalb des Rechts stehen.25 Inhalt sei ein „ideeller Wert“ 26, der dem positiven Strafrecht vorgelagert sei.27 Wiederum andere bezeichnen Rechtsgüter als diejenigen Funktionen, die für die Sicherung der Lebensbedingungen innerhalb unserer Gesellschaft auf der Basis der Verfassung unerlässlich sind.28 Ein Rechtsgut wird danach als eine für das gesellschaftliche Leben bedeutsame soziale Funktionseinheit charakterisiert.29 Während die beiden zunächst angeführten Ansätze eine gänzlich abstrakte Bedeutung aufweisen, ist mit dem funktionalen Verständnis auch eine individuelle Komponente verbunden. Demnach stellt prinzipiell nicht das dem Individuum zuzuordnende Objekt als solches das Rechtsgut dar. Vielmehr ist es die Verfügungsbefugnis des einzelnen über dieses Objekt, die als unerlässliche Voraussetzung des menschlichen freiheitlichen Zusammenlebens30 und mithin als eigentliches Rechtsgut angesehen wird.31 Damit wird der autonome Wille nach jenem Verständnis zu einem eigenständigen Teil des Rechtsguts und partizipiert an dessen Schutz.32 21 Eine Auflistung verschiedenartiger Definitionsversuche, die nicht im Rahmen der folgenden Erörterungen integriert wurden, findet sich bei Roxin, AT I, § 2 Rn. 3, wobei dieser deren Klassifizierung zum Teil als problematisch betrachtet. 22 So bezeichnet von Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 50. 23 So Honig, S. 94 f. Vgl. zur Darstellung jenes Ansatzes Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 50 m.w. N. in Fn. 26 sowie Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 152 ff., der diese Herangehensweise als teleologischen Rechtsgutsbegriff bezeichnet. 24 Siehe zu den entsprechenden Attributen Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 50. 25 Jescheck, AT, 3. Aufl., S. 206 f. 26 Jescheck, AT, 3. Aufl., S. 206 f. 27 Siehe dazu Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 156. 28 Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 158 f., 161 f., 163; ähnlich Roxin, JuS 1966, 377, 381. 29 Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 163; siehe auch Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 51. 30 So Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 59. 31 Rudolphi, ZStW 86 (1974), 82, 87; Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 59 f.; in diesem Sinne auch Roxin, AT I, § 2 Rn. 7; Roxin, AT I, § 13 Rn. 12. Die Ausführungen von Marx, S. 64, 67 f. gehen ebenfalls in die Richtung des in Rede stehenden Rechtsgutsbegriffs. 32 Vgl. die implizite diesbezügliche Darstellung bei Otto, AT, § 8 Rn. 112. Dessen sozial geprägter Rechtsgutsbegriff ist aber von dem vorliegend dargestellten individuell-funktionalen Rechtsgutsverständnis zu trennen. Zwar sieht Otto die Beziehung einer Person zu einer sozialen Funktionseinheit als Rechtsgut an und nimmt damit ebenfalls die Bedeutung des Einzelnen in den Rechtsgutsbegriff auf. Der Wille des Betroffenen hat nach seiner Auffassung jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf den Bestand des

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Die Berechtigung jener Auffassung wird häufig im Zusammenhang mit der Frage nach der Einordnung der Einwilligung als Tatbestandsausschluss oder als Rechtfertigungsgrund diskutiert. Dies stellt einen weiteren zu erörternden Aspekt dar, sodass hinsichtlich konkreter Argumentationen auf spätere Ausführungen33 verwiesen werden kann. Hier soll lediglich bereits angedeutet werden, dass sich vor allem die Leugnung eines nach der Lebenswirklichkeit kaum abzusprechenden Eigenwerts von objektiven Größen wie Gesundheit oder Eigentum als Kritikpunkt erweisen wird. Des Weiteren bestehen Probleme dieser Herangehensweise, wenn den Betroffenen die reale Möglichkeit zur Ausübung ihrer Selbstbestimmung fehlt.34 Eine Adaption des individualbezogenen Verständnisses mutet somit nicht überzeugend an. Auch die erstgenannten, objektiven Ansätze sind Kritik ausgesetzt. So entsteht unter Heranziehung des normativen Begriffs das Problem einer Tautologie, die sich aus der heute herrschenden Auffassung des Rechtsgüterschutzes als Aufgabe des Strafrechts35 ergibt. Weigend beschreibt jene Konsequenz mit den folgenden, die Tautologie deutlich erkennen lassenden Worten: „Die Aufgabe des Strafrechts ist der Schutz dessen, was es schützt“.36 Gegen den spirituellen Rechtsgutsbegriff lässt sich vorbringen, dass dieser lediglich abstrakte Ideen inkorporiert, die nicht kompatibel mit der sozialen Wirklichkeit sind.37 Zusammenfassend ergibt sich in einem Fall ein auf das geltende Recht bezogener, aber inhaltsleerer Begriff. Im anderen Fall besteht zwar eine Anknüpfung an materielle inhaltsgebende Kriterien, jedoch eine Abgehobenheit vom Gesetz.38 Diesen Einwänden kann der funktional geprägte Begriff entgehen, indem dabei als maßgebliche Grundlage auf die Verfassung abgestellt wird.39 Durch jenen positivierten inhaltlichen Anknüpfungspunkt der Schutzdimension wird sowohl eine Tautologie als auch die Rechtsgelöstheit verhindert. Zudem entspricht der funktionale Ansatz der Begrenzungsfunktion des Strafrechts40 und dient somit der Verkörperung des ultima-ratio-Gedankens41. Unter Ausblendung der als kritisch zu erachtenden Bedeutung des individuellen Willens erscheint folglich die dargestellte Funktionsbezogenheit als Ansatz prinzipiell nicht falsch. Sollte allerdings dem RechtsgutsRechtsguts, sondern spielt lediglich in einer Abwägung mit gesellschaftlichen Interessen eine Rolle. Vgl. zu alldem Otto, AT, § 8 Rn. 127; siehe außerdem Otto, in: FS Geerds, S. 603, 610 f. 33 Unter D. II. 1. a) aa). 34 Die beiden genannten Argumente werden – mit gegebenenfalls erforderlichen Relativierungen – ausführlich unter D. II. 1. a) aa) (2) thematisiert werden. 35 Dazu Hassemer/Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 109 m.w. N. 36 Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 50. 37 Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 50. 38 Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 158. 39 Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 158. 40 Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 51. 41 Siehe zum ultima-ratio-Prinzip des Strafrechts Roxin, AT I, § 2 Rn. 97.

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begriff eine Relevanz über die Eingrenzung strafrechtlich erfasster Güter hinaus zuerkannt werden, könnte sich jene Herangehensweise als zu eingeschränkt erweisen. Um sich sachgerecht mit diesem Einwand auseinandersetzen zu können, muss daher allgemein die Reichweite des Rechtsgutsbegriffs ermittelt werden. b) Beziehung des Rechtsgutsbegriffs zum Gegenstand des Strafrechts Allen bislang genannten Definitionen ist immanent, dass das so bezeichnete Rechtsgut den Gegenstand des Schutzes durch die strafrechtlichen Tatbestände näher bestimmt.42 Dies kann in Bezug auf dessen jeweilige Auslegung von Relevanz sein oder übergeordnet als Aufgabe an den Gesetzgeber, welches Verhalten künftig unter Strafe gestellt werden kann und welches nicht.43 In beiden Fällen spielt der angesprochene ultima-ratio-Gedanke eine entscheidende Rolle. Die Termini „Rechtsgut“ bzw. „Rechtsgüter“ weisen im StGB jedoch nicht ausschließlich einen Bezug zu den Tatbeständen auf, sondern werden auch im Zusammenhang mit der Rechtfertigungsebene, konkret in § 34 StGB, genannt. Dort reicht der Kreis der erfassten Elemente weiter als nur von einem strafrechtlichen Tatbestand geschützte Güter.44 Um diese Gesetzesentscheidung zu berücksichtigen, sollte auch die allgemeingültige umfassende Definition des Rechtsguts nicht allein auf Straftatbestände bezogen sein.45 Fragen hinsichtlich des Umfangs des strafrechtlichen Schutzes werden damit natürlich nicht ausgeklammert, sondern lediglich auf eine spezielle Unterebene des Rechtsgutsbegriffs verschoben. c) Eigene Herangehensweise: Der erweiterte Rechtsgutsbegriff Für die Suche nach einer allgemeingütigen Definition macht es Sinn, die gewünschte Funktion des zu definierenden Elements als Ausgangspunkt zu nehmen. Diese kann – wie gezeigt – nicht rein in der Konturierung und Begrenzung von strafrechtlichen Tatbeständen gesehen werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Identifizierung eines Schutzgegenstandes als betroffene Funktion ausscheiden muss. Abgesehen von strafrechtlichen Tatbeständen kann etwa auch im Rahmen der Rechtfertigung, z. B. über § 34 StGB, einem gefährdeten Element rechtlich anerkannter Schutz zuteilwerden. Bei der Klassifizierung als Rechtsgut geht es folglich allgemein gesprochen um die Festlegung eines Gegenstandes, dem durch das Recht auf eine wie auch immer geartete Weise Schutz zukommen kann. Da42

Marx, S. 8; siehe auch Hassemer/Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 115. Siehe zu diesen Aufgaben ausdrücklich Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 158; vgl. auch Roxin, AT I, § 2 Rn. 2. 44 In diesem Sinne Eisele, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rn. 9; Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 9. 45 Auch Roxin, AT I, § 16 Rn. 12 führt aus, dass ein Rechtsgut nicht zwingend strafrechtlichen Schutz durch einen Tatbestand genießen muss, um ein solches zu sein. 43

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mit wird auch der Bereich des Zivilrechts nicht ausgeklammert, bei dem sich speziell im Deliktsrecht die Frage, was ein Rechtsgut ist, in gleichem Maße zu stellen vermag. Man könnte erwägen, bei der Untersuchung, ob dem Gegenstand durch das Recht Schutz gewährt wird, die konkrete Schutzwürdigkeit zu berücksichtigen. Da diese jedoch in Abhängigkeit von vielen Faktoren steht und somit im Einzelfall unterschiedlich ausfallen kann, sollte man davon Abstand nehmen, sie in die Rechtsgutsdefinition zu integrieren. Kennzeichnendes Merkmal eines Rechtsguts ist daher, dass der Gegenstand nicht in seiner konkreten Gestalt, sondern ganz generell durch das Recht anerkannt wird.46 Bezogen auf zukünftige Rechtsgüter, bei denen eine Normierung noch nicht stattgefunden hat, muss der Gegenstand als solcher rechtliche Anerkennung finden können. Maßgeblich ist somit eine abstrakt schutzwürdige Größe. Der Begriff „Größe“ ist dabei im Sinne von „Einheit“ zu verstehen und soll deutlich machen, dass es nicht stets um sachgegenständlich fassbare Positionen gehen muss, sondern dass auch sonstige abstrakt schutzwürdige Elemente dem Rechtsgutsbegriff unterfallen können. Wichtig ist im Zusammenhang mit der Voraussetzung einer abstrakt schutzwürdigen Größe auch, dass der rechtliche Schutz nicht um seiner selbst willen gewährt wird, sondern zugunsten von Teilnehmern an der Rechtsgemeinschaft. Der betroffene Schutzgegenstand muss daher in Beziehung zu einem möglichen Berechtigten stehen, welcher das Individuum, aber auch die Allgemeinheit oder der Staat sein kann.47 Des Weiteren muss das zu erfassende Schutzelement eine gewisse Konkretisiertheit aufweisen oder für zukünftige Fälle einer Konkretisierung zugänglich sein. Nur so kann der Grundsatz der Rechtsklarheit und damit verbunden der Vorhersehbarkeit – was in der gesamten Rechtsordnung eine große Rolle spielt48 – auch in diesem Bereich gewahrt werden. Dementsprechend kommen nicht konkretisierbare Allgemeininteressen, wie z. B. die Markttransparenz oder der medizinische Fortschritt, als Rechtsgüter nicht in Betracht.49 Um der Identifizierungsfunktion hinter dem Rechtsgutsbegriff gerecht zu werden, ist das Merkmal der Konkretheit bzw. Konkretisierbarkeit allerdings nicht ausreichend. Ein wichtiger Bestandteil der Identifizierung stellt auch die Abgren46 Vgl. etwa Kühl, AT, § 8 Rn. 22, der darauf abstellt, dass das Rechtsgut im Sinne von § 34 StGB von der Rechtsordnung anerkannt sein muss. Auch Schmitz, S. 64 erwähnt den grundsätzlichen Schutz durch die Rechtsordnung im Zusammenhang mit dem Rechtsgutsbegriff. 47 Siehe zur Abgrenzung von Rechtsgütern des Staates und der Allgemeinheit die Ausführungen unter F. I. 1. a) bb), S. 287. 48 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Anknüpfung Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20, VII. Rn. 51 ff., speziell Rn. 53. 49 So Kühl, AT, § 8 Rn. 31 im Zusammenhang mit notstandsfähigen Rechtsgütern.

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zung und Gegenüberstellung bezogen auf andere mögliche Schutzpositionen dar. Hierfür ist es erforderlich, immer auf die kleinste feststellbare Einheit im Rahmen des zu Schützenden, sprich auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“, abzustellen. Denn allein auf diese Weise kann vermieden werden, dass sich Grenzen vermischen und somit Unklarheiten entstehen. Unter Zugrundelegung der aufgestellten Kriterien ergibt sich folgende allgemeingültige Definition eines Rechtsguts: Als Rechtsgut wird eine einer Person, dem Staat oder der Allgemeinheit zuordenbare konkretisierte oder konkretisierbare Größe verstanden, die im Sinne eines kleinsten abgrenzbaren Teils als potentielles, abstrakt zu bestimmendes Schutzobjekt des Rechts zu identifizieren ist. Diese Rechtsgutsdefinition weist im Ausgangspunkt einen formalen Charakter auf. Sie soll lediglich die Kriterien liefern, nach denen sich bestimmt, was als Rechtsgut anzuerkennen ist. Auf diese Weise ist es möglich, vorhandene Rechtsgüter auf ihre diesbezügliche Eigenschaft hin zu überprüfen sowie Gegenstände, deren Qualität als Rechtsgut noch zu untersuchen ist, strukturiert und eindeutig einer entsprechenden Klassifizierung zuzuführen. Auf konkrete Ausfüllungen des Rechtsgutsbegriffs in Hinblick auf bestimmte Gegenstände soll an der vorliegenden Stelle mangels dogmatischen Mehrwerts verzichtet werden. Die entwickelte Rechtsgutsdefinition wird aber im weiteren Verlauf herangezogen werden, wenn die Rechtsgutsqualität eines Gegenstandes konkret in Frage bzw. in Rede steht. 2. Unterschied zwischen „Rechtsgut“ und „Interesse“ Auf der Grundlage der soeben dargestellten Definition ist nun zu untersuchen, inwieweit sich der Begriff des Rechtsguts von dem des Interesses unterscheidet und darauf aufbauend, welches gegebenenfalls der treffendere Terminus im Zusammenhang mit der hier interessierenden Binnenkollision ist. Nicht immer findet sich überhaupt eine Differenzierung hinsichtlich der genannten Elemente. So wurde gerade in der älteren Literatur das Rechtsgut oft als rechtlich geschütztes Interesse definiert.50 Auch heute gibt es noch Formulierungen, bei denen nicht zwischen Rechtsgut und Interesse unterschieden wird.51 Dabei lässt sich allerdings oft nicht sicher feststellen, ob dies bewusst oder ohne besondere Intention geschieht. Überwiegend wird in der neuen Literatur aber eine Unterscheidung zwischen den entsprechenden Termini vorgenommen.52

50 Vgl. dazu die Darstellung bei Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 965 mit Nachweisen aus der älteren Literatur; kritisch zu dieser Gleichsetzung Rudolphi, in: FS Honig, S. 151, 162. 51 So etwa Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 581: „Inhaber eines Rechtsguts(Interesses)“; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 17: „Interesse (Rechtsgut)“. 52 Vgl. etwa Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55.

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Gerade da beide zumeist im gleichen rechtlichen Zusammenhang Relevanz zeigen – wofür § 34 StGB mit den dazugehörigen Erörterungen das Paradebeispiel darstellt –, muss untersucht werden, in welchem Verhältnis die Begriffe zueinander stehen. Dabei spielt besonders ein Element des hier entwickelten Rechtsgutsbegriffs eine wichtige Rolle. Während nämlich entsprechend jener Definition das Rechtsgut die kleinste abgrenzbare Größe hinsichtlich eines Schutzgegenstandes darstellt, beinhaltet das Interesse eine größere inhaltliche Weite und vermag das Rechtsgut als ein Element einzuschließen.53 Dies lässt sich schon dem Wortlaut des § 34 StGB entnehmen, der von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, spricht. Auch die historische Entwicklung der genannten Norm kann jene Annahme bestätigen. In der Entstehung des § 34 StGB wurde die Rechtsgüterabwägung durch eine Interessenabwägung ersetzt, sodass Rechtsgüter nur noch einen relevanten Gesichtspunkt unter vielen darstellten.54 Die Weite des Interessenbegriffs im Vergleich zu dem des Rechtsgutes ergibt sich aus der Einbeziehung von Faktoren, die eine Bestimmung der Bedeutung und Werthaltigkeit des konkreten Gegenstandes ermöglichen, wobei das Interesse eine subjektive Prägung aufweisen, aber auch auf eine rein objektive Betrachtung beschränkt bleiben kann. Der Begriff „Interesse“ dient also der näheren Charakterisierung eines betroffenen Rechtsguts. Somit wäre das Rechtsgut nicht nur als möglicher, sondern sogar als notwendiger Bestandteil des Interesses anzusehen, sprich immer in letzterem enthalten. Demgegenüber findet sich indessen auch die Aussage, dass der Gegenstand eines Interesses jeder beliebige Rechtswert sein könne, auch wenn er sich nicht in einem konkreten Rechtsgut, sondern lediglich in allgemeinen Rechtsprinzipien niederschlage.55 Fraglich ist jedoch, inwieweit dies mit dem hier zugrunde gelegten Rechtsgutsbegriff kompatibel ist. Definiert man das Rechtsgut als kleinstes abgrenzbares Element im Rahmen rechtlichen Schutzes, so liegt auch den allgemeinen Rechtsprinzipien immer ein Rechtsgut zu Grunde, wenn sie – wie in dem Zusammenhang gefordert – mit rechtlichem Schutz versehen sein sollen. Unabhängig davon steht der Terminus „Interesse“ schon dem Wortsinn nach nicht frei. Man hat vielmehr immer ein Interesse „an etwas“. Durch die immanente Bezugnahme auf ein Objekt wird der Grundstein für die notwendige Einbeziehung eines Rechtsguts gelegt. Dieses Verständnis von „Interesse“ lässt sich durch die Verwendung jenes Terminus im Strafgesetzbuch56 auch außerhalb von § 34 StGB bestätigen. Sowohl das „Si-

53 Auch Kindhäuser, LPK-StGB, § 34 Rn. 20 erkennt das Interesse als Oberbegriff an, unter den auch Rechtsgüter fallen; in diesem Sinne auch Feldmann, S. 382 und wohl Siegert, S. 6. 54 Roxin, AT I, § 16 Rn. 7. 55 Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 22. 56 Im Folgenden zitiert ohne Beachtung des im Original verwendeten Kasus und Numerus.

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cherheitsinteresse der Allgemeinheit“ in § 57 StGB, das „Interesse der Landesverteidigung“ in § 109k StGB als auch das im Rahmen relativer Antragsdelikte erwähnte „öffentliche Interesse an der Strafverfolgung“ z. B. in §§ 183, 183, 205, 230 StGB weisen in jedem Fall einen Bezugspunkt zu etwas auf, das man im Kern als eigenständiges Rechtsgut ausmachen kann. Gleiches gilt für das in § 266 StGB erwähnte „Vermögensinteresse“. Lediglich bei den in §§ 201, 353b StGB ganz allgemein erwähnten „öffentlichen Interessen“ sowie den „berechtigten Interessen“ in §§ 193, 201 StGB könnte man daran zweifeln, ob insofern ein Rechtsgut verkörpert wird. Allerdings wird die Auslegung gerade in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot im Strafrecht ergeben, dass man unter jene Termini nicht jedes vage Phänomen, sondern nur wirkliche Rechtsgüter subsumieren darf. Hinsichtlich die Frage nach dem passenden Begriff im Zusammenhang mit „Binnenkollision“ lässt sich nach der vorangegangenen Beleuchtung von „Rechtsgut“ und „Interesse“ folgendes ausführen: Bei einer Begriffsbestimmung muss es darum gehen, klare Linien festzulegen und auf diese Weise Präzision zu erreichen, um Abgrenzungsschwierigkeiten von vornherein zu vermeiden. Dies wird dadurch ermöglicht, dass man den Kern der Konstellation fokussiert und so eng wie möglich beschreibt. Im Gegensatz zur Natur des Interesses kann dies der Begriff des Rechtsguts leisten, womit sich letztgenannter Terminus als sachgerecht herausstellt. Dessen Verwendung schließt gleichzeitig den Einfluss externer Bewertungsfaktoren von vornherein aus, die im Zusammenhang mit dem Interesse durchaus vorkommen könnten, und wahrt damit die spezifische Beschränkung auf den Innenraum. Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung wird es sich dennoch nicht vermeiden lassen, im betreffenden Zusammenhang den Begriff des Interesses zu verwenden, speziell wenn Bezug auf bestehende Erörterungen genommen wird, die häufig diese Formulierung beinhalten. Wie oben aufgeführt, ist ein Rechtsgut jedoch in jedem Interesse enthalten. Somit ist die Formulierung nicht falsch und nicht zu beanstanden, solange man sich der überschießenden Tendenz des Begriffs bewusst bleibt. 3. Selbstbestimmung im rechtsgutsbezogenen Kontext a) Rechtsgutscharakter der Selbstbestimmung In den Fällen, in denen der Binnenbereich einer Person betroffen ist, spielt naturgemäß die Selbstbestimmung, sprich die Möglichkeit, frei zu entscheiden, was mit einem selbst bzw. den eigenen Gütern geschieht,57 eine wichtige Rolle. 57 Siehe zur Definition von Selbstbestimmung Göbel, S. 21 f. Im Folgenden soll zunächst auch allein diese inhaltliche Dimension von Selbstbestimmung relevant werden. Siehe aber zu einer besonderen Form der Selbstbestimmung die Ausführungen unter F. III. 2.

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Da sich die hier zu erörternde Konstellation gerade dadurch auszeichnet, dass sich mehrere Rechtsgüter einer Person gegenüberstehen, gilt es zu überprüfen, ob die Selbstbestimmung als solche ebenfalls als ein Rechtsgut angesehen werden und somit eigenständiger Beteiligter an der betreffenden Situation sein kann. Grundlage jener Untersuchung wird dabei der vorliegend entwickelte Rechtsgutsbegriff sein. Das bedeutet, dass es für die rechtsgutsbezogene Einordnung der Selbstbestimmung nicht darauf ankommt, inwieweit sie von strafrechtlichen Tatbeständen erfasst wird. Entscheidend ist allein, ob man der Selbstbestimmung den Charakter als eigenständige, allgemein rechtlich zu schützende Größe zuerkennen kann. Die freie Entscheidung über die eigenen Güter muss also unabhängig von ihren Bezugselementen einen eigenständigen Gehalt in der Rechtswirklichkeit aufweisen.58 In Hinblick auf die Analyse der Rechtsgutsqualität von Selbstbestimmung ist es sinnvoll, zwei verschiedene Szenarien aufzugreifen und einander gegenüberzustellen. Das erste Szenario beinhaltet den Fall, dass gegen den Willen des Inhabers in ein Rechtsgut eingegriffen wird, während das zweite die Konstellation beschreibt, dass eine rechtsgutsverletzende Handlung nicht vorgenommen wird, obwohl man als Inhaber jenen Eingriff wünscht. Freilich kann das Verhalten des Dritten nicht entscheidend für die generelle rechtsgutsbezogene Einordnung der zugrunde liegenden Situation sein. Denn die Untersuchung letztgenannter ist der Berücksichtigung von erstgenanntem aus dogmatischer Perspektive zwingend vorgelagert. Bezogen auf die Beteiligung eines potentiellen eigenständigen Rechtsguts Selbstbestimmung müssen die gleichen Feststellungen folglich auch in den umgekehrt gefassten Szenarien zu treffen sein, sprich wenn der Täter bei nicht vorliegendem entsprechenden Willen den Eingriff unterlässt oder aber demgegenüber der Eingriff im Einklang mit der Entscheidung des Inhabers tatsächlich vorgenommen wird. Man kann die beiden gegenüberzustellenden Konstellationen daher auch allgemein zum einen mit dem Wunsch nach einem Unterlassen sowie zum anderen mit dem Wunsch nach einem Rechtsgutseingriff beschreiben. Nichtsdestotrotz sollen die Szenarien vorliegend gerade in ihrer ursprünglich dargestellten Gestalt zugrunde gelegt werden, da sich mögliche Parallelen und Unterschiede in Bezug auf die Beteiligung der Selbstbestimmung besser ausmachen lassen, wenn man das Drittverhalten in jener genannten spezifischen Ausprägung mit einbezieht. Im Zusammenhang mit dem ersten Szenario ist zunächst das Beispiel anzuführen, dass ein Patient die Einstellung einer medizinischen Behandlung verlangt, der Arzt hingegen dennoch mit den entsprechenden Eingriffen fortfährt. Als wei-

58 Mit dem unter B. III. 1. a) dargestellten individualisierten Rechtsgutsbegriff wäre dies von vornherein nicht zu vereinbaren, da die Selbstbestimmung insoweit immer mit einem Objekt verknüpft ist. Jenem Definitionsansatz wird hier aber, wie gezeigt, nicht gefolgt.

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teres Beispiel des ersten Szenarios kann die Situation genannt werden, dass jemand ohne besonderen Grund gegen den Willen des Eigentümers dessen Fensterscheibe zerstört. Hinsichtlich des zweiten Szenarios erscheint es unter Berücksichtigung der zu erfolgenden Gegenüberstellung der beiden Szenarien am aussagekräftigsten, wenn man die zuvor präsentierten Situationen „umdreht“ und den Charakteristiken des aktuell in Rede stehenden Szenarios anpasst. Zu nennen ist insofern also das Beispiel, dass ein Patient einen Eingriff fordert, dieser vom Arzt aber nicht gewährt wird. Des Weiteren steht die Fallgestaltung im Raum, dass ein Eigentümer die Zerstörung seiner Fensterscheibe von einem Dritten verlangt, jener sich aber dem betreffenden Wunsch widersetzt und die Handlung nicht ausführt. Die Untersuchung der genannten Szenarien soll vorliegend, wie bereits angesprochen, dazu dienen, Aufschluss über die Existenz der Selbstbestimmung als eigenständiges Rechtsgut zu geben. Man könnte nun grundlegend erwägen, in den Fällen des zweiten Szenarios überhaupt nicht von der thematischen Betroffenheit von Selbstbestimmung auszugehen, sondern diesbezüglich Fremdbestimmung als das einschlägige Element zu erachten. Definiert man indes Selbstbestimmung, wie hier geschehen, als freie Entscheidung darüber, was mit einem selbst bzw. den eigenen Gütern geschieht, umfasst dies sowohl Entscheidungen, die auf die Bewahrung des eigenen Güterbestandes gerichtet sind, als auch solche, die zu einer Verletzung desselbigen führen. Was zur Erreichung jener Folgen von einem Dritten gefordert wird, ist dabei unerheblich. Denn der Fokus der heranzuziehenden Definition von Selbstbestimmung liegt allein auf der eigenen Person und den diesbezüglichen Auswirkungen. Begrifflich ist demnach eine Herausnahme der Konstellationen des zweiten Szenarios aus dem gegenständlichen Bereich der Selbstbestimmung nicht geboten.59 Zur Klarstellung soll aber angemerkt werden, dass damit selbstverständlich nicht jegliche güterbezogenen Wünsche als Teil der geschützten Selbstbestimmung anzusehen sind. Der Geltungsbereich der Selbstbestimmung kann in positiver Hinsicht nur soweit reichen, zu entscheiden, ob die eigene aktuell vorhandene Gütersphäre in ihrer bisherigen Gestalt gewahrt bleibt. Er umfasst aber nicht die Entscheidung, ob einem etwas ohne weitere Einbuße zugeführt, sprich die eigene Gütersphäre schlicht vermehrt wird. Ein derartiger Gehalt wäre dann in der Tat lediglich als Fremdbestimmung zu bezeichnen. Auch die Entscheidung des Täters, ob er dem Wunsch des Betroffenen nachkommt und dementsprechend handelt bzw. nicht handelt, kann man nicht unter den gegenständlichen Bereich von dessen Selbstbestimmung subsumieren. Grund dafür ist die mangelnde unmittelbare Betroffenheit der eigenen Gütersphäre des Täters. Der potentiell auftretenden Erwägung, allein 59 Auch Göbel, S. 22 erörtert einen Fall im Zusammenhang mit der Definition von Selbstbestimmung, der parallel zu dem hier verwendeten Beispiel der zu zerstörenden Fensterscheibe liegt. Konkret geht es dabei um das Ersuchen gegenüber einem Dritten, die Zerstörung des dem Fragenden gehörenden Autos vorzunehmen.

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B. Begriffsbestimmung

angesichts der Entscheidungsmöglichkeit des Dritten könne immer eine partielle Binnenkollision vorliegen, wird somit von vornherein der Boden entzogen. Auch wenn die Definition von Selbstbestimmung nach dem soeben Ausgeführten prinzipiell ebenfalls die Ausprägungen des zweiten Szenarios umfasst, ist damit die Frage nach der Anerkennung bzw. Reichweite der Selbstbestimmung als geschütztes Rechtsgut noch nicht geklärt. Um diesbezüglich zu einem Ergebnis zu kommen, müssen die jeweiligen Fallkonstellationen noch näher analysiert werden. Alle aufgeführten Beispielsfälle haben gemeinsam, dass der Rechtsgutsträger eine freie Entscheidung darüber getroffen hat, was mit ihm selbst bzw. seinen eigenen Gütern geschieht, diese aber nicht respektiert wird. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch darin, dass nicht in allen Fällen ein Recht auf Einhaltung der betreffenden Entscheidung des Gutsinhabers besteht. In den genannten Beispielen des ersten Szenarios lässt sich das Vorliegen einer derartigen Verpflichtung durchweg feststellen. Verweigert ein Patient eine Behandlung, ist der Arzt an diese Entscheidung als Ausdruck der Selbstbestimmung des Betroffenen zweifelsfrei gebunden.60 Auch im Falle der Zerstörung einer Fensterscheibe ist eine Pflicht zur Wahrung des Willens des Inhabers zu konstatieren. Dies zeigt sich schon an der Aufstellung einer entsprechenden Strafnorm, die solche Eingriffe prinzipiell verbietet und nur bei einem befürwortenden Willen nicht zu einer Bestrafung führt. Wenn entgegen einer bestehenden Verpflichtung zur Einhaltung des Willens gehandelt wird, ist neben der Einbuße an dem sonstig erfassten Wert auch die Selbstbestimmung in einem eigenständigen Gehalt negativ betroffen. So zieht eine Zwangsbehandlung konkret nicht nur die körperliche Unversehrtheit, sondern auch die Selbstbestimmung des Patienten in Mitleidenschaft.61 Eine eigenständige Betroffenheit der Selbstbestimmung ist auch im Falle einer Sachzerstörung entgegen dem Willen des Inhabers anzunehmen. Zwar sanktioniert der Tatbestand des § 303 I StGB die Nichtbeachtung der Selbstbestimmung nicht separat. Ein tatbestandlicher Schutz ist für die in Frage stehende Annahme eines Rechtsguts aber auch nicht erforderlich. Man kann folglich angesichts der herausgestellten Bedeutung der Selbstbestimmung in den Konstellationen des ersten Szenarios insoweit von der Betroffenheit der Selbstbestimmung als eigenständiges Rechtsgut sprechen.62 60 Vgl. Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 115; Hillenkamp, in: FS Küper, S. 123, 129, 143. 61 Vgl. dazu Schwedler, MedR 2013, 652, 654. Jener Aussage im Text liegt freilich die – vorliegend als zutreffend eingestufte – Auffassung zugrunde, dass auch Heilbehandlungen den Tatbestand eines Körperverletzungsdelikts erfüllen können. Vgl. zum Meinungsstand hinsichtlich der Einordnung des Heileingriffs als Körperverletzung Eser, in: Schönke/Schröder, § 223 Rn. 28 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 223 Rn. 8. 62 In beiden aufgeführten Beispielsfällen wird man jedoch im Einklang mit Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 240 Rn. 12 die Beeinträchtigung der Selbstbestimmung mangels über die Ausübung des Zwangs hinausgehender Beeinträchtigung, folglich mangels relevanten Nötigungserfolgs, nicht als Nötigung bestrafen können.

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Innerhalb des zweiten Szenarios erscheint eine rechtliche Bindung an die Wahrung des Willens des Betroffenen ebenfalls nicht ausgeschlossen. Eine solche kann unter Umständen etwa im Beispiel der gewünschten, aber nicht ausgeführten ärztlichen Behandlung zu statuieren sein. Allerdings ist im Zusammenhang mit dem Verlangen eines Tuns ein Recht des Betroffenen auf Berücksichtigung seines Willens nur anzunehmen, wenn den Dritten eine Handlungspflicht trifft. Diese ergibt sich jedoch im strafrechtlichen Kontext63 abgesehen von Anordnungen in echten Unterlassungsdelikten nur aus einer Garantenstellung, die wiederum lediglich in bestimmten Fällen gegeben64 ist.65 Das Bestehen einer Verpflichtung zur Willenswahrung66 ist mithin im Kontext des zweiten Szenarios seltener anzunehmen als hinsichtlich des ersten Szenarios. Sofern es sich um einen Fall des zweiten Szenarios handelt, in dem eine rechtliche Verpflichtung zum willensgemäßen Handeln vorliegt, wird eine eigenständige Bedeutsamkeit der Entscheidung auch dort nicht zu leugnen zu sein. Wenn beispielsweise ein Arzt zur Vornahme der Behandlung verpflichtet ist, macht er sich im Falle der entgegen dem Willen des Patienten verweigerten medizinischen Behandlung zum einen wegen Körperverletzung durch Unterlassen strafbar.67 Zudem wird man aber annehmen können, dass auch die Selbstbestimmung des Patienten negativ betroffen ist. Schließlich hat sich die freie Entscheidung über die Behandlung bereits im umgekehrten Fall als eigenständig bedeutsam erwiesen, und es ist kein Grund ersichtlich, warum man nun von jener Einschätzung abweichen sollte. Wünscht man hingegen die Zerstörung der eigenen Fensterscheibe durch einen Dritten, hat man in der Regel keinen Anspruch darauf, dass diese Handlung auch durchgeführt wird. Die eigenständige Relevanz der Entscheidung kann also nicht auf eine Pflicht zur Wahrung des Entschlusses zurückgeführt werden. In Konstellationen wie dem vorliegenden Beispiel gestaltet es sich damit nicht so eindeutig wie in den zuvor thematisierten Fällen, von der Betroffenheit eines Rechtsguts Selbstbestimmung auszugehen. Die Quintessenz der Problematik einer Anerkennung der Selbstbestimmung als Rechtsgut läuft mithin nach den soeben getätigten Ausführungen auf folgende 63 Möglich ist aber auch die Herleitung von Handlungspflichten aus dem Zivilrecht. Vgl. dazu ebenfalls Fn. 65 Abschn. B. und Fn. 66 Abschn. B. 64 Vgl. zu den möglichen Garantenstellungen z. B. Heuchemer, in: BeckOK-StGB, § 13 Rn. 38 ff. 65 Im Zivilrecht sind hingegen auch rein vertraglich begründete Handlungspflichten denkbar. Siehe indes zur Ablehnung der rein vertraglich hergeleiteten Garantenstellung im Strafrecht Stree/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 13 Rn. 8. 66 Genau genommen betreffen die angesprochenen strafrechtlichen Handlungspflichten nicht primär die Wahrung des Willens, sondern im Kern die Sicherung von anderen Gütern. Wenn jemand aber eine derartige Handlung verlangt, korrespondiert damit stets auch die Pflicht zur diesbezüglichen Willenswahrung. Im Kontext des Zivilrechts ist eine solche Bindung an den Schutz sonstiger Güter hingegen nicht zwingend. 67 Lipp, in: Arztrecht, IV Rn. 2.

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B. Begriffsbestimmung

Fragestellung hinaus: Ist die Selbstbestimmung als die freie Entscheidung darüber, was mit einem selbst bzw. den eigenen Gütern geschieht, generell ein vollwertiges Rechtsgut, das nur in der Folge Einschränkungen hinsichtlich der konkreten rechtlichen Beachtlichkeit bzw. Sanktionierung von Verletzungen ausgesetzt ist? Oder wird die Selbstbestimmung in ihrer prinzipiellen Anerkennung als Rechtsgut durch die fehlende Entscheidungsfreiheit des Gegenübers bedingt? Die betroffene Problematik lässt sich dabei sogar noch weiter abstrahieren. Es geht allgemein gesprochen um die Beantwortung der Frage, ob ein Rechtsgut allein durch seinen sachlichen Gegenstand – vergleichbar mit dem Schutzbereich im Rahmen der Grundrechte – konturiert wird, oder ob dessen rechtliche Grenzen bereits Beschränkungen des Rechtsguts als solchem darstellen.68 Sollte letztgenanntes zutreffen, hätte dies zur Konsequenz, dass in den Fällen, in denen der Adressat nicht an die Entscheidung des Gutsinhabers gebunden ist, gar keine Betroffenheit des Rechtsguts Selbstbestimmung anzunehmen wäre. Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage muss auf die zuvor entwickelte allgemeine Rechtsgutsdefinition zurückgegriffen werden. Ein konstituierendes Merkmal für das Vorliegen eines Rechtsguts ist demnach die Charakterisierung als rechtlich anerkanntes abgrenzbares Schutzelement. In Hinblick auf die dafür erforderliche Untersuchung des bestehenden rechtlichen Schutzes ist, wie gezeigt, die konkrete Schutzwürdigkeit auszublenden. Eine Bestimmung des Gegenstandes anhand seiner Grenzen würde aber gerade jene Ebene der konkreten Schutzwürdigkeit in die Begriffsbildung hineinprojizieren. Zugegebenermaßen handelt es sich insoweit gerade im vorliegenden Kontext um einen Grenzfall. Es werden schließlich nicht konkrete einzelne Fallgestaltungen, sondern mit der rechtlichen Verbindlichkeit ein abstraktes Kriterium einbezogen. Im Endeffekt beruht die betreffende rechtliche Verbindlichkeit allerdings auch wieder auf konkreten Erwägungen, wie man an den verschiedenen Grundlagen und Ausprägungen von Garantenstellungen und entsprechenden Pflichten erkennen kann. Eine definitionswidersprechende Bedeutsamkeit von konkreten Aspekten für die Bestimmung des Schutzgegenstandes ist daher im Falle einer Berücksichtigung der rechtlichen Verbindlichkeit nicht vollständig abzusprechen. In der Konsequenz erscheint es mithin vorzugswürdig, die rechtliche Pflicht zur Wahrung des Entschlusses nicht als zwingende Voraussetzung für den Gehalt des Rechtsguts 68 Auf einen Unterfall jenes allgemeinen Problems geht auch Hillenkamp, JuS 1994, 769, 771 f. ein. Demnach ergibt sich im Kontext des sog. „Dresdner RotlichtmilieuFalls“ die Frage, ob die Auflösung einer Versammlung durch einen Privatmann mittels Drohung mit Gewalt als Nötigung angesehen werden kann, wenn die Versammlung selbst nicht durch das Versammlungsrecht oder die Befugnisse im Rahmen des Gemeingebrauchs gedeckt ist und sie sich somit nicht im Rahmen „rechtlich anerkannter Freiheit“ bewegt. Gerade auf letztgenanntes wird nämlich teils, etwa von Jakobs, in: GS Hilde Kaufmann, S. 791, 807 und Lesch, StV 1993, 578, 579, das Schutzgut der Nötigung beschränkt. Vgl. zur Bewertung jener Auffassung auch speziell unter Berücksichtigung der konkret betroffenen Konstellation die Ausführungen von Hillenkamp, a. a. O.

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Selbstbestimmung anzusehen. Als potentieller Schutzgegenstand verbleibt somit allein die weiter gefasste Alternative, sprich die Möglichkeit an sich, mit den eigenen Gütern nach Belieben umzugehen. Ein derartiger Gewährleistungsgehalt wird auch durch das Recht allgemein anerkannt, was die grundrechtliche Verankerung in Art. 2 I GG verdeutlicht.69 Er stellt gleichzeitig jenseits der Einbeziehung spezieller Faktoren die kleinste abgrenzbare Größe dar, die den Schutzgegenstand konturiert. Im Ergebnis ist die Selbstbestimmung somit unabhängig von der rechtlichen Verbindlichkeit als eigenständiges Rechtsgut anzuerkennen.70 Das bedeutet, dass auch im Beispiel der gewünschten, aber vom Dritten nicht vorgenommenen Zerstörung der Fensterscheibe das Rechtsgut Selbstbestimmung des Inhabers thematisch betroffen ist. Der Einordnung der Selbstbestimmung als im einschlägigen Zusammenhang beteiligtes Rechtsgut steht auch nicht entgegen, dass es insoweit an einer Strafbarkeit des Nichthandelns mangelt. Schließlich stellt die straftatbestandliche Verankerung eines Wertes, wie bereits ausgeführt, keine Voraussetzung für die Annahme eines entsprechenden Rechtsguts dar. Erst recht kann es daher auch nicht maßgeblich sein, ob mit dem Nichthandeln die Verletzung eines anderen Gutes verbunden ist und daraus eine potentielle Unterlassungsstrafbarkeit resultiert. Um aber den nach wie vor bestehenden Unterschied berücksichtigen zu können, dass die Einhaltung der Selbstbestimmung teils rechtlich verbindlich ist, teils aber auch nicht, bietet sich eine terminologische Differenzierung an. Im Ausgangspunkt soll demnach der Begriff „Selbstbestimmung“ als Bezeichnung für das betreffende Rechtsgut dienen. Sofern die Einhaltung der Selbstbestimmung jedoch rechtlich gefordert ist, kann man konkreter von „Selbstbestimmungsrecht“ als betroffenem Element sprechen. Der Zusatz „Recht“ verdeutlicht insoweit die bestehende rechtliche Verpflichtung zur Wahrung des Entschlusses des Gutsinhabers. Das Selbstbestimmungsrecht steht dabei dergestalt im Verhältnis zum Rechtsgut Selbstbestimmung, dass letzteres die allgemeine Charakteri69 Vgl. allgemein zum Gewährleistungsbereich jenes Grundrechts Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 12. Auch Göbel, S. 22 leitet die Selbstbestimmung aus der allgemeinen Handlungsfreiheit her. Wenn es aber um Spezialfälle geht, gerade in Hinblick auf medizinische, körperbezogene Kontexte, werden als Basis der Selbstbestimmung hauptsächlich Bezüge zu den Grundrechten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – unter besonderer Betonung des Menschenwürdebezugs – sowie der körperlichen Unversehrtheit genannt, so z. B. bei Hillenkamp, in: Handbuch Sterben und Menschenwürde I, S. 349, 361 Fn. 54; vgl. auch Höfling, JuS 2000, 111, 114; Sternberg-Lieben/Reichmann, NJW 2012, 257, 258. Eine derartige Bezugnahme ist in den betreffenden Kontexten durchaus einleuchtend. Dennoch sollte aus Gründen dogmatischer Klarheit auch hinsichtlich der grundrechtlichen Basis eines Rechtsguts allein die kleinste abgrenzbare Größe gewählt und betrachtet werden. Es kann dementsprechend nur eine „Herkunft“ des Rechtsguts Selbstbestimmung geben, die in dem immer relevanten Art. 2 I GG zu erblicken ist. 70 Vgl. zu der nachgeordneten Frage, ob eine bloße Nichtbeachtung des konkreten Entschlusses ohne weitere Folgen eine Verletzung des Rechtsguts Selbstbestimmung mit sich bringen kann, die Ausführungen unter B. IV. 3. c).

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sierung ausmacht, in Spezialfällen aber zu erstgenanntem konkretisiert werden kann.71 Da das Selbstbestimmungsrecht allerdings aufgrund der fehlenden Berücksichtigungsfähigkeit von konkreter Schutzwürdigkeit in der Rechtsgutsdefinition nicht die Kriterien eines eigenständigen Rechtsguts erfüllt, handelt es sich diesbezüglich lediglich um einen speziellen Unterfall des Rechtsguts Selbstbestimmung ohne eigene rechtsgutsbezogene Stellung. Man kann das Verhältnis der beiden Varianten etwa mit dem des Rechtsguts Eigentum zum speziellen Unterfall „Eigentum an Grundstücken“ vergleichen. Im weiteren Verlauf wird daher auch unabhängig von einer eventuell bestehenden rechtlichen Verpflichtung zur Willenswahrung der Begriff der Selbstbestimmung verwendet werden, wenn es lediglich auf die Eigenschaft als Rechtsgut oder den Inhalt des betreffenden Gewährleistungsgehalts ankommt. Der Terminus „Selbstbestimmungsrecht“ soll demgegenüber nur zur Anwendung kommen, wenn gerade die rechtliche Verbindlichkeit in den Fokus gestellt wird. Zusammenfassend gilt es also festzuhalten, dass die Selbstbestimmung als eigenständiges Rechtsgut anzuerkennen ist. Dadurch kommt sie auch als vollwertiger Beteiligter an einer Binnenkollision in Betracht.72 b) Die Bedeutung der Selbstbestimmung im Zusammenhang tatbestandlich geschützter Rechtsgüter aa) Differenzierte Betrachtung der tatbestandlichen Relevanz von Selbstbestimmung Unabhängig von der soeben erfolgten Charakterisierung als eigenständiges Rechtsgut ist die Selbstbestimmung auch auf Tatbestandsebene nicht ohne Relevanz. Als tatbestandliches Schutzgut tritt sie z. B. in Gestalt der sexuellen Selbstbestimmung auf.73 Auch die Nötigung, die nach herrschender Ansicht die Freiheit zur Willensentschließung und entsprechender Betätigung als Rechtsgut aufweist,74 dient damit der Wahrung der Selbstbestimmung. Charakteristisch für die Verankerung der Selbstbestimmung auf Tatbestandsebene ist aber, dass sie insoweit immer einen speziellen Hintergrund beinhaltet. Im erstgenannten Beispiel besteht dieser in der unmittelbaren Verknüpfung mit sexuellen Aspekten, 71 Diese Differenzierung ist allerdings aktuell noch ein bloßer Soll-Zustand. In der Literatur wird häufig nur von Selbstbestimmungsrecht gesprochen oder aber beide Begriffe synonym verwendet; letzteres etwa von Glöckner, S. 83; Göbel, S. 21 ff.; Heidner, S. 166. Bei Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33 findet man lediglich den Terminus „Selbstbestimmungsrecht“; in der darauffolgenden Rn. wird dagegen von „Selbstbestimmung“ gesprochen. 72 Vgl. zu den konkreten Ausprägungen der Beteiligung der Selbstbestimmung an einer Binnenkollision die Ausführungen unter B. IV. 3. c). 73 Z. B. in § 177 StGB, vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 177 Rn. 1; Renzikowski, in: MKStGB, § 177 Rn. 1. 74 Lackner/Kühl, StGB, § 240 Rn. 1; Toepel, in: NK-StGB, § 240 Rn. 13.

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im zweiten darin, dass lediglich die Voraussetzung, aber nicht die konkrete Ausübung der Selbstbestimmung geschützt ist. So bezieht sich der Schutz des § 240 StGB speziell auf das Element „Freiheit“ im Sinne von Freiwilligkeit der Entscheidung. Dies stellt jedoch nur einen Teilbereich des Rechtsguts Selbstbestimmung dar. Der Bereich der beliebig zu treffenden Folge für die eigene Sphäre wird dabei außen vor gelassen, was sich daran zeigt, dass etwaige Bezugspunkte der Entscheidung und mithin die Gestaltung der eigenen Gütersphäre im Rahmen des Schutzgehalts von § 240 StGB keine maßgebliche Rolle spielen. Anders als sonstige Rechtsgüter, wie etwa die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum, ist die Freiheit als solche, über einen selbst bzw. die eigenen Güter nach Belieben zu entscheiden, kein eigenständiger Bestandteil eines tatbestandlichen Schutzes.75 Diese Tatsache ändert zwar nichts an der Einordnung der Selbstbestimmung als Rechtsgut. Dennoch ist die entsprechende tatbestandliche Sonderstellung ein Phänomen, das näher untersucht werden muss. Zunächst stellt sich die Frage, warum es an einem eigenständigen tatbestandlichen Schutz der Selbstbestimmung als solcher mangelt. Zur Erklärung ist dabei anzuführen, dass die Selbstbestimmung, wie es ihrer Definition entspricht, immer ein Bezugsobjekt aufweist. Jenes Bezugsobjekt, das abstrakte Gut,76 ist in den meisten Fällen allerdings schon separat vom Gesetzgeber mit tatbestandlichem Schutz versehen worden. Für die Frage nach einem Schutz des Rechtsguts Selbstbestimmung auf Tatbestandsebene ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Zum einen darf der gesetzgeberisch vorgegebene Schutz des abstrakten Wertes nicht durch eine Verankerung der Selbstbestimmung als danebenstehendes eigenständiges Rechtsgut untergraben werden. Daher muss eine Abhängigkeit der Tatbestandserfüllung von der Verletzung der Selbstbestimmung, mithin eine kumulative Einbeziehung der beiden Rechtsgüter,77 ausscheiden. Demgegenüber wäre bei einem Alternativverhältnis der beteiligten Güter78 die Verminderung des Schutzes des abstrakten Wertes nicht zu befürchten. Die bei diesem Verhältnis 75 Z. B. schützt § 223 StGB nach herrschender Meinung lediglich die körperliche Unversehrtheit, nicht aber zusätzlich das eigenständige Rechtsgut Selbstbestimmung, vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 223 Rn. 1. 76 In der Gegenüberstellung mit dem Rechtsgut Selbstbestimmung soll der Ausdruck „abstraktes (Rechts)gut“ – im Folgenden auch häufig als „abstrakter Wert“ bezeichnet – die Eigenschaft als selbstbestimmungsunabhängig gefasster Wert ausdrücken, so z. B. die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum als solche. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch die Selbstbestimmung als Rechtsgut eine abstrakte Dimension aufweist. Die abstrakte Bestimmung eines Schutzgegenstandes – unabhängig von konkreten Gegebenheiten, vgl. die Ausführungen unter B. III. 1. c) – ist schließlich Merkmal jedes Rechtsguts. 77 Nur die Verletzung beider Güter führt demnach zur Erfüllung des Tatbestandes, vgl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 34, wobei dort die Darstellung der Konstellation hauptsächlich im Zusammenhang mit § 164 StGB erfolgt. 78 Bei welchem die Verletzung eines Rechtsguts zur Tatbestandserfüllung genügt; siehe dazu ebenso wie in Fn. 77 Abschn. B. Roxin, AT I, § 13 Rn. 34.

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mögliche Strafbarkeit allein wegen Verletzung der Selbstbestimmung ohne Verletzung des abstrakten Gutes79 stünde angesichts des thematischen Sinnzusammenhangs mit dem abstrakten Wert auch noch im Einklang mit der Konnexität von Selbstbestimmung und Bezugsobjekt. In Hinblick auf das Ziel des Tatbestandes, gerade das abstrakte Gut zu schützen, wäre eine solche Folge aber nicht vertretbar. Somit hat sich eine potentielle tatbestandliche Verankerung der Selbstbestimmung als eigenständiges Rechtsgut neben abstrakt schutzwürdigen Elementen in beiden denkbaren Alternativen als inakzeptabel erwiesen. Eine eigenständige tatbestandliche Bedeutung der Selbstbestimmung unabhängig von einem bestimmten Rechtsgut ist damit allerdings nicht ausgeschlossen. In Anbetracht der vorgestellten Konnexität zwischen Selbstbestimmung und Bezugsobjekt sowie gleichzeitig des im Strafrecht geltenden ultima-ratio-Prinzips bleibt für einen solchen Tatbestand aber nur die Möglichkeit, das Fehlen weiterer geschützter Güter durch die Verschärfung der Voraussetzungen der Selbstbestimmungsverletzung zu kompensieren. Dem entspricht § 240 StGB, der den Strafgrund in der Verletzung einer speziellen Grundvoraussetzung der Selbstbestimmung, nämlich der Freiwilligkeit, sieht. Zur Erörterung verbleiben also diejenigen Tatbestände, bei denen der Gesetzgeber der Selbstbestimmung im Zusammenhang mit bestimmten Bezugsobjekten eine tatbestandliche Rolle zuerkannt hat, ohne dass sie aber die Stellung eines alternativ oder kumulativ geschützten eigenständiges Gutes einnehmen würde. Derartige Delikte sollen im Folgenden als willensbasierte Delikte bezeichnet werden.80 Darunter fallen zum einen Tatbestände wie §§ 177 f. StGB, die das bereits genannte Beispiel des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung verkörpern, aber auch sonstige Delikte, wie etwa §§ 123, 239 sowie 242 StGB, bei denen sich nach der Intention des Gesetzgebers der Wille bereits auf Tatbestandsebene auswirken81 soll.82 Für jene betreffende Besonderheit gilt es nachfolgend einen dogmatischen Erklärungsansatz zu finden. 79 Ein Beispiel wäre die Strafbarkeit nach § 303 StGB wegen Nichtzerstörung des Eigentums trotz entsprechenden Wunsches des Inhabers. Zu unterstellen ist dafür freilich, dass man in derartigen Fällen überhaupt von einer Verletzung des Rechtsguts Selbstbestimmung sprechen kann; vgl. dazu die Ausführungen unter B. IV. 3. c), auf die bereits in Fn. 70 Abschn. B. verwiesen wurde. Dies gilt auch für die im Folgenden dargestellten entsprechenden Konstellationen, ohne dass die betreffende Problematik jedes Mal gesondert betont werden wird. 80 Ludwig/Lange, JuS 2000, 446 ff. verwendet den Ausdruck „willensbezogene Delikte“, der in dieselbe Richtung geht, wobei der hier verwendete Begriffsteil „basiert“ die besondere Stellung des Willens als Grundlage des Schutzes in herausgehobenerer Weise betont. 81 Im Falle des § 242 StGB zumindest hinsichtlich eines betroffenen abstrakten Wertes, vgl. näher die diesbezüglichen Ausführungen unter B. III. 3. b) cc). 82 Vgl. zu diesen und weiteren Beispielen auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 31; Geerds, GA 1954, 262, 265; Ludwig/Lange, JuS 2000, 446, 446 sowie die Ausführungen unter B. III. 3. b) cc).

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bb) Existenz und Bedeutung synthetischer Rechtsgüter Wie bereits angesprochen, erkennt der Gesetzgeber im Regelfall bereits dem abstrakten Rechtsgut als solchem tatbestandlichen Schutz zu, der durch eine Abhängigkeit von der Selbstbestimmung nicht umgangen werden darf. In gewissen Fällen ist diese Abhängigkeit vom Willen aber umgekehrt gerade das wesentliche Anliegen des Gesetzgebers. Eine allgemein gefasste Begründung dafür kann wiederum im ultima-ratio-Prinzip des Strafrechts gesehen werden. In den betreffenden Konstellationen liegt eine spezifische tatbestandsrelevante Strafwürdigkeit nicht schon in der Verletzung des abstrakten Werts, sondern sie besteht weniger weitreichend erst unter Verknüpfung mit dem Rechtsgut Selbstbestimmung. Die Selbstbestimmung muss folglich auf Tatbestandsebene integriert werden, um das gewünschte Ergebnis zu ermöglichen. Insofern stellt sich die Frage nach der genauen dogmatischen Konstruktion. Dadurch, dass die Umgehung des Schutzes des abstrakten Wertes nun keine entgegenstehende Problematik mehr ausmacht, erscheint es auf den ersten Blick naheliegend, die Selbstbestimmung als gleichberechtigtes Rechtsgut neben den abstrakten Wert zu stellen. Dementsprechend könnte man annehmen, in die jeweiligen Tatbestände die Selbstbestimmung als kumulativ geschütztes eigenständiges Rechtsgut hineinzulesen. In den vorliegend betroffenen Fällen sollen die Güter Selbstbestimmung und abstrakter Wert nur in ihrer Abhängigkeit voneinander Schutz genießen. Eine kumulative Verankerung beider Elemente ergäbe zwar im Ergebnis eine solche Abhängigkeit, machte diese aber lediglich in der Folge und nicht bereits in der dogmatischen Grundlage deutlich. Zudem könnte durch eine nur kumulative Beachtlichkeit isolierter Güter fälschlicherweise der Eindruck entstehen, deren eigenständige Bedeutung müsse in diesen Fällen generell beschränkt werden. Sowohl die Selbstbestimmung als auch die anderen Rechtsgüter spielen außerhalb des Tatbestandes aber nach wie vor eine grundlegende und selbstständige Rolle, die sich etwa in einer Rechtfertigungskonstellation nach § 34 StGB zeigen kann. Um diese Unangetastetheit der einzelnen Rechtsgüter zu verdeutlichen und gleichzeitig die straftatbestandliche Abhängigkeit hinsichtlich der Schutzkomponente dogmatisch zu verorten, sollen die jeweiligen Tatbestände daher dahingehend interpretiert werden, dass sie ein im Verhältnis zu den einzelnen Komponenten verschiedenes, eigenständiges Rechtsgut schützen. Aus dem Rechtsgut Selbstbestimmung und dem abstrakten Gut entsteht demnach jeweils ein neues, synthetisches Rechtsgut, das alleiniger tatbestandlicher Schutzgegenstand des betroffenen willensbasierten Delikts ist. Die einzelnen Komponenten bleiben dabei als eigenständige Rechtsgüter außerhalb des straftatbestandlichen Schutzes bestehen und können etwa auf Rechtfertigungsebene innerhalb von Kollisionsbeziehungen und Abwägungsprozessen relevant werden.83 83 Insofern kann man einen Vergleich mit einem Backvorgang aufstellen. Der Teig stellt das Element dar, das gebacken wird und aus dem unmittelbar der Kuchen entsteht,

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Im Rahmen jenes Interpretationsansatzes ergibt sich allerdings das Bedürfnis nach einer weitergehenden Präzisierung. Konkret gilt es, einen spezifischen Gesichtspunkt aufzugreifen, der in der gängigen Behandlung der willensbasierten Delikte zumeist umstritten ist, und diesen in Beziehung zu der vorliegend vertretenen Sichtweise zu setzen. Betroffen ist im Speziellen die Diskussion, ob allein ein Handeln gegen den Willen oder auch ein Handeln ohne den Willen den tatbestandlichen Schutz willensbasierter Delikte genießt.84 Das sogenannte Handeln gegen den Willen bezeichnet dabei die Konstellation, in der eine konkret gegen die Vornahme der entsprechenden Handlung streitende Willensrichtung des Gutsinhabers gegeben ist. Demgegenüber soll im Sinne einer tauglichen Abgrenzung von einem Handeln ohne den Willen des Betroffenen gesprochen werden, wenn bezüglich der konkreten Einbuße keine spezifisch gebildete Meinung vorliegt. Bei genauer Betrachtung ist die Frage, ob allein ein Handeln gegen oder auch ein solches ohne den Willen vom Tatbestand erfasst wird, gleichbedeutend mit der Frage nach dem Umfang des Schutzgehalts der Selbstbestimmung auf Tatbestandsebene. Es gilt also festzustellen, ob die für willensbasierte Delikte charakteristische tatbestandliche Verbindung mit dem abstrakten Wert allein die Selbstbestimmung in ihrer ausgeübten Form erfasst oder ob auch eine weitergreifende Dimension derselbigen betroffen sein kann, welche ein Handeln ohne den Willen repräsentiert. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass das synthetische Rechtsgut, wie gesehen, aus einer Verbindung zweier selbständiger abstrakter Rechtsgüter besteht, wovon eines naturgemäß die Selbstbestimmung ist. Jenem Charakter der Selbstbestimmung in ihrer Ausgangsgestalt wird Rechnung getragen, wenn sie ihre allgemeingefasste Dimension auch im Rahmen des synthetischen Rechtsguts nicht vollständig verliert. Es mutet daher systemkonformer an, die Selbstbestimmung nicht nur als konkrete Entscheidung, sondern vielmehr auch als Möglichkeit zu einem derartigen Entschluss in das synthetische Rechtsgut einzubeziehen.85 Mit letztgenannter Ausprägung wird dabei der Schutzgehalt des Handelns sprich dasjenige, auf das es zum Gelingen maßgeblich ankommt. Dennoch wird man weiterhin davon sprechen können, dass der Teig Eier, Butter, Mehl und Zucker enthält, und gerade für die Bestimmung etwaiger Allergiegefahren oder Nährwerte spielen die einzelnen Komponenten nach wie vor eine Rolle. 84 Vgl. zu diesem Problemkreis bei § 123 StGB Schäfer, in: MK-StGB, § 123 Rn. 27; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 123 Rn. 11, wenngleich von den genannten Autoren praktische Auswirkungen des Streits insoweit teils verneint werden. Hinsichtlich § 239 StGB präsentiert sich das betreffende Problem zwar gemeinhin in spezifischer und auch terminologisch verschiedener Ausprägung. Inhaltlich läuft die Diskussion aber ebenfalls auf die vorliegend in Rede stehende Fragestellung hinaus. Vgl. zu dem entsprechenden Meinungsstreit im Rahmen des § 239 StGB Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 239 Rn. 2; Sonnen, in: NK-StGB, § 239 Rn. 4 ff. Siehe des Weiteren ausführlich zu der in Rede stehenden Frage, ob willensbasierte Delikte nur ein Handeln gegen oder auch ohne den Willen pönalisieren, den Beitrag von Ludwig/ Lange, JuS 2000, 446 ff. 85 Beide Ausprägungen der Selbstbestimmung betreffen dabei den in Fn. 57 Abschn. B. primär angesprochenen und bislang ausschließlich zugrunde zu legenden

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ohne den Willen zum Ausdruck gebracht. Eine Verletzung desselbigen ist gegeben, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, ohne dem Betroffenen eine diesbezügliche Entscheidung zu ermöglichen.86 Auf die Verletzung der Selbstbestimmung in einer bestimmten Gestalt kommt es dann tatbestandlich nicht an, sprich es ist von keinerlei Relevanz, ob der Betroffene den Eingriff bestätigt hätte oder nicht, wenn man ihn gefragt hätte.87 Die so gefasste Konstellation des Handelns ohne den Willen ist allerdings nur einschlägig, wenn auch tatsächlich die Möglichkeit besteht, dass der Betroffene über die in Rede stehende Rechtsgutsverletzung entscheiden kann. Schließlich gründet sich jene Fallgestaltung auf die Selbstbestimmung in ihrer auf Ermöglichung einer Entscheidung gerichteten Gestalt. Ohne die Möglichkeit zur tatsächlichen Entscheidung im maßgeblichen Moment entfällt folglich die Basis der betreffenden Gewährleistungsdimension.88 Zusammenfassend ist aber prinzipiell festzuhalten, dass die willensbasierten Delikte rein ihrer Struktur nach nicht nur das Handeln gegen den Willen, sondern auch ein Handeln ohne den Willen pönalisieren89.90 Allein ein Handeln mit dem Willen führt zu keiner Verletzung des synthetischen Rechtsguts.

Gehalt jenes Elements. Der Unterschied der beiden vorliegend aufgeführten Schutzdimensionen liegt lediglich darin, dass letztgenannte den Charakter als abstraktes Gut bezeichnet, während die erste die Anwendung desselbigen in der konkreten Situation abbildet. 86 Jenes letztgenannte, das Handeln ohne den Willen speziell charakterisierende Element wird aber im Rahmen der Darstellung der betreffenden Alternative zumeist außer Acht gelassen, so auch von Ludwig/Lange, JuS 2000, 446 ff., die hinsichtlich der Abgrenzung des Handelns gegen bzw. ohne den Willen einen Rekurs auf verwaltungsrechtliche Kategorien in den Mittelpunkt stellen und daraus Folgen für die strafrechtliche Einordnung ziehen. 87 Vgl. dazu näher Fn. 502 Abschn. D. 88 Aussagen zu möglichen Gestaltungen der willensbasierten Delikte bei fehlender Möglichkeit zur Einholung der Zustimmung lassen sich den Angaben unter D. II. 2. b) bb) (3) sowie Fn. 173 Abschn. F. entnehmen. 89 A. A. Ludwig/Lange, JuS 2000, 446, 450, die allerdings, wie bereits in Fn. 86 Abschn. B. erwähnt, eine anderweitig ausgestaltete Differenzierung zugrunde legen. 90 Sofern willensbasierte Delikte allerdings spezifische Nötigungen darstellen, genügt für die Tatbestandserfüllung das Handeln ohne den Willen nicht. Vielmehr verlangt die Natur einer Nötigung das tatsächliche aktuelle Bestehen eines gegen die konkrete Handlung gerichteten Willens, vgl. Valerius, in: BeckOK-StGB, § 240 Rn. 3. Der entsprechende Wille kann dabei jedoch auch lediglich natürlicher Art sein, siehe Sinn, in: MK-StGB, § 240 Rn. 26; Toepel, in: NK-StGB, § 240 Rn. 31. Jene angenommene Beschränkung der Nötigungsdelikte auf das Vorliegen eines tatsächlich gebildeten aktuell entgegenstehenden Willens ist aber nicht unbestritten, vgl. dazu speziell im Kontext des § 240 StGB die Nachweise bei Sinn, in: MK-StGB, § 240 Rn. 26. Keine weitere Ausnahme von dem im Text genannten Grundsatz stellt indessen § 248b StGB dar. Zwar setzt dieser nach dem reinen Wortlaut des Gesetzes zur Tatbestandserfüllung ein Handeln gegen den Willen voraus. Inhaltlich gesehen sind jedoch keine überzeugenden Gründe ersichtlich, warum die Selbstbestimmung in jenem Fall nicht auch in ihrer auf Ermöglichung einer Entscheidung geschützten Gestalt erfasst sein sollte. Der Wortlaut stellt dabei – entgegen dem ersten Eindruck – keinen zwingenden Hinderungsgrund für

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B. Begriffsbestimmung

In Hinblick auf die dargestellte Interpretation willensbasierter Delikte bestünde ein möglicher Kritikansatz allenfalls hinsichtlich der Rechtsgutsqualität des synthetischen Elements. Nach der hier vertretenen Definition ist es für die Annahme eines Rechtsguts erforderlich, dass der betreffende Gegenstand als kleinste abgrenzbare Schutzeinheit zu charakterisieren ist. Vorliegend soll das jeweils einschlägige Rechtsgut aber gerade aus der Verbindung zweier anderer Rechtsgüter entstehen, die beide schon für sich genommen in ihrem Charakter als Rechtsgut das kleinste abgrenzbare Schutzelement darstellen. Es erscheint daher auf den ersten Blick nicht möglich, das synthetische Gebilde ebenfalls als kleinste abgrenzbare Größe einzuordnen. Dem kann allerdings entgegnet werden, dass das Erfordernis des kleinsten abgrenzbaren Elements richtigerweise nicht absolut, sondern nur innerhalb eines thematischen Bezugszusammenhangs gelten kann. Bislang wurde allein ein Bezugszusammenhang zugrunde gelegt, welcher Größen zum Gegenstand hat, die auf tatsächlichen Gegebenheiten fußen. Daneben können jedoch auch Größen bestehen, die rein als „künstliche“ Gebilde zu bezeichnen sind, was freilich deren Schutzwürdigkeit nicht per se hindert. Beide Kategorien sind aber derart unterschiedlich, dass man die Subsumtion unter die einzelnen Merkmale eines Rechtsguts und damit die Untersuchung hinsichtlich des kleinsten abgrenzbaren Elements nicht übergreifend, sondern nur im jeweiligen Zusammenhang vornehmen kann. Dies steht auch nicht im Widerspruch zum postulierten Verbot der Berücksichtigung konkreter Aspekte im Rahmen der Untersuchung der Schutzwürdigkeit. Die Begrenzung auf einen passenden Bezugszusammenhang betrifft nämlich nicht die Ebene der konkreten, sprich auf bestimmte einzelne Fälle bezogenen Betrachtung. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine abstrakte Präzisierung des Definitionsbereichs. Synthetische Güter sind dabei der genannten Kategorie „künstliche“, genauer gesagt rein durch gesetzgeberisches Wirken formulierte, Elemente zuzuordnen. In jenem Kontext kann man sie durchaus jeweils als kleinste abgrenzbare Elemente klassifizieren, denen auf abstrakter Ebene rechtlicher Schutz zuteil wird. Durch gleichzeitig vorhandene Konkretisiertheit sowie eine Zuordnung zu natürlichen Personen erfüllen die synthetischen Gebilde daher mit ihrem jeweiligen Inhalt die vorliegend entwickelte Definition eines Rechtsguts.

eine solche Interpretation dar. Denn im Kontext der willensbasierten Delikte bedient sich der Gesetzgeber grundsätzlich unterschiedlicher, der inhaltlichen Dimension des erfassten Verhaltens angepasster Formulierungen. Dass bei § 248b StGB ausnahmsweise der Terminus „gegen den Willen“ verwendet wird, erscheint dem Umstand geschuldet, dass nur insoweit die Eigenschaft als willensbezogenes Delikt im einschlägigen Zusammenhang sinnhaft ausgedrückt werden kann; vgl. zu einer ähnlichen Deutung auch Ludwig/Lange, JuS 2000, 446, 448 f. Es ist also nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber § 248b StGB anders behandeln wollte als die anderen willensbasierten Delikte.

III. Die Begriffskomponente „Rechtsgut‘‘

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cc) Untersuchung der willensbasierten Delikte unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse Im Folgenden sollen beispielhaft einige ausgewählte Delikte, bei denen gemeinhin eine Bedeutung der Selbstbestimmung auf Tatbestandsebene im Zusammenhang mit einem abstrakten Wert zu konstatieren ist, auf ihre Kongruenz mit der soeben entwickelten Interpretationsweise eines willensbasierten Delikts untersucht werden. Erforderlich ist danach in jedem Fall, dass der thematische Kontext zwei selbstständige Rechtsgüter aufweist, konkret die Selbstbestimmung und einen abstrakten Wert als deren Bezugspunkt. Diese müssen weiter vom Gesetzgeber derart in Abhängigkeit gebracht worden sein, dass ein straftatbestandlicher Schutz vor Verletzungen nur bei Kongruenz von Selbstbestimmung91 und Bezugsobjekt zu gewähren ist, sodass in der Konsequenz ein entsprechendes synthetisches Rechtsgut festgestellt werden kann. Im Falle des § 123 StGB muss zur Ermittlung des betroffenen abstrakten Wertes auf Art. 13 GG zurückgegriffen werden. Auch wenn dessen Gewährleistungsgehalt einen engen Bezug zum Schutz der Privatsphäre aufweist,92 so steht dabei doch die Wohnung als Rückzugsort im Mittelpunkt. Diese soll daher auch als solche separat gewürdigt werden. Mithin ist deren räumlich-gegenständlichem Bereich93 ein abstrakter Schutzgehalt und somit die Qualität als eigenständiges Rechtsgut zuzugestehen. Der Schutz durch den Tatbestand von § 123 StGB soll jedoch so weit gerade nicht gehen. Im Gegensatz zum grundrechtlich basierten Gehalt schützt § 123 StGB den räumlich-gegenständlichen Wohnungsbereich nicht unabhängig von einem Willen.94 Die Bestimmung darüber, wer sich in den Räumen aufhalten darf und wer nicht, ist bereits ein wesentliches Element des objektiven Tatbestandes.95 Das abstrakte Gut des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Wohnung wird hierbei also erkennbar mit der Selbstbestimmung zu einem eigenständigen synthetischen Rechtsgut verbunden, das man als „Hausrecht“ 96 bezeichnen kann. Auch der die Strafbarkeit von Freiheitsberaubungen regelnde Tatbestand des § 239 StGB vereint zwei selbstständige Rechtsgüter zu einem synthetischen Rechtsgut.97 Die beteiligten Komponenten sind konkret zum einen die aus Art. 2 91 Entweder in konkret ausgeübter Form oder in Gestalt der Möglichkeit einer entsprechenden Ausgestaltung. 92 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 13 Rn. 4. 93 Vgl. dazu Fink, in: BeckOK-GG, Art. 13 Rn. 1. 94 Vgl. Schäfer, in: MK-StGB, § 123 Rn. 29. 95 Vgl. Ostendorf, in: NK-StGB, § 123 Rn. 1; Rackow, in: BeckOK-StGB, Einleitung zu § 123. 96 So etwa Lackner/Kühl, StGB, § 123 Rn. 1. 97 Siehe zum geschützten Rechtsgut des § 239 StGB Wieck-Noodt, in: MK-StGB, § 239 Rn. 1.

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B. Begriffsbestimmung

II 2 GG hergeleitete98 abstrakte Möglichkeit zur räumlichen Fortbewegung, sowie zum anderen die freie Entscheidung darüber, ob man eine solche Möglichkeit wahrnimmt oder nicht. Der Schutz des abstrakten Wertes wird dabei nur im Falle der Verletzung der zweitgenannten Komponente aktiviert. Ebenso wie § 123 StGB erfüllt folglich auch § 239 StGB die vorliegend entwickelten Kriterien für die Einordnung als willensbasiertes Delikt. In Hinblick auf die §§ 177 f. StGB ist schon angesichts deren Eigenschaft als besondere Form der Nötigung99 eine Abhängigkeit der Tatbestandserfüllung von der negativen Betroffenheit der Selbstbestimmung100 offensichtlich. Schwieriger erscheint es indessen, eigenständige Rechtsgüter als Bausteine der von jenen Normen geschützten sexuellen Selbstbestimmung101 auszumachen. Dies stellt jedoch ebenfalls eine zwingende Voraussetzung dar, wenn man insoweit von einem synthetischen Rechtsgut ausgehen will. Als abstrakte Rechtsgüter könnten diesbezüglich zum einen die Selbstbestimmung sowie zum anderen die sexuelle Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit in Betracht gezogen werden. Dass die Selbstbestimmung prinzipiell als eigenständiges Rechtsgut fungieren kann, wurde bereits abschließend geklärt. Es steht daher allein die Rechtsgutsqualität der sexuellen Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit in Frage. Um die Definition eines Rechtsguts zu erfüllen, müsste jenes Element eine eigenständig vom Recht anerkannte und zu schützende Größe darstellen. Es ist mithin ein rechtlicher Anknüpfungspunkt für den betreffenden abstrakten, vom Willen unabhängigen Schutz der Sexualität erforderlich. Ein solcher könnte sich – wie bereits hinsichtlich § 123 StGB – aus den Grundrechten ergeben. Der Schutz der sexuellen Sphäre wird grundrechtlich im Zusammenhang mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gewährleistet.102 Dabei tritt zwar im Vergleich zum räumlich-gegenständlichen Bereich der Wohnung bei Art. 13 GG ein abstrakt geschütztes Element, speziell im Sinne einer abstrakten sexuellen Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit, nicht klar hervor. Man muss jedoch die Funktion der Grundrechte als abstrakte 98 Vgl. zur Schutzbereichsdimension dieses Grundrechts Lang, in: BeckOK-GG, Art. 2 Rn. 84. 99 Siehe dazu speziell § 177 StGB betreffend Eisele, in: Schönke/Schröder, § 177 Rn. 3. Die nötigungsbezogene Tatbestandsstruktur gilt durch den Verweis auf § 177 StGB aber auch innerhalb des § 178 StGB. 100 Durch die Bezugnahme auf die Nötigungsvoraussetzungen in §§ 177 f. StGB schützen diese wie § 240 StGB zwar speziell die Freiwilligkeit als Grundvoraussetzung der Selbstbestimmung. Da der Anwendungsbereich der §§ 177 f. StGB aber einen besonderen inhaltlichen Kontext betrifft und diesbezüglich beliebige Entscheidungen ermöglicht, ist anders als bei § 240 StGB schließlich doch der gesamte Bereich der Selbstbestimmung als Rechtsgut abgedeckt. 101 Vgl. zum Schutzgut des § 177 StGB bereits die Nachweise in Fn. 73 Abschn. B. Als Erfolgsqualifikation zu § 177 StGB schützt auch § 178 StGB dasselbe Rechtsgut. Siehe zum Charakter des § 178 StGB als erfolgsqualifiziertes Delikt Eisele, in: Schönke/Schröder, § 178 Rn. 1. 102 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Art. 2 Rn. 200; Jarass, NJW 1989, 857, 859.

III. Die Begriffskomponente „Rechtsgut‘‘

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Werteordnung103 beachten, womit eine Richtung vorgegeben wird, an welchen Punkten ein Schutzbedürfnis unerlässlich ist. Hierin ist die Grundlage für die Annahme von Rechtsgütern zu erkennen.104 Das Prinzip, von der kleinsten abgrenzbaren Größe auszugehen, hat daher bereits in jenem Rahmen als bestimmender Faktor zu gelten. Dementsprechend sind die grundrechtlich geschützten Elemente so fein wie möglich zu gliedern. Unter Zugrundelegung jenes Prinzips erscheint es folgerichtig, die sexuelle Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit als eigenständig zu fassenden Bestandteil der sexuellen Selbstbestimmung anzuerkennen. Die autonome Bedeutung dieses Bausteins lässt sich auch durch dogmatische Erwägungen belegen. So hat die reine Selbstbestimmung ihre Grundlage in Art. 2 I GG, sprich der allgemeinen Handlungsfreiheit, wohingegen der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I i.V. m. Art. 1 GG verankert ist. Hinsichtlich des dogmatischen Anknüpfungspunktes wird also eine weitergehende Komponente deutlich, die eine eigenständige Bedeutung des hinzutretenden Elements impliziert. Auch im strafrechtsrelevanten Kontext lässt sich das Ergebnis einer eigenständigen, selbstbestimmungsunabhängigen Bedeutung der sexuellen Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit beispielhaft untermauern: Eine ärztliche Untersuchung der Genitalien gegen den Willen des Patienten kann man – unterstellt, das Verhalten des Arztes ist im konkreten Fall als sexuelle Handlung zu werten – als Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ansehen. Nimmt man nun allein die Änderung vor, dass die Untersuchung mit dem Willen geschieht, so ist das einzige, das sich ändert, die Selbstbestimmung, nicht aber der Sexualbezug. Dies zeigt wiederum, dass letztgenannter eine eigenständige, abstrakte Rolle spielt. Zusammenfassend ist es also möglich, zum einen das Rechtsgut Selbstbestimmung sowie zum anderen das der abstrakten sexuellen Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit als eigenständige Bausteine der sexuellen Selbstbestimmung zu identifizieren. Damit liegen alle Voraussetzungen vor, die es erlauben, die in §§ 177 f. StGB geschützte sexuelle Selbstbestimmung als synthetisches Rechtsgut anzusehen. Auch im Zusammenhang mit den sonstigen Sexualdelikten, die in §§ 174– 176b, 179, 180 sowie 182 StGB niedergelegt sind, spielt die soeben festgestellte Existenz der sexuellen Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit als im Ausgangspunkt eigenständiges Rechtsgut eine konstituierende Rolle. Schließlich kann die Annahme eines synthetischen Rechtsguts hierbei ebenfalls nur dann überhaupt in Betracht gezogen werden, wenn ein entsprechender Grundbaustein zu bejahen ist. Innerhalb der aktuell thematisierten Deliktsgruppe tritt daneben allerdings eine zusätzliche Schwierigkeit auf. Anders als die §§ 177 f. StGB rekurrieren die be103

Siehe dazu Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 Rn. 52. Vgl. speziell zur Funktion der Grundrechte als Basis für Straftatbestände Hassemer/Neumann, in: NK-StGB, Vor § 1 Rn. 64. Es sei jedoch klarstellend darauf hingewiesen, dass die Grundrechte freilich eine über die Konstituierung von Straftatbeständen hinausgehende Bedeutung hinsichtlich potentieller Schutzobjekte aufweisen. 104

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B. Begriffsbestimmung

treffenden Delikte nämlich nicht auf die Voraussetzungen der Nötigung. Eine tatbestandliche Bedeutung der Selbstbestimmung kann daher nicht schon aus jenem Grunde als offensichtlich gewertet werden. Im Gegenteil scheint auf den ersten Blick der Gewährleistungsgehalt der einschlägigen Normen gegen eine tatbestandliche Abhängigkeit der sexuellen Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit von der Selbstbestimmung zu sprechen. Die relevanten Tatbestände umfassen nämlich nicht nur ein Handeln gegen105 bzw. ohne den aktuell gebildeten Willen. Sie pönalisieren vielmehr auch Vorgänge, die sich im Einklang mit einer Zustimmung106 des Betroffenen befinden.107 Auch wenn dies zweifelsohne ein ungewöhnliches Phänomen im Rahmen von willensbasierten Delikten darstellen würde, wird dadurch eine entsprechende deliktsbezogene Charakterisierung noch nicht automatisch ausgeschlossen. Die Frage, die sich insoweit entscheidend stellt, ist, ob die diesbezüglich berührte sexuelle Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit tatsächlich unabhängig von der Selbstbestimmung Schutz erfahren soll. Eine Unabhängigkeit von der Existenz eines natürlichen Willens muss dabei richtigerweise angenommen werden. Schließlich stellt die Sexualsphäre eine hochsensible und gerade für junge Leute oft noch unerforschte Sphäre dar, über deren Bedeutung und Tragweite man für maßgebliche Entscheidungen aufgeklärt sein muss.108 Der natürliche Wille kann folglich nicht ausreichen, die Schutzdimension des Rechtsguts einzuschränken. Gegen eine vollständige Unabhängigkeit von der Selbstbestimmung109 und mithin die separate Erfassung der sexuellen Unberührtheit bzw. Unangetastetheit auf Tatbestandsebene spricht jedoch die gemeinsame systematische Einordnung mit den § 177 f. StGB, die, wie gesehen, eine Abhängigkeit des abstrakten Wertes von der Selbstbestimmung deutlich verkörpern. Dabei ist nicht nur ins Feld zu führen, dass die sonstigen Sexualdelikte sowohl vor als auch nach den entsprechenden nötigungsbezogenen Delikten zu finden sind, was gegen eine elementare inhaltliche Divergenz spricht. Auch sind alle Tatbestände gemeinsam unter der amtlichen Überschrift „Straftaten gegen 105 Siehe diesbezüglich zu einer möglichen Idealkonkurrenz mit § 177 StGB Eisele, in: Schönke/Schröder, § 174 Rn. 22, § 174a Rn. 14, § 176 Rn. 26. 106 Hierbei wird absichtlich nicht der Terminus Wille, sondern ein unspezifizierter Begriff verwendet, um keine wesentlichen Ergebnisse vorwegzunehmen. 107 Vgl. dazu implizit etwa Eisele, in: Schönke/Schröder, § 174 Rn. 13. 108 So i. E. auch Thiele, S. 135 f., der dies allerdings in Bezug auf § 177 StGB (a. F.) anders sieht und dort den natürlichen Willen ausreichen lässt. Ein Unterschied von §§ 177 f. StGB zu sonstigen Sexualdelikten mutet zwar inhaltlich angesichts desselben thematischen Hintergrundes fragwürdig an. Konstruktiv erscheint die von Thiele vorgeschlagene Schwelle für § 177 f. StGB indessen überzeugend. Denn im Rahmen der Nötigung nach § 240 StGB wird richtigerweise bereits ein natürlicher befürwortender Wille den Tatbestand ausschließen. Da es sich bei §§ 177 f. StGB um Ausprägungen der Nötigung handelt, ist insofern eine Gleichbehandlung geboten. Die sonstigen Sexualdelikte können jedoch zum Teil als Auffangtatbestände für von §§ 177 f. StGB nicht erfasste, aber dennoch strafwürdige Konstellationen fungieren. 109 An deren Betroffenheit nach dem soeben Ausgeführten strengere Anforderungen zu stellen sind als lediglich das Vorliegen eines natürlichen Willens.

III. Die Begriffskomponente „Rechtsgut‘‘

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die sexuelle Selbstbestimmung“ verankert. Eine Überschrift weist gemeinhin die Bedeutung auf, eine weitestgehend umfassende Kennzeichnung der darunter fallenden Elemente zu liefern. Da die § 177 f. StGB diesbezüglich keinesfalls die Mehrheit darstellen, ist anzunehmen, dass auch und gerade die anderen Delikte die sexuelle Selbstbestimmung als synthetisches Rechtsgut aus sexueller Unversehrtheit bzw. Unangetastetheit sowie der Selbstbestimmung schützen. Auf diese Weise wird folglich die – insofern charakteristische – Abhängigkeit des Schutzes des abstrakten Wertes von der Selbstbestimmung auch im aktuell relevanten Kontext zum Ausdruck gebracht. Im Ergebnis sind mithin sämtliche Sexualdelikte ihrer Struktur nach als willensbasierte Delikte zu klassifizieren.110 Auf die Frage, warum dennoch in vielen Fällen auch bei einem vermeintlich willensgemäßen Verhalten eine Tatbestandserfüllung anzunehmen ist, wird an späterer Stelle im dafür spezifisch einschlägigen Zusammenhang eingegangen werden.111 Hinsichtlich § 242 StGB und § 266 StGB sind die abstrakten Größen, sprich Eigentum und Vermögen, zweifelsfrei aufzufinden. Schwieriger ist es allerdings zu erklären, dass in den genannten Tatbeständen diese Größen allein in Abhängigkeit von der Selbstbestimmung und folglich in Gestalt eines synthetischen Rechtsguts geschützt werden sollen, während sie doch in verwandten Tatbeständen wie § 246 StGB und § 263 StGB bereits als abstrakte Rechtsgüter umfänglichen tatbestandlichen Schutz genießen. Aus dem angestellten Vergleich könnte die Inkonsequenz einer solch unterschiedlichen Betrachtung zu schließen sein. Jener mögliche Einwand relativiert sich jedoch, wenn man die betreffenden Delikte und ihre Besonderheiten genauer betrachtet. In Hinblick auf § 242 StGB kann – freilich umstrittenermaßen112 – nicht nur das Eigentum, sondern auch der Gewahrsam als geschütztes Rechtsgut angesehen werden. Allein letztgenannter ist aber im Rahmen des § 242 StGB das Produkt aus Selbstbestimmung und einem abstrakten Wert, nämlich der tatsächlichen bzw. sozial-normativen Herrschaft113 über einen Gegenstand, und auch nur in diesem Zusammenspiel konkret schutzwürdig. Das Eigentum bleibt hingegen daneben als abstrakte willensunabhängige Größe ebenfalls geschützt.114 Insofern ergibt sich also kein Widerspruch zum abstrakten Schutz des Eigentums in § 246 StGB. Bezogen auf § 266 StGB

110 Dies lässt sich in Bezug auf § 174c StGB auch implizit den Formulierungen des BGH in NJW 2011, 1891, 1892 entnehmen. 111 Unter F. I. 3. 112 Vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 242 Rn. 1 m.w. N. 113 Vgl. zur entsprechenden Differenzierung zwischen verschiedenen Gewahrsamsbegriffen Wessels/Hillenkamp, BT II, § 2 Rn. 82. 114 Eigentum und Gewahrsam stellen dabei richtigerweise kumulativ geschützte Rechtsgüter dar. Zu Schwierigkeiten kommt es diesbezüglich in den Fällen, in denen Gewahrsamsinhaber und Eigentümer auseinanderfallen und jeweils nur der eine oder der andere mit der Tat nicht einverstanden ist. Die konkrete strafrechtliche Behandlung derartiger Konstellation muss vorliegend allerdings ausgeklammert werden.

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B. Begriffsbestimmung

folgt die Notwendigkeit der Verknüpfung des Rechtsguts Vermögen mit dem Willen aus der jenen Konstellationen zugrunde liegenden Verantwortung des Täters für den entsprechenden abstrakten Wert. Speziell die Ausnutzung einer solchen verantwortungsvollen Position wird diesbezüglich als strafwürdig angesehen.115 Die betreffende Position erfährt ihre konkrete entscheidende Ausgestaltung aber gemeinhin gerade durch die Selbstbestimmung des Vermögensinhabers.116 Unter Berücksichtigung jener Komponente, die im Gegensatz dazu beim Betrug nicht besteht, ergibt sich kein Widerspruch zwischen § 263 StGB und § 266 StGB hinsichtlich eines nur bei letzterem geschützten synthetischen Rechtsguts aus Selbstbestimmung und Vermögen.117 Sowohl § 242 StGB als auch § 266 StGB können daher im Ergebnis als – bezogen auf § 242 StGB zumindest partiell – willensbasierte Delikte angesehen werden. Zuletzt ist im genannten Zusammenhang auf § 303 II StGB einzugehen. Verdeutlicht durch das Merkmal „unbefugt“ spielt die Selbstbestimmung des Betroffenen dort bereits im Tatbestand eine konstituierende Rolle, was einen Gegensatz zur Regelung in § 303 I StGB darstellt.118 Eine Interpretation des § 303 II StGB im Sinne eines geschützten synthetischen Rechtsguts, bestehend aus den Grundbausteinen Eigentum und Selbstbestimmung, begegnet aber auf den ersten Blick dem im vorherigen Abschnitt angesprochenen möglichen Einwand eines systematischen Widerspruchs in noch größerem Maße. Schließlich wird insoweit sogar innerhalb eines Delikts in verschiedenen Absätzen ein unterschiedliches Schutzgut angenommen, obgleich sich die Handlungsalternativen auf dasselbe Bezugsobjekt beziehen können. So fällt etwa das Zerschlagen einer Haustür unter § 303 I StGB, deren Bemalen allerdings unter § 303 II StGB. Man muss demgegenüber aber bedenken, dass die Statuierung eines synthetischen Rechtsguts nicht beliebig geschieht, sondern einem situationsbezogenen Bedürfnis Rechnung trägt. Diesbezüglich ist, wie bereits angesprochen, das ultima-ratio-Prinzip nicht außer Acht zu lassen. Im konkreten Fall des § 303 II StGB wird durch die entsprechende Tathandlung das abstrakte Rechtsgut Eigentum nicht derart gefährdet, dass ein tatbestandlicher Schutz im gleichen Maße wie in § 303 I StGB zulässig wäre.119 Die konkret schützenswerte Komponente ergibt sich bei § 303 II StGB erst im Zusammenspiel der Rechtsgüter Selbstbestimmung und Eigen-

115

Vgl. dazu Kindhäuser, in: NK-StGB, § 266 Rn. 3. Zwar können juristische Personen keine Selbstbestimmung im eigentlichen Sinne aufweisen. Es ist insofern aber auf die zur Entscheidung berufenen Vertreter abzustellen. 117 Wittig, in: BeckOK-StGB, § 266 Rn. 2 betont hingegen, das lediglich das individuelle Vermögen, nicht aber die Dispositionsfreiheit des Inhabers geschützt sei; siehe auch Lackner/Kühl, StGB, § 266 Rn. 1. 118 BT-Drucks. 15/5313, S. 3. 119 Vgl. auch Lackner/Kühl, StGB, § 303 Rn. 9a, wo davon gesprochen wird, dass derartige Handlungsweisen „kein typisches Unrecht“ seien. 116

IV. Die Begriffskomponente „Kollision‘‘

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tum bzw. nur unter Abhängigkeit des letztgenannten von ersterem.120 Wie im Falle des § 266 StGB führt die Einbeziehung des konkreten Sinnzusammenhangs daher auch hier zu einer Relativierung des Einwands eines systematischen Widerspruchs und bestätigt die Annahme eines synthetischen Rechtsguts in § 303 II StGB. Jene Vorschrift stellt demnach ebenfalls ein willensbasiertes Delikt nach der vorliegend entwickelten Definition dar.

IV. Die Begriffskomponente „Kollision“ Nachdem sich „Rechtsgüter“ als adäquate Bezeichnung für die beteiligten Positionen herausgestellt hat, muss nun deren Beziehung in der hier relevanten Konstellation näher erörtert werden. Vorgeschlagen wurde bereits, hierbei von „Kollision“ zu sprechen. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob dieser Terminus alle relevanten Fallgestaltungen zutreffend erfassen kann. 1. Definition des Begriffs „Kollision“ Der Begriff „Kollision“ ist auf das lateinische Wort „collisio“ zurückzuführen, welches „das Zusammenstoßen“ bedeutet.121 Als synonyme Bezeichnungen zu „Kollision“ finden sich dementsprechend „Aufprall“, „Zusammenprall“ und „Zusammenstoß“, genannt wird auch „Konflikt“ und „Widerstreit“.122 Gemäß der Wortbedeutung muss es notwendigerweise mindestens zwei Elemente geben, die beteiligt sind – anderenfalls kann es denklogisch zu keinen Zusammenstößen oder Konflikten kommen, die allesamt einen Gegenpart benötigen. Eine Kollision zeichnet sich darüber hinaus dadurch aus, dass gegenläufige Positionen in der betreffenden Lage nur unter Beeinträchtigung der jeweils anderen weiterhin bestehen können.123 Mehrere auf einer Seite kumulativ beteiligte

120 Dass das Merkmal „unbefugt“, sprich die Inkorporierung der Selbstbestimmung in den Tatbestand, vorliegend dazu dient, den Tatbestand auf strafwürdige Fälle zu beschränken, ist explizit BT-Drucks. 15/5313, S. 3 zu entnehmen. 121 http://www.duden.de/rechtschreibung/Kollision; zuletzt abgerufen am 24.11. 2015. 122 http://www.duden.de/rechtschreibung/Kollision; zuletzt abgerufen am 24.11. 2015. 123 Mit „Beeinträchtigung“ ist der Zustand des Verletzt- oder Zerstörtseins gemeint. Nicht erforderlich ist, dass die Beeinträchtigung vom bedrohten Element ausgeht. Damit kann etwa auch der zwingende Zusammenstoß eines Elefanten mit einer Ameise als Kollision bezeichnet werden: Mit der Weiterexistenz des Elefanten ist zwingend die Zerstörung der Ameise verbunden, das heißt, der Elefant kann nicht in gewohnter Gestalt weiterexistieren, ohne dass die Ameise beeinträchtigt ist. Die Ameise hingegen kann nicht weiterbestehen, ohne dass sich der Elefant verletzt oder gar stirbt, sodass ein Fußtritt desselbigen nicht mehr zu erwarten sein wird, wobei es unschädlich ist, dass die Beeinträchtigung des Elefanten nie von der Ameise ausgehen wird.

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B. Begriffsbestimmung

Güter sind dabei gedanklich zusammenfassen. Das zuvor genannte Merkmal bezieht sich auf dieses „Gesamtpaket“ als Ganzes im Verhältnis zu einem „Gegenspieler“, der wiederum aus mehreren Komponenten bestehen kann. Auf diese Weise erfolgt eine Verankerung der betroffenen Positionen in einer gemeinsamen Situationsbeschreibung. Damit wird zum einen die konkrete Beziehung der Güter umfassend abgebildet. Gleichzeitig wird der Definition aber auch der kleinste sachgerecht abgrenzbare Ausschnitt zugrunde gelegt, was im vorliegenden Kontext ebenso wie im Zusammenhang mit der Rechtsgutsdefinition erforderlich ist. Jener betreffende Grundsatz bedingt auch, dass hinsichtlich der dargestellten Dimension der Verbindung eine isolierte Betrachtung zu erfolgen hat, bei der anderweitige Einflussfaktoren auszublenden sind. Hängt folglich die Existenz eines Gutes von der alternativen Beeinträchtigung mehrerer Güter ab, so sind mehrere, voneinander zu trennende Kollisionsbeziehungen anzunehmen.124 Als Beispiel ist der Fall zu nennen, dass der Brand eines PKW nur dadurch gelöscht werden kann, dass entweder das Fenster des einen oder des anderen Nachbarwagens eingeschlagen und dort ein Feuerlöscher entnommen wird. Hierbei liegt zum einen eine Kollision zwischen dem Eigentum am brennenden PKW und dem Eigentum an dem ersten Rettungsfahrzeug vor. Zum anderen kollidiert das Eigentum am brennenden PKW mit dem Eigentum am zweiten Rettungsfahrzeug. „Kollision“ beschreibt des Weiteren den Ausschnitt des Aufeinandertreffens zu einem Zeitpunkt, in dem die Folgen noch nicht eingetreten sind. Allein der Vorgang, nicht aber der Ausgang ist für die Begriffsbestimmung von Relevanz, sodass „Kollision“ eine ergebnisoffene Bezeichnung darstellt.125 Dementsprechend kann es kein Erfordernis sein, dass die jeweilige Position bei Beeinträchtigung der anderen auch im Ergebnis weiterbestehen muss. Erforderlich ist lediglich, dass ohne die Beeinträchtigung der anderen ein Fortbestehen der betreffenden Position gar nicht denkbar wäre. Eine Kollision kann demnach auch angenommen werden, wenn im Endeffekt alle Elemente nicht gerettet werden können. Zusammenfassend ist somit „Kollision“ als das Zusammentreffen mindestens zweier Komponenten zu beschreiben, deren potentielle Unversehrtheit jeweils zwingend mit der Beeinträchtigung der bzw. den gegenüberstehenden anderen verbunden ist.

124 Frisch, in: FS Puppe, S. 425, 438, 446 ff. scheint diese Konstellationen hingegen nicht als Kollisionssituationen anzusehen. 125 Ergebnisoffen ist insofern lediglich der Charakter einer Kollision im Allgemeinen. Im konkreten Fall ist es durchaus eine zulässige Gegebenheit, dass sich ein Rechtsgut von vornherein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durchsetzen wird, wie etwa in dem in Fn. 123 Abschn. B. dargestellten Beispiel des Zusammentreffens von Ameise und Elefant, wenn weit und breit keine Dritteinwirkung auf den Elefanten zu erwarten ist.

IV. Die Begriffskomponente „Kollision‘‘

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2. Annahme einer Kollision bei Betroffenheit einer einzigen Person Auch wenn der Begriff „Kollision“ oft im Zusammenhang mit dem Aufeinandertreffen von Rechtsgütern derselben Person verwendet wird, muss aus Gründen der dogmatischen Präzision eine Überprüfung hinsichtlich der Kongruenz jener Konstellation mit der entwickelten Definition von „Kollision“ erfolgen. Hinsichtlich der beteiligten Elemente gibt die Definition lediglich vor, dass es sich um mindestens zwei handeln muss, trifft aber keine Aussage dahingehend, wem die betreffenden Elemente zustehen müssen. Eine Einschränkung dergestalt, dass die Träger personenverschieden sein müssen, existiert nicht. Sind folglich mindestens zwei selbständig fassbare Rechtsgüter beteiligt, ist das erste Definitionsmerkmal auch bei Binnenbetroffenheit erfüllt.126 Die Anforderung, dass die jeweiligen Positionen nur unter Beeinträchtigung des bzw. der anderen fortbestehen können, ist ebenfalls nicht problematisch, sondern eine durchaus häufige Konstellation bei Beteiligung lediglich eines Rechtsgutsträgers. Man denke nur an das Beispiel der schadhaften Wasserleitung:127 Ohne Beeinträchtigung des Eigentums an der Tür oder an einem Fenster kann das Rechtsgut Eigentum an den durch das Wasser bedrohten Gegenständen nicht gewahrt bleiben. Auch umgekehrt ist es nicht vorstellbar, dass das Eigentum an der Tür oder dem Fenster unbehelligt bleibt, ohne dass das Inventar durch das Wasser beschädigt wird. Im Ergebnis ist daher die Betroffenheit des Binnenraums einer Person mit der definitionsgemäßen Annahme einer Kollision prinzipiell kompatibel. 3. Sonderkonstellationen Weitergehend gilt es zu ermitteln, ob diese Kompatibilität auch in speziellen Konstellationen der Beteiligung mehrerer Rechtsgüter derselben Person besteht. Nur wenn der Begriff „Kollision“ alle inhaltlich zusammengehörigen Fälle erfasst, kann er als Bestandteil allgemeiner Begriffsbestimmung in Betracht kommen. 126 Prinzipiell kann jedes Rechtsgut an einer Binnenkollision beteiligt sein. Auch synthetische Rechtsgüter sind nicht ausgeschlossen. Allerdings können diese denklogisch nicht allein mit der Selbstbestimmung als eigenständigem Rechtsgut kollidieren. Das liegt darin begründet, dass die Selbstbestimmung als Bestandteil des synthetischen Gutes bereits mit einem abstrakten Wert verbunden ist und nicht gleichzeitig in zwei entgegengesetzten Bezügen auf dasselbe abstrakte Rechtsgut existieren kann. Beispielsweise ist eine Binnenkollision zwischen sexueller Selbstbestimmung und Selbstbestimmung als eigenständigem Rechtsgut nicht denkbar. 127 Um Überschneidungen mit dem unter B. IV. 3. c) zu erörternden Problemkreis zu vermeiden, wird hier die Bedeutung des Rechtsguts Selbstbestimmung ebenso wie im Zusammenhang mit Fn. 14 Abschn. B. noch ausgeklammert.

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B. Begriffsbestimmung

a) Annahme einer Kollision bei bloßer Gefährdung eines Rechtsguts Es ist ein Wesensmerkmal der meisten, wenn nicht sogar aller128 Fälle der Binnenkollision von Rechtsgütern, dass sich ein Gut – nämlich dasjenige, das durch die in Rede stehende Handlung bzw. Nichthandlung bewahrt werden soll – in einer Gefährdungslage befindet. Problematisch ist jedoch die Konstellation, in der die Rettung jenes Gutes keine Verletzung, sondern lediglich eine Gefährdung des anderen Rechtsguts zur Folge hat. In Abgrenzung zur sicheren Verletzung soll der Terminus „Gefährdung“ ausdrücken, dass es zwar zu einer Verletzung des Gutes zu kommen vermag, eine solche aber im Ergebnis nicht zwingend ist.129 Die Definition von „Kollision“, wie sie hier entwickelt wurde, verlangt, dass die Unversehrtheit eines Gutes nicht ohne Beeinträchtigung des anderen möglich ist. „Beeinträchtigung“ impliziert aber auf den ersten Blick das Erfordernis einer tatsächlich eintretenden Verletzung. Würde diese Interpretationsweise zur Anwendung kommen, könnte man Fälle, in denen mit der Rettungshandlung eine bloße Gefährdung des anderen Gutes einhergeht, nicht als Kollisionen erachten.130 Eine Kollisionssituation ist indes gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie das Aufeinandertreffen ergebnisoffen beschreibt. Die konkreten Folgen spielen für die Situationsbeschreibung keine Rolle. Es wäre daher wenig konsequent, davon abweichend gewisse Folgen von vornherein aus der Reichweite des Begriffs auszuschließen. Darüber hinaus kann man zum relevanten Zeitpunkt in vielen Fällen noch gar nicht feststellen, ob eine Verletzung als Folge eintreten wird. Dies ergibt sich häufig erst aus dem Eingreifen zur Rettung eines Gutes und macht somit eine ex-post-Betrachtung erforderlich, die wiederum der Ergebnisoffenheit widerspricht. Wollte man demgegenüber an einer ex-ante-Betrachtung festhalten, würde mangels Prognosesicherheit der Bereich erfasster Kollisionen auf ein Minimum reduziert. Daher ist es erforderlich, auch Fälle, in denen es lediglich zu einer Gefährdung des antagonistisch positionierten Rechtsguts kommt, als Kollisionssituationen zu werten.131 Dies kann mit der Definition in Einklang gebracht 128 Vgl. dazu auch speziell die Angaben unter D. I. 1. a) im Rahmen der Erörterung des § 34 StGB als Lösungsansatz. 129 Vgl. näher zum Begriff der Gefährdung – bzw. der Gefahr – die Ausführungen unter F. II. 1. 130 In diesem Sinne könnte man die Aussage von Hruschka, JuS 1979, 385, 385 deuten, der eine Kollisionssituation annimmt, wenn bzw. weil in der fraglichen Konstellation ein drohender Schaden nur dadurch verhindert werden kann, dass man ein verfügbares Interesse eines anderen opfert. 131 Im Einklang mit einer solchen Definition Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9 Rn. 104. Dort wird unter der Überschrift „Güterkollision“ auch der Fall erörtert, dass die Gefahr für ein Gut nur dadurch abgewendet werden kann, dass ein anderes gefährdet wird. Auch die in Fn. 130 Abschn. B. erwähnte Ausführung von Hruschka könnte man in diesem Sinne deuten, wenn man „opfern“ weit auslegt und im Sinne von „preisgeben“ versteht.

IV. Die Begriffskomponente „Kollision‘‘

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werden, indem man das Erfordernis der Beeinträchtigung lediglich auf den gegenwärtigen gesicherten Bestand des Bezugsobjekts bezieht. Ein Rechtsgut ist demnach schon dann als beeinträchtigt anzusehen, wenn dessen aktuelle Unversehrtheit preisgegeben wird, was eine Verletzung, aber auch eine bloße Gefährdung als Ergebnis beinhalten kann. Mit dieser Interpretationsweise des Kollisionsbegriffs ist es möglich, das eingangs bereits angesprochene Beispiel, dass ein Kind aus einem brennenden Haus in die Arme eines auffangbereiten Retters geworfen wird, unter den Begriff der Kollision zu subsumieren, auch wenn es trotz entsprechender Gefahr für die körperliche Unversehrtheit132 zu keiner Verletzung des Kindes kommt, sondern es unversehrt entgegengenommen wird. b) Annahme einer Kollision bei Betroffenheit des gleichen Rechtsguts in verschiedenen Ausprägungen Der Definition nach erfordert eine Kollision das Aufeinandertreffen mindestens zweier Positionen. Problematisch ist daher, ob in Bezug auf die Betroffenheit nur eines Rechtsgutes in beiden Alternativen überhaupt eine Kollision vorliegen kann.133 Als Beispiel sei hier wieder der „Brand-Rettungsfall“ genannt, dieses Mal unter Annahme einer Lebensgefahr134 durch den Wurf. Neben dieser mit dem Rettungsversuch verbundenen Gefahr besteht nämlich ebenfalls eine Gefährdung des Lebens bei einem möglichen Verbleiben im Haus.135 Ein potentieller Lösungsansatz erscheint dabei, das betroffene Gut weiter aufzuteilen und auf diese Weise die Beteiligung zweier eigenständiger Elemente zu schaffen.136 Zwar stellt ein Rechtsgut bereits die kleinste abgrenzbare Größe in ihrem Schutzzusammenhang dar. Jenes Merkmal bezieht sich allerdings auf die

132 Der Aspekt der Lebensgefahr durch den Wurf soll hier noch ausgeklammert werden. Er erfährt eine eigenständige Erörterung im folgenden Gliederungspunkt. 133 Im Rahmen der vorliegenden Diskussion soll das Rechtsgut Selbstbestimmung als potentiell beteiligtes Element an der Kollisionssituation ausgeklammert werden. Vgl. speziell zur Bedeutung der Selbstbestimmung in Binnenkollisionssituationen die Ausführungen unter B. IV. 3. c). Unter Berücksichtigung jener Erwägungen spielt die aktuell erörterte Problematik freilich in Fällen der Binnenkollision von Rechtsgütern für die Annahme einer Kollision keine entscheidende Rolle. 134 Zur besseren Fokussierung auf die in Rede stehende Problematik unter Ausblendung einer Gefahr für die körperliche Unversehrtheit. 135 Ulsenheimer, JuS 1972, 252, 255. 136 Die in Rede stehende abstrakte Problematik bezieht sich mithin nicht allein auf die Zweigliedrigkeit im Rahmen des Kollisionsbegriffs, sondern wurzelt bereits vorgelagert im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Rechtsgut. Angesichts der engen Verbundenheit mit dem Kollisionsbegriff musste aber dessen allgemeine Definition abgewartet werden, bevor eine sinnvolle Erörterung des betreffenden Problemkreises erfolgen kann.

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B. Begriffsbestimmung

Definition eines Rechtsguts als abstrakte Größe137 und hat seine Berechtigung speziell in der Identifizierungs- und Abgrenzungsfunktion gegenüber anderen Rechtsgütern. Bezieht man individuelle Gegebenheiten mit ein, ist eine andere Ebene betroffen. Weitere Untergliederungen widersprechen damit nicht dem allgemeinen Verständnis von einem Rechtsgut. Der Bezug zu konkreten Gegebenheiten ermöglicht vielmehr die Bildung sinnhafter Einheiten innerhalb des abstrakten Gutes, wodurch eine nähere Charakterisierung erfolgt. Die im Beispiel betroffene abstrakte Größe „Rechtsgut Leben“ lässt sich demnach in die situationsbezogenen Komponenten „Vom Feuer unversehrtes Leben“ sowie „Vom Aufprall unversehrtes Leben“ untergliedern. Damit existieren zwei feststellbare Größen, die zueinander in Kollisionsbeziehung stehen können. Der Einklang mit der Zweigliedrigkeit des Kollisionsbegriffs ist mithin gewahrt. Hinsichtlich der betroffenen Thematik „Rechtsgut“ ist aber weiter zu erwägen, ob man die individuell geprägten Elemente selbst als Rechtsgüter bezeichnen kann. Eine identische Betitelung birgt die Gefahr inhaltlicher Unklarheiten und Abgrenzungsschwierigkeiten, welche es im Rahmen einer dogmatischen Systematisierung zu verhindern gilt. Der Begriff „Rechtsgut“ muss daher der abstrakten Ebene vorbehalten bleiben und darf individuell basierte Untergliederungen nicht erfassen. Zusammenfassend folgt aus den bisherigen Ausführungen, dass bei einer Kollision nicht zwingend zwei Rechtsgüter als solche beteiligt sein müssen. Die Anforderung, zwei widerstreitende Elemente aufzuweisen, ist auch in Gestalt von Ausprägungen ein und desselben Rechtsguts erfüllt.138 Jene Konstellation ist, soweit sie auch die weiteren Anforderungen des Kollisionsbegriffs wahrt, präzise als „Kollision des Rechtsguts in seinen konkreten Ausprägungen“ zu bezeichnen. c) Annahme einer Kollision bei bloßer Ausübung der Selbstbestimmung – Differenzierung zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne Typischerweise werden im Kontext der Betroffenheit von Gütern ein und derselben Person Fälle erörtert, in denen ein Rechtsgut aus einer prekären Lage gerettet werden soll, und dessen Träger dafür ein anderes eigenes Gut bzw. eine konkrete Ausprägung des gleichen Gutes preisgibt. Dem entsprechen die eingangs genannten Beispielsfälle, etwa die „schadhafte Wasserleitung“, eine riskante Operation oder der „Brand-Rettungsfall“. Betrachtet man aber allein die aus den bisherigen Komponenten entwickelte Beschreibung, dass sich Rechtsgüter derselben Person gegenüberstehen, von denen jedes nicht ohne Beeinträch-

137 Die Beschreibung als „abstrakt“ betrifft hier die zweite in Fn. 76 Abschn. B. angesprochene Dimension von Abstraktheit. 138 Auch Otto, AT, § 8 Rn. 183 nimmt an, dass eine Kollisionslage bei Betroffenheit desselben Rechtsguts möglich ist. Dies lässt sich ebenfalls Schmitz, S. 18 entnehmen.

IV. Die Begriffskomponente „Kollision‘‘

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tigung des anderen weiterexistieren kann, so ergibt sich keine Beschränkung auf Fälle, in denen ein Gut im herkömmlichen Sinn „gerettet“ werden muss. Damit stellt sich die Frage, ob man den Bereich der Binnenkollision von Rechtsgütern auch auf diejenigen Konstellationen ausweiten kann, in denen einer Größe, z. B. dem Eigentum oder dem Leben, lediglich das Rechtsgut Selbstbestimmung in der betreffenden Situation gegenübersteht. Für die Beeinträchtigung erstgenannter können dabei nur die Verwirklichung des selbstbestimmt gefassten Entschlusses, aber keine darüber hinausreichenden Gründe angeführt werden. Derartige Fälle sind keineswegs ohne strafrechtliche Relevanz, verkörpern sie doch typische Anwendungsfälle der Einwilligungsregeln. Man nehme etwa das Beispiel einer reinen Schönheitsoperation139 auf Verlangen des Patienten oder den Wunsch eines Gartenbesitzers, dass ein dort befindlicher Baum vom hilfsbereiten Nachbarn gefällt wird.140 Im Zusammenhang mit dem Themenkomplex „Binnenkollision von Rechtsgütern“ bzw. entsprechend verwendeten Formulierungen tauchen solche Fallgestaltungen jedoch in der Regel nicht auf.141 Führt man eine Subsumtion unter die entwickelten Begriffskomponenten durch, so ergibt sich folgendes: Die Selbstbestimmung sowie das abstrakte Rechtsgut gehören dem Binnenraum einer Person an und stellen beide eigenständige Rechtsgüter dar. Damit ist auch die erste Voraussetzung des Kollisionsbegriffs, nämlich das Vorliegen zweier Elemente, erfüllt. Wenn man die Entscheidung getroffen hat, das abstrakte Rechtsgut negativ zu formen, kann das Ergebnis und damit die Wahrung der Selbstbestimmung naturgemäß nicht realisiert werden, ohne dass das abstrakte Gut auch beeinträchtigt wird. In dieser Hinsicht liegt folglich ebenfalls eine Kongruenz mit dem Kollisionsbegriff vor. Zur Erfüllung der Kollisionsdefinition muss eine derartige Kongruenz des Weiteren auch im umgekehrten Fall bestehen. Es erscheint allerdings problematisch – und das ist der Grund, warum jene Konstellation auch als Sonderfall innerhalb der Begriffskomponente „Kollision“ erörtert wird –, ob auch das abstrakte Rechtsgut nicht fortbestehen kann, ohne dass eine Beeinträchtigung des Rechtsguts Selbstbestimmung erfolgt. Aufgrund der Tatsache, dass reine Gefährdungen der Selbstbestimmung insoweit nicht denkbar sind, bleibt lediglich eine Verletzung derselbigen als mögliche Folge. Kann man aber von einer Verletzung des Rechtsguts Selbstbestimmung sprechen, wenn einem konkreten Willen des Inhabers nicht Folge 139 Siehe zu deren Einordnung als tatbestandliche Körperverletzung, die allenfalls durch Einwilligung gerechtfertigt werden kann, Eser, in: Schönke/Schröder, § 223 Rn. 34. Im Falle eines Heileingriffes wäre eine Einordnung als den Tatbestand erfüllende Körperverletzung hingegen umstritten, nach richtiger Ansicht jedoch ebenfalls gegeben; vgl. dazu die Ausführungen und Nachweise in Fn. 61 Abschn. B. 140 Siehe zur Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund im Falle von Sachbeschädigungen nach § 303 I StGB Wessels/Hillenkamp, BT II, § 1 Rn. 40; Lackner/Kühl, StGB, § 303 Rn. 9. 141 Vgl. zu den genannten typischen Beispielsfällen die Ausführungen in der Einleitung unter A.

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B. Begriffsbestimmung

geleistet wird, ohne dass es zu sonstigen Auswirkungen kommt? Der Entschluss als solcher wird nicht beseitigt und der Betroffene könnte dieselbe Entscheidung nochmals treffen. Die Freiheit, darüber zu bestimmen, was mit den eigenen Gütern geschieht, ist folglich nicht beeinträchtigt. Allerdings beinhaltet das Rechtsgut Selbstbestimmung nicht lediglich eine freie Entscheidungsbasis, sondern auch die Ausgestaltung der eigenen Sphäre hinsichtlich möglicher Folgen. Wird nun der gewünschte Entschluss missachtet, so wird die konkrete Folge unmöglich gemacht, wodurch die eigene Gütersphäre nicht die gewollte Gestalt anzunehmen vermag. Insofern ist ein wesentlicher Gehalt des Rechtsguts Selbstbestimmung im entsprechenden Kontext verletzt. Das abstrakte Gut kann also in den betreffenden Konstellationen nicht gewahrt bleiben, ohne dass durch die damit verbundene Missachtung des Entschlusses des Rechtsgutsinhabers auch dessen Rechtsgut Selbstbestimmung verletzt wird. Das Merkmal einer Kollision, dass jedes Rechtsgut nicht ohne Beeinträchtigung des anderen fortbestehen kann, ist damit erfüllt. Man kann mithin auch bei Beteiligung von lediglich Selbstbestimmung sowie dem gegenüberstehend einem anderen Rechtsgut derselben Person von einer Binnenkollision von Rechtsgütern sprechen.142 Um dem nicht zu leugnenden Unterschied, der trotz Erfüllung aller Definitionsmerkmale und damit einhergehender einheitlicher Erfassungsmöglichkeit besteht, Rechnung zu tragen, bietet sich eine weitere Differenzierung an. Diejenige Konstellation, in der die Preisgabe eines abstrakten Rechtsguts zur Bewahrung eines von der Selbstbestimmung verschiedenen Gutes erfolgt, soll zur Verdeutlichung ihrer Typizität für den in Rede stehenden Begriff als „Binnenkollision im engeren Sinne“ bezeichnet werden. Im Gegensatz dazu ist die Beschreibung „Binnenkollision im weiteren Sinne“ zu verwenden, wenn allein die Selbstbestimmung einen Gegenpol zu einem abstrakten Gut darstellt.143 Die Betonung der alleinigen Beteiligung der Selbstbestimmung in letztgenannter Konstellation resultiert aus der Annahme, dass hinsichtlich des Schicksals jedes betroffenen Rechtsguts auch eine Präferenz des Inhabers besteht. Die Selbstbestimmung als Rechtsgut ist folglich auch bei einer Binnenkollision im engeren Sinne beteiligt,144 nur stellt sie dort nicht den einzigen Gegenpart dar, sondern tritt ne142 Für die Annahme einer Kollision zweier Rechtsgüter in derartigen Fällen auch Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 967. 143 Die Zusätze „im engeren Sinn“ sowie „im weiteren Sinn“ verwendet auch Küper, JuS 1987, 81, 88, um auszudrücken, dass ersteres im Gegensatz zu letzterem die typischerweise erfasste Fallkonstellation darstellt. Dies geschieht allerdings in einem anderen Zusammenhang als hier, nämlich zur Kennzeichnung der rechtfertigenden Pflichtenkollision. 144 Der Fall, dass es dem Inhaber völlig egal ist, was mit seinen Gütern geschieht, ist nicht realitätsnah. Sollte es doch einmal eine solche Fallgestaltung geben, dürfte man richtigerweise aber keine fehlende Beteiligung des Rechtsguts Selbstbestimmung annehmen, sondern müsste von der Betroffenheit dieses Gutes in zwei konkreten Ausgestaltungen auf jeweils entgegengesetzten Seiten der Kollision ausgehen.

IV. Die Begriffskomponente „Kollision‘‘

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ben ein anderes, selbständig zu messendes Rechtsgut. In der Konsequenz inkorporiert damit also jede Binnenkollision von Rechtsgütern die Selbstbestimmung als beteiligtes Rechtsgut.145 Die entwickelte Differenzierung zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne betrifft die Art der beteiligten Rechtsgüter innerhalb der binnenbetroffenen Person. Durch diese Kennzeichnung des Binnenelements ist sie auch mit der Differenzierung zwischen reiner und partieller Binnenkollision kombinierbar, welche sich lediglich mit der Frage nach möglichen zur – immer enthaltenen – Binnenkonstellation hinzutretenden Rechtsgütern befasst. Demnach kann eine reine Binnenkollision die Gestalt einer Binnenkollision im engeren, aber auch im weiteren Sinne aufweisen, gleiches gilt für eine partielle Binnenkollision hinsichtlich des betroffenen Binnenbereichs. d) Annahme einer Kollision bei Lebensbetroffenheit Die Subsumtion unter den Kollisionsbegriff kann in einem weiteren Fall als nicht unproblematisch erachtet werden. Konkret betrifft dies die Beteiligung des Lebens als eines der gegenüberstehenden Rechtsgüter. Wird nämlich das Leben durch eine Tat verletzt, existiert sodann kein Träger des anderen, zu rettenden Gutes mehr. Die Zuordnung zu einem Träger ist jedoch der Definition nach eine unerlässliche Voraussetzung für die Annahme eines Rechtsguts.146 Demnach kann bei Aufgabe des Lebens mangels Trägerschaft kein anderes Gut fortbestehen.147

145 Die getätigten Ausführungen gelten jedenfalls für Individualrechtsgüter. Prinzipiell ist auch eine Binnenkollision von Rechtsgütern des Staates oder der Allgemeinheit denkbar, vgl. zu letzterem Lenckner, S. 49 Fn. 11. Diese Fälle sind strafrechtlich gesehen jedoch nicht besonders relevant. Daher soll in dieser Arbeit nur die Binnenbetroffenheit von Individualrechtsgutsträgern als Ausgangspunkt genommen werden. Rechtsgüter der Allgemeinheit oder des Staates können aber als Drittrechtsgüter in einer partiellen Binnenkollision Bedeutung erlangen. Auf die Beziehung derartiger Rechtsgüter zum Rechtsgut Selbstbestimmung wird unter C. II. 3. b) aa) näher eingegangen werden. 146 Bei der Selbstbestimmung könnte man, wie es Trück, S. 119 m.w. N. zu entnehmen ist, erwägen, ob diese über den Tod hinaus als Rechtsgut bestehen kann. Entsprechend dem Gewährleistungsgehalt dieses Gutes hinsichtlich der Ausgestaltung der eigenen Sphäre wird man aber richtigerweise für dessen Bestehen eine aktuell und real bestehende Einflussmöglichkeit auf bestehende Güter voraussetzen müssen. Allein ein Bezug zur Menschenwürde bringt die Möglichkeit mit sich, Rechtsgüter einer Person auch nach deren Tod zuzuordnen. Dies resultiert aus dem damit zusammenhängenden besonderen Schutzgehalt und kann hier nicht weiter vertieft werden. Es muss vielmehr bei der Feststellung des Ausnahmecharakters jener Konstellationen bleiben. Siehe zum grundrechtlichen postmortalen Schutz der Menschenwürde Hillgruber, in: BeckOK-GG, Art. 1 Rn. 5. 147 Siehe zu diesem, allerdings speziell auf § 34 StGB bezogenen – und später daher auch an entsprechender Stelle wieder aufgegriffenen – Argument Ingelfinger, S. 249; vgl. auch Möllering, S. 40.

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B. Begriffsbestimmung

Die Definition des Kollisionsbegriffs verankert den Aspekt des Fortbestehens eines Guts dergestalt, dass dies nicht ohne Beeinträchtigung des anderen möglich sein darf. Eine potentielle Auslegung diesbezüglich wäre, dass auch die theoretische Möglichkeit der Wahrung jedes Gutes bei Beeinträchtigung des anderen bestehen muss.148 Demnach wäre bei Betroffenheit des Lebens eine Kollision mit einem anderen Gut überhaupt nicht denkbar. Relevant wird der aufgeworfene Aspekt etwa in der Situation, dass ein Gefangener auf eigenen Wunsch getötet wird, um der drohenden Folter zu entgehen, oder bei der Tötung eines Menschen gemäß dessen Willen, um ihm eine Massenvergewaltigung zu ersparen.149 Aber auch die Konstellationen, in denen die Selbstbestimmung parallel zum Rechtsgut Leben positioniert ist, erfordern im Rahmen der Kollisionsdefinition die Hypothese der Verletzung des Lebens und betreffen mithin den fraglichen Bereich. Als Beispiel ist die Situation zu nennen, dass zur Rettung des Lebens einer Person willensgemäß in deren körperliche Unversehrtheit, z. B. mittels einer notfallmäßigen Impfung, eingegriffen wird. Die Problematik muss unter Berücksichtigung des Zusammenhangs gelöst werden, in dem sie konkret auftritt. Betroffen ist die Interpretation des Kollisionsbegriffs. Diese stellt eine Situationsbeschreibung dar, bei der die aktuelle Beziehung mehrerer Rechtsgüter im Mittelpunkt steht. Wie im Falle der Beziehung desselben Rechtsguts in mehreren Ausprägungen gezeigt, kommt es dabei nicht auf die allgemeine Bedeutung der Rechtsgüter, sondern auf deren konkreten Bestand abhängig von der aktuellen Situation an. Angesichts der notwendigerweise einheitlichen Grundlage einer Definition muss dies auch bei Beteiligung zweier verschiedener Rechtsgüter gelten. Somit ist auch dort die Verletzung bzw. potentielle Unversehrtheit hinsichtlich der konkreten Folge entscheidend. Die Definition ist demnach dahingehend zu konkretisieren, dass nur durch die Beeinträchtigung des anderen Gutes das betroffene von der Folge befreit werden kann, die ihm in konkreter Gestalt drohen würde.150

148 Begrifflich fällt auch der Aspekt der Gefährdung eines Gutes unter dessen Beeinträchtigung. Die Möglichkeit der Wahrung des vom Leben verschiedenen Rechtsguts könnte mithin schon dadurch bejaht werden, dass es nicht immer zu einer Verletzung des Lebens kommen muss. Allerdings ist aufgrund der Ergebnisoffenheit einer Kollision die Konstellation als Ganzes zu betrachten und das in Rede stehende Erfordernis auf alle möglichen Ausgänge zu beziehen, sodass die vorgestellte Argumentation nicht tragbar ist. 149 Diese Beispiele finden sich bei Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 585. 150 Speziell bezogen auf die Anwendbarkeit des § 34 StGB weist Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 311 f. darauf hin, dass man die Wirkungen nicht subjektiv erleben, sondern nur der Fortdauer der Beeinträchtigung ein Ende gesetzt sein müsse, was im Ergebnis im Einklang mit der hier entwickelten Ansicht steht. Vgl. weiter auch Schmitz, S. 58, ebenfalls im Zusammenhang mit der speziellen Kollisionssituation des § 34 StGB.

V. Zusammenfassung zur Begriffsbestimmung

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Wendet man dieses Prinzip an, so ist in den genannten Beispielen der Tötung zur Verhinderung von Folter oder Massenvergewaltigung nicht die körperliche bzw. sexuelle Unversehrtheit an sich das zu wahrende Element. Maßgeblich ist vielmehr die Freiheit von der Beeinträchtigung durch die jeweilige konkret angedrohte Folge. Auch im Fall der notfallmäßigen Impfung muss bei hypothetischer Verletzung des Lebens nicht die körperliche Unversehrtheit an sich, sondern die Freiheit vor dem Einstich mit der Impfnadel gewährleistet werden. All jene Rechtsgüter in ihrer konkreten Ausprägung werden bei einer Tötung für das existierende Individuum zumindest für eine juristische Sekunde gewahrt. Ein darüber hinausgehendes Erfordernis, dass das Rechtsgut als Ganzes für eine gewisse Zeit fortbestehen muss, existiert nicht. Mithin kann auch bei Verletzung des Lebens theoretisch jedes andere Gut in der kollisionsspezifisch relevanten Form fortbestehen. Die hier zur Diskussion stehende Voraussetzung, dass für die Annahme einer Kollision jedes Rechtsgut bei Beeinträchtigung des anderen theoretisch fortbestehen können muss, wäre damit erfüllt, sodass eine Kollision nicht aus jenem Grund abgelehnt werden kann. Daraus lässt sich eine allgemeine Folgerung für die Definition des Kollisionsbegriffs ableiten. Die Lebensbetroffenheit ist in Hinblick auf die theoretische Möglichkeit des Fortbestehens jedes Gutes der einzig problematische Fall. Wie gezeigt, besteht aber mittels der entwickelten Herangehensweise im Ergebnis keine Inkongruenz. Damit existiert in allen Konstellationen theoretisch die Möglichkeit, dass die jeweiligen Rechtsgüter durch die Beeinträchtigung ihres Gegenübers gewahrt bleiben. Mangels Relevanz des entsprechenden Zusatzes kann man auf eine explizite Erwähnung in der Definition folglich verzichten.

V. Zusammenfassung zur Begriffsbestimmung Die vorhergehenden Erörterungen haben gezeigt, dass der Begriff „Binnenkollision von Rechtsgütern“ mit seinen jeweiligen Teilelementen geeignet ist, sämtliche relevante Fallgestaltungen zu erfassen. Der Wortzusatz „Binnen“ verdeutlicht das Charakteristikum, dass mehrere Positionen ein und derselben Person betroffen sind. Konkret sind diese Positionen als „Rechtsgüter“ zu bezeichnen. Nach einem weiten, über die Beschreibung straftatbestandlich geschützter Güter hinausgehenden Begriff wird hier als Rechtsgut eine einer Person, dem Staat oder der Allgemeinheit zuordenbare konkretisierte oder konkretisierbare Größe verstanden, die im Sinne eines kleinsten abgrenzbaren Teils als potentielles, abstrakt zu bestimmendes Schutzobjekt des Rechts zu identifizieren ist. Jene Bezugnahme auf die kleinstmögliche Unterteilung und der damit verbundene Gewinn an Präzision rechtfertigen im Zusammenhang der Binnenbetroffenheit die Wahl des Begriffs „Rechtsgut“ im Gegensatz zu dem des darüber hinausgehenden Interesses. Nach

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B. Begriffsbestimmung

der entwickelten Rechtsgutsdefinition lässt sich auch die Selbstbestimmung als eigenständig fassbares Rechtsgut ansehen. Dieses gewährleistet die freie Entscheidung darüber, was mit einem selbst bzw. den eigenen Gütern geschieht, sowohl in Hinblick auf die Wahrung der vorhandenen Gütersphäre als auch auf die Gestattung von diesbezüglichen Einbußen. Für die thematische Betroffenheit des Rechtsguts Selbstbestimmung wird – in Abgrenzung zum Selbstbestimmungsrecht als Spezialfall des genannten Rechtsguts – nicht verlangt, dass sich das Gegenüber rechtlich verbindlich an die getroffene Entscheidung halten muss. Das Rechtsgut Selbstbestimmung als solches unterliegt keinem eigenständigen straftatbestandlichen Schutz. Gewisse Tatbestände, sogenannte willensbasierte Delikte, schützen jedoch ein synthetisches Rechtsgut aus den Bestandteilen Selbstbestimmung und dem jeweiligen abstrakten Wert. Dadurch werden die zugrunde liegenden Rechtsgüter nicht aufgehoben. Sie stehen lediglich nicht als solche unter dem entsprechenden straftatbestandlichen Schutz, können aber etwa auf Rechtfertigungsebene eigenständige Bedeutung erlangen. Das synthetische Rechtsgut inkorporiert grundsätzlich die Selbstbestimmung sowohl in Gestalt der Wahrung einer konkreten Entscheidung als auch in der Dimension, eine entsprechende Entscheidung noch zu ermöglichen. Daher sind Verletzungen eines synthetischen Rechtsguts in der Regel nicht nur bei einem Handeln gegen, sondern auch ohne den Willen des Betroffenen möglich. Der dritte Begriffsteil „Kollision“ beschreibt das Verhältnis der betroffenen Rechtsgüter, wobei ebenfalls der Grundsatz der engst möglichen sachgerechten Einteilung berücksichtigt wird. Eine Kollision erfordert begrifflich die Beteiligung mindestens zweier Elemente, die derart in Beziehung zueinander stehen, dass ein Weiterbestehen jeweils nur durch Beeinträchtigung des bzw. der gegenüberliegenden anderen möglich ist. „Beeinträchtigung“ ist dabei im Sinne von „Preisgabe“ zu verstehen, sodass auch die bloße Gefährdung ohne eintretende Verletzung erfasst wird. Dies steht im Einklang mit dem für die Kollision kennzeichnenden Grundsatz der Ergebnisoffenheit. Eine Kollision stellt lediglich eine Situationsbeschreibung dar und erfordert eine ex-ante-Betrachtung. Konkrete Folgen können keinen Einfluss auf das Vorliegen einer Kollision haben. Maßgeblich ist allein die bestehende Beziehung der Elemente. Dabei ist auf deren konkrete Gestalt abzustellen. Das ermöglicht die Einbeziehung des Widerstreits zweier Ausprägungen desselben Rechtsguts sowie die Lösung der Problematik bei Beteiligung des Rechtsguts Leben sowie einem davon verschiedenen Gut. Auch die Selbstbestimmung als eigenständiges Rechtsgut kann ohne danebenstehenden abstrakten Wert Beteiligte an einer Kollision sein. Der Begriff der Binnenkollision von Rechtsgütern umfasst eine große Reichweite und ist weiteren Differenzierungen zugänglich, die sich auch in der konkreten Bezeichnung niederschlagen. Die Unterscheidung zwischen „reiner“ und „partieller“ Binnenkollision knüpft an die Anzahl der Träger von beteiligten Rechtsgütern an. Eine reine Binnenkollision liegt vor, wenn sich allein Rechts-

V. Zusammenfassung zur Begriffsbestimmung

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güter derselben Person gegenüberstehen. Tritt hierzu mindestens ein Rechtsgut eines weiteren Trägers, ist von „partieller Binnenkollision“ zu sprechen. Demgegenüber bezieht sich die Differenzierung zwischen „Binnenkollision im engeren Sinne“ sowie „im weiteren Sinne“ auf die beteiligten Rechtsgüter des binnenbetroffenen Trägers und deren Verhältnis zueinander. Eine Binnenkollision im weiteren Sinne ist gegeben, wenn allein die Selbstbestimmung gegen ein anderes Gut desselben Trägers streitet. Bei der Binnenkollision im engeren Sinne – womit ausgedrückt werden soll, dass diese die herkömmlich erfassten Fallgestaltungen beschreibt – wird neben der Selbstbestimmung ein weiteres Rechtsgut derselben Person als Antagonist benötigt. Dadurch, dass sich die Differenzierungen auf verschiedene Ebenen beziehen, sind sie kombinierbar. Sowohl eine reine als auch eine partielle Binnenkollision können hinsichtlich des Binnenelements als Binnenkollision im engeren oder im weiteren Sinne charakterisiert werden.

C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes Im Rahmen der Begriffsbestimmung stand die Beschreibung der Ausgangssituation im Mittelpunkt. Die Handlung des Täters sowie deren strafrechtliche Bedeutung wurden dementsprechend weitestgehend außen vor gelassen. Unter Einbeziehung auch dieser Punkte eröffnet sich eine weitere Dimension, die zu der Frage führt, worin der passende Rechtfertigungsgrund für entsprechendes Handeln zu erkennen ist. Die Behandlung der betreffenden Thematik beinhaltet zum einen die inhaltliche Kongruenz mit den Besonderheiten der in Rede stehenden Konstellation, auf welche ausführlich im Rahmen der Gliederungspunkte D. und E. eingegangen werden wird. Zuvor muss allerdings geklärt werden, inwieweit man entsprechende sachliche Erwägungen zusammenziehen kann bzw. sogar muss, sprich ob sich eine Notwendigkeit der einheitlichen Betrachtung jener Fälle ergibt. Dies gilt es im Folgenden zu erörtern.

I. Bedeutung und Voraussetzungen einer einheitlichen Handhabung der Rechtfertigung 1. Dogmatik als maßgeblicher Begründungsansatz Zunächst stellt sich die Frage, warum überhaupt eine einheitliche Rechtfertigung angestrebt werden könnte. Die Antwort wurde in der Einleitung dieser Arbeit in Ansätzen bereits angesprochen: Einen einheitlichen Lösungsansatz zu entwickeln, stellt ein wichtiges Anliegen der Dogmatik dar, die definitionsgemäß einheitliche Strukturen als Leitlinien für die Anwendung des Rechts im konkreten Fall schaffen will.1 Dieses dogmatische Bedürfnis ist jedoch nicht ein bloßer Selbstzweck. Die Regeln des Gesetzes sowie deren Anwendung stellen vielmehr eine wesentliche Grundlage für die Rechtssicherheit dar. Nur wenn sie präzise konturiert und systematisiert sind, können Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit als Wesensmerkmale der Rechtssicherheit auch in den Entscheidungen gewährleistet werden.2 Demgegenüber lässt sich durch die bereits einleitend angesprochene Ergebnisorientierung, die im Zusammenhang mit der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern üblich ist, keine Rechtssicherheit schaf1

Vgl. dazu die Angaben in Fn. 12 Abschn. A. Siehe zu den genannten Erwägungen Walter, ZIS 2011, 76, 82; vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 156, wo im einschlägigen Kontext speziell auch der Aspekt der Gleichbehandlung angeführt wird. 2

I. Voraussetzungen einer einheitlichen Handhabung der Rechtfertigung

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fen – schließlich kann man nie wissen, ob sich das gewünschte Ergebnis und damit das Erlaubte doch einmal ändert.3 Festzuhalten ist schließlich, dass die Dogmatik aus sich und ihrem Wirkungsbereich heraus einen Grund für die Notwendigkeit einer einheitlichen Betrachtung liefert. 2. Untersuchung der Einschlägigkeit von Art. 3 GG Mit der dogmatisch fundierten Begründung wird allerdings lediglich erklärt, dass es überhaupt einer einheitlichen Betrachtung bedarf. Darüber, in welchem Rahmen und mit welchen Kriterien sie bestehen muss, lässt sich auf dieser Basis noch keine Aussage treffen. Um festzulegen, wann und inwiefern eine einheitliche Behandlung geboten ist, bedarf es einer weiteren, konkret materiellen Erwägung. Hierfür ist auf Art. 3 GG zurückzugreifen, welcher besagt, dass wesentlich Gleiches nicht ungleich behandelt werden darf, sofern es nicht Gründe gibt, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.4 In Bezug auf die hier zu untersuchende Fragestellung bedeutet dies konkret: Wenn eine wesentlich gleiche Grundsituation vorliegt und keine Gründe bestehen, die eine unterschiedliche Wahl des Rechtfertigungsansatzes erlauben würden, muss man den gleichen Rechtfertigungsgrund anwenden. Dabei handelt es sich zugegebenermaßen nicht um den typischen Anwendungsbereich von bzw. für Art. 3 GG. Das bedeutet aber nicht, dass dieser nicht dennoch eröffnet sein kann. Um die potentielle Einschlägigkeit des Art. 3 GG im betreffenden Zusammenhang festzustellen, ist eine Subsumtion unter die Voraussetzungen jener Norm vorzunehmen. Auch wenn die in Rede stehende Problematik deutlich eine – für die Aktivierung von Art. 3 GG prinzipiell unmaßgebliche – wissenschaftliche Natur aufweist, so ist dies nicht die einzige Dimension ihres Einflussbereichs. Indem der Staat in Gestalt der Legislative Rechtfertigungsgründe als einen Teilbereich des Strafrechts festlegt5 und die Gerichte als judikative Staatsgewalt diese anwenden, liegen im betreffenden Kontext Maßnahmen des Staates als Grundrechtsverpflichteter6 vor. Solche eröffnen grundsätzlich den Anwendungsbereich der Grundrechte, mithin auch von Art. 3 GG.7 In Hinblick auf die Bedeutung der Judikative muss man jedoch berücksichtigen, dass die richterliche Unabhängig3 Vgl. auch allgemein zur Gefahr der Beliebigkeit bei einer ergebnisorientierten Herangehensweise die Ausführungen im Zusammenhang mit Fn. 15 Abschn. A. 4 Vgl. Kischel, in: BeckOK-GG, Art. 3 Rn. 14. 5 Da dies eine abstrakte, vorgelagerte Erwägung ist, spielt es keine Rolle, ob der später festzulegende einheitliche Rechtfertigungsgrund ein normierter oder ein aus Gewohnheitsrecht entwickelter ist. 6 Zur Grundrechtverpflichtung des Staates Epping, Grundrechte, Kap. 7 Rn. 337 ff. 7 Siehe zur Dimension des Art. 3 GG als Abwehrrecht gegen Maßnahmen des Staates Epping, Grundrechte, Kap. 16 Rn. 770.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

keit eine Berufung auf Art. 3 GG bei unterschiedlicher Gesetzesauslegung oder Strafpraxis verhindern kann.8 Dies kann sich richtigerweise aber lediglich auf konkrete Ergebnisse und die dazu führende Auslegung im Einzelfall beziehen. Um nicht der Beliebigkeit Tür und Tor zu öffnen und damit die angestrebte Rechtssicherheit zu untergraben, darf die richterliche Unabhängigkeit nicht so weit gehen, auch in vorgelagerten allgemeinsystematischen Fragen einheitliche Maßstäbe zu verhindern. Auch in Hinblick auf gerichtliche Entscheidungen liegt somit ein an Art. 3 GG zu messendes staatliches Handeln vor. Des Weiteren muss eine mit dem staatlichen Handeln verbundene Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem festzustellen sein. In diesem Zusammenhang liegt eine Schwierigkeit darin, zu begründen, dass der Gesetzgeber bereits mit der Statuierung von verschiedenen Rechtfertigungsgründen Sachverhalte ungleich behandelt. Schließlich werden dabei lediglich verschiedene rechtliche Instrumente bereitgestellt, die erst in einem weiteren Schritt von den Gerichten konkret angewendet werden. Dem kann man zwar entgegensetzen, dass in der Regel die Rechtfertigungsgründe schon nach der gesetzgeberischen Intention für bestimmte Anwendungsbereiche konstruiert werden, womit ein Ansatzpunkt für eine ungleiche Behandlung gegeben wäre. Jener Differenzierung der Anwendungsbereiche liegen aber zumeist Erwägungen zu Grunde, die auf deutlichen Unterschieden basieren. Daher wird es nicht möglich sein, von wesentlich gleichen Ausgangsvoraussetzungen auszugehen. In der Statuierung unterschiedlicher Rechtfertigungsgründe durch den Gesetzgeber kann mithin keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem gesehen werden. Der Schutzbereich des Art. 3 GG ist in diesem Zusammenhang nicht eröffnet. Demgegenüber beinhaltet die unterschiedliche Wahl von Rechtfertigungsgründen bei Binnenkollision von Rechtsgütern durch die Gerichte schon ihrer Natur nach eine Ungleichbehandlung konkreter Sachverhalte. Hierbei gilt es allerdings zu bedenken, dass immerhin ein gleiches Ergebnis ermöglicht wird. Die Ungleichbehandlung erstreckt sich somit nicht auf das Resultat, sondern lediglich auf dessen Herleitung. In der Praxis könnte dies gegebenenfalls als Haarspalterei gelten und aufgrund des gleichen Ergebnisses die Ungleichbehandlung abgelehnt werden. Dem müsste aber entgegnet werden, dass im Einklang mit den Ausführungen hinsichtlich der richterlichen Unabhängigkeit gerade nicht das konkrete Ergebnis, sondern die diesem 8 Vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. 1 Rn. 49. Dies erlangt jedenfalls im Verhältnis von verschiedenen Richtern bzw. Gerichten Bedeutung, siehe dazu die Ausführungen a. a. O. Da eine unterschiedliche Anwendung von Rechtfertigungsgründen in Fällen der Binnenkollision anzunehmenderweise nur äußerst selten durch den gleichen Spruchkörper erfolgen wird – was nicht zuletzt darin begründet liegt, dass derartige Fälle ohnehin selten vor Gericht kommen –, wird zumeist auch der aufgezeigte Anwendungsbereich der richterlichen Unabhängigkeit betroffen sein. Ob in dem dennoch denkbaren Fall, dass ein und derselbe Richter die unterschiedliche Anwendung vornimmt, ebenfalls mit der richterlichen Unabhängigkeit argumentiert werden könnte, ist jedoch stark zu bezweifeln.

I. Voraussetzungen einer einheitlichen Handhabung der Rechtfertigung

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vorgelagerten Grundlagen das für Art. 3 GG hier maßgebliche Element darstellen. Das Ergebnis ist folglich aus der vorliegenden Betrachtung völlig auszublenden, was dem möglichen praxisorientierten Einwand den Boden entzieht. Eine Ungleichbehandlung ließe sich nur dann noch ablehnen, wenn die verschiedenen Rechtfertigungsgründe in ihren Voraussetzungen und Wirkungen gleich konzipiert wären. Gerade in ersterem differieren aber notwendigerweise alle Rechtfertigungsgründe – anderenfalls wäre es sinnfrei, sie nebeneinander aufrecht zu erhalten. Indem jeder Rechtfertigungsgrund andere Maßstäbe anlegt und damit verschiedene Argumentationsmuster einhergehen, kann von einer gleichen Basis zur Herleitung der Ergebnisse nicht gesprochen werden.9 Aufgrund der genannten Divergenzen würden auch – um die Brücke zu den voranstehenden allgemeinen Erwägungen zu schlagen – Nachvollziehbarkeit und Vorhersehbarkeit als Elemente der Rechtssicherheit nicht ausreichend gewährleistet werden. In der Konsequenz muss Art. 3 GG richtigerweise dazu verpflichten, für gleiche Sachverhalte auch die gleiche rechtliche Grundlage, sprich den gleichen Rechtfertigungsgrund anzuwenden,10 sofern es nicht wesentliche Gründe für ein anderes Vorgehen gibt. Die einheitliche Handhabung der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern wäre mithin nicht nur innerhalb dogmatischer Erwägungen eine Notwendigkeit, sondern sogar eine verfassungsrechtlich vorgegebene Pflicht. Diese betrifft direkt zwar nur staatliches Handeln in Gestalt gerichtlicher Entscheidungen. Da jene allerdings dogmatisch fundierten Regeln zu folgen haben, liegt eine Verknüpfung vor, die es rechtfertigt, auch im Rahmen 9 Eine parallele Argumentation spielt in der grundrechtlichen Diskussion um die Frage der Anwendbarkeit von Deutschengrundrechten auf EU-Ausländer eine Rolle. Das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV verpflichtet dazu, dass EU-Ausländern nicht die Berufung auf den Gewährleistungsgehalt bestimmter Grundrechte, die dem Wortlaut nach allein Deutschen vorbehalten sind, verwehrt werden kann. Häufig wird zur Lösung jener Problematik der Wortlaut des betreffenden Grundrechts bzw. der des Art. 116 GG weiter ausgelegt. Wenn nach der anderen Ansicht allerdings ein Schutz nur über Art. 2 I GG gewährleistet wird, so entsteht trotz Gleichheit im Ergebnis richterweise allein aufgrund der verschiedenen Anknüpfungspunkte und damit divergierenden vorgegebenen Argumentationsstrukturen eine Ungleichbehandlung. Diese widerspricht dem Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV, das wiederum Parallelen zu Art. 3 GG aufweist. Siehe zur Problematik der Anwendbarkeit von Deutschengrundrechten auf EU-Bürger und diesbezüglichen möglichen Lösungsvarianten Epping, Grundrechte, Kap. 11 Rn. 584 f.; Lücke, EuR 2001, 112 ff.; Nolte/Tams, JuS 2006, 31, 31 f.; die beiden letztgenannten allerdings noch zum Recht unter dem EG-Vertrag. 10 Das bedeutet umgekehrt aber nicht zwingend, dass man denselben Rechtfertigungsgrund nur in wesentlich gleichen Fällen anwenden darf. Art. 3 GG enthält lediglich eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung, sagt aber nichts über die sonstige Anwendung des betreffenden Rechtfertigungsgrundes aus. Dies gilt jedenfalls, sofern nicht der Bereich der Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem erreicht ist – vgl. aber kritisch zu der Frage, ob dies überhaupt eine jener Norm unterfallende Komponente ist, Epping, Grundrechte, Kap. 16 Rn. 790. Der in Rede stehende Rechtfertigungsgrund kann folglich auch in anderen Konstellationen Wirkung entfalten, solange sich dies im Rahmen dogmatischer Grundsätze bewegt.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

der wissenschaftlichen Diskussion Art. 3 GG als Grundlage für die Notwendigkeit eines einheitlichen Vorgehens anzusehen.

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit unter Berücksichtigung der entwickelten Systematik der Binnenkollision Art. 3 GG begründet allerdings nur insoweit die angesprochene Verpflichtung, als im Zusammenhang mit der Binnenkollision von Rechtsgütern in der Tat auch wesentlich gleiche Sachverhalte angenommen werden können. Die Begriffsbestimmung hat ergeben, dass man alle Fälle, bei denen sich zwei Rechtsgüter einer Person gegenüberstehen, einheitlich als Fälle der „Binnenkollision von Rechtsgütern“ klassifizieren kann. Damit liegt eine allgemeine und alle relevanten Konstellationen erfassende Bezeichnung vor. Aber auch wenn sich mehrere Situationen formell gesehen unter einen einheitlichen Oberbegriff subsumieren lassen, so ist damit nicht schon per se auch eine wesentliche Gleichheit verbunden, welche jedoch gerade für Art. 3 GG erforderlich ist. Um festzustellen, ob eine derartige Gleichheit bejaht werden kann, müssen die jeweiligen materiellen Grundlagen der Fälle aufgezeigt und verglichen werden. Dabei bietet es sich an, die bereits entwickelten Differenzierungen zur Binnenkollision als Ausgangspunkt zu nehmen und zu untersuchen, inwieweit innerhalb jener Gruppen sowie bezüglich ihres Verhältnisses zueinander eine wesentliche inhaltliche Gleichheit besteht. Sollte eine wesentliche Gleichheit gegeben sein, gilt es daraufhin festzustellen, ob Gründe vorliegen, die eine unterschiedliche Behandlung dennoch rechtfertigen können und somit die Verpflichtung zur Gleichbehandlung im betreffenden Kontext aufheben.11 Dieser Aspekt unterfällt zusammen mit dem der wesentlichen Gleichheit einem weiten Verständnis des Oberbegriffs der Vergleichbarkeit. Daher wurde jener Terminus zur Beschreibung der – beide Punkte betreffenden – hiesigen Abschnitte in der jeweiligen Überschrift gewählt. 1. Vergleichbarkeit der Fälle reiner Binnenkollision a) Untersuchung der wesentlichen Gleichheit: Die Maßgeblichkeit der Selbstbestimmung als entscheidendes Leitbild Wesentliche Gleichheit kann dann angenommen werden, wenn mehrere Fälle einen gemeinsamen Grundgedanken aufweisen, der prägend für die betreffende 11 Unter Berücksichtigung des in Fn. 10 Abschn. C. Ausgeführten ist beim Vorliegen von Gründen für eine Ungleichbehandlung eine solche wohl aber nur gerechtfertigt und nicht zwingend geboten.

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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Konstellation ist und andere Erwägungen im Rahmen der Situationsbeschreibung in den Hintergrund drängt. Eine reine Binnenkollision – sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne – ist, wie gesehen, dadurch zu charakterisieren, dass ein Rechtsgut zu Gunsten eines anderen Gutes desselben Trägers geopfert oder gefährdet wird. Die Besonderheit liegt mithin in dem Aspekt, dass die beteiligten Rechtsgüter allein einer Person zustehen, sprich in der Terminologie des gewählten Begriffes allein deren Binnenraum betroffen ist. Darüber zu entscheiden, was mit diesen – den eigenen – Gütern geschehen soll, ist eine wesentliche Befugnis, die allein dem Inhaber zusteht. Sie ist sogar Gegenstand eines eigenständigen Rechtsguts, nämlich des Rechtsguts Selbstbestimmung. Jenes ist zwar wie alle Rechtsgüter Grenzen in seiner Ausübung unterworfen. Naturgemäß können solche aber nicht in eigenen Gütern bestehen, schließlich kann und darf man über diese gerade frei bestimmen. Würde man den Schutz anderer Güter desselben Betroffenen als Begründung für eine Beschränkung der Selbstbestimmung ansehen, würde dies den Gewährleistungsgehalt des Rechtsguts Selbstbestimmung insoweit vollständig und widersinnigerweise aufheben. Potentielle Beschränkungen der Selbstbestimmung ließen sich allenfalls mit der unmittelbaren Beteiligung schutzwürdiger Drittpositionen erklären. Letzteres ist bei einer reinen Binnenkollision aber definitionsgemäß gerade nicht der Fall.12 Festzuhalten bleibt daher die folgende entscheidende Aussage: Handelt es sich um eine reine Binnenkollision, sind allein die subjektiven Präferenzen relevant.13 Das bedeutet, dass entsprechende Konflikte nach dem sogenannten „Autonomieprinzip“ gelöst werden müssen.14 Es kann dem einzelnen nicht oktroyiert werden, auf welche Weise er seine betroffenen Rechtsgüter gewichten will.15 Der prägende Grundgedanke aller Fälle reiner Binnenkollision ist somit in der ausschließlichen Maßgeblichkeit des Rechtsguts Selbstbestimmung, mithin des entsprechenden Willens, zu erblicken.16 Unter diesem Gesichtspunkt ist das Vorliegen von wesentlicher Gleichheit bei reiner Binnenkollision zu bejahen.

12 Vgl. zu den insoweit problematischen Fällen der Betroffenheit des Rechtsguts Leben die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb). 13 So etwa auch Kindhäuser, LPK-StGB, § 34 Rn. 39; Engländer, GA 2010, 15, 23; Schmitz, S. 126; siehe auch Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 14, 32, der aber in letztgenannter Rn. ausdrücklich die Einschränkung macht, es gehe nur „jedenfalls grds. allein um deren Präferenzen“. 14 Siehe Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9. 15 Vgl. Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 14. 16 Dass damit nicht allein der Sachverhalt, sondern auch bereits Konsequenzen hinsichtlich dessen Handhabung als Grundlage der Vergleichsgruppenbildung bei Art. 3 GG eine Rolle spielen, ist zwar nicht der Normalfall. Die ausschließliche Beachtlichkeit des Willens ist aber untrennbar mit dem Sachverhalt der alleinig betroffenen Sphäre eines Rechtsgutsträgers sowie der darin liegenden Bedeutsamkeit des Rechtsguts Selbstbestimmung verknüpft.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

b) Untersuchung hinsichtlich möglicher die Ungleichbehandlung rechtfertigender Gründe Fraglich ist nun, ob Gründe existieren, die es trotz des wesentlich gleichen Leitprinzips erlauben, dass man in Hinblick auf die Rechtfertigung in Fällen reiner Binnenkollision unterschiedliche Maßstäbe anlegt. aa) Struktureller Vergleich zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne Ein möglicher Anknüpfungspunkt, der es legitimieren könnte, innerhalb der Fälle reiner Binnenkollision verschiedene Maßstäbe an die Rechtfertigung anzulegen, könnte der Unterschied17 zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne sein. Generell gilt, dass natürlich nicht jeglicher Unterschied hinsichtlich der Grundsituation herangezogen werden kann. Ansonsten würde Art. 3 GG nur in Fällen absoluter Identität und nicht schon bei wesentlicher Gleichheit vom Grundsatz her Gleichbehandlung gebieten. Die betreffenden Formen der Binnenkollision unterscheiden sich in der Beteiligung des Rechtsguts Selbstbestimmung. Einmal stellt dieses den alleinigen Antagonisten dar, das andere Mal tritt es im Zusammenspiel mit einem abstrakten Rechtsgut auf. Dennoch wurde bei Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne ein identisches Leitprinzip festgestellt und insofern eine wesentliche Gleichheit bejaht. Daher kann es nicht rein formal die verschiedene Beteiligung der Rechtsgüter in den beiden Varianten sein, die eine potentiell unterschiedliche Behandlung begründet. Anderenfalls würde entsprechend dem zuvor Festgestellten der Grundsatz der Vergleichbarkeit nicht nur in Einzelfällen, sondern ganz generell auf der nächsten Ebene widersinnigerweise wieder aufgehoben. Vielmehr muss untersucht werden, ob mit jener unterschiedlichen Positionierung der Rechtsgüter materielle Gründe verbunden sind, die eine unterschiedliche Handhabung der Rechtfertigung zu legitimieren vermögen. Ein Ansatz könnte darin liegen, dass man der Selbstbestimmung als isoliert beteiligtem Rechtsgut weniger Gewicht zuerkennt, als wenn sie mit einem anderen Gut auf derselben Kollisionsseite streitet. Bei Binnenkollision im engeren Sinne wäre demnach die Selbstbestimmung gewichtiger und mithin mehr zu achten als bei Binnenkollision im weiteren Sinne, was durch die Wahl unterschiedlicher Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden könnte. Aber unabhängig davon, ob überhaupt verschiedene Rechtfertigungsgründe existieren, die jener Erwägung Rechnung tragen und gleichzeitig die alleinige Maßgeblichkeit der Selbstbestimmung als Element wesentlicher Gleichheit realisieren können, ist es 17 Vgl. zum Verhältnis von „Unterschieden“ und „Gründen“ in Hinblick auf die Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung bei wesentlicher Gleichheit die differenzierten Ausführungen von Epping, Grundrechte, Kap. 16 Rn. 802 ff.

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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materiell gesehen nicht möglich, der Selbstbestimmung je nach Konstellation ein unterschiedliches Gewicht zuzuordnen. Das Rechtsgut Selbstbestimmung weist immer ein Bezugsobjekt auf, sodass die isolierte Stellung allein der konkreten Kollisionssituation geschuldet ist, aber keine Rückschlüsse auf ein Weniger zulässt. Weiter ist zu berücksichtigen, dass das maßgebliche Element des Rechtsguts Selbstbestimmung gerade die beliebige freie Entscheidung über den Güterbestand ist. Diese hat die gleiche Bedeutung, ob nun die Preisgabe oder die Rettung eines Gutes verfolgt wird. Die Beteiligung des abstrakten Gutes auf derselben Seite bringt also keine Werterhöhung mit sich. Durch die damit gezeigte gleiche Werthaltigkeit des Rechtsguts Selbstbestimmung bei Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne wird jenem Differenzierungspunkt die Grundlage entzogen. Ein weiterer Grund für die mögliche Wahl unterschiedlicher Rechtfertigungsgründe könnte in der divergierenden Intensität der Bedrohung für die Rechtsgüter zu sehen sein. Dabei geht es speziell um die Bedrohung des bzw. derjenigen Rechtsgüter, deren Verletzung der Inhaber gerade vermeiden möchte. Bei der Binnenkollision im weiteren Sinne steht lediglich die Nichtbeachtung des Entschlusses als drohende Verletzung des Rechtsguts Selbstbestimmung im Raum. Die Binnenkollision im engeren Sinne enthält dagegen eine Gefahr für ein abstraktes Rechtsgut. Vergleicht man beide Szenarien, so liegt die Annahme nahe, die Bedrohungssituation sei im letzteren Fall intensiver. Dies könnte die Anwendbarkeit eines anderen, das Element stärkerer Bedrohung gegebenenfalls besser berücksichtigenden Rechtfertigungsgrundes begründen. Bei genauerem Hinsehen ergeben sich aber in Hinblick auf die jeweilige Intensität der Bedrohung gegenteilige Ergebnisse. Wie bereits im Rahmen der Begriffsbestimmung aufgezeigt, ist bei einer Binnenkollision im weiteren Sinne eine reine Gefährdung der Selbstbestimmung nicht denkbar. Vielmehr ist die Verletzung die einzig mögliche Konsequenz gegenüber der Wahrung. In ihrer konkreten Gestalt wird die Selbstbestimmung hinsichtlich der Komponente, die Gütersphäre nach Belieben zu formen, sogar völlig wirkungslos. Dagegen ist die Verletzung wesentlicher Elemente des abstrakten Rechtsguts bei Binnenkollision im engeren Sinne nicht die einzig mögliche Folge. Auch kleinere Verletzungen oder das Verbleiben bei einer bloßen Gefährdung stellen keine Seltenheit dar. Insoweit kann die Bedrohungssituation im Vergleich zur Binnenkollision im weiteren Sinne sogar weniger gewichtig ausfallen. Dies gilt jedenfalls für eine ex-post-Betrachtung, ist aber auch im Rahmen einer ex-ante-Betrachtung nicht ausgeschlossen. Beleuchtet man allerdings die Binnenkollision im engeren Sinne nicht nur hinsichtlich des abstrakten Rechtsguts, so ist festzustellen, dass bezüglich der ebenfalls betroffenen Selbstbestimmung der gleiche Bedrohungsgrad vorliegt wie bei der Binnenkollision im weiteren Sinne. Tritt daneben die Bedrohung eines abstrakten Rechtsgutes, so könnte erwogen werden, dass aufgrund der Addition die Bedrohungsintensität im Vergleich zur alleinigen Betroffenheit der Selbstbestimmung vertieft werde.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

Nimmt man aber den Fall, dass das abstrakte Rechtsgut einer Bedrohung ausgesetzt ist, die in der Intensität derjenigen der Selbstbestimmung entspricht, so wird man im Gesamten nicht von einer doppelt so starken Bedrohung ausgehen können, sondern einheitlich eine Bedrohung auf derselben Stufe feststellen wie für die Selbstbestimmung. Damit ist das Prinzip der Addition insoweit widerlegt. Das Hinzutreten des abstrakten Rechtsgutes kann im Gegenteil sogar dazu führen, dass in der Gesamtbetrachtung die Bedrohung auf jener Seite geringer ausfällt. Wenn nämlich das abstrakte Rechtsgut im Vergleich zur Selbstbestimmung einen geringeren Bedrohungsgrad aufweist, ist die Chance, dass von den betroffenen Rechtsgütern im Gesamten etwas verbleibt, größer als bei der Binnenkollision im weiteren Sinne. Zusammenfassend hat sich also gezeigt, dass das Hinzutreten eines abstrakten Rechtsguts die Bedrohungsintensität nicht pauschal vergrößert, aber auch nicht zwingend verringert. Die Stärke der Bedrohung der zu wahrenden Rechtsgüter kann mithin keinen Grund darstellen, der eine unterschiedliche Behandlung von Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne hinsichtlich der Wahl des Rechtfertigungsgrundes legitimieren würde. Ein solcher könnte aber in der Herkunft der Bedrohung für die betreffenden Rechtsgüter liegen. Im Falle der Binnenkollision im weiteren Sinne entsteht die Bedrohung jedenfalls auf den ersten Blick nur durch die bevorstehende Reaktion des Täters, konkret gesagt durch die potentiell folgende Widersetzung gegenüber dem Wunsch des Rechtsgutsinhabers und die damit drohende Nichtopferung des abstrakten Gutes. Während dies bei einer Binnenkollision im engeren Sinne hinsichtlich des Rechtsguts Selbstbestimmung ebenso gilt, geht die Bedrohung für das abstrakte Rechtsgut in der Regel nicht vom Täter aus, sondern kommt von außen. Die verwendeten Formulierungen „auf den ersten Blick“ sowie „in der Regel“ implizieren jedoch bereits, dass es schwierig sein wird, hier allgemeine strukturelle Unterschiede festzustellen, welche als taugliche Differenzierungsgründe hinsichtlich der Wahl des Rechtfertigungsgrundes in Frage kommen könnten. So sind bei eingehender Betrachtung Fälle denkbar, bei denen der Ursprung der Gefahr in beiden Konstellationen gleich liegen kann. Zum einen ist es möglich, dass bei der Binnenkollision im engeren Sinne die Gefahr für das zu rettende abstrakte Rechtsgut auch durch die Person des Täters entsteht. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn dieser versehentlich ein Auto anzündet und daraufhin das Fenster des Wagens zerschlägt, um aus dem Innenraum einen Feuerlöscher zu holen, der größere Brandschäden an dem Fahrzeug zu verhindern vermag.18 18 Angenommen sei ferner, dass es sich bei dem Auto um ein nicht ersetzbares Liebhaberstück handelt und der Wille des Inhabers dementsprechend auf Rettung des Autos und nicht etwa auf Erlangung von Schadensersatz durch den Schädiger bei vollständiger Zerstörung gerichtet ist. Des Weiteren ist zu unterstellen, dass die Löschung nicht die Voraussetzungen der tätigen Reue nach § 306e II StGB erfüllt. Die drohende Strafbarkeit des Täters wegen fahrlässiger Brandstiftung spielt somit bei der Kollisionssituation keine unmittelbar bedeutsame Rolle. Aus diesem Grunde liegt eine reine und keine partielle Binnenkollision vor.

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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Es verbleibt zwar in der Rolle des Täters durchaus ein Unterschied zur Bedrohung der Selbstbestimmung. Die Abweichung ist jedoch allein der speziellen Natur des letztgenannten Rechtsguts geschuldet und kann die Vergleichbarkeit der Gefahrenherkunft im genannten Beispielsfall mit Konstellationen der Binnenkollision im weiteren Sinne nicht hindern. Zum anderen macht die Einschränkung „auf den ersten Blick“ hinsichtlich des Gefahrenursprungs bei der Binnenkollision im weiteren Sinne deutlich, dass die Rolle des Täters jedenfalls als allein maßgebliches Element im Zusammenhang mit der Bedrohung der Selbstbestimmung überdacht werden muss. Dadurch können wiederum Parallelen in der Gefahrherkunft entstehen. Genaugenommen legt nämlich der Rechtsgutsinhaber selbst durch seine Entscheidung den Grundstein der Gefahr, indem hierdurch die drohende Nichtbefolgung überhaupt einen Anknüpfungspunkt erlangt. Eine Mitverantwortlichkeit des Gutsinhabers an der Gefahr kann auch bei Binnenkollision im engeren Sinne in Bezug auf das abstrakte Rechtsgut vorkommen, etwa wenn man das zuvor aufgezeigte Beispiel dergestalt abwandelt, dass der Eigentümer fahrlässig den Brand seines Autos verursacht und ein Dritter die genannte Rettungshandlung vornimmt. Jene möglichen Überschneidungen hinsichtlich der Quelle der Bedrohung für die betroffenen Rechtsgüter zeigen, dass in diesem Element kein hinreichend deutlicher Unterschied zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne liegt. Hierin kann folglich kein Grund zu erkennen sein, der die unterschiedliche Behandlung der beiden Untergruppen in Hinblick auf ihre jeweilige Rechtfertigung erlaubt. Zusammenfassend hat sich im Vergleich zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne ergeben, dass die Unterschiede zwischen jenen Gruppen keine Anknüpfung für eine divergierende Heranziehung von Rechtfertigungsgründen bieten. Damit bleibt es prinzipiell bei der Verpflichtung zur gleichen Handhabung beider Konstellationen. bb) Betroffenheit des Lebens gegenüber der Selbstbestimmung als potentielles Unterscheidungskriterium Unabhängig von dem Gebot der Gleichbehandlung zwischen Binnenkollision im engeren und im weiteren Sinne könnte ein anderer Aspekt in einigen Konstellationen eine unterschiedliche Rechtfertigung möglich machen. Konkret ist dabei die Betroffenheit des Rechtsguts Leben als Antagonist zur Selbstbestimmung zu nennen. In der Rechtsprechung und Literatur ist es gerade diese Ausgangslage, die in den meisten Fällen die Anwendung des abweichenden Rechtfertigungsgrundes – speziell des § 34 StGB im Gegensatz zu den sonst gängigen Einwilligungsregeln –19 bedingt. Es besteht somit ein besonderes Bedürfnis, jenen Anknüpfungspunkt näher zu untersuchen. 19

Vgl. die Hinweise in der Einleitung unter A.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

Fälle, die eine Lebensbetroffenheit im Konflikt mit der Selbstbestimmung aufweisen, werden im Strafgesetzbuch gesondert behandelt. In § 216 StGB findet sich die implizite Aussage, dass man über sein eigenes Leben nicht disponieren darf,20 womit sich die Lösung zugunsten der Selbstbestimmung in Gestalt des normalerweise angewendeten Rechtfertigungsansatzes zu verbieten scheint. Auf diese Weise ergäbe sich aber eine Diskrepanz zu dem entwickelten Leitbild reiner Binnenkollision, welches die Wahrung der Selbstbestimmung als allein maßgebliches Element herausstellt. Dies wäre prinzipiell ein möglicher Grund dafür, insoweit einen anderen Rechtfertigungsansatz zu wählen und so dem Leitprinzip Rechnung zu tragen. Soweit dagegen umgekehrt die Rechtfertigung eines Handelns zugunsten des Lebens, mithin unter Überspielung der Selbstbestimmung, in Rede steht, kann die Wahrung des Leitprinzips als Begründung freilich keine Rolle spielen. Hierbei käme stattdessen die Gewährleistung der Wirkung des § 216 StGB als Argument in Betracht. Insofern wird aber schon vom Grundgedanken her keine wesentliche Gleichheit der Konstellationen zu bejahen sein. Somit kann man das letztgenannte Szenario nicht direkt im Zusammenhang mit der vorliegenden Suche nach konkreten rechtfertigenden Gründen für die unterschiedliche Behandlung von wesentlich Gleichem berücksichtigen. Der Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes ist als allgemeinem Topos eine weitere wichtige Komponente zu entnehmen, die Einfluss auf die gesamte Betrachtung des in Rede stehenden Differenzierungsmerkmals zu nehmen vermag. So bezieht sich die Suche nach einem die Ungleichbehandlung legitimierenden Grund an dieser Stelle lediglich auf Fälle reiner Binnenkollision. Es ist demgegenüber aber durchaus eine denkbare Möglichkeit, dass die von dem Gedanken des § 216 StGB erfassten Fälle der Betroffenheit des Rechtsguts Leben in Gegenüberstellung zur Selbstbestimmung keine reine Binnenkollision verkörpern, sondern ein weiteres Rechtsgut eines Dritten als beteiligtes Element enthalten.21 Inwiefern § 216 StGB derart zu interpretieren sein kann, dass die betreffende Beteiligung des Lebens eine partielle Binnenkollision zur Konsequenz hat, wird an späterer Stelle22 näher erörtert werden. Im Rahmen der aktuellen Diskussion soll die aufgezeigte Deutungsweise jedoch als Ansatz bereits anerkannt werden. Fraglich bleibt allerdings, ob mit der genannten Form der Lebensbetroffenheit in jedem Fall, sprich ausnahmslos, eine partielle Binnenkollision verbunden sein muss. Nur wenn dem so wäre, müsste man die in Rede stehende Beteiligung des Lebens vollständig aus der Behandlung der reinen Binnenkollision und mit20 § 216 StGB lässt sich über dessen Charakter als eigenständiger Straftatbestand hinaus eine generelle Einwilligungssperre in Bezug auf Lebensverletzungen entnehmen; vgl. dazu etwa Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 216 Rn. 14; Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 216 Rn. 15. 21 Siehe zu dieser Erwägung auch Schmitz, S. 39 ff., allerdings im Zusammenhang mit § 34 StGB. 22 Unter F. I. 1.

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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hin als potentielles rechtfertigendes Element hinsichtlich einer Ungleichbehandlung ausklammern. Als Anknüpfungspunkt für die Beteiligung eines Drittrechtsguts kann wiederum die Norm des § 216 StGB angesehen werden. Daraus folgt die Annahme einer Verbindung zwischen dem Vorliegen einer partiellen Binnenkollision mit der vom Gesetzgeber angeordneten und gewünschten Sperrwirkung. Demnach müsste man aber umgekehrt eine partielle Binnenkollision ablehnen, wenn ausnahmsweise eine Lebensbeeinträchtigung bei entsprechendem Willen rechtlich anerkannt und mithin materiell begründet nicht gesperrt wäre. In der Konsequenz läge die prinzipielle Möglichkeit einer reinen Binnenkollision zwischen dem Rechtsgut Leben23 und der Selbstbestimmung vor. Die Verwendung des Konjunktives ist dabei nicht der Fragwürdigkeit der genannten Aussage, sondern lediglich dem noch zu untersuchenden Aspekt geschuldet, ob derartige Ausnahmefälle überhaupt existieren. Nähere Erörterungen zu diesem Gesichtspunkt werden im weiteren Verlauf folgen.24 Vorliegend kann aber bereits festgestellt werden, dass nach der allgemeinen und zumindest hinsichtlich des Ergebnisses nicht zu missachtenden Meinung zum Beispiel die schon eingangs erwähnten Fälle der Sterbehilfe – speziell der Behandlungsabbruch sowie die indirekte Sterbehilfe – Konstellationen darstellen, in denen eine vom Rechtsgutsträger gewollte Lebensverletzung rechtlich möglich ist. Unabhängig von den dabei vertretenen dogmatischen Herangehensweisen vermögen jene Beispiele somit generell zu verdeutlichen, dass nicht in jedem Fall eine willentliche Verletzung des Lebens durch das geltende Recht materiell begründet gesperrt ist. Aufgrund der Existenz derartiger Ausnahmefälle ist daher eine reine Binnenkollision bei entgegengesetzter Beteiligung von Leben und Selbstbestimmung möglich. Damit rückt jener Aspekt als potentiell die Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund wieder in den Fokus. Wie bereits angesprochen, darf sich die in Rede stehende Frage nach der möglichen Ungleichbehandlung in ihrer Ausgangslage ausschließlich auf Fälle reiner Binnenkollision beziehen. In Hinblick auf ein potentiell die Ungleichbehandlung rechtfertigendes Kriterium können daher nur die betreffenden Konstellationen ohne materiell begründete Sperrwirkung berücksichtigt werden. Denn eine rechtlich gewünschte existente Sperrwirkung spielt im Zusammenhang mit der reinen Binnenkollision keine Rolle und ist folglich als Argument vollständig auszuklammern. Hieraus ergeben sich Konsequenzen für das zu Anfang dieses Unterpunktes angesprochene allgemeingefasste Argument, dass man durch die Anwendung des unterschiedlichen Rechtfertigungsgrundes die Sperrwirkung durchbrechen und mithin dem Grundgedanken reiner Binnenkollision Rechnung tragen wolle. Diese Aussage könnte zum einen dergestalt interpretiert werden, dass eine inhalt23 Welches dafür naturgemäß ein Individualrechtsgut sein muss. Für die Charakterisierung des Lebens als Individualrechtsgut ist auch Schmitz, S. 52. 24 Unter F. I. 1. b) sowie unter G. I. und II.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

lich begründete Sperrwirkung in einem zweiten Schritt durch die Anwendung des Rechtfertigungsgrundes aufgehoben werden soll. Durch das Fehlen einer materiell begründeten Sperrwirkung würde dieser Argumentation im Kontext der reinen Binnenkollision jedoch die Grundlage entzogen.25 Fasste man jene Erwägung aber dahingehend auf, dass keine inhaltlich begründete Sperre überwunden, sondern lediglich ein Widerspruch zu einer bestehenden gesetzlichen Anordnung umgangen würde, so könnte das Argument in Hinblick auf die reine Binnenkollision prinzipiell weiterhin herangezogen werden. Art. 3 GG verlangt jedoch zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung einen inhaltlich tragenden und überzeugenden Grund. Es erscheint insoweit fraglich, ob das Vorhaben, Konflikte mit dem Gesetzestext durch ein Ausweichen auf eine andere Norm vermeiden zu wollen, diesen Anforderungen genügt. Das übergeordnete Ziel der vorliegenden juristischen Diskussion ist eine dogmatisch sinnvolle Systematisierung der Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision. Daher sollte deren Behandlung auch durchweg dogmatischen Grundsätzen folgen. Jene erfordern aber, dass auftretende Konflikte „an der Wurzel gepackt“ 26 werden. Das bedeutet, dass sie an der Stelle zu lösen sind, an der sie auftreten, mithin hier im Rahmen des Normgefüges des § 216 StGB.27 Ein Zurückgreifen auf einen anderen Rechtfertigungsgrund ist aus dogmatischer Sicht folglich nicht haltbar.28 Die Überwindung des aufgezeigten formalen Konflikts mit der Einwilligungssperre stellt demnach keinen überzeugenden Grund zur Legitimierung einer Ungleichbehandlung bei der Wahl des Rechtfertigungsgrundes dar.

25 Vgl. zur Bedeutung der materiellen Umgehung von Einwilligungssperren im Zusammenhang mit § 34 StGB die Ausführungen unter D. I. 3. Dort finden sich auch Ausführungen zu der sogleich darzustellenden formellen Dimension der Umgehung von Einwilligungssperren. 26 Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 32. 27 Vgl. in diesem Sinne neben dem in Fn. 26 Abschn. C. angeführten Nachweis auch Lanzrath/große Deters, HRRS 2011, 161, 163; Schmitz, S. 134. 28 Auch in einer allgemeineren methodischen Dimension wäre insoweit fraglich, ob man überhaupt aus der potentiellen Nichteinschlägigkeit eines Rechtfertigungsansatzes in gewissen Fällen einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung herleiten könnte. Denn nach dogmatischen Maßstäben müsste letztgenannter rein an die Ausgangslage anknüpfen und dürfte nicht vom Ergebnis, sprich dem vorgeschlagenen Rechtfertigungsgrund, her beeinflusst werden. Die mit der Lebensbetroffenheit verbundene Sperrwirkung, sei sie nun formeller oder materieller Art, spielt insbesondere im Kontext der Einwilligungsregeln eine Rolle und entfaltet ihre Hinderungskraft folglich innerhalb eines bestimmten potentiellen einheitlichen Lösungsansatzes. Eine diesbezügliche Argumentation ginge mithin durchaus vom Ergebnis aus. Indem die Sperrwirkung in ihrer Begründung aber maßgeblich an das beteiligte Rechtsgut oder zumindest an den Gesetzestext anknüpft, konturiert sie zusätzlich bereits die Ausgangslage der Betrachtung mit. Allgemeindogmatisch gesehen wäre die in Rede stehende Argumentation der Umgehung einer Sperrwirkung als sachlicher Grund daher nicht schon per se als unzulässig abzulehnen. Vgl. zu einer ähnlichen Argumentationsstruktur, die aber die wesentliche Gleichheit und mithin nicht dieselbe Problematik betrifft, bereits Fn. 16 Abschn. C.

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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Entscheidend kann schlussendlich allein sein, ob dem Rechtsgut Leben über die Beschränkung aus § 216 StGB hinaus ein materiell bedeutsamer Unterschied zuzuerkennen ist, der im Vergleich mit der Beteiligung anderer der Selbstbestimmung entgegengesetzter Rechtsgüter die Wahl eines abweichenden Rechtfertigungsgrundes ermöglicht. Das Rechtsgut Leben weist unzweifelhaft eine herausragende Bedeutung innerhalb des Kreises existierender Rechtsgüter auf. Die besondere Bedeutsamkeit des Lebens wird aber zumeist wiederum mit dem Gedanken des § 216 StGB verknüpft, der hier, wie gesehen, gerade auszuklammern ist. Man könnte lediglich dem postulierten Verbot der Quantifizierung und Qualifizierung von Menschenleben29 einen von § 216 StGB unabhängigen, eigenständigen Gehalt zukommen lassen. Jene Prinzipien beziehen sich aber im Kern auf das Verhältnis zu Rechtsgütern Dritter und verlieren im Angesicht der Betroffenheit nur eines einzigen Gutsinhabers ihre Durchschlagskraft.30 Im Zusammenhang mit der reinen Binnenkollision nimmt das Rechtsgut Leben somit den Rang eines freilich nach wie vor elementaren Gutes ein, das sich aber nicht als solches grundlegend von anderen Rechtsgütern unterscheidet. Insbesondere liegt auch dessen Gewichtung in den Händen des einzelnen Trägers. Diese eigenständige Möglichkeit zur Präferenzbildung verkörpert das Charakteristikum aller Fälle reiner Binnenkollision. Insofern folgt aus der Betroffenheit des Rechtsguts Leben im Widerspruch zur Selbstbestimmung kein relevanter Unterschied zu sonstigen Situationen reiner Binnenkollision. Eine Differenzierung hinsichtlich des Rechtfertigungsgrundes ist diesbezüglich mithin nicht möglich. c) Ausblick auf den Charakter des einheitlichen Rechtfertigungsgrundes Wie gezeigt, ergibt sich die wesentliche Gleichheit aller Fälle reiner Binnenkollision aus dem zugrunde liegenden uneingeschränkten Bedürfnis nach der Wahrung des Willens, das heißt der absoluten Maßgeblichkeit des Rechtsguts Selbstbestimmung. Dies stellt das charakteristische Element jener Fallkonstellation dar und wirkt sich auch auf den erforderlichen einheitlichen Rechtfertigungsgrund aus. Demnach muss das betreffende Instrument eine Lösung im Einklang mit dem Willen in jedem Fall vorsehen und zweifelsfrei umsetzen können. Eine Rechtfertigung außerhalb der genannten Grundsätze ist bei reiner Binnenkollision nicht zu legitimieren, sodass ein Verhalten zulasten des Rechtsguts Selbstbestimmung nicht durchzuschlagen vermag.31 Diese Anforderungen gilt es 29

Siehe hierzu Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 29. Vgl. zu dem Spezialfall der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens ausführlich die Argumentationen unter D. I. 1. b). 31 Rein konstruktiv wäre im Kontext reiner Binnenkollision eine willenswidrige Rechtfertigung im Übrigen ohnehin nur bei einer Binnenkollision im engeren Sinne überhaupt vorstellbar. Denn im Falle einer willenswidrigen Rechtfertigung befindet sich das Rechtsgut Selbstbestimmung notwendigerweise auf der Seite des verletzten abstrakten Rechtsguts. Wenn dem Eingriffsgut nun kein sonstiges selbstbestimmungsunabhän30

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

zu bedenken, wenn unter dem Gliederungspunkt D. die Suche nach dem passenden einheitlichen Rechtfertigungsgrund bei reiner Binnenkollision erörtert wird. 2. Vergleichbarkeit zwischen Fällen reiner und partieller Binnenkollision Die wesentliche Gleichheit aller Fälle reiner Binnenkollision beruht, wie gesehen, auf einem konkreten gemeinsamen Grundgedanken. Fraglich ist, ob dieses bestimmende Grundprinzip auch auf Fälle partieller Binnenkollision Anwendung findet. Auf diese Weise ließe sich eine wesentliche Gleichheit der beiden Untergruppen von Binnenkollision begründen. Wesenselement jeder reinen Binnenkollision ist, dass allein der Wille bzw. das Rechtsgut Selbstbeststimmung die Leitlinie für die rechtliche Behandlung darstellt. Begründet wird dies maßgeblich mit der Betroffenheit der Sphäre nur eines einzigen Rechtsgutsträgers. Bei der partiellen Binnenkollision spielt hingegen mindestens ein weiteres Drittrechtsgut eine Rolle, wodurch das Charakteristikum einer einzig betroffenen Sphäre aufgehoben wird. Hiermit entfällt bereits formal der Bezugspunkt für den in Rede stehenden wesentlichen Grundgedanken.32 Dies lässt sich durch materielle Erwägungen ergänzen. So hängt mit dem Drittrechtsgut in der Regel ebenfalls das Rechtsgut Selbstbestimmung zusammen,33 nämlich dasjenige des Drittbetroffenen. Wollte man die Selbstbestimmung des im Ausgangspunkt binnenbetroffenen Trägers auch bei partieller Binnenkollision als maßgeblich anerkennen, würde man der Selbstbestimmung des Dritten von vornherein jede Bedeutung absprechen. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, der dies legitimieren könnte. Die mangelnde Kongruenz mit dem Grundprinzip reiner Binnenkollision zeigt sich insbesondere auch dann, wenn als Drittrechtsgüter die Selbstbestimmung sowie ihr gegenüberstehend ein abstraktes Rechtsgut des Dritten beteiligt sind. Ein Beispiel dafür ist die schadhafte Wasserleitung, die sowohl Güter des Eigentümers als auch eines Mieters bedroht, wobei nur von letzterem die Zerstörung seiner Güter gewollt ist. In Hinblick auf den giges Rechtsgut gegenübersteht – wie es der Konstellation der Binnenkollision im weiteren Sinne entspricht –, kann es einen Widerstreit von betroffenen Rechtsgütern derselben Person insoweit denklogisch nicht geben, sodass jene Konstellation nicht dem Bereich reiner Binnenkollision unterfallen würde. Eine Rechtfertigung eines derartigen willenswidrigen Eingriffes wäre aber aus den gleichen Gründen wie bei einer reinen Binnenkollision – wenn nicht sogar erst recht – sachlich nicht möglich. 32 Mit diesem Argument erscheint auch eine potentiell denkbare wesentliche Gleichheit der reinen Binnenkollision mit nur gewissen Bereichen partieller Binnenkollision von vornherein ausgeschlossen. 33 Vgl. zu der Verbindung zwischen Selbstbestimmung und abstraktem Rechtsgut die entsprechenden Erwägungen hinsichtlich der Binnenkollision im engeren Sinne unter B. IV. 3. c), S. 60, speziell auch in Fn. 144 Abschn. B. sowie in Fn. 145 Abschn. B.; letztere unter Hinweis auf die Annahme eines derartigen Verhältnisses jedenfalls für Individualrechtsgüter.

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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Hauseigentümer streitet das Eigentum an der zu zerstörenden Tür bzw. einem entsprechenden Fenster gegen dessen Selbstbestimmung sowie das Eigentum am Inventar. Hinzu tritt auf dieser Seite der Kollision das Eigentum des Dritten, während dessen Selbstbestimmung parallel zu dem entgegenstehenden Eigentum des Hausinhabers an der Tür bzw. dem Fenster positioniert ist. In dieser Konstellation lässt sich hinsichtlich des Drittbetroffenen bei entsprechender Perspektive ebenfalls eine binnenspezifische Kollisionslage feststellen. Wenn der Vorrang der Selbstbestimmung des binnenbetroffenen Trägers auch in derartigen Fällen als Grundsatz gälte, so wäre die Entscheidung darüber, wer der entsprechend Begünstigte ist, einer Beliebigkeit des Blickwinkels ausgesetzt und führte zu nicht begründbaren Ergebnissen. Zusammenfassend ist die Annahme eines absoluten und unumstößlichen Vorrangs der Selbstbestimmung eines Rechtsgutsträgers, der in allen Fällen partieller Binnenkollision gelten soll, nicht haltbar. Das bedeutet, dass der Grundgedanke der reinen Binnenkollision nicht auf die partielle Binnenkollision übertragen werden kann. Eine wesentliche Gleichheit zwischen den beiden Gruppen als solchen ist folglich nicht gegeben. Damit besteht insoweit auch kein Erfordernis einer Gleichbehandlung auf der Basis von Art. 3 GG. 3. Vergleichbarkeit der Fälle partieller Binnenkollision a) Untersuchung der wesentlichen Gleichheit aller Fälle partieller Binnenkollision Auch wenn der Grundgedanke der reinen Binnenkollision nicht auf die partielle Binnenkollision übertragen werden kann, so ist zu untersuchen, ob zumindest innerhalb der Untergruppe der partiellen Binnenkollision ein einheitliches Leitprinzip existiert. Damit könnte auf dieser Ebene eine wesentliche Gleichheit angenommen werden. Anders als bei der reinen Binnenkollision gibt es im betreffenden Zusammenhang aber keine Größe, die prinzipiell von vornherein gewahrt werden muss. Das liegt insbesondere darin begründet, dass die Selbstbestimmung in Hinblick auf verschiedene abstrakte Werte sowie unterschiedliche Träger Relevanz erlangen kann. Aus diesem Grund ist eine Rechtfertigung auch nicht nur in eine Richtung denkbar. Eine einheitlich allen Fällen partieller Binnenkollision zugrunde liegende Leitlinie, die charakteristische Merkmale repräsentiert und den Konstellationen eine richtungsweisende Struktur verleiht, ist mithin nicht festzustellen. Damit ist jedoch nicht zwingend eine Beliebigkeit hinsichtlich der Lösung jedes einzelnen Falles partieller Binnenkollision verbunden. Vielmehr muss versucht werden, die partielle Binnenkollision als solche in weitere Kategorien zu untergliedern. Diese können gegebenenfalls in sich wesentlich gleiche Strukturen aufweisen und damit eine einheitliche Behandlung begründen.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

b) Differenzierung nach möglichen auftretenden Konstellationen aa) Grundlegende Erörterung eines relevanten Definitionsmerkmals Als Grundlage für die folgende Differenzierung ist zunächst ein allgemeiner Definitionsaspekt zu erörtern und unter Umständen zu präzisieren. Eine partielle Binnenkollision wurde durch das Hinzutreten mindestens eines Drittrechtsguts zu dem Binnenelement charakterisiert.34 Wie bereits angesprochen,35 ist bei jedem abstrakten Individualrechtsgut aber auch das Rechtsgut Selbstbestimmung mitbeteiligt.36 Sofern folglich das betreffende Drittrechtsgut ein Individualrechtsgut ist, kommt immer mehr als nur ein Rechtsgut zum Binnenelement hinzu. Denkbar ist aber auch das Hinzutreten eines Rechtsguts, das dem Staat oder der Allgemeinheit zuzuordnen ist. Sollte die zwingende Verknüpfung mit dem Rechtsgut Selbstbestimmung auch dabei gelten, wäre das Definitionsmerkmal der Beteiligung mindestens eines Drittrechtsguts zu weit gefasst. Es müsste präziserweise dahingehend geändert werden, dass immer mindestens zwei Rechtsgüter eines Dritten hinzutreten. In Hinblick auf die Allgemeinheit ist allerdings fraglich, ob diese überhaupt Träger des Rechtsguts Selbstbestimmung sein kann. Um eine freie und beliebige Entscheidung in ihren Auswirkungen auf alle zu legitimieren, bedarf es eines einheitlichen Substrats, das den gemeinsamen Willen aller Betroffenen ausdrückt. Der Allgemeinheit fehlt es insofern aber an Homogenität und mithin an der Grundlage für einen alle repräsentierenden Willen. Aus diesem Grund kann das Rechtsgut Selbstbestimmung der Allgemeinheit nicht zustehen. Demgegenüber bildet der Staat ein einheitlich zu fassendes und autonomes Gebilde. Somit mangelt es ihm nicht bereits an der Tauglichkeit hinsichtlich der Trägerschaft. Das Rechtsgut Selbstbestimmung zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass man tun und lassen kann, was man will. Wie Art. 2 I GG selbst vorsieht, kann diese Befugnis zwar beschränkt werden. Solche Einschränkungen werden aber erst auf einer zweiten Stufe relevant und ändern nichts an der grundsätzlichen Gewährleistung einer freien und beliebigen Entscheidung über die eigenen Güter. Das zeigt auch die verfassungsrechtliche Unterscheidung zwischen Schutzbereich einerseits und der die Schranken berücksichtigenden Rechtfertigungsebene andererseits. Dem Staat ist es hingegen schon von vornherein nicht gestattet, beliebig, sprich willkürlich, über seine Positionen zu disponieren. Er steht im Dienste der Menschen und muss für ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen sorgen. Dementsprechend darf

34

Unter B. II. Siehe dazu die Ausführungen unter B. IV. 3. c), S. 60, auf die sich auch der Hinweis in Fn. 33 Abschn. C. bezieht. 36 Das gilt freilich auch umgekehrt. Schließlich benötigt die Selbstbestimmung definitionsgemäß ein Bezugsobjekt; vgl. dazu bereits die Aussage unter B. III. 3. b) aa), S. 41. 35

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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er z. B. keine Gefangenenbefreiung oder Falschaussage nach Belieben erlauben. Eine Zustimmung zu derartigen Handlungen ist auf gesetzlich geregelte und eng gefasste Ausnahmekonstellationen zu beschränken. Mangels im Ausgangspunkt freier Entscheidungskompetenz steht dem Staat das Rechtsgut Selbstbestimmung folglich nicht zu. Dies lässt sich grundrechtsdogmatisch bestätigen. Das Rechtsgut Selbstbestimmung hat seine Grundlage in Art. 2 I GG. Der Staat ist aber gemeinhin gerade nicht grundrechtsberechtigt, sondern grundrechtsverpflichtet,37 sodass ihm der Rückgriff auf den grundrechtlichen Schutzgehalt verwehrt bleibt. Im Ergebnis ist daher bei Beteiligung eines Rechtsguts des Staates oder der Allgemeinheit an einer partiellen Binnenkollision nicht auch gleichzeitig die Selbstbestimmung als Drittrechtsgut betroffen. Das Definitionselement, dass mindestens ein Drittrechtsgut zum Binnenbereich hinzutritt, behält somit seine Berechtigung. Für die folgende Systematisierung hat dies zur Konsequenz, dass man nicht zwangsläufig mehrere beteiligte Drittrechtsgüter zugrunde legen muss. Des Weiteren folgt daraus, dass zwischen Individualrechtsgütern sowie Gütern des Staates bzw. der Allgemeinheit als hinzutretende Elemente zu unterscheiden ist. bb) Spezielle Differenzierungskriterien Eine Kategorisierung innerhalb der partiellen Binnenkollision richtet sich sinnvollerweise danach, wie ein oder mehrere hinzutretende Drittrechtsgüter positioniert sind. Dies bezieht sich auf das Verhältnis zu den Gütern des Binnenbetroffenen.38 Jene können, wie bereits dargelegt, in Gestalt einer Binnenkollision im weiteren oder im engeren Sinne auftreten. Beide Konstellationen haben gemeinsam, dass in der Person des Binnenbetroffenen die Selbstbestimmung gegen ein abstraktes Rechtsgut streitet. Der Unterschied ist allein, dass bei der Binnenkollision im engeren Sinne neben der Selbstbestimmung noch mindestens ein weiteres abstraktes Rechtsgut beteiligt ist. Es ist daher strukturell bereits angelegt, die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Positionierung des Drittrechtsguts oder der Drittrechtsgüter anzusehen.

37 Vgl. zum Nachweis für die Grundrechtsverpflichtung des Staates die Literaturangabe in Fn. 6 Abschn. C. 38 Wie bereits unter C. II. 2., S. 81 angesprochen, besteht dabei die Möglichkeit, dass auch in der Person des Dritten eine Binnenkollision gegeben ist. Um eine eindeutige Systematisierung vornehmen zu können, sollen die Termini „Binnenbetroffener“ bzw. „binnenbetroffenen“ jedoch hier sowie im Folgenden im Zusammenhang mit der partiellen Binnenkollision stets denjenigen Rechtsgutsträger bezeichnen, von dem ausgehend man verschiedene Varianten des Hinzutretens weiterer Güter – seien diese nun selbst binnenkollisionsspezifisch beteiligt oder nicht – betrachtet.

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

(1) Beteiligung aller Drittrechtsgüter auf derselben Kollisionsseite Tritt zu einer Binnenkonstellation ein einziges Drittrechtsgut hinzu, kann es zum einen auf der Seite der Selbstbestimmung des binnenbetroffenen Trägers positioniert werden. Die Wahrung jener Selbstbestimmung sowie die des Drittrechtsguts stehen damit im Einklang. Eine zweite Positionsvariante beinhaltet demgegenüber die entgegensetzte Verankerung des Drittrechtsguts im Verhältnis zur Selbstbestimmung des binnenbetroffenen Trägers. In diesem Fall hat ein Handeln zugunsten des letztgenannten Elements eine Verletzung oder Gefährdung des Drittrechtsgutes zur Folge. Umgekehrt führt die Wahrung des Drittrechtsguts zur Verletzung der bezeichneten Selbstbestimmung. Kommen mehrere parallel liegende Rechtsgüter hinzu – sei es von einem oder mehreren dritten Trägern –, kann man diese hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen gedanklich zusammenfassen. Sofern folglich alle hinzutretenden Rechtsgüter einheitlich auf der einen oder anderen Seite streiten, ist die aufgezeigte Systematisierung in gleicher Weise anwendbar. Dabei ist es für die Einteilung unerheblich, ob Individualrechtsgüter oder Güter des Staates bzw. der Allgemeinheit dazukommen. Die Beteiligung eines einzigen Drittrechtsguts ist allerdings nur in Gestalt eines Rechtsguts des Staates oder der Allgemeinheit denkbar. Dies liegt darin begründet, dass mit jedem Individualrechtsgut zwingend das Rechtsgut Selbstbestimmung verbunden ist, während im Zusammenhang mit Rechtsgütern des Staates sowie der Allgemeinheit eine solche Verknüpfung nicht besteht.39 Die soeben abstrakt dargestellte Systematisierung soll wiederum an Abwandlungen des Falles der schadhaften Wasserleitung illustriert werden. Die erste mögliche Positionierung der Drittrechtsgüter wird verkörpert, wenn der Wasserausfluss nicht nur das Inventar des Eigentümers, sondern auch das eines Mieters bedroht, was beide verhindern möchten. Es streiten das Eigentum des Hausinhabers an der Tür bzw. einem Fenster gegen dessen Eigentum am Inventar sowie sein Rechtsgut Selbstbestimmung. Auf letztgenannter Seite der Kollision treten das Eigentum des Mieters am Inventar sowie dessen Selbstbestimmung hinzu. Die Drittrechtsgüter liegen somit parallel zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Demgegenüber ist die zweite Variante möglicher Positionierung der Drittrechtsgüter wie folgt abzubilden: Dem Mieter selbst drohen keine Wasserschäden an seinem Inventar. Sowohl er als auch der Hausinhaber sind aber Eigentümer je einer Tür40, die beide eingeschlagen werden müssen, um den Wasserfluss aufzuhalten. Eine derartige Handlung entspricht jedoch nicht seinem Wil39

Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen unter C. II. 3. a). Um die zivilrechtliche Eigentümerstellung des Mieters zu legitimieren, ist davon auszugehen, dass es sich bei der betreffenden Tür nicht um einen wesentlichen Bestandteil des Hauses handelt. Dies gilt auch im Folgenden für weitere, ähnlich konstruierte Beispielsfälle. 40

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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len, dagegen aber dem des Hauseigentümers. Hierbei streiten das Eigentum an der Tür des Hausinhabers sowie das Eigentum an der Tür des Mieters zusammen mit dessen Selbstbestimmung gegen die Selbstbestimmung des Hauseigentümers sowie dessen Eigentum am Inventar. Die Beteiligung der Drittrechtsgüter beschränkt sich damit auf die der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen entgegengesetzte Seite. (2) Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten Möglich ist über die genannten Konstellationen hinaus, dass die Drittrechtsgüter auf verschiedenen Seiten, mithin in antagonistischer Position, agieren. Naturgemäß sind dafür mindestens zwei Drittrechtsgüter erforderlich. Zunächst ist in diesem Zusammenhang der Fall zu betrachten, dass mehrere Individualrechtsgüter hinzukommen. Dabei soll in einem ersten Schritt die Beteiligung nur eines einzigen dritten Trägers zugrunde gelegt werden. In dessen Person streitet in jener Konstellation immer die Selbstbestimmung gegen eines seiner abstrakten Güter. Weitere Individualrechtsgüter dieses Dritten sind sowohl auf der Seite von dessen Selbstbestimmung als auch dieser entgegengesetzt positioniert denkbar. Hierbei kann man zum einen wieder diejenigen Fälle als eigenständige Kategorie zusammenfassen, in denen die Selbstbestimmung des binnenbetroffenen Trägers sowie die des Dritten parallel liegen, unabhängig davon, was auf der betreffenden Seite der Kollision an deren Rechtsgütern hinzukommt. Auch für eine derartige Konstellation lässt sich im Kontext der schadhaften Wasserleitung ein Beispiel aufzeigen: Um das Inventar mindestens eines Beteiligten zu schützen, müssen sowohl die Tür des Hauseigentümers als auch die eines Mieters aufgebrochen werden, was dem Willen beider entspricht. Das jeweilige Eigentum von Hausinhaber und Mieter an der entsprechenden Tür streitet in diesem Fall gegen die Selbstbestimmung beider sowie das Eigentum am Inventar des einen oder beider Beteiligten. Die Güter können im vorliegenden Kontext zum anderen derart beteiligt sein, dass die Selbstbestimmung des Dritten entgegengesetzt zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen agiert. Damit befindet sich zwangsläufig mindestens ein abstraktes Drittrechtsgut parallel zur Selbstbestimmung des binnenbetroffenen Trägers, weitere können beliebig angeordnet sein. Diese Beteiligungsvariante unterscheidet sich von der zuvor dargestellten in der diametralen Positionierung der beteiligten Rechtsgüter Selbstbestimmung und ist daher wiederum als eigenständige Kategorie aufzufassen. Folgendes Beispiel spiegelt die betreffende Konstellation wider: Die schadhafte Wasserleitung bedroht das Inventar des Hausinhabers sowie eines Mieters. Durch eine Zerstörung der Türen beider Berechtigter würde jegliches Inventar gerettet werden, was allerdings allein einer der Beteiligten wünscht. Die Selbstbestimmung des anderen befindet sich folglich im Einklang mit dem jeweiligen Eigentum an der Tür. Dem-

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

gegenüber stehen das Eigentum am Inventar von Mieter und Hausinhaber sowie die Selbstbestimmung desjenigen, der den Eingriff befürwortet. In Hinblick auf hinzutretende Individualrechtsgüter ist in einem zweiten Schritt die Beteiligung mehrerer Dritter mit zumindest teilweise gegenüberstehenden Rechtsgütern zu untersuchen. Bei jedem Dritten stellt wieder zwingend dessen Rechtsgut Selbstbestimmung einen Bestandteil der Kollisionssituation dar. Streitet die Selbstbestimmung aller auf derselben Seite, entspricht dies der dargestellten ersten Kategorie bei Beteiligung nur eines Drittrechtsgutsinhabers. Sie wird lediglich um weitere, gleich strukturierte Elemente ergänzt. Illustriert am Beispiel der schadhaften Wasserleitung handelt es sich um eine derartige Konstellation, wenn Inventar und Türen des Hauseigentümers sowie zweier Mieter betroffen sind, wobei der Wille aller Beteiligten auf die Rettung des Inventars gerichtet ist. Die Selbstbestimmung sowie das Eigentum am Inventar eines jeden beteiligten Trägers befinden sich folglich entgegengesetzt zu deren Eigentum an den jeweiligen Türen. Sofern aber die Selbstbestimmung mindestens eines Trägers derjenigen des im Ausgangspunkt Binnenbetroffenen entgegensteht, liegt wie in der zuvor zweitgenannten Kategorie die charakteristische diametrale Positionierung jenes Rechtsguts vor. Zwar besteht ausschnittsweise immer auch eine Parallelität von Selbstbestimmung. Dies ändert jedoch nichts an dem bestehenden Widerstreit zwischen verschiedenen Rechtsgütern Selbstbestimmung, der die Konstellation als Ganzes prägt. Damit ist die gleiche Art der Einteilung wie im Zusammenhang mit nur einem Drittbeteiligten möglich und es bedarf keiner neuen Kategorienbildung. Ein solcher Fall ist etwa gegeben, wenn – in Abwandlung zu dem zuletzt dargestellten Beispiel – die Rettung des Inventars unter gleichzeitiger Beschädigung aller Türen nur dem Willen des Hauseigentümers und eines Mieters, nicht aber dem Willen des zweiten Mieters entspricht. Dessen Selbstbestimmung befindet sich also parallel zum Eigentum an den jeweiligen Türen, während in antagonistischer Position die Rechtsgüter Selbstbestimmung der Übrigen neben dem jeweiligen Eigentum am Inventar streiten. Zuletzt ist der Fall zu betrachten, dass mindestens eines der einander gegenüberstehenden Drittrechtsgüter dem Staat oder der Allgemeinheit zuzuordnen ist. Maßgebliches Kriterium für die Einordnung im Zusammenhang mit antagonistisch agierenden Drittrechtsgütern war bislang das Verhältnis der Selbstbestimmung des bzw. der Dritten zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Weder der Staat noch die Allgemeinheit können aber Träger des Rechtsguts Selbstbestimmung sein. Daher kann die betreffende Konstellation nicht unmodifiziert unter eine der entwickelten Kategorien gefasst werden. Bei einer genauen Analyse ergeben sich aber dennoch entscheidende Gemeinsamkeiten. Im Falle von Individualrechtsgütern erlangen die abstrakten Werte ihre konkrete Bedeutung für den Träger durch die Gestalt der darauf bezogenen Selbstbestimmung. Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit bergen dagegen ihre konkrete Bedeutung bereits in sich. Diese ist mangels Möglichkeit einer beliebigen Entscheidung immer

II. Differenzierte Betrachtung der Vergleichbarkeit

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auf Wahrung des Gutes gerichtet. Folglich sind derartige Rechtsgüter, auch wenn sie nicht in Beziehung zu einem Rechtsgut Selbstbestimmung stehen können, hinsichtlich ihrer Bedeutung in der Kollision gedanklich so zu behandeln, als ob sie parallel gelagert die Selbstbestimmung aufwiesen. Auf diese Weise lassen sich im Endeffekt die gleichen Grundsätze wie bei der Beteiligung entgegenstehender Individualrechtsgüter anwenden. Es entspricht demnach der erstgenannten Kategorie, wenn ein oder mehrere Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit auf der Seite hinzutreten, auf der sich alle beteiligten Rechtsgüter Selbstbestimmung befinden. Diese Konstellation ist etwa gegeben, wenn allein eine Beschädigung der Türen von Hauseigentümer und Mieter zur gewünschten Rettung ihres Inventars führt und gleichzeitig auch nur durch diesen Eingriff eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch das ansonsten austretende Wasser – etwa bei Gefahr von Blitzeis – verhindert werden kann. Agieren die Drittrechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit hingegen entgegengesetzt zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen, ist die Situation mit der zuvor zweitgenannten Positionierungsvariante vergleichbar. Ein Beispiel hierfür liegt vor, wenn die von beiden Berechtigten gewünschte Rettung ihres jeweiligen Inventars nicht nur eine Beschädigung der beiden Türen, sondern gleichzeitig eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert, etwa wenn der Wasserfluss nur bei einer Anfahrt unter Missachtung der Geschwindigkeitsgrenzen rechtzeitig gestoppt werden kann. Auch bei einem Widerstreit von Staatsrechtsgütern bzw. Rechtsgütern der Allgemeinheit steht zwingend mindestens eines davon der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen entgegen. Somit unterfällt diese Konstellation ebenfalls der zweiten Kategorie. Abgebildet wird ein solcher Fall unter Kombination der beiden vorgenannten Beispiele, wenn nämlich die Rettung des Inventars nur durch die Beschädigung der Türen bei einer rechtzeitigen Anfahrt unter Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs möglich ist und dies gleichzeitig auch die einzige Möglichkeit darstellt, um neben der Beschädigung des Inventars eine Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs durch das austretende Wasser zu verhindern. (3) Vergleichbarkeit innerhalb der entwickelten Untergruppen Wie gezeigt, richten sich die jeweiligen Kategorien nach dem Verhältnis der Drittrechtsgüter zum Rechtsgut Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Der entscheidende Bestandteil einer reinen Binnenkollision, die Selbstbestimmung, wird somit auch bei der partiellen Binnenkollision zum maßgeblichen Faktor. Ihr kommt zwar nicht dieselbe Wirkung hinsichtlich der Behandlung der gesamten Konstellation zu. Eine positionsbezogene Orientierung an der Selbstbestimmung berücksichtigt jedoch die in jeder partiellen Binnenkollision enthaltene Binnenstruktur und stellt somit eine angemessene Modifikation der binnenbetreffenden Bedeutsamkeit von Selbstbestimmung dar. Das Verhältnis zu jenem Rechtsgut ist dementsprechend innerhalb der einzelnen Kategorien als richtungsweisendes ge-

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

meinsames Grundelement anzusehen. Insofern liegen wesentlich gleich strukturierte Sachverhalte vor. Prinzipiell sind dabei auch keine sachlichen Gründe ersichtlich, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten.41 Die einzelnen Gruppen bedürfen folglich unter Berücksichtigung von Art. 3 GG in sich einer einheitlichen Rechtfertigung.42 Erwägenswert ist weitergehend, ob die Kategorien nicht nur in sich, sondern auch untereinander zumindest in Teilen als wesentlich gleich betrachtet werden können. Es ist nicht zu verkennen, dass in zwei Untergruppen eine Parallelität zwischen der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen sowie den einschlägigen Bezugselementen des Dritten gegeben ist. Die beiden anderen Gruppen zeichnen sich im Sinne eines gemeinsamen Merkmals durch eine antagonistische Positionierung der soeben genannten Güter aus. Um nicht mehr von vier, sondern lediglich von zwei verbleibenden Kategorien ausgehen zu können, müssten die angesprochenen Gemeinsamkeiten aber eine Gleichheit in wesentlichen Punkten begründen. Es dürften daher keine anderweitigen maßgeblichen Einflussfaktoren vorliegen. Ein solcher könnte jedoch hinsichtlich der potentiellen Beeinträchtigung der Drittrechtsgüter zu erkennen sein. Wenn alle Drittrechtsgüter einheitlich auf einer Seite beteiligt sind, kann die Kollision entweder zu deren Gunsten oder zu deren Lasten entschieden werden. Die Verletzung eines Drittrechtsguts ist somit keine zwingende Folge der Auflösung der Kollision. Im Gegensatz dazu wird bei entgegengesetzt beteiligten Rechtsgütern des Dritten immer eines in Mitleidenschaft gezogen, unabhängig davon, auf welche Weise man mit der Kollision umgeht. Daher kann eine wesentliche Gleichheit zwischen den jeweiligen in Rede stehenden Kategorien nicht festgestellt werden. Dennoch vermag sich die ähnliche Struktur unter Umständen in der Wahl des einschlägigen Rechtfertigungsgrundes widerzuspiegeln. Auch wenn Art. 3 GG insofern nicht zur Gleichbehandlung verpflichtet, ist eine solche prinzipiell trotzdem möglich.43 Auf die potentielle Gleichbehandlung der genannten Gruppen wird im Rahmen des Rechtfertigungsansatzes bei partieller Binnenkollision näher einzugehen sein.

III. Zusammenfassung zum Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes Die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtfertigung bei gleichgelagerten Sachverhalten wurzelt in den Grundsätzen der Dogmatik, deren Anliegen es ist, Rechtssicherheit in Gestalt von Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit zu ge41 Vgl. lediglich Fn. 7 Abschn. E. zu einer mit sachlichem Grund zulässigen ausnahmsweisen Abweichung von den allgemeingültigen Rechtfertigungsmöglichkeiten. 42 Siehe zu den Anforderungen an die Einheitlichkeit innerhalb der jeweiligen Kategorien partieller Binnenkollision die Ausführungen zu Anfang des Gliederungspunktes E. 43 Vgl. zu diesem Aspekt die Ausführungen in Fn. 10 Abschn. C.

III. Zusammenfassung

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währleisten. Materiell erfährt das betreffende Gleichbehandlungsgebot durch Art. 3 GG eine grundrechtliche Basis. Der allgemeine Gleichheitssatz ist hinsichtlich der Heranziehung unterschiedlicher Rechtfertigungsgründe prinzipiell anwendbar. Er verpflichtet jedoch nur dann zu einer gleichen Handhabung, wenn wesentlich gleiche Sachverhalte gegeben sind und keine Gründe existieren, die eine unterschiedliche Behandlung dennoch rechtfertigen könnten. Wesentliche Gleichheit ist anzunehmen, wenn mehrere Fallgestaltungen einen gemeinsamen prägenden Grundgedanken aufweisen. Bei jeder reinen Binnenkollision sind lediglich Rechtsgüter ein und derselben Person beteiligt. Aus diesem Grund darf auch allein deren Wille als Ausfluss des Rechtsguts Selbstbestimmung zur Geltung gebracht werden. Diese gemeinsame Leitlinie führt zur wesentlichen Gleichheit aller Konstellationen reiner Binnenkollision, sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne. In Hinblick auf jene Untergliederung lassen sich auch keine materiell bedeutsamen Gründe feststellen, die eine unterschiedliche Behandlung erlauben könnten. Konkret begründen insoweit weder die Intensität oder die Herkunft der Gefahr für das zu wahrende Rechtsgut noch das Gewicht des Rechtsguts Selbstbestimmung eine unterschiedliche Handhabung. Der Beteiligung des Rechtsguts Leben sind ebenfalls keine durchschlagenden Besonderheiten zu entnehmen, wenn man den Gedanken des § 216 StGB mangels Relevanz in Fällen reiner Binnenkollision ausklammert. Art. 3 GG verpflichtet folglich dazu, alle Fälle reiner Binnenkollision mit Hilfe desselben Rechtfertigungsgrundes zu lösen. Unter Berücksichtigung der Spezifika jener Konstellation muss dieser geeignet sein, den absoluten Vorrang der Selbstbestimmung zu gewährleisten. Bei der partiellen Binnenkollision ist durch die Betroffenheit mehrerer Rechtsgutsträger der schematische Vorrang des Willens einer Person nicht begründbar. Der Grundgedanke der reinen Binnenkollision kann somit nicht auf die partielle Binnenkollision in ihrer Gesamtheit übertragen werden. Auf diese Weise wird eine wesentliche Gleichheit der beiden Gruppen und mithin eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ausgeschlossen. Innerhalb der partiellen Binnenkollision als solcher ist ebenfalls keine umfassende Homogenität hinsichtlich der Bedeutung der beteiligten Rechtsgüter feststellbar. Insofern verbietet sich auch in diesem Bereich die Annahme einer wesentlichen Gleichheit. Man kann die partielle Binnenkollision allerdings weiter nach der Positionierung der beteiligten Drittrechtsgüter im Verhältnis zur Selbstbestimmung des binnenbetroffenen Trägers untergliedern. Die erste mögliche Positionierung beinhaltet die Beteiligung aller Drittrechtsgüter parallel zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Umgekehrt können im Sinne einer zweiten Kategorie sämtliche Drittrechtsgüter auch auf der entgegengesetzten Seite zur maßgeblichen Selbstbestimmung agieren. Beide Varianten sind sowohl unter Beteiligung nur eines als auch mehrerer, parallel liegender Drittrechtsgüter denkbar,

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C. Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

wobei die drittbezogenen Elemente als Individualrechtsgüter sowie als Rechtsgüter des Staates und der Allgemeinheit auftreten können. Die Konstellation, dass nur ein einziges Drittrechtsgut hinzutritt, ist allerdings nur bei Rechtsgütern des Staates oder der Allgemeinheit denkbar. Dies resultiert aus dem notwendigen Zusammenhang eines jeden Individualrechtsguts mit dem Rechtsgut Selbstbestimmung. In den Fällen, in denen mehrere Drittrechtsgüter nicht einheitlich auf einer Kollisionsseite streiten, konkretisiert sich das für die Einordnung ausschlaggebende Verhältnis auf die Beziehung zwischen der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen sowie der Selbstbestimmung des bzw. der Dritten. Dabei können zum einen alle an der Kollision beteiligten Rechtsgüter Selbstbestimmung auf derselben Seite positioniert sein. Die andere Alternative beinhaltet, dass der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen mindestens eines der übrigen Rechtsgüter Selbstbestimmung entgegengesetzt ist. Direkt gelten die Ausführungen zu den beiden letztgenannten Kategorien nur für Individualrechtsgüter eines oder mehrerer Träger. Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit können nicht mit einem Rechtsgut Selbstbestimmung verknüpft sein, wodurch die unmittelbare Übertragung der verhältnisbezogenen Kriterien ausscheidet. Die betreffenden Güter sind jedoch aufgrund ihres konkreten Gehalts so zu behandeln, als wiesen sie parallel das Rechtsgut Selbstbestimmung auf. Dementsprechend hat die Kategorisierung bei Beteiligung von Rechtsgütern des Staates sowie der Allgemeinheit ebenfalls anhand der entwickelten Maßstäbe zu erfolgen. Alle Kategorien partieller Binnenkollision beinhalten angesichts der gleich gelagerten Positionierung der Drittrechtsgüter im Verhältnis zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen in sich jeweils eine einheitliche Grundstruktur. Insoweit sind sie als wesentlich gleich zu erachten. Relevante Anknüpfungspunkte, die eine Ungleichbehandlung trotzdem rechtfertigen könnten, lassen sich nicht feststellen. Folglich verpflichtet Art. 3 GG dazu, im jeweiligen Zusammenhang die gleiche Handhabung in Hinblick auf die Rechtfertigung vorzunehmen.

D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision Eine einheitliche Rechtfertigung in allen Fällen reiner Binnenkollision hat sich als dogmatisch und verfassungsrechtlich begründete Notwendigkeit herausgestellt. Im Folgenden soll diesem Erfordernis in konkreter Gestalt auf der Deliktsebene strafrechtlicher Rechtfertigung begegnet werden. Es gilt, einen Rechtfertigungsansatz zu finden, der alle relevanten Fälle erfassen und gleichzeitig die herausgearbeiteten Grundsätze reiner Binnenkollision berücksichtigen kann. Dabei kommt es allein auf die generelle Möglichkeit einer sachgerechten Handhabung durch jenen Ansatz an. Ob die einzelnen Rechtfertigungsvoraussetzungen im konkreten Fall eingehalten werden oder nicht und damit unter Umständen eine rechtfertigende Wirkung trotz prinzipieller Kongruenz verhindert würde, spielt keine Rolle. Schwerpunktmäßig werden insoweit § 34 StGB sowie die Einwilligungsregeln1 jeweils als potentielle Lösungsansätze2 zu erörtern sein. Auf diese Weise erfolgt in sachlicher Hinsicht eine Auseinandersetzung mit dem gängigen Vorgehen, im Kontext der reinen Binnenkollision auf beide genannten Möglichkeiten zurückzugreifen. Darüber hinaus ist auch die Geschäftsführung ohne Auftrag eingehend zu behandeln. Weitere mögliche Rechtfertigungsgründe werden am Rande ebenfalls erwähnt werden.3 Zur Klarstellung ist vorab eine Präzisierung des Gegenstands der zu untersuchenden Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision vorzunehmen. Rechtfertigungsgegenstand kann zum einen nur eine tatbestandlich erfasste Rechtsgutsverletzung4 1 Wie bereits angesprochen, sind hiervon konkret die Einwilligung sowie die mutmaßliche Einwilligung erfasst. Die hypothetische Einwilligung hingegen ist bereits als solche nicht als Rechtfertigungsgrund anzuerkennen – vgl. zur Begründung die Angaben in Fn. 537 Abschn. D. – und unterfällt somit richtigerweise nicht dem Bereich der Einwilligungsregeln. Mangels Rechtfertigungswirkung ist die hypothetische Einwilligung aber freilich ohnehin von vornherein im Kontext der Rechtfertigung von Fällen reiner Binnenkollision ohne Bedeutung. 2 Siehe zur Einordnung von Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung als einheitlicher Ansatz unter dem Oberbegriff der Einwilligungsregeln ausführlich die Erörterungen unter D. II. 3. a). 3 In Hinblick auf sämtliche vorzustellenden Rechtfertigungsansätze gilt dabei für die folgende Untersuchung sowie auch für die daran anschließenden Gliederungspunkte, dass die wesentlichen Erörterungen auf irrtumsfreie Konstellationen beschränkt bleiben sollen. Ein Rekurs auf irrtumsbezogene Aspekte wird lediglich dann erfolgen, wenn es für die konkret in Rede stehende Argumentation unerlässlich ist. 4 Möglicher Rechtfertigungsgegenstand ist ferner die reine Gefährdung eines Rechtsgutes, sofern diese ebenfalls durch einen Straftatbestand erfasst wird; vgl. zur Bedeu-

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

sein. Da, wie bereits gezeigt, die Selbstbestimmung als solche nicht von einem strafrechtlichen Tatbestand geschützt wird, scheidet eine Verletzung derselbigen als zu rechtfertigender Eingriff von vornherein aus. Die Legitimierung eines derartigen Vorgehens wäre aber im Übrigen ohnehin angesichts der umfassend geltenden Beschränkung auf willensgemäße Verletzungen5 bei reiner Binnenkollision sachlich nicht haltbar. In Hinblick auf willenskongruente Verletzungen sonstiger Rechtsgüter wird es sich gemeinhin um Verletzungen durch aktives Tun handeln, deren Rechtfertigung zu begründen ist. Es kann jedoch im betreffenden Kontext auch zu legitimierungswürdigen Rechtsgutsverletzungen kommen, deren Strafbarkeit allein auf ein Unterlassen zurückzuführen wäre. Man stelle sich etwa im Falle der schadhaften Wasserleitung die Variante vor, dass der Hauseigentümer die Zerstörung seines Inventars hinnehmen möchte, um die von ihm sehr geschätzte Tür nicht für eine Rettung opfern zu müssen. Hält sich ein Garant an diesen Wunsch des Eigentümers und verzichtet auf die Zerstörung der Tür, so muss man sich mit der Legitimierung der Rechtsgutsverletzung am Inventar nach §§ 303, 13 StGB auseinandersetzen. Bei genauer Betrachtung kommt man jedoch in einer derartigen Konstellation bereits mangels Tatbestandersfüllung nicht zur Frage der Rechtfertigung des entsprechenden Unterlassens. Denn richtigerweise kann die Annahme einer Garantenstellung als tatbestandliche Voraussetzung für eine Handlungspflicht und damit für eine Strafbarkeit nach einem unechten Unterlassungsdelikt nur in Einklang mit dem Willen des Rechtsgutsinhabers erfolgen.6 Jenes letztgenannte Erfordernis muss gleichermaßen auch für die tatbestandliche Begründung sonstiger Handlungspflichten gelten.7 Im Kontext der reinen Binnenkollision ist es nun aber, wie schon mehrfach betont, gerade die charakteristische und unumstößliche Ausgangsprämisse, dass sämtliche erlaubten Rechtsgutsverletzungen zwingend von der Selbstbestimmung gedeckt sind. Immer wenn also ein Unterlassen als berechtigterweise zu legitimierender Vorgang bei reiner Binnenkollision im Raume steht, ist der Wille des Binnen-

tung der Rechtfertigung von reinen Gefährdungen auch die Ausführungen in Fn. 94 Abschn. F. Im Zusammenhang mit der Darstellung eines Rechtfertigungsgegenstandes wird im Folgenden der Einfachheit halber häufig nur von „Verletzung“ gesprochen werden. Die ebenfalls berührte Gefährdungsdimension ist aber insoweit stets gedanklich als potentieller Rechtfertigungsinhalt einzubeziehen. 5 Vgl. zur Legitimierung eines Sonderfalles in jenem Kontext die Ausführungen unter D. II. 2. b) bb) (2), speziell auch Fn. 491 Abschn. D. zur diesbezüglichen Modifizierung hinsichtlich des potentiellen Rechtfertigungsgegenstandes. 6 Vgl. dazu Hillenkamp, in: FS Küper, S. 123, 133 f. Siehe ferner auch Lilie, NStZ 1983, 314, 315, wenngleich dort von einer Begrenzung der Garantenpflicht gesprochen wird. Allerdings erfolgt im Schrifttum nicht immer eine genaue Differenzierung zwischen Garantenstellung und Garantenpflicht; siehe insoweit etwa die Ausführungen von Stree/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 13 Rn. 8. 7 Vgl. etwa zu einer Abhängigkeit der Hilfeleistungspflicht aus § 323c StGB von dem Willen des Betroffenen Sternberg-Lieben/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 323c Rn. 24.

I. § 34 StGB

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betroffenen naturgemäß gerade gegen die Vornahme einer entsprechenden Rettungshandlung gerichtet. Auf diese Weise entfällt insoweit stets bereits der Tatbestand, sodass kein Raum für eine potentielle Rechtfertigung des Unterlassens verbleibt. Im Ergebnis ist mithin festzuhalten, dass Gegenstand einer technisch gesehenen Rechtfertigung im Kontext der reinen Binnenkollision nur die willensgemäße Verletzung eines tatbestandlich geschützten Rechtsguts durch aktives Tun sein kann. Hierauf wird sich auch die folgende Untersuchung beziehen.

I. § 34 StGB als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision 1. Eignung des § 34 StGB als allgemeingültiger Lösungsansatz Im Rahmen der Untersuchung des § 34 StGB als einheitlicher Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision soll zunächst der Aspekt der Allgemeingültigkeit näher betrachtet werden. Wesenselement eines allgemeingültigen Lösungsansatzes für eine bestimmte Konstellation ist, dass dieser in jeder entsprechenden Situation Anwendung finden kann. Allem voran ist daher zu ermitteln, ob § 34 StGB möglicherweise in gewissen Fällen reiner Binnenkollision von vornherein nicht zu greifen vermag, was die Eignung als allgemeingültiger Ansatz ausschließen würde. Hierbei wird lediglich auf Gründe einzugehen sein, die nicht die Spezifika der reinen Binnenkollision als gesamte Gruppierung betreffen,8 sondern sich nur auf ausgewählte Konstellationen reiner Binnenkollision und mithin entscheidend auf den Aspekt der Allgemeingültigkeit beziehen. a) Das Gefahrerfordernis des § 34 StGB als potentieller Hinderungsgrund § 34 StGB erfordert dem Wortlaut nach in allen Fällen eine gegenwärtige Gefahr für das Erhaltungsgut.9 Fraglich ist dabei, ob jede reine Binnenkollision eine solche Gefahr beinhaltet.10 Wenn dem nicht so wäre, könnte § 34 StGB bereits ungeachtet sonstiger potentieller Hindernisse nicht alle Fälle reiner Binnenkollision erfassen. Nach herkömmlicher Ansicht ist eine für § 34 StGB maßgebliche Gefahr als Zustand zu beschreiben, in welchem der Eintritt eines Schadens für das betreffende Gut nach den konkreten Umständen nahe liegt.11 Bei einer reinen Binnenkollision im engeren Sinne besteht gemeinhin eine Gefahr für das zu rettende 8

Vgl. zu jenen Aspekten die Erörterungen unter D. I. 2. Vgl. zur Anerkennung der Begriffe „Erhaltungs-“ und „Eingriffsgut“ als etablierte Rechtsbegriffe Ingelfinger, S. 249 Fn. 39 m.w. N. 10 Ablehnend Mitsch, S. 415. Vgl. zu der betreffenden Frage auch Fisch, S. 110. 11 Lackner/Kühl, StGB, § 34 Rn. 2. Vgl. zum Gefahrbegriff des § 34 StGB auch Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 12. 9

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abstrakte Rechtsgut, die den Voraussetzungen des § 34 StGB entspricht. Beispiele sind etwa die schon mehrfach erwähnten Fälle der schadhaften Wasserleitung oder des brennenden Gebäudes, aus dem ein Kind in riskanter Weise gerettet werden muss. Da sich die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtfertigung aber sowohl auf Binnenkollisionen im engeren als auch im weiteren Sinne bezieht, muss eine Kongruenz mit dem Gefahrerfordernis auch bei letztgenannten bestehen. In dieser Hinsicht erweist sich die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 34 StGB allerdings als schwieriger. Die Option des potentiellen Täters, sich dem Wunsch des Rechtsgutsinhabers zu widersetzen, schafft zwar eine Bedrohung für das Erhaltungsgut Selbstbestimmung.12 Für das Vorliegen einer Gefahr nach § 34 StGB ist es auch nicht hinderlich, dass die Bedrohung vorliegend vom Täter ausgeht. Denn auch die Verursachung der konfliktträchtigen Situation durch den Notstandstäter schließt eine Rechtfertigung über § 34 StGB nicht aus,13 weswegen denklogisch eine Gefahr als Voraussetzung jener Rechtfertigung nicht abgelehnt werden kann. Problematisch erscheint jedoch das Merkmal, dass der Schadenseintritt naheliegen muss. Die vertretenen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit divergieren dabei im Einzelnen.14 Generell ist jedoch zu bedenken, dass der Täter bei einer reinen Binnenkollision im weiteren Sinne dem Rechtsgutsinhaber regelmäßig einen Gefallen tun möchte. Zudem vermag die Handlung nicht selten sogar einen eigenen Vorteil für den Täter mit sich zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der entsprechende Rechtsgutseingriff unterbleiben und es zu einer Verletzung der Selbstbestimmung des Gutsinhabers kommen wird, fällt daher eher gering aus. Mithin ergeben sich insoweit unabhängig von der konkret verlangten Schadenswahrscheinlichkeit Konflikte mit dem Gefahrbegriff des § 34 StGB nach dessen herkömmlicher Interpretation. Darüber hinaus ist die strukturelle Bedeutung der Gefahr bei einer typischen Rechtfertigungslage nach § 34 StGB im Vergleich zu einer reinen Binnenkollision im weiteren Sinne zu betrachten. Der Anwendung des rechtfertigenden Notstandes liegt regelmäßig die Konstellation zu Grunde, dass eine Gefahr für das Erhaltungsgut bereits besteht. § 34 StGB leitet aus dieser eine Handlungsoption für den Täter her. Konkret ermöglicht die Gefahr unter Hinzutreten weiterer Umstände das Eingreifen. Bei der reinen Binnenkollision im weiteren Sinne eröffnet die Gefahr hingegen keine primäre Handlungsoption, sondern entsteht gerade erst aus einer solchen. Auch hinsichtlich der Beziehung zwischen Gefahr und Handlungsoption bestehen folglich bedeutsame Unterschiede. Eine potentielle Lösung der reinen Binnenkollision im weiteren Sinne über den rechtfertigenden Notstand entspricht nach alldem nicht dem herkömmlichen 12

Vgl. dazu die Ausführungen unter B. IV. 3. c); C. II. 1. b) aa). Momsen, in: BeckOK-StGB, § 34 Rn. 13. 14 Siehe ausführlich zu verschiedenen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit Kühl, AT, § 8 Rn. 38 ff. 13

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Verständnis der zugrunde liegenden Norm. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der allgemeinen Ansicht, die in jenen Fällen auf die Einwilligungsregeln abstellt. Wenn der hilfsbereite Nachbar auf Wunsch des Eigentümers dessen Baum zersägt, da dieser zu viel Schatten auf die Sonnenterasse wirft, ist § 34 StGB in der Tat nicht der naheliegendste Ansatz. Der reinen Gesetzeslektüre nach ist er aber auch nicht per se ausgeschlossen. Die für § 34 StGB erforderliche Gefahr wird im Gesetz nicht konkret definiert. Jenes Merkmal ist somit Auslegungen zugänglich, die, wie schon angesprochen, gerade hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts auch vielfach in unterschiedlicher Weise bestehen. Die eingangs dargestellte Definition von Gefahr muss somit nicht zwingend herangezogen werden. Unter Berücksichtigung der spezifischen Sachlage bei reiner Binnenkollision, insbesondere der Bedeutung der Selbstbestimmung und der damit zusammenhängenden umfassenden Dispositionsbefugnis des Gutsinhabers, erscheint es als vertretbare Möglichkeit, den Gefahrbegriff weiter auszulegen. Die Frage, wann und wodurch eine Gefahr bestehen muss, ist in § 34 StGB ebenfalls nicht niedergelegt. In Hinblick auf die Vorgaben der Norm lässt sich folglich keine Beschränkung auf eine bestimmte Beziehung zwischen Gefahr und Handlungsoption feststellen. Zusammenfassend ist es daher denkbar, § 34 StGB nicht nur auf Fälle reiner Binnenkollision im engeren Sinne, sondern bei extensiver Auslegung auch auf die reine Binnenkollision im weiteren Sinne anzuwenden.15 Zugegebenermaßen wirkt die Begründung für letzteres recht konstruiert. Dies hindert aber nicht daran, § 34 StGB als allgemeingültigen Ansatz prinzipiell in Betracht zu ziehen. b) Konflikte der Anwendung bei Lebensbetroffenheit als potentieller Hinderungsgrund Wie im Rahmen der Frage nach der Notwendigkeit einer einheitlichen Handhabung angeführt,16 können auch Fälle, die mit einer Verletzung oder Gefährdung des Lebens verbunden sind, eine reine Binnenkollision darstellen. § 34 StGB muss daher auch auf derartige Fälle anwendbar sein, um als einheitlicher Rechtfertigungsgrund fungieren zu können. Gegen die Einschlägigkeit des § 34 StGB im betreffenden Zusammenhang wird zum einen vorgebracht, dass es bei einer Verletzung des Lebens keinen Träger des zu rettenden Gutes mehr gäbe. Die Anwendbarkeit des § 34 StGB scheitere in der Konsequenz an der Existenz eines Erhaltungsgutes.17 Bereits im Rahmen der Erörterungen zum Kollisionsbegriff erfolgte eine eingehende Aus15 Auch das Merkmal der Erforderlichkeit sowie das Vorliegen eines subjektiven Rechtfertigungselements ließen sich unter Berücksichtigung der speziellen Umstände bejahen. 16 Siehe die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb). 17 Siehe zu diesem Argument die Literaturangaben in Fn. 147 Abschn. B.

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einandersetzung mit jener Argumentation.18 Hierbei zeigte sich die Maßgeblichkeit des Rechtsguts in seiner konkreten Ausprägung für die Bewertung der Kollisionssituation. Bei einer Verletzung des Lebens besteht das zu wahrende Gut in Gestalt der Abwesenheit von der konkret drohenden Folge zumindest für eine juristische Sekunde fort. Unter Berücksichtigung dieses Aspekts mangelt es bei Lebensbetroffenheit nicht an der Existenz eines tauglichen Erhaltungsguts. Die Anwendbarkeit des § 34 StGB bei Lebensverletzung kann folglich nicht aus dem genannten Grunde abgelehnt werden. Wenn § 34 StGB zur Rechtfertigung von Lebensverletzungen oder Gefährdungen bei reiner Binnenkollision führen können soll, ist das Leben als – im Ergebnis nachrangiger – Faktor in die Abwägung einzustellen. Dabei ergibt sich gegebenenfalls ein Konflikt mit dem Grundsatz der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens.19 Gesetzlicher Anknüpfungspunkt hierfür ist das Erfordernis des wesentlichen Überwiegens. Diesbezüglich ist zum einen problematisch, dass das Leben als Höchstwert unter den Rechtsgütern angesehen wird. Infolgedessen gestaltet es sich schwierig, ein Gut auszumachen, das das Leben wesentlich überwiegen kann.20 Des Weiteren ist das Leben nach herkömmlicher Ansicht jeder qualitativen und quantitativen Abwägung entzogen.21 Auf diese Weise wird eine Abwägung als methodische Herangehensweise von vornherein verhindert, wodurch auch der Aspekt des wesentlichen Überwiegens seine notwendige Grundlage verliert. Das Verbot der Abwägung menschlichen Lebens scheint im Zusammenhang mit § 34 StGB allerdings an einigen Stellen Durchbrechungen zu erfahren. Gerade im Defensivnotstand werden häufig Abwägungen trotz Lebensbezugs zugelassen.22 Liegt eine sogenannte Gefahrengemeinschaft vor, steht ebenfalls eine Durchbrechung des betreffenden Prinzips zur Diskussion.23 Bei genauer Betrachtung jener Fälle ergibt sich aber, dass hierbei keine unterschiedliche Einordnung hinsichtlich der Werthaltigkeit des Lebens24 vorgenommen wird. Vielmehr machen sonstige Aspekte, die Einfluss auf die Abwägungssituation als Ganzes nehmen können, z. B. der Grad der drohenden Gefahren, spezielle Gefahrtragungspflichten sowie ein Handeln auf der Seite des Unrechts, die Legitimation des Eingriffs aus.25 Beschränkt man das Abwägungsverbot auf die Betrachtung des 18

Unter B. IV. 3. d). Die Charakterisierung als Grundsatz lässt sich etwa Roxin, AT I, § 16 Rn. 35 entnehmen. Vgl. zu dem betreffenden Topos ausführlich Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 116. 20 Vgl. Merkel, S. 156. 21 Kühl, AT, § 8 Rn. 114; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 74; Kühl, Jura 2009, 881, 882. 22 Vgl. Kühl, AT, § 8 Rn. 141; Kühl, Jura 2009, 881, 882; Ladiges, JuS 2011, 879, 880; dagegen aber Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 9 Rn. 465. 23 Vgl. dazu ausführlich Roxin, AT I, § 16 Rn. 35 f. 24 Die nach Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 117 schlechthin verboten ist. 25 Vgl. Roxin, AT I, § 16 Rn. 42. 19

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Lebens an sich und sieht es nicht bei jeglicher Beteiligung von Leben in der Kollisionssituation als aktiviert an, so handelt es sich folglich in den dargestellten Konstellationen nicht um Durchbrechungen des in Rede stehenden Prinzips. Man kann somit den Grundsatz der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens nicht als ohnehin durchbrochen ansehen. Er bleibt daher ein potentielles Hindernis für die Anwendbarkeit des § 34 StGB in Fällen reiner Binnenkollision mit Lebensbezug. Ist allein die Sphäre eines einzigen Rechtsgutsgutsträgers betroffen, muss die Kollision auch bei Beteiligung des Lebens ausschließlich entsprechend dem Willen des Gutsinhabers beurteilt werden. Darüber hinausgehende Umstände können nicht relevant werden. Folglich ist bei einer reinen Binnenkollision die subjektiv empfundene Werthaltigkeit des Lebens entscheidend für den Ausgang der Abwägung.26 Damit wird der Grundsatz der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens in seinem Anwendungsbereich aktiviert. Infolgedessen pauschal einen Verstoß gegen den maßgeblichen Grundsatz zu postulieren, ginge allerdings zu weit. Berücksichtigt werden muss auch, was materiell hinter diesem steckt. Das Abwägungsverbot lässt sich mit der Einzigartigkeit des Lebens jeder einzelnen Person begründen.27 Diese Einzigartigkeit nimmt durch Entscheidungen des Trägers eine jeweilige konkrete Gestalt an. Handelt man folglich im Einklang mit einer Entscheidung des Betroffenen, trägt man der Besonderheit Rechnung, dass jeder sein Leben selbst zu dem macht, was es einzigartig sein lässt.28 In Fällen reiner Binnenkollision gibt es mithin ein sachliches Argument dafür, keine Verletzung des Grundsatzes der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens anzunehmen.29 Zusammenfassend verschließt sich der rechtfertigende Notstand nicht von vornherein jeglicher Rechtfertigung von Lebensverletzungen oder -gefährdungen. Er kann somit zumindest unter diesem Gesichtspunkt auch in Fällen reiner Binnenkollision mit Lebensbezug Anwendung finden. § 34 StGB scheidet demnach nicht mangels Anwendbarkeit bei Lebensbetroffenheit als einheitlicher Lösungsansatz aus. 26 Für das Vorliegen einer qualitativen und quantitativen Abwägung des Lebens in diesem Zusammenhang Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 111, 113; allerdings konkret nur zum Spezialfall der indirekten Sterbehilfe. 27 Ähnlich die Ausführungen bei Lenckner, S. 30. Siehe zum betreffenden Topos auch Kühl, AT, § 8 Rn. 154. 28 Den Grundsatz, dass jedem Leben aufgrund seiner Besonderheit der gleiche Wichtigkeitsgehalt zukommt, missachtet man nur, wenn man der konkreten Gestalt eines Lebens im Vergleich zum Leben anderer einen minderen Gehalt zumisst. Vgl. in diesem Sinne auch Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 310. 29 Vgl. hierzu auch Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 113. Das vorliegend entwickelte Ergebnis konkretisiert die bereits im Rahmen der Frage nach der Möglichkeit einer unterschiedlichen Rechtfertigung getroffene Feststellung, dass das Verbot der Qualifizierung und Quantifizierung menschlichen Lebens bei reiner Binnenkollision nicht greifen kann; siehe Gliederungspunkt C. II. 1. b) bb), S. 79.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

c) Konkurrenzrechtlicher Ausschluss des § 34 StGB als potentieller Hinderungsgrund Zuletzt ist hinsichtlich der Allgemeingültigkeit auf einen Aspekt einzugehen, der nicht die Voraussetzungen bzw. den materiellen Inhalt des § 34 StGB, sondern dessen Verhältnis zu anderen Normen betrifft. Herkömmlicherweise werden die unproblematischen Fälle reiner Binnenkollision, wie in der Einleitung bereits aufgezeigt, mithilfe der Einwilligungsregeln gelöst. Unterstellt, dies habe seine sachliche Richtigkeit, könnten sich hieraus unter Berücksichtigung konkurrenzrechtlicher Grundsätze Schlüsse auf die Tauglichkeit des § 34 StGB als allgemeingültige Norm ziehen lassen. Sollte nämlich ein potentielles Konkurrenzverhältnis die Anwendbarkeit des § 34 StGB bei Einschlägigkeit der Einwilligungsregeln ausschließen, müsste erstgenannter als einheitlicher Rechtfertigungsgrund ausscheiden. Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen als abstrakte Frage war und ist vielfach Gegenstand juristischer Diskussion.30 Diese soll vorliegend nicht im Detail aufgefächert werden. Es genügt ein Überblick über die möglichen konkurrenzrechtlichen Beziehungen zwischen § 34 StGB sowie den Einwilligungsregeln.31 Als erste Option kommt eine unbegrenzte Anwendbarkeit nebeneinander in Betracht.32 Mit diesem Verständnis wäre § 34 StGB – sachliche Kongruenz vorausgesetzt – auch in den unproblematischen Fällen reiner Binnenkollision anwendbar. Fraglich erscheint allerdings, ob man bei zwei nebeneinander anwendbaren Ansätzen den einen oder den anderen als einheitlichen Rechtfertigungsansatz ansehen kann. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtfertigung dient, wie gesehen, materiell dem Prinzip der Rechtssicherheit. Wenn neben einem Rechtfertigungsgrund nun wahlweise ein anderer zur Anwendung kommt, mangelt es an Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit als Wesensmerkmale der Rechtssicherheit. Eine uneingeschränkte Anwendung der beiden Rechtfertigungsansätze nebeneinander würde somit zwar nicht die Allgemeingültigkeit des § 34 StGB verhindern, widerspräche aber dem geforderten Charakter des § 34 StGB als einheitlichem Rechtfertigungsgrund.33 Die identische Problematik stellt sich,

30 Siehe etwa Warda, in: FS Maurach, S. 143 ff.; Thiel, 2000; vgl. auch Schlehofer, in: MK-StGB, Vor § 32 Rn. 219 ff. 31 Hierfür ist auf die Darstellung von Seelmann, S. 22 f. m.w. N. zurückzugreifen. Diese bezieht sich zwar ganz allgemein auf das Verhältnis von § 34 StGB zu sonstigen Rechtfertigungsgründen. Die Ausführungen lassen sich jedoch auch für die konkrete Beziehung zwischen § 34 StGB und den Einwilligungsregeln fruchtbar machen. Konkret jenes Verhältnis betreffende Aussagen finden sich bei Seelmann, S. 69 ff. 32 Seelmann, S. 22 führt dies wertungsneutral als eine Möglichkeit auf. Warda, in: FS Maurach, S. 143, 170 bezeichnet jenes Verhältnis – unter gleichzeitigem Verweis auf entsprechende Ausnahmen – als Grundsatz. Vgl. hierzu auch Schmitz, S. 98 f., 108. 33 Verstünde man „einheitlich“ hingegen ohne Rückgriff auf dahinterstehende materielle Erwägungen ganz formal als „in allen Fällen gleich“, könnte man dies unter Ver-

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wenn man im Sinne einer zweiten Option § 34 StGB im Lichte des betroffenen spezielleren Rechtfertigungsansatzes, vorliegend der Einwilligungsregeln, auslegt.34 Erachtet man in der Folge beide Ansätze für nebeneinander anwendbar, könnte ebenfalls kein Ausschluss des § 34 StGB aus Gründen der Allgemeingültigkeit angenommen werden. Gleichzeitig müsste es sich aber auch hierbei mangels Eindeutigkeit verbieten, von § 34 StGB als einheitlichem Rechtfertigungsgrund auszugehen. In Bezug auf § 34 StGB und die Einwilligungsregeln wird eine parallele Anwendbarkeit – sei es in Gestalt der erst- oder der zweitgenannten Herangehensweise – jedoch herkömmlicherweise nicht vertreten. Vielmehr dominiert die Einordnung im Sinne eines Vorrangverhältnisses zugunsten der Einwilligungsregeln. Dieses kann in zweierlei Hinsicht ausgestaltet sein. Zum einen ist es möglich, die Einwilligungsregeln insoweit als spezieller anzusehen, als sie in ihrem gesamten grundsätzlichen Anwendungsbereich Sperrwirkung gegenüber § 34 StGB entfalten. Danach kann sowohl bei Erfüllung als auch bei Nichterfüllung der erforderlichen Merkmale für eine Rechtfertigung durch die Einwilligungsregeln nicht auf § 34 StGB zurückgegriffen werden.35 Der rechtfertigende Notstand käme folglich bei reiner Binnenkollision aufgrund der dortigen einwilligungstypischen Maßgeblichkeit von Selbstbestimmung generell nicht als Rechtfertigungsgrund in Betracht. Damit würde sich logischerweise auch die Eignung als insofern allgemeingültiger Rechtfertigungsansatz erübrigen. Die zweite denkbare Ausgestaltung des Vorrangverhältnisses beschränkt dieses auf die Erfüllung der Einwilligungsvoraussetzungen. Nur dann soll ein Rückgriff auf § 34 StGB ausgeschlossen sein. Liegen hingegen die Voraussetzungen der Einwilligung bzw. mutmaßlichen Einwilligung nicht vor, kann § 34 StGB nach jener Auffassung herangezogen werden.36 Mit einem derart gefassten Vorrangverhältnis würde der rechtfertigende Notstand zwar nicht prinzipiell in Fällen reiner Binnenkollision ausscheiden. Er müsste jedoch bei Erfüllung der Einwilligungsvoraussetzungen, sprich jedenfalls in den unproblematischen Konstellationen reiner Binnenkollision, zurücktreten. Dies würde eine Tauglichkeit als einheitlicher Rechtfertigungsgrund im einschlägigen Kontext ebenfalls verhindern. Ein Streitentscheid zwischen den verschiedenen Arten des Vorrangverhältnisses ist

weis auf die jeweils gleich bestehende Heranziehungsmöglichkeit des rechtfertigenden Notstandes bejahen. Auf diese Weise käme § 34 StGB insoweit als einheitlicher Rechtfertigungsgrund in Betracht. 34 Vgl. zu diesem möglichen Verhältnis Seelmann, S. 23. Siehe auch Lenckner, S. 153, allerdings speziell in Bezug auf § 34 StGB und die zivilrechtlichen Notstandsvorschriften. 35 Vgl. zu diesem Ansatz die Darstellung bei Seelmann, S. 22. Schmitz, S. 109, 181 bezeichnet das betreffende Verhältnis als materielle Subsidiarität; Warda, in: FS Maurach, S. 143, 166 hingegen als Spezialität im funktionalen Sinne. Vgl. zu Wardas Verständnis von Subsidiarität die Ausführungen im genannten Festschriftbeitrag auf S. 167 ff. 36 Vgl. zu dieser Art von Verhältnis die Darstellung bei Seelmann, S. 23.

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mithin für die in Rede stehende Frage nach der Allgemeingültigkeit der Norm nicht erforderlich.37 In der Gesamtschau führen alle dargestellten möglichen Konkurrenzverhältnisse dazu, entweder die Allgemeingültigkeit oder zumindest die Einheitlichkeit38 des § 34 StGB als Lösungsansatz zu verneinen. Dies erscheint jedoch nur auf den ersten Blick ein taugliches Argument im Zusammenhang mit der vorliegenden Diskussion. Die aktuell relevante Fragestellung lautet, ob sich aus konkurrenzrechtlichen Gründen an dieser Stelle ein unumstößliches Hindernis für die Anwendung des § 34 StGB als einheitlicher Lösungsansatz in allen Fällen reiner Binnenkollision ergibt. Deren Beantwortung setzt dabei in logischer Hinsicht voraus, dass die Konkurrenzebene überhaupt einschlägig ist. Die Konkurrenz zwischen verschiedenen Rechtfertigungsansätzen spielt jedoch nur bei isoliert betrachteter Anwendbarkeit aller betreffenden Rechtfertigungsgründe auf die maßgeblichen Sachverhalte eine Rolle.39 Wenn es also schon an einer Kongruenz mit den Voraussetzungen des jeweiligen Rechtfertigungsgrundes, etwa aus Gründen der Auslegung, mangelt, kommt man gar nicht zur Frage nach der Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen.40 Freilich würde bei einer unterstellten Kongruenz von § 34 StGB sowie den Einwilligungsregeln mit Fällen reiner Binnenkollision der rechtfertigende Notstand nach den erfolgten Ausführungen als tauglicher Ansatz ausscheiden. Eine dogmatisch und logisch korrekte Vorgehensweise erfordert aber, zunächst genau zu untersuchen, ob sowohl die Einwilligungsregeln als auch § 34 StGB als solche bei reiner Binnenkollision wirklich anwendbar sind. Folglich kann die abstrakt dargestellte konkurrenzrechtliche Argumentation vor der Überprüfung der sachlichen Kongruenz kein valides Argument gegen § 34 StGB liefern. 2. Kongruenz des § 34 StGB mit der reinen Binnenkollision Jene sachliche Kongruenz zwischen § 34 StGB und der reinen Binnenkollision als solcher stellt den Gegenstand der folgenden Erörterungen dar. 37 In der Literatur lässt sich häufig nicht eindeutig festmachen, welcher Art des Vorrangverhältnisses die Autoren anhängen. In vielen Fällen sind die Formulierungen vage gefasst. So findet sich z. B. von Kindhäuser, LPK-StGB, § 34 Rn. 14 die Aussage, § 34 StGB trete als allgemeine Regelung hinter spezielleren Möglichkeiten der Konfliktlösung, wie etwa der mutmaßlichen Einwilligung, zurück. Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 14 spricht von einem grundsätzlichen Verbot des Rückgriffs auf § 34 StGB im Regelungsbereich des Autonomieprinzips, diskutiert in den darauf folgenden Rn. aber mögliche Ausnahmen. 38 Dieser Aspekt unterfällt zwar nicht direkt der übergeordneten Problemstellung, die sich mit der Allgemeingültigkeit beschäftigt. Aufgrund der engen Verknüpfung von Allgemeingültigkeit und Einheitlichkeit im Rahmen der konkurrenzrechtlichen Beurteilung kann jener letztgenannte eigenständige Hinderungsgrund im vorliegenden Zusammenhang aber ebenfalls sachgerecht angeführt werden. 39 Vgl. Knauf, S. 81; Schmitz, S. 106; Trück, S. 88. 40 Vgl. Warda, in: FS Maurach, S. 143, 144; Thiel, S. 23.

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§ 34 StGB wird vielfach als prinzipiell möglicher Lösungsansatz zur Behandlung einer reinen Binnenkollision angesehen.41 Richtigerweise muss die Beurteilung entsprechender Kompatibilität – will sie dogmatischen Grundsätzen genügen – dabei unter umfassender Berücksichtigung der herkömmlichen Auslegungsmethoden42 erfolgen. In Hinblick auf die grammatische Auslegung entspricht es der herrschenden Meinung, dass der Wortlaut des § 34 StGB die Erfassung einer reinen Binnenkollision nicht ausschließt.43 Erforderlich sind nach dem Normtext lediglich widerstreitende Interessen. Einschränkungen hinsichtlich der Trägerschaft lassen sich diesem nicht entnehmen.44 Auch ansonsten ergeben sich bei ausschließlicher Betrachtung der Wortbedeutung keine Hindernisse, die einer Subsumtion entgegenstehen könnten.45 Die Geschichte des rechtfertigenden Notstandes liefert hingegen keine verwertbaren Hinweise, weder für noch gegen die Anwendbarkeit auf die reine Binnenkollision.46 Mithin ist die historische Auslegung insoweit als unergiebig zu erachten. Die folgenden Ausführungen werden sich daher ausführlich mit der verbleibenden systematischen und teleologischen

41 Vgl. etwa Zieschang, AT, Kap. 1 Rn. 310; Lackner/Kühl, StGB, § 34 Rn. 4; Lenckner, S. 49 Fn. 11; Lissel, S. 85; Merkel, S. 154 f.; 528 f.; Tachezy, S. 73; siehe auch Frister, GA 1988, 291, 291 Fn. 1, der zumindest eine Anwendung in modifizierter Form als möglich aufwirft. Interessant ist darüber hinaus die Ansicht von Rudolf Merkel, der auf S. 41 seiner Abhandlung die Binnenkollision sogar als Ausgangspunkt für weiterführende Erwägungen zur Lösung externer Konflikte verwendet. Einschränkend muss aber darauf hingewiesen werden, dass diese Abhandlung bereits 1895, sprich zu einer Zeit erschienen ist, als der heutige § 34 StGB noch in weiter Ferne lag. Ein Bezug zur Kompatibilität von § 34 StGB mit der reinen Binnenkollision ist folglich nicht unmittelbar zu erkennen. Im Übrigen betreffen die entsprechenden Ausführungen Rudolf Merkels vorrangig das Zivilrecht, vgl. den Titel des Werkes sowie dessen S. 40. Auch aus diesem Grunde verbieten sich Rückschlüsse auf die vorliegend diskutierte Fragestellung. 42 Vgl. zu den Methoden der Auslegung Larenz, Methodenlehre, S. 319 ff. 43 So Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 54; Zieschang, AT, Kap. 1 Rn. 310; Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9; Rosenau, in: FS Rissing-van Saan, S. 547, 560; Rosenau, in: FS Roxin 2011, S. 577, 584; Bottke, S. 89; Fisch, S. 106; Merkel, S. 154; Mitsch, S. 414. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Wortlaut auch jede reine Binnenkollision erfassen kann. Vgl. hierzu speziell die Erwägungen hinsichtlich des Gefahrerfordernisses unter D. I. 1. a). 44 Vgl. zur dargestellten ausschließlichen Notwendigkeit widerstreitender Interessen ohne weitere Einschränkungen auch Kühl, AT, § 8 Rn. 34. 45 Die grammatische Auslegung kann richtigerweise lediglich die Frage betreffen, ob die in Rede stehende Konstellation von der Formulierung der Norm erfasst wird. Ob die einzelnen Voraussetzungen dabei Sinn machen, ist nicht mehr Gegenstand dieser Auslegungsmethode. Vgl. zur wortlautbezogenen Auslegung Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff. Somit muss die Problematik, inwiefern die Voraussetzungen des § 34 StGB sinnvoll bzw. geeignet sind, eine Lösung der reinen Binnenkollision entsprechend deren Grundgedanken zu ermöglichen, aktuell unberücksichtigt bleiben. Siehe zur Erörterung jener Aspekte insbesondere die Ausführungen unter D. I. 2. b) cc) sowie unter D. I. 2. c). 46 So Schmitz, S. 37. Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung des rechtfertigenden Notstandes Schmitz, S. 34 ff.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Auslegung beschäftigen.47 Zunächst ist das Prinzip des § 34 StGB auf seine Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision zu untersuchen. Nach der Erörterung dieses grundlegenden Aspekts werden weitere systematische bzw. teleologische Gesichtspunkte des § 34 StGB zu berücksichtigen sein, die im Zusammenhang mit der reinen Binnenkollision maßgebliche Bedeutung erlangen. a) Berücksichtigung des hinter § 34 StGB stehenden Prinzips Das hinter § 34 StGB stehende Prinzip wird in der strafrechtlichen Diskussion nicht einheitlich beurteilt. Einer der maßgeblichen Ansätze basiert auf einer formalen Argumentation, die übrigen weisen materielle Begründungen auf. Letztgenannte lassen sich in gesellschaftsbezogene, staatsbezogene sowie individuell basierte Erklärungsansätze unterteilen. Diese vier möglichen Strömungen werden im Folgenden dargestellt und in Bezug auf ihre Eignung als Prinzip des § 34 StGB kritisch hinterfragt werden. Hierbei sind insbesondere die Aufgaben zu berücksichtigen, die das Prinzip des § 34 StGB zu leisten hat. Zum einen ist eine Begründung für die Eingriffsbefugnis und die daraus resultierende Straflosigkeit des Notstandstäters zu liefern. Des Weiteren muss die Duldungspflicht des Notstandspflichtigen plausibel erklärt werden können.48 Neben der allgemeinen Diskussion, welches das passende Prinzip hinter § 34 StGB darstellt, wird speziell auch die Kongruenz der jeweiligen Prinzipien mit der Konstellation der reinen Binnenkollision zu untersuchen sein. Beide genannten Aspekte spielen in Hinblick auf die Anwendbarkeit von § 34 StGB in Fällen reiner Binnenkollision gleichermaßen eine bedeutende Rolle. Die allgemeine sachliche Einschlägigkeit des Prinzips ist generell Voraussetzung dafür, dass einer – gegebenen oder nichtgegebenen – Kongruenz des Prinzips mit Fällen reiner Binnenkollision überhaupt Argumentationskraft zukommen kann. Konkret ist ein Argument für die Kongruenz von § 34 StGB und der reinen Binnenkollision folglich nur dann anzunehmen, wenn das in Rede stehende Prinzip sowohl auf Fälle reiner Binnenkollision passt, als auch allgemein den tragenden Grund hinter § 34 StGB darstellt.

47 Dabei werden die einzelnen aufgeführten Aspekte nicht strikt nach der Anwendung der jeweiligen Auslegungsmethode gegliedert sein. Sachgerechter erscheint eine Einteilung nach den einschlägigen thematischen Hintergründen als maßgebliche Oberpunkte. Dies ist auch deswegen vorteilhaft, da sich insofern Überschneidungen zwischen systematisch und teleologisch orientierten Argumentationen nicht vermeiden lassen. Vgl. zur Schwierigkeit einer Abgrenzung zwischen systematischen und teleologischen Argumenten im Zusammenhang mit der Frage nach der Anwendbarkeit von § 34 StGB auf Fälle reiner Binnenkollision auch Trück, S. 89. 48 Vgl. zur Duldungspflicht als erklärungsbedürftiger Faktor auch Meißner, S. 131.

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aa) § 34 StGB als Ausdruck des formalen Abwägungsprinzips des überwiegenden Interesses (1) Darstellung des Prinzips Eine Möglichkeit besteht darin, § 34 StGB als Ausdruck eines allgemeinen Rechtfertigungsprinzips,49 nämlich des Prinzips des überwiegenden Interesses, anzusehen.50 Dieses beinhaltet, dass bei einer Kollision von rechtlich anerkannten Interessen das überwiegende zu retten ist und der Inhaber des anderen folglich die Verletzung hinzunehmen hat.51 Das konkrete Ergebnis ist dabei im Wege einer Gesamtabwägung zu ermitteln, die den Konflikt in allen „positiven und negativen Vorzugstendenzen“ erfasst.52 Dieses Prinzip entspricht der Vorstellung des historischen Gesetzgebers bei der Normierung des § 34 StGB.53 Indem sich die Entscheidung allein nach dem Vorliegen eines überwiegenden Interesses auf der einen oder anderen Seite richtet, kann man das betreffende Rechtfertigungsprinzip als formal bezeichnen.54 Das Überwiegen eines der beteiligten Interessen muss und wird zwar notwendigerweise auf einem materiellen Fundament beruhen, sodass es auch ein materieller Gedanke ist, der im Ergebnis der jeweiligen Rechtfertigung zugrunde liegt. Diese materielle Prägung ergibt sich aber nur bei einer Anwendung auf den konkreten Fall. Durch das in Rede stehende Prinzip als solches werden materielle Vorgaben, die die Durchführung bzw. Gewichtung der Abwägung betreffen, nicht repräsentiert.55 Es bleibt vielmehr zur Annahme einer Rechtfertigung methodisch bei der formalen Bestimmung, auf welcher Kollisionsseite ein Überwiegen festzustellen ist. Zusammenfassend liegt also nach jener Ansicht der Gedanke, der die Begründung für die Straflosigkeit des Notstandstäters sowie die Duldungspflicht des Betroffenen liefern soll, formal in einer überwiegenden Bedeutung des einen Interesses gegenüber dem anderen.56

49 Lenckner, GA 1985, 295, 308 spricht von der Eigenschaft des § 34 StGB als „Generalklausel“; Seelmann, S. 34 bezeichnet § 34 StGB insoweit als die „logisch generelle Vorschrift“; und auch Gropp, AT, § 5 Rn. 217 betont die leitende Rolle jener Norm in Hinblick auf ein damit verbundenes allgemeines Rechtfertigungsprinzip. Siehe hierzu allgemein auch die Darstellung bei Engländer, GA 2010, 15, 17. 50 So Gropp, AT, § 5 Rn. 217; Lenckner, S. 134 f. 51 Vgl. die Darstellung bei Engländer, GA 2010, 15, 17; Schmitz, S. 146. 52 So ausdrücklich Lenckner, GA 1985, 295, 308. 53 Schmitz, S. 146. 54 So auch Lenckner, GA 1985, 295, 308, 313. 55 In diesem Sinne Engländer, GA 2010, 15, 18. 56 Vgl. zum Grundgedanken des § 34 StGB nach jener Auffassung auch die Darstellung bei Pawlik, S. 49.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

(2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision In Bezug auf das formale Abwägungsprinzip des überwiegenden Interesses findet sich die Aussage, dass unter dessen Geltung Fälle reiner Binnenkollision von § 34 StGB nicht aus Gründen des dahinterstehenden Prinzips ausgeschlossen werden könnten.57 Das höher wiegende Interesse sei in solchen Konstellationen problemlos zu ermitteln und infolgedessen auch durchzusetzen.58 Aufgrund des formalen Charakters entstünden keine inhaltlichen Anforderungen an die Art der Interessenkollision sowie an die Gewichtung in der Abwägung.59 Dies mag alles seine Richtigkeit haben. Die damit postulierte Kongruenz gilt es jedoch aus einem anderen Grund kritisch zu hinterfragen. Schon der Bezeichnung nach ist das betreffende Prinzip zwingend mit dem Vorliegen einer Abwägung verbunden. Um eine Kompatibilität von reiner Binnenkollision mit jenem behaupteten Grundprinzip des § 34 StGB anzunehmen, muss folglich auch im Falle einer reinen Binnenkollision eine Abwägung festzustellen sein. Dadurch, dass jede reine Binnenkollision mindestens zwei selbständige Rechtsgüter – oder jedenfalls zwei Ausprägungen eines Gutes – enthält, ist die Mindestanzahl an erforderlichen Abwägungsposten gegeben. Weiter werden die beteiligten Rechtsgüter einander vom Betroffenen zwangsläufig, wenngleich vielleicht auch nur unbewusst, gegenübergestellt, bevor dieser sich für die Wahrung einer Seite entscheidet. Somit lässt sich die Entscheidungsfindung des Betroffenen, sprich die Ausformung seines konkreten Willens, als eine Art von Abwägung betrachten.60 Eine solche als zugrunde liegender Vorgang vermag auch nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass ein Element im Ergebnis auf null reduziert wird.61 Abwägungstechnische Schwierigkeiten könnten sich allein im Zusammenhang mit der reinen Binnenkollision im weiteren Sinne ergeben. Hierbei steht dem abstrakten Rechtsgut nur die Selbstbestimmung als Gegenpol gegenüber. Fraglich erscheint aber, ob letztgenannte überhaupt ein eigenständiger Posten in der binnenbezogenen Abwägung sein kann oder nicht vielmehr immer lediglich deren Ergebnis darstellt. Klarheit ergibt sich, wenn man den Charakter der Selbstbestimmung als Rechtsgut berücksichtigt. Jedes Rechtsgut ist eine eigenständig fassbare Größe und weist insofern einen abstrakten Gehalt auf.62 Im Falle der Selbstbestimmung ist dieser darin zu erblicken, mit den eigenen Gütern tun und lassen zu können, 57

Engländer, GA 2010, 15, 18; Schmitz, S. 147. Schmitz, S. 147. 59 Engländer, GA 2010, 15, 18. 60 So ebenfalls Merkel, S. 550 f.; siehe außerdem Schmitz, S. 63 speziell im Kontext der Lebensbetroffenheit. Vgl. des Weiteren Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 110 in Hinblick auf den Spezialfall der indirekten Sterbehilfe. 61 Vgl. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 313; Merkel, S. 550. 62 Hierbei ist die unter B. III. 1. c), S. 30 aufgeführte Dimension der Abstraktheit betroffen. Vgl. zu den unterschiedlichen Dimensionen von Abstraktheit im Zusammenhang mit der Selbstbestimmung die Ausführungen in Fn. 76 Abschn. B. 58

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was man möchte. Dieser Gewährleistungsgehalt steht dem abstrakten63 Wert des anderen Rechtsguts gegenüber. Damit ist die Selbstbestimmung als abstrakter Parameter in den Abwägungsvorgang eingebettet. Sobald eine Entscheidung getroffen wird, nimmt das zuvor abstrakt gefasste Rechtsgut Selbstbestimmung die dem Entscheidungsergebnis entsprechende konkrete Gestalt an. Da bei jeder reinen Binnenkollision im weiteren Sinne die Selbstbestimmung auf Beeinträchtigung des abstrakten Gutes zielt, ist insoweit das Abwägungsergebnis immer schon vorgezeichnet. Dies ändert jedoch nichts am strukturellen Vorliegen eines dazu führenden Abwägungsvorgangs. Eine Abwägung des Binnenbetroffenen ist folglich bei jeder Form der reinen Binnenkollision feststellbar. Die bloße Existenz einer Abwägung ist allerdings nicht ausreichend, um die Fälle reiner Binnenkollision bei unterstellter Geltung des in Rede stehenden Prinzips sachlich zutreffend unter § 34 StGB subsumieren zu können. Vielmehr muss sich auch die Art der Abwägung im Einklang mit dem Charakter eines formalen Abwägungsprinzips befinden. An diesem Punkt ergeben sich Begründungsschwierigkeiten. Eine rein subjektiv geprägte Abwägung wird allein von Präferenzen des jeweiligen Inhabers dirigiert. Diese unterliegen keinen strikten Vorgaben und können sich jederzeit ändern. Formalität hingegen impliziert Feststellbarkeit anhand verbindlicher Kriterien. Dem kann eine subjektiv ausgerichtete Abwägung, wie gezeigt, nicht gerecht werden. Zudem ist zu beachten, dass sich die angesprochenen Merkmale einer formalen Herangehensweise nur mittels einer Abwägung „von außen“ sinnhaft umsetzen lassen. Mithin begrenzt das formale Abwägungsprinzip die maßgebliche Abwägung auf die eines Außenstehenden. Damit fehlt es unter Geltung jenes Prinzips bereits grundsätzlich an der Möglichkeit, die Abwägung des Binnenbetroffenen als Ausgangspunkt zu nehmen. Dieser Aspekt schließt indes die Subsumtion der reinen Binnenkollision jedenfalls nicht von vornherein pauschal aus. Auch wenn vorliegend bislang allein auf die Abwägung in der Person des Binnenbetroffenen eingegangen wurde, so führt die zu rechtfertigende Handlung im einschlägigen Kontext doch zwingend ein Dritter aus. Es besteht folglich ein potentieller Anknüpfungspunkt für das Vorliegen der Abwägung eines Dritten. Angesichts der ausschließlichen Maßgeblichkeit subjektiver Präferenzen bei reiner Binnenkollision kann diesem jedoch keine ausschlaggebende Rolle zukommen. Sofern er überhaupt Einblick in die Entscheidungsfindung des Binnenbetroffenen haben sollte, vollzieht er sie lediglich nach. Für eigenständige, durchschlagende Erwägungen des Dritten existiert kein Raum. Indem sich die äußerliche Abwägung ganz und gar nach dem Willen des Rechtsgutsinhabers richtet, stellt sie lediglich eine leere Hülse dar und kann nicht als grundlegendes Element herangezogen werden. Außerdem widerspräche eine derartige Abwägung durch die subjektiven Vorgaben des Rechtsgutsinhabers ebenfalls inhaltlich den Kriterien der Feststellbarkeit und Verbindlichkeit. Die Ein63

Nun im Sinne der anderen Dimension von Abstraktheit.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

wände gegen die betreffende Art und Weise der Abwägung würden sich nicht auflösen, sondern lediglich auf eine andere Ebene projiziert werden. Alles in allem entspricht die Abwägung im Falle reiner Binnenkollision daher nicht den Anforderungen, die sich aus dem formalen Abwägungsprinzip des überwiegenden Interesses ergeben.64 Unter Geltung des formalen Abwägungsprinzips kann also keine Kongruenz zwischen § 34 StGB und der reinen Binnenkollision angenommen werden. (3) Kritische Überprüfung des dargestellten Ansatzes als potentielles Prinzip des § 34 StGB Ganz allgemein muss allerdings gefragt werden, ob das formale Abwägungsprinzip des überwiegenden Interesses überhaupt als passendes Prinzip hinter § 34 StGB in Betracht kommt. Zunächst ist auf den Aspekt abzustellen, dass es sich um ein dem Wesen nach formales Prinzip handelt. In diesem Zusammenhang sind nicht nur fehlende materielle Vorgaben hinsichtlich des Maßstabes der Entscheidungsfindung zu monieren.65 Ohne materielle Aussagen gibt es auch keine Erklärung dafür, warum man die Interessen abwägen und auf diese Weise das konkrete Ergebnis finden können sollte.66 Es mangelt ganz generell an einer inhaltlichen Begründung für die Folgen des § 34 StGB. Zwar rekurriert das formale Abwägungsprinzip in seiner Berechtigung auf den Normtext. Auf diese Weise erklärt es sich bzw. die betreffende Norm aber lediglich mit sich selbst.67 Eine tragende Legitimation für die Existenz und die Konsequenzen des § 34 StGB muss demgegenüber zwingend von außen kommen,68 um den aus dogmatischer Sicht bestehenden Anforderungen gerecht zu werden. Gerade in Bezug auf den vom Eingriff negativ Betroffenen ist der vorgestellte Ansatz auch konkret sachlich nicht als ausreichend zu erachten. Für den Täter mag es womöglich weniger relevant sein, ob sich die Straflosigkeit seines Handelns materiell begründen lässt, sofern sie zweifelsfrei gesetzlich verankert ist. Dem betroffenen Rechtsgutsträger wird hingegen eine Duldungsverpflichtung auferlegt, die seine eigene Rechtsgutssphäre und damit auch grundrechtlich gewährleistete Freiheiten berührt. In Hinblick auf Eigentumswerte kann man § 34 StGB insoweit als Inhalts- und Schrankenbestimmung 64 Vgl. auch Lenckner, GA 1985, 295, 303, der – als Vertreter des formalen Abwägungsprinzips – den Widerstreit von Interessen innerhalb einer Person ausdrücklich von einer Abwägung abgrenzt. 65 Vgl. dazu Meißner, S. 127; siehe auch bereits den Nachweis in Fn. 55 Abschn. D. 66 Vgl. Renzikowski, S. 200; siehe auch Meißner, S. 122 f. sowie Haas, S. 249, der von einem „materielle[n] Begründungsdefizit“ spricht. 67 Meißner, S. 121 ff.; siehe auch Schmitz, S. 147: „Der Inhalt der Norm soll also zugleich ihre dogmatische Grundlage bilden“. 68 Vgl. Meißner, S. 128.

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des Art. 14 GG auffassen.69 Diese bedarf – schon an sich und nicht erst im konkreten Anwendungsfall – einer Rechtfertigung, die verfassungsrechtliche Maßstäbe einhält. Insbesondere das dabei aktivierte Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt zudem auch im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung sonstiger grundrechtlich geschützter Güter.70 Allein darauf abzustellen, dass gewisse Interessen im Falle des Überwiegens formal als vorrangig zu beachten sind, birgt aber keinesfalls eine verfassungsrechtlich zufriedenstellende Legitimation in sich. Das formale Abwägungsprinzip des überwiegenden Interesses ist folglich schon aus diesem Grunde zur Erklärung des § 34 StGB nicht haltbar. Darüber hinaus ergeben sich Bedenken, ob das diskutierte Prinzip einen Einklang mit der Gesetzesfassung des § 34 StGB aufweist. Zum einen steht die Inkompatibilität des formalen Abwägungsgedanken mit dem vom Wortlaut vorgegebenen Merkmal des wesentlichen Überwiegens im Raum. Dieses wird herkömmlich im Sinne eines qualifizierten Interessenübergewichts verstanden.71 Wie gezeigt, ist nach dem formalen Abwägungsprinzip die Rechtfertigung aber bereits dadurch bedingt, dass bei umfassender Abwägung aller Umstände ein Interesse formal das bedeutendere darstellt. Unter Geltung des formalen Abwägungsprinzips müsste folglich ein einfaches Überwiegen genügen.72 Wenn man dennoch aufgrund des Wortlauts ein qualifiziertes Interessenübergewicht verlangen würde, hätte dies prinzipienwidrig zur Folge, dass sich im Ergebnis auch ein weniger gewichtiges Interesse durchsetzen könnte.73 Damit herrscht ein Widerspruch zwischen dem herkömmlichen Verständnis des wesentlichen Überwiegens und dem Grundsatz der formalen Abwägung nach dem überwiegenden Interesse. Ein Prinzip, das ein gesetzlich vorgegebenes Merkmal nicht zu erklären vermag oder sogar im Widerspruch dazu steht, kann jedoch nicht zur Begründung einer de lege lata existierenden Norm herangezogen werden. Die einzige Möglichkeit, die genannte Argumentation gegen das formale Abwägungsprinzip zu entkräften, bestünde darin, eine abweichende Interpretation des wesentlichen Überwiegens zu vertreten.74 Dementsprechend wird zum Teil vorgebracht, dass im Rahmen der Interessenabwägung an sich schon umfassend festgestellt werde, was das schutzwürdigere Interesse sei.75 Dem Merkmal des „wesentlichen“ Überwiegens

69 Haas, S. 262 geht in diesem Sinne von einer „entschädigungspflichtige[n] Inhaltsbestimmung des Eigentums“ aus. 70 Vgl. zur Notwendigkeit einer verfassungsrechtlichen Legitimation der Eingriffsnorm des § 34 StGB auch Meyer, GA 2004, 356, 362. 71 So z. B. Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 109; Bergmann, JuS 1989, 109, 111; vgl. weiter die Nachweise bei Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 45. 72 Vgl. Engländer, GA 2010, 15, 18; Schmitz, S. 149. 73 Vgl. Schmitz, S. 149; siehe auch Engländer, GA 2010, 15, 18. 74 Vgl. dazu Schmitz, S. 149. 75 Vgl. dazu Kühl, AT, § 8 Rn. 99.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

könne allein eine Klarstellungsfunktion zukommen.76 Es sei lediglich eine Art warnender Hinweis des Gesetzgebers darauf, dass das Ergebnis der Interessenabwägung zweifelsfrei und eindeutig ausfallen müsse.77 Bei einem unklaren Abwägungsergebnis könne man gestützt auf jenes Merkmal eine Rechtfertigung ausschließen.78 Versteht man demnach „wesentlich“ als „eindeutig“, reicht auch nach der Gesetzesfassung ein einfaches Überwiegen zur Rechtfertigung aus. Somit wäre es möglich, diesbezüglich eine Kongruenz zwischen der Norm und dem formalen Abwägungsprinzip zu bejahen. Ein solcher Ansatz konfligiert jedoch mit dem Begriffsverständnis von „wesentlich“. Dieses lässt sich nicht im Sinne von „zweifelsfrei“ interpretieren, ohne die Grenzen des Wortlautes zu überschreiten.79 Im Ergebnis verbleibt es daher bei der Interpretation des wesentlichen Überwiegens als qualifiziertes Interessenübergewicht.80 Eine Inkompatibilität des formalen Abwägungsprinzips mit dem Merkmal des wesentlichen Überwiegens ist mithin in sachlich vertretbarer Weise nicht zu verhindern. Unter Zugrundelegung des Prinzips der formalen Abwägung erscheint auch die Berechtigung der Angemessenheitsklausel des § 34 S. 2 StGB zweifelhaft. Wie bereits dargelegt, verlangt die Abwägung nach dem überwiegenden Interesse eine umfassende Würdigung aller positiven und negativen Aspekte.81 Mit dieser Herangehensweise sind sämtliche entscheidenden Argumente schon Teil der Interessenabwägung, was auch diejenigen Elemente umfasst, die an sich der Angemessenheitsklausel vorbehalten wären. Für einen eigenständigen Anwendungsbereich der letztgenannten bleibt insoweit folglich kein Raum.82 Die unter Geltung des formalen Abwägungsprinzips bestehende Funktionslosigkeit des § 34 S. 2 StGB stellt allerdings nur dann ein valides Argument gegen das betreffende Prinzip dar, wenn die Angemessenheitsklausel im Grunde eine eigenständige Bedeutung aufweist. Teils wird ihr indes schon generell, unabhängig von einem bestimmten Prinzip, jegliche Funktion abgesprochen. Die Interessenabwägung umfasse ihrer Natur nach alle relevanten Aspekte, sodass die Angemessenheitsklausel in der Konsequenz leer liefe.83 Diese Ansicht entspricht dem soeben hin76

Küper, GA 1983, 289, 289. Roxin, AT I, § 16 Rn. 90; Küper, GA 1983, 289, 296. 78 Vgl. Gropp, AT, § 5 Rn. 250; siehe dazu auch Kühl, AT, § 8 Rn. 99. 79 Vgl. Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 109; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 67; Schmitz, S. 149. Den Unterschied zwischen „zweifelsfrei“ und „wesentlich“ betont auch Engländer, GA 2010, 15, 18. 80 Auch die Materialien zu dem Entwurf, der dem heutigen § 34 StGB zugrunde liegt, sahen ein erhebliches Übergewicht des betroffenen Interesses in qualitativer Hinsicht vor; vgl. dazu Haas, S. 253. Roxin, AT I, § 16 Rn. 90 sowie Küper, GA 1983, 289, 292 verweisen demgegenüber auf die Beratungen des Sonderausschusses, aus denen Rückschlüsse auf die andere dargelegte Auslegungsvariante gezogen werden könnten. Küper, GA 1983, 289, 293 räumt aber selbst ein, dass diese Folgerungen nicht auf eindeutigen Hinweisen beruhen. 81 Vgl. dazu den Nachweis in Fn. 52 Abschn. D. 82 Siehe zu dem dargestellten Argument Engländer, GA 2010, 15, 18. 77

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sichtlich des formalen Abwägungsprinzips vorgetragenen Argument, bezieht sich allerdings vorgelagert und begründungsunabhängig auf die gesetzliche Konzeption als solche. Mit einem derartigen Verständnis könnte man § 34 S. 2 StGB vollständig ignorieren. Auf diese Weise würde der in Rede stehenden Kritik gegen das formale Abwägungsprinzip die Grundlage entzogen. Es befände sich vielmehr in Kongruenz mit der Interpretation der Gesetzesfassung von § 34 StGB. Die erfolgte Verwendung des Konjunktives deutet allerdings die Zweifelhaftigkeit der insofern zugrunde liegenden Auffassung bereits an. Jene ignoriert, dass es einen Unterschied zwischen Abwägungsmaßstab und Abwägungsgrenzen gibt.84 Ersterer betrifft die Umstände, die Gegenstand der Abwägung nach § 34 S. 1 StGB sind und die Ermittlung des Interessengewichts maßgeblich beeinflussen. Daneben existieren jedoch auch Umstände, die keinen eigentlichen Abwägungsgegenstand ausmachen, sondern erst auf einer zweiten Stufe Bedeutung erlangen, indem sie das Ergebnis der Interessenabwägung in seiner Durchschlagskraft begrenzen. Diese Abwägungsschranken führen dazu, dass trotz eines wesentlichen Überwiegens nach erfolgter Interessenabwägung eine Rechtfertigung zugunsten des überwiegenden Elements mangels Angemessenheit auszuschließen ist. Um die Unabhängigkeit der beschränkenden Umstände von der Abwägung zu gewährleisten, dürfen jene nicht interpretatorisch in § 34 S. 1 StGB integriert werden.85 Erforderlich ist eine eigenständige gesetzliche Anknüpfung, die durch § 34 S. 2 StGB verwirklicht wird. Die Angemessenheitsklausel hat somit ihre Berechtigung im Normgefüge des rechtfertigenden Notstandes.86 Diese darf unter Anwendung eines bestimmten Prinzips zur Erklärung des § 34 StGB nicht untergraben werden. Folglich kann eine Inkompatibilität zwischen dem Prinzip der formalen Abwägung und der Normfassung des § 34 StGB auch in Hinblick auf die Angemessenheitsklausel nicht verneint werden.87 83 So Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 46 m.w. N. auf Vertreter derselben Ansicht. Gropp, AT, § 5 Rn. 267 geht ebenfalls von der materiellen Funktionslosigkeit der Angemessenheitsklausel aus. Da sie aber nun einmal im Gesetz steht, erachtet er sie zumindest als eine Art Merkposten für die Interessenabwägung. Ähnlich, wenngleich etwas weitergehend, ist Kühl, AT, § 8 Rn. 167 zu verstehen. Die Angemessenheitsklausel dient seiner Ansicht nach dazu, innezuhalten und sich zu vergewissern, ob das Abwägungsergebnis den Maßstäben von Richtigkeit und Gerechtigkeit entspricht. Sie weise damit einen „Appell- oder Korrektureffekt“ auf. Dieser sei zwar auch im Rahmen der Interessenabwägung zu erzielen. Durch eine besondere Anknüpfung im Gesetz sei aber die Wahrscheinlichkeit größer, dass die betreffenden Aspekte Eingang in die Erörterung finden könnten. 84 Vgl. zu diesem Argument und den folgenden diesbezüglichen Ausführungen Engländer, GA 2010, 15, 18 f. 85 Gegen die Möglichkeit einer Inkorporierung der Abwägungsschranken in § 34 S. 1 StGB auch Hruschka, JuS 1979, 385, 390. 86 Dies entspricht laut Schmitz, S. 149 auch dem Willen des historischen Gesetzgebers. 87 Argumentativ kommt zu den genannten Erwägungen hinzu, dass die Angemessenheitsklausel bei einer Interpretation als Anknüpfungspunkt für Abwägungsschranken ei-

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Da das formale Abwägungsprinzip die Funktion des wesentlichen Überwiegens sowie die Angemessenheitsklausel nicht in sachlich zufriedenstellender Weise zu erklären vermag, kann es auch diesbezüglich nicht als überzeugendes Prinzip hinter § 34 StGB erachtet werden. Schlussendlich ist damit der aufgeworfene Einwand, dass das formale Abwägungsprinzip des überwiegenden Interesses die Norm lediglich mit sich selbst begründet, nicht nur in Hinblick auf das Fehlen materieller Kriterien berechtigt. Bereits die Bezugnahme auf die Norm als solche erscheint nicht tragbar, da das betreffende Prinzip in Teilen sogar im Widerspruch zu deren Konzeption steht. bb) § 34 StGB als Ausdruck des utilitaristischen Prinzips des größtmöglichen Gesamtnutzens (1) Darstellung des Prinzips Einen ersten materiell geprägten Erklärungsansatz für § 34 StGB und dessen Wirkungen stellt das utilitaristische88 Prinzip des größtmöglichen Gesamtnutzens dar.89 Danach liegt der Gedanke des rechtfertigenden Notstands darin, geringwertigere Güter zu opfern, um aus Gründen der sozialen Nützlichkeit höherwertigere zu erhalten.90 Die hiermit verbundene gesellschaftsorientierte Begründungsbasis zeichnet sich durch eine besondere Beziehung von Individuum und Gesellschaft aus. Zu deren Erläuterung wird Bezug auf die Auffassung Benthams91 genommen,92 welcher die Gesellschaft und die darin lebenden Einzelpersonen mit einem Körper und seinen Gliedern vergleicht. Genau wie die Glieder im Verhältnis zum Körper hätten nach dem utilitaristischen Verständnis die Einzelpersonen keine Eigeninteressen. Ihre Interessen seien diejenigen der Gesellschaft als solcher.93 Eine gewisse Divergenz dieser Interpretationsweise zu den Aussagen Benthams lässt sich dabei nicht leugnen.94 So spricht Bentham davon, dass die Interessen der Gesellschaft aus der Summe der Interessen der Einzelnen bestünden.95 Damit geht einher, dass seiner Meinung nach die jeweiligen Individualnen materiellen Gehalt aufweist. § 34 StGB kann demnach nicht entscheidend formal betrachtet werden, womit ein weiterer Einwand gegen das formale Abwägungsprinzip einhergeht. Jene Argumentation ist Engländer, GA 2010, 15, 19 zu entnehmen. 88 Vgl. zu möglichen Problematiken hinsichtlich der Charakterisierung des Prinzips als utilitaristisch allerdings Pawlik, S. 32 f. 89 Zugrunde gelegt z. B. von Hruschka, Strafrecht, S. 112 f.; Joerden, GA 1991, 411, 414; Joerden, GA 1993, 245, 247 f.; Meißner, S. 131 ff., 181. 90 So die Darstellung bei Roxin, AT I, § 16 Rn. 10. 91 In seinem Werk „An Introduction to the Principles of Morals and Legislation“, Chap. I Nr. IV. 92 Die Bezugnahme erfolgt konkret von Hruschka, Strafrecht, S. 112. 93 Hruschka, Strafrecht, S. 112. 94 Diese Divergenz stellt auch Schmitz, S. 151 fest. 95 Vgl. zu dem diesbezüglichen Nachweis die Angabe in Fn. 91 Abschn. D.

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interessen im Ausgangspunkt durchaus eine eigenständige Gestalt aufweisen.96 Im Rahmen der utilitaristischen Begründung des § 34 StGB werden die Einzelinteressen hingegen nicht als solche anerkannt.97 Sie sind nicht dem jeweiligen Betroffenen zuzuordnen, sondern stellen bildlich gesprochen Positionen auf einem Gemeinschaftskonto dar.98 Die kollidierenden Gesichtspunkte werden zusammengerechnet,99 woraufhin eine Entscheidung für das nach dem Verständnis der Gemeinschaft geringere Übel erfolgt.100 So gesehen hat das utilitaristische Verrechnungsprinzip zum Ziel, den größten Nutzen bei gleichzeitig geringstmöglichen Kosten für die Gesamtheit zu erzielen.101 Vor diesem Hintergrund kann das Handeln des Notstandstäters als Schadensminderung102 beschrieben werden.103 Indem die utilitaristische Herangehensweise auf der dargestellten rein rationalen Kosten-Nutzen-Analyse beruht, finden nicht auf diese Weise begründbare Aspekte keine Berücksichtigung. Speziell besondere Gefahrtragungspflichten sowie die Verantwortlichkeit für die Gefahrenlage – sowohl hinsichtlich des Eingriffsgutes im Rahmen des sogenannten Defensivnotstands als auch in Bezug auf das Erhaltungsgut – können sich aus utilitaristischer Perspektive nicht auf die Frage nach der Zulässigkeit des Eingriffs auswirken.104 Zusammenfassend vermag das utilitaristische Prinzip des größtmöglichen Gesamtnutzens potentiell eine materielle Begründung für die Straflosigkeit des Notstandstäters und die Duldungspflicht des Eingriffsopfers zu liefern. Diese ist in der Kongruenz der Tat mit dem sozialen Gesamtinteresse zu sehen,105 dessen Inhalt die Erreichung des maximalen Vorteils für die Gesellschaft als Ganzes ausmacht. (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Gemeinhin wird die utilitaristische Herangehensweise als mit Fällen reiner Binnenkollision kompatibel erachtet.106 Für die Realisierung des größtmöglichen 96 Siehe in diesem Sinne auch Bentham, Chap. I Nr. V: „It is in vain to talk of the interest of the community, without understanding what is the interest of the individual“. 97 Vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 113. 98 Siehe dazu Schmitz, S. 150. 99 Bzw. korrekterweise eher ver- oder aufgerechnet. 100 Hruschka, Strafrecht, S. 113. 101 Hruschka, Strafrecht, S. 113. Siehe zum Konzept des Utilitarismus allgemein und ausführlich auch Meißner, S. 164 ff. 102 Insofern ist § 34 StGB nach Renzikowski, S. 202 als Ausprägung eines negativen Utilitarismus anzusehen, da er keine neuen Werte erschafft, sondern lediglich auf die Verhinderung von Schäden bedacht ist. 103 Vgl. auch die entsprechende Darstellung bei Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 10. 104 Vgl. Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 10; Meißner, S. 250 ff. 105 Vgl. Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 10. 106 Vgl. Engländer, GA 2010, 15, 19; Schmitz, S. 151.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Gesamtnutzens spiele es keine Rolle, wem die betroffenen Interessen zustünden.107 Die Verrechnung sei sogar leichter durchführbar, wenn lediglich der Innenbereich einer Person betroffen sei.108 Letzteres entspricht zugegebenermaßen logischen Grundsätzen. Auch die erstgenannte Aussage kann als solche nicht widerlegt werden. Das utilitaristische Prinzip schaut nicht auf die beteiligten Individuen. Die Träger hinter den jeweiligen Gütern werden vollständig ignoriert, sodass es aus utilitaristischer Sicht die gleiche Ausgangssituation darstellt, ob allein ein und dieselbe Person oder aber mehrere verschiedene beteiligt sind. Kehrseite dieser Unabhängigkeit von den individuellen Trägern ist allerdings, dass auch der Wille des einzelnen keine maßgebliche Rolle in der Abwägung spielen kann. Hiermit ergibt sich ein eklatanter Widerspruch zu der Leitlinie, nach der alle Fälle reiner Binnenkollision gelöst werden müssen. Aufgrund jener Inkongruenz des utilitaristischen Ansatzes mit der Möglichkeit einer absoluten Autonomiegewährung109 scheidet das in Rede stehende Prinzip für die Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision aus. Ein weiterer Inkompatibilitätsfaktor ließe sich unter Umständen aus strukturellen Erwägungen herleiten. Man könnte überlegen, ob es gegebenenfalls nach der utilitaristischen Sichtweise gar nicht möglich sein kann, dass einer Notstandssituation eine reine Binnenkollision zugrunde liegt. Ein Prinzip, unter dem eine reine Binnenkollision nicht auftreten kann, wäre natürlich zur Lösung derselbigen denklogisch ungeeignet. Definitionsgemäß erfordert die reine Binnenkollision die Beteiligung mindestens zweier Rechtsgüter, die alle derselben Person zustehen. Wie gezeigt, weisen aus utilitaristischer Perspektive die Interessen der einzelnen Individuen keinerlei eigene Bedeutung auf. Versteht man dies als Ablehnung der Existenz von Individualrechtsgütern, würde in Bezug auf jene Dimension die Basis der reinen Binnenkollision entfallen. Allerdings wäre in der Konsequenz letztendlich doch wieder immer eine reine Binnenkollision anzunehmen, nur nicht eine solche des Individuums, sondern der Gesellschaft als Träger jedes Rechtsguts. Diese potentielle Facette einer reinen Binnenkollision kann vorliegend aber nicht näher berücksichtigt werden. Die angeführte Bedeutungslosigkeit der Individualinteressen erfasst indes nicht zwingend auch die Leugnung der Existenz der betreffenden Rechtsgüter. Wie bereits im Rahmen der Begriffsbestimmung dargelegt,110 ist Bestandteil jedes Interesses ein Rechtsgut. Die Charakterisierung als Interesse betrifft hinzutretende Umstände, welche die Bedeutung und Werthaltigkeit des Gegenstandes näher ausführen. Nur diese Bedeutung für den einzelnen ist es, die vom Utilitarismus abgesprochen wird. Der abstrakte Wert des Rechtsguts ist im Gegenteil sogar Voraussetzung für die Verrechnung 107

Engländer, GA 2010, 15, 19. Schmitz, S. 151. 109 Vgl. zur inkompatiblen Beziehung von Autonomie und utilitaristischer Begründung auch Meißner, S. 187, 189. 110 Vgl. Gliederungspunkt B. III. 2. 108

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nach gesamtgesellschaftlichen Vorgaben. Denn nur wenn man die Grundbestandteile abstrakt identifiziert, können sie in einen Abwägungsvorgang eingestellt werden. Individualrechtsgüter als inexistent zu betrachten, ist folglich nicht in Einklang mit der utilitaristischen Begründung zu bringen.111 Damit ist allerdings nicht notwendigerweise auch gesagt, dass faktisch eine zugrunde liegende reine Binnenkollision eines Individuums denkbar ist. Die Rechtfertigung nach utilitaristischen Grundsätzen beruht auf der „Maximierung gesellschaftlicher Gesamtinteressen“.112 Dies impliziert eine Beteiligung eines gesellschaftlichen Interesses an der Kollisionssituation. Vergleichbar mit der Selbstbestimmung des Einzelnen bei einer reinen Binnenkollision stellt jenes Gesellschaftsinteresse – und damit auch ein darin enthaltenes Rechtsgut der Allgemeinheit – nicht allein das Ergebnis, sondern ein eigenständig an der Abwägung beteiligtes Element dar. Das betreffende Rechtsgut hat abstrakt den Inhalt, das gesellschaftlich kleinere Übel zur Geltung bringen zu dürfen. Seine konkrete Gestalt nimmt es dann in Form des Abwägungsergebnisses an. Ein solches abstraktes Rechtsgut der Allgemeinheit ist nach dem utilitaristischen Verständnis jeder § 34 StGB zugrunde liegenden Konstellation immanent. Daher kann eine Notstandssituation bei jener Herangehensweise in keinem Fall nur aus Rechtsgütern eines Individuums bestehen, sprich im Falle von Einzelpersonen nie eine reine Binnenkollision verkörpern. § 34 StGB ist mithin auch aus diesem Grunde unter Geltung des Prinzips des größtmöglichen Gesamtnutzens zur Lösung der reinen Binnenkollision ungeeignet. (3) Kritische Überprüfung des dargestellten Ansatzes als potentielles Prinzip des § 34 StGB Dem utilitaristischen Erklärungsansatz als solchem wird in der strafrechtlichen Literatur viel Kritik zuteil. Im Folgenden sollen die wichtigsten Gegenargumente dargestellt und bewertet werden.113 Individualrechtsgüter können, wie gezeigt, nach dem utilitaristischen Verständnis zwar nicht als inexistent angesehen werden. Es ist aber gerade Kernelement jenes Prinzips, ihnen in ihrer Bedeutung für den Träger keine Relevanz für das Abwägungsergebnis zuzuerkennen. Sie werden lediglich als Teilelemente in einen Verrechnungsprozess zugunsten des Gesellschaftsinteresses eingestellt, bei dem nicht die einzelnen Aspekte, sondern nur das Ganze zählt.114 Die damit ver-

111 Schmitz, S. 157 sieht aber trotzdem Individualrechtsgüter unter Geltung des utilitaristischen Prinzips höchstens als „leere Hülle“ an. 112 Diesen Terminus verwendet Haas, S. 252. 113 Siehe zu teils weitergehender Kritik Schmitz, S. 152 ff. m.w. N.; speziell S. 152 zu einem Problem mit der Bestimmtheit sowie S. 155 in Hinblick auf die Frage nach der tatsächlichen Existenz eines „Gesamtnutzens“. 114 Vgl. hierzu auch Schmitz, S. 157.

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bundene Entwertung subjektiver Rechtspositionen115 muss speziell vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Gewährleistungen kritisch betrachtet werden.116 Das Grundgesetz schafft mit den einzelnen Grundrechten nicht allein die Basis für Rechtsgüter als abstrakte Werte,117 sondern gewährleistet ganz generell frei handhabbare und wehrfähige subjektive Rechtspositionen, sowohl gegenüber dem Staat als auch – zumindest in eingeschränktem Umfang – gegenüber anderen Privaten.118 Subjektive Rechte unterliegen zwar einer Einschränkbarkeit, die ebenfalls ihre Wurzeln in der Verfassung aufweist. Sie dürfen aber ihrer Natur nach keiner beliebigen Verrechenbarkeit unterstellt werden.119 Eine Degradierung zu „gesamtgesellschaftlich verrechenbaren Nutzenwerten“ steht folglich nicht im Einklang mit dem verfassungsrechtlich vorgegebenen Charakter der geltenden Rechtsordnung als Freiheitsordnung.120 Selbst wenn man diese Inkongruenz aber in materieller Hinsicht als Ausnahmeerscheinung akzeptieren wollte, verbliebe in der Folge das potentielle allgemeinstrukturelle Problem der Systemwidrigkeit.121 Außerhalb von § 34 StGB weisen Rechtsgüter nämlich zweifelsohne eine eigenständige Bedeutung für den Inhaber auf.122 Eine abweichende Beurteilung im Fall des rechtfertigenden Notstands ließe sich nur mit einer durchschlagenden Begründung legitimieren. Insoweit käme allenfalls die zugrunde liegende Gefahrensituation in Betracht. Sollte aber hierin der entscheidende Anknüpfungspunkt liegen, müsste konsequenterweise auch bei insofern gleich gelagerten rechtlichen Instrumenten, falls solche bestehen, die fehlende Maßgeblichkeit individueller Rechtspositionen begründbar sein. Nicht auszuschließen ist diesbezüglich, dass ebenfalls den Einwilligungsregeln eine Gefahrensituation zugrunde liegt. Auch ohne zu weit vorzugreifen, kann jedoch bereits angemerkt werden, dass ein Ausschluss jeglicher individueller Bedeutung von Gütern der Grundstruktur und Ratio der Einwilligungsregeln diametral entgegensteht. Die Gefahrensituation kommt somit nicht als einschlägiger Legitimationsaspekt in Frage. Da sich auch ansonsten keine durchgreifenden Argumente fin115

Engländer, GA 2010, 15, 20. Vgl. dazu auch Schmitz, S. 158. 117 Vgl. zur Bedeutung der Grundrechte als Basis für straftatbestandlich geschützte Rechtsgüter die Literaturangabe in Fn. 104 Abschn. B. 118 Siehe zum Einfluss von Grundrechten im Privatrecht de Wall/Wagner, JA 2011, 734 ff. 119 Vgl. dazu Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 11. 120 So treffend Engländer, GA 2010, 15, 20; siehe auch Schmitz, S. 158. Darüber hinaus weist Renzikowski, S. 203 ff. auf Spannungen mit den Prinzipien der Gerechtigkeit und Gleichheit hin, sodass weitere Ungereimtheiten mit der geltenden Rechtsordnung festgestellt werden können. Siehe zur Inkompatibilität mit der Rechtsordnung als Freiheits- und Gerechtigkeitsordnung auch Pawlik, S. 43 f. Schmitz, S. 155 betont zudem speziell Konflikte des utilitaristischen Ansatzes mit maßgeblichen Elementen der Strafrechtsordnung. 121 Vgl. dazu auch Schmitz, S. 156. 122 Vgl. Schmitz, S. 156 f. 116

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den lassen, ist im Ergebnis die fehlende Bedeutsamkeit der Individualrechtsgüter für ihre Träger im Rahmen des § 34 StGB nicht ohne den Vorwurf der Systemwidrigkeit zu postulieren.123 Weitere Kritikpunkte gegen das utilitaristische Prinzip des größtmöglichen Gesamtnutzens wurden in paralleler Form bereits gegen das formale Abwägungsprinzip vorgebracht. Betroffen ist konkret die Inkongruenz mit der gesetzlichen Konzeption von § 34 StGB. Der größere Vorteil für die Gesellschaft, welcher als Ergebnis der Abwägung zu wahren ist, verlangt kein qualifiziertes Interessenübergewicht, sondern ergibt sich bereits bei einem einfachen Überwiegen.124 Auch nach dem utilitaristischen Ansatz ist folglich das Erfordernis des wesentlichen Überwiegens nicht plausibel zu erklären.125 Zudem kann die Angemessenheitsklausel als Korrektiv des Abwägungsergebnisses aufgrund der Tatsache, dass über den weitestmöglichen Gesellschaftsnutzen hinaus keine Anforderungen zu stellen sind, in diesem Ansatz nicht sachlich begründet werden.126 Eine Interpretation des Wesentlichkeitserfordernisses sowie der Angemessenheitsklausel im Sinne von ohnehin bedeutungslosen Elementen wurde schon im Rahmen der Bewertung des formalen Abwägungsprinzips abgelehnt.127 Daher lässt sich im Ergebnis auch das utilitaristische Prinzip des größtmöglichen Gesamtnutzens nicht in Einklang mit § 34 StGB in seiner gesetzlichen Ausprägung bringen. Dieser Widerspruch mit der Normkonzeption wird zumeist auch von den Vertretern jenes Ansatzes gesehen. Folge ist in vielen Fällen eine Relativierung der utilitaristischen Deutung von § 34 StGB. Der rechtfertigende Notstand sei demnach nicht vollständig mit utilitaristischen Prinzipien zu erklären. Ihm liege vielmehr ein Utilitarismus in beschränkter Form zugrunde.128 Diejenigen Elemente, die unter einem utilitaristischen Blickwinkel als kritisch zu erachten seien, verkörperten anderweitige Prinzipien und seien damit als Ausdruck der genannten Beschränkung zu sehen.129 Auf diese Weise würden nicht nur die Widersprüche zur Gesetzesfassung des § 34 StGB ausgeräumt, sondern auch die Inkongruenz mit der herrschenden Rechtsordnung relativiert. Die Notwendigkeit, ein Prinzip an entscheidenden Stellen zu modifizieren, damit es tauglich zur Erklärung her123

So im Ergebnis, allerdings ohne eingehende Begründung, auch Schmitz, S. 156 f. Vgl. Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 10; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 10; Engländer, GA 2010, 15, 19. 125 Engländer, GA 2010, 15, 19. 126 Gegen die Sinnhaftigkeit des § 34 S. 2 StGB unter Geltung des utilitaristischen Prinzips auch Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 10; Engländer, GA 2010, 15, 19. Vgl. zum Versuch einer utilitaritätskongruenten Deutung der Angemessenheitsklausel Joerden, GA 1991, 411, 421 ff.; kritisch dazu aber Schmitz, S. 154. 127 Vgl. dazu die Ausführungen unter D. I. 2. a) aa) (3). 128 In diesem Sinne Joerden, GA 1991, 411, 414; Meißner, S. 216 f.; vgl. auch Hruschka, Strafrecht, S. 113; Hruschka, JuS 1979, 385, 390. 129 Vgl. dazu die Darstellung bei Schmitz, S. 153. 124

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angezogen werden kann, deutet allerdings darauf hin, dass es sich dabei nicht um einen idealen Erklärungsansatz handelt.130 Speziell aus dogmatischer Sicht stellt die Stringenz eines Legitimationsmodells eine nicht zu missachtende Anforderung dar. Folglich ist es nicht möglich, die Existenz sowie die Wirkungen des § 34 StGB überhaupt mit utilitaristischen Erwägungen zu erklären. cc) § 34 StGB als Ausdruck des Ersatzes bzw. der Repräsentation einer Staatspflicht (1) Darstellung entsprechender Ansätze Ein weiterer Erklärungsansatz für § 34 StGB rekurriert im Kern auf Pflichten des Staates. Dieser Herangehensweise entspricht zum einen die spezielle Notstandsdeutung von Pawlik, die auf Hegels Notrechtstheorie in modifizierter Form gründet.131 Nach Pawliks Ansicht bezieht sich die Kollisionslage des § 34 StGB auf Momente rechtlicher Freiheit.132 Konkret kollidierten das zugunsten des Eingriffsopfers wirkende sogenannte „abstrakte Recht“ als Abwehrrecht gegenüber Eingriffen von außen133 mit dem „Recht des Wohls“ als legitimer Rechtsposition des Gefährdeten.134 Der Inhaber des Erhaltungsgutes sei auf den Fortbestand seines Rechtsguts angewiesen, um seine selbstständige, freie Existenz weiterzuführen.135 Somit diene die Eingriffsduldungspflicht aus § 34 StGB dem Ziel, fundamentale Bedingungen rechtlicher Freiheit vor einem zufälligen Untergang zu schützen.136 Ihr komme also ein freiheitsermöglichender Charakter zu.137 § 34 StGB betreffe dabei Situationen, in denen die Bekämpfung der Notlage durch Behörden oder sonstige organisatorisch verfasste Stellen nicht rechtzeitig möglich sei.138 Folglich kann man den Legitimationsgrund für die Inanspruchnahme des Bürgers in Pawliks Darstellung darin erkennen, dass der Betroffene ersatzweise eine grundsätzlich staatlich geprägte Aufgabe139 erfüllt.140 Dementspre130 Siehe zur Bewertung der Einschränkung des utilitaristischen Erklärungsansatzes auch Küper, JZ 2005, 105, 109; Pawlik, S. 55 f.; Schmitz, S. 153. 131 Siehe zur Heranziehung der Notrechtslehre von Hegel als Grundlage Pawlik, S. 83. 132 Vgl. hierzu Küper, JZ 2005, 105, 112. 133 Vgl. hierzu Pawlik, S. 179. 134 Vgl. die Darstellung bei Schmitz, S. 170. Siehe zu beiden Rechts- bzw. Freiheitspositionen Pawlik, S. 85 ff., 179 sowie Küper, JZ 2005, 105, 112. 135 Pawlik, S. 67. 136 Vgl. hierzu Pawlik, S. 104. 137 Pawlik, S. 104. 138 Pawlik, S. 104. 139 Pawlik, S. 180 ist zu entnehmen, dass die betreffenden Aufgaben grundsätzlich durch Institutionen wahrgenommen werden müssen. Institutionen werden im entsprechenden Kontext anzunehmenderweise als staatliche Gebilde zu interpretieren sein. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die auf S. 104 angesprochenen „Behörden

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chend bezeichnet Pawlik die Duldungspflicht im Rahmen des § 34 StGB auch als Pflicht „quasi-institutioneller“ Art.141 Hieraus ergibt sich die Berechtigung für die Einordnung der Ausführungen Pawliks in den staatspflichtbezogenen Kontext. Auch die Auffassung von Haas142 zur Erklärung des § 34 StGB lässt sich als staatspflichtbezogener Ansatz beschreiben. Zwar ist ebenfalls die Solidarität ein wichtiger Topos in dessen Argumentation.143 Ausschlaggebend für die Einordnung ist aber, dass die Notwendigkeit der Gewährung derartigen Verhaltens nach Haas einen öffentlich-rechtlichen Charakter aufweist.144 So stelle die Verpflichtung zur Duldung des Eingriffs eine öffentlich-rechtliche Pflicht dar, die einem Unbeteiligten auferlegt werde.145 Hierin sei eine Art öffentlich-rechtliche „Enteignung“ als Maßnahme zugunsten des Gefährdeten zu erkennen, die zur Legitimation der Staatsgewalt erforderlich sei.146 § 34 StGB beinhaltet nach dem Ansatz von Haas mithin eine originäre Pflicht zur Erfüllung einer staatlichen Aufgabe. (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Zu untersuchen ist nun, ob die beiden vorgestellten Deutungsmodelle in Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision stehen können. oder sonstigen organisatorisch verselbständigten Stellen“ als Teil der Verwaltung dem Staat zuzuordnen sind; vgl. zu letzterem etwa Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, Einleitung Rn. 10. Im Ausgangspunkt ist daher bei einer Interpretation der Ansicht von Pawlik eine Pflicht des Staates zugrunde zu legen. Schmitz, S. 171 f. weist demgegenüber auf einen Widerspruch in der Darstellung Pawliks hinsichtlich des Vorliegens einer im Ursprung staatlichen Pflicht hin. Jene Argumentation von Schmitz scheint allerdings allein auf die konkrete Notstandspflicht abzuzielen. Sie bezieht nicht den übergeordneten staatlichen Aufgabenbereich mit ein und greift aus diesem Grunde im Ergebnis zu kurz. 140 Dies lässt sich unter Berücksichtigung der in Fn. 139 Abschn. D. getroffenen Erwägungen aus den Ausführungen Pawliks auf S. 25, 104 folgern. Auf S. 123 nimmt Pawlik zwar an, dass man in der Rolle des Duldungspflichtigen ein Anliegen der Allgemeinheit als deren Repräsentant erfülle. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass Pawlik damit vom bislang dargelegten Charakter als Repräsentation einer Staatspflicht abweichen will. Vielmehr erscheint die Allgemeinheit im betreffenden Kontext ein Synonym bzw. eine verkürzte Darstellung für den Staat als Institution zugunsten der Allgemeinheit zu sein. Dieses Verständnis liegt implizit auch den Ausführungen von Schmitz, S. 171 f. zugrunde. 141 Siehe dazu Pawlik, S. 25, 104. 142 Haas, S. 260 ff., insbes. S. 262. 143 Haas, S. 260. Auch Pawlik, S. 180 ist im Übrigen eine Charakterisierung der Duldungspflicht als solidarische Handlung zu entnehmen. 144 Hierin liegt ein Unterschied zu dem im Folgenden eigenständig darzustellenden Prinzip der Mindestsolidarität, bei welchem die Solidarität des einzelnen Individuums im Fokus steht. 145 Haas, S. 262. 146 Haas, S. 262.

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Speziell in Hinblick auf die einzelnen Ausführungen Pawliks muss an einer Erfassung der reinen Binnenkollision gezweifelt werden. Die Kompatibilität scheitert zwar trotz der Beschreibung der Kollisionssituation als Widerstreit von Freiheitsmomenten nicht am Vorliegen einer Güterkollision.147 Das „abstrakte Recht“ deckt sich nämlich schon von seiner Begriffsbedeutung her mit dem Charakter eines Rechtsguts als abstraktem Wert. Auch enthält das „Recht des Wohls“ immer einen Bezugspunkt, dem der entsprechende rechtliche Schutz zukommen soll, womit die Rechtsgutsdefinition ebenfalls betroffen wäre.148 Allerdings liegt dem Verständnis des § 34 StGB nach Pawlik die Gewährleistung eines fremden Wohls zu Grunde. Im Falle reiner Binnenkollision geht es hingegen, wie Pawlik selbst ausführt, allein um die Definition des eigenen Wohls.149 § 34 StGB kann somit bereits diesbezüglich nicht auf eine reine Binnenkollision angewendet werden.150 Darüber hinaus stellt auch das „abstrakte Recht“ einen kongruenzbezogenen Konfliktpunkt dar. Denn nach Pawlik bezieht sich dieses auf die Abwehr ungewollter Eingriffe von außen.151 Im Kontext der reinen Binnenkollision wird aber jedes Handeln allein aus der eigenen Sphäre heraus begründet, sodass der Schutzgehalt, keine unerwünschten Eingriffe dulden zu müssen, gar nicht aktiviert ist. Zusammenfassend lassen sich mithin sowohl die Schutzdimension hinsichtlich des „Rechts des Wohls“ als auch die Interpretation des „abstrakten Rechts“ nicht in Einklang mit der Sonderkonstellation des Widerstreits von Rechtsgütern in einer Person bringen.152 Des Weiteren erscheint die allgemeine staatliche Prägung des Ansatzes im Zusammenhang mit der reinen Binnenkollision nicht überzeugend. Die eigene Gütersphäre zu gestalten, ist Sache jedes Einzelnen. Eine derart individuelle Entscheidung muss und darf keinerlei staatliche Lenkung aufweisen. Folglich ist eine im Grundsatz staatliche Aufgabe insoweit überhaupt nicht denkbar. Wenn man also entsprechend der Ansicht von Pawlik § 34 StGB mit einer Ersatzfunktion für staatliche Pflichten erklärt, kann diese Norm Fälle reiner Binnenkollision nicht sachlich zutreffend erfassen. Die Problematik der fehlenden Kongruenz mit dem Staatsbezug stellt sich auch in Hinblick auf die Auffassung von Haas. Der Staat kann einer Person ge147 Küper, JZ 2005, 105, 114 überführt die Kollisionsmomente von Pawlik in die Terminologie des rechtfertigenden Notstands. Das Erhaltungsgut repräsentiere das „Recht des Wohls“, das Eingriffsgut dagegen das „abstrakte Recht“, sprich den Anspruch auf Geltung der Freiheitsordnung. 148 Pawlik selbst stellt auf S. 67 die Güter des Gefährdeten als Schutzobjekte in den Raum. 149 Pawlik, S. 103 Fn. 140. 150 Siehe Pawlik, S. 103 Fn. 140. 151 Vgl. Pawlik, S. 179. 152 Kritisch ist darüber hinaus auch der bei Pawlik, S. 104 angesprochene Zufälligkeitsbezug. Denn ein zufälliger Untergang eines Rechtsguts ist nur schwerlich denkbar, wenn es sich um eine Binnenkollision im weiteren Sinne handelt.

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genüber, die eine eigene Entscheidung trifft, aufgrund deren allein ihre Güter gefährdet werden, nicht plausibel zur Hilfe verpflichtet sein. Insofern besteht in Fällen reiner Binnenkollision keine öffentlich-rechtliche Pflicht, die auf Individuen übertragen werden könnte. Zudem vermag der Charakter einer Enteignung, den Haas im Rahmen der Erklärung des § 34 StGB anführt, bei einer reinen Binnenkollision angesichts deren erforderlicher Willenswahrungskomponente keinen Anknüpfungspunkt zu finden. Die Deutungsweise des rechtfertigenden Notstands, wie Haas sie liefert, ist folglich nicht kompatibel mit einer Anwendung des § 34 StGB auf die reine Binnenkollision. Ein weiterer Aspekt, der gegen die Kongruenz mit der reinen Binnenkollision spricht, betrifft ebenso wie die bereits erörterte staatliche Prägung beide vorgestellten Ansätze. Wie es sich auch der erfolgten Darstellung implizit entnehmen lässt, bezieht sich die Legitimation jener Konzepte hauptsächlich auf die Duldungspflicht. Bei einer reinen Binnenkollision muss der Eingriff jedoch, wie schon mehrfach verdeutlicht, zwingend mit dem Willen des Betroffenen geschehen. Man „duldet“ also insoweit schlichtweg seine eigene Entscheidung, falls man in einem solchen Kontext überhaupt von einem Dulden sprechen kann.153 Die Duldungspflicht muss in Fällen reiner Binnenkollision folglich nicht gesondert legitimiert werden. Ein Prinzip, das sich in der Begründung hauptsächlich auf die Duldungsverpflichtung fokussiert, geht mithin bezüglich der reinen Binnenkollision ins Leere. Vor diesem Hintergrund kann § 34 StGB unter Geltung der staatspflichtgeprägten Prinzipien nicht als passender Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision herangezogen werden. (3) Kritische Überprüfung der dargestellten Ansätze als potentielle Prinzipien des § 34 StGB Nicht nur in Hinblick auf die Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision, auch bezogen auf die generelle Eignung als überzeugendes Prinzip hinter § 34 StGB lassen sich Einwände gegen die beiden staatspflichtgeprägten Herangehensweisen vorbringen. So stößt zum einen schon die grundlegende Interpretation der Hegel’schen Prinzipien durch Pawlik auf Kritik.154 Angesichts der philosophischen Orientierung der betreffenden Argumentation, die von der dogmatischen Grundprägung der vorliegenden Arbeit wegführt, soll jene aber nicht näher dargestellt werden. Darüber hinaus kann jedoch auch die Grundidee, § 34 StGB zentral als freiheitsgewährleistende Norm zu sehen, als solche nicht überzeugend Bestand haben. 153 Vgl. zur strukturellen Inkompatibilität der reinen Binnenkollision mit der Duldungspflicht aus § 34 StGB unter besonderer Betonung des Pflichtenelements die Ausführungen unter D. I. 2. b) dd). 154 Siehe hierzu ausführlich Küper, JZ 2005, 105, 112 f.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Sie vernachlässigt nämlich, dass hinsichtlich des Duldungspflichtigen evident eine Freiheitsverletzung gegeben ist.155 Selbst wenn man die Duldungsverpflichtung im Kern als staatliche Pflicht ansieht, ändert dies nichts daran, dass de facto die persönliche Freiheit des Eingriffsopfers mit betroffen ist. Im Gegenteil stellt sogar der Zwang, ersatzweise eine staatliche Pflicht zu erfüllen, selbst eine legitimationsbedürftige Beschränkung von Freiheit dar.156 Auf diese Weise lässt sich der Gesamtcharakter nicht als Gewährleistung von Freiheit beschreiben. In Bezug auf den Ansatz von Haas wird in Zweifel gezogen, ob es im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip stehen kann, eine staatliche Pflicht originär auf den Bürger überzuwälzen, um die Legitimation der Staatsgewalt – die allein in die Sphäre des Staates und nicht des Bürgers fällt – zu gewährleisten.157 Außerdem besteht die Schwierigkeit,158 dass der von Haas aufgestellte Vergleich mit einer Enteignung einen Entschädigungsanspruch gegen den Staat voraussetzt, den es nach geltendem Recht nicht gibt.159 Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich demgegenüber auf beide dargestellten Ansätze. Bereits im Rahmen der Untersuchung der Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision wurde darauf hingewiesen, dass die betroffenen Legitimationsmodelle schwerpunktmäßig die Duldungspflicht behandeln. Der Grund der Strafbefreiung wird von diesen dagegen nahezu ausgeklammert und nicht in Bezug zur staatspflichtbezogenen Deutung gesetzt. An das Prinzip hinter § 34 StGB ist indes bekanntermaßen die Anforderung zu stellen, dass es sowohl die Duldungspflicht als auch den Grund der Straflosigkeit plausibel zu erklären vermag. Dementsprechend soll im Folgenden versucht werden, die Lücke in der Ausgestaltung jener Ansätze unter Berücksichtigung des zugrunde liegenden Prinzips zu schließen und auf dessen Basis eine Begründung für die Straflosigkeit des Eingreifenden zu finden. In diesem Sinne ist Voraussetzung, dass auch der Notstandstäter in Erfüllung einer staatlichen Pflicht handelt. Für den Notstandshilfetäter mag dies durchaus zu bejahen sein. Durch dessen Handlung wird ermöglicht, dass der Duldungspflichtige die unterstellt prinzipiell staatliche Aufgabe realisieren kann. In ihrem Zusammenspiel können somit beide der ersatzweisen Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht dienen. Die Erhaltung des bedrohten Gutes ist dabei aus Sicht des Notstandshilfetäters ohnehin fremdnützig, sodass auch eine Interpretation als im Endeffekt zugunsten des Staates wirkend denkbar ist. Es er155 Vgl. zur Bedeutung des „Rechts des Wohls“ des Eingriffsopfers Küper, JZ 2005, 105, 114. 156 Vgl. zu der genannten Argumentation Küper, JZ 2005, 105, 115. 157 Vgl. dazu Renzikowski, S. 193. 158 Jene zugrunde liegende Problematik stellt sich im Übrigen auch im Rahmen des Ansatzes von Pawlik, vgl. Schmitz, S. 171. 159 Vgl. Schmitz, S. 166. Auch Haas selbst weist auf S. 262 auf das Fehlen eines derartigen Anspruches hin, das er als verfassungsrechtlich fragwürdig erachtet. Siehe zu weiteren vorgebrachten Einwänden gegen die Ausführungen von Haas Engländer, S. 93 Fn. 350; Schmitz, S. 165 f.

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scheint jedoch problematisch, auch den Notstandstäter, der die Handlung zur Rettung seines eigenen Gutes begeht, als staatlichen Repräsentanten anzusehen. Seine Handlung dient vielmehr dem selbst veranlassten Schutz seiner individuellen Rechtsgütersphäre. Ihn demgegenüber hauptsächlich als Repräsentanten des Staates zu erachten, wäre eine rein fiktive Konstruktion. Unter staatspflichtbezogenen Gesichtspunkten lässt sich § 34 StGB folglich nicht umfassend erklären. Aus diesem Grunde können die betreffenden Lösungsansätze nicht das einschlägige Prinzip hinter dem rechtfertigenden Notstand verkörpern. dd) § 34 StGB als Ausdruck des Prinzips wechselseitiger Mindestsolidarität (1) Darstellung des Prinzips Überwiegend wird § 34 StGB unter Rückgriff auf den Solidaritätsgedanken erklärt.160 Im Zentrum jener Argumentation steht konkret das Konzept wechselseitiger mitmenschlicher Solidarität161.162 Für jeden bestehe die Möglichkeit, in eine Notlage zu geraten, in der es ein Interesse daran gäbe, die Gefahr auf Kosten anderer abzuwenden. Die Option, sich auch rechtmäßig dergestalt verhalten zu dürfen, existiere jedoch nur, wenn man selbst anderen in entsprechenden Situationen die gleiche Eingriffsbefugnis einräume.163 Dieses Verhältnis lässt sich als eine Art versicherungsgleiche Regelung auf Gegenseitigkeit charakterisieren.164 Die in § 34 StGB niederlegte Eingriffsbefugnis stelle in diesem Sinne eine Entlastung in Hinblick auf Lebensrisiken dar. Um hiervon profitieren zu können, zahle man eine „Versicherungsprämie“, die darin liege, selbst zur Solidarität gegenüber vergleichbarem Verhalten verpflichtet zu sein.165 160

In diesem Sinne z. B. Kühl, AT, § 8 Rn. 9 f.; Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 1; Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 1; Erb, JuS 2010, 17, 18; Frister, GA 1988, 291, 292; Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 581; Neumann, in: Grenzen des Paternalismus, S. 245, 253; Renzikowski, S. 188 ff. Im Unterschied zur Darstellung von Haas betrifft die in Rede stehende Solidarität vorliegend nicht den Staat, sondern die Betroffenen als solche. Vgl. hierzu die Ausführungen unter D. I. 2. a) cc) (1), S. 117 speziell mit dem Hinweis in Fn. 144 Abschn. D. 161 Im Folgenden soll lediglich auf das herrschende Verständnis von individueller Solidarität Bezug genommen werden. Demgegenüber wird Solidarität vereinzelt auch als Ausdruck eines christlich geprägten Altruismus verstanden und folglich eine moralische Pflicht zugrunde gelegt; vgl. dazu Kühl, in: FS Hirsch, S. 259, 270, 275; siehe ferner auch Meißner, S. 123 m.w. N. 162 Vgl. insoweit die Darstellung bei Haas, S. 255. 163 So Engländer, GA 2010, 15, 20; vgl. auch die Darstellung bei Pawlik, S. 65. 164 Siehe dazu Engländer, GA 2010, 15, 20; Engländer, S. 93 sowie auch Merkel, in: Zustand, S. 171, 185, der von einer rational begründeten und wechselseitig ausgestalteten „social insurace policy“ spricht. Auch Pawlik, S. 65 betont in seiner Darstellung des in Rede stehenden Prinzips den Versicherungscharakter und spricht von „Tauschgerechtigkeit“ sowie dem „Gedanken[s] der Reziprozität“. 165 Vgl. zu jenen genannten Aspekten die Darstellung bei Pawlik, S. 65.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Hinsichtlich der Begründung, warum man sich als Individuum an einem solchen Versicherungsgefüge beteiligen würde, existieren zwei Ansätze. Zum einen wird auf den Gedanken des verständigen Eigeninteresses abgestellt,166 der teils auch als Maxime der Klugheit bezeichnet wird.167 Danach zeige man sich deshalb solidarisch, damit in Zukunft auch die anderen Solidarität bewiesen, falls man selbst in eine derartige Lage käme.168 Der diesbezügliche eigene Vorteil soll also bedingen, dass man aus rationalen Gründen nicht ablehnen kann.169 Vernünftigerweise müsste folglich jeder dem Eingriff zustimmen, weswegen zum Teil auch von einer „Art generalisierter mutmaßlicher Einwilligung“ gesprochen wird.170 Dieser Ansatz ist zwar primär zukunftsorientiert ausgestaltet.171 Ihm kann man jedoch auch einen gewissen Gegenwartsbezug entnehmen. Denn wenn man auf die Hilfe anderer in der Zukunft vertrauen kann, reduziert sich entsprechend dem aufgezeigten Versicherungscharakter die Notwendigkeit, eigene Vorsorgemaßnahmen zu treffen.172 Die hiermit verbundene freiere Gestaltung des Lebens ohne zwingende übermäßige Vorsicht kann als Vorteil gesehen werden, der nicht erst in der Zukunft, sondern bereits gegenwärtig Wirkung entfaltet.173 Dagegen ist der zweite Ansatz zur Begründung der Teilnahme an dem betreffenden Versicherungsverhältnis rein als vergangenheitsbezogen zu charakterisieren.174 Konkret sei man aus Gründen der Fairness zur Solidarität verpflichtet, wenn und weil man selbst Solidarität von anderen in Anspruch genommen habe.175 Allen vorgestellten Begründungsansätzen ist gemein, dass sie auf die Rolle des einzelnen und dessen realisierte bzw. noch zu realisierende individuelle Vorteile rekurrieren. Zwar ergibt sich aus der versicherungsgleichen Verbindung im Gesamten auch ein Nutzen für die ganze Gesellschaft. Nicht diese als solche, sondern die jeweiligen Individuen stehen aber als Begünstigte im Mittelpunkt. Der vorliegend erörterte Solidaritätsgedanke ist daher als individuell basierter Ansatz zu beschreiben. Gerade diese individualbezogene Bedeutung ist es, die für die Betroffenen in der Konsequenz eine Begrenzung der Solidaritätspflicht notwendig erscheinen 166

Vgl. zu diesem Terminus Roxin, AT I, § 16 Rn. 10. Küper, JZ 2005, 105, 110; vgl. auch Pawlik, S. 70. 168 Vgl. hierzu die Darstellung bei Pawlik, S. 71, 76. 169 Küper, JZ 2005, 105, 109 mit Verweis auf Merkel, in: Zustand, S. 171, 185. 170 Vgl. dazu Küper, JZ 2005, 105, 109. Schmitz, S. 175 bezeichnet die Funktion des § 34 StGB als Ersetzung der erwarteten Einwilligung und geht insoweit ausdrücklich von einer „aufgezwungene[n] Einwilligung“ aus. 171 Vgl. zum Zukunftsbezug Pawlik, S. 71, 76. 172 Renzikowski, S. 197. 173 Vgl. Renzikowski, S. 197; Schmitz, S. 169. 174 Vgl. Pawlik, S. 75 f. 175 Roxin, AT I, § 16 Rn. 10. 167

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lässt. Einschränkungen der persönlichen Freiheit, wie sie mit einer Verpflichtung zur Leistung von Solidarität verbunden sind, können nämlich nur ausnahmsweise als möglich zu erachten sein.176 Dementsprechend wird von den Vertretern des Prinzips der wechselseitigen Solidarität keine absolute Solidarität, sondern lediglich eine Mindestsolidarität gefordert.177 Nur wenn das Opfer des Duldungspflichtigen kleiner sei als der damit erreichte Vorteil, könne man diesem die Zulässigkeit des Eingriffs auch im konkreten Fall plausibel nahebringen.178 Somit ließe sich die Aufopferung nur dann fordern, wenn sich die zu wahrenden Interessen als wesentlich wichtiger erwiesen als diejenigen des Eingriffsadressaten.179 Dem entspricht die gesetzliche Fassung des § 34 StGB, die mit dem Erfordernis des wesentlichen Überwiegens die Eingriffsbefugnis auf ein für den Betroffenen adäquates Maß beschränkt.180 Auch die absoluten Aufopferungsgrenzen, die mit der Angemessenheitsklausel des § 34 S. 2 StGB aufgestellt werden, haben vor dem genannten Hintergrund ihre Berechtigung.181 Zusammenfassend ist nach dem in Rede stehenden Prinzip die Legitimationsgrundlage des § 34 StGB in der Teilnahme an einer versicherungsgleichen Verbindung auf Gegenseitigkeit zu erkennen, welche die Leistung von Solidarität zum Gegenstand hat.182 Auf dieser Basis lässt sich zum einen die Duldungspflicht plausibel erklären. Aber auch für die Eingriffsbefugnis des Notstandstäters bzw. die damit verbundene Straflosigkeit kann das betreffende Modell eine Begründung liefern. Denn nicht nur die Solidaritätsgewährung, sondern auch die Solidaritätsinanspruchnahme ist Bestandteil des versicherungsgleichen Verhältnisses. Der Handelnde agiert folglich auf der Grundlage des „Versicherungsvertrags“. Im Falle des Notstandstäters, der seine eigenen Güter rettet, nimmt dieser den „vertraglich“ gewährten Solidaritätsanspruch gegenüber seinen Mitmenschen persönlich wahr. Er erlangt mithin die ihm als Versicherungsnehmer zustehende Leistung. Handelt nicht der Gefährdete selbst, sondern ein Dritter im Wege der Notstandshilfe, beansprucht dieser die Rechte des konkret Begünstigten als eine Art Vertreter, sodass auch dessen Verhalten auf die zugrunde liegende Verpflichtung zur wechselseitigen Solidarität zurückzuführen ist. Das Prinzip der Mindestsolidarität besitzt somit einen umfassenden Erklärungsgehalt. 176

Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 11; vgl. auch Meyer, GA 2004, 356, 364. Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 1; Momsen, in: BeckOK-StGB, § 34 Rn. 1; so sinngemäß auch Kühl, AT, § 8 Rn. 10. 178 Vgl. Kühl, AT, § 8 Rn. 9. 179 Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 11. 180 Vgl. dazu Engländer, GA 2010, 15, 20; siehe zum Einklang von wesentlichem Überwiegen mit dem Solidaritätsprinzip auch Knauf, S. 88. 181 Vgl. Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 1; Engländer, GA 2010, 15, 20. 182 Die erfolgte Darstellung des Prinzips der wechselseitigen Mindestsolidarität betrifft § 34 StGB in seiner Ausprägung als Aggressivnotstand. Vgl. zu Solidaritätspflichten im Defensivnotstand Günther, in: SK-StGB, § 34 Rn. 12; siehe auch Kindhäuser, LPK-StGB, § 34 Rn. 47. 177

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

(2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Unter Rekurs auf das Prinzip wechselseitiger Mindestsolidarität ergeben sich gemeinhin tiefgreifende Zweifel an einer Kompatibilität des rechtfertigenden Notstands mit Fällen reiner Binnenkollision. So wird vorgebracht, die Rechtfertigung eines Eingriffs bei Betroffenheit nur einer einzigen Person lasse sich nicht in Einklang mit dem dargestellten Solidaritätsgedanken des § 34 StGB bringen.183 Dieser setze einen sozialen Kontakt im Mehrpersonenverhältnis voraus.184 Niemand könne sich sinnvollerweise selbst eine Mindestsolidarität schulden.185 Das entspricht zweifelsohne dem herkömmlichen Verständnis von Solidarität. Durch Bezugnahme auf den Topos der versicherungsgleichen Regelung auf Gegenseitigkeit bekommt zudem die konkret behauptete Ausrichtung des § 34 StGB auf ein Mehrpersonenverhältnis eine materielle Grundlage. Zwar könnte man hinsichtlich einer Versicherungsanalogie unter Umständen auch bei einer reinen Binnenkollision davon ausgehen, dass der Eingriff in der Erwartung gestattet werde, etwas dafür zu bekommen, nämlich die Realisierung seines eigenen Wunsches. Dieses Resultat wäre aber unmittelbar mit dem konkreten Eingriff verknüpft. Bei einer versicherungsgleichen Beziehung erlangt man den Vorteil hingegen regelmäßig nicht direkt aus dem für einen selbst abstrakt nachteiligen Beitrag. Dieser ist speziell in der Zahlung der Versicherungsprämie zu erblicken. Die positiven Effekte aus einer Versicherung sind aber nicht mit jeder einzelnen Zahlung verbunden, sondern kompensieren übergreifend und allgemein den durch die Zahlungsverpflichtung entstehenden Nachteil.186 Daher kann schon insoweit bei Betroffenheit eines einzigen Rechtsgutsträgers nicht von dem versicherungsartigen Grundcharakter ausgegangen werden. Außerdem lässt sich das postulierte Gegenseitigkeitsverhältnis einer solchen Versicherungsbeziehung nicht mit dem Vorliegen einer reinen Binnenkollision vereinbaren. Vorteil und „Nachteil“ betreffen dabei allein ein und dieselbe Person. Der die entsprechende Handlung vornehmende Dritte stellt lediglich den verlängerten Arm des Betroffenen dar, sodass er diesbezüglich keine eigenständige Rolle spielen kann. Damit widerspricht der Charakter des § 34 StGB als wechselseitige versicherungsgleiche Verbindung auf Gegenseitigkeit der Anwendbarkeit auf Fälle reiner Binnenkollision.187 Des Weiteren muss die solidaritätsbezogene Deutung des § 34 StGB konkret daraufhin untersucht werden, ob sie im Einklang mit dem Autonomieprinzip als 183

In diesem Sinne etwa Jakobs, AT, Abschn. 13 Rn. 34; Fisch, S. 106. Knauf, S. 84; Trück, S. 90. 185 Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9; Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 30; Engländer, GA 2010, 15, 21; Erb, JuS 2010, 17, 20. 186 Vgl. zu dem dargestellten Argument auch Schmitz, S. 177. 187 So auch Engländer, GA 2010, 15, 25. Schmitz, S. 177 weist darüber hinaus auf die fehlende Sinnhaftigkeit einer zwangsweisen Durchsetzung eines derartigen Versicherungsprinzips in Fällen reiner Binnenkollision hin. 184

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Leitlinie jeder reinen Binnenkollision steht. Einen Widerspruch könnte man jedenfalls dann ausschließen, wenn die betreffende Gewährleistung von Solidarität immer freiwillig geschähe. Erwägenswert ist insofern, ob Solidarität schon der Definition nach ein freiwilliges Verhalten beinhaltet. Wenn sich Solidarität allein auf eine innere Einstellung bezöge, müsste damit notwendigerweise eine freie Entscheidung verbunden sein. Schließlich kann man eine reale innere Einstellung schwerlich aufzwingen. Dieses Verständnis von Solidarität mutet allerdings unter Berücksichtigung des Charakters als denkbares Element einer Versicherung zu eng an. Versicherungsleistungen müssen abstrakt zu bestimmende sachliche Parameter darstellen. Mit dem Begriff der Solidarität kann somit lediglich die abstrakte Beschreibung als ein Verhalten verbunden sein, welches durch das Einstehen für andere gekennzeichnet ist. Ein solches Verhalten kann sowohl freiwillig geschehen als auch aufgezwungen werden.188 Rein der Definition nach zeichnet sich Solidarität folglich nicht zwingend durch Freiwilligkeit aus. Damit ist zwar auch nicht per se ausgeschlossen, dass die § 34 StGB zugrunde liegende versicherungsgleiche Regelung in ihrer konkreten Ausgestaltung auf freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen beruht. § 34 StGB gilt jedoch ausnahmslos für alle entsprechend handelnden Personen. Ein Einfallstor für individuelle Erwägungen ist nicht vorgesehen. Denkbar wäre daher zur Bejahung einer vollumfänglichen Freiwilligkeit allein die Annahme, dass sich jedes einzelne Individuum frei für eine solche Regelung entschieden hat. Hierfür könnte man argumentativ gegebenenfalls das Interesse anführen, in der Zukunft von der geleisteten Solidarität profitieren bzw. damit Profite aus der Vergangenheit vergelten zu können. Als abstrakte Begründung eines solidaritätsverpflichtenden Systems189 mag diese Annahme auch durchaus geeignet sein. Davon auszugehen, dass jene Erklärung den wahren Willen jedes einzelnen repräsentiert, wäre aber eine reine Fiktion, die mit dem Makel der Lebensfremdheit behaftet wäre. Eine Kongruenz mit dem Autonomieprinzip kann somit nicht hergestellt werden.190 Aufgrund der Tatsache, dass hierin aber gerade das notwendigerweise einzuhaltende Kernelement jeder reinen Binnenkollision liegt, muss in der Konsequenz die Anwendbarkeit 188 Das in Fn. 162 Abschn. D. angesprochene christlich-moralisch begründete Verständnis von Solidarität, welches auf Nächstenliebe fußt, könnte hingegen nicht aufgezwungen werden, ohne in Widerspruch mit sich selbst zu geraten, vgl. Meißner, S. 130. Demnach läge Solidarität nur bei einer freiwilligen Entscheidung vor. Eine gesetzliche Verpflichtung wäre insofern als widersinniges Instrument anzusehen. Vgl. zu beidem Pawlik, S. 64 f. 189 Man könnte die versicherungsanaloge Regelung des § 34 StGB insoweit mit einer Pflichtversicherung, etwa mit der für KFZ nach § 1 PflVG, vergleichen. 190 Siehe dazu Pawlik, S. 66, der betont, dass man nicht von einer tatsächlichen, höchstens – unter Rekurs auf die Lehre vom Gesellschaftsvertrag – von einer unterstellten Zustimmung zum Versicherungsverhältnis ausgehen könne. Vgl. des Weiteren den Hinweis in Fn. 170 Abschn. D. auf die Charakterisierung von Schmitz, S. 175 als „aufgezwungene Einwilligung“. Auch Meißner, S. 124 zeigt eine Spannung zwischen Solidaritätspflicht und Autonomieprinzip auf.

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des § 34 StGB auf Fälle reiner Binnenkollision unter Geltung des Prinzips der wechselseitigen Mindestsolidarität abgelehnt werden. Mit Neumann191 und Merkel192 gibt es jedoch zwei Vertreter des Solidaritätsgedankens, die trotz Geltung jenes Prinzips zumindest in gewissen Fällen eine Anwendbarkeit des § 34 StGB auf die reine Binnenkollision für möglich erachten.193 Im Grundsatz stimmt Neumann der vorliegend getroffenen Aussage hinsichtlich der mangelnden Kongruenz des Solidaritätsprinzips mit Fällen reiner Binnenkollision zu. Es sei in der Tat kein Akt der Solidarität, eigene Interessen zugunsten anderer, einem selbst zustehender Interessen aufzugeben. Vielmehr sei in solchen Konstellationen das Autonomieprinzip einschlägig.194 In denjenigen Situationen, in denen das Autonomieprinzip und die darauf basierenden Einwilligungsregeln aber durch § 216 StGB behindert würden, müsse indes in Bezug auf die Heranziehung von § 34 StGB eine Ausnahme gemacht werden.195 Denn der Wille der betroffenen Person könne dann allein über die objektive Abwägung des rechtfertigenden Notstands gewahrt und umgesetzt werden.196 Insoweit nimmt Neumann auch eine ausnahmsweise bestehende Kongruenz mit dem Solidaritätsgedanken an. Nicht nur § 34 StGB, sondern auch § 216 StGB beinhalte grundsätzlich die Gewährleistung von Solidarität, nämlich konkret, indem letztgenannte Norm den Betroffenen vor übereilten Entscheidungen schütze.197 Wenn ein derartiger Schutz jedoch ausnahmsweise nicht nötig sei, gebiete der Grundsatz der Solidarität gerade das umgekehrte Verhalten. Es müsse dann eine andere Norm angewendet werden, um den generellen Schutz im konkreten Fall aufzuheben.198 Die insoweit betroffene Rechtfertigung durch § 34 StGB lässt sich dem191

In: FS Herzberg, S. 575, 581 ff.; vgl. ferner in: Solidarität im Strafrecht, S. 155,

167 f. 192 In: FS Schroeder, S. 297, 310 sowie in seiner Monographie „Früheuthanasie“, S. 528 ff. 193 Auch Kühl ist als Vertreter des Solidaritätsprinzip zu qualifizieren, der eine Rechtfertigung der konfliktträchtigen Fälle über § 34 StGB zulässt; vgl. Kühl, AT, § 8 Rn. 9 sowie Rn. 34. Er stützt dies allerdings, wie es sich letztgenannter Rn. entnehmen lässt, insoweit maßgeblich auf den Topos des Schutzes des überwiegenden Interesses, den er im Zusammenhang mit dem Gesetzeszweck nennt. Eine Kongruenz der reinen Binnenkollision mit dem Solidaritätsgedanken erkennt er hingegen durchaus als kritisch an. 194 Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 581. 195 Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583. 196 Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583. 197 Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583. Auch Bottke, GA 1982, 346, 356 spricht im Zusammenhang mit der Verhinderung eines Suizides von einer Demonstration von Solidarität. 198 So Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583. In seinem Beitrag in: Solidarität im Strafrecht, S. 155, 168 lehnt Neumann hingegen einen Solidaritätsbezug bei einer paternalistischen Deutung des § 216 StGB ab.

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entsprechend nach Neumann mit dem Gedanken der Solidarität erklären. Auch in Hinblick auf ein durch § 216 StGB verkörpertes Tötungstabu199 spricht Neumann in jenen Ausnahmefällen von einem solidarischen Verhalten. Dies sei darin zu sehen, dass die Gesellschaft ausnahmsweise auf die Durchsetzung des Tabus verzichte,200 was in Gestalt der Anwendung des § 34 StGB realisiert wird. Zusammenfassend erkennt Neumann also in den Konstellationen, in denen § 34 StGB von ihm als zur Lösung reiner Binnenkollisionen erforderlich erachtet wird, keinen Widerspruch zum Solidaritätsprinzip.201 Bezogen auf die Ansicht Neumanns ist zunächst anzumerken, dass Fälle mit Lebensbetroffenheit, speziell auch die indirekte Sterbehilfe, die als Grundlage seiner Ausführungen fungiert,202 durchaus reine Binnenkollisionen sein können. Thematisch gesehen fügt sich die Erörterung Neumanns damit in den zu behandelnden Problemkreis ein. Allerdings basiert dessen Herangehensweise auf einer bestehenden Sperrwirkung des § 216 StGB. Bei einer existierenden materiellen Sperrwirkung von § 216 StGB sind Fälle reiner Binnenkollision aber gar nicht denkbar.203 Dem damit verbundenen Ausschluss der reinen Binnenkollision von der betreffenden Argumentationsbasis ließe sich nur entgehen, wenn man die Darstellung Neumanns lediglich im Sinne einer formell bestehenden Sperre durch die indispositive Norm des § 216 StGB interpretiert.204 Selbst dann verbleiben jedoch entscheidende Kritikpunkte. Zwar ist die prinzipielle Annahme, dass in Hinblick auf den Schutz des Betroffenen Solidarität in zwei gegensätzlichen Formen aufzutreten vermag, kein zwingender logischer Widerspruch. Solidarität kann vielerlei Gestalten aufweisen, die durchaus von konkreten Umständen abhängig sein und insofern divergieren können. Ungereimtheiten ergeben sich aber hinsichtlich des Solidaritätsbezugs, der mit der postulierten Anwendung von § 34 StGB verbunden ist. Herkömmlicherweise wird in entsprechenden Konstellationen der Sterbewillige als Eingriffsopfer erachtet. Dieser kann sich jedoch selbst keine Solidarität erweisen.205 Die Solidarität vermag folglich in den einschlägigen Fällen nicht vom Sterbewilligen als Eingriffsopfer auszugehen, sondern muss von jemand anderem geleistet werden. Letzteres liegt auch der Auffassung von Neumann 199 Vgl. zur Deutung des § 216 StGB durch Neumann dessen Ausführungen in: FS Herzberg, S. 575, 582. 200 Allerdings findet sich die entsprechende Aussage Neumanns nicht in dessen Abhandlung in FS Herzberg, S. 575 ff., sondern in NK-StGB, § 34 Rn. 37 sowie in dem Beitrag in: Solidarität im Strafrecht, S. 155, 168. 201 Wenngleich er sich in einem Beitrag neueren Datums, konkret in: Solidarität im Strafrecht, S. 155, 168 aus dem Jahre 2013 im Ergebnis auf die Postulierung einer „eher analog“[en] Anwendung des § 34 StGB in derartigen Fällen beschränkt. 202 Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 582. 203 Siehe dazu bereits die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb). 204 Vgl. zu den entsprechenden Erwägungen wiederum bereits die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb). 205 Die fehlende Möglichkeit der Solidaritätsgewährleistung zugunsten von sich selbst vertritt auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 581.

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zugrunde. Wie gezeigt, sieht er die Gesellschaft als Solidaritätsgewährende an, wenn sie ausnahmsweise auf einen nicht erforderlichen Schutz des Sterbewilligen oder auf die Einhaltung des Tötungstabus verzichtet.206 Problematisch erscheint indes, ob dies der Struktur des in Rede stehenden Solidaritätsprinzips von § 34 StGB entsprechen kann. Die gängige Interpretation des rechtfertigenden Notstands auf der Grundlage jenes Prinzips beinhaltet eine Solidaritätsgewährung seitens des Eingriffsopfers in Gestalt der Duldungspflicht. Eine Übereinstimmung ließe sich daher nur erreichen, wenn man nicht den Sterbewilligen als Eingriffsopfer erachtete, sondern ein Eingriff in ein Rechtsgut der Gesellschaft als Solidaritätsleistende festzustellen wäre. Man könnte insoweit abstrakt erwägen, dem Prinzip hinter § 216 StGB Rechtsgutscharakter zuzuerkennen oder zumindest auf dahinterstehende Rechtsgüter abzustellen. Ein Eingriff in einen derartigen Grundsatz bzw. die daran beteiligten Güter durch dessen fehlende Einforderung kann jedoch denklogisch nur möglich sein, wenn der Grundsatz im konkreten Fall auch Wirkung entfaltet. Bei einer damit verbundenen materiellen Sperrwirkung sind Fälle reiner Binnenkollision aber gerade ausgeschlossen. Im Kontext der reinen Binnenkollision kann folglich nicht auf einen entsprechenden Eingriff in ein solches Gesellschaftsgut rekurriert werden. Aber auch unabhängig von der konkreten Eingriffsfrage stellt sich im einschlägigen Zusammenhang ein Kongruenzproblem. Will man einen vom Sterbewilligen Verschiedenen als Eingriffsopfer erachten, um eine Übereinstimmung mit der herrschenden Konzeption des Solidaritätsprinzips hinter § 34 StGB zu erreichen, bedingt dies notwendigerweise die Beteiligung eines Drittrechtsguts. In der Konsequenz läge somit zwingend eine partielle Binnenkollision vor. Mit jener Argumentation ließe sich also eine Kongruenz zur reinen Binnenkollision keinesfalls begründen. In Hinblick auf Neumann ist aber ohnehin zu konstatieren, dass es nicht dessen Darstellung entspricht, einen Dritten als Eingriffsopfer anzusehen. Vielmehr versteht er allein den Sterbewilligen als vom Notstandseingriff Betroffenen, demgegenüber Solidarität geübt werde.207 Damit vertritt er unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Erwägungen ein Verständnis von Solidarität, das sich nicht im Einklang mit der generellen solidaritätsbezogenen Begründung von § 34 StGB befindet. Zusammenfassend kann Neumann mithin eine Kongruenz der Fälle reiner Binnenkollision mit § 34 StGB unter Geltung des Prinzips wechselseitiger Mindestsolidarität nicht überzeugend vermitteln. Während Neumann, wie gesehen, einen Einklang mit dem Solidaritätsprinzip zumindest in Ausnahmefällen zu begründen versucht, geht Merkel einen anderen 206 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 198 Abschn. D. sowie Fn. 200 Abschn. D. Kritisch zu einem entsprechenden Verständnis als solidaritätsbezogen aber Engländer, GA 2010, 15, 22, der das Entfallen eines Schutzes in den maßgeblichen Fällen allein als autonomiegewährend erachtet. 207 Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583: „Solidarität mit dem potentiellen Opfer“, „Solidarität mit dem Sterbewilligen“.

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Weg. Er räumt ein, dass zwischen der reinen Binnenkollision und dem Solidaritätsprinzip hinter § 34 StGB keine Kongruenz angenommen werden kann. Der rechtfertigende Notstand sei allerdings dennoch die einzige Norm, die zur Lösung in gewissen Ausnahmefällen zur Verfügung stehe.208 Man brauchte § 34 StGB zum einen notwendigerweise dann, wenn der Betroffene selbst keinen eigenen Willen bilden könne und dies auch noch nie zu tun in der Lage gewesen sei. Mangels subjektiver Präferenzen könne insoweit nicht auf die Einwilligungsregeln zurückgegriffen werden, sodass nur § 34 StGB als Rechtfertigungsmöglichkeit bliebe.209 Auch bei der indirekten Sterbehilfe sei jener Ansatz als einzig verfügbare Lösung anzusehen.210 Allein die Interessenabwägung des § 34 StGB mache ein methodisch kontrolliertes Vorgehen möglich, bei welchem die entscheidenden sachlichen Gründe offengelegt würden.211 Die prinzipielle Inkompatibilität der Norm mit Fällen reiner Binnenkollision soll dabei durch eine analoge Anwendung des § 34 StGB umgangen werden.212 Merkel unterfüttert diese Analogiebildung mit einem erst-recht-Schluss: Wenn sogar Eingriffe in Rechtsgüter eines unbeteiligten Dritten möglich seien, müssten erst recht Eingriffe in die Güter desjenigen erlaubt werden, der davon profitiere.213 Gegen die Herangehensweise Merkels lassen sich auf mehreren Ebenen gewichtige Kritikpunkte einwenden. Inhaltlich gesehen vermag man die postulierte Notwendigkeit des Rückgriffs auf § 34 StGB in den dargestellten Fällen zwar erst nach erfolgter Konturierung des Anwendungsbereichs der Einwilligungsregeln abschließend zu beurteilen.214 Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich auch innerhalb des Einwilligungsregimes adäquate Lösungsmöglichkeiten ergeben.215 Des 208

Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 310; Merkel, S. 528. Siehe zu dem genannten Argument Merkel, S. 528, 530; vgl. auch die Darstellung bei Engländer, GA 2010, 15, 23 f. 210 Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 310. 211 So die Darstellung bei Engländer, GA 2010, 15, 22 mit Verweis auf Merkel, der sich in „Früheuthanasie“ auf S. 528 im genannten Sinne, wenngleich mit etwas anderer Wortwahl, äußert. Vgl. außerdem Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 310. 212 Merkel, S. 533; siehe zudem Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 310 für eine analoge Anwendung im Spezialfall der indirekten Sterbehilfe. Merkel, S. 533 f. zeigt neben der Analogie aber auch die Auslegung des § 34 StGB als seiner Meinung nach bestehende Möglichkeit zur Erfassung der reinen Binnenkollision auf. Vgl. zu jener konkreten auslegungsbezogenen Argumentation die Ausführungen unter D. I. 2. b) cc), S. 140 mit Fn. 255 Abschn. D. Dass indes im Übrigen auch Neumann in neuerer Zeit die postulierte Anwendbarkeit des § 34 StGB auf eine analoge Heranziehung beschränkt, wurde bereits in Fn. 201 Abschn. D. angeführt. 213 Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 310; Merkel, S. 154; vgl. auch die Darstellung bei Engländer, GA 2010, 15, 25. 214 Vgl. zur Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei anfänglicher Einwilligungsunfähigkeit die Ausführungen unter F. III. 2. sowie im Falle der indirekten Sterbehilfe die Darstellung unter G. II. 2. 215 So auch Engländer, GA 2010, 15, 24 hinsichtlich der Handhabung bei anfänglicher Einwilligungsunfähigkeit. Dies soll aber nicht bedeuten, dass sich insoweit auch 209

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Weiteren müssen die angewandten Methoden Merkels kritisch beleuchtet werden. Ein erst-recht-Schluss erfordert entweder den Schluss vom Größeren auf das Kleinere oder umgekehrt vom Kleineren auf das Größere.216 Fraglich ist, ob man ein derartiges Verhältnis vorliegend feststellen kann. § 34 StGB erlaubt nach dem in Rede stehenden Prinzip den Eingriff in die Rechtsgüter anderer aus Gründen wechselseitiger Solidarität. Dieser Gedanke lässt sich jedoch, wie Merkel selbst einräumt, in Fällen reiner Binnenkollision nicht heranziehen. Insofern fehlt es an einer adäquaten Vergleichsgrundlage zwischen der Rechtfertigung bei Kollisionen innerhalb einer Person sowie solchen zwischen mehreren Betroffenen.217 Man kann die beiden Konstellationen folglich nicht in ein „Mehr“ bzw. ein „Weniger“ in Hinblick auf einen gemeinsamen Nenner unterteilen. Vielmehr liegen zwei unabhängige Situationen vor, die einen erst-recht-Schluss unmöglich machen.218 Die Verschiedenartigkeit der betreffenden Ausgangspunkte ist daneben auch gegen die vorgeschlagene Analogiebildung einzuwenden. Eine analoge Anwendung setzt eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage voraus. Es muss folglich ein dem Sinn und Zweck nach vergleichbarer Sachverhalt gegeben sein, der vom Wortlaut nicht erfasst wird.219 Mangels Kongruenz mit dem Solidaritätsgedanken passen die Fälle reiner Binnenkollision indes schon im Ausgangspunkt nicht auf die geregelte Situation. Es fehlt somit an einer vergleichbaren Interessenlage, weswegen eine Analogiebildung nicht als möglich zu erachten220 ist.221 Auch Merkel kann also die Anwendbarkeit des § 34 StGB auf Fälle reiner Binnenkollision nicht überzeugend begründen. Abschließend ist noch auf einen weiteren, grundlegenden Einwand hinzuweisen, der sowohl den Ansatz Neumanns als auch den von Merkel gleichermaßen betrifft. Gegenstand der gesamten vorliegenden Erörterung ist die Frage, ob § 34 StGB ein tauglicher einheitlicher Rechtfertigungsansatz in Fällen reiner Binnenkollision sein kann. Dafür ist eine Kongruenz der Norm mit jenen Konstellationen in umfassender Weise erforderlich. Sowohl Neumann als auch Merkel beschränken ihre befürwortende Argumentation aber auf wenige Spezialfälle. Für dessen konkreten Lösungsvorschlägen angeschlossen wird. Vgl. zur potentiellen Lösung der indirekten Sterbehilfe über die Einwilligungsregeln ebenfalls Engländer, GA 2010, 15, 26. 216 Vgl. dazu Schreiber, Logik des Rechts, S. 55. 217 Sinngemäß argumentiert so auch Engländer, GA 2010, 15, 25. 218 Vgl. zu sonstiger Kritik am erst-recht-Schluss von Merkel Schmitz, S. 179 f. 219 Vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie BGH NJW 2003, 1932, 1933. 220 Dieses Argument gilt gleichermaßen gegen Neumann, soweit er eine analoge Anwendung des § 34 StGB vorschlägt; vgl. zu letzterem die Nachweise in Fn. 201 und 212 Abschn. D. 221 So ebenfalls Schmitz, S. 181 sowie im Ergebnis auch Engländer, GA 2010, 15, 23, wenngleich letztgenannter hinsichtlich der fehlenden sachlichen Kongruenz nicht speziell auf das Solidaritätsprinzip, sondern auf anderweitige, noch darzustellende Inkompatibilitäten hinweist.

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die unproblematischen Ausprägungen reiner Binnenkollision lehnen beide die Anwendbarkeit des § 34 StGB ab.222 Auch über die Darstellung von Neumann und Merkel hinausgehend lassen sich deren maßgebliche Argumentationsstrukturen nicht zugunsten sonstiger Fälle reiner Binnenkollision verallgemeinern. Somit könnte unter Berücksichtigung der Auffassung jener beiden Vertreter ohnehin keine allgemeingültige Anwendungsmöglichkeit des § 34 StGB bei reiner Binnenkollision innerhalb des solidaritätsbezogenen Ansatzes begründet werden. (3) Kritische Überprüfung des dargestellten Ansatzes als potentielles Prinzip des § 34 StGB Das Prinzip wechselseitiger Mindestsolidarität muss ebenso wie alle bisher dargestellten Ansätze generell einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Dabei wird zum einen vorgebracht, es bleibe offen, wie genau die Solidaritätspflicht inhaltlich zu verstehen sei, und auch deren Grenzen seien nicht hinreichend konturiert.223 Dem muss man jedoch unter Rückgriff auf die erfolgte Darstellung des Prinzips und dessen Inhalt widersprechen. Die Solidaritätspflicht in Gestalt der Duldungspflicht leitet sich aus der zugrunde liegenden versicherungsgleichen Regelung auf Gegenseitigkeit her, für deren Berechtigung plausible Begründungen existieren. Form und Zweck der zu leistenden Solidarität sind mithin deutlich bestimmt. Die Grenzen der Verpflichtung ergeben sich materiell aus der Notwendigkeit, mit der betreffenden Regelung die Belastung so gering zu halten, dass eine Beteiligung für alle plausibel erklärt werden kann. Ihre konkrete Ausformung erlangen sie in der Gesetzesfassung des § 34 StGB. Angesichts des Charakters eines Gesetzes als allgemeingültige Regelung sind nähere Spezifizierungen weder möglich noch erforderlich. Folglich entbehrt die angeprangerte Konturlosigkeit einer sachlichen Grundlage. Gegen das in Rede stehende Prinzip wird weiter angeführt, dass es an einem materiellen Grund für die Rechtsverbindlichkeit der Solidaritätspflicht fehle.224 Die Begründung für eine konkrete Verpflichtung zur Solidaritätsgewährung, derer man sich nicht beliebig entziehen kann, ergibt sich indes bereits aus dem Charakter des Systems als versicherungsgleiche Regelung. Wer Teil jenes Gefüges ist, unterliegt den daraus erwachsenden Rechten und Pflichten. Die versicherungsgleiche Verbindung stellt somit den Rechtsgrund für die Verpflichtung zur Solidaritätsleistung dar. Vorgelagert gilt es allerdings in der Tat zu begründen, warum der Einzelne an dem entsprechenden System überhaupt verpflichtend teilnehmen muss. Diesbezüglich ist zu konstatieren, dass das betreffende vorteilhafte System nur funktioniert, wenn sichergestellt ist, dass sich jeder solidarisch zeigen 222

Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583; Merkel, S. 529. Vgl. etwa Meißner, S. 131. Siehe zur Bedeutung der Klärung jener Aspekte auch Meyer, GA 2004, 356, 364. 224 Siehe dazu Küper, JZ 2005, 105, 108, 110. 223

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wird und so auf die Hilfe anderer vertraut werden kann. Dies erfordert die Statuierung einer umfassenden rechtlichen Verpflichtung.225 Freilich verbleibt dennoch die generelle Frage, ob man Individuen positive Auswirkungen unabhängig von deren Willen aufzwingen darf, nur weil sie ihnen objektiv zugutekommen. Dem Einwand lässt sich aber durch eine grundrechtliche Argumentation begegnen. So kann die mit der Teilnahme am versicherungsgleichen Solidaritätssystem verbundene Möglichkeit der Bewahrung eines eigenen Rechtsgutes zumindest mittelbar mit der Auslebung des zugrunde liegenden Grundrechts in Verbindung gebracht werden. Jedenfalls aber folgt aus der Solidaritätspflicht aller, wie dargestellt, eine geringere Notwendigkeit eigener Sicherheitsvorkehrungen. Die damit verbundene Erweiterung der allgemeinen Handlungsfreiheit weist unzweifelhaft einen grundrechtlichen Bezug auf. Unter Berücksichtigung dieser grundrechtlichen Dimension wird aber nicht lediglich einzelnen Individuen ein persönlicher Vorteil aufgezwungen. Vielmehr betrifft die konkrete Ausgestaltung eine darüber hinausgehende Ebene. Der Staat schafft mit der gesetzlichen Verpflichtung einen Raum des Vertrauens, in dem die einzelnen ihre grundrechtlichen Freiheiten so ungehindert wie möglich ausleben können. Die Gewährleistung einer abgesicherten und adäquat austarierten Handlungssphäre ist als Aufgabe des Staates zum Wohle der Allgemeinheit zu erachten, deren Erfüllung es rechtfertigt, einzelne potentiell entgegenstehende Präferenzen auszublenden. Folglich besteht auf allen Ebenen eine hinreichende Begründung für die rechtliche Verpflichtung zur Leistung von Solidarität.226 Nicht nur das Grundkonzept,227 sondern auch die einzelnen dargestellten Begründungsstränge sind speziell in Hinblick auf Logik und Stringenz Kritik im strafrechtlichen Schrifttum ausgesetzt. 225

Vgl. zum genannten Argument Schmitz, S. 164. Auch Pawlik, S. 66 differenziert konstruktiv zwischen dem Rechtsgrund der Verpflichtung als solcher und dem dahinterstehenden Grund. In seiner konkreten Argumentation unterscheidet sich Pawlik indes leicht von der hier dargestellten Herangehensweise. So nimmt er auf der ersten Argumentationsstufe die Teilnahme an der versicherungsgleichen Regelung nicht als gesetzlich angeordnete Gegebenheit hin. Vielmehr fokussiert er die Betrachtung insoweit auf den Aspekt der Zustimmung. Nach Pawlik hängt demnach die Annahme des vertragsähnlichen Systems als Grundlage der Rechtsverbindlichkeit vom Vorliegen einer Zustimmung ab, die allerdings nur als unterstellt zu charakterisieren sei. In einem zweiten Schritt befasst sich Pawlik dann mit der Frage nach der Legitimation einer solchen Unterstellung. 227 Siehe zu weiteren Argumenten gegen das Solidaritätsprinzip als solches Schmitz, S. 162 ff. m.w. N. Diese beziehen sich konkret auf die Konnotation des Begriffs „Solidarität“ sowie auf eine behauptete Dominanz der Interessenabwägung als maßgebliches Element gegenüber dem eigentlich vertretenen Solidaritätsgedanken. Auch nach der Auffassung von Schmitz können diese Erwägungen im Endeffekt aber nicht durchgreifen. Pawlik, S. 120 weist des Weiteren auf eine mögliche Spannung zur Steuerlast hin, gegenüber der die Solidaritätspflicht aus § 34 StGB eine zusätzliche und damit speziell legitimationsbedürftige Beschwer darstelle. Diesbezüglich ist aber anzumerken, dass die zusätzliche Leistung auch einen zusätzlichen Vorteil bringt, der nicht bereits als Konsequenz aus der Steuerlast folgt. Das Vertrauen darauf, Hilfe in Anspruch nehmen zu kön226

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Zunächst soll derjenige Ansatz betrachtet werden, nach dem Solidarität gewährleistet wird, um in Zukunft dieselbe Leistung von anderen erwarten zu können. Dem gegenüber findet sich der Einwand, dass ein solches Verständnis in einer anonymen Gesellschaft keinen Bestand haben könne. Schließlich würden die anderen von einem nichtsolidarischen Verhalten keine Kenntnis erlangen und in der Folge auch nicht ihre künftige eigene Leistung verwehren. Es entspräche daher prinzipiell eher der postulierten Maxime der Klugheit, sich nicht solidarisch zu verhalten und trotzdem für sich genommen die Leistung in Anspruch zu nehmen.228 Seitens der redlich Handelnden sei insoweit aber von Beginn an das Misstrauen zu erwarten, dass es zu einem derartigen Verhalten kommen könne. Daher wäre niemand bereit, ohne Vorleistung selbst Solidarität zu gewähren.229 Des Weiteren ergäbe sich ein Problem der Legitimation des betreffenden Ansatzes im Zusammenhang mit bestimmten Gesellschaftsgruppen. Für sehr alte, todkranke oder auch extrem reiche Menschen sei es nicht sinnvoll, Solidarität zu üben, um später selbst von einer derartigen Leistung profitieren zu können. Denn entweder bestehe kaum die Möglichkeit, eine solche Situation noch zu erleben, oder man sei darauf gar nicht angewiesen, da einem selbst genügend Mittel zur Verfügung stünden.230 Auch hinsichtlich sozial oder körperlich besonders benachteiligter Personen stoße der Gedanke der wechselseitigen Verpflichtung zur Solidaritätsgewährleistung an seine Grenzen. Es könne von Seiten der übrigen Beteiligten nicht gewollt sein, jemanden in ein Versicherungsverhältnis einzubringen, von dem dauerhaft keine Leistung zu erwarten sei.231 Das in Rede stehende Konzept beziehe sich somit nur auf den „mittleren“ Gesellschaftsbereich.232 Der dargestellten Argumentation ist in ihrem Grundsatz insofern beizupflichten, als die entsprechende Handlungsmotivation zwar nicht real vorliegen, aber zur Legitimation zumindest potentiell auf jeden passen können muss.233 Der aufgezeigte Ausschluss bestimmter Personengruppen aus dem Anwendungsbereich des Legitimationsmodells greift jedoch in sachlicher Hinsicht zu kurz. Es mag zugegebenermaßen nicht sehr wahrscheinlich sein, dass Personen ganz am Ende ihres Lebens noch auf das Recht aus § 34 StGB zurückgreinen und die damit verbundene Erweiterung freiheitlichen Handelns bestehen nur, wenn und weil man sich an der versicherungsgleichen Regelung beteiligen muss. Somit lässt sich die Solidaritätspflicht des § 34 StGB nicht mit der Steuerpflichtigkeit in eine fragwürdige Beziehung setzten, die eine Legitimation erstgenannter in Frage stellen könnte. 228 Vgl. zu dem gesamten dargestellten Argument Pawlik, S. 71. 229 So Pawlik, S. 71 f. 230 Die betreffende Argumentation findet sich bei Pawlik, S. 73. 231 Vgl. zu jenen Erwägungen Pawlik, S. 73 f. 232 In diesem Sinne Pawlik, S. 74, der auch den Terminus „Mittelklasseveranstaltung“ verwendet. 233 Gegen die Notwendigkeit einer für jeden Einzelfall geltenden Begründung aber Meyer, GA 2004, 356, 366. Dieser scheint jedoch in seiner entsprechenden Argumentation die Ebene der Legitimation der Teilnahme an der versicherungsgleichen Regelung als solcher nicht zu berücksichtigen.

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fen werden. Ausgeschlossen ist es jedoch in der Regel nicht, zumal man die Dauer des verbleibenden Lebens nicht sicher vorhersagen kann. Zudem wirkt die mit einer Eingriffsbefugnis verbundene Erweiterung der Freiheitssphäre wie gezeigt schon gegenwärtig, sodass es auf zukünftige konkrete Inanspruchnahmen gar nicht ankommt.234 In Hinblick auf die des Weiteren angesprochene Gruppe der sehr Wohlhabenden ist zum einen nicht gesagt, dass deren Vertreter immer derart vermögend bleiben werden. Die Teilnahme an der versicherungsgleichen Regelung des § 34 StGB mag für diese als Vorsichtsmaßnahme somit durchaus sinnvoll sein. Zum anderen kann nicht angenommen werden, dass die Rettung des eigenen Gutes in jeder Konstellation auch mit eigenen Geldmitteln möglich wäre. So sind Fälle denkbar, in denen allein der Eingriff in ein Gut eines anderen die Schädigung der eigenen Gütersphäre zu verhindern vermag. Schließlich kommt hinzu, dass nicht jeder, der sich selbst retten könnte, das auch dergestalt wollte. All jene Erwägungen zeigen also, dass es auch für sehr wohlhabende Personen Sinn macht, wechselseitige Solidaritätspflichten nach dem vorgestellten Modell zu begründen. Darüber hinaus stellt ebenfalls die aufgeführte Verweigerung der Einbeziehung leistungsarmer Bürger keine zwingende Annahme dar. Denn erstens schließen die genannten Leistungsdefizite in der Regel nicht jegliche Fähigkeit zur Hilfeleistung aus. Zweitens gibt es grundsätzlich die Möglichkeit, aufgrund des medizinischen bzw. hilfsmitteltechnischen Fortschritts oder bei sozialer Schwäche mit Unterstützung des Staates eine Verbesserung der Situation zu erreichen und zu einer Leistungsfähigkeit zurückzufinden. Außerdem könnte prinzipiell jeder in eine derartige Lage kommen. In der Konsequenz müsste man daher unter Berücksichtigung einer unterstellten Unsinnigkeit der Einbeziehung von Schwachen vorsichthalber jeden aus dem Versicherungsverhältnis ausschließen, da eine situationsbezogene Anpassung nicht durchführbar erscheint. Dies widerspräche indes eklatant dem dargestellten Begründungsansatz, würde es ihm doch aus Mangel an Beteiligten jegliche Substanz entziehen. Schlussendlich gibt es also keinen plausiblen Grund, warum der in Rede stehende Begründungsweg für gewisse Personengruppen keine Geltung beanspruchen sollte. Auch das Argument, es entspräche prinzipiell der Klugheitsmaxime, selbst die Solidarität zu verweigern, demgegenüber aber die der anderen in Anspruch zu nehmen, muss relativiert werden. Eine solche Relativierung lässt sich genau genommen bereits der einschlägigen Darstellung entnehmen. Sie wurzelt konkret in der angenommenen Folge, dass die anderen, redlichen Teilnehmer von vornherein ihrerseits aus Angst vor einer verdeckten Verweigerung die Solidarität vorenthalten würden. Denn bei konsequenter Weiterführung jenes Gedankens könnte der einzelne Solidaritätsverweigerer von Anfang an gar keinen Vorteil erlangen, wodurch eine Ausnutzung im materiellen Sinne gar nicht denkbar wäre. Die Entscheidung für eine Ausnutzung wäre somit schon im Ausgangspunkt nicht als klug zu bezeich-

234

So Schmitz, S. 169.

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nen. Zu diesem Ergebnis kommt man im Übrigen auch mit der folgenden, teils ähnlichen Argumentation: Jedenfalls bei einer größeren Zahl von Solidaritätsverweigerern würde selbst in einer anonymisierten Gesellschaft ein solches Verhalten auffallen. Dies hätte zur Folge, dass dann auch die Leistungsbereitschaft der anderen abnähme. Da man jedoch nie wissen könnte, ab welchem Zeitpunkt ein solcher Effekt eintreten würde, wäre die Solidaritätsverweigerung eines einzelnen generell nicht als klug anzusehen. Unterstellt, die Klugheit gälte als Maxime des Handelns, würde folglich niemand in dieser Weise vorgehen. Es bestünde daher auch kein Grund für ein Misstrauen der anderen.235 Im Kontext der fehlenden Bereitschaft zur Solidaritätsgewährleistung soll schließlich ganz allgemein noch auf eine weitere, von den bisherigen Darstellungen unabhängige Argumentation verwiesen werden.236 Demnach sei auch bei einem mangelnden konkreten Interesse daran, selbst Solidarität zu üben, zumindest ein Wille hinsichtlich der generellen Normgeltung anzunehmen. Schließlich könne man nur Vorteile aus einem Prinzip ziehen, wenn dieses auch in der Realität bestünde, wozu nun einmal die wechselseitige Leistungsbereitschaft von jedem, auch von sich selbst, gehöre. Eine kritische Betrachtung erfährt auch die fairnessbezogene Erklärung zur Sinnhaftigkeit der Solidaritätsgewährung. So wird vorgetragen, dass es zur Begründung von Jedermannspflichten in einer anonymen Gesellschaft nicht konkret darauf ankommen könne, demjenigen Unterstützung zuteilwerden zu lassen, der einem in der Vergangenheit geholfen habe. Auch sei es nicht maßgeblich, umgekehrt den speziellen vormaligen Nutznießer auszumachen und diesen wiederum zur Leistung zu verpflichten. Vielmehr könne dem Legitimationsbedürfnis nur durch eine Formalisierung Rechnung getragen werden. Der Solidaritätsanspruch müsse danach jedem zustehen, auf den die Voraussetzungen zutreffen könnten. Entsprechendes gelte für die Ausweitung der Solidaritätspflicht. In der Konsequenz ergebe sich also eine Identität zwischen potentiell Berechtigten und Verpflichteten, womit § 34 StGB aber lediglich eine formelle und keine inhaltliche Reziprozität zugrunde läge.237 Dies als Kritikpunkt aufzufassen, wird indes dem Charakter der zu untersuchenden Thematik nicht gerecht. Vorliegend geht es um die Darlegung einer potentiellen Motivation für ein Verhalten, welches das Grundprinzip von § 34 StGB konstituieren soll. Das Grundprinzip einer Norm ist aber von Natur aus gerade nicht einzelfallbezogen, sondern trägt dem abstraktgenerellen Charakter der Vorschrift Rechnung. Gleiches muss auch für die damit 235 Engländer, S. 95 verweist hingegen auf drohende Sanktionen als wirksame Vorkehrungen gegen die von Pawlik dargestellte einseitige Ausbeutung des Solidaritätsbündnisses. Durch die im Raum stehenden Sanktionen werde auch den Befolgungswilligen die Sicherheit verschafft, auf die gegenseitige Wirkung des Systems vertrauen zu können. 236 Die betreffende folgende Argumentation findet sich bei Engländer, S. 94 f.; vgl. auch Schmitz, S. 168. 237 Vgl. zur gesamten bislang dargestellten Kritik am fairnessbezogenen Ansatz Pawlik, S. 77.

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verbundene Handlungsmotivation gelten. Eine rein formelle Reziprozität stellt mithin keinen Fremdkörper im betreffenden Zusammenhang dar. Sie entspricht vielmehr den Besonderheiten des zu klärenden Elements. Indem die dargelegte formelle Reziprozität auf einer Verallgemeinerung des Fairnessgedankens beruht, weist sie auch eine materiell fassbare Ausgangsbasis auf und kann daher nicht als inhaltlich und begründungstechnisch unzureichend erachtet werden.238 Das Prinzip der wechselseitigen Mindestsolidarität hat sich somit umfänglich als taugliches Prinzip zur Legitimation der mit § 34 StGB verbundenen Gegebenheiten und Folgen herausgestellt.239 Dabei sind beide konkret gezeigten Ansätze hinsichtlich der Handlungsmotivation plausible Herangehensweisen, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern im Gegenteil sogar kumulativ zur Begründung angenommen werden können.240 Auf diese Weise ist im Gesamten von einem umfassenden und überzeugenden Legitimationsgefüge auszugehen. ee) Konsequenzen für die Kongruenz des § 34 StGB mit Fällen reiner Binnenkollision Weder das formale Abwägungsprinzip noch der utilitaristische oder der staatsbezogene Ansatz können, wie dargelegt, als taugliches Prinzip hinter § 34 StGB fungieren. Sie sind folglich im Zusammenhang mit der Deutung des rechtfertigenden Notstands gedanklich auszublenden. Damit fehlt es der festgestellten Inkongruenz jener Prinzipien mit Fällen reiner Binnenkollision an Argumentationskraft hinsichtlich der Frage nach der Anwendbarkeit des § 34 StGB auf derartige Konstellationen. Zur Klärung der betreffenden Problematik kann allein auf das Prinzip wechselseitiger Mindestsolidarität abgestellt werden, welches die sachliche Legitimationsgrundlage der in Rede stehenden Norm ausmacht. Da aber auch insoweit keine Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision zu erkennen ist, spricht die teleologische, prinzipienbezogene Auslegung des § 34 StGB im 238

So aber Pawlik, S. 78. Dem steht auch nicht entgegen, dass der historische Gesetzgeber, wie unter D. I. 2. a) aa) (1), S. 103 angesprochen, mit der Normierung das formale Abwägungsprinzip zum Ausdruck gebracht hat. Denn diese gesetzgeberische Intention ist auf die formale Beschreibung des Rechtfertigungsumfangs begrenzt und lässt somit Raum für tragende materielle Erwägungen. 240 Diese Möglichkeit wirft auch Pawlik, S. 78 auf, der sie aber im Endeffekt mit der Begründung ablehnt, sie verwechsle Motivations- und Verpflichtungsgrund. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Grund für die rechtlich bestehende Verpflichtung, wie gezeigt, direkt aus dem Versicherungsverhältnis ergibt und insofern schon aus sich heraus gilt. Auch die vorgelagerte Frage nach der Legitimität einer solchen zwangsweisen Verpflichtung hat bereits eine abschließende Klärung erfahren; vgl. dazu die Ausführungen unter D. I. 2. a) dd) (3), S. 131. Es verbleibt also allein die Suche nach dem potentiellen Motivationsgrund für die Solidaritätsgewährleistung. Dabei sind keine überzeugenden Argumente gegen die Annahme ersichtlich, dass dieser aus mehreren Facetten bestehen könnte. 239

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Ergebnis gegen eine Heranziehung dieser Norm als insofern passende Rechtfertigungsmöglichkeit. b) Normstrukturelle Erwägungen Im Folgenden soll nun die gesetzliche Regelung des § 34 StGB in Hinblick auf ihre allgemeine Struktur untersucht werden, um weitere Argumente bezüglich der Kompatibilität bzw. Inkompatibilität mit Fällen reiner Binnenkollision zu erlangen. Hierbei wird zwar das Prinzip wechselseitiger Mindestsolidarität zugrunde gelegt werden. Die betreffenden Erwägungen stehen jedoch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem Prinzip, sondern beziehen sich auf die direkt vom Gesetz vorgegebenen Elemente und Gestaltungsmöglichkeiten des rechtfertigenden Notstands.241 aa) Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Notstandshilfe Aufgrund der Tatsache, dass Selbstverletzungen nicht als tatbestandsmäßig gelten,242 betrifft die Rechtfertigung in Fällen reiner Binnenkollision immer das Handeln eines Dritten. Dementsprechend wären insofern im Zusammenhang mit § 34 StGB lediglich Fälle von Notstandshilfe einschlägig.243 § 34 StGB sieht dem Wortlaut und der Struktur nach aber nicht nur die Notstandshilfe, sondern auch den Eingriff zur Rettung eigener Güter als mögliche Ausprägung an. Fraglich erscheint insoweit, ob es gegen die Heranziehung einer Norm als passender Ansatz sprechen kann, wenn sich die in Rede stehende Fallgruppe zwingend nur auf einen Teil des gesetzmäßig eröffneten Anwendungsbereichs bezieht. Sollte dies zutreffen, ließen sich die Fälle reiner Binnenkollision nicht korrekt mithilfe des rechtfertigenden Notstands behandeln. Rechtfertigungsgründe stellen indes zumeist, so auch im Falle des § 34 StGB, abstrakt-generelle Regelungen dar, deren Charakteristikum darin liegt, eine unbestimmte Vielzahl von Fällen, insbesondere auch verschiedene Delikte, erfassen zu können.244 Die Weite des Geltungsbereichs dient also einer großflächigen Einschlägigkeit der Norm. Somit erscheint es argumentativ nicht zulässig, gerade mit der fehlenden Ausfüllung des gesamten Anwendungsbereichs die Einschlägigkeit in gewissen Konstellationen 241 Insofern werden hauptsächlich innersystematische Argumentationen angestellt werden. Diese lassen sich jedoch nicht vollständig ohne teleologische Aspekte darlegen, sodass es zu den in Fn. 47 Abschn. D. angesprochenen Überschneidungen der Auslegungsmethoden kommen wird. 242 Vgl. dazu BGHSt 32, 262, 264. 243 Siehe zu diesem Aspekt Bottke, S. 89; vgl. auch Jescheck/Weigend, AT, S. 386, der in Hinblick auf eine Nähe zum Notstand speziell auf die Form der Not(stands)hilfe abstellt. 244 Anders wäre der spezielle Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zu beurteilen. Vgl. zur Einordnung jener Norm als Rechtfertigungsgrund Valerius, in: BeckOK-StGB, § 193 Rn. 1 m.w. N.

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zu verneinen. Etwas anderes gälte vorliegend nur, wenn sich § 34 StGB im Speziellen die Einschränkung entnehmen ließe, dass potentielle Anwendungsszenarien sowohl zur Rettung eigener Güter als auch in Gestalt der Notstandshilfe denkbar sein müssten. Dies folgt aber weder aus dem Wortlaut, noch wird es ansonsten logisch durch die Tatbestandsvoraussetzungen bedingt. Ebenfalls ist kein materielles Stufenverhältnis zwischen den beiden Alternativen dergestalt ersichtlich, dass man die Notstandshilfe als nachrangige oder „minderwertige“ Lösung betrachten müsste, die nur ergänzend zur Anwendung gebracht werden dürfte. Sie stellt vielmehr eine vollwertige Form gerechtfertigten Handelns dar, das von § 34 StGB eigenständig erfasst wird. Folglich kann die Tatsache, dass Fälle reiner Binnenkollision allein die Alternative der Notstandshilfe betreffen würden, einer diesbezüglichen Anwendbarkeit des § 34 StGB nicht entgegenhalten werden. bb) Abweichung von der normtypischen Abwägungssituation § 34 StGB basiert in seiner Rechtfertigungswirkung auf dem Ergebnis einer Abwägung. Jede Konstellation, die von § 34 StGB erfasst werden soll, muss also im Grundsatz einer Abwägung zugänglich sein. Wie bereits dargestellt, findet bei einer reinen Binnenkollision in der Person des Binnenbetroffenen eine Abwägung seiner beteiligten Güter statt. Hierin liegt jedoch das einzige abwägungsrelevante Moment im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Konstellation. Denn die Handlung des eingreifenden Dritten muss sich zwingend nach dem Willen des Binnenbetroffenen richten, sodass kein Raum für eine eigenständige Abwägung des Eingreifenden bleibt.245 Problematisch erscheint indessen, ob die rein interne Abwägung des Binnenbetroffenen als Grundlage für die Anwendung von § 34 StGB ausreichen kann. Eine solche Art der Abwägung stellt natürlich nicht den Paradefall des rechtfertigenden Notstands dar. Die maßgebliche Abwägung jenes Rechtfertigungsgrunds findet typischerweise in der Person des Handelnden statt. Dieser gewichtet gedanklich die einschlägigen Parameter in ihrem Verhältnis zueinander und entscheidet sich auf jener Basis für oder gegen den Eingriff.246 Dabei handelt es sich um eine zumindest partiell externe Abwägung. Bei der Rettung eigener Güter werden zwar auch interne Interessen berücksichtigt, zusätzlich aber diejenigen des Eingriffsopfers eingestellt, woraus die angesprochene partiell externe Perspektive resultiert. Im Falle der Notstandshilfe ist die eigenständig gehaltvolle Abwägung des Handelnden sogar als vollständig extern anzusehen. Ein extern ausgeführter Abwägungsvorgang wird vom Wortlaut allerdings nicht zwingend verlangt. § 34 StGB verankert den Abwägungsgedanken mit den Worten „wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, na-

245 Siehe zu den getroffenen Feststellungen bezüglich der Abwägungssituation bei reiner Binnenkollision bereits die ausführlicheren Erörterungen unter D. I. 2. a) aa) (2). 246 Vgl. hierzu die impliziten Ausführungen bei Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 105.

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mentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt“. Hieraus folgt allein das Erfordernis einer Abwägung an sich, aus der sich das Überwiegen des einen oder anderen Gutes ergibt. Ob diese in der Person des Täters stattfinden muss und externe Perspektiven aufzuweisen hat, lässt sich der Norm nicht entnehmen. Die offene Formulierung in § 34 StGB ermöglicht somit die Erfassung einer rein internen Abwägung. Auch das Prinzip der wechselseitigen Mindestsolidarität stellt – anders als das formale Abwägungsprinzip – keine einschränkenden Anforderungen an die erforderliche Abwägung. Zusammenfassend steht die Abwägungssituation in Fällen reiner Binnenkollision folglich nicht im Widerspruch zu § 34 StGB als möglichem Lösungsansatz. cc) Fehlende Sinnhaftigkeit des „wesentlichen Überwiegens“ Über die Frage nach der erfassten Abwägungssituation hinaus stellt sich weiter das Problem, ob Fälle reiner Binnenkollision mit dem Erfordernis des wesentlichen Überwiegens in Einklang gebracht werden können. Diesbezüglich wird zutreffend vorgetragen, dass das wesentliche Überwiegen als spezielle Anforderung an das Abwägungsergebnis im Zusammenhang mit der reinen Binnenkollision nicht sinnvoll erscheint.247 Wenn nur eine einzige Person betroffen ist, muss man richtigerweise auch Fälle rechtfertigen können, in denen ein Interesse nicht wesentlich überwiegt.248 Es würde strukturell dem Autonomieprinzip und damit dem entscheidenden Faktor im Kontext reiner Binnenkollision widersprechen,249 wenn der Wille nur unter einer zusätzlichen, einschränkenden Voraussetzung zur Geltung gebracht werden könnte.250 Dies bedeutet genau genommen, dass nicht allein das Merkmal der Wesentlichkeit als strukturelles Hindernis aufzufassen ist. Schon das Erfordernis, dass ein Interesse überhaupt überwiegen muss, beschränkt strukturell die ausschließliche Maßgeblichkeit des Willens. 247

Engländer, GA 2010, 15, 22. So auch Mitsch, S. 418; Schmitz, S. 136 f.; vgl. auch Jakobs, AT, Abschn. 13 Rn. 34. 249 Vorliegend geht es allein um die angesprochene strukturelle Inkompatibilität. Diese macht es jedoch nicht per se unmöglich, dass § 34 StGB gegebenenfalls dennoch insgesamt dem Autonomieprinzip Rechnung zu tragen vermag. Vgl. dazu die Ausführungen unter D. I. 2. c) sowie speziell den Hinweis in Fn. 266 Abschn. D. 250 Nach der Auffassung von Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 109 dient das wesentliche Überwiegen hingegen dazu, dem Autonomieprinzip Rechnung zu tragen. Dies stellt jedoch nur scheinbar einen Widerspruch zu der im Text getroffenen Aussage dar. Denn die Ausführungen Erbs sind so zu verstehen, dass er sich auf die Wahrung der Autonomie des Eingriffsopfers in Hinblick auf ungewollte Eingriffe bezieht, die durch die erhöhte Voraussetzung reduziert werden. Im Zusammenhang mit Fällen reiner Binnenkollision kann dieser angesprochene autonomiewahrende Faktor des wesentlichen Überwiegens aber gerade keine Rolle spielen, sodass er der postulierten Inkompatibilität in jenem Kontext nicht entgegensteht. 248

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In Bezug auf das wesentliche Überwiegen als Ganzes ist zudem zu berücksichtigen, dass jenes Element dem Schutz des Eingriffsopfers vor übermäßiger Inanspruchnahme dienen soll.251 Dieser Schutzweck vermag jedoch nicht aktiviert zu sein, wenn die Inanspruchnahme in der betreffenden Gestalt gerade gewollt ist. Im Gegenteil würde sich der Schutzmechanismus zum Nachteil des Binnenbetroffenen auswirken, indem die von ihm gewünschte Entscheidung aufgrund der höheren Voraussetzungen rechtlich behindert wird.252 Die autonomiebezogene strukturelle Inkompatibilität mit dem wesentlichen Überwiegen ließe sich allein dadurch umgehen, dass das in Rede stehende Merkmal einer anderen Auslegung zugeführt wird, welche keine über den Willen hinausgehenden Anforderungen beinhaltet.253 In Hinblick auf den Zusatz „wesentlich“ existieren insofern verschiedene Herangehensweisen. Diesbezüglich wurde aber bereits im Rahmen des formalen Abwägungsprinzips dargestellt, dass eine Interpretation von „wesentlich“ im Sinne von „eindeutig“ der einschlägigen Wortbedeutung widerspricht und mithin keine mögliche Deutung sein kann.254 Eine weitere potentielle Auslegungsvariante interpretiert „wesentlich“ unter Rekurs auf die Unterscheidung zwischen „richtig“ und „falsch“. So sei ein wesentliches Überwiegen dann gegeben, wenn ein als richtig zu erachtendes Ergebnis vorliege. Dergestalt verhalte es sich in Fällen reiner Binnenkollision, wenn sich der Wille im Ergebnis widerspiegle, selbst wenn qualitativ nur ein einfaches Überwiegen festzustellen sei.255 Auch diese Auslegung überschreitet allerdings die Grenze des Wortlauts von „wesentlich“ und würde im Ergebnis ein gesetzlich vorgegebenes Element zu einer „entbehrlichen rhetorischen Floskel“ degradieren.256 Letzteres kann indessen nicht dem Willen des historischen Gesetzgebers257 entsprechen.258 Im Übrigen ist es nicht nur die Wesentlichkeit, die keiner abweichenden, problemlösenden 251 Schmitz, S. 136. Dieser Gedanke liegt auch der in Fn. 250 Abschn. D. dargestellten Auffassung von Erb zugrunde. 252 Vgl. Engländer, GA 2010, 15, 22; Schmitz, S. 136. 253 Man könnte zwar auch erwägen, mittels einer entscheidenden Berücksichtigung von Affektionsinteressen oder bereits der Selbstbestimmung als solcher in Fällen reiner Binnenkollision immer ein wesentliches Überwiegen anzunehmen. Dies stellt allerdings eine rein materiell basierte Herangehensweise dar, um die gesteigerten Voraussetzungen zu erfüllen und insofern Widersprüche zu vermeiden. Die strukturelle, durch die höheren Voraussetzungen bedingte Inkongruenz kann damit nicht entkräftet werden. Auf die genannte materielle Argumentation wird im Zusammenhang mit der Frage nach der Möglichkeit der absoluten Autonomiegewährung unter D. I. 2. c) bb) zurückzukommen sein. 254 Siehe dazu die Ausführungen unter D. I. 2. a) aa) (3), S. 108. 255 Vgl. zu dieser Interpretationsweise des Wesentlichkeitserfordernisses Merkel, S. 533. 256 Siehe hierzu ausdrücklich und ausführlich Engländer, GA 2010, 15, 23. 257 Vgl. zum Willen des historischen Gesetzgebers im betreffenden Zusammenhang die Nachweise in Fn. 80 Abschn. D. 258 Siehe zu weiterer Kritik gegen den dargestellten Ansatz von Merkel Schmitz, S. 137.

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Auslegung zugänglich ist. Auch das bereits an sich problematische Erfordernis des „Überwiegens“ als solches lässt sich nicht im Wege der Auslegung sachgerecht überwinden. Somit verbleibt es bei dem Erfordernis des wesentlichen Überwiegens als qualitativ messbares Interessenübergewicht und der damit verbundenen strukturellen Inkompatibilität dieses Elements mit Fällen reiner Binnenkollision. dd) Inkompatibilität mit der durch § 34 StGB statuierten Duldungspflicht Mit der Rechtfertigungswirkung des § 34 StGB korrespondiert in struktureller Hinsicht auch eine Duldungspflicht des vom Eingriff Betroffenen.259 Dies darf in den jeweiligen Anwendungsfällen, sprich ebenfalls bei einer Subsumtion der reinen Binnenkollision unter § 34 StGB, prinzipiell nicht anders zu beurteilen sein. In der Konsequenz entstünde dann aber in den letztgenannten Fällen eine Pflicht zur Duldung eines gewünschten Verhaltens. Dass es fraglich erscheint, ob man in einem solchen Kontext überhaupt von einem Dulden sprechen kann, wurde bereits erwähnt.260 Zudem mutet die entsprechend dargestellte Folgerung aber auch in Hinblick auf den gewöhnlichen Wortsinn von „Pflicht“ unpassend an. Konkret ist zum einen die Begründung einer gegen sich gerichteten Pflicht allein aufgrund eines eigenen Wunsches konstruktiv fragwürdig.261 Darüber hinaus zeichnen sich Pflichten herkömmlicherweise durch eine gewisse Zwangswirkung aus. Es steht demnach nicht im Belieben des Adressaten, ob er eine Pflicht erfüllen möchte oder sich dagegen entscheidet. Im Falle der reinen Binnenkollision hat der Betroffene hingegen die Möglichkeit, seine Entscheidung hinsichtlich des Rechtsgutseingriffs frei zu ändern. Damit könnte auch die Duldungsverpflichtung jederzeit vom Adressaten selbst aufgehoben werden. Auf diese Weise würde das Wesensmerkmal der zwangsweisen Verbindlichkeit völlig ausgehöhlt.262 Im Ergebnis kann somit eine Duldungspflicht mit materiellem Gehalt, wie sie in gewöhnlichen Fällen mit § 34 StGB verbunden ist, im Kontext reiner Binnenkollisionen nicht angenommen werden.263 Da die Duldungspflicht jedoch prinzipiell ein zentrales Element des § 34 StGB ausmacht,264 darf deren faktisches Nichtbestehen nicht ignoriert werden, sondern muss vielmehr gegen die Anwendbarkeit der Norm in den entsprechenden Fällen ins Feld geführt werden. Folglich stellt 259

Momsen, in: BeckOK-StGB, § 34 Rn. 2. Vgl. dazu D. I. 2. a) cc) (2), S. 119. Jene Ausführungen beziehen sich allerdings auf das materielle Legitimationsbedürfnis, während vorliegend die strukturelle Bedeutung im Mittelpunkt steht. 261 Vgl. Schmitz, S. 97, 129. 262 Vgl. zu der gesamten insoweit dargestellten Argumentation auch Schmitz, S. 97, 129. 263 In diesem Sinne lässt sich ebenfalls Schmitz, S. 97 verstehen; vgl. auch Schmitz, S. 176. 264 Schmitz, S. 129 m.w. N. 260

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die gezeigte Inkompatibilität mit der Duldungspflicht265 ein Argument gegen die Einschlägigkeit des rechtfertigenden Notstands in Fällen reiner Binnenkollision dar. c) Konflikte mit der Wahrung des Autonomieprinzips Im Zusammenhang mit der Kongruenz des rechtfertigenden Notstands und der reinen Binnenkollision stellt sich insbesondere die Frage, ob § 34 StGB – trotz der insoweit angenommenen strukturellen Inkongruenz in Hinblick auf das wesentliche Überwiegen – dem Autonomieprinzip als Leitgedanke der reinen Binnenkollision zufriedenstellend Rechnung zu tragen vermag.266 Diesbezüglich findet sich vor allem die Befürchtung, mit Hilfe des rechtfertigenden Notstands könne die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen untergraben werden.267 Es bestehe mithin die Gefahr einer Bevormundung.268 Richtigerweise sind indes zwei Ebenen zu unterscheiden.269 Zum einen muss erörtert werden, ob ein Handeln gegen den Willen des Binnenbetroffenen über § 34 StGB einer Rechtfertigung zugänglich sein kann. Selbst wenn man dabei jedoch zu dem Ergebnis kommen sollte, dass in den entsprechenden Konstellationen außerhalb des Willens keine Rechtfertigung durch § 34 StGB möglich ist, lässt sich eine insofern ausreichende Kongruenz mit dem Autonomieprinzip nicht ohne Weiteres bejahen. Es verbleibt vielmehr die Frage, ob die betreffende Norm in der Lage ist, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mechanismen konzeptionell eine unbedingte Autonomiegewährung umzusetzen.270 Schließlich richtet sich die hier vorzunehmende Argumentation nach dogmatischen Maßstäben, die nicht das Ergebnis, sondern eine überzeugende Begründung in den Fokus stellen. Die zweite Ebene im Kon265 Vgl. insofern auch Schmitz, S. 129, der explizit die Widersinnigkeit der Anordnung einer Duldungspflicht in Fällen reiner Binnenkollision postuliert. Erb, JuS 2010, 17, 20 lässt ebenfalls diesbezüglich die Nichtbegründbarkeit eines Zwangs zur Duldung anklingen, ohne aber auf die hier dargestellten Aspekte näher einzugehen. 266 Sollte sich die angesprochene strukturelle Inkongruenz als einziger Inkompatibilitätsfaktor in Bezug auf das Autonomieprinzip herausstellen, wird man wohl nicht von einer grundsätzlichen Inkongruenz des § 34 StGB und dem Leitgedanken der reinen Binnenkollision ausgehen können. Schließlich wäre dies eine folgenschwere Charakterisierung, die nicht einzig und allein von einem rein strukturellen Gesichtspunkt ohne weitere Auswirkungen abhängen darf. Zur Begründung einer umfassenden Inkompatibilität bedarf es daher weiterer autonomiebeschränkender Aspekte. 267 Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 582; siehe auch die Ausführungen bei Engländer, GA 2010, 15, 16. 268 Vgl. Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 589 m.w. N. Siehe zu dem betreffenden Terminus im einschlägigen Zusammenhang auch Mitsch, S. 418. 269 Eine Differenzierung zwischen den beiden folgenden Gesichtspunkten findet sich in ähnlicher Art und Weise auch bei Mitsch, S. 416 ff. 270 Dabei werden auch wieder normstrukturelle Erwägungen eine Rolle spielen. Da diese konkreten Aspekte insoweit aber untrennbar mit der Autonomiegewährleistung verbunden sind, werden sie erst in jenem Zusammenhang und nicht bereits unter dem vorherigen Gliederungspunkt der allgemeinen normstrukturellen Überlegungen Gegenstand einer ausführlichen Erörterung.

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text der Umsetzung des Autonomieprinzips durch § 34 StGB bei reiner Binnenkollision betrifft die unabdingbare Rechtfertigung jedes willenswahrenden Verhaltens. Denn mit der Gewährleistung absoluter Autonomie ist auch die Verpflichtung verbunden, dass jedem Täter, der in Übereinstimmung mit dem Willen des Betroffenen handelt, zur Rechtfertigung verholfen wird. Es ist also, beispielhaft dargestellt, nach dem Autonomiegedanken nicht nur verboten, unter Begehung einer Sachbeschädigung den Wasserfluss einer schadhaften Wasserleitung gegen den Willen des allein gefährdeten Eigentümers aufzuhalten. Des Weiteren muss es zwingend auch zulässig sein, dass der Nachbar auf ausdrücklichen Wunsch des Hausinhabers die Rettung durchführt, obwohl das Wasser nur einen minimalen Schaden anrichten würde, wohingegen das zu zerstörende Fenster einen großen materiellen Wert aufweist. Folglich gilt: Nur wenn das Autonomieprinzip durch § 34 StGB in beiden genannten Hinsichten vollumfänglich gewahrt wird, kann der rechtfertigende Notstand in Kongruenz mit dem Leitgedanken der reinen Binnenkollision stehen. aa) Erörterung einer Rechtfertigungsmöglichkeit gegen den Willen des Betroffenen Die Möglichkeit, durch § 34 StGB entgegen dem Willen des Binnenbetroffenen eine Rechtfertigung zu erzielen, wird im strafrechtlichen Schrifttum vielfach angenommen.271 Auf den ersten Blick scheint eine derartige Bevormundungsoption in § 34 StGB auch durchaus angelegt zu sein. So wird davon gesprochen, es sei „grundsätzlich die essentielle Funktion des Notstands in der Rechtsordnung“, eine Rechtfertigung ohne bzw. gegen den Willen des betroffenen Rechtsgutsinhabers zu ermöglichen.272 Diese Darstellung gilt es jedoch näher zu konkretisieren, um ihr einen sachlich zutreffenden Aussagewert entnehmen zu können. Hinsichtlich des Eingriffsopfers stellt in der Tat die Möglichkeit, dessen Willen zu überspielen, ein kennzeichnendes Element des rechtfertigenden Notstands dar.273 Demgegenüber herrscht in Bezug auf den Inhaber des Erhaltungsgutes ein völlig anderes Prinzip vor. Wenn der Notstandstäter zur Rettung eigener Güter handelt, ist eine Rechtfertigung gegen seinen Willen ohnehin schon denklogisch nicht 271 Teils wird dies im Einklang mit den zuvor angesprochenen Bedenken als negatives Phänomen betrachtet, siehe etwa Schmitz, S. 127. Andere sehen darin hingegen gerade einen Vorteil für die Lösung gewisser Ausnahmekonstellationen, so etwa Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 8a. Von den dort aufgeführten Fällen ist bei näherer Betrachtung allerdings allein im Falle der Verhinderung eines Suizids ein autonomieverletzendes Verhalten anzunehmen. Siehe des Weiteren zu einer potentiellen Rechtfertigung gegen den Willen des Betroffenen die impliziten Ausführungen bei Stratenwerth/ Kuhlen, AT, § 9 Rn. 35. 272 Mitsch, S. 416. 273 Dies lässt sich auch aus den Äußerungen folgern, die Mitsch, S. 416 im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zitat tätigt, auf das sich Fn. 272 Abschn. D. bezieht. Vgl. darüber hinaus auch Roxin, AT I, § 16 Rn. 46.

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möglich. Wird der Rechtsgutseingriff indessen von einem Dritten ausgeführt, gilt speziell der Grundsatz des Verbots der aufgedrängten Notstandshilfe.274 Die Selbstbestimmung des Inhabers des Erhaltungsgutes steht folglich im Gefüge des § 34 StGB nicht zur Disposition. In der Konstellation der reinen Binnenkollision besteht nun die Besonderheit, dass der Inhaber des Erhaltungsgutes identisch mit dem des Eingriffsgutes ist. Rein formal wären somit beide genannten Grundsätze gleichzeitig bezüglich desselben Betroffenen einschlägig. Aus logischer Sicht ist es freilich keine denkbare Konsequenz, dass ein Handeln den Willen einer Person gleichzeitig wahrt und verletzt. Somit muss im Falle reiner Binnenkollision notwendigerweise ein Prinzip das andere verdrängen. Zu beachten ist hierbei, dass ein Widerspruch zum Willen des Eingriffsopfers auch bei der Anwendung des § 34 StGB in Mehrpersonenverhältnissen keine zwingende Folge ist. Es sind durchaus Notstandslagen denkbar, in denen der Betroffene im Grunde mit der Verletzung seiner Güter einverstanden ist oder es zumindest wäre. Während die Autonomieverletzung in Hinblick auf das Eingriffsopfer somit lediglich eine Möglichkeit darstellt, ist die Wahrung des Willens des Begünstigten demgegenüber generell als Notwendigkeit zu charakterisieren. Dies spricht im Ergebnis für eine Durchschlagskraft des Verbotes aufgedrängter Notstandshilfe bei reiner Binnenkollision. Hiervon sind auch in Ausnahmefällen keine Abweichungen zuzulassen. Die Anwendbarkeit von § 34 StGB zur Überspielung des Willens in Sonderkonstellationen, speziell der Verhinderung eines Suizids, wäre daher allein dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn es sich bei den betreffenden Fallgestaltungen nicht um reine, sondern um partielle Binnenkollisionen handeln würde. Dies kann freilich nur unter der Prämisse gelten, dass § 34 StGB überhaupt einen tauglichen Lösungsweg für Fälle partieller Binnenkollision darzustellen vermag. Auf diese Thematik wird an späterer Stelle275 noch näher eingegangen werden. Für die vorliegend einzig relevante reine Binnenkollision bleibt es bei dem Ergebnis, dass § 34 StGB keine Rechtfertigung gegen den Willen des Binnenbetroffenen ermöglichen kann.276 Wie einleitend bereits angesprochen, kann unter Berücksichtigung dogmatischer Maßstäbe allerdings nur dann von einer zufriedenstellenden Wahrung des Autonomieprinzips ausgegangen werden, wenn sich für die dargelegten materiellen Erwägungen ein passender norminterner Anknüpfungspunkt findet. Als solcher kommt zunächst die Interessenabwägung des § 34 StGB in Betracht.277 In 274 Siehe dazu etwa Kühl, AT, § 8 Rn. 35 sowie Schmitz, S. 54 f., der den betreffenden Grundsatz unter Zugrundelegung des Zusammenspiels von Eingriffsrecht und Duldungspflicht erläutert. 275 Allgemein unter dem Gliederungspunkt E. 276 So auch Mitsch, S. 417. 277 Für eine Berücksichtigung von Autonomie im Rahmen der Interessenabwägung allgemein etwa Kühl, AT, § 8 Rn. 159 und Seelmann, S. 71; speziell in Hinblick auf Fälle reiner Binnenkollision Merkel, S. 154 Fn. 124 sowie Mitsch, in: Baumann/Weber/

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diese lassen sich subjektive Erwägungen integrieren, die unter Berücksichtigung des Grundgedankens reiner Binnenkollision eine präjudizielle Richtschnur für die Abwägung darzustellen vermögen.278 Des Weiteren wird auch die Angemessenheitsklausel des § 34 S. 2 StGB als subjektiv interpretierbar und folglich als Anknüpfungspunkt für die Verankerung von Autonomie vorgeschlagen.279 Allerdings ermöglicht jene ihrer prinzipiellen Funktion nach lediglich die Berücksichtigung von Korrekturerwägungen. Die Selbstbestimmung soll demgegenüber gerade als inhaltlich konstituierendes Element eingebracht werden, was in der Konsequenz der konzeptionellen Struktur der Angemessenheitsklausel widerspräche.280 Eine kumulative Heranziehung von Interessenabwägung und Angemessenheitsklausel als Einfallstor für die Berücksichtigung von Autonomie erscheint ebenfalls nicht sinnvoll. Neben den bereits zuvor geäußerten Bedenken hinsichtlich der Angemessenheitsklausel als Anknüpfungspunkt ist hierbei anzumerken, dass die beiden genannten Normbestandteile unterschiedliche Faktoren betreffen, nämlich zum einen Abwägungsparameter und zum anderen Abwägungsgrenzen. Wenn die Autonomie demnach bereits auf einer Ebene das entscheidende Element darstellt, kann sie auf der anderen nicht erneut eingebracht werden.281 Daher verbleibt allein die Interessenabwägung als möglicher Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung des Leitgedankens der reinen Binnenkollision. Fraglich erscheint jedoch auch dabei, ob es sich um ein konzeptionell passendes Instrument handelt, um die absolute Wahrung der Selbstbestimmung bei reiner Binnenkollision zum Ausdruck zu bringen.282 Dass sich im Wortlaut keine ausdrückliche Anknüpfung für die Verankerung des Vorrangs des Willens findet, muss zwar als unschädlich angesehen werden.283 Die Interessenabwägungsklausel ist schließlich bewusst offen gehalten, um Raum für alle potentiellen Einflussfaktoren zu geben.284 Diese müssen auch einer divergierenden Gewichtung Mitsch, § 17 Rn. 54, wobei letztgenannter der Anwendbarkeit des § 34 StGB in jenen Fällen im Ergebnis aber äußerst kritisch gegenübersteht. Ausdrücklich gegen eine Berücksichtigung der Autonomie in der Interessenabwägung wendet sich Schmitz, S. 98. 278 Vgl. in diesem Sinne die beispielhaften Ausführungen von Roxin, AT I, § 16 Rn. 71, die auch einen Bezug zur reinen Binnenkollision aufweisen. 279 Vgl. Mitsch, S. 418. 280 Siehe zu diesem Argument Schmitz, S. 135. 281 Schmitz, S. 135 lehnt hingegen eine kumulative Berücksichtigung mit dem Verweis auf eine ansonsten doppelte und mithin nicht angemessene Gewichtung der Autonomie ab. 282 Die ergebnisbezogene Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens, die Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 54 in Frage stellt, sei hier bewusst ausgeklammert. Vorliegend geht es allein um die isolierte Betrachtung des § 34 StGB. Demgegenüber bezieht die Argumentation von Mitsch das Verhältnis zu den Einwilligungsregeln ein, sodass sie über den aktuellen Diskussionsumfang hinausgeht. 283 Anders aber Schmitz, S. 130. 284 Vgl. zur Offenheit der Interessenabwägungsklausel Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 22, wenngleich dieser einen anderen Interessenbegriff zugrunde legt als hier

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zugänglich sein, sodass die Lösung allein zugunsten der Autonomie vom Normtext durchaus erfasst sein wird. Es könnte sich allerdings ein Konflikt mit der Struktur der Interessenabwägung in Hinblick auf das Merkmal der Ergebnisoffenheit ergeben. Wenn die Interessenabwägung, wie dargestellt, offen für verschiedenste Abwägungsparameter ist, ist damit notwendigerweise auch die Möglichkeit verschiedener Ergebnisse verbunden. § 34 StGB zeichnet sich somit in seiner Struktur dadurch aus, dass nicht per se eine konkrete Lösung vorgegeben wird. Prinzipiell ist daher eine Rechtfertigung in beide Richtungen, sprich zugunsten jedes beteiligten Gutes bzw. Interesses, denkbar. Diese strukturelle Ergebnisoffenheit steht indessen gerade im Widerspruch zum Grundprinzip der reinen Binnenkollision. Unabhängig von den konkreten Umständen müssen derartige Fälle zwangsläufig zugunsten des Willens des Binnenbetroffenen gelöst werden. Man kann folglich die Anwendbarkeit der prinzipiell ergebnisoffenen Norm des § 34 StGB auf die genannten Konstellationen aus Gründen mangelnder struktureller Kongruenz durchaus in Zweifel ziehen. Berücksichtigt werden muss jedoch auch, dass die dargestellte Ergebnisoffenheit lediglich grundsätzlicher, struktureller Art ist. Gleichgelagerte Sachverhalte mit gleichen Begleitumständen können bzw. müssen unter Heranziehung von § 34 StGB sogar zu gleichen Rechtfertigungsfolgen führen. In Fällen reiner Binnenkollision könnte man aufgrund der zwingenden Dominanz des Willens eine Ansammlung von gleichgelagerten Sachverhalten mit identischen entscheidenden Umständen erkennen. Unter einem solchen Blickwinkel ließen sich alle Ausprägungen reiner Binnenkollision als parallel ausgestaltete, einzelne Situationen darstellen, die jeweils dem weit gefassten Anwendungsbereich des § 34 StGB unterfallen und die strukturelle Ergebnisoffenheit mithin nicht torpedieren. Angesichts der Einheitlichkeit und strukturellen Eigenständigkeit der Fallgruppe der reinen Binnenkollision erscheint eine Interpretation im Sinne einer bloßen Häufung nebeneinanderstehender Einzelfälle aber nicht vollständig überzeugend. Es handelt sich vielmehr um einen Grenzfall, in dem ein auch strukturell bedeutsamer Einfluss nicht völlig auszublenden ist. Ein eklatanter Widerspruch zur strukturellen Ergebnisoffenheit des § 34 StGB lässt sich jedoch nicht postulieren. Durchschlagendes Konfliktpotential ergibt sich aber in Bezug auf die Charakterisierung der Interessenabwägung, speziell aus der dort verankerten Art der Abwägung. Im Rahmen des rechtfertigenden Notstands richtet sich die Abwägung der maßgeblichen Parameter grundsätzlich nach einem objektiven Maßstab.285 Subjektive Implikationen können daher nur insoweit möglich sein, als sie den objektiven Grundcharakter nicht wesentlich verändern oder gar aufheben. Letzteres wäre aber der Fall, wenn man – wie für die reine Binnenkollision zwingend – nichts außer den subjektiven Vorlieben für entscheidend erachtete. Die Art der Abwägung in § 34 StGB steht vertreten. Siehe zu jenem Interessenbegriff von Perron bereits die Ausführungen unter B. III. 2. 285 Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 582.

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folglich in struktureller Hinsicht nicht in Kongruenz mit der Lösung einer reinen Binnenkollision.286 bb) Erörterung der Rechtfertigungsmöglichkeit jedes willensgemäßen Verhaltens Neben der Verhinderung ungewollter Eingriffe müssen zur absoluten Wahrung des Autonomieprinzips, wie gesehen, zudem Rechtfertigungsergebnisse ermöglicht werden können, die gerade dem Willen des Betroffenen, jedoch unter Umständen nicht dem objektiv Vernünftigen entsprechen. Auch insofern erscheint es hochgradig fraglich, ob § 34 StGB der Gewährleistung umfassender Autonomie gerecht werden kann. Der Ansatzpunkt zur Behandlung jener Thematik entspricht dabei dem im vorherigen Zusammenhang dargestellten: Allein über die Interessenabwägung kann ein Einfallstor für die Berücksichtigung des Willens als maßgebliches Element geschaffen werden. Hierbei muss aber gleichermaßen die Wahrung des Grundsatzes der Ergebnisoffenheit kritisch hinterfragt werden. Ferner stellt sich ebenfalls die Problematik der strukturellen Inkompatibilität einer solchen Vorgehensweise mit dem objektiven Charakter der Interessenabwägung. Darüber hinaus treten noch weiter reichende Problemgestaltungen auf. Diesbezüglich ist eine Brücke zu den im Rahmen der normstrukturellen Inkompatibilität aufgeführten Erwägungen hinsichtlich des wesentlichen Überwiegens zu schlagen. Es gilt zu untersuchen, ob es insoweit bei einer strukturellen Inkompatibilität bleibt oder ob dem betreffenden Merkmal noch weitere autonomiebeschränkende Dimensionen zu entnehmen sind. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass eine Rechtfertigung als Folge der Interessenabwägung in § 34 StGB nur bei einem wesentlichen Überwiegen möglich ist. Subjektive Präferenzen müssten folglich in der Lage sein, in jedem Fall nicht lediglich ein einfaches, sondern ein wesentliches Überwiegen zu begründen, um zumindest eine materielle Kongruenz mit dem Autonomieprinzip herzustellen.287 Ein besonderes Affektionsinteresse vermag dabei durchaus eine qualitative Steigerung des Gewichts und mithin ein wesentliches Überwiegen zu konstituieren. Sollte aber rein die Selbstbestimmung als solche einzustellen sein, fällt es schwer, in jeder Konstellation eine Wesentlichkeit des Überwiegens anzunehmen. Speziell in den Fällen, in denen Gegenstände gemeinhin einen subjektiv kaum zu beeinflussenden Wert aufweisen, vermag der bloße Wille keine fassbare qualitative Steigerung eines Wertes mit sich zu bringen. Dies gilt jedenfalls, wenn man den objektiven Grundcharakter der Abwägung nicht ausblendet, sondern dahingehend berück286

In diesem Sinne auch Schmitz, S. 126. Vorliegend handelt es sich um die in Fn. 253 Abschn. D. angesprochene Argumentation. Sie betrifft konkret die Frage nach der Herstellung einer inhaltlichen Kongruenz von Fällen reiner Binnenkollision mit dem Normtext. Die strukturelle Inkompatibilität der reinen Binnenkollision mit dem Erfordernis des wesentlichen Überwiegens kann damit aber nicht widerlegt werden. 287

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sichtigt, dass das qualitative Wertübergewicht auch für Außenstehende sinnvoll begründet erscheinen muss. Beispielsweise wird bei einem Vergleich von 1000 Euro mit 999,99 Euro prinzipiell nicht von einem qualitativ wesentlichen Interessenübergewicht auszugehen sein.288 Allein der hinzutretende Wille des Betroffenen ohne ein besonderes Affektionsinteresse kann nicht dazu führen, davon abweichend der Differenz von einem Cent einen anderen, wesentlich überwiegenden Wert zuzusprechen. Die Wesentlichkeit des Überwiegens entsprechend dem Willen des Binnenbetroffenen lässt sich mithin nicht in jeder Konstellation sicherstellen. Im Gegenteil ist es sogar nicht einmal immer denkbar, überhaupt ein Überwiegen aufgrund der Einbeziehung von Autonomie zu erreichen. Man nehme etwa das Beispiel, dass auf Wunsch des Inhabers 1000 Euro zerstört werden, um 500 Euro zu retten. Ohne Berücksichtigung eines besonderen Affektionsinteresses an den konkreten Geldscheinen kann kein Überwiegen des Erhaltungsguts festgestellt werden, auch wenn die 500 Euro durch den Willen des Betroffenen als Abwägungsfaktor unterstützt werden. Das Erfordernis des wesentlichen Überwiegens widerspricht somit nicht nur in struktureller Hinsicht dem Autonomieprinzip. Es führt auch dazu, dass § 34 StGB inhaltlich nicht in der Lage ist, jedem willensgemäßen Verhalten zur Rechtfertigung zu verhelfen. cc) Autonomiebezogene Gesamtbetrachtung des § 34 StGB Die bisherigen Erörterungen haben gezeigt, dass man zwar materiell gesehen willenswidrige Eingriffe durch den rechtfertigenden Notstand umfassend vermeiden kann. Der für Fälle reiner Binnenkollision unumstößliche Vorrang subjektiver Präferenzen lässt sich jedoch insoweit nicht dogmatisch zufriedenstellend in Einklang mit der Form der Abwägung in § 34 StGB bringen. Auch die Komponente der Ermöglichung einer Rechtfertigung jedes willensgemäßen Verhaltens ist bei einer Lösung durch die betreffende Norm jenen konzeptionellen Bedenken ausgesetzt. Daneben bestehen diesbezüglich sogar inhaltliche Beschränkungen in Hinblick auf die Realisierung einer absoluten Autonomiegewährung. Schließlich treten noch die bereits angesprochene strukturelle Inkompatibilität des Autonomiegedankens mit dem wesentlichen Überwiegen sowie der fehlende umfassende Einklang jenes Gedankens mit dem Prinzip wechselseitiger Mindestsolidarität als negative Faktoren hinzu. In der Gesamtschau ist daher eine hinreichende Kongruenz des § 34 StGB mit dem Autonomieprinzip zu verneinen. d) Bedeutung und Folgen der festgestellten Inkongruenz speziell auch für die konkurrenzrechtliche Behandlung Wie gesehen, muss eine Kongruenz des rechtfertigenden Notstands mit Fällen reiner Binnenkollision im Ergebnis aus mehrerlei Gründen ausscheiden. Die ein288

Vgl. hierzu das ähnlich lautende Beispiel von Jakobs, AT, Abschn. 13 Rn. 34.

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schlägigen Argumente stellen dabei teils teleologische, teils systematische Erwägungen dar, oft sind auch Elemente beider Herangehensweisen enthalten. Man kann die festgestellte Inkongruenz daher als Ergebnis einer systematischen und teleologischen Auslegung des § 34 StGB erachten. Hieraus ergeben sich zweierlei Konsequenzen. Zum einen bedarf es keiner teleologischen Reduktion der Norm,289 wenn man bereits im Wege der Auslegung zu dem genannten Ergebnis kommt. Eine teleologische Reduktion wird vorliegend auch nicht durch die Tatsache erzwungen, dass der Zweck des Gesetzes enger ist als der reine Wortlaut.290 Denn eine teleologische Reduktion ist nur notwendig, wenn sich der Wortlaut nicht bereits im betreffenden Sinne auslegen lässt.291 § 34 StGB ist hingegen gerade derart offen konzipiert worden, dass er Raum für eine Auslegung nicht nur bezogen auf die konkrete Gewichtung, sondern auch auf die Frage nach der generellen Anwendbarkeit in gewissen Situationen lässt.292 Das Bestehen eines Auslegungsspielraums in Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 34 StGB als solche zeigt sich etwa an der Diskussion um die Heranziehung jener Norm im Falle des Handelns von Hoheitsträgern.293 Dass diese teils bejaht, teils verneint wird, spricht für die Existenz eines entsprechenden Raumes zur Auslegung. Mangels Vorliegens einer teleologischen Reduktion können schließlich auch keine Bedenken in Hinblick auf Art. 103 II GG entstehen.294 Die zweite Konsequenz aus der Charakterisierung der Inkongruenz als Auslegungsergebnis betrifft die konkurrenzrechtliche Betrachtung, die bereits im Zusammenhang mit der Allgemeingültigkeit des § 34 StGB als potentiellem Lösungsansatz aufgeworfen wurde.295 Voraussetzung für die Möglichkeit eines konkurrenzrechtlichen Zurücktretens ist die prinzipielle Anwendbarkeit der betreffenden Norm auf die einschlägige Konstellation. Wenn § 34 StGB also nach erfolgter Auslegung nicht auf Fälle reiner Binnenkollision angewendet werden kann, versperrt dies von vornherein den Weg für eine konkurrenzrechtliche Argu289 Für eine teleologische Reduktion des § 34 StGB bei reiner Binnenkollision aber Schmitz, S. 111, 196, wenngleich er dies im Zusammenhang mit der konkurrenzrechtlichen Nichtanwendung anführt. Vgl. zur Bedeutung der konkurrenzrechtlichen Ebene für Schmitz in jenem Kontext sogleich den Hinweis in Fn. 296 Abschn. D. 290 Diese Begründung verwendet aber Schmitz, S. 111 für die Annahme einer teleologischen Reduktion. 291 Dies kann man implizit den Aussagen von Larenz, Methodenlehre, S. 322 hinsichtlich des Verhältnisses von wortlautbezogener Auslegung und teleologischer Reduktion entnehmen. 292 Vgl. zur prinzipiellen Möglichkeit der Berücksichtigung teleologischer Erwägungen in der Auslegung von Rechtfertigungsgründen die Darstellung bei Schmitz, S. 114. 293 Vgl. zu diesem Streit Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 113 ff. 294 Vgl. zu potentiellen Problemen einer entsprechenden teleologischen Reduktion mit dem Analogieverbot Schmitz, S. 111 ff., nach dessen Ansicht im Ergebnis aber ein Verstoß verneint wird, siehe Schmitz, S. 119. 295 Siehe dazu die Ausführungen unter D. I. 1. c).

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mentation.296 Somit kann es in jenem Kontext nicht zu einer konkurrenzrechtlichen Verdrängung des § 34 StGB kommen. Diese vermag folglich auch nicht als valides Argument gegen die Allgemeingültigkeit angeführt zu werden. Insoweit sind die bislang noch offen gebliebenen Erwägungen zur Allgemeingültigkeit zu ergänzen. 3. Sonderproblematik: Potentielle Umgehung der Einwilligungssperren durch § 34 StGB Im Zusammenhang mit der Anwendung des § 34 StGB in Fällen von Binnenkollision297 ist ein weiterer häufig aufgegriffener Diskussionspunkt die potentielle Auswirkung eines solchen Vorgehens auf die Einwilligungssperren.298 So wird gegen eine Rechtfertigung mittels § 34 StGB angeführt, dass diese Lösung die Einwilligungssperren, insbesondere diejenige aus § 216 StGB, umgehen könne.299 Hierbei gilt es, in sachlicher Hinsicht zwei Dimensionen zu unterscheiden. Jene wurden im Rahmen der Frage nach einer potentiell möglichen Ungleichbehandlung von Fällen reiner Binnenkollision in ähnlicher Form bereits eingeführt300 und sollen im Folgenden näher präzisiert werden. 296 Schmitz, S. 108 f., 122 ff., speziell auch 181 f., erörtert die maßgeblichen Einschränkungen des § 34 StGB hingegen im konkurrenzrechtlichen Zusammenhang der materiellen Subsidiarität. 297 Es wurde hierbei bewusst der allgemeine Terminus „Binnenkollision“ gewählt, um die von der einschlägigen Literatur insoweit aufgeworfenen Fallkonstellationen zutreffend abzubilden. Vgl. zur Bedeutung jener Problematik für die vorliegend allein relevante reine Binnenkollision die folgenden Ausführungen im Text. 298 Dabei geht es nicht darum, bestimmte Fallgestaltungen auszumachen, die von vornherein einer Lösung durch § 34 StGB nicht zugänglich sind und mithin dessen Allgemeingültigkeit in Frage stellten können. Auch betrifft die in Rede stehende Problematik nicht alle Fälle reiner Binnenkollision, sodass sie nicht der Untersuchung der Kongruenz mit der Fallgruppe als Ganzes unterfällt. In der Konsequenz muss also eine separate Erörterung unter einer eigenständigen Überschrift erfolgen. 299 Vgl. dazu etwa Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9; Ingelfinger, S. 246. Merkel, in: FS Schroeder, S. 297, 309 sowie Feldmann, S. 382 sind hingegen der Ansicht, dass man im betreffenden Zusammenhang nicht von einer Umgehung sprechen könne. Schließlich sage das Nichtdurchgreifen eines Rechtfertigungsgrundes nichts über die Anwendbarkeit anderer Rechtfertigungsgründe aus. Diese Annahme vernachlässigt indes, dass Einwilligungssperren ihrem Telos nach eine materielle Verbotswirkung hinsichtlich eines bestimmten Verhaltens und damit eines konkreten Lebenssachverhalts suggerieren. Gerade jenem – und nicht etwaigen rechtlichen Konstruktionen – haftet aber die gesetzgeberische Entscheidung über das Verbot an. Eine Auswirkung auf andere Rechtfertigungsgründe und damit ein prinzipieller Anknüpfungspunkt für eine Umgehung kann mithin nicht von vornherein verneint werden. Schmitz, S. 55, 175 geht dagegen, wie bereits angesprochen, von einer Charakterisierung des § 34 StGB als aufgezwungene Einwilligung aus. Dabei könne man nicht mehr Rechte einräumen als bei einem freiwilligen Entschluss. Die Grenzen der §§ 216, 228 StGB müssten daher auch im Rahmen des § 34 StGB gelten. Mit dieser Argumentation wäre eine Umgehung der Einwilligungssperren folglich in der Tat nicht denkbar. 300 Vgl. dazu die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb).

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Zum einen weist die generelle Problematik der Umgehung von Einwilligungssperren einen materiellen Gehalt auf. Voraussetzung für dessen Betroffenheit ist, dass aus inhaltlicher Sicht Beschränkungen mit gewollter und intakter Wirkung existieren. Sofern mithilfe des § 34 StGB Ergebnisse erzielt werden können, die diesen Sperrungen zuwiderlaufen, ist von einer materiellen Umgehung der Einwilligungssperren zu sprechen. Eine solche stellt dabei eine unerwünschte und somit zu vermeidende Folge dar. Schließlich kann es nicht rechtlich akzeptabel sein, „über die Hintertür“ inhaltlich gewollte gesetzliche Entscheidungen auszuhebeln. Konkret wird in jenem Kontext insbesondere die Gefahr genannt, § 34 StGB sei in der Lage, den Bereich möglicher Sterbehilfe über das an sich zulässige Maß auszuweiten.301 Der rechtfertigende Notstand könne demnach gegebenenfalls Konstellationen der direkten aktiven Sterbehilfe einer Rechtfertigung zugänglich machen.302 Deren rechtliche Zulässigkeit widerspricht aber der herrschenden Meinung, die sich zu ihrer Legitimation auf die aktuelle Gesetzeslage berufen kann.303 Neben der Rechtfertigungsmöglichkeit der willensentsprechenden direkten Sterbehilfe wird sogar eine noch einschneidendere Konsequenz befürchtet: Es bestehe potentiell die Möglichkeit, dass in Ausnahmefällen durch § 34 StGB selbst unverlangte Tötungen am Lebensende gerechtfertigt werden könnten.304 Dies würde nicht nur gegen das Gesetz verstoßen, sondern zudem dem Autonomieprinzip widersprechen.305 Um aus dem Dargestellten jedoch eine Folgerung für die in Rede stehende Fragestellung herleiten zu können, muss sich die gesamte Argumentation speziell auf Fälle reiner Binnenkollision beziehen. Eine reine Binnenkollision als Ausgangslage ist aber, wie bereits festgestellt,306 nur dann denkbar, wenn die Sperrwirkung des § 216 StGB – anders als im vorliegend dargestellten Zusammenhang – inhaltlich gerade nicht begründet greift. Angesichts einer anzunehmenden Parallelität liegt es darüber hinaus nahe, auch bei anderen inhaltlich begründet bestehenden Einwilligungssperren konstruktiv

301 302

In diesem Sinne Kubiciel, AL 2011, 361, 366. Dies kann man den Ausführungen von Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9 entneh-

men. 303 Vgl. dazu auch die Ausführungen unter G. II., S. 329. Einige Stimmen in der Literatur sehen hingegen die Möglichkeit, Fälle direkter Sterbehilfe über § 34 StGB zu rechtfertigen, gerade als eine gewünschte Folge an; vgl. dazu die Nachweise in Fn. 15 Abschn. G. Wer jedoch die Zulässigkeit der direkten Sterbehilfe dergestalt favorisiert, wird in den betreffenden Fällen nicht von einer materiell bestehenden und einzuhaltenden Sperrwirkung durch das Gesetz ausgehen. Folglich wäre aus der Sicht der Vertreter jener Ansicht die in Rede stehende materielle Umgehungsdimension gar nicht betroffen. 304 Vgl. zu dieser Befürchtung Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9. 305 Folglich lässt sich die materielle Überwindung von Einwilligungssperren nicht einmal auf eine – unter C. II. 1. b) bb), S. 76 aufgeworfene – autonomiewahrende Funktion stützen. 306 Unter C. II. 1. b) bb).

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

eine reine Binnenkollision auszuschließen.307 Man kann die Gefahr einer materiellen Umgehung von Einwilligungssperren somit nicht als valides Argument gegen die Anwendung des § 34 StGB auf Fälle reiner Binnenkollision vorbringen.308 Die zweite – nun speziell in Fällen reiner Binnenkollision relevante – Dimension der Umgehungsproblematik weist demgegenüber einen formalen Ansatz auf. Zu diskutieren ist insoweit, ob es durch die Anwendung des § 34 StGB möglich sein kann bzw. soll, eine Sperrwirkung aufzuheben, die zwar nach dem Gesetzeswortlaut, aber nicht in inhaltlich begründeter Hinsicht existiert.309 Bereits im Zusammenhang mit der Vergleichbarkeit bei reiner Binnenkollision wurde darauf hingewiesen, dass ein solches Vorgehen dogmatisch nicht zu überzeugen vermag.310 Diese Argumentation kann unter Rückgriff auf die spezielle Norm des § 34 StGB noch konkretisiert werden. Hierbei ist insbesondere auf die Funktion des rechtfertigenden Notstands abzustellen. Mittels § 34 StGB soll herkömmlicherweise im Einzelfall aufgrund einer spezifischen Abwägung ein tatbestandliches Verhalten erlaubt werden.311 Die betreffende Norm ermöglicht somit ihrem Wesen nach materiell wirksame Entscheidungen. In Fällen reiner Binnenkollision ist die Intention der Anwendung des § 34 StGB hingegen nicht die Gewinnung konkreter Ergebnisse. Diese richten sich schließlich allein nach dem Willen des Betroffenen, zu dessen Realisierung grundsätzlich anderweitige Instrumente zur Verfügung stehen.312 Das hauptsächliche Anliegen des § 34 StGB im Kontext der reinen Binnenkollision besteht vielmehr darin, Folgen, die anderswo im Gesetz angeführt werden, außer Kraft zu setzen.313 § 34 StGB würde daher allein als „Metanorm zur abstrakt-generellen Korrektur von Vorschriften, die einen anderen Rechtfertigungsgrund in unangemessener Weise beschränken“ 314, fungieren. Bei einer solchen Wirkungsweise bliebe aber von der eigentlichen Funktion des § 34 StGB nichts übrig. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dasjenige Element, dem durch § 34 StGB vorbei an den gesetzlich gezogenen Grenzen zur Geltung verholfen werden soll, die autonome Entscheidung des Betroffenen ist.315 Wie in den vorstehenden Erörterungen verdeutlicht, 307 Vgl. zur binnenkollisionsspezifischen Bedeutung von Einwilligungssperren speziell die Ausführungen unter F. I. 3. 308 Siehe zur dargelegten Bedeutungslosigkeit der materiellen Umgehungsdimension im Kontext reiner Binnenkollision bereits die Angaben unter C. II. 1. b) bb). 309 Vgl. zur Existenz derartiger rechtlich akzeptierter Fälle und ihre Klassifizierung als reine Binnenkollision ebenfalls bereits die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb). 310 Siehe wiederum die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb). 311 Vgl. Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 34. 312 Vgl. dazu die einleitend unter A. angesprochene Handhabung der reinen Binnenkollision in unproblematischen Fällen. 313 Vgl. dazu auch Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 16. 314 Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 34. 315 Vgl. Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 16; ähnlich auch Schmitz, S. 70.

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ist § 34 StGB aber strukturell nicht geeignet, dem Autonomieprinzip Rechnung zu tragen. Es erscheint daher dogmatisch unpassend, diese Norm gerade zur Gewährleistung des für sie wesensfremden Merkmals der Autonomie316 heranzuziehen. Eine formelle Umgehung der Einwilligungssperren mithilfe des § 34 StGB lässt sich folglich weder mit dessen grundlegender Funktion noch seiner strukturell autonomiefernen Fassung in Einklang bringen. Hieraus kann in der Konsequenz ein weiteres Argument gegen die Heranziehung des rechtfertigenden Notstands als Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision hergeleitet werden. 4. Zusammenfassung zur Heranziehung des § 34 StGB als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision Zusammenfassend hat sich der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB nicht als valider Lösungsansatz zur Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision erwiesen. Bei der Beurteilung der Anwendbarkeit jener Norm auf die betreffende Fallkonstellation sind verschiedene Ebenen zu berücksichtigen. Zunächst darf der rechtfertigende Notstand nicht von vornherein in gewissen Konstellationen ausgeschlossen sein, um die Qualität als allgemeingültiger Rechtfertigungsgrund sicherzustellen. Des Weiteren ist die Kompatibilität des § 34 StGB mit der Fallgruppe der reinen Binnenkollision als Ganzes zu untersuchen. Abschließend ist ferner auch die Sonderproblematik der Umgehung von Einwilligungssperren in die Betrachtung einzubeziehen. In Hinblick auf die primär zu erörternde Allgemeingültigkeit steht das Gefahrerfordernis jedenfalls bei einer weitgreifenden Auslegung einer Anwendung des § 34 StGB auf sämtliche Fälle reiner Binnenkollision nicht entgegen. Auch missachten lebensbezogene Eingriffe im Zusammenhang mit einer reinen Binnenkollision nicht den Einzigartigkeitscharakter jedes Lebens. Es besteht folglich keine Verletzung des Grundsatzes der Unabwägbarkeit menschlichen Lebens, sodass die Anwendbarkeit des § 34 StGB bei Lebensbetroffenheit nicht aus diesem Grunde ausgeschlossen werden kann. Aus konkurrenzrechtlicher Sicht ließe sich die Allgemeingültigkeit – oder jedenfalls die Einheitlichkeit – des betroffenen Rechtfertigungsansatzes zwar verneinen. Eine derartige konkurrenzbezogene Argumentation setzt aber voraus, dass § 34 StGB auf die Fallkonstellation der reinen Binnenkollision überhaupt anwendbar ist. Sowohl der Wortlaut als auch die historische Entwicklung des § 34 StGB schließen es nicht aus, diese Norm für die Lösung der reinen Binnenkollision fruchtbar zu machen. Daher müssen zur Gewinnung näherer Erkenntnisse die systematische und die teleologische Auslegung herangezogen werden. Hierbei 316 Gegen eine genuin autonomiegewährende Funktion des § 34 StGB auch Schmitz, S. 134.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

stellt insbesondere die Kongruenz des hinter § 34 StGB stehenden Prinzips mit der reinen Binnenkollision einen maßgeblichen Faktor dar. Zur Erklärung des rechtfertigenden Notstands werden in der Literatur verschiedene Prinzipien angeführt. Das formale Abwägungsprinzip stützt die Rechtfertigungswirkung sowie die korrespondierende Duldungspflicht auf das Überwiegen eines beteiligten Interesses als Ergebnis einer Gesamtabwägung. Letztere erfordert dabei eine Durchführung „von außen“ unter Anwendung formaler, sprich feststellbarer und verbindlicher Kriterien. Diese Vorgaben können jedoch nicht in Einklang mit der subjektiven Abwägung des Binnenbetroffenen bei einer reinen Binnenkollision gebracht werden. Aufgrund von verfassungsrechtlich begründeten Legitimationsdefiziten einer rein formalen Betrachtung und außerdem bestehenden Divergenzen zu den Voraussetzungen des § 34 StGB, konkret dem wesentlichen Überwiegen sowie der Angemessenheitsklausel, ist das formale Abwägungsprinzip aber ohnehin nicht als insoweit taugliches Prinzip anzuerkennen. Des Weiteren wird das Prinzip des größtmöglichen Gesamtnutzens als möglicher Erklärungsansatz für § 34 StGB vorgeschlagen. Dieses weist einen utilitaristischen Charakter auf, indem es die in Rede stehenden Folgen mit dem maximalen Nutzen für die Gesellschaft begründet. Jene Auffassung kann jedoch die Autonomie als maßgebliches Leitprinzip jeder reinen Binnenkollision nicht berücksichtigen. Darüber hinaus ist es aufgrund der Beteiligung eines eigenständigen Gesellschaftsinteresses nicht denkbar, dass in der zugrunde liegenden Situation lediglich zwei Individualrechtsgüter derselben Person kollidieren. Beides bedingt eine Inkompatibilität des Prinzips mit der Fallgruppe der reinen Binnenkollision als Ganzes. Auch der utilitaristische Gedanke kann allerdings nicht als einschlägige Erklärung hinter § 34 StGB angesehen werden, widerspricht er doch in seiner Reinform Kernelementen unserer Rechtsordnung sowie der Normfassung des § 34 StGB in Hinblick auf das wesentliche Überwiegen und die Angemessenheitsklausel. Eine Modifikation des utilitaristischen Prinzips in Gestalt der Kombination mit anderen Ansätzen an den kritischen Stellen vermag hingegen dogmatischen Grundsätzen nicht zu genügen. § 34 StGB wird ferner zum Teil mit einer Ersatz- bzw. Repräsentationsfunktion für staatliche Pflichten erklärt. Unabhängig von den konkreten Ausprägungen ergeben sich dabei aber übergreifend problematische Faktoren in Hinblick auf die Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision. Zum einen ist es prinzipiell gerade die Sache des Einzelnen, wie er mit den eigenen Gütern umgehen möchte, sodass es nicht plausibel scheint, eine prinzipiell staatliche Aufgabe zur Lösung eines solchen Konflikts anzunehmen. Zum anderen beschränkt sich der Ansatz auf die Erklärung der Duldungspflicht, die aber im Kontext der reinen Binnenkollision gerade kein Legitimationsbedürfnis aufweist. Das angesprochene Legitimationsdefizit hinsichtlich der Straflosigkeit des Notstandstäters wirkt sich zudem negativ auf die generelle Tauglichkeit des Prinzips zur Erklärung von § 34 StGB aus. Denn ein solches muss eine Legitimation sowohl für die Duldungspflicht als auch die Straflosigkeit liefern können. Selbst

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wenn man aber zur Verhinderung jenes Konflikts den in Rede stehenden Erklärungsansatz auf den Handelnden übertragen würde, wäre es jedenfalls in der Person des Notstandstäters, der zur Rettung eigener Güter agiert, lebensfremd, von der Erfüllung einer staatlichen Aufgabe zu sprechen. Hinzu kommen spezielle Kritikpunkte gegen die jeweiligen Ausprägungen des Prinzips, die zusätzlich zu den vorherigen Bedenken gegen die staatspflichtbezogene Erklärung des § 34 StGB sprechen. Es verbleibt damit das Prinzip der wechselseitigen Mindestsolidarität als Erklärungsansatz für den rechtfertigenden Notstand. Dieses geht in seinen Grundlagen von einem versicherungsgleichen Regelungssystem aus, in dem die gegenseitige Solidaritätspflicht jedem Einzelnen Vorteile bringt, seien sie zukünftiger, gegenwärtiger oder vergangener Art. Der Gedanke des Erfordernisses einer bloßen Mindestsolidarität schafft dabei einen sinnhaften Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen des § 34 StGB. Auf der Grundlage eines solchen Verständnisses können sowohl die Duldungspflicht als auch die Straflosigkeit des Notstandstäters plausibel erklärt werden. Da mögliche generelle Kritikpunkte nicht durchzuschlagen vermögen, ist das Prinzip der wechselseitigen Mindestsolidarität im Endeffekt als sachgerechte Erklärung des § 34 StGB anzuerkennen. Somit kann auch nur dieses die Grundlage für eine Argumentation hinsichtlich der in Frage stehenden Kongruenz des § 34 StGB mit Fällen reiner Binnenkollision darstellen. Das betreffende versicherungsgleiche System setzt allerdings die Solidaritätsgewährleistung in einem Mehrpersonenverhältnis voraus. Auch repräsentiert der Solidaritätsgedanke nicht zwingend die Wahrung des Autonomieprinzips. Hieraus folgt eine Inkongruenz des Prinzips wechselseitiger Mindestsolidarität mit der Fallgruppe der reinen Binnenkollision. Der Versuch, diese in Ausnahmefällen zu widerlegen, scheitert an der Zugrundelegung eines dem § 34 StGB strukturell fremden Solidaritätskonzepts bzw. würde bei Wahrung der für § 34 StGB typischen Solidaritätscharakterisierung zu Konstellationen führen, in denen keine reine Binnenkollision vorliegen kann. Der Ansatz, den rechtfertigenden Notstand unter Geltung des Solidaritätsprinzips zumindest im Wege einer Analogie in gewissen Fällen reiner Binnenkollision zur Anwendung zu bringen, läuft demgegenüber vor allem allgemeinen methodischen Grundsätzen zuwider. Beide Ansätze blieben ohnehin in ihrer Argumentationskraft auf Sonderfälle beschränkt und ermöglichten keine Anwendung des § 34 StGB als allgemeingültiger Rechtfertigungsgrund. Ferner sind in Hinblick auf eine potentielle Inkongruenz des § 34 StGB mit der reinen Binnenkollision auch normstrukturelle Erwägungen zu berücksichtigen. Insofern stellt zwar die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die Notstandshilfe bei reiner Binnenkollision kein gesetzlich verankertes Hindernis dar, sondern steht im Einklang mit dem abstrakt-generellen Charakter des § 34 StGB. Auch eine rein interne Abwägung, wie sie in Fällen reiner Binnenkollision vorliegt, ist zugebenermaßen nicht typisch für § 34 StGB, wird aber vom Wortlaut und dem festgestellten Prinzip hinter der Norm nicht ausgeschlossen. Mit dem Erfordernis des wesentlichen

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Überwiegens statuiert § 34 StGB jedoch eine Voraussetzung, welche strukturell die reine Wahrung des Willens für die Rechtfertigung nicht genügen lässt. Unter Berücksichtigung des Autonomieprinzips als zwingender Leitgedanke der reinen Binnenkollision wäre diese Beschränkung folglich nicht überzeugend erklärbar. Hinzu kommt, dass der Zweck des wesentlichen Überwiegens, nämlich die Gewährleistung von Schutz vor übermäßiger Inanspruchnahme, bei reiner Binnenkollision nicht plausibel greifen kann. Ferner vermag die im Zusammenhang mit § 34 StGB prinzipiell statuierte Duldungspflicht im Kontext der reinen Binnenkollision nicht sinnvoll angenommen zu werden. Jene letztgenannten normstrukturellen Ansatzpunkte streiten mithin gegen die Kompatibilität des § 34 StGB mit Fällen reiner Binnenkollision. Des Weiteren ist von besonderer Relevanz, ob der rechtfertigende Notstand die für die Lösung einer reinen Binnenkollision erforderliche absolute Wahrung des Autonomieprinzips insgesamt gewährleisten kann. Das Verbot einer Rechtfertigung gegen den Willen des Binnenbetroffenen wird zwar im Rahmen des § 34 StGB inhaltlich umgesetzt. Denn im Falle der reinen Binnenkollision kann bei § 34 StGB allein das Konzept des Verbots der aufgedrängten Notstandshilfe einschlägig sein, welches jegliche Rechtfertigung gegen den Willen des Inhabers des Erhaltungsguts ausschließt. Dies lässt sich im Ausgangspunkt auch über die Interessenabwägung in der Norm verankern. Ein derartiger methodischer Ansatz kann jedoch einen Konflikt mit dem Grundsatz der Ergebnisoffenheit nicht eindeutig verhindern. Außerdem widerspricht die dargestellte Herangehensweise strukturell gesehen dem objektiven Charakter der Abwägung. Auch der zweite Aspekt im Rahmen der Wahrung des Autonomieprinzips, nämlich die Ermöglichung einer Rechtfertigung jedweden willensgemäßen Verhaltens, ist den genannten Bedenken einer Verankerung in der Interessenabwägung ausgesetzt. Hinzu kommt in materieller Hinsicht, dass das Erfordernis des wesentlichen Überwiegens bzw. sogar des Überwiegens als solchem nicht immer dergestalt ausgelegt werden kann, dass es inhaltlich eine Wahrung des Willens in jedem Fall zulässt. Jene Aspekte sprechen zusammen mit der bereits dargelegten strukturellen Inkompatibilität des wesentlichen Überwiegens sowie dem autonomiebezogenen Defizit des Gedankens wechselseitiger Mindestsolidarität gegen eine ausreichende Kongruenz des § 34 StGB mit dem Autonomieprinzip. Im Ergebnis muss folglich zusammenfassend sowohl aus Gründen der systematischen als auch der teleologischen Auslegung eine Kongruenz zwischen dem rechtfertigenden Notstand und der Fallkonstellation der reinen Binnenkollision verneint werden. Dies hat unter anderem zur Konsequenz, dass sich die Frage nach dem konkurrenzrechtlichen Verhältnis zwischen § 34 StGB und den Einwilligungsregeln im vorliegenden Zusammenhang gar nicht stellt und dieses somit keine Argumentationsgrundlage in Bezug auf die Allgemeingültigkeit darstellen kann. Hinsichtlich der Sonderproblematik einer potentiellen Umgehung der Einwilligungssperren durch die Anwendung des § 34 StGB gilt es zu differenzieren. Eine materielle Gefahr der Umgehung besteht mangels Vorliegens einer inhaltlich be-

II. Die Einwilligungsregeln

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gründeten Sperre bei reiner Binnenkollision nicht. Die Überwindung nur formeller, aber nicht inhaltlich maßgeblicher Sperren durch § 34 StGB ist dagegen zwar für Fälle reiner Binnenkollision prinzipiell denkbar, widerspricht jedoch dogmatischen Grundsätzen sowie der eigentlichen Funktion des rechtfertigenden Notstands. Hinzu kommt, dass damit systemwidrig gerade eine autonomieferne Norm zur Gewährleistung des absoluten Autonomievorrangs eingesetzt würde. Jene genannten Inkompatibilitäten sprechen daher ebenfalls gegen eine Heranziehung des rechtfertigenden Notstandes in Fällen reiner Binnenkollision und untermauern somit das entwickelte Gesamtergebnis.

II. Die Einwilligungsregeln als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision Nachdem sich § 34 StGB nicht als taugliche Herangehensweise zur einheitlichen Lösung aller Fälle reiner Binnenkollision herausgestellt hat, soll nun untersucht werden, ob die Einwilligungsregeln den entsprechenden Anforderungen gerecht werden und somit die Konstellation der reinen Binnenkollision zutreffend erfassen können. Die Einwilligungsregeln spielen im Kontext der reinen Binnenkollision unumstrittenermaßen eine wichtige Rolle.317 Dies gilt zum einen für die Fälle der reinen Binnenkollision im weiteren Sinne. Derartige Grundkonstellationen werden prinzipiell ohne weitere Diskussion mittels Einwilligung bzw. mutmaßlicher Einwilligung gelöst, machen sie doch gerade den Paradefall für die Anwendung der genannten Instrumente aus. Aber auch hinsichtlich der reinen Binnenkollision im engeren Sinne stellen nach fast einhelliger Meinung die Einwilligungsregeln zumindest dann den einschlägigen Lösungsansatz dar, wenn weder ein Lebensbezug noch sonstige Einwilligungshindernisse gegeben sind.318 In den problematischen Anwendungsfällen wird demgegenüber, wie einleitend angeführt, häufig ein Rückgriff auf § 34 StGB vorgenommen. Es gibt allerdings auch Stimmen in der Literatur, die die Einwilligungsregeln ohne derartige Einschränkungen ausnahmslos in allen Fällen reiner Binnenkollision heranziehen wollen.319 Begründet wird 317 Ein Überblick über die vertretenen Ansätze zur Anwendung der Einwilligungsregeln in Fällen reiner Binnenkollision findet sich bei Schmitz, S. 32 f. Die Konstellation der reinen Binnenkollision im weiteren Sinne erfährt dabei allerdings keine gesonderte Berücksichtigung. Außerdem nimmt jene Darstellung den rechtfertigenden Notstand als Ausgangspunkt der Betrachtung. Die entsprechenden einwilligungsbezogenen Feststellungen werden mithin lediglich im Zusammenhang mit einer potentiellen Lösung durch § 34 StGB getroffen. 318 Vgl. dazu die einleitend unter A. erfolgte Darstellung, speziell auch die in Fn. 7 Abschn. A. sowie Fn. 8 Abschn. A. angeführten Literaturhinweise. 319 So etwa Jakobs, AT, Abschn. 13 Rn. 34; Knauf, S. 89; Pawlik, S. 103 Fn. 140; Schmitz, S. 181; Trück, S. 94. Für eine entsprechende Behandlung der reinen Binnenkollision wohl auch Aselmann/Krack, Jura 1999, 254, 258, wenngleich diese außer dem

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

dies damit, dass man im Kontext der reinen Binnenkollision eine Eingriffsbefugnis nur aus dem Recht des Einzelnen zur freien und autonomen Entscheidung über dessen eigene Güter herleiten könne.320 Der insoweit betroffene Gedanke der absoluten Gewährleistung subjektiver Präferenzen liege dabei gerade den Einwilligungsregeln zugrunde.321 Durch diese – und nur auf diese Weise – sei sicherzustellen, dass ausschließlich die Selbstbestimmung gewahrt werde und ihr entgegenstehende Eingriffe vermieden werden könnten.322 Einwilligung sowie mutmaßliche Einwilligung stellten demnach die sachnächsten Rechtfertigungsgründe zur Lösung der reinen Binnenkollision dar.323 Die genannten Argumente erscheinen auf den ersten Blick durchaus plausibel und überzeugend. Allerdings sind die Aussagen hinsichtlich des Charakters der Einwilligungsregeln insoweit lediglich als pauschal ausgestaltete Feststellungen zu werten. Derartige Annahmen sind nicht in der Lage, den gebotenen wissenschaftlichen Anspruch an die Begründung des passenden Lösungsansatzes bei reiner Binnenkollision zu erfüllen. Es bedarf vielmehr einer eingehenden Untersuchung der betreffenden rechtlichen Instrumente, um die vorstehenden Behauptungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Hierfür wird es, ebenso wie bereits im Rahmen des § 34 StGB, nötig sein, das hinter den Rechtfertigungsgründen Hinweis auf eine differenzierende Auffassung in Fn. 43 nicht auf Problemkonstellationen eingehen und dem behandelten Sachverhalt richtigerweise gar keine reine, sondern eine partielle Binnenkollision zugrunde liegt. Siehe ferner Kindhäuser, LPK-StGB, § 34 Rn. 39 sowie Rn. 7, wenngleich dieser in letztgenannter Rn. zudem einen möglichen Rückgriff auf die Geschäftsführung ohne Auftrag erwähnt. All jene Vertreter wenden sich damit im Übrigen auch explizit oder zumindest implizit gegen eine Heranziehung des § 34 StGB in Fällen reiner Binnenkollision. Auch Mitsch, in: Baumann/Weber/ Mitsch, § 17 Rn. 54 spricht sich für eine generelle Lösung der reinen Binnenkollision durch die Einwilligungsregeln aus. Er nimmt dabei aber keinen Ausschluss der Heranziehung des § 34 StGB an, sondern betrachtet die Einwilligungsregeln lediglich als vorzugswürdigen Ansatz. Vgl. insofern auch Mitsch, S. 413, 419, wo ebenfalls nicht die Unanwendbarkeit, sondern die Überflüssigkeit einer Lösung durch den rechtfertigenden Notstand betont wird. Erb vertritt demgegenüber im einschlägigen Kontext prinzipiell die Haltung, allein die Einwilligungsregeln und nicht § 34 StGB stellten selbst in den problematischen Fällen den einzig richtigen Weg dar; vgl. Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 30 ff.; Erb, JuS 2010, 17, 19 f. Dennoch lässt er schlussendlich eine Ausnahme zu. Diesbezüglich soll zwar nicht der Fall der Verhinderung eines Suizids im Mittelpunkt stehen, der laut Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 35 auf § 34 StGB zu stützen sei. Denn falls eine derartige Konstellation als partielle Binnenkollision zu werten sein sollte – vgl. dazu ausführlich die Erörterungen unter G. III. –, wäre mit deren abweichender Behandlung kein zwingender Widerspruch zu dem zunächst postulierten Grundsatz verbunden. Allerdings geht Erb im Falle von Einwilligungsunfähigkeit nicht von einer ausschließlichen Einschlägigkeit der Einwilligungsregeln aus. So sieht er im Spezialfall der pflichtwidrigen Verweigerung der Einwilligung eines Sorgeberechtigten wiederum Raum für den rechtfertigenden Notstand; vgl. Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 36. 320 So Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 30. 321 Vgl. dazu Engländer, GA 2010, 15, 23; siehe auch Schmitz, S. 134. 322 Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 54. 323 Vgl. Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 32.

II. Die Einwilligungsregeln

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stehende Grundprinzip herauszustellen und in der Folge die konkrete Begründung für die Rechtfertigungswirkung zu erlangen. Sollte sich dies nicht als kompatibel mit Fällen reiner Binnenkollision erweisen, müsste insofern eine Kongruenz mit der in Rede stehenden Fallgruppe verneint werden. Ferner ist auf weitere Charakteristika der zu untersuchenden Rechtsinstitute einzugehen, die dabei gegebenenfalls binnenkollisionsspezifisch zu betrachten sein werden. Damit sollen potentielle Faktoren aufgedeckt werden, die es verhindern könnten, jene Regelungen als überzeugenden Lösungsansatz heranzuziehen. Die Einordnung von Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung als gemeinsamer Lösungsansatz, wie es bislang als Prämisse angenommen wurde, setzt auch voraus, dass beide Ansätze überhaupt derart vergleichbar sind, dass man sie als einheitliche Rechtfertigungsmöglichkeit ansehen kann. Dies ist aus dogmatischer Sicht ebenfalls nicht ohne weiteres zu unterstellen. Die Klärung jener Frage erfordert eine tiefgehende Betrachtung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den genannten Instrumenten. Eine solche wird im Anschluss an die folgenden, die Einwilligung sowie die mutmaßliche Einwilligung separat behandelnden Erörterungen, vorgenommen werden. Schließlich darf auch eine weitergehende Überprüfung der Allgemeingültigkeit nicht fehlen, sprich es gilt umfassend zu erörtern, ob der betreffende Rechtfertigungsansatz alle Fälle reiner Binnenkollision zweifelsfrei erfassen kann. 1. Untersuchung der Einwilligung als taugliche Rechtfertigungsmöglichkeit a) Systematische Einordnung der Einwilligung in den Deliktsaufbau Bevor mögliche Begründungsansätze für die Rechtswirkungen der Einwilligung untersucht werden, muss zunächst geklärt werden, ob die Einwilligung überhaupt, wie bislang unterstellt, als Rechtfertigungsgrund zu werten ist. In Hinblick auf die deliktssystematische Einordnung der Einwilligung sind im Ausgangspunkt zwei Bedeutungsebenen zu unterscheiden. Zum einen existieren, wie bereits im Rahmen der Begriffsbestimmung angesprochen, bestimmte Delikte, bei denen ein Handeln gegen bzw. ohne den Willen erforderlich ist, um die Merkmale des Tatbestands zu erfüllen. Bei diesen vorliegend sogenannten willensbasierten Delikten wirkt ein Akt der Zustimmung schon per se immer tatbestandsausschließend.324 Im betreffenden Kontext wird daher überwiegend auch nicht der Begriff der Einwilligung verwendet, sondern vielmehr terminologisch von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis gesprochen.325 Fraglich 324 Siehe dazu Kühl, AT, § 9 Rn. 25; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 31. 325 Vgl. etwa Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 29 ff.; Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 156; Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 61.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

wird die Differenzierung zwischen Tatbestandsausschluss und Rechtfertigungsgrund erst in einem weiteren, darüber hinausgehenden Zusammenhang. Während die Einwilligung als rechtliches Instrument nämlich nach vielfach vertretener Ansicht außerhalb der willensbasierten Delikte rechtfertigend wirkt, kommt ihr mit der gegenteiligen Auffassung stets eine tatbestandsausschließende Wirkung zu. Hierin liegt ein in der Literatur viel diskutierter Streitpunkt, den man als typisches „Standardproblem“ bezeichnen kann.326 Dieses wird im Folgenden in seinen wesentlichen Zügen erörtert werden müssen. Denn damit sind entscheidende Konsequenzen für die Frage nach der Behandlung der reinen Binnenkollision verbunden. So würde es die bislang unterstellte und auch im Titel dieser Arbeit verankerte alleinige Einschlägigkeit der Rechtfertigungsebene zur Lösung der reinen Binnenkollision in Frage stellen, wenn sich die Einwilligung zwar als sachlich zutreffendes Instrument erweisen würde, sie sich jedoch nicht als Rechtfertigungsgrund einordnen ließe. Neben jenem allgemein-strukturell bedeutsamen Aspekt327 ergäbe sich bei einer generellen Annahme als Tatbestandsausschluss zudem ein Hinderungsgrund hinsichtlich einer gemeinsamen Klassifizierung mit der mutmaßlichen Einwilligung als einheitlicher Ansatz.328 Selbst wenn sich die Einwilligung aber im Rahmen der genannten Debatte als Rechtfertigungsgrund herausstellen sollte, verbleiben die willensbasierten Delikte329 als potentieller Konfliktpunkt in Bezug auf die Suche eines tauglichen Rechtfertigungsgrundes bei reiner Binnenkollision. Diesbezüglich schlägt sich insbesondere der Aspekt nieder, dass sich die Einwilligung nur als allgemeingültiger Rechtfertigungsgrund für die reine Binnenkollision ansehen lässt, wenn sie prinzipiell in allen entsprechenden Fällen rechtfertigend zu wirken vermag.330 Im 326 Nachweise zu den jeweiligen Vertretern in diesem Meinungsstreit finden sich bei Lackner/Kühl, StGB, Vor § 32 Rn. 10. Nähere Angaben werden auch sogleich im Zusammenhang mit der konkreten Darstellung des Streitstands folgen. 327 Auch Schmitz, S. 73 betont, dass es strukturell relevant sei, die deliktsspezifische Einordnung der Einwilligung zu klären. Er bezieht diese Aussage jedoch konkret auf die Klassifizierung des Verhältnisses zwischen Einwilligung und Notstand. 328 Denn die mutmaßliche Einwilligung wird nahezu allgemein in ihrer Qualität als Rechtfertigungsgrund anerkannt; vgl. Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 114 m.w. N.; Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 402, sowie speziell auch Fn. 436 und 437 Abschn. D. Dies bedeutet, dass, anders als im Zusammenhang mit der Einwilligung, keine gängige Diskussion über eine generelle Einordnung als Tatbestandsausschluss erfolgt. Vgl. aber zur potentiell tatbestandsausschließenden Wirkung einer mutmaßlichen Zustimmung in gewissen Konstellationen die Ausführungen unter D. II. 2. a) sowie unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 207. 329 Die zwar keine reine Binnenkollision im weiteren, aber zumindest im engeren Sinne verkörpern können und damit im einschlägigen Kontext Relevanz aufweisen. Vgl. zur binnenkollisionsspezifischen Betrachtung der willensbasierten Delikte die Ausführungen in Fn. 126 Abschn. B. 330 Die zugrunde liegende Problematik könnte man auch dem unter D. II. 3. b) dargestellten Bereich der Allgemeingültigkeit der Einwilligungsregeln zuordnen. Insofern ist auch auf die theoretische Möglichkeit einer Kompensation eventueller Defizite durch die Anwendung der mutmaßlichen Einwilligung als weiterer Bestandteil eines potentiell

II. Die Einwilligungsregeln

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Anschluss an den „typischen“ Meinungsstreit ist daher auch die Behandlung der willensbasierten Delikte genauer zu untersuchen. aa) Erörterung einer generell tatbestandsausschließenden Wirkung der Einwilligung (1) Argumentation für eine Einordnung als Tatbestandsausschluss Diejenigen Autoren, die eine Einwilligung stets als tatbestandsausschließend erachten wollen,331 stützen diese Auffassung vorwiegend auf ein spezifisches Rechtsgutsverständnis. Konkret liegt der Einordnung der Einwilligung als genereller Tatbestandsausschluss der individuell basierte Rechtsgutsbegriff zugrunde,332 der bereits im Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung333 kurz behandelt wurde. Nach diesem Rechtsgutsverständnis ist es die Dispositionsmöglichkeit über die jeweiligen Gegenstände, die den Gehalt des eigentlichen Rechtsguts ausmacht.334 Die hauptsächliche Funktion des Rechtsguts liege dementsprechend darin, eine Freiheitsbetätigung des Inhabers zu gewährleisten.335 Folglich sei bei einer Freiheitsbetätigung in Gestalt einer Zustimmung keine Verletzung des

gemeinsamen Lösungsansatzes hinzuweisen; vgl. dazu auch speziell die Ausführungen unter D. II. 3., S. 215. Die Untersuchung, ob sich bereits bei einer isolierten Betrachtung der Einwilligung kein Hinderungsgrund für die Allgemeingültigkeit herausstellen wird, passt jedoch thematisch eher in den entsprechenden sachlich einschlägigen Diskussionszusammenhang der Einwilligung. Zudem liegt der Schwerpunkt aktuell nicht auf der Frage, ob bzw. warum die rechtfertigende Einwilligung unter Umständen ausnahmsweise sachlich oder rechtlich nicht zielführend oder ausreichend erscheint. Relevant ist vielmehr vorgelagert die strukturelle Problematik, inwiefern die Einwilligung in einem bestimmten Rahmen überhaupt als Rechtfertigungsgrund anzusehen ist. Diesbezüglich weist die Problemstellung eine enge Verbindung zu der Thematik auf, ob die Einwilligung überhaupt je einen Rechtfertigungsgrund darstellen kann. Jener letztgenannte Aspekt vermag aber nicht dem Gesichtspunkt der Allgemeingültigkeit zugeordnet zu werden. Denn sollte die stete Tatbestandsmäßigkeit bejaht werden, würde dies eine Annahme der Einwilligung – und damit auch der Einwilligungsregeln insgesamt – als Rechtfertigungsansatz prinzipiell ausschließen. In diesem Fall käme man gar nicht mehr zur Frage nach dessen Allgemeingültigkeit. Aus den genannten Gründen soll die Erörterung hinsichtlich der willensbasierten Delikte daher bereits im vorliegenden Zusammenhang erfolgen. 331 In diesem Sinne etwa Roxin, AT I, § 13 Rn. 11 ff.; Roxin, JuS 1988, 425, 426; Rudolphi, ZStW 86 (1974), 82, 87; Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 61; Rudolphi, in: GS Kaufmann, S. 371, 393; Göbel, S. 71; Paul, S. 114; Zipf, S. 31. Auch Rönnau, Jura 2002, 595, 598 stuft die Einwilligung generell als tatbestandsausschließend ein. Dies erfolgt jedoch mit einigen Abweichungen zu der folgend dargestellten Argumentation unter Entwicklung eines eigenen Ansatzes, des sog. Basismodells, auf dessen Besonderheiten hier aber nicht näher eingegangen werden kann. 332 Roxin, AT I, § 13 Rn. 12. 333 Siehe dazu die Ausführungen unter B. III. 1. a). 334 Vgl. insoweit die unter B. III. 1. a) aufgeführten Erörterungen und Nachweise. 335 In diesem Sinne Rönnau, Jura 2002, 595, 596.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Rechtsguts und damit in der Konsequenz keine Erfüllung des Tatbestands zu erkennen.336 Zur Legitimation des entsprechenden Rechtsgutsbegriffs wird vorgebracht, dass man die einzelnen Faktoren wie Körper, Ehre oder Eigentum als solche im einschlägigen Sinnzusammenhang nicht vom Willen zu deren Wahrnehmung trennen könne.337 Beispielsweise sei das Eigentum lediglich „eine Sammelbezeichnung für die formale Befugnis des Rechtsgutsträgers [. . .], die Sache in der Weise der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit dienstbar zu machen, dass er mit ihr ,nach Belieben verfahren . . . kann‘“.338 Nicht die konkrete Existenz der Sache, sondern die in § 903 BGB niedergelegten Befugnisse zum Umgang mit ihr stellten mithin das Rechtsgut dar.339 Über das entsprechende Rechtsgutsverständnis hinaus wird für die stets tatbestandsausschließende Wirkung der Einwilligung das Fehlen eines Erfolgs- sowie Handlungsunwerts angeführt.340 Zudem könne auch nicht von der Erfüllung des Deliktstypus gesprochen werden, da das dafür erforderliche Merkmal des Übergriffs in eine fremde Hoheitssphäre insoweit nicht sinnhaft zu bejahen sei.341 Ein derartiges rechtsneutrales sowie sozialadäquates Verhalten, das die herkömmlichen Eigenschaften eines Delikts nicht aufweise, könne im Ergebnis nicht als tatbestandsmäßig gelten.342 Argumentiert wird ferner mit dem Topos einer strukturellen Andersartigkeit der Einwilligung im Vergleich zu den übrigen Rechtfertigungsgründen. Während letztgenannte den Prinzipien der Interessenabwägung sowie der Erforderlichkeit folgten, griffen jene Grundsätze im Falle der Einwilligung gerade nicht.343 Die Einwilligung würde damit einen Fremdkörper im Kontext der Rechtfertigung darstellen, was gegen eine diesbezügliche Einordnung spreche und mithin die Klassifizierung als tatbestandsausschließendes Element untermauere.344 Schließlich erfolgt zum Teil auch eine Bezugnahme auf die unstreitige Behandlung des Einverständnisses, aus der sich Rückschlüsse auf die Einordnung der Einwilligung ergeben sollten. So wird angeführt, dass es rein sprachlichen Zufälligkeiten der Tatbestandsfassung geschuldet sei, ob ein Handeln gegen den Willen eine eigenständige tatbestandliche Verankerung erfahre und somit bei ge-

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Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 61. So Roxin, AT I, § 13 Rn. 14. 338 Rönnau, Jura 2002, 595, 596. 339 Vgl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 15; Rudolphi, ZStW 86 (1974), 82, 87. 340 So Roxin, AT I, § 13 Rn. 19. 341 Roxin, AT I, § 13 Rn. 21. 342 Roxin, AT I, § 13 Rn. 19. 343 Roxin, AT I, § 13 Rn. 22; siehe ebenfalls Wolters, in: SK-StGB, § 228 Rn. 2, der allerdings nur das Merkmal der Erforderlichkeit aufgreift. 344 Roxin, AT I, § 13 Rn. 22. 337

II. Die Einwilligungsregeln

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gebener Zustimmung ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vorliege.345 Derartige formale und willkürliche Kriterien dürften jedoch keine ausschlaggebende Wirkung auf die deliktssystematische Klassifizierung des Zustimmungsakts entfalten. Dies streite für eine Gleichbehandlung von Einwilligung und Einverständnis in Gestalt einer generellen tatbestandsbezogenen Einordnung im Deliktsaufbau.346 (2) Argumentation für eine Einordnung als Rechtfertigungsgrund Von der Rechtsprechung sowie einem großen Teil der strafrechtlichen Lehre wird die Einwilligung hingegen prinzipiell347 als Rechtfertigungsgrund angesehen.348 Die Begründung für jene Einordnung nimmt dabei allem voran Bezug auf die von der Gegenansicht präsentierten Erwägungen. Insoweit wird insbesondere die Basis der tatbestandsbezogenen Beurteilung, nämlich das zugrunde liegende Rechtsgutsverständnis, als kritikwürdig erachtet. Dementsprechend findet sich die insofern diametral entgegengesetzte Annahme, dass Größen wie die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum einen nicht verkennbaren, vom Willen unabhängigen Eigenwert aufwiesen und nicht lediglich als funktional einsetzbare Elemente maßgeblich seien.349 Geschützt werde nicht die Selbstbestimmung bezüglich gewisser Lebensgüter, sondern umgekehrt bestimmte Lebensgüter „als Voraussetzung und Bezugsobjekt möglicher Selbstbestimmung“.350 Der beispielhaft angeführte Tatbestand der Sachbeschädigung erfasse folglich, anders als von der Gegenansicht behauptet, nicht die Befugnisse aus § 903 BGB. Schutzobjekt und damit Rechtsgut sei stattdessen die Gewährleistung der nicht beeinträchtigten Existenz der jeweiligen Sache als Voraussetzung für die Ausübung der eigentumstypischen Befugnisse.351 Anders als der individualbezogene Ansatz folgt eine derartige Herangehensweise dem Kriterium der kleinsten abgrenzbaren Schutzeinheit, welches im Rahmen der vorliegenden Arbeit als wichtiges Ele345 Siehe dazu Roxin, AT I, § 13 Rn. 32; Zipf, S. 13; vgl. auch den Verweis auf jene betreffende Auffassung bei Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33a. 346 Vgl. zu der insoweit dargestellten Argumentation Göbel, S. 71. 347 Die Behandlung der willensbasierten Delikte soll insoweit noch vollständig ausgeklammert werden. 348 Für eine derartige Einordnung etwa BGHSt 16, 309 ff.; BGHSt 23, 1, 4; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33; Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 156; Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 968; Dölling, in: FS Gössel, S. 209, 216; Murmann, in: FS Puppe, S. 767, 773; Menrath, S. 52, 205; Schmitz, S. 78. Siehe des Weiteren Lackner/Kühl, StGB, Vor § 32 Rn. 10 m.w. N. 349 Vgl. Kühl, AT, § 9 Rn. 22. 350 Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33a. Vgl. in diesem Sinne ferner Menrath, S. 51. 351 Siehe zu dem genannten Argument Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, Vor § 32 Rn. 33a.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

ment des Rechtsgutsbegriffs herauskristallisiert wurde352.353 Hinzu kommt, dass nur eine Interpretation auf der Grundlage des aktuell in Rede stehenden Rechtsgutsverständnisses dem herkömmlichen Sprachgebrauch der gesetzlich niedergelegten Tatbestandsmerkmale entspricht.354 Gegen den individualbezogenen Rechtsgutsbegriff sind ferner Schwierigkeiten in Hinblick auf aktuell einwilligungsunfähige Betroffene anzuführen. So wird vorgetragen, dass mit einem solchen Verständnis bei dauerhafter Entscheidungsunfähigkeit, sprich gerade im Falle besonders schutzwürdiger Personengruppen, das Vorliegen eines Rechtsguts abgelehnt werden müsse, wodurch entscheidende bzw. sogar widersinnige Schutzlücken entstünden.355 Potentiellen Auswegen, zum Beispiel die Selbstbestimmung eines gesetzlichen Vertreters anstelle derer des Betroffenen als maßgeblich zu erachten, wird indessen der Vorwurf eines gekünstelten Konstrukts gemacht. Außerdem könne auch auf diese Weise, zumindest in Bezug auf etwaige Übergangsphasen, kein umfassendes Schutzniveau gewährleistet werden.356 Zu jener Gesamtproblematik ist anzumerken, dass es zwar, wie an späterer Stelle noch näher dargelegt,357 richtigerweise nicht möglich ist, bei Einwilligungsunfähigkeit das Bestehen einer gewissen Form von Selbstbestimmung gänzlich auszuschließen. Allerdings ist das individualbezogene Rechtsgutsverständnis dergestalt zu interpretieren, dass es nicht auf die reine Existenz von Selbstbestimmung, sondern zumindest auf die potentielle Möglichkeit zur aktuellen Ausübung derselbigen ankommt. Diese fehlt jedoch in den aufgeführten Konfliktfällen, sodass die angesprochenen Anwendungsdefizite in der Tat nicht geleugnet werden können. Wenn man nun bedenkt, dass ein Rechtsgut seiner Definition und Funktion nach gerade umfassenden Schutz gewährleisten sollte, erscheint es in der Konsequenz die stringenteste Lösung, die Selbstbestimmung nicht prinzipiell in den Rechtsgutsbegriff aufzunehmen. Auch weitere Argumente, die für die Einordnung der Einwilligung als Tatbestandsausschluss ins Feld geführt wurden, müssen einer kritischen Prüfung unterzogen werden. So mutet es zum einen fragwürdig an, von der Ablehnung eines Unwerturteils oder auch der Deliktstypizität bei willensgemäßer Verletzung auszugehen. Denn dies steht im Widerspruch zur allgemeindogmatischen Entschei352

Siehe dazu die Ausführungen unter B. III. 1. c). Allerdings kann man der soeben erfolgten Darstellung des betreffenden Rechtsgutsverständnisses im Konkreten nicht vollständig zustimmen. Denn es ist zumindest auf den ersten Blick nicht erkennbar, dass sich die Rechtsgutsdefinition auch auf die über die Tatbestandsbezogenheit hinausgehende Dimension erstreckt. In diesem Sinne scheint sie auch die Existenz der Selbstbestimmung als separat geschütztes Rechtsgut nicht unbedingt zu erfassen. 354 In diesem Sinne auch Kühl, AT, § 9 Rn. 22. 355 Siehe dazu Rönnau, Jura 2002, 595, 597; Amelung/Lorenz, in: FS Otto, S. 527, 530 f. 356 Vgl. zu beidem Amelung/Eymann, JuS 2001, 937, 938. 357 Vgl. die entsprechenden Ausführungen unter F. III. 2. 353

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dung für die Dreiteilung des Deliktsaufbaus358, wonach der Tatbestand als solcher bereits eine unrechtstypisierende Funktion aufweist.359 Jener Unterteilung liegt genau gesprochen die Einschätzung zugrunde, dass Eingriffe, welche sich unter die tatbestandlichen Vorgaben subsumieren lassen, unabhängig vom spezifisch Handelnden oder sonstigen Umständen ein abstrakt verbotenes Verhalten repräsentieren. Ob dieses auch im konkreten Fall ein Unwerturteil verdient, zeigt sich erst auf der zweiten Deliktsstufe, der Rechtfertigungsebene.360 Nach den betreffenden Grundsätzen kann das Vorliegen eines den spezifischen Eingriff befürwortenden Willens angesichts des damit verbundenen Einzelfallbezugs prinzipiell erst auf der zweiten Ebene maßgeblich sein. Die vorgelagerte Annahme eines Unwerturteils oder der Deliktstypizität wird somit durch eine gegebene Einwilligung nicht berührt. In Hinblick auf die postulierte Unterschiedlichkeit der Einwilligung zu sonstigen Rechtfertigungsgründen müssen die vorgebrachten Argumente ebenfalls kritisch beleuchtet werden. Hierbei wurde zum einen auf den allgemeinen Grundsatz der Interessenabwägung abgestellt, der lediglich im Kontext der Einwilligung nicht betroffen sei. Zur Entkräftung einer darauf gestützten Argumentation kann auf die – in ihrer Richtigkeit allerdings bislang bloß zu unterstellende – Annahme zurückgegriffen werden, dass sich Fälle reiner Binnenkollision unter die Einwilligung subsumieren lassen. Hinzu kommt als argumentativ maßgebliches Element ein Rekurs auf notstandsbetreffende Erwägungen. Im Rahmen der Erörterung des § 34 StGB als potentieller Lösungsansatz wurde nämlich herausgestellt, dass die Abwägung im Falle einer reinen Binnenkollision zwar lediglich eine interne und mithin untypische Form aufweist, sie allerdings dennoch die Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands erfüllen würde.361 Da sich die Grundkonstellation der reinen Binnenkollision bei einer Lösung durch die Einwilligung nicht verändert, muss jenes Instrument dieselbe Art der Abwägung verkörpern. Damit wäre zum einen das gänzliche Fehlen einer Abwägung bei der Einwilligung nicht als haltbare Annahme anzusehen. Aus dem Vergleich mit § 34 StGB lassen sich aber darüber hinaus noch weitergehende Schlüsse ziehen. Wenn sowohl § 34 StGB als Repräsentation eines interessenabwägungsgeprägten Rechtfertigungsgrundes als auch die Einwilligung im Falle reiner Binnenkollision eine identische Abwägungssituation aufweisen, erscheint es nicht möglich, im Kriterium der Abwägung einen stets bedeutsamen Unterschied festzustellen, 358 Vgl. ganz generell zur Bedeutung jenes Aspekts im Kontext der Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund den Hinweis bei Rönnau, Jura 2002, 595, 596. 359 Vgl. speziell zu letztgenanntem Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 11 Rn. 541; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33a; Hillenkamp, in: FS Kirchhof, S. 1349, 1355. 360 Siehe zu den genannten Erwägungen auch die Ausführungen bei Wessels/Beulke/ Satzger, AT, § 11 Rn. 541; Sternberg-Lieben, S. 66 f. 361 Vgl. dazu die Ausführungen unter D. I. 2. b) bb).

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der eine Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund verhindern würde. Die des Weiteren als Unterscheidungskriterium angeführte Erforderlichkeit stellt hingegen zutreffenderweise kein Merkmal der Einwilligung dar. Das bedeutet allerdings nicht zwingend, dass dieser verbleibende Unterschied auch zu einer anderweitigen Einordnung im Deliktsaufbau führen muss. Selbst wenn man sich prinzipiell der Notwendigkeit einer Ungleichbehandlung von wesentlich Ungleichem anschließen möchte,362 erscheint es nicht eindeutig, das Fehlen des Merkmals der Erforderlichkeit als wesentlichen Faktor einzuordnen. Jedenfalls aber ließen sich – schon angesichts der fehlenden Akzeptanz eines individualbezogenen Rechtsgutsverständnisses – hinreichende Gründe finden, welche die Einordnung als Rechtfertigungsgrund trotz eines unterstellt wesentlichen Unterschiedes legitimieren würden. Aufgrund der dargestellten Parallelen bzw. sonstiger Legitimationsaspekte ist es also nicht sachgerecht, von der Einwilligung als Fremdkörper unter den Rechtfertigungsgründen zu sprechen. Ein weiteres Argument der Befürworter eines Tatbestandsausschlusses bezieht sich, wie gesehen, auf eine behauptete Zufälligkeit der Gesetzesformulierung im Vergleich zwischen willensbasierten und sonstigen Delikten. Dem kann man zum ersten entgegnen, dass die deutsche Sprache über genügend Ausdrucksmöglichkeiten verfügt, um inhaltlich deutliche Aussagen zu machen. Darüber hinaus wird es den Beteiligten im Gesetzgebungsverfahren zuzutrauen sein, dass sie sich dieser sprachlichen Instrumente bewusst sind und sie zutreffend einzusetzen vermögen. Das Vorliegen von sprachlichen Zufälligkeiten ist demnach nicht anzunehmen.363 Dieses Ergebnis untermauert die weitere, entscheidende Einschätzung, dass dem betreffenden Argument für die Tatbestandslösung eine falsche Ausgangsprämisse zugrunde liegt. In den einschlägigen Tatbeständen bedingt nämlich gerade nicht die Formulierung als solche die Beachtlichkeit des Willens. Vielmehr macht es umgekehrt der Charakter als willensbasiertes Delikt notwendig, diesen durch eine sachgerechte Formulierung zum Ausdruck zu bringen.364 Die Gesetzesformulierung weist also im vorliegenden Zusammenhang keine konstituierende Wirkung auf, sondern ist materiell bedeutsamen Gründen geschuldet. Es ist daher im Ergebnis zwar nichts gegen die Annahme einzuwenden, dass es nicht von Zufälligkeiten in der Formulierung abhängen dürfe, ob der Zustimmung eine tatbestandsausschließende Wirkung zukomme. Der entsprechenden Argumentation fehlt es aber mangels aktueller Maßgeblichkeit von sprachlichen Aspekten für die Einordnung an der entscheidenden Grundlage. 362 Was im grundrechtlichen Schrifttum jedoch nicht unumstritten ist; vgl. dazu bereits den Hinweis in Fn. 10 Abschn. C. 363 Gegen die Annahme von zufälligen Formulierungen bei willensbasierten Delikten unter Heranziehung des Beispiels des § 123 StGB auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33a. 364 Siehe zu den Charakteristika eines willensbasierten Delikts die Ausführungen unter B. III. 3. b) bb) sowie sogleich die Darstellung unter D. II. 1. a) bb), S. 168.

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Zusätzlich zur erfolgreichen Widerlegung der die Tatbestandslösung befürwortenden Argumente werden auch eigenständig bedeutsame Aspekte für eine Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund angeführt. So sei es allein jene Klassifizierung, die sich mit einer Charakterisierung der mutmaßlichen Einwilligung als Einwilligungssurrogat in Einklang bringen ließe.365 In der Tat wird diesbezüglich nur dann sinnvoll von einem Surrogat gesprochen werden können, wenn beide Rechtsinstrumente in Hinblick auf Deliktsstandort gleichgerichtet sind. Daraus ein taugliches Argument für die Rechtfertigungslösung herzuleiten, würde aber zum einen erfordern, dass sich die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund herausgestellt hat. Diese Annahme entspricht zwar der überwiegenden Meinung.366 Aus methodischer und dogmatischer Perspektive kann ein solches Ergebnis jedoch nicht als Argumentationsgrundlage angenommen werden, ohne dass es in seiner Berechtigung eingehend untersucht und inhaltlich unterfüttert worden ist. Zum anderen verlangt die Prämisse eines als Surrogat zu bezeichnenden Verhältnisses eine vorangegangene Analyse der inhaltlichen Vergleichbarkeit beider betroffenen Instrumente. Diese ist vorliegend allerdings ebenfalls noch nicht erfolgt – und müsste im Übrigen gerade den Deliktsstandort als maßgebliches Element zur Bestimmung der Vergleichbarkeit einbeziehen. Unabhängig von den bislang dargelegten Aspekten ergäbe sich im Kontext der betreffenden Argumentationsweise ferner grundlegend ein weiteres, sowohl methodisch als auch inhaltlich geprägtes Problem. Die mutmaßliche Einwilligung als Surrogat der Einwilligung anzusehen, impliziert nämlich eine logische Abhängigkeit erstgenannter von letztgenannter. Es erscheint jedoch nicht stringent, das an sich abhängige Element heranzuziehen, um das prinzipiell bestimmende in Hinblick auf den Deliktsstandort zu konturieren. Auf diese Weise würde das gedankliche „Kräfteverhältnis“ in sein Gegenteil verkehrt. Ein Rekurs auf die mutmaßliche Einwilligung kann folglich die Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund nicht überzeugend untermauern. Für eine derartige Klassifizierung streitet hingegen eine Norm aus dem StGB. Dem klaren Wortlaut des § 228 StGB lässt sich deutlich eine Rechtfertigungswirkung der Einwilligung entnehmen.367 Zwar gilt dieser direkt lediglich für Körperverletzungsdelikte. § 228 StGB spielt jedoch insofern eine übergeordnete Rolle, als er die Existenz der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund voraussetzt und mithin den gesetzlich 365 Vgl. Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33a; siehe auch Sternberg-Lieben, S. 65. Vgl. zu der Surrogatseigenschaft der mutmaßlichen Einwilligung auch Fn. 469 Abschn. D. 366 Vgl. dazu bereits Fn. 328 Abschn. D. 367 So auch Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 11 Rn. 541; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33a; Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 968; a. A. aber etwa Roxin, AT I, § 13 Rn. 29, der insoweit zur Entkräftung auf § 11 I Nr. 5 StGB verweist. Entgegen dessen Auffassung kann die betreffende Norm aber nicht derart verstanden werden, dass bereits die Tatbestandsmäßigkeit für ein Rechtswidrigkeitsurteil ausreicht, vgl. dazu Radtke, in: MK-StGB, § 11 Rn. 105.

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niedergelegten Ausdruck des entsprechenden Prinzips darstellt.368 Außerdem muss aus dogmatischen Gründen die Bewertung des Deliktsstandorts einheitlich vorgenommen werden. Um dies einzuhalten, ohne gleichzeitig Widersprüche mit dem Gesetzestext zu verursachen, bleibt allein die Ausdehnung des deliktsstandortbezogenen Gehalts der in Rede stehenden Norm auf sonstige Delikte. § 228 StGB ist also als überzeugender Beweis für die allgemeine Klassifizierung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund zu erachten. Zusammenfassend hat sich nach den vorangegangenen Erörterungen gezeigt, dass der Einwilligung nicht schlechthin eine tatbestandsausschließende Wirkung zukommt. Richtigerweise stellt sie grundsätzlich einen Rechtfertigungsgrund dar. bb) Einordnung der Zustimmung bei willensbasierten Delikten Fraglich erscheint allerdings, ob im Falle von willensbasierten Delikten eine Abweichung von der Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund angezeigt ist. Dies läge auf den ersten Blick nahe, wurde doch bereits festgestellt, dass sich die Zustimmung in jenen Fällen immer schon tatbestandsausschließend auswirkt. Der reine Akt der Zustimmung, das „Ja-Sagen“, erweist sich aber sowohl bei willensbasierten als auch bei sonstigen Delikten als identisch.369 Nach dogmatischen Grundsätzen muss ein solch wesentlich gleiches Verhalten hinsichtlich der dogmatischen Einordnung prinzipiell gleich behandelt werden. Es bedürfte folglich eines überzeugenden Grundes, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Eine potentielle Alternative wäre demgegenüber, doch eine umfassend tatbestandsausschließende Einordnung der Einwilligung zu vertreten. Damit würde die soeben dargelegte Wirkung der Zustimmung bei willensbasierten Delikten widerspruchsfrei einbezogen werden. Die allgemeine Klassifizierung der Einwilligung als Tatbestandsausschluss hat sich jedoch im Vorherigen gerade als nicht haltbar erwiesen. Vermeintlich besteht also eine Konfliktsituation zwischen dem Grundsatz der Einheitlichkeit einerseits sowie dem der sachlichen Kongruenz anderseits. Die Annahme eines derartigen Konflikts kann allerdings mit einer einfachen, wenngleich – soweit ersichtlich – bislang nicht vertretenen Erwägung verneint werden. Konkret liegt die Lösung darin, der Einwilligung in jedem Fall, sprich auch bei willensbasierten Delikten, eine rechtfertigende Wirkung zuzuerkennen. Die Einwilligung ist damit – sachlich zufriedenstellend und einheitlich – als Rechtfertigungsgrund zu sehen. Im Falle der willensbasieren Delikte weist die Zustimmung lediglich im Sinne einer Doppelfunktion eine weitere, vorgelagerte Bedeutung auf.370 So wird im Rahmen jener Deliktsgruppe, wie bereits im Kon368

Vgl. dazu Hardtung, in: MK-StGB, § 228 Rn. 1; Gropp, ZJS 2012, 602, 602. So auch Geerds, GA 1954, 262, 263. 370 Der BGH führt in NJW 2011, 1891 ff. – dargestellt auch in NJW-Spezial 2011, 377 – aus, dass im betreffenden Sachverhalt weder Einverständnis noch Einwilligung in Hinblick auf den einschlägigen § 174c StGB zu greifen vermochten. Ohne dass es not369

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text der Begriffsbestimmung dargelegt, ein abstrakter Wert nicht als solcher, sondern nur verbunden mit der Selbstbestimmung in einem eigenständigen synthetischen Rechtsgut geschützt. Der Bestandteil Selbstbestimmung genießt dabei den ausnahmsweise tatbestandlich verankerten Schutz speziell und nur in seiner auf Wahrung des abstrakten Wertes gerichteten Gestalt bzw. in der Gestalt der Ermöglichung einer solchen Entscheidung, wenn kein konkreter Wille gegeben ist. Das Vorliegen einer Zustimmung führt aber gerade zur entgegengesetzten Ausformung des Inhalts der Selbstbestimmung. Im Ergebnis kann daher insoweit schon keine Verletzung des Rechtsguts und mithin keine Erfüllung des entsprechenden Tatbestandsmerkmals gegeben sein.371 Man kommt in diesen Fällen folglich in praktischer Hinsicht nicht mehr zu einer Auswirkung der Einwilligung auf der Rechtfertigungsebene. Jene Funktion der Einwilligung besteht aber theoretisch weiterhin fort372.373 Dies lässt sich dadurch begründen, dass Tatbewendig wäre, insoweit den gesamten Sachverhalt darzustellen, ließen sich hieraus unter Umständen Rückschlüsse in Richtung der vorliegend vertretenen Ansicht ziehen. Die postulierte Sperrwirkung auf beiden Ebenen könnte nämlich suggerieren, dass im Kontext eines willensbasierten Delikts auch im „Normalfall“, sprich bei einer durchgreifenden Zustimmung, beide Ebenen betroffen sind. Jene – freilich nicht zweifelsfrei auch vom BGH so bezweckte – Verständnismöglichkeit gilt allerdings nur unter der Prämisse, dass der BGH § 174c StGB im aktuellen Fall auch als willensbasiertes Delikt angesehen hat. Davon ist angesichts seiner Formulierungen aber auszugehen. Vgl. allgemein zur Einordnung des § 174c StGB als willensbasiertes Delikt die Ausführungen unter B. III. 3. b) cc). 371 Die zusätzliche Sonderbedeutung der Zustimmung auf Tatbestandebene steht dabei nicht in Widerspruch zu der oben postulierten Gleichheit der Zustimmung als solcher. Denn die Divergenzen in der Wirkung des Bejahungsakts knüpfen im Fall der willensbasierten Delikte nicht an eine unterschiedliche Bewertung der Zustimmung an sich an. Sie beruhen vielmehr auf der Existenz eines zu sonstigen Delikten verschiedenen Rechtsguts, womit sie maßgeblich auf ein externes Element zurückzuführen sind. 372 Die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund würde unter Ausblendung des Tatbestandes auch einen sachlichen Wirkungsbereich erfahren. Aus logischen Gründen könnte potentieller Gegenstand der Zustimmung auf Rechtswidrigkeitsebene aber allein die Verletzung des abstrakten Teils des tatbestandlich erfassten Rechtsguts sein. Eine Zustimmung in die Verletzung der Selbstbestimmung wäre schließlich in sich kein denkbares Phänomen. Der verbleibende Teilbereich des tatbestandlich geschützten Gutes weist jedoch in sich ebenfalls den Charakter eines Rechtsguts auf, vgl. die Ausführungen unter B. III. 3. b) bb). Im Falle des § 240 StGB käme hingegen eine Bedeutsamkeit der Zustimmung auf Rechtfertigungsebene und damit eine Doppelfunktion des Bejahungsaktes nicht in Betracht. Denn geschütztes Rechtsgut ist diesbezüglich allein eine Voraussetzung der Selbstbestimmung ohne integrierten abstrakten Wert; vgl. zum Inhalt des § 240 StGB bereits die Angaben unter B. III. 3. b) aa), S. 40. Auch wenn die Einwilligung insoweit dem Prinzip nach theoretisch ebenfalls als Rechtfertigungsgrund fungieren könnte, fehlt es jedoch konkret an einem Gegenstand, zu dessen Verletzung man seine Zustimmung geben könnte. Gerade mangels Verknüpfung des Schutzes mit einem abstrakten Wert ist § 240 StGB aber ohnehin nicht unter die Gruppe der vorliegend thematisierten willensbasierten Delikte zu subsumieren. 373 In diesem Sinne könnte man unter Umständen Gropp, AT, § 5 Rn. 113 verstehen, indem er die tatbestandsausschließende Wirkung der Zustimmung bei willensbasierten Delikten „unbeschadet der Ausführungen“ zur Einwilligung als Rechtfertigungsgrund annimmt. Eine ausdrückliche Stellungnahme Gropps ist damit freilich nicht verbunden.

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standsmerkmale und deren Bestehen oder Nichtbestehen aus strafrechtsdogmatischer Sicht gemeinhin keine Auswirkungen auf die Rechtfertigungsebene haben können. Beide Ebenen sind funktional zu trennen, sodass strukturell gesehen die Betrachtung der einen unabhängig von der anderen zu erfolgen hat. Freilich hängt die Bedeutung der Rechtfertigungsebene in der praktischen Relevanz ganz allgemein, unabhängig vom Themenfeld der Zustimmung, von der Erfüllung des Tatbestandes ab. Dies ist aber allein der logischen Abfolge der Deliktsebenen geschuldet und lässt die festgestellte strukturelle Unabhängigkeit unberührt. In dieses abstrakt dargestellte Verhältnis lässt sich auch die Problematik des bejahenden Willensakts bei willensbasierten Delikten einordnen. Die tatbestandsausschließende Wirkung der Zustimmung durch das Nichterfüllen des synthetischen Rechtsguts entspricht genau der Situation, dass ein beliebiges anderes Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt und die Prüfung weiterer Ebenen mithin überflüssig wird. Es erscheint daher nur folgerichtig, deren Wirkungen auch rein auf den Tatbestand zu beschränken und die Rechtfertigungswirkung der Einwilligung nicht zu berühren. In der Konsequenz steht die Gruppe der willensbasierten Delikte einer umfassenden Rechtfertigungswirkung der Einwilligung mithin nicht entgegen. Man kann dieses Instrument damit jedenfalls der Deliktsstruktur nach in sich374 als allgemeingültigen einheitlichen Rechtfertigungsgrund bei reiner Binnenkollision in Betracht ziehen. b) Das Rechtfertigungsprinzip der Einwilligung Unter Zugrundelegung des Ergebnisses der deliktssystematischen Einordnung gilt es nun, das hinter der Einwilligung stehende Prinzip auszumachen. Auf diese Weise soll eine valide Begründung für die Straflosigkeit des Handelnden infolge einer solchen Zustimmung gefunden werden. Ein zusätzliches Legitimationsbedürfnis hinsichtlich einer Duldungspflicht des Betroffenen mutet hingegen, anders als im Zusammenhang mit § 34 StGB, im Rahmen der Einwilligung fragwürdig an. Denn wie bereits angesprochen, lassen sich sowohl der Akt des Duldens als auch der Charakter einer Pflicht nicht mit einer rein selbstbestimmten Entscheidung in Einklang bringen.375 Es ist jedoch gerade die grundrechtlich in 374 Vgl. zur Möglichkeit einer gemeinsamen Betrachtung mit der mutmaßlichen Einwilligung und der Fähigkeit jenes gemeinsamen Ansatzes, das Erfordernis der Allgemeingültigkeit zu erfüllen, die Ausführungen unter D. II. 3. 375 Siehe dazu die Ausführungen unter D. I. 2. b) dd). Zu beachten ist allerdings, dass diese auf die Grundkonstellation der reinen Binnenkollision und nicht auf den nachgeordneten Rechtfertigungsgrund der Einwilligung rekurrieren. Angesichts der Parallelen hinsichtlich der Bedeutung der Selbstbestimmung bei der reinen Binnenkollision einerseits sowie der Einwilligung anderseits lassen sich die dortigen Angaben im Ergebnis aber entsprechend heranziehen. Vgl. zur Relevanz der Selbstbestimmung im Kontext der Einwilligung sogleich die Darstellung im Text inklusive der betreffenden Nachweise.

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Art. 2 I GG verbürgte Selbstbestimmung376, die allgemein als Grundlage des betreffenden Rechtfertigungsgrundes angesehen wird.377 Die Einwilligung repräsentiert demnach stets eine selbstbestimmte Entscheidung, weswegen die Statuierung einer Duldungspflicht in der Konsequenz nicht sinnvoll erscheint. Es verbleibt also allein bei der Notwendigkeit, die Straflosigkeit des Handelnden zu erklären. Der Aussage, dass die Grundlage der Einwilligung in der grundrechtlich garantierten Selbstbestimmung zu erblicken ist, kann umfassend zugestimmt werden. Dies bedeutet allerdings nicht notwendigerweise auch, dass die Selbstbestimmung bzw. die allgemeine Handlungsfreiheit als solche das konkret einschlägige Prinzip zur Erklärung der Straflosigkeit darstellen würde. Vielmehr gilt es richtigerweise, zwischen Konstruktion und Bedeutung des Rechtfertigungsgrundes einerseits sowie dem spezifischen Grund der Straflosigkeit andererseits zu unterscheiden. Art. 2 I GG sowie die entsprechend garantierte Selbstbestimmung sind erstgenannter Ebene zuzuordnen. Die Beziehung zwischen Einwilligung und Selbstbestimmung ist derart zu charakterisieren, dass letztgenannte in dem betreffenden Rechtfertigungsgrund ihren Ausdruck findet378 und ganz allgemein dessen Wirksamkeit ermöglicht.379 Sie stellt folglich die grundrechtlich garantierte Basis dafür dar, ein Instrument wie die Einwilligung überhaupt in das Strafrecht zu integrieren und gibt diesem gleichzeitig seine entscheidende Prägung. Die konkrete Begründung, warum im Einzelnen die Strafe für den Handelnden entfallen soll, erschöpft sich allerdings nicht in den genannten allgemeinen Erwägungen. Jene bieten lediglich den Ansatzpunkt dafür, spezifische Begründungen zu verankern, die in materiell überzeugender Weise gerade den Wegfall der Straflosigkeit zu erklären vermögen.380 Im Folgenden sollen diesbezüglich die wichtigsten Möglichkeiten aufgezeigt und – insbesondere auch in Hinblick auf deren Kongruenz mit der reinen Binnenkollision – bewertet werden.381 Die insoweit denkbaren Ansätze lassen sich in zwei maßgebliche Strö376 Wenngleich in der einschlägigen Literatur zumeist nicht von Selbstbestimmung, sondern von Selbstbestimmungsrecht gesprochen wird. Gemeint ist dabei aber in keinem Fall speziell die Selbstbestimmung in ihrer Gestalt als Rechtsgut. Es geht diesbezüglich allein um den dahinterstehenden materiellen Gehalt jener Gewährleistung, ohne dass der Rechtsgutscharakter insoweit eine eigenständige Rolle spielen würde. 377 Vgl. dazu Kühl, AT, § 9 Rn. 20; Rönnau, Jura 2002, 595, 595; Göbel, S. 22. Teils wird als grundrechtliche Basis auch auf das jeweilige zusätzlich betroffene Grundrecht abgestellt, vgl. dazu die Darstellung bei Sternberg-Lieben, S. 18 m.w. N. 378 In diesem Sinne Kühl, AT, § 9 Rn. 23. 379 Vgl. dazu Rönnau, Jura 2002, 595, 595; siehe auch Bichlmeier, JZ 1980, 53, 54. 380 Vgl. in diesem Sinne auch Rönnau, Jura 2002, 595, 595, der die allgemeine Handlungsfreiheit und damit die daraus folgende Selbstbestimmung lediglich unter dem Aspekt „Grundgedanke“ diskutiert, für die konkrete Begründung der Straflosigkeit aber spezifischere Aspekte anführt. 381 Prinzipiell würde auch die fehlende Rechtsgutsverletzung eine spezifische Begründung dafür darstellen, warum es zu keiner Strafe des Handelnden kommen kann.

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mungen unterteilen. Hiervon basiert die erste auf einem Abwägungsgedanken und misst auch überindividuellen Erwägungen einen Erklärungswert zu. Umgekehrt bezieht sich die zweite Strömung entscheidend auf individuelle Aspekte und stellt die fehlende Schutzwürdigkeit des Rechtsgutsträgers in den Mittelpunkt der Begründung.382 aa) Der abwägungsbasierte Erklärungsansatz (1) Darstellung des Prinzips Der abwägungsbasierte Ansatz, auch kurz „Abwägungstheorie“ 383 genannt, stützt die Legitimation der Straflosigkeit bei einer gegebenen Einwilligung auf den Gedanken der Interessenabwägung.384 Als Abwägungsgegenstand wird dabei zum einen der ungehinderte Gebrauch der Freiheit, über die eigenen Güter zu verfügen, bzw. der Wert dieser Verfügungsfreiheit, angeführt.385 Dem gegenüber stünden das Rechtsgut, das der Täter verletze, genau genommen der damit verbundene Erfolgs- und Handlungsunwert, sowie ein allgemeines Interesse der Gesellschaft an der Erhaltung jenes Gutes.386 Hinsichtlich des AbwägungsmaßstaDa ein solcher Ansatz jedoch bereits im Grundsatz abgelehnt wurde, wird eine entsprechende Argumentation im Folgenden nicht mehr separat als Option erörtert werden. Die darzustellenden Ansätze beziehen sich folglich allein auf das Konzept der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund. Siehe zur Einordung jener Ansätze speziell im Kontext der Rechtfertigungslösung auch Rönnau, Jura 2002, 595, 596; Rönnau, S. 14 ff. 382 Vgl. zu letzterem auch Rönnau, S. 15. 383 Vgl. dazu etwa Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 2. 384 So Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 952; Noll, ZStW 77 (1965), 1, 14 ff., 19 ff.; Noll, S. 74 ff. Letztere Abhandlung bezieht sich zwar weitestgehend auf schweizerisches Recht. Die zitierten Passagen lassen sich aber aufgrund der gegebenen Parallelität für das deutsche Recht fruchtbar machen, was sich auch an der Zitierung deutscher Autoren im dortigen Zusammenhang zeigt. Als Vertreter der Abwägungslehre ist darüber hinaus Otto, AT, § 8 Rn. 127; Otto, in: FS Geerds, S. 603, 609 anzuführen. Zwar geht dieser im Kern von einem Verzicht auf Rechtsschutz aus, was eigentlich ein Hauptelement der noch darzustellenden Gegenauffassung ausmacht. Da er den Grund für die Wirksamkeit des Verzichts aber in der Interessenabwägung zu sehen scheint, kann man jene Ansicht materiell dem vorliegend erörterten Ansatz zuordnen. Gleiches gilt wohl auch für Dölling, GA 1984, 71, 84, wenngleich die Einordnung insoweit nicht eindeutig möglich erscheint. 385 Die damit ausgedrückte Inkorporierung der Selbstbestimmung als abwägungsrelevantes Element macht deutlich, dass auch jene Auffassung Art. 2 I GG sowie die daraus resultierende Selbstbestimmung als Basis des Rechtfertigungsgrundes anerkennt. Hieran zeigt sich nochmals der Unterschied zwischen Konstruktion bzw. Bedeutung des Rechtfertigungsgrundes und dem Grund für die Straflosigkeit bei Ausübung der Selbstbestimmung. Während für ersteres allein Art. 2 I GG sowie die Selbstbestimmung relevant sind, vermögen im Zusammenhang mit letztgenanntem nicht nur individuelle Gründe eine Rolle zu spielen, sodass jener Aspekt inhaltlich über die reine Maßgeblichkeit von Selbstbestimmung hinausgehen kann. 386 Vgl. zu den auf beiden Seiten genannten Abwägungsparametern Jescheck/Weigend, AT, S. 377; Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 953; Noll, ZStW 77 (1965), 1, 15;

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bes komme insoweit dem Recht zur freien Selbstbestimmung grundsätzlich ein Vorrangverhältnis gegenüber dem Interesse an der Erhaltung des Objekts zu.387 Letzteres reiche also im Normalfall nicht aus, um strafrechtliche Sanktionen zu begründen.388 Nur in Ausnahmefällen, etwa im Falle der Lebensbetroffenheit oder bei sittenwidrigen Körperverletzungen, wiesen die im Verhältnis zur Selbstbestimmung antagonistisch positionierten Elemente ein größeres Gewicht auf.389 Die betreffende Herangehensweise nimmt folglich nicht nur für sich in Anspruch, mit dem Rekurs auf das überwiegende Interesse einen potentiellen Grund für die Straflosigkeit zu liefern. Sie präsentiert auch eine denkbare Erläuterung dafür, warum die Einwilligung nicht stets durchgreift, sondern in gewissen Fällen durch sogenannte Einwilligungssperren begrenzt wird.390 Dies sind indessen nicht die einzigen Wirkungen, die mit der in Rede stehenden Einordnung verbunden sind. Indem die Einwilligung danach einen Ausfluss des Rechtfertigungsprinzips der Abwägung kollidierender Interessen darstellt,391 ließe sie sich gegebenenfalls als Unterfall des rechtfertigenden Notstands auffassen.392 Eine derartige Klassifizierung der Einwilligung hätte entscheidende Konsequenzen für die dogmatische Betrachtung der Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision. Denn sie würde dazu führen, dass die gängig vorgenommene unterschiedliche Anwendung von Einwilligung und § 34 StGB unter dem gemeinsamen Oberbegriff des Notstandes insoweit bereits eine einheitliche Lösung repräsentieren würde. Freilich spielt für die Beurteilung der Einheitlichkeit im einschlägigen Zusammenhang neben der Einwilligung auch die mutmaßliche Einwilligung eine Rolle. Auch wenn letztgenannte vorliegend in ihrer isolierten Betrachtung noch ausgeblendet werden soll, ist aber darauf hinzuweisen, dass

Noll, S. 75 sowie die Darstellungen bei Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 3; Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 46. Siehe zur Interpretation der nach dieser Lehre kollidierenden Gütern – allerdings kritisch – auch Mitsch, S. 429 ff. 387 Vgl. Dölling, GA 1984, 71, 84; Otto, in: FS Geerds, S. 603, 608 f. 388 Otto, AT, § 8 Rn. 127. 389 Vgl. dazu Otto, AT, § 8 Rn. 127. 390 Vgl. dazu Noll, ZStW 77 (1965), 1, 15; Rönnau, S. 16. 391 So Dölling, GA 1984, 71, 91. 392 Vgl. Delonge, S. 218; siehe zu dieser Möglichkeit – allerdings im Ergebnis ablehnend – auch Thiel, S. 94 m.w. N.; gegen eine derartige Einordnung auch Seelmann, S. 69. Schmitz, S. 126 kann man dabei entnehmen, dass eine Einordnung als Unterfall des Notstands unter Umständen mit der in Fn. 385 Abschn. D. bestätigten Verwurzelung der Einwilligung im Gewährleistungsbereich der Selbstbestimmung konfligieren könnte. Die entsprechende Aussage von Schmitz bezieht sich direkt allerdings nur auf die mutmaßliche Einwilligung und deren Verhältnis zu § 34 StGB. Der kritische Hinweis auf die Bedeutung der Selbstbestimmung als Basis lässt sich indessen über die von Schmitz genannte Dimension hinaus ausdehnen. Konkret stellen insofern die Auswirkungen der Verankerung der Selbstbestimmung als Abwägungsparameter auf die Qualität des Abwägungsvorgangs das maßgebliche Problem einer Einordnung als Unterfall des Notstands dar. Vgl. dazu näher die Erörterungen unter D. II. 1. b) aa) (2), S. 174.

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hinsichtlich deren Begründung ebenfalls ein ähnlich gelagerter, abwägungsbasierter Ansatz existiert.393 Es könnten daher in Bezug auf die Interpretation als Notstandsausprägung zumindest prinzipiell die gleichen Schlüsse gezogen werden. Von Inkonsequenz und strukturell zu missbilligender Uneinheitlichkeit in der Wahl des Rechtfertigungsgrundes im Rahmen der gängigen Handhabung ließe sich dann nicht mehr vorbehaltlos sprechen.394 Die Einordnung der Einwilligung als Ausprägung des Interessenabwägungsgrundsatzes muss folglich schon wegen der genannten, die reine Binnenkollision betreffenden Konsequenzen einer eingehenden Analyse unterzogen werden. (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Zunächst gilt es allerdings zu untersuchen, ob die Einwilligung unter Geltung des Abwägungsprinzips Fälle reiner Binnenkollision überhaupt zutreffend erfassen kann. Das Bestehen eines Abwägungsvorgangs – welcher notwendigerweise mit dem Grundgedanken des Abwägungsprinzips verbunden ist – lässt sich, wie bereits besprochen, im Zusammenhang mit der reinen Binnenkollision nicht leugnen. Auch zeichnet sich eine reine Binnenkollision gerade dadurch aus, dass sich auf der einen Seite zumindest die Selbstbestimmung sowie auf der anderen jedenfalls ein abstrakter Wert gegenüberstehen. Damit werden die einschlägigen Parameter auf den ersten Blick zumindest ausschnittsweise zutreffend abgebildet. Der mit jenem Prinzip potentiell verknüpfte Charakter der Einwilligung als Unterfall des rechtfertigenden Notstands kann in Bezug auf die reine Binnenkollision ebenfalls kein Hindernis darstellen. Prinzipiell existiert zwar hinsichtlich der Kongruenz zwischen dem rechtfertigenden Notstand und der reinen Binnenkollision der Vorwurf einer strukturellen Inkompatibilität des objektiv geprägten Abwägungsvorgangs mit dem Primat des Willens.395 Aufgrund der Beteiligung der Selbstbestimmung als eigenständiger und auch zumeist ergebniskonstituierender Abwägungsparameter ist in jener Konstellation ein objektiver Charakter der Abwägung aber bereits im Ausgangspunkt nicht zu erkennen. Die Selbstbestimmung kann nämlich zwar als abstraktes Rechtsgut eingeordnet werden. Inhaltlich weist sie jedoch unzweifelhaft immer eine subjektive Prägung auf. Die herkömmliche, einer Kongruenz entgegenstehende Problematik tritt somit gar nicht auf. 393 Vgl. zu jener Begründungsvariante bei der mutmaßlichen Einwilligung und dem diesbezüglichen Einfluss auf das Verhältnis zu § 34 StGB die Ausführungen unter D. II. 2. b) aa) (1). 394 Wichtig ist hierbei zu betonen, dass sich jene Folgerung allein auf die Ebene der Einheitlichkeit bezieht. Dass § 34 StGB in Fällen reiner Binnenkollision sachlich nicht einschlägig ist, steht auf einem anderen Blatt und muss unabhängig von der Kritik an einer herrschenden Inkongruenz betrachtet werden. 395 Siehe dazu die Ausführungen unter D. I. 2. c) aa).

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Ein Konflikt ergibt sich allerdings an anderer Stelle. So sind nach der Abwägungstheorie bei näherem Hinsehen auf der zur Selbstbestimmung antagonistisch positionierten Seite nicht allein Rechtsgüter des Betroffenen beteiligt. Vielmehr haftet der Erhaltung des betroffenen Individualrechtsguts nach der in Rede stehenden Theorie auch ein gesellschaftliches Interesse an.396 Entsprechend der in der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegten Definition enthält jedes Interesse als notwendigen Bestandteil immer ein Rechtsgut. Folglich partizipiert demnach an der Kollisionssituation zwingend auch ein Rechtsgut der Gesellschaft. Anders als mit einer derartigen Interpretation wäre die zugrunde liegende Abwägungssituation auch nicht sinnvoll zu fassen. Der Gegenspieler zu der stets als Parameter verankerten Verfügungsfreiheit ließe sich nämlich nicht plausibel schlicht in dem korrespondierenden abstrakten Wert erkennen. Denn auf diese Weise würde angesichts des konstituierenden Charakters der Selbstbestimmung immer bereits logisch das Abwägungsergebnis zugunsten von jener vorweggenommen. Damit fehlte es aber an der gerade als Vorteil des betreffenden Ansatzes postulierten Möglichkeit, die Bedeutung der Einwilligungssperren zu erklären. Es muss also insoweit zusätzlich die Beteiligung eines Interesses der Gesellschaft angenommen werden, um Einschränkungen denkbar zu machen. In Anbetracht des abstrakt zu bestimmenden Schutzcharakters des darin enthaltenen Rechtsguts darf dies auch nicht nur in Einzelfällen gelten, sondern muss generell so gesehen werden. Erst im Rahmen der Abwägung vermag jenes betroffene Rechtsgut bzw. Interesse bei einem fehlenden Bedürfnis für dessen Wahrung sodann zurückzutreten. Aus der zwingenden Beteiligung eines Drittrechtsguts folgt aber, dass der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung insoweit nie Ausdruck einer reinen Binnenkollision sein kann. Sollte also das Abwägungsprinzip die Begründung für die Straflosigkeit des mit Einwilligung handelnden Täters darstellen, kann die Einwilligung nicht als geeignetes Instrument zur Lösung der in Rede stehenden Fallkonstellation fungieren. (3) Kritische Betrachtung des dargestellten Ansatzes Die Konstruktion des zugrunde liegenden Abwägungsvorgangs bedarf, wie gesehen, für ihre Plausibilität notwendigerweise der Beteiligung eines Rechtsguts der Gesellschaft. Allerdings erscheint es bereits im Ausgangspunkt fraglich, ob sich eine derart weitgreifende Annahme solcher Güter plausibel postulieren lässt. Dieser Einwand bezieht sich nicht konstruktiv auf die vorliegend erfolgte Interpretation im Sinne der Beteiligung einer überindividuellen Komponente. Viel-

396 Dies entspricht der oben vorgenommenen Darstellung der Abwägungsparameter und lässt sich insbesondere Otto, AT, § 8 Rn. 127; Otto, in: FS Geerds, S. 603, 611 entnehmen. Auch bei Noll, S. 75 klingt die genannte überindividuelle Position des Gegenspielers zur Selbstbestimmung im Abwägungsvorgang an.

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mehr muss teilweise inhaltlich die Existenz entsprechend gelagerter Rechtsgüter der Gesellschaft in Zweifel gezogen werden. So gibt es durchaus Fälle, in denen die Gesellschaft oder der Staat berechtigterweise ein Bedürfnis aufweisen, gewisse Werte – sei es zusätzlich zu einer individuellen Dimension oder davon unabhängige Aspekte – zu schützen. Es erscheint jedoch problematisch, einem jeden individualbezogenen Rechtsgut immer einen „Partner“ an die Seite zu stellen, der ein gesellschaftliches Interesse an dem Bestand des abstrakt-individuellen Faktors repräsentiert. Ein solches Verständnis lässt sich nicht mit dem Charakter unseres Staatssystems als Freiheitsordnung397 in Einklang bringen, bei welchem im Grundsatz rein individuelle Entscheidungen im Mittelpunkt stehen. Die Annahme eines stets mitbeteiligten Gesellschaftsinteresses stellt die individualbezogene Prägung bereits in ihrem Ausgangspunkt in Frage. Eine Kongruenz lässt sich folglich auch nicht durch das prinzipielle Überwiegen der Selbstbestimmung im Abwägungsvorgang begründen.398 Vielmehr muss richtigerweise schon die generelle Beteiligung eines entsprechenden Rechtsguts als solche als wesensfremd erachtet werden. Des Weiteren weist das Abwägungsprinzip das Manko auf, dass keine materiellen Bestimmungen zur Konturierung des Abwägungsmaßstabes vorhanden sind.399 Der postulierte generelle Vorrang der Selbstbestimmung ist zwar eine zutreffende, jedoch in ihrer Reichweite sehr vage Behauptung, die sich nicht anhand festgelegter, inhaltlich bedeutsamer Kriterien fassen lässt. Zudem fällt speziell die Problematik der Gleichwertigkeit ins Gewicht. So bleibt es nach jener Lehre offen, wie im Falle von gleichwertigen Interessen verfahren werden muss, freilich unter der Prämisse, dass eine solche Konstellation überhaupt vorliegen kann. Ohne jene Anhaltspunkte für die Durchführung und Gewichtung einer Abwägung fehlt es in der Konsequenz an Überzeugungskraft, um die Straflosigkeit des Handelnden plausibel und insbesondere eindeutig begründen zu können. Hierin ist folglich ein gewichtiger Kritikpunkt zu erkennen. Schließlich wird gegen das Abwägungsprinzip noch der Vorwurf einer Unstimmigkeit mit dem grundsätzlichen Vorrang des Willens erhoben. Jene Herange397 Vgl. zu diesem als Prinzip unserer Rechtsordnung bereits die Angaben unter D. I. 2. a) bb) (3), S. 114. 398 Dagegen erscheint die Begründung von Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 3 zur Ablehnung eines allgemeinen Interesses an der Erhaltung eines jeden Gutes nicht überzeugend. Jakobs argumentiert dergestalt, dass ansonsten ein solches Interesse auch bei einer Selbstverletzung abgewogen und mithin diese tatbestandlich erfasst sein müsste. Die Existenz eines Rechtsgutes ist aber, wie gesehen, nicht notwendigerweise mit einer straftatbestandlichen Verankerung desselbigen verbunden. Dass ein entsprechendes Rechtsgut existiert, aber in gewissen Fällen tatbestandlich nicht betroffen ist, könnte vielmehr mit dem ultima-ratio-Gedanken plausibel erklärt werden. Insofern lässt sich also der genannte Schluss auf eine tatbestandliche Erfassung der Selbstverletzung nicht zutreffend ziehen. 399 In diesem Sinne Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 46.

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hensweise schaffe den generellen Vorrang der individuellen Freiheit ab und ersetze diesen durch eine schlicht einzelfallabhängige Abwägung.400 In der Tat gilt es, das Vorrangverhältnis zugunsten des Willens im Kontext der Einwilligung prinzipiell zu wahren. Dies ergibt sich aus der Bedeutung der Selbstbestimmung als Basis der Einwilligung, welche ansonsten zu einer bloßen inhaltsleeren Hülle verkommen würde. In Hinblick auf den erhobenen Vorwurf ist allerdings festzustellen, dass nicht bereits der Charakter einer Abwägung als solcher das Primat des Willens untergräbt. Schließlich liegt, wie gesehen, auch jeder reinen Binnenkollision eine Abwägung zugrunde, die sich aber in vollem Umfang nach dem Willen des jeweiligen Betroffenen zu richten vermag. Im Rahmen der binnenkollisionsbezogenen Erörterung hat sich auch gezeigt, dass der Charakter der Abwägung im vorliegend thematisierten Abwägungsprinzip strukturell einem Vorrang des Willens nicht entgegensteht. An dem betreffenden Abwägungsprozess lässt sich also keine Unstimmigkeit mit dem Willensprimat erkennen. Auch das Merkmal einer Einzelfallabhängigkeit muss nicht zwingend dem Vorrang des Willens widersprechen. Selbst wenn das Erfordernis besteht, in jeder Situation dem Einzelfall nach zu urteilen, kann dabei dem Willen des Rechtsgutsträgers doch eine so weit wie möglich entscheidende Bedeutung, etwa durch eine entsprechende Konturierung des Abwägungsmaßstabes, zugemessen werden. Somit lässt sich ein Kritikpunkt in Hinblick auf eine Unstimmigkeit mit der vorrangig geltenden Selbstbestimmung nicht überzeugend annehmen. Zusammenfassend muss dennoch aus den zuvor aufgeführten Gründen im Ergebnis das Abwägungsprinzip zur Erklärung der Rechtswirkungen der Einwilligung abgelehnt werden. Daraus folgt notwendigerweise auch eine Ablehnung der Einordnung als Unterfall des rechtfertigenden Notstands. Aus der grundlegenden Absage an das Abwägungsprinzip ergibt sich zudem, dass der insofern festgestellten Inkongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision kein maßgeblicher Aussagegehalt für die Lösung jener Fallgruppe entnommen werden kann. bb) Der Erklärungsansatz der fehlenden Schutzwürdigkeit (1) Darstellung der jeweiligen Ausprägungen Der zweiten Strömung in Hinblick auf die Erklärung der Straflosigkeit der Einwilligung liegt, wie bereits angesprochen, übergreifend eine rein individuell basierte fehlende Schutzwürdigkeit als Legitimationsansatz zugrunde. Die Frage, warum bzw. auf welchem Wege es zu der fehlenden Schutzwürdigkeit kommt, wird jedoch nicht einheitlich beurteilt. Im Folgenden sollen daher die jeweiligen Begründungsansätze im Einzelnen dargestellt werden.

400

Vgl. dazu Weigend, ZStW 96 (1986), 44, 46 m.w. N.

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Nach der früher vertretenen, heute aber, soweit ersichtlich, nicht mehr als Ansatz akzeptierten401 Rechtsgeschäftstheorie liegt der Grund für die fehlende Schutzwürdigkeit des Einwilligenden in einer rechtsgeschäftlichen Entäußerung seiner Abwehrposition.402 Die Einwilligung stellt nach dieser Auffassung ein echtes Rechtsgeschäft dar. Durch dieses werde dem Täter die – widerrufliche – Befugnis eingeräumt, die in Rede stehende Handlung vorzunehmen.403 Wenn man aber die Handlung dementsprechend in zivilrechtlich zulässiger Weise ausüben dürfe, müsse die Einwilligung gleichzeitig auch zum Ausschluss der Rechtswidrigkeit im strafrechtlichen Sinne führen.404 Man kann also zusammenfassend von der Einräumung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Verletzung sprechen,405 welcher im Ergebnis die fehlende Schutzwürdigkeit auch auf strafrechtlicher Ebene bedingt. Auch das Prinzip des mangelnden Interesses406 rekurriert zur Begründung einer fehlenden Schutzwürdigkeit auf das Vorliegen einer Entäußerungshandlung. Dabei spielt das Element rechtsgeschäftlichen Handelns jedoch keine Rolle. Es wird vielmehr ganz allgemein und rein sachbezogen ausgeführt, dass es keinen Anlass mehr gebe, einem Gut strafrechtlichen Schutz zuteilwerden zu lassen, wenn der Inhaber es freiwillig preisgegeben, sprich entäußert, habe.407 Verknüpft man dies mit dem insofern verwendeten Topos des mangelnden Interesses, lässt sich die entsprechende Begründung wie folgt formulieren: Das mangelnde Interesse an einem Gut stellt den Grund dafür dar, warum sich der Inhaber für dessen Preisgabe entscheidet. Aus dieser Preisgabeentscheidung resultiert dann die fehlende Schutzwürdigkeit des betroffenen Gutes in Hinblick auf einen Schutz durch die Strafrechtsordnung.408 Mit der fehlenden Schutzwürdigkeit des Gutes ist dabei notwendigerweise auch die fehlende Schutzwürdigkeit seines Trägers verknüpft, welche schließlich den Grundgedanken jener Strömung repräsentiert. In eine ähnliche Richtung wie der zuvor dargestellte Ansatz geht auch das Prinzip der Interessenpreisgabe.409 Der maßgebliche Unterschied besteht aller-

401 In diesem Sinne bereits Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 950 f.; siehe auch Rönnau, S. 14. 402 Vgl. grundlegend zu diesem Ansatz Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 48, 55 f.; siehe auch die Darstellung bei Rönnau, S. 14. 403 Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 48, 55. 404 Vgl. Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 56. 405 So Günther, S. 51. 406 Für dieses als Begründung der Straflosigkeit bei gegebener Einwilligung Kühl, AT, § 9 Rn. 23; Mezger, Gerichtssaal 89 (1924), 207, 270. 407 Siehe dazu Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33, wenngleich von diesen eine Verbindung mit dem Prinzip des Rechtsschutzverzichts vertreten wird. Siehe dazu sogleich die Ausführungen im Zusammenhang mit Fn. 415 Abschn. D. 408 Vgl. hierzu auch Kühl, AT, § 9 Rn. 23.

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dings darin, dass der Gegenstand des Aufgebens hierbei nicht in einem Rechtsgut, sondern in einem Interesse liegen soll. Nach dem vorliegend vertretenen Interessenbegriff ist ersteres zwar zwingend in letzterem enthalten. Dennoch geht das Interesse, wie gesehen, über den Begriff des Rechtsguts hinaus, indem es die persönliche Bedeutung für den Inhaber mit einbezieht. Dementsprechend wird im Rahmen des Prinzips der Interessenpreisgabe auch davon gesprochen, dass der Betroffene durch die Einwilligungsentscheidung seine Beziehung zu dem Gut aufgebe.410 Ohne eine solche bestehe aber kein Bedürfnis mehr, den Inhaber in Hinblick auf das betroffene Objekt zu schützen.411 Die heute h. M. sieht die Begründung für die fehlende Schutzwürdigkeit des Betroffenen und mithin für die Straflosigkeit des Handelnden in einem Rechtsschutzverzicht des Einwilligenden.412 Der Verzicht bezieht sich danach nicht auf den Wegfall der Strafe als bloße Rechtsfolge. Vielmehr umfasst er bereits vorgelagert die strafrechtliche Schutzkomponente der Norm, sodass schon die für derartige Korrekturen einschlägige Ebene der Rechtswidrigkeit berührt wird.413 Den Unterschied zu den vorangegangenen Ansätzen kann man darin erblicken, dass die fehlende Schutzwürdigkeit vorliegend nicht erst aus der Preisgabe eines bestimmten Gutes bzw. Interesses folgt. Gegenstand des Verzichtsaktes ist der strafrechtliche Schutz selbst, sodass dessen Wegfall die unmittelbare Folge der Aufgabehandlung darstellt. Freilich bezieht sich jede Einwilligung auf ein bestimmtes Rechtsgut, sodass im Ergebnis immer ein konkreter Gegenstand – Rechtsgut oder auch Interesse – betroffen ist. Jener macht jedoch nicht das entscheidende Element aus, sondern ist lediglich notwendige Begleiterscheinung des Verzichts auf den Strafrechtsschutz als eigenständig fassbare Größe. 409 Siehe zur Verwendung des Begriffs der Interessenpreisgabe Jescheck/Weigend, AT, S. 377; Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 951. Teils wird jener Ansatz auch als Prinzip des Interessenverzichts bezeichnet; vgl. Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 2; Hirsch, in: LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 104. Das betreffende Prinzip klingt z. B. implizit bei v. Hippel, Strafrecht II, S. 243 an, wenn dieser anführt, dass man nur über eigene Interessen verfügen könne, wenngleich er auf S. 244 irreführend vom Prinzip der Interessenabwägung spricht. Auch Honig, insbes. S. 118, wird oft als Vertreter der in Rede stehenden Ansicht genannt; vgl. Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 2 Fn. 4; Jescheck/Weigend, AT, S. 377 Fn. 19; Hirsch, in: LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 104 Fn. 176. Eine präzise Definition des Grundes der Straflosigkeit entsprechend dem vorliegend besprochenen Prinzip lässt sich den Ausführungen Honigs jedoch nicht ohne weiteres entnehmen. 410 Vgl. dazu die Darstellung bei Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 2. 411 Vgl. dazu wiederum Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 2, der den genannten Zustand demjenigen der Verletzung eines Objekts ohne Einwilligung gegenüberstellt und damit die relevanten Unterschiede in der Rechtsfolge begründet. 412 So etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 11 Rn. 551; Lackner/Kühl, StGB, Vor § 32 Rn. 10; Amelung/Eymann, JuS 2001, 937, 939; Hillenkamp, S. 240; vgl. auch BGHSt 17, 359, 360 sowie Geerds, S. 45, 50, wobei allerdings hinsichtlich letztgenanntem eine gewisse Nähe zur Abwägungstheorie nicht abgestritten werden kann. 413 Siehe zu dem insoweit Dargestellten Hirsch, in: LK-StGB, 11. Aufl., Vor § 32 Rn. 105.

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Angesichts des gleichen Grundgedankens aller aufgeführten Ansätze414 findet man häufig auch Verbindungen der jeweiligen spezifisch vorgebrachten Elemente. So wird etwa als Erklärung für die Einwilligungsfolgen der Rechtsschutzverzicht genannt, welcher aber auf dem Prinzip des mangelnden Interesses basiere.415 An anderer Stelle ist zu lesen, dass wiederum der Rechtsschutzverzicht das Prinzip zur Erläuterung der Straflosigkeit ausmache. Die darin enthaltene Rechtfertigungswirkung sei jedoch konkret dadurch zu begründen, dass es bei einer bewussten Preisgabe von Interessen keinen Anlass dafür gebe, weiterhin Schutz zu gewährleisten.416 Der Gedanke des Rechtsschutzverzichts wird folglich in den genannten Beispielen inhaltlich mit den Prinzipien des mangelnden Interesses bzw. der Interessenpreisgabe gleichgesetzt.417 Trotz der Nähe der entsprechenden Ansätze und damit gewissen nicht zu leugnenden Überschneidungen sollte aber dennoch versucht werden, eine Unterteilung zwischen den eigenständig vorgestellten Herangehensweisen beizubehalten, um dem Prinzip dogmatischer Klarheit so weit wie möglich Rechnung zu tragen. So ist die fehlende Schutzwürdigkeit des Individuums zwar in allen Fällen auf eine Entäußerung bzw. einen Verzichtsakt zurückzuführen.418 Hinsichtlich des Inhalts jenes Freigabeakts müssen aber maßgebliche Unterschiede beachtet werden. Im Rahmen der Rechtsgeschäftstheorie steht hauptsächlich die – rechtsgeschäftlich ausgestaltete – Art und Weise der Entäußerung im Mittelpunkt. Der Gegenstand selbst wird dabei nicht ausschlaggebend in den Blick genommen. Demgegenüber bringt hinsichtlich der übrigen Ansätze die zuvor ausgeführte Differenzierung des Entäußerungsgegenstandes in Rechtsgut, Interesse sowie Strafrechtsschutz als solcher den entscheidenden und nicht zu missachtenden Unterschied. (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Die individuell basierte Herangehensweise wird bereits in ihrem Ausgangspunkt der Grundstruktur reiner Binnenkollision gerecht. Es entspricht strukturell 414

Vgl. dazu auch Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 951. Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33. 416 Lenckner, ZStW 72 (1960), 446, 453. Auch Kellner, S. 1 setzt den Rechtsschutzverzicht mit dem Prinzip der Interessenpreisgabe gleich. 417 Die partielle Autorengleichheit hinsichtlich der vorgestellten Aussagen macht exemplarisch deutlich, dass teils nicht nur eine Verbindung der jeweiligen Prinzipien mit dem Rechtsschutzverzicht erfolgt, sondern auch eine gewisse Fungibilität zwischen dem Prinzip der Interessenpreisgabe und dem des mangelnden Interesses angenommen wird. 418 Diese Aussage macht dabei deutlich, warum im Rahmen des gesamten Ansatzes übergreifend von einer fehlenden Schutzwürdigkeit und nicht von einer fehlenden Schutzbedürftigkeit gesprochen wird. Zwar wäre genau genommen auch Letztgennantes eine richtige Bezeichnung. Da der maßgebliche Aspekt für die Charakterisierung aber in der freiwilligen Entäußerung liegt, erscheint es präziser, davon zu sprechen, dass man deshalb keinen Schutz „verdiene“ als dass man ihn lediglich nicht bedürfe. 415

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der Gewährleistung des Primats des Willens, allein das betroffene Individuum in den Fokus der Legitimation zu stellen und Güter anderer Träger sowie sonstige externe Erwägungen außen vor zu lassen. Aber nicht nur die individuelle Prägung an sich, sondern auch der konkrete gemeinsame Inhalt jenes Ansatzes, nämlich die Annahme einer fehlenden Schutzwürdigkeit, kann im Kontext der reinen Binnenkollision überzeugen. Wenn eine Person eine Entscheidung trifft, die lediglich ihre eigene Gütersphäre berührt, ist dieser Entschluss allein ihr überlassen. Vor den damit zusammenhängenden Folgen muss sie daher auch nicht bewahrt werden. Ihr kann und soll mithin insoweit kein Schutz zuteilwerden, womit der Topos der fehlenden Schutzwürdigkeit erfüllt ist. In Hinblick auf die einzelnen vorgeschlagenen Prinzipien fügt sich der herrschend angeführte Gedanke des Rechtsschutzverzichts ebenfalls in die bisher gezeigte Linie einer Kongruenz ein.419 Zwar mag es auf den ersten Blick so scheinen, als ob man unter Anwendung jenes Gedankens bei reiner Binnenkollision konkret gegenüber sich selbst auf Rechtsschutz verzichte. Dies würde sodann zu erheblichen Legitimationsdefiziten führen. Denn die damit verbundene Identität von Begünstigtem und Verzichtenden würde nur bei einer Tatbestandsmäßigkeit von Selbstverletzungen Sinn machen und den prinzipiellen einwilligungsbetreffenden Anwendungsbereich der Fremdverletzungen außen vor lassen. Ein solch konfliktträchtiger Verzicht gegenüber sich selbst kann aber vorliegend nicht als einschlägige Situationsbeschreibung angenommen werden. Denn das Verhalten, gegenüber welchem von strafrechtlichem Schutz abgesehen wird, ist das Handeln eines Dritten, das, wie bereits angesprochen,420 immer hinsichtlich der Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision beteiligt ist. Man verzichtet im Falle einer reinen Binnenkollision folglich nur mittelbar auf den Schutz vor seinen eigenen Entscheidungen. In einem so ausgestalteten Verhältnis kann die Annahme eines Rechtsschutzverzichts nicht als unpassend beschrieben werden. Auch die Rechtsgeschäftstheorie lässt sich – ungeachtet ihrer sonstigen, noch zu zeigenden Schwächen – mit der Fallgruppe der reinen Binnenkollision in Kongruenz bringen. So beschreibt sie lediglich die Art und Weise sowie Funktion der Preisgabe näher, die in der in Rede stehenden Konstellation als solche nicht geleugnet wird. Auch spielt wieder der Aspekt eine Rolle, dass es sich insoweit nicht um eine rechtliche Beziehung mit sich selbst handelt, sondern das Agieren eines Dritten den entscheidenden Anknüpfungspunkt darstellt. Eine zivilrechtlich wirksame Gestattung gegenüber dem Handelnden bei einer reinen Binnenkollision erscheint in sich widerspruchsfrei und eröffnet mithin den Weg für eine insoweit bestehende Kongruenz.

419 Für eine Einschlägigkeit jenes Prinzips in Fällen reiner Binnenkollision auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 33. 420 Vgl. dazu die Ausführungen unter D. I. 2. b) aa).

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Hinsichtlich der beiden daneben vorgestellten interessenbezogenen Ansätze ist zu konstatieren, dass in allen Fällen reiner Binnenkollision ein abstraktes Gut als notwendiger Bestandteil eines Interesses beteiligt ist. Da in der einschlägigen Konstellation auch nicht allein das Gut, sondern gerade die Beziehung dazu eine Rolle spielt, erscheint es prinzipiell nicht unsachgemäß, die Fallgruppe unter Rückgriff auf Interessen als ausschlaggebenden Faktor einer Lösung zuzuführen.421 Die betreffenden Begründungsstränge für die fehlende Schutzwürdigkeit können somit unter Ausblendung genereller Kritikpunkte auch im Falle reiner Binnenkollision herangezogen werden. Im Ergebnis lassen sich folglich sowohl der generelle Grundcharakter des individuell basierten Ansatzes fehlender Schutzwürdigkeit als auch alle denkbaren speziellen Ausprägungen in Einklang mit der reinen Binnenkollision bringen. Aus binnenkollisionsspezifischer Perspektive steht also der Lösung jener Konstellation durch die Einwilligung unter Geltung des besprochenen Prinzips nichts in Wege. (3) Kritische Betrachtung des dargestellten Ansatzes und seiner Ausprägungen Auch wenn keine binnenkollisionsspezifischen Argumente gegen die Heranziehung des dargestellten Ansatzes sprechen, so muss dennoch untersucht werden, ob sonstige Argumente zur Entkräftung in Betracht kommen. Der erste Einwand betrifft dabei alle individuell geprägten Herangehensweisen gleichermaßen. Konkret beschäftigt er sich mit der Frage nach der Durchschlagskraft einer individuellen Entscheidung gegenüber der öffentlichen Pflicht zum Schutz von Rechtsgütern. So wird vertreten, dass es die unterschiedliche Zielsetzung von Straf- und Privatrecht unmöglich mache, den allgemeinen Strafanspruch durch eine private Entscheidung außer Kraft zu setzen.422 Wenn man aber die Einwilligung im Strafrecht nicht als vollständig wirkungslos erachten möchte – was schon angesichts des § 228 StGB nicht vertretbar wäre –, ist davon auszugehen, dass die öffentliche Pflicht zum Schutze der Rechtsgüter prinzipiell ohnehin nur außerhalb der durch die Selbstbestimmung gezogenen Grenzen gewährleistet wird.423 Mit jener Begrenzung der öffentlichen Pflicht fehlt es aber bereits 421 Dies widerspricht auch nicht der Annahme, für die Begriffsbestimmung auf den engstmöglichen Identifizierungsgegenstand, das Rechtsgut, abstellen zu müssen. Vorliegend geht es nämlich nicht um die Konturierung der Situation der reinen Binnenkollision, sondern um die Suche nach einem passenden Instrument zu deren Lösung. Dieses steht nicht in der Pflicht, eine präzise Bezeichnung zu liefern, sondern muss lediglich im einschlägigen Kontext inhaltlich betroffen sein. 422 Vgl. Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 951 f. 423 Dies gilt freilich nur als Resultat einer Gesamtschau aus Tatbestand und Rechtswidrigkeit und ändert nichts an der Existenz und Schutzbedürftigkeit abstrakter Rechtsgüter auf Tatbestandsebene.

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an einem Anknüpfungspunkt innerhalb des allgemeinen Strafanspruchs, hinsichtlich dessen ein Außer-Kraft-Setzen festgestellt werden könnte. Auf diese Weise wird dem vorgebrachten Einwand die entscheidende Grundlage entzogen. Des Weiteren findet sich in Hinblick auf den individualbezogenen Ansatz als Ganzes die Aussage, dass es der Postulierung eines individuell basierten Grundprinzips widerspreche, wenn gewisse Güter, wie etwa das Leben, der unrechtsausschließenden Wirkung durch die eigenständige Entscheidung entzogen seien.424 Dass Ausnahmen bestehen, verhindert jedoch nicht per se das Vorliegen eines bestimmten Grundprinzips. Anderenfalls würde es sich schließlich schon denklogisch nicht um dessen Ausnahmen handeln können. An späterer Stelle werden die Gründe für die einschlägigen Abweichungen eingehend behandelt werden.425 Vorliegend können die betreffenden Ausnahmekonstellationen allerdings nicht argumentativ ins Feld geführt werden. Kritikpunkte existieren indessen nicht nur ansatzübergreifend, sondern lassen sich auch speziell gegen die einzelnen Begründungsströmungen vorbringen. Insbesondere die Rechtsgeschäftstheorie ist dabei vehementer Kritik ausgesetzt. Konkret kann man ihr vor allem den Vorwurf einer unsachgemäßen zivilistischen Interpretation machen. Die Deutung der Einwilligung als Willenserklärung im zivilrechtlichen Sinne wird im Strafrecht nach mittlerweile ganz herrschender und auch zutreffender Ansicht kategorisch abgelehnt.426 Denn durch eine Einwilligung werden weder Rechtsverhältnisse umgestaltet noch Verbindlichkeiten auf beiden Seiten der Betroffenen begründet.427 Die Einwilligung bringt also anders als eine Willenserklärung keine normativen Folgen mit sich, sondern informiert lediglich über den gegenwärtigen Zustand, dass man an der Einhaltung der Norm zum eigenen Schutze im konkreten Fall kein Interesse hat.428 Mit der Ablehnung einer zivilrechtlichen Charakterisierung der Einwilligung als rechtsgeschäftliche Erklärung entfällt gleichzeitig die Basis der in Rede stehenden Theorie, sodass jene im Ergebnis gänzlich abzulehnen ist.429 In Hinblick auf das Prinzip des mangelnden Interesses bzw. den Grundsatz der Interessenpreisgabe findet sich hingegen selten explizite Kritik. Dies mag daran liegen, dass innerhalb des individuell basierten Ansatzes hauptsächlich der Rechtsschutzverzicht Gegenstand der Erörterung ist, während die beiden anderen individualbasierten Ausprägungen in den Hintergrund rücken. Das bedeutet aber nicht, dass dahingehend keine Kritik angebracht wäre. Bezogen auf das Prinzip 424

So Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 951. Vgl. dazu die Ausführungen unter F. I. 426 Vgl. zur Ablehnung des Vorliegens eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts im Falle einer Einwilligung Geerds, S. 39 ff. 427 Siehe dazu Geerds, S. 47; ähnlich auch Lenckner, ZStW 72 (1960), 446, 455. 428 So Amelung/Eymann, JuS 2001, 937, 938. 429 Vgl. zur Kritik an der Rechtsgeschäftstheorie auch Honig, S. 158 ff., Noll, S. 68 ff. 425

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der Interessenpreisgabe sind zunächst potentielle Kongruenzprobleme mit dem vorliegend vertretenen Interessenbegriff anzuführen. Demnach erscheint es problematisch, von einer Preisgabe eines Interesses zu sprechen, wenn man den Willen aufweist, eine Verletzung des damit verbundenen abstrakten Wertes zuzulassen. Denn das Interesse bezeichnet nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis die Bedeutung des Gutes für den einzelnen. Durch die Zustimmung wird aber auf diese Bedeutung strukturell gesehen nicht verzichtet, sondern sie wird lediglich in ihrer Gestalt konturiert. Zugegebenermaßen reduziert sich allerdings der Wunsch nach Bewahrung des betroffenen Gutes bei einem derartigen Aufgabewillen im Ergebnis auf null. Daher mutet es im Ergebnis jedenfalls bei einem großzügigen Verständnis nicht unhaltbar an, von der vollständigen Preisgabe der Bedeutung, mithin des Interesses als solchem, auszugehen. Eine zwingende Inkongruenz mit dem vertretenen Interessenbegriff ist somit nicht anzunehmen. In Hinblick auf den Ansatz des mangelnden Interesses stellt sich die dargelegte Problematik indes nicht. Schließlich ist Gegenstand der Preisgabe dabei das Rechtsgut an sich. Das mangelnde Interesse bezeichnet insoweit lediglich den dahinter stehenden Grund. Jene zutreffende Form der Interpretation wird allerdings von den Vertretern des einschlägigen Ansatzes zumeist nicht explizit dargelegt. Auch anderweitige Präzisierungen sind diesbezüglich gemeinhin nicht zu finden. Meistens wird im entsprechenden Zusammenhang lediglich unspezifiziert der Begriff „mangelndes Interesse“ angeführt. Damit liegt die Deutung in den Händen anderer, was mithin keine große Überzeugungskraft jenes Begründungswegs in seiner herkömmlich präsentierten Gestalt mit sich bringt. Auch bezogen auf das Prinzip der Interessenpreisgabe als Begründung für die Straflosigkeit bei gegebener wirksamer Einwilligung wäre eine weitergehende Präzisierung angebracht. Dies gilt hierbei sogar ganz besonders, wenn man berücksichtigt, dass das Interesse insoweit den Gegenstand der Preisgabe darstellen soll und damit umso deutlicher konturiert sein muss. Die Begründungsströmung der Interessenpreisgabe erfüllt folglich nach ihrem gängig dargebrachten Gehalt ebenfalls nicht die Anforderungen an einen dogmatisch überzeugenden Lösungsweg. Was übrig bleibt, ist eine Untersuchung der Rechtsschutzverzichtstheorie und deren potentieller Hindernisse. Wie bereits angedeutet, erfährt jener Begründungsstrang große Beachtung im strafrechtlichen Schrifttum. Dabei ist er aber auch vielfach Kritik ausgesetzt. Hauptsächlich wird vorgebracht, es fehle an einer Begründung, warum der Rechtsschutzverzicht die Strafbarkeit entfallen lasse,430 oder jedenfalls warum der Betroffene auf den Schutz verzichten dürfe.431 Hinsichtlich des gesamten Vorwurfs gilt es indessen einen Gegeneinwand zu be430 So Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 45; siehe auch Noll, ZStW 77 (1965), 1, 15. Vgl. zum Vorwurf eines Begründungsdefizits gegenüber sämtlichen Ausprägungen des individualbezogenen Ansatzes Jescheck/Weigend, AT, S. 377. 431 Siehe zu diesem Einwand Jakobs, AT, Abschn. 14 Rn. 2; Amelung, ZStW 109 (1997), 490, 514.

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achten. Die Kritiker, die sich auf eine fehlende Begründung für das Entfallen der Strafbarkeit oder die Grundlage des Verzichts stützen, vernachlässigen nämlich den festgestellten Einfluss der Selbstbestimmung. Diese stellt die Grundlage dafür dar, dass der Einwilligung Wirkungen zugemessen werden können. Sämtliche Folgen sind also bereits auf die Selbstbestimmung als Legitimationsbasis zurückzuführen. Fraglich war und ist allein die konkrete Ausformung, sprich welche selbstbestimmungsbezogene Begründung genau hinter der Straflosigkeit als spezifische Wirkung im strafrechtlichen Kontext steht. Mit einem Verweis auf den Verzicht auf Rechtsschutz ist die Antwort darauf in hinreichender Weise gegeben. Weitere Begründungen sind insoweit weder notwendig noch führen sie zu anderen gewinnbringenden Erkenntnissen.432 Dass die Selbstbestimmung die Legitimation für den Rechtsschutzverzicht darstellt, beantwortet ferner auch die Frage nach der Zulässigkeit eines derartigen Verzichts. Insgesamt vermag die Rechtsschutzverzichtstheorie folglich alle offenen Fragen im einschlägigen Zusammenhang zufriedenstellend zu klären und weist insofern inhaltlich kein Manko auf. Im Gegenteil beinhaltet jene Ausprägung des individualbasierten Erklärungsansatzes sogar genaue Aussagen in Hinblick auf die Auswirkungen im Deliktsaufbau, was aus dogmatischer Perspektive sehr zu begrüßen ist. Demnach handelt es sich, wie im Rahmen der Darstellung des Erklärungsansatzes gezeigt, nicht um einen bloßen Verzicht auf die Rechtsfolge der Strafbarkeit, sondern – im Einklang mit dem römisch-rechtlichen Grundsatz „volenti non fit iniuria“ 433 – um einen Verzicht auf den Schutz durch die Norm auf der Ebene der Rechtswidrigkeit.434 Auf den ersten Blick scheint dies zwar unter Umständen nicht der realen Sichtweise des Verzichtenden zu entsprechen. Schließlich ist jener zumeist strafrechtlicher Laie, sodass man davon ausgehen könnte, dass es ihm allein auf das Absehen von Strafe als erkennbare Sanktion ankommt. Diese Annahme muss jedoch relativiert werden, wenn man die entsprechende Sachlage genauer betrachtet. Der Einwilligende möchte die Beeinträchtigung oder ist zumindest mit der Vornahme der Handlung einverstanden. Ihm ist also daran gelegen, dass der andere nicht durch das Strafrecht als Instrument der Verhaltensregulation bzw. Sozialkontrolle435 an der Ausübung gehindert wird. Der Motivationsanlass zum Handeln in der Form des Verzichts auf Strafe wird dabei am wirkungsvollsten sein, wenn man das Verhalten als ein gerechtfertigtes, sprich erlaubtes, anerkennt und auf diese Weise der Straffreiheit von vornherein durch Ablehnung eines kon-

432 Anders als Weigend, ZStW 98 (1986), 44, 45 behauptet, ist der Verweis auf die Selbstbestimmung also durchaus für sich ausschlaggebend. Eine Konnexität des Verzichts und der zugrunde liegenden Selbstbestimmung als Legitimation für die Straflosigkeit lässt sich im Wege der Interpretation auch Amelung/Eymann, JuS 2001, 937, 939 entnehmen. 433 Vgl. dazu näher Hengstenberg, S. 71 Fn. 32 m.w. N. 434 Vgl. dazu bereits zuvor den Nachweis in Fn. 413 Abschn. D. 435 Vgl. dazu Meier, Strafrechtliche Sanktionen, S. 1 ff.

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kreten Unwerturteils Geltung verschafft. Auch wenn der Laie den Deliktsaufbau nicht kennt, macht es doch auch für ihn einen Unterschied, welchen entsprechenden Inhalt die Gestattung aufweist. Bei einer rein folgenbezogenen Einordnung, etwa als bloßer Strafausschließungsgrund, würde die Aussage vermittelt werden: „Man darf sich zwar im konkreten Fall nicht dergestalt verhalten, aber man wird nicht bestraft“. Ein solcher Aussagegehalt bringt jedoch erkennbar mehr Abschreckungswirkung mit sich als der die einschlägige dogmatische Einordnung repräsentierende Inhalt: „Man darf sich im konkreten Fall dergestalt verhalten und wird daher naturgemäß nicht bestraft“. Letzteres Verständnis fördert also das vom Verzichtenden gewünschte Resultat am meisten, sodass es auch dessen Sichtweise zugrunde gelegt werden kann. Nach Beleuchtung aller spezifischen Erklärungsströmungen und deren teils gravierenden Nachteilen ergibt sich, dass in der Gesamtschau der individuell basierte Ansatz in Gestalt eines Rechtsschutzverzichts nicht zuletzt aufgrund dessen bestechender dogmatischer Klassifizierung die größte Überzeugungskraft aufweist. Der betreffende Ansatz ist daher im Folgenden der Behandlung der Einwilligung zugrunde zu legen. Dies gilt speziell auch im Kontext der reinen Binnenkollision, wobei, wie gesehen, keine Kongruenzprobleme festzustellen sind. Zusammenfassend präsentiert sich die Einwilligung damit sowohl der Systematik als auch der inhaltlichen Begründung nach als geeignetes Instrument zur Lösung der reinen Binnenkollision auf der Rechtfertigungsebene.

2. Untersuchung der mutmaßlichen Einwilligung als taugliche Rechtfertigungsmöglichkeit Den zweiten Baustein des potentiell gemeinsamen Rechtfertigungsansatzes der Einwilligungsregeln stellt neben der Einwilligung die mutmaßliche Einwilligung dar. Diese soll nun in Hinblick auf ihre Eignung zur Lösung der reinen Binnenkollision untersucht werden. Auch hierbei wird das Augenmerk zum einen auf der deliktssystematischen Einordnung und zum anderen auf der Untersuchung des hinter diesem Instrument stehenden Prinzips liegen. Zudem müssen die verschiedenen Fallgruppen der mutmaßlichen Einwilligung näher betrachtet werden, um daraus gegebenenfalls weitere Rückschlüsse hinsichtlich der Tauglichkeit des betreffenden Ansatzes zur Behandlung der reinen Binnenkollision ziehen zu können. a) Systematische Einordnung der mutmaßlichen Einwilligung in den Deliktsaufbau Anders als im Falle der Einwilligung ist es vorliegend kein gängiger Streitpunkt, ob der in Rede stehende Lösungsweg möglicherweise stets einen Tatbestandsausschluss darstellt. Die grundsätzliche Rechtfertigungswirkung der mut-

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maßlichen Einwilligung wird nahezu uneingeschränkt anerkannt,436 und zwar gemeinhin selbst von denjenigen, die der Einwilligung generell eine tatbestandsausschließende Wirkung zukommen lassen.437 Die Frage, ob die Lösung der reinen Binnenkollision insoweit überhaupt auf der Rechtfertigungsebene verortet werden kann, ist folglich im Wirkungsbereich der mutmaßlichen Einwilligung nicht zu stellen. Damit ist aber noch nicht zwingend gesagt, dass die mutmaßliche Einwilligung auch in jedem Fall rechtfertigend wirkt. Parallel zur Argumentation im Kontext der Einwilligung stehen diesbezüglich die willensbasierten Delikte als potentielles Hindernis einer Allgemeingültigkeit im Raum.438 Zwar wird zumeist auch bei dieser Deliktsgruppe eine tatbestandsausschließende Wirkung der mutmaßlichen Zustimmung verneint und damit die Existenz eines sogenannten tatbestandsausschließenden mutmaßlichen Einverständnisses negiert.439 Zum Teil finden sich demgegenüber allerdings doch gewisse Stimmen, die der betreffenden Form der Zustimmung bei willensbasierten Delikten eine Auswirkung auf Tatbestandsebene zubilligen.440 Ob ein Einfluss der gemutmaßten Zustimmung auf Tatbestandsebene richtigerweise anzunehmen ist, kann erst an späterer Stelle geklärt werden.441 Die Beantwortung jener Frage hängt nämlich konkret davon ab, ob die mutmaßliche Zustimmung eine Repräsentation der Selbstbestimmung als Bestandteil des synthetischen Rechtsguts darzustellen vermag. Erforderlich ist dafür aber zunächst die Charakterisierung des Rechtfertigungsprinzips der mutmaßlichen Einwilligung, die die erforderlichen grundlegenden Aussagen zur

436 Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 328 Abschn. D.; anders aber Hoyer, in: SK-StGB, Vor § 32 Rn. 34, der eine generell tatbestandsausschließende Wirkung der mutmaßlichen Einwilligung postuliert. 437 Vgl. zu letzterem etwa Roxin, AT I, § 18 Rn. 3; Rudolphi, in: GS Kaufmann, S. 371, 393. 438 Diesen Punkt könnte man analog zu den entsprechenden Erwägungen hinsichtlich der Einwilligung – vgl. Fn. 330 Abschn. D. – auch im Rahmen der Allgemeingültigkeit der Einwilligungsregeln thematisieren. Vorliegend wurde sich allerdings ebenfalls für eine eigenständige, vorangestellte Thematisierung im sachlich unmittelbar einschlägigen Zusammenhang entschieden, was nicht zuletzt auch einer gebotenen Parallelität in der Darstellung geschuldet ist. 439 Vgl. dazu etwa Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 159 mit Fn. 12; Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 216; Theile/Stürmer, ZJS 2015, 123, 126 f. 440 Für die Existenz eines mutmaßlichen Einverständnisses Disput, S. 196 sowie – naturgemäß, vgl. den entsprechenden Nachweis in Fn. 436 Abschn. D. – Hoyer, in: SKStGB, Vor § 32 Rn. 34. Vgl. ferner BGH NJW 2014, 2887, 2888. Siehe zu der betreffenden Problematik ausführlich auch Ludwig/Lange, JuS 2000, 446 ff. Diese erachten zwar im Ergebnis – vgl. dort S. 450 – angesichts der von ihnen angenommenen Struktur der willensbasierten Delikte insofern nicht ein mutmaßliches Einverständnis als solches als ausschlaggebend. Der mutmaßliche Wille wird aber dennoch als tatbestandsrelevant berücksichtigt. 441 Siehe zur Stellungnahme hinsichtlich der Existenz eines mutmaßlichen Einverständnisses konkret die Ausführungen unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 207.

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selbstbestimmungsbezogenen Bedeutung einer mutmaßlichen Zustimmung mit sich bringt. Vorgelagert erscheint es aber ohnehin fraglich, ob das Bestehen eines mutmaßlichen Einverständnisses überhaupt eine Ergebnisrelevanz für die vorliegend zu diskutierende Frage nach einer generell rechtfertigenden Wirkung der mutmaßlichen Einwilligung aufweist. Dies hängt davon ab, wie man die Funktion eines mutmaßlichen Einverständnisses beurteilen will. Im Rahmen der Einwilligungsthematik wurde darauf hingewiesen, dass das Vorliegen einer tatbestandsverneinenden Wirkung der Zustimmung bei willensbasierten Delikten die Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund nicht hindert. Der Grund dafür liegt, wie bereits ausgeführt, in folgenden Erwägungen: Die fehlende Zustimmung fungiert als Bestandteil des synthetischen Gutes. Bei einer gegebenen Zustimmung ist somit eine Rechtsgutsverletzung und folglich eine Tatbestandserfüllung auszuschließen. Ebenso wie die Nichterfüllung sonstiger Tatbestandsmerkmale lässt dies jedoch die Ebene der Rechtswidrigkeit strukturell unberührt. An der Tatbestandstruktur der willensbasierten Delikte sowie den betreffenden genannten Grundsätzen ändert sich aber nichts, wenn die Zustimmung nicht tatsächlicher, sondern nur gemutmaßter Natur ist. Somit muss selbst bei einer unterstellten Auswirkung der mutmaßlichen Zustimmung auf Tatbestandsebene die Rechtfertigungsebene unberührt bleiben. Eine umfassende Rechtfertigungswirkung der mutmaßlichen Einwilligung kann also unabhängig von der Existenz eines mutmaßlichen Einverständnisses bejaht werden. b) Das Rechtfertigungsprinzip der mutmaßlichen Einwilligung Auch in Bezug auf das zugrunde liegende Rechtfertigungsprinzip lassen sich in gewissem Umfang Parallelen zu den Erörterungen hinsichtlich der Einwilligung ziehen. Ebenso wie dort kann man die Ansätze zur Erläuterung des hinter der mutmaßlichen Einwilligung stehenden Gedankens zum einen in ein überindividuelles sowie zum anderen in ein rein individuell basiertes Modell unterteilen.442 Ein entscheidender Unterschied zur Einwilligung liegt jedoch darin, dass die mutmaßliche Einwilligung nicht innerhalb aller Herangehensweisen unzwei442 Diese Zweiteilung lässt sich auch Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 158 entnehmen. Teils wird indes darüber hinaus das erlaubte Risiko als zusätzlicher eigenständiger Ansatz im Rahmen der Unterteilung vorgebracht, vgl. z. B. Heidner, S. 5 ff.; Rieger, S. 67 ff. Auch eine Kombination aus subjektiven sowie objektiven Elementen ist in einigen Fällen als möglicher weiterer Ansatz zu finden, siehe dazu etwa Häcker, S. 19 ff.; Knauf, S. 61 ff. Aus dogmatischer Perspektive erscheint eine klare Systematisierung in Gestalt einer Unterteilung rein in individuelle sowie überindividuelle Ansätze vorzugswürdig. Auf diese Weise können die entscheidenden Gesichtspunkte eindeutig zugeordnet und die maßgeblichen Konzepte einander deutlich gegenübergestellt werden. Auf die vorstehend zusätzlich genannten Ansatzpunkte wird freilich bei Bedarf innerhalb der folgenden zweigeteilten Systematisierung ebenfalls eingegangen werden.

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felhaft aus Art. 2 I GG und der damit verbundenen Selbstbestimmung hergeleitet wird. Die Frage, inwiefern jenes Element eine Rolle spielen kann, ergibt sich vielmehr erst aus der eigentlichen Charakterisierung des Rechtfertigungsgrundes.443 Es steht mithin nicht lediglich die konkrete Ausprägung der Begründung der Straflosigkeit, sondern bereits das vorgelagerte Grundprinzip in Rede. Daher ist es trotz Ähnlichkeiten zu den im Kontext der Einwilligung vorgestellten Ansätzen erforderlich, die vorliegend relevanten Prinzipien genau aufzuzeigen und die damit verknüpften Begründungen für die Straflosigkeit im Detail zu untersuchen. Angesichts teils möglicher Divergenzen zu den Ergebnissen im Rahmen der Einwilligung wird speziell auch die Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision nochmals aufgegriffen werden. aa) Der objektiv-abwägungsbasierte Erklärungsansatz (1) Darstellung des Prinzips Nach dem objektiv-abwägungsbasierten Rechtfertigungsprinzip der mutmaßlichen Einwilligung folgt die Rechtfertigungswirkung entsprechend der hier verwendeten Bezeichnung maßgeblich aus objektiven Gesichtspunkten.444 Konkret entscheidet insoweit eine Abwägung der beteiligten Interessen über das Vorliegen einer Rechtfertigungswirkung. Der anzunehmende Wille des Betroffenen kann dabei zwar in gewissem Maße ebenfalls eine Rolle spielen.445 Anders als im abwägungsbasierten Erklärungsmodell hinsichtlich der Einwilligung wird hierbei aber nicht das Recht zur freien Verfügung als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit bzw. der Selbstbestimmung einen eigenständigen und auch im Ergebnis überwiegend durchgreifenden Abwägungsparameter darstellen. Der 443 Dass die Einordnung der mutmaßlichen Einwilligung als ein Ausfluss von Art. 2 I GG lediglich ein mögliches Ergebnis, aber nicht der Ausgangspunkt sein kann, lässt sich auch der Darstellungsstruktur von Schmitz, S. 126 entnehmen. 444 In diesem Sinne Mayer, AT, S. 168, der dies dahingehend präzisiert, dass insoweit Erwägungen maßgeblich seien, die ein vernünftiger Mensch in einer vergleichbaren Situation anstellen würde. Ähnlich insoweit auch Schmidhäuser, AT Studienbuch, Abschn. 6 Rn. 86. Auch Otto, AT, § 8 Rn. 130 f. subsumiert unter die mutmaßliche Einwilligung diejenigen Fälle, in denen allein die Wertvorstellungen der Allgemeinheit bzw. der Wille eines als vernünftig zu erachtenden Bürgers relevant werden. Sofern allerdings Indizien zur Ermittlung des konkreten Willens des Betroffenen zur Verfügung stehen, spricht Otto nicht mehr von einer mutmaßlichen, sondern von einer gemutmaßten Einwilligung. Eine solche Differenzierung entspricht jedoch nicht der gängigen Herangehensweise und erscheint auch inhaltlich nicht zweckmäßig, sodass sie im Folgenden nicht zugrunde gelegt werden wird. 445 Rudolphi, in: GS Kaufmann, S. 371, 393 betont die Bedeutung des Willens sogar in besonderem Maße. Er begründet dies jedoch mit der Betroffenheit einer zugrunde liegenden reinen Binnenkollision. Die aktuell vorzunehmende Darstellung des in Rede stehenden Prinzips soll indessen über diesen potentiellen Ausschnitt aus dem Anwendungsbereich der mutmaßlichen Einwilligung hinausgehen. Aus diesem Grunde lässt sich die von Rudolphi angeführte Bedeutung der Autonomie nicht verallgemeinern.

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Wille ist allenfalls als Unterstützung bzw. Korrektiv für die eine oder andere objektive Position zu erachten. Dementsprechend wird er in Hinblick auf den aktuell in Rede stehenden Ansatz teils lediglich als einschränkende Voraussetzung verstanden, welche eine übereifrige Fürsorge durch Dritte verhindern soll.446 An anderer Stelle findet sich die allgemeinere Ausführung, der Wille stelle bloß einen „mehr oder weniger zu berücksichtigenden Faktor“ im Rahmen der Interessenabwägung dar.447 Zusammenfassend kann also nach diesem Modell die Rechtfertigungswirkung und mithin die damit verbundene Straflosigkeit in ihrem entscheidenden Punkt nicht auf die Bedeutung der Selbstbestimmung, sondern nur auf die Abwägung objektiv fassbarer Parameter gestützt werden. Hierin zeigt sich der bereits einleitend angedeutete Unterschied zur Einwilligung, der auch nach dem abwägungsbasierten Ansatz die Selbstbestimmung als maßgeblicher Grundgedanke innewohnt. Mit jener vorgestellten Interpretationsweise entspricht die mutmaßliche Einwilligung inhaltlich dem Abwägungsgedanken des rechtfertigenden Notstands und kann folglich als ein Unterfall desselbigen begriffen448 werden.449 Unter isolierter Betrachtung des betreffenden Rechtfertigungsgrundes ließen sich damit in Hinblick auf eine bereits bestehende Einheitlichkeit der gängigen Handhabung bei reiner Binnenkollision dieselben Schlussfolgerungen ziehen, wie sie im Rahmen der Einwilligung dargelegt wurden. Konkret bedeutet dies, dass trotz der Tatsache, dass gemeinhin teils die mutmaßliche Einwilligung, teils aber auch § 34 StGB zu Rate gezogen werden, insoweit bereits eine einheitliche Grundlage bestünde, was diesbezüglich den Vorwurf der Inkonsequenz in Frage stellen wür446 So Welzel, Strafrecht, S. 92; siehe auch Jakobs, AT, Abschn. 15 Rn. 17. Bei Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9 Rn. 35 wird diesbezüglich deutlich, dass damit entgegen dem möglicherweise positiven ersten Eindruck der Formulierung nur eine begrenzte Wirkung der Autonomie verbunden ist. Jenseits der als übereifrig zu qualifizierenden Fürsorge sei nämlich unter Geltung des Abwägungsprinzips eine Bevormundung durchaus möglich. Hierfür wird auf das Beispiel einer zwangsweisen Bluttransfusion eines Patienten gegen dessen Willen hingewiesen. Wo allerdings die Grenze zwischen übereifriger und berechtigter Fürsorge verlaufen soll, wenn der Wille für die primäre Unterscheidung gerade ausgeblendet wird, lässt sich den betreffenden Ausführungen nicht entnehmen. 447 So die kritische Aussage von Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 409. 448 So Welzel, Strafrecht, S. 92, der sich allerdings noch auf den übergesetzlichen rechtfertigenden Notstand bezieht. Zipf, S. 54 ff. erkennt der mutmaßlichen Einwilligung sogar jeglichen eigenständigen Charakter ab und subsumiert ihre Anwendungsszenarien – neben einer Subsumtion unter den Gedanken der Sozialadäquanz – direkt unter den rechtfertigenden Notstand. Hellmann, S. 174 f. zeigt demgegenüber eine einschränkendere Sichtweise auf. Er betont je nach Betroffenheit der Konstellation innerhalb der mutmaßlichen Einwilligung zwar zum Teil eine Nähe zu § 34 StGB, geht in anderen Fällen aber von der Einschlägigkeit der willensbezogenen Grundsätze aus. 449 Die Verwandtschaft wird aber, soweit ersichtlich, allein hinsichtlich der Wirkungsweise angenommen. Dass die mutmaßliche Einwilligung auch auf den Gedanken der wechselseitigen Mindestsolidarität zu stützen wäre, ist diesbezüglich keine gängige Folgerung.

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de.450 Da für eine umfassende Lösung der reinen Binnenkollision jedoch auch die Einwilligung Anwendung finden muss – und dies in der gängigen Handhabung auch tut – darf jener Rechtfertigungsgrund in Hinblick auf eine Bewertung der Einheitlichkeit nicht ausgeklammert werden. Die Einwilligung entspricht aber, wie gesehen, richtigerweise gerade nicht dem Grundkonzept des rechtfertigenden Notstands. Folglich scheitert die Annahme eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes unter dem Oberbegriff der Notstandsrechtfertigung bereits an jener Stelle. Auf die Einordnung der mutmaßlichen Einwilligung kommt es mithin insoweit gar nicht mehr an. Die Frage, ob der genannte Rechtfertigungsgrund einen Unterfall des § 34 StGB darstellt, ist aber dennoch auch methodisch nicht irrelevant. Sie spielt dahingehend eine Rolle, ob man die Einwilligung und die mutmaßliche Einwilligung überhaupt zu einem gleichgerichteten Lösungsansatz zusammenfassen kann. Denn dies ist nur möglich, wenn beide auch einen zumindest vergleichbaren Grundgedanken aufweisen, was aber bei einer Einordnung der mutmaßlichen Einwilligung als Unterfall des rechtfertigenden Notstands abzulehnen sein wird. Auch aus diesem Grunde ist daher die betreffende Ansicht nach der Betrachtung der binnenkollisionsspezifischen Kongruenz einer eingehenden generellen Analyse in Hinblick auf ihre Berechtigung zu unterziehen. (2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Der in Rede stehende Ansatz beschreibt, wie gesehen, die Komponenten des maßgeblichen Abwägungsvorgangs als objektiv fassbare gegenläufige Interessen. Bei einer reinen Binnenkollision muss zwar zur Charakterisierung der Situation auf Rechtsgüter als engst mögliche und damit präziseste definitionsbildende Faktoren abgestellt werden.451 Die Beteiligung darüber hinausgehender Interessen wird aber regelmäßig insoweit ebenfalls zu bejahen sein. Des Weiteren ist – wie bereits ausgeführt – im Falle einer reinen Binnenkollision ein Abwägungsvorgang nicht zu leugnen. Ferner lassen sich die an einer reinen Binnenkollision beteiligten Rechtsgüter in ihrer definitionsgemäßen Eigenschaft als abstrakt schutzwürdige Gegenstände auch als objektiv fassbare Positionen einordnen.452 In Fortführung der genannten abstrakten Betrachtung wird man die objektive Prägung auch auf das jeweilige dazugehörige Interesse übertragen können. Bezogen auf die dargestellten Aspekte vermag folglich ein Einklang zwischen der dem objektiv-abwägungsbasierten Erklärungsansatz zugrunde liegenden Ausgangssituation und Komponenten einer reinen Binnenkollision angenommen zu werden. Dies kann allerdings nur für die Fälle der reinen Binnenkollision im engeren 450

Vgl. dazu die Angaben unter D. II. 1. b) aa) (1). Vgl. dazu die Ausführungen unter B. III. 2. 452 Dies gilt prinzipiell sogar für die Selbstbestimmung als solche, auch wenn eine derartige Charakterisierung in Hinblick auf den Inhalt der entsprechenden Gewährleistung freilich einer rein formalen Sichtweise entspringt. 451

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Sinne gelten. Denn die Beteiligung gegenläufiger objektiver Interessen als maßgebliche Aussage des Ansatzes wird richtigerweise nur so interpretiert werden können, dass die betreffenden Komponenten immer je einen abstrakten, sprich selbstbestimmungsunabhängigen Kern enthalten. Die Binnenkollision im weiteren Sinne ließe sich daher schon der Struktur nach nicht durch die mutmaßliche Einwilligung unter Geltung des besprochenen Ansatzes lösen. Damit wäre ein Widerspruch zum Gedanken der Allgemeingültigkeit nicht von der Hand zu weisen. Fraglich erscheint jedoch schon vorgelagert, ob durch die objektiv-abwägungsbasierte Erklärung die reine Binnenkollision überhaupt als solche mit ihren spezifischen Merkmalen zutreffend abgebildet werden kann. Einer derartigen Annahme steht im Falle der abwägungsbasierten Deutung der Einwilligung die stete Beteiligung eines Rechtsguts der Gesellschaft entgegen.453 Dies ist dabei allerdings, wie gezeigt, der Grundannahme einer spezifischen Abwägungskonstellation geschuldet, in der die Verankerung des Rechts zur freien Verfügung als eigenständiger Abwägungsparameter den entscheidenden Konfliktpunkt ausmacht. Dieser Faktor ist insoweit erforderlicherweise einzubeziehen, um Art. 2 I GG bzw. die Selbstbestimmung als Basis des Rechtfertigungsgrundes ausreichend zum Ausdruck zu bringen.454 Ein solcher Rekurs ist allerdings im Zusammenhang mit dem abwägungsbasierten Ansatz bei der mutmaßlichen Einwilligung nicht erforderlich. Schließlich muss insoweit, wie bereits erwähnt, nicht von vornherein die Selbstbestimmung als Grundlage betrachtet werden, sondern dies kann lediglich eine mögliche Konsequenz darstellen. Folglich kommt der Selbstbestimmung diesbezüglich auch nicht notwendigerweise eine einwilligungsanalog konzipierte Rolle im Abwägungsvorgang zu. Es bedarf mithin, anders als im entsprechenden Kontext bei der Einwilligung, auch keiner Beteiligung eines Gesellschaftsinteresses, um der Abwägungskonstellation einen nachvollziehbaren Gehalt zu verleihen. Die Ausgangslage der mutmaßlichen Einwilligung kann damit nach jenem Ansatz durchaus auf eine einzige Person beschränkt sein. Wie im Rahmen der Darstellung aufgezeigt, existiert aber eine Parallele des in Rede stehenden Rechtfertigungsprinzips zum rechtfertigenden Notstand. Dies bringt die im Zusammenhang von § 34 StGB und der reinen Binnenkollision angesprochenen Diskussionsaspekte auch aktuell in den Fokus. Diesbezüglich ist zum einen eine positive Folge zu erkennen. Denn wenn es sich bei der mutmaßlichen Einwilligung nach dem betreffenden Modell um einen Unterfall des rechtfertigenden Notstands handelt, müssen dessen Grundsätze auch vorliegend beachtet werden. In Bezug auf diese wurde bereits festgestellt, dass sich in Fällen reiner Binnenkollision immer das Verbot aufgedrängter Notstandshilfe durchset-

453 454

Siehe hierzu die Ausführungen unter D. II. 1. b) aa) (2). Vgl. dazu auch Fn. 385 Abschn. D.

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zen muss. Inhaltlich gesehen kann es also trotz der Dominanz objektiver Kriterien und der prinzipiell nur minderen Bedeutung des Willens unter Geltung des objektiv-abwägungsbasierten Deutungsansatzes nicht zu einer Überspielung der Autonomie kommen, wenn allein Rechtsgüter ein und derselben Person beteiligt sind. Allerdings muss die mutmaßliche Einwilligung in der unterstellten Eigenschaft als Unterfall des rechtfertigenden Notstandes trotz insoweit fehlender Normierung auch dieselbe Prägung des Abwägungsvorgangs wie die verwandte Norm aufweisen. Schließlich liegt in jenem Aspekt, ebenso wie in den Notstandsgrundsätzen, ein Wesensmerkmal, welches die Art des Rechtfertigungsgrundes entscheidend charakterisiert. Wie bereits im Kontext des § 34 StGB455 ausgeführt,456 lässt sich jedoch kein struktureller Einklang zwischen der erforderlichen rein subjektiven Prägung der Abwägung in Fällen reiner Binnenkollision und dem objektiven Maßstab der notstandstypischen Abwägung herstellen. In der Konsequenz kann aus jenem Grunde also auch keine Kongruenz zwischen dem objektiv-abwägungsbasierten Erklärungsansatz der mutmaßlichen Einwilligung und der Konstellation reiner Binnenkollision angenommen werden.457 (3) Kritische Betrachtung des dargestellten Ansatzes Im Folgenden sollen nun mögliche Kritikpunkte näher beleuchtet werden, die gegen den objektiv-abwägungsbasierten Ansatz und damit auch gegen die Einordnung der mutmaßlichen Einwilligung als Unterfall des § 34 StGB sprechen können.458 Diesbezüglich wird in der Literatur vor allem auf die Gefahr einer Bevormundung abgestellt, welche aus der mangelnden Bedeutung subjektiver 455

Unter D. I. 2. c) aa) und bb). Sämtliche Aspekte, hinsichtlich derer im vorliegenden Zusammenhang ein Rückgriff auf § 34 StGB vorgenommen wurde, sind jedoch im Rahmen der notstandsbezogenen Erörterung nicht Gegenstand der Diskussion des eigentlichen Notstandsprinzips gewesen. Vielmehr wurden sie als eigenständig relevante Punkte aufgegriffen. Dies stellt jedoch keinen Widerspruch dazu dar, dass sie nun unter dem Oberpunkt des Rechtfertigungsprinzips der mutmaßlichen Einwilligung Relevanz erlangen. Denn bei § 34 StGB macht dessen Prinzip einen spezifisch materiell bedeutsamen Gedanken aus, während vorliegend allein der allgemeine Abwägungsgedanke herangezogen wird, um das Prinzip hinter der mutmaßlichen Einwilligung zu konturieren. Dementsprechend spielen die mit jener allgemeinen Struktur zusammenhängenden Aspekte hier bereits im Rahmen der Erörterung des entsprechenden Prinzips eine Rolle. 457 Unter Umständen ließe sich die Einordnung als Unterfall des rechtfertigenden Notstands sogar so weit fassen, dass sie eine Übertragung des Merkmals des wesentlichen Überwiegens auf die mutmaßliche Einwilligung bedingt. In diesem Falle läge in Hinblick auf die insofern fehlende Ermöglichung jeder willensgemäßen Rechtfertigung ein weiterer Konfliktpunkt mit der reinen Binnenkollision vor. 458 Nicht näher einzugehen ist an aktueller Stelle aber auf den durchaus kritikwürdigen Aspekt, dass sich die abwägungsbezogene Begründung allein auf eine und nicht auf beide gemeinhin vertretenen Fallgruppen der mutmaßlichen Einwilligung zu beziehen scheint. Vgl. zu jenem Gesichtspunkt Fn. 520 Abschn. D. sowie insbesondere Fn. 523 Abschn. D. 456

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Kriterien für die Abwägung resultiere.459 Wie gesehen, kann es angesichts des durchgreifenden Verbots aufgedrängter Notstandshilfe zu einer solchen – jedenfalls in Hinblick auf die damit wohl gemeinten Fälle willenswidriger Rechtfertigung – zumindest in Konstellationen der reinen Binnenkollision aber nicht berechtigterweise kommen. Unter konsequenter Anwendung des Notstandsgedankens als Basis der mutmaßlichen Einwilligung müsste über jene Fälle hinaus zwar rein theoretisch eine Missachtung des Willens des Rechtsgutsinhabers möglich sein. Schließlich ist die Legitimierung eines Handelns gegen den Willen des Eingriffsopfers zur Rettung fremder Güter eine durchaus notstandstypische Gegebenheit. Dies ist aber nicht die Gestalt der Bevormundung, welche die vorliegend von den Kritikern gemeinte Gefahr repräsentiert.460 In Bezug auf Fälle, die unter Verletzung des Willens des Betroffenen zumindest auch die Rettung eines Drittinteresses beinhalten, müsste man sich indes ohnehin fragen, ob es überhaupt sachgemäß wäre, mit dem Instrument der mutmaßlichen Einwilligung zu operieren, oder ob dabei nicht besser auf § 34 StGB direkt zurückgegriffen werden sollte. Rechtlich generell zu missbilligende Rechtfertigungen gegen den Willen lassen sich jedenfalls unter Geltung des objektiv-abwägungsbasierten Ansatzes zusammenfassend nicht feststellen. Kritisch erscheint in Bezug auf jenes Erklärungsmodell aber die Bezeichnung als mutmaßliche Einwilligung. Wenn es nämlich nicht der Wille des Einzelnen, sondern das objektiv Vernünftige ist, was den Ausschlag gibt, weist das Begriffselement „Einwilligung“ in eine irreführende Richtung. Sollte man sich dem betreffenden Ansatz anschließen wollen, wäre es daher zumindest notwendig, die Bezeichnung des Rechtfertigungsgrundes nochmals zu überdenken.461 Der entscheidende Kritikpunkt gegen das in Rede stehende Rechtfertigungsprinzip als Grundlage der mutmaßlichen Einwilligung ergibt sich jedoch aus einem logischen Vergleich mit der Sachlage im Falle einer tatsächlich vorliegenden Zustimmung. Es mutet nicht sinnvoll an, dass bei Anwesenheit462 des Rechtsgutsträgers dessen Wille der maßgebliche Gesichtspunkt ist, sobald er aber außer Reichweite gelangt, objektive Kriterien ausschlaggebend werden.463 Allein die Feststellbarkeit bzw. die Nichtfeststellbarkeit des Willens stellt keinen hinrei459 Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9 Rn. 35; vgl. dazu auch Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 158. 460 Die vorgetragenen Bevormundungsszenarien beziehen sich ausschließlich auf Fälle reiner Binnenkollision. Dies ergibt sich etwa aus einer Interpretation der von Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9 Rn. 35 geäußerten Bedenken. 461 Auch Mayer, AT, S. 168 wendet sich aufgrund der Maßgeblichkeit objektiver Kriterien gegen die Verwendung des Teilterminus „Einwilligung“. Eine Abkehr von der Bezeichnung „mutmaßliche Einwilligung“ unter Geltung des objektiven Prinzips lässt sich auch bei Schmidhäuser, AT Studienbuch, Abschn. 6 Rn. 86 finden. 462 Im Sinne von Erreichbarkeit; auch eine fernmündliche oder im Rahmen eines laufenden Kommunikationsvorgangs schriftliche Anwesenheit genügt mithin. 463 In diesem Sinne auch Roxin, AT I, § 18 Rn. 6; Schmitz, S. 83.

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chenden Grund dafür dar, die Vergleichbarkeit der Konstellationen zu verneinen. Freilich mag es problematisch sein, ob bzw. inwieweit der wahre Wille tatsächlich ermittelt werden kann. Es handelt sich dabei aber lediglich um eine – wenn auch teils gewichtige – Folgeproblematik. Diese kann aus dogmatischer Perspektive nicht dazu führen, bereits die grundlegende Ausgangsbetrachtung zu verändern. Folglich ist die objektiv-abwägungsbasierte Sichtweise zur Begründung der Rechtfertigungswirkung der mutmaßlichen Einwilligung im Ergebnis nicht haltbar. Damit wird auch eine Einordnung jenes Rechtfertigungsgrundes als Unterfall des § 34 StGB ausgeschlossen.464 bb) Der autonome willensbezogene Ansatz (1) Darstellung des Prinzips Vielfach wird zur Begründung der Rechtfertigungswirkung der mutmaßlichen Einwilligung im entscheidenden Punkt nicht auf die Abwägung objektiv gefasster Interessen, sondern auf den Willen des Rechtsgutsträgers abgestellt.465 Ausschlaggebend ist demnach das hypothetische Wahrscheinlichkeitsurteil darüber, wie sich der Betroffene in der einschlägigen Situation entschieden hätte, wenn er eine eigene Einwilligung hätte abgeben können.466 Die Rechtfertigung beruhe so gesprochen auf einem „Zuendedenken“ der Einwilligungsidee, die, wie bereits festgestellt, aus Art. 2 I GG herrühre.467 Auch der mutmaßlichen Einwilligung liege also der Gedanke zugrunde, die Selbstbestimmung des Betroffenen zum Ausdruck zu bringen.468 Dementsprechend wird die mutmaßliche Einwilligung häufig als Einwilligungssurrogat bezeichnet.469 Dennoch kommt ihr unter Gel464 Explizit gegen eine Einordnung als Unterfall des rechtfertigenden Notstands etwa auch Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 37; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 19; Mitsch, S. 419 f.; vgl. auch BGHSt 35, 246, 249. 465 So etwa Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 19; Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 158; Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 217; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 451; Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 404; Häcker, S. 131 ff.; Knauf, S. 66; Thiel, S. 95; Trück, S. 85; siehe auch BGHSt 35, 246, 249. 466 Vgl. dazu Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 11 Rn. 571; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54; Geppert, JZ 1988, 1024, 1026; Müller-Dietz, JuS 1989, 280, 282; Thiel, S. 96. 467 Roxin, AT I, § 18 Rn. 8. 468 Vgl. in diesem Sinne Disput, S. 200; Trück, S. 111, 118; siehe auch Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 419. Vgl. dazu ebenfalls Merkel, ZStW 107 (1995), 545, 563, der die Grundidee der mutmaßlichen Einwilligung darin erblickt, die Autonomie des Betroffenen zu erweitern. 469 So etwa von Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54; Köhler, NJW 2002, 853, 854; Sternberg-Lieben, S. 212. Letzterer betont zwar einschränkend auf S. 206, dass die mutmaßliche Einwilligung zwischen dem rechtfertigenden Notstand und der Einwilligung einzuordnen sei. Eine derartige Aussage findet sich auch bei anderen Vertreten der subjektiven Ansicht, vgl. etwa Roxin, in: FS Welzel,

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tung des willensbezogenen Ansatzes die Stellung eines eigenständigen Rechtfertigungsgrundes zu.470 Wie schon im Rahmen der Erörterung des Abwägungsprinzips als potentieller Lösungsansatz angeklungen, stellt die Ermittlung des wahren Willens teils eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit dar. Daher finden sich zu jenem Punkt in der einschlägigen Literatur auch viele und ausführliche Stellungnahmen.471 Als weitestgehend unproblematisch wird noch die Situation erachtet, in der hinreichende Indizien für einen bestimmten Willen gegeben sind. Insoweit gilt, dass jener festgestellten Präferenz, mag sie auch noch so wenig nachvollziehbar sein, der Vorrang zukommen muss.472 Auch ein unvernünftiger Wille ist folglich anzuerkennen.473 Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass ein erkennbar entgegenstehender Wille nicht durch objektiv vernünftige Erwägungen überspielt werden darf.474 Objektive Erwägungen können allerdings nach den Aussagen der betreffenden Anhänger des willensbezogenen Ansatzes dennoch eine Rolle spielen. So wird häufig davon gesprochen, dass dem objektiv überwiegenden Interesse die Funktion zukomme, ein Indiz für den wahren Willen zu repräsentieren.475 Zumeist wird man die entsprechende Aussage derart interpretieren können, dass im Falle des Fehlens individueller Hinweise zur Annahme eines Willens uneingeschränkt auf objektive Gesichtspunkte zurückzugreifen ist. Roxin präsentiert jedoch insoweit476 eine differenzierte Herangehensweise.477 Er unterscheidet daS. 447, 448. Müller-Dietz, JuS 1989, 280, 281 spricht sogar von einer Ansiedlung im „Dreiecksverhältnis von Einwilligung, rechtfertigendem Notstand und erlaubtem Risiko“, vgl. zu letzterem die noch im Verlauf des aktuellen Unterabschnitts erfolgenden Erörterungen. Dennoch dominieren laut jenen Vertretern im Endeffekt nicht die objektiven Gesichtspunkte, sondern der Einwilligungsgedanke der Wahrung subjektiver Präferenzen; vgl. dazu auch Sternberg-Lieben, S. 212. 470 Vgl. exemplarisch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54; Müller-Dietz, JuS 1989, 280, 281; BGHSt 35, 246, 249. 471 Die entsprechenden Aussagen zur Ermittlung des Willens beziehen sich allerdings teilweise lediglich auf eine bestimmte Fallgruppe, vgl. etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 11 Rn. 570 f. Eine Unterscheidung nach Fallgruppen erscheint in jenem Zusammenhang indessen nicht sachgerecht. Schließlich stellen Fallgruppen lediglich Bestandteile des übergeordneten gesamten Gefüges dar. Wenn dieses im Ganzen als willensbezogener Ansatz beschrieben werden soll, müssen sich die betreffenden Feststellungen auch auf beide Fallgruppen beziehen können. 472 So Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 158. 473 Müller-Dietz, JuS 1989, 280, 282. 474 Kühl, AT, § 9 Rn. 47; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 57. 475 Vgl. etwa Roxin, AT I, § 18 Rn. 5; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 9 Rn. 36; Wessels/ Beulke/Satzger, AT, § 11 Rn. 571; Köhler, NJW 2002, 853, 854; Lenckner, in: FS Mayer, S. 165, 175 Fn. 45. 476 Die Gesamtschau der entsprechenden Aussagen von Roxin deutet drauf hin, dass sich diese, trotz teils unklarer Formulierungen, abgesehen von dem zuletzt zu erörternden Szenario auf den Fall beziehen, dass keine weiterbringenden individuellen Hinweise bestehen.

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bei zwischen sachgebundenen, persönlichkeitsgebundenen und existentiellen Entscheidungen. Sachgebunde Entscheidungen seien solche, bei denen unvertretbare bzw. individuelle Entscheidungsmaßstäbe keine oder lediglich eine ganz geringe Rolle spielten. Auch leichte Verletzungen seien von jener Untergruppe erfasst. Im Rahmen dieser liege in der Regel eine Rechtfertigung vor, wenn man bei einem Fehlen individueller Kriterien den objektiven Maßstäben entspreche.478 Anders sei die Lage aber bei persönlichkeitsgebundenen Entscheidungen zu beurteilen, sprich bei Entscheidungen, hinsichtlich derer keine generalisierbaren Kriterien existierten und somit allein die persönliche Ansicht des Betroffenen einen Aufschluss geben könne.479 Fehle es in einem derartigen Kontext an verwertbaren individuellen Hinweisen, dürfe keine mutmaßliche Einwilligung angenommen werden.480 In Hinblick auf existentielle Entscheidungen, das heißt solche über Leben und Tod oder auch bezogen auf schwere Gesundheitsschädigungen,481 seien objektive Kriterien hingegen wiederum maßgeblich, um eine Rechtfertigungswirkung zu begründen. Allerdings geht Roxin insoweit über die bisherige Prämisse hinaus, dass lediglich die Konstellation betroffen ist, in der keine Anhaltspunkte für den wahren Willen bestehen. Konkret dürfe speziell mit Blick auf einen ansonsten drohenden Tod der Eingriff nicht versagt werden, auch wenn es im Vorfeld Indizien gegeben habe, die gegen einen Rettungswillen sprächen. Es bestehe nämlich – außer bei einer unmittelbar erfolgten Ablehnung – insoweit

477 Roxin, AT I, § 18 Rn. 19 ff.; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 464 ff. Allerdings betreffen die entsprechenden Annahmen lediglich eine bestimmte Fallgruppe der mutmaßlichen Einwilligung. Siehe aber zur Notwendigkeit einer fallgruppenübergreifenden Erörterung vorliegend bereits die Aussage in Fn. 471 Abschn. D. Im Endeffekt zieht zwar auch Roxin eine gewisse Parallele zur betreffenden Differenzierung in Bezug auf die verbleibende Fallgruppe, vgl. Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 473. Die Kriterien lassen sich dabei jedoch nicht vollständig übereinstimmend in beiden Untergruppen wiederfinden. 478 Siehe zur Definition der sachgebundenen Entscheidung und der dargestellten Konsequenz für die Bedeutung objektiver Kriterien Roxin, AT I, § 18 Rn. 20; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 465. 479 Die Definition der persönlichkeitsgebundenen Entscheidung findet sich bei Roxin, AT I, § 18 Rn. 21; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 465 f. 480 Roxin, AT I, § 18 Rn. 21; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 465 f. Genau genommen liegt in dieser Kategorie indessen richtigerweise keine wirkliche Abweichung vom Grundsatz der Bedeutung objektiver Kriterien beim Fehlen von individuellen Hinweisen. Dies wird deutlich, wenn man die Definition einer persönlichkeitsgebundenen Entscheidung ins Auge fasst. Denn jene zeichnet sich dadurch aus, dass hierbei allein ein individuelles Urteil und kein generalisierendes denkbar ist. Man kann also zu dem Schluss kommen, dass objektive Kriterien diesbezüglich gar nicht existieren. Sie spielen daher nicht im Sinne einer Abweichung ausnahmsweise keine Rolle für die Beurteilung des wahren Willens. Ein Rückgriff erscheint vielmehr bereits naturgemäß nicht möglich. 481 Siehe zur Definition der existentiellen Entscheidung Roxin, AT I, § 18 Rn. 23; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 468.

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immer die naheliegende Möglichkeit, dass sich der ursprüngliche Wunsch nach Verhinderung eines Eingriffes bei konkret drohendem Sterben geändert habe. Der Autonomie des Betroffenen könne man am besten Rechnung tragen, indem man die Rettung vornehme und ihm danach die Chance belasse, sich dennoch selbst für den Tod – oder die Verletzung – zu entscheiden.482 Es werde mithin durch eine derartige Herangehensweise keine Entscheidung vorweggenommen, sondern eine solche vielmehr erst ermöglicht.483 Auf jene Interpretation Roxins, die sich, wie gesehen, nicht unbedingt im Einklang mit der herrschenden Handhabung innerhalb des willensbezogenen Ansatzes befindet, wird im weiteren Verlauf noch näher eingegangen werden. Trotz der prinzipiell herausgestellten Parallele des willensbezogenen Erklärungsmodells zum Grundgedanken der Einwilligung wird im Rahmen der konkreten Erklärung der Straflosigkeit in der Regel kein oder jedenfalls kein umfassender Rekurs auf die entsprechenden einwilligungsbezogenen Ansätze vorgenommen.484 Vielmehr steht im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung hinsichtlich jenes Begründungsfaktors – wenn überhaupt einschlägige Erörterungen zu finden sind – ein anderes Element, nämlich das des erlaubten Risikos, im Vordergrund.485 Der Grund für die Straflosigkeit liege demnach in dem bereits angesprochenen hypothetischen Wahrscheinlichkeitsurteil über den Willen, welches sich aber in seiner Berechtigung auf ein erlaubtes Risiko gründe.486 Folge des Einflusses des letztgenannten Elements ist, dass auch dann eine Rechtfertigungswirkung angenommen werden kann, wenn sich im Endeffekt herausstellen sollte, dass die getroffene Entscheidung doch den tatsächlichen, aber nicht erkennbaren Willen des Verletzten verfehlt.487

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Vgl. zur dargestellten Handhabung hinsichtlich der existentiellen Entscheidungen Roxin, AT I, § 18 Rn. 23 f.; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 468 f. 483 Vgl. Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 469, der diesbezüglich den Terminus „Offenhaltung der Entscheidungslage“ verwendet. 484 Für eine zumindest partielle Heranziehung des bei der Einwilligung vertretenen Begründungsmodells aber Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54. Tiedemann, JuS 1970, 108, 110 grenzt hingegen den Gedanken der Straflosigkeit bei einer Einwilligung deutlich von dem bei einer mutmaßlichen Einwilligung ab. 485 Vgl. dazu etwa Geppert, JZ 1988, 1024, 1026. Auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54 fügt das erlaubte Risiko als straffreiheitsbegründenden Faktor zu dem in Fn. 484 Abschn. D. angesprochenen einwilligungsparallelen Begründungsaspekt hinzu. Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 415 f. lehnt das erlaubte Risiko hingegen mit der Klassifizierung als inhaltsleer und funktionslos ab. 486 In diesem Sinne Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 453. Das erlaubte Risiko scheint dabei auch nicht ein gänzlich eigenständiges Prinzip darzustellen, sondern integriert sich als spezifischer, wenngleich freilich nicht völlig autonomiewahrender Aspekt in das autonom-subjektive Begründungsmodell. Eine Durchbrechung der zweigeteilten Klassifizierung, wie sie in Fn. 442 Abschn. D. vertreten wurde, ist daher insoweit nicht zu erkennen. 487 So etwa Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 453.

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(2) Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Die mutmaßliche Einwilligung zeichnet sich nach dem zuvor Ausgeführten im Kern durch eine entscheidende Bedeutung der Selbstbestimmung aus.488 Damit bildet sie den Grundgedanken der reinen Binnenkollision im Prinzip zutreffend ab. Im Rahmen der mutmaßlichen Einwilligung sind auch dadurch, dass die individuelle Präferenz insoweit das ausschlaggebende Element darstellt, Ergebnisse gegen den erkennbaren Willen bereits strukturell nicht möglich. Diesbezüglich werden die seitens der reinen Binnenkollision gestellten Anforderungen mithin gewahrt.489 Problematisch erscheint allerdings das Element des erlaubten Risikos.490 Dieses ermöglicht, wie gesehen, eine Rechtfertigung, die schlussendlich nicht im Einklang mit dem Willen des Betroffenen steht.491 Hierin liegt folglich ein Ele488 Auf potentielle Kritikpunkte an einer Repräsentation der Selbstbestimmung durch die mutmaßliche Einwilligung wird im Rahmen der allgemeinen Kritik gegen den in Rede stehenden Ansatz unter D. II. 2. b) bb) (3) näher eingegangen werden. Im vorliegenden Kontext der Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision soll aber auf der Grundlage des Inhalts des betreffenden Ansatzes bereits davon ausgegangen werden, dass die mutmaßliche Einwilligung eine zutreffende Ausdrucksform für die Selbstbestimmung des Betroffenen darstellen kann. 489 Vgl. zu potentiellen Kongruenzhindernissen in Bezug auf die Behinderung jeglicher willensgemäßer Rechtfertigung die Angaben unter D. II. 3. a), S. 218. Dass die entsprechenden Erörterungen erst an jener späteren Stelle erfolgen, resultiert daraus, dass für eine sachlich zufriedenstellende Auseinandersetzung mit den betreffenden Problematiken Vorwissen erforderlich ist, das erst im weiteren Verlauf im dafür einschlägigen Zusammenhang thematisiert werden wird. 490 Das erlaubte Risiko soll vorliegend noch ungeachtet seiner genauen Positionierung innerhalb des Rechtfertigungsgrundes der mutmaßlichen Einwilligung allein in Hinblick auf seine inhaltlichen Folgen beleuchtet werden. An welcher Stelle und in welcher Weise sich jenes Element konkret auswirkt, wird unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 206 näher dargestellt. 491 Konstruktiv kann – wie bereits in Fn. 31 Abschn. C. näher ausgeführt – eine solche Konstellation aber nur dann überhaupt dem Bereich reiner Binnenkollision unterfallen, wenn eine Binnenkollision im engeren Sinne gegeben ist. Auch hinsichtlich des potentiellen Rechtfertigungsgegenstandes ergeben sich dabei Modifikationen im Vergleich zu den allgemeinen, einleitend zu Gliederungspunkt D. aufgeführten Erwägungen. So bleibt es zwar bei dem Ergebnis, dass potentieller Rechtfertigungsgegenstand stets nur ein Handeln und kein Unterlassen sein kann. Allerdings vermag insoweit nicht die Grundlage einer Handlungspflicht mangels Bestehens eines Willens zur Rettung abgelehnt zu werden. Eine dementsprechende Positionierung der Selbstbestimmung ist schließlich gerade nicht gegeben. Nimmt der Handelnde jedoch fälschlicherweise einen Willen dahingehend an, dass das Unterlassen gewollt ist, fehlt es nach seiner Vorstellung an einem Umstand, der eine Handlungspflicht zur Folge hätte. Damit geht er irrtümlich von einem Nichtvorliegen tatsächlicher Umstände aus, die die Tatbestanderfüllung begründen würden. Ähnlich gestaltet sich die Sachlage etwa in dem Beispiel von Freund, in: MK-StGB, § 13 Rn. 238, in dem ein Vater nicht weiß, dass es sein Kind ist, das um sein Leben kämpft und er sich daher in einem tatbestandsausschließenden Irrtum über das Bestehen einer Garantenstellung befindet. Dem Täter fehlt es mithin in der vorliegend in Rede stehenden Konstellation an dem erforderlichen Vorsatz, sodass es zu einer Rechtfertigung des Unterlassens prinzipiell nicht kommen kann.

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ment der mutmaßlichen Einwilligung, welches auf den ersten Blick die Dominanz der Selbstbestimmung als entscheidenden Grundsatz der reinen Binnenkollision nicht zu wahren vermag. Bei näherer Betrachtung ist es indessen nicht ausgeschlossen, auch in jenen als kritisch zu erachtenden Fällen die Gewährleistung der Selbstbestimmung als Topos festzustellen. Selbstredend bezieht sich dies nicht auf die konkret in Rede stehende Willensentscheidung. Diese kann schließlich gerade übergangen werden. Es ist also nicht die Selbstbestimmung in konkreter Gestalt, der Rechnung getragen werden soll. Eine Rechtfertigungsmöglichkeit, wie sie mit der mutmaßlichen Einwilligung verbunden ist, schützt jedoch die Selbstbestimmung in einer vorgelagerten und mithin allgemeineren Weise. Wenn nämlich die Handelnden befürchten müssten, bei jeglicher sich ex post herausstellender Abweichung vom gemutmaßten Willen einer Strafbarkeit ausgesetzt zu sein, würde dies die prinzipielle Bereitschaft, in entsprechenden Situationen zu handeln, erheblich verringern. Es bestünde bei einer derartigen Rechtsund Sachlage dann zwar nicht die Gefahr, im Einzelfall eine willenswidrige Rechtfertigung zu ermöglichen. Dagegen bliebe die Selbstbestimmung häufig dadurch unberücksichtigt, dass aufgrund von bestehenden Restunsicherheiten hinsichtlich des wahren Willens auf ein Handeln von vornherein verzichtet würde.492 In der Nichtbeachtung eines Willens kann aber, wie gesehen, sogar eine – wenn auch nicht stets strafbare – Verletzung von Selbstbestimmung erblickt werden.493 In der Gesamtschau wird daher die Wahrung der Selbstbestimmung besser gefördert, wenn im Rahmen der mutmaßlichen Einwilligung zwar die seltenen Fälle494

492 Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 116 stellt im einschlägigen Zusammenhang zwar anders als hier nicht explizit auf die Selbstbestimmung als negativ betroffenes Element ab. Er spricht vielmehr von Interessen, denen durch eine mangelnde Handlungsmöglichkeit ein Schaden zugefügt würde. Da ein Interesse aber die Präferenz hinsichtlich eines bestimmten Rechtsguts zu beinhalten vermag, lassen sich insoweit Parallelen zu dem vorliegend angeführten Argument finden. 493 Vgl. dazu bereits die Ausführungen unter B. IV. 3. c). 494 Die Seltenheit jener Fälle wird dabei durch ein weiteres im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung zu erforderndes Kriterium unterstützt. So kann richtigerweise nur dann eine Rechtfertigung angenommen werden, wenn zuvor pflichtgemäß geprüft wurde, ob das in Rede stehende Handeln dem Willen des Betroffenen entspricht; vgl. dazu auch Lenckner, in: FS Mayer, S. 165, 181. Da die pflichtgemäße Prüfung der Absicherung der weitestmöglichen Gewährleistung von konkret betroffener Selbstbestimmung dient, darf jenes Erfordernis auch nicht nur in den Fällen von Relevanz sein, in denen der Wille im Ergebnis nicht getroffen wird. Denn die mutmaßliche Einwilligung als willensbasierter Rechtfertigungsgrund erfordert ganz generell, dass alle Handlungen so weit wie möglich anhand des wahren Willens ausgerichtet werden. Für eine allgemeine Anerkennung der pflichtgemäßen Prüfung als eigenständiges Rechtfertigungserfordernis auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 58; OLG Düsseldorf, NZV 1991, 77, 77; a. A. Roxin, AT I, § 18 Rn. 29; Geppert, JZ 1988, 1024, 1026; Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 415; Knauf, S. 80. Auf die Folgen mangelnder oder fehlender Prüfung soll vorliegend nicht näher eingegangen werden; vgl. dazu etwa Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 60; Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 163.

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der Missachtung des Willens hingenommen werden, eine Berücksichtigung der Selbstbestimmung aber nicht von vornherein in großem Umfang behindert wird. Das Element des erlaubten Risikos dient somit abstrakt der Wahrung des Rechtsguts Selbstbestimmung495 und befindet sich mithin in Einklang mit den Vorgaben für das erforderliche Lösungskonzept bei reiner Binnenkollision.496 Des Weiteren ergibt sich aber die Frage, ob es in Kongruenz mit dem Autonomieprinzip als Leitgedanke der reinen Binnenkollision stehen kann, dass auch objektive Kriterien zur Ermittlung des Willens herangezogen werden. Würde man generell auf die Maßgeblichkeit objektiver Kriterien verzichten, hätte dies zur Konsequenz, dass konkret willenswidrige Ergebnisse noch weiter reduziert würden. Denn eine Diskrepanz zum wahren Willen tritt zumeist in Fällen auf, in denen der Betroffene ausnahmsweise ein Handeln missbilligt, das nach gewöhnlichen, objektiven Vorstellungen einer Rechtfertigung zugänglich ist. Im einschlägigen Kontext lässt sich allerdings ein Einwand anführen, der in ähnlicher Form schon zuvor in Hinblick auf die Wahrung der Selbstbestimmung bezüglich des erlaubten Risikos vorgebracht wurde. So hätte ein Verzicht auf die Berücksichtigung objektiver Kriterien zur Konsequenz, dass die Rechtfertigungswirkung insgesamt stark eingeschränkt wäre. Konkret dürfte man gar nicht mehr handeln, wenn keinerlei Angaben über den wahren Willen verfügbar wären. Damit würde man aber immer dann willenswidrig eine Rechtfertigung abschneiden, wenn das Objektive dem wahren Wunsch des Betroffenen entspricht. Letztgenanntes wird dabei sogar der Regelfall sein. Denn die Charakterisierung eines Kriteriums als objektiv vernünftig ergibt sich gerade daraus, dass dieses von der Mehrheit als gewollt angesehen wird.497 In der Konsequenz wahrt also die Berücksichtigungsfähigkeit objektiver Kriterien die Selbstbestimmung besser, als es ohne eine derartige Option der Fall wäre. Sie dient daher ebenso wie das erlaubte Risiko abstrakt der Wahrung der Selbstbestimmung498 und widerspricht auf diese Weise nicht den Grundsätzen reiner Binnenkollision. 495 Die Bezeichnung „abstrakt“ charakterisiert im genannten Zusammenhang speziell die Art und Weise des Schutzes. 496 Freilich bleibt die Möglichkeit der Rechtfertigung nicht willensgemäßen Verhaltens ein nicht zu missachtendes Defizit hinsichtlich der absoluten Autonomiegewährung. Formell gesehen wird die Wahrung der Selbstbestimmung aber in allen Bereichen abgedeckt: Die Regelfälle, in denen der Wille erfasst wird, tragen bereits konkret dem Schutz der Selbstbestimmung Rechnung. Wenn aber die konkrete Bewahrung des Willens ausnahmsweise keine Legitimation liefern kann, ist Raum für den übergeordneten allgemeinen Gedanken der abstrakt wirkenden Gewährleistung von Selbstbestimmung. Nimmt man dies zusammen, wird der Topos der Wahrung der Selbstbestimmung umfassend repräsentiert. 497 Zudem gilt die Annahme, dass man in der Regel einen von der gängigen Auffassung abweichenden Wunsch eher explizit ausdrückt, während man sich bei einer Kongruenz nicht unbedingt äußert, vgl. dazu Schmitz, S. 88. 498 Der abstrakte Schutzgehalt bezieht sich auf die Berücksichtigungsfähigkeit objektiver Kriterien an sich. Dieser wird jedoch, parallel zu der in Fn. 496 Abschn. D. nieder-

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(3) Kritische Betrachtung des dargestellten Prinzips Die Deutung der mutmaßlichen Einwilligung als rein willensbezogener Rechtfertigungsgrund wird teils grundlegender Kritik ausgesetzt. Hierbei findet sich speziell die Annahme, man könne die mutmaßliche Einwilligung anders als die Einwilligung nicht als subjektive Wertung und mithin als Ausdruck der Selbstbestimmung ansehen. Schließlich enthalte jede Mutmaßung eine eigene Entscheidung eines Dritten. Das fremde Urteil könne aber nicht mit der Entscheidung des Verletzten gleichgesetzt werden. Im Endeffekt gebe also die Wertung eines Dritten den Ausschlag.499 Dem ist allerdings zu entgegnen, dass insoweit zwischen dem Vorgang und dem Inhalt der Entscheidung differenziert werden muss. In der Tat enthält die Mutmaßung als Vorgang eine eigene Entscheidung des Handelnden. Diese bezieht sich jedoch allein darauf, ob der Handelnde davon ausgeht, dass die Rechtsgutsverletzung dem wahren Willen des Betroffenen entspricht. Wenn dies aber angenommen wird, so folgt seitens des Handelnden nur eine Übermittlung jenes Willens des Betroffenen. Man entscheidet folglich nicht für den Rechtsgutsinhaber über den Inhalt, sondern nur darüber, ob die Übermittlung eines solchen Inhalts angezeigt erscheint. Den Kern der Legitimation kann man demnach durchaus in der Selbstbestimmung des Betroffenen erkennen. Dies setzt freilich voraus, dass eine Betroffenheit der Selbstbestimmung in einer konkreten Form nicht zwingend die aktuelle Bildung eines entsprechenden Entschlusses erfordert. Selbstbestimmung wurde als freie Entscheidung darüber, was mit einem selbst bzw. den eigenen Gütern geschieht, definiert. Eine solche Entscheidung muss aber nicht notwendigerweise simultan mit der Handlung getroffen werden. Maßgebend ist allein, dass im Zeitpunkt einer möglichen Befassung mit der Sachlage ein Wille vorhanden ist, der die in Rede stehende Ausgestaltung der Rechtsgutssphäre betrifft. Bezugspunkt des Willens und damit der Selbstbestimmung ist dabei aber immer die konkrete Verletzungssituation, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt eine intellektuelle Auseinandersetzung erfolgt.500 Das Rechtsgut Selbstbestimmung ist in den betreffenden Fallgestaltungen folglich schon zum Tatzeitpunkt als in einer konkret ausgeprägten Gestalt an der Kolli-

gelegten Argumentation, nur in den Fällen durchschlagen, in denen die objektiven Kriterien nicht dem wahren Willen entsprechen. Dann tritt die Wahrung der Selbstbestimmung in abstrakter Form aber, wie in Fn. 496 Abschn. D. angesprochen, ohnehin bereits nach den das erlaubte Risiko betreffenden Grundsätzen auf den Plan. Insoweit handelt es sich folglich um eine Überlagerung der beiden dargestellten Ansatzpunkte für die Repräsentation der Selbstbestimmung in einer allgemeineren Form. 499 Siehe zu dem dargestellten Argument Noll, S. 138. 500 Auch die Genehmigung vermag demnach einen Ausdruck der Selbstbestimmung bezogen auf den Tatzeitpunkt darzustellen. Dass ihr im Strafrecht aber dennoch als solche keine rechtfertigende Wirkung zugesprochen wird – vgl. dazu die Ausführungen unter D. III. 1., S. 231 – muss mithin anderweitig erklärt werden, worauf vorliegend aber nicht näher eingegangen werden kann.

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sion beteiligt anzusehen,501 auch wenn man den jeweiligen Inhalt erst ex post feststellen kann.502 Die mutmaßliche Einwilligung lässt sich also zutreffend als eine Ausdrucksform für die Selbstbestimmung des Rechtsgutsträgers qualifizieren. Dies gilt zum einen im Sinne der soeben genannten Grundsätze, wenn der wahre Wille repräsentiert wird. Wie im Rahmen der Argumentation hinsichtlich der Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision festgestellt, ist das Erfordernis der Wahrung der Selbstbestimmung aber auch erfüllt, wenn der Wille des Betroffenen ausnahmsweise nicht getroffen wird. Denn die Selbstbestimmung wird insoweit zumindest auf eine abstraktere Weise zur Geltung gebracht. Die Berücksichtigungsfähigkeit objektiver Kriterien hat sich ebenfalls bereits als kongruent mit dem Gedanken der Wahrung der Selbstbestimmung erwiesen. Ergänzend soll diesbezüglich aber noch eine weitere Feststellung erfolgen, die sich vor allem auf die allgemeine Charakterisierung des Rechtfertigungsprinzips bezieht: Eine Rechtfertigung, die rein auf objektiven Umständen basiert, wird vorliegend nicht deswegen ermöglicht, weil ihr ein objektiv vernünftiger Gehalt anhaftet. Die objektiven Kriterien werden allein deshalb relevant, da sie in der konkreten Situation als Ausdruck des wahren Willens fungieren sollen. Die Eigenschaft als objektive Größe spielt mithin im Ergebnis als solche keine eigenständige Rolle.503 Trotz der Berücksichtigung objektiver Kriterien bei fehlenden Anhaltspunkten behält die Herangehensweise somit ihre subjektive Ausrichtung. Auch wenn die Berücksichtigungsfähigkeit objektiver Kriterien an sich nicht zu beanstanden ist, erscheint jedoch die vorgestellte Herangehensweise in Hinblick auf die Bedeutung objektiver Kriterien zur Ermittlung des wahren Willens in Teilen kritikwürdig oder zumindest verbesserungsbedürftig. Dies bezieht sich dabei weniger auf die spezifischen inhaltlichen Vorgaben als auf die in jenem Zusammenhang verwendeten Formulierungen. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten die betreffenden Aussagen teils eine nähere Präzisierung und Klarstellung erfahren. Hierbei ist insbesondere die häufig postulierte Indizfunktion objektiver Kriterien für den Willen des Betroffenen zu nennen. Dies kann richti501 Vgl. aber zu einer abweichenden Betrachtung bei Einwilligungsunfähigkeit die Ausführungen unter F. III. 2., S. 318. 502 Die im Text getroffenen Aussagen stellen keinen Widerspruch zu den verschiedenen Schutzdimensionen in Hinblick auf das Handeln gegen bzw. ohne den Willen des Betroffenen bei willensbasierten Delikten dar. Wenn zwar aktuell zum Tatzeitpunkt kein Wille gebildet wurde, es sich jedoch später herausstellt, dass der betreffende Eingriff gewollt war, liegt in beiden Fällen eine auf den Eingriff bezogen positive Form von Selbstbestimmung vor. Ist bei dem in Rede stehenden willensbasierten Delikt jedoch eine Verletzung des Handelns ohne den Willen gegeben, sprich ist die Möglichkeit verletzt worden, vor dem Tatzeitpunkt real zu entscheiden, so ist trotz auf die Verletzung des Gutes bezogener Selbstbestimmung der Tatbestand erfüllt; so auch bereits die Aussage unter B. III. 3. b) bb), S. 44. Vgl. hierzu sowie zu der Annahme, dass auch auf Rechtfertigungsebene insoweit keine Straflosigkeit erzielt werden kann, sogleich näher die Ausführungen im aktuellen Abschnitt auf S. 207. 503 In diesem Sinne auch Trück, S. 91.

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gerweise nicht derart verstanden werden, dass die objektive Auffassung den Ausgangspunkt der Erwägungen darstellt, der durch individuelle Präferenzen entkräftet werden kann.504 Nimmt man die Parallele zur Einwilligung und damit zur Bedeutung von Art. 2 I GG bzw. der Selbstbestimmung ernst, so muss in jedem Fall auch methodisch die individuelle Auffassung als Ausgangspunkt genommen werden. Nur wenn sich keine individuell basierten Hinweise auf den wahren Willen finden lassen, dürfen also objektive Gesichtspunkte, sprich das, was herkömmlicherweise den Interessen eines vernünftigen und verständigen Betroffenen entspricht, als Hinweis auf den Willen herangezogen werden.505 Hiervon umfasst kann dabei jedoch nicht nur die Konstellation sein, dass überhaupt keine Ansatzpunkte für eine individuelle Auffassung vorhanden sind. Auch wenn zwar Indizien bestehen, diese aber derart uneindeutig oder sogar widersprüchlich sind, dass man aus ihnen keine irgendwie geartete Präferenz herleiten kann, muss der Weg für die Berücksichtigung objektiver Maßstäbe frei sein. Denn ist nach Betrachtung der Indizien die Lage wieder vollkommen offen, ist die Situation aus der willensbezogenen Perspektive so zu beurteilen, als ob es gar keine Indizien gäbe. Bei der Einschätzung, ob man auf objektive Maßstäbe Rückgriff nehmen kann, muss man allerdings naturgemäß restriktiv vorgehen. Sollte der Wille auch nur irgendwie verständlich angedeutet sein, verbietet sich ein gegenteiliger Rückgriff auf objektive Kriterien. Insofern ergibt sich auch ein gewichtiger Kritikpunkt gegen die Auffassung Roxins hinsichtlich existentieller Entscheidungen. Dessen Ansatz widerspricht diesbezüglich eklatant dem betreffenden Grundsatz, dass individuelle Kriterien nicht von objektiven Erwägungen überspielt werden dürfen. Die von Roxin vertretene pauschale Annahme einer denkbaren Willensänderung resultiert nämlich konkret gerade aus einer Einstufung des Lebensinteresses als objektiver Parameter506 und missachtet, dass es durchaus Fälle geben kann, in denen der im Vorfeld geäußerte Wille unumstößlich ist.507 Abgesehen 504 Vgl. diesbezüglich auch die Kritik von Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 411 an einer Aussage Roxins, welche angeblich jenes angesprochene bedenkliche Verhältnis zum Ausdruck bringe. Siehe demgegenüber aber zur vorliegend vorgenommenen Interpretation der Auffassung Roxins die Ausführungen in Fn. 476 Abschn. D., womit die Kritikwürdigkeit der – zugegebenermaßen missverständlichen – Aussage, auf die Yoshida Bezug nimmt, wiederum relativiert wird. 505 In diesem Sinne etwa Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 228 Rn. 29; Geppert, JZ 1988, 1024, 1026, deren konkrete Ausführungen allerdings speziell auf den medizinischen Kontext zugeschnitten sind. Siehe außerdem Müller-Dietz, JuS 1989, 280, 282. 506 Für einen objektiv begründeten Vorrang des Lebensschutzes auch Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 166a, wenngleich sich jener tatsächlich auf Fälle der fehlenden Ermittlungsmöglichkeit des individuellen Willens bezieht und in seiner Argumentation maßgeblich auf die Gesetzeslage zum Betreuungsrecht rekurriert. 507 Unabhängig davon ist noch ein weiterer Kritikpunkt gegen die Darstellung Roxins in Bezug auf existentielle Entscheidungen anzuführen. So erscheint es nicht zutreffend, in jenem Zusammenhang von der Offenhaltung einer Entscheidung auszugehen. In Frage steht schließlich immer eine konkrete Entscheidung hinsichtlich einer konkreten Situation. Es wird demnach selten generell das Sterben oder eine Verletzung als solche

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davon kann der Herangehensweise Roxins in Hinblick auf die Bedeutsamkeit objektiver Kriterien allerdings ein zutreffender Topos entnommen werden. Die entsprechenden Ausführungen, speziell zur Existenz und Bedeutung persönlichkeitsgebundener Entscheidungen, machen deutlich, dass prinzipiell eine gewisse Zurückhaltung mit der Einstufung objektiver Kriterien als Repräsentation eines wahren Verletzungswillens geboten ist. Dem ist inhaltlich nicht nur insoweit zuzustimmen. Man sollte jene Zurückhaltung sogar noch weiter ausweiten, als es bei Roxin anklingt, und in Hinblick auf die Annahme eines Verletzungswillens allein aufgrund objektiver Kriterien generell einen strengen Maßstab anlegen. Ein persönlicher Bezug wird nämlich in vielen, auch prinzipiell sachbezogenen Fällen, nicht geleugnet werden können.508 So haben auch Gegenstände, etwa als Erinnerungsstücke, häufig eine besondere persönliche Bedeutung. Selbst Kleidung sollte jedenfalls bei erkennbaren Besonderheiten nicht stets als objektiv verletzbar angesehen werden. Im Grundsatz kann daher im Falle des Fehlens subjektiver Kriterien nur dann anhand der objektiven Einordnung auf einen Verletzungswillen geschlossen werden, wenn es sich um Gegenstände handelt, bei denen eine persönliche Präferenz unplausibel erscheint.509 Indem man die Durchschlagskraft objektiver Kriterien zur Legitimation einer Verletzung nicht nur im Verhältnis zu vorhandenen individuellen Präferenzen, sondern auch in sich einer derartig restriktiven Handhabung unterzieht, werden die Fälle einer im Ergebnis willenswidrigen Rechtfertigung noch weiter reduziert. Auf diese Weise kann der Beachtlichkeit der Selbstbestimmung in ihrer konkreten Form noch weiter Rechnung getragen werden. Wie schon im Rahmen der Darstellung des individuell basierten Rechtfertigungsprinzips angeklungen, existiert in der Literatur zu dem in Rede stehenden Ansatz ein Defizit auch in Hinblick auf die konkrete Begründung der Straflosigkeit. In vielen Fällen verbleibt es rein bei einer Klassifizierung der mutmaßlichen Einwilligung als willensbezogener Ansatz, ohne dass zu einem konkreten Begründungsweg für die Legitimierung der Straflosigkeit Stellung genommen wird.

sein, auf die sich ein potentieller Wunsch der Betroffenen bezieht. Vielmehr spielt in der Regel diesbezüglich der Kontext eine entscheidende Rolle. Eine darauf bezogene bestimmte Entscheidung ist aber im Nachhinein zumeist nicht wiederholbar, sodass im Ergebnis mit der Herangehensweise Roxins faktisch keine Offenhaltung der Entscheidung, sondern eine Bevormundung festgestellt werden kann. 508 Vgl. dazu auch das Beispiel der Tötung von Tieren, das Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 467 selbst anspricht. 509 Dies gilt jedenfalls, solange als Alternative zu der entsprechenden Verletzung keine anderweitige eigene Rechtsgutsverletzung im Raume steht, sprich solange es sich nicht um eine Binnenkollision im engeren Sinne handelt. In jenem letztgenannten Fall muss für die Annahme eines Verletzungswillens auch die mögliche Bedeutung des anderweitig betroffenen Gutes in Rechnung gestellt werden. Diesbezüglich sind aber dieselben Kriterien hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit objektiver Umstände heranzuziehen, wie sie vorliegend dargestellt wurden.

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Soweit dagegen zur Begründung der Straflosigkeit ein Verweis auf das erlaubte Risiko erfolgt, ist dieser häufig vage und lässt eine genaue dogmatische Erfassung nicht zu. Richtigerweise wird eine adäquate Begründung für die Straflosigkeit bei der mutmaßlichen Einwilligung indessen nur unter Berücksichtigung der Eigenschaft als Einwilligungssurrogat gefunden werden können. Auch bei einer mutmaßlichen Einwilligung ist davon auszugehen, dass der Betroffene den Handelnden zur Vornahme der Tat aktivieren möchte, soweit jene seinem Wunsch entspricht. Ihm ist also insoweit daran gelegen zu verhindern, dass eine drohende Bestrafung dem betreffenden Resultat im Wege stehen könnte. Dies lässt sich – analog zu den entsprechenden einwilligungsbezogenen Erörterungen – am effektivsten durch einen Verzicht auf Rechtsschutz bereits auf der Rechtfertigungsebene realisieren. Fraglich erscheint wiederum allein die Konstellation, in der der wahre Wille im Endeffekt entgegen der aufgestellten Mutmaßung nicht getroffen wird. In jenem Fall wird man auf den ersten Blick nicht annehmen können, dass der Rechtsgutsinhaber eine Bestrafung des Täters ablehnt, um ihn dadurch zum Handeln zu ermutigen. Bei genauerem Hinsehen kann man jedoch diesbezüglich ebenfalls den bereits mehrfach angesprochenen abstrakten Schutz der Selbstbestimmung anführen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Rechtsgutsinhaber generell auf Rechtsschutz verzichtet, um Handlungsimpulse nicht von vornherein zu unterbinden und damit überwiegend die Wahrung seiner Selbstbestimmung zu ermöglichen. Selbst wenn also ausnahmsweise der Wille nicht getroffen wird, ändert dies nichts daran, dass seitens des Rechtsgutsinhabers übergeordnet ein Rechtsschutzverzicht gegeben ist. Diese Einordnung bedeutet allerdings nicht, dass der Topos des erlaubten Risikos im Zusammenhang mit der Begründung der Straflosigkeit verfehlt wäre. So kann man bezogen auf Konstellationen des willenswidrigen Handelns in dem Rechtsschutzverzicht die Eingehung und damit spiegelbildlich gegenüber dem Handelnden die Erlaubnis eines Risikos erkennen, welches man in Kauf nimmt, um den Vorteil einer weitestgehenden Wahrung von Selbstbestimmung zu erlangen.510 Das erlaubte Risiko stellt mithin eine Art Unterfall des Rechtsschutzverzichts dar, der jedoch in seiner Auswirkung allein für die betreffenden willenswidrigen Konstellationen greift.511 In den übrigen Fällen verbleibt es bei der straffreiheitsbegründenden Legitimationswirkung des Rechtsschutzverzichts in seiner gewöhnlichen, auf das konkrete Ergebnis bezogenen Gestalt. Die mutmaßliche Einwilligung hat sich nach alldem umfassend als individuell geprägter Ansatz erwiesen, der rein der Gewährleistung der Selbstbestimmung 510 Dies entspricht auch der unter D. II. 2. b) bb) (2) dargestellten Funktion des erlaubten Risikos in Hinblick auf die Gewährleistung von Selbstbestimmung. 511 In die Richtung einer Bedeutung des erlaubten Risikos als Begründung speziell nur für den Anwendungsfall einer willenswidrigen Rechtfertigung kann man auch Lenckner, in: FS Mayer, S. 165, 181 verstehen, wenngleich dessen Ausführungen auf S. 182 insofern nicht mehr eindeutig differenzierend sind.

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des Betroffenen dient.512 Unter Berücksichtigung jenes festgestellten Prinzips lässt sich schließlich auch die zuvor noch offen gelassene Frage nach der Existenz eines mutmaßlichen Einverständnisses bei willensbasierten Delikten beantworten. Wie gesehen, ist es für die negative Betroffenheit eines synthetischen Rechtsguts erforderlich, dass der integrierte Bestandteil Selbstbestimmung auf die Bewahrung des Gegenstands gerichtet ist oder zumindest die Ermöglichung einer Entscheidung umfasst. Sollte sich die Selbstbestimmung hingegen durch die Befürwortung eines Eingriffs auszeichnen, liegt im Falle der Vornahme der Handlung keine Verletzung des geschützten Rechtsguts vor. Es kommt folglich für die Frage nach der Tatbestandserfüllung allein darauf an, ob eine insofern einschlägige Selbstbestimmung gegeben ist. Die Ausführungen im Rahmen des vorliegend diskutierten Ansatzes waren zwar primär auf die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund gerichtet. Angesichts der Identität des Zustimmungsakts kann man die betreffenden Aussagen jedoch auch für die selbstbestimmungsbezogene Beurteilung im Kontext der willensbasierten Delikte fruchtbar machen. Wie gezeigt, lässt sich das Handeln aufgrund mutmaßlicher Zustimmung zutreffend als Ausdruck der Selbstbestimmung in Hinblick auf die Befürwortung einer konkreten Handlung werten. Daher muss in der Konsequenz bei einer entsprechenden Sachlage insoweit auch die Verletzung eines betroffenen synthetischen Rechtsguts verneint werden. Die Existenz eines mutmaßlichen Einverständnisses mit Auswirkung auf Tatbestandsebene ist folglich prinzipiell anzuerkennen.513 Dieses vermag freilich nur in den Fällen relevant zu werden, in denen eine Möglichkeit zur realen Einholung der Entscheidung vor der Tat nicht gegeben ist. Anderenfalls wäre nämlich die Dimension des Handelns ohne den Willen aktiviert. Diese ist aber auch dann verletzt, wenn die Selbstbestimmung im Endeffekt eine Verletzung des betroffenen Gutes erfasst.514 Das mutmaßliche Einverständnis unterliegt demnach inhaltlich dem Subsidiaritätserfordernis.515 512 Dass sich eine rein subjektiv ausgerichtete Argumentation als überzeugend erwiesen hat, beinhaltet aufgrund der damit verbundenen Ablehnung der Maßgeblichkeit objektiver Kriterien als solcher auch eine Absage an die einleitend angesprochenen, teils vertretenen subjektiv-objektiv kombinierten Begründungsansätze. 513 Hiermit sind Konsequenzen für das bereits mehrfach erwähnte Beispiel verbunden, dass trotz Abwesenheit des Eigentümers in ein Haus eingedrungen wird, um den Wasserfluss einer schadhaften Wasserleitung aufzuhalten. Betroffen ist insoweit speziell das bislang ausgeklammerte – vgl. dazu Fn. 14 Abschn. B. – Rechtsgut Hausrecht, welches im Rahmen einer potentiellen Strafbarkeit nach § 123 StGB eine Rolle spielt. Erkennt man das mutmaßliche Einverständnis prinzipiell an und kann zudem das Vorliegen von dessen Voraussetzungen im konkreten Fall bejahen, so fehlt es an einer Verletzung des synthetischen Gutes Hausrecht und mithin an der Erfüllung des Tatbestandes des § 123 StGB. Die spezifische Binnenkollision zwischen dem abstrakten Wert Eigentum sowie dem synthetischen Rechtsgut Hausrecht wird folglich im genannten Beispiel bereits auf Tatbestandsebene und nicht erst im Rahmen der Rechtswidrigkeit gelöst. 514 Vgl. dazu Fn. 502 Abschn. D. 515 Vgl. zur Bedeutung des Subsidiaritätskriteriums im Rahmen des mutmaßlichen Einverständnisses auch Disput, S. 196; gegen das Subsidiaritätserfordernis insoweit aber

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Da jene Einschränkung gleichermaßen auch für die mutmaßliche Einwilligung gilt,516 kann im Übrigen ebenfalls auf Rechtfertigungsebene keine selbstbestimmungsbezogene Legitimierung eines Handelns ohne den Willen erfolgen. c) Binnenkollisionsspezifische Untersuchung der Fallgruppen mutmaßlicher Einwilligung Nachdem sich auf der Grundlage des vorzugswürdigen autonom willensbezogenen Erklärungsmodells die prinzipielle Kompatibilität der mutmaßlichen Einwilligung mit Fällen reiner Binnenkollision herausgestellt hat, soll nun speziell untersucht werden, ob auch die verschiedenen Ausprägungen des in Rede stehenden Rechtfertigungsgrundes jenen Einklang wahren. Hierfür ist eine umfassende binnenkollisionsspezifische Analyse der betreffenden Fallgruppen erforderlich.517 Zur Durchführung einer derartigen Untersuchung bietet es sich an, die beiden hauptsächlichen Differenzierungen innerhalb der Konstellation Binnenkollision zum Ausgangspunkt zu nehmen. Demnach werden die Fallgruppen – nach einer allgemeinen Darstellung ihres Inhalts – primär dahingehend untersucht werden, ob sie überhaupt eine Binnenkollision zum Ausdruck bringen können, und wenn ja, ob diese als Binnenkollision im engeren oder im weiteren Sinne zu klassifizieren sein wird. Gerade die potentielle Feststellung, dass in der Gesamtschau sowohl eine Binnenkollision im engeren als auch im weiteren Sinne verkörpert werden kann, wäre dabei von großer Bedeutung für die übergeordnete Fragestellung nach dem passenden Rechtfertigungsgrund bei reiner Binnenkollision. Damit entscheidet sich nämlich, ob die mutmaßliche Einwilligung alle Fälle reiner Binnenkollision zu erfassen vermag und somit das Kriterium der Allgemeingültigkeit insoweit zumindest in sich erfüllt.518 An die Erörterungen in Hinblick auf jene erste mögliche Differenzierung schließt sich sodann die Betrachtung an, ob bzw. inwieweit der betreffende Rechtfertigungsgrund in den jeweiligen Fallgestaltungen eine reine oder aber eine partielle Binnenkollision verkörpert. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Fallgruppen der mutmaßlichen Einwilligung stets partielle Binnenkollisionen repräsentierten, würde dies in Bezug auf die reine Binnenkollision einen kongruenzbehindernden Faktor darstellen und mithin einen Widerspruch zu den bisherigen Annahmen auslösen. Wenn sich hingegen umgekehrt allein die reine Binnenkollision als verkörperte Erschei– jedenfalls nach dem Verständnis von Theile/Stürmer, ZJS 2015, 123, 125 – der BGH in BGH NJW 2014, 2887 f. 516 Siehe dazu die Angaben unter D. II. 3. a), S. 217. 517 Irrtumsbezogene Konstellationen werden dabei aber ausgeblendet; vgl. insoweit auch Fn. 3 Abschn. D. 518 Da jene Frage speziell nur die mutmaßliche Einwilligung und deren binnenkollisionsspezifische Einordnung betrifft, soll sie auch bereits im vorliegenden Kontext und nicht erst unter dem Gesichtspunkt der Allgemeingültigkeit der Einwilligungsregeln unter D. II. 3. b) erörtert werden.

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nungsform erweisen würde, ließe sich die Kongruenz dadurch in besonderer Weise untermauern. Voraussetzung für eine solche Untersuchung ist freilich, dass die mutmaßliche Einwilligung überhaupt ihrem Telos nach auf die Konstellation einer partiellen Binnenkollision anwendbar sein kann. Inwiefern sich eine derartige Annahme genau begründen lässt, fällt thematisch zwar unter die Behandlung der partiellen Binnenkollision. Aus Gründen der Darstellungsübersichtlichkeit soll jedoch vorliegend ein vorgreifender Verweis auf das später zu erörternde519 und im Ergebnis zu bejahende Kongruenzverhältnis zwischen mutmaßlicher Einwilligung und partieller Binnenkollision zugrunde gelegt werden. aa) Darstellung der Fallgruppen Nach überwiegender Auffassung tritt die mutmaßliche Einwilligung in zwei verschiedenen Fallgruppen auf. Die erste betrifft den Sachverhalt, dass gehandelt wird, um ein Gut bzw. ein Interesse des Betroffenen zu retten. Gegenstand der zweiten Fallgruppe ist demgegenüber die Situation, dass ein Rechtsgut des Betroffenen zugunsten des Handelnden oder eines Dritten in Mitleidenschaft gezogen wird.520 Entsprechend dem jeweiligen Inhalt wird die zunächst aufgeführte Fallgruppe häufig als „Handeln im Interesse des Betroffenen“ bezeichnet, während letztgenannte vielfach das Element des „mangelnden Interesses“ in ihrer Bezeichnung enthält.521 Bevor aber näher auf die Berechtigung jener Benennungen eingegangen werden kann, ist es erforderlich, die binnenkollisionsbezogene Charakterisierung der Konstellationen vorzunehmen. Denn diese bringt die erforderlichen grundlegenden Feststellungen mit sich, die für eine präzise Begriffsbestimmung notwendig sind. bb) Binnenkollisionsbezogene Charakterisierung (1) Existenz und Ausprägung einer verkörperten Binnenkollision bezogen auf die Unterscheidung im engeren bzw. im weiteren Sinne In Hinblick auf die Frage, ob durch die Fallgruppen der mutmaßlichen Einwilligung überhaupt eine Binnenkollision zum Ausdruck gebracht werden kann bzw. 519

Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen unter E. I. 1. a). Vgl. zum Inhalt beider Fallgruppen etwa Jescheck/Weigend, AT, S. 386; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55; siehe zur Ablehnung der letztgenannten Fallgruppe als Unterfall der mutmaßlichen Einwilligung aber Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 419. Wie bereits in Fn. 458 Abschn. D. angesprochen, scheinen auch die Vertreter des Abwägungsprinzips ihre Erörterungen auf die erstgenannte der beiden Fallgruppen zu beschränken. Dies lässt sich z. B. Mayer, AT, S. 168; Schmidhäuser, AT Studienbuch, Abschn. 6 Rn. 86 entnehmen. 521 So z. B. Kühl, AT, § 9 Rn. 46; Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 11 Rn. 569, 579; Lackner/Kühl, StGB, Vor § 32 Rn. 19. 520

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auf welche Art der Binnenbereich dann insoweit konturiert ist, soll zunächst das sogenannte Handeln im Interesse des Betroffenen näher beleuchtet werden. Hierbei ist zum einen das abstrakte Rechtsgut des Betroffenen beteiligt, in das eingegriffen wird. Darüber hinaus beinhaltet die Fallgruppe in ihrem Regelungsgehalt zwingend die Beteiligung eines weiteren Rechtsguts desselben Trägers. Nur zur Wahrung jenes Elements wird nämlich im betreffenden Kontext überhaupt in das andere Rechtsgut eingegriffen. In Bezug auf das zu wahrende Gut ist anzumerken, dass prinzipiell zwar auch die Selbstbestimmung als solche ein eigenständiges Rechtsgut darstellt. Deren Wahrung allein unterfällt jedoch nicht dem gängigen Anwendungsbereich der in Rede stehenden Fallgruppe. Erfasst sind dem Sinn nach vielmehr nur Konstellationen, in denen zur Wahrung eines von der Selbstbestimmung verschiedenen Gutes gehandelt wird. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Selbstbestimmung des Betroffenen als Rechtsgut in jenem Kontext nicht beteiligt zu sein vermag. Im Gegenteil ist deren Positionierung an der Seite des zu wahrenden abstrakten Rechtsguts sogar zwingende Folge aus der Charakterisierung der Fallgruppe als Teil der mutmaßlichen Einwilligung. Denn letztgenannte zeichnet sich, wie bereits gesehen, gerade dadurch aus, dass das Handeln den Willen des Betroffenen repräsentiert. Folglich muss die Selbstbestimmung denklogisch stets auf der Seite des zu wahrenden abstrakten Rechtsguts platziert werden. Überführt man jene Feststellungen in die Terminologie der Binnenkollision, verkörpert die Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen mithin stets eine Binnenkollision im engeren Sinne. Ebenso wie die zuvor erörterte enthält auch die zweite Fallgruppe der mutmaßlichen Einwilligung immer die Beteiligung eines Rechtsguts des Betroffenen in der Gestalt des Verletzungsgutes. Anders als im Rahmen der ersten Fallgruppe dient dessen Verletzung vorliegend aber in ihrem primären Bedeutungsgehalt nicht dem Schutz eines Gutes des Betroffenen. Vielmehr kommt der damit verbundene Vorteil entscheidend einem anderen zu. Der Fall, dass zusätzlich auch ein von der Selbstbestimmung verschiedenes abstraktes Rechtsgut des Betroffenen gerettet wird, lässt sich bei einer derartigen Interpretation mithin nicht unter die betreffende Gruppe subsumieren.522 Da innerhalb eines postulierten Unterfalls der mutmaßlichen Einwilligung die Rechtsgutsverletzung jedoch stets mit dem Willen des Betroffenen geschehen muss, ist die Selbstbestimmung jenes Trägers aber notwendiger Beteiligter auf der zum Verletzungsgut antagonistisch positionierten Seite. An Rechtsgütern des Verletzten sind also nur – allerdings auch zwingend – die Selbstbestimmung sowie demgegenüber ein abstraktes Rechtsgut beteiligt. In der Person des Verletzten liegt folglich bei Einschlägigkeit der zweiten Fallgruppe immer eine Binnenkollision im weiteren Sinne vor.523

522 Vgl. aber zur Subsumtion unter die Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen sogleich die Ausführungen unter D. II. 2. c) bb) (2), speziell auch in Fn. 525 Abschn. D.

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Die erfolgte binnenkollisionsspezifische Charakterisierung bringt einen ersten Aufschluss über die Berechtigung der gängig verwendeten Bezeichnungen der Fallgruppen. Da jede Binnenkollision im engeren Sinne ein Interesse des Betroffenen als zu wahrendes Element aufweist, befindet sich die Bezeichnung der zunächst behandelten Fallgruppe als „Handeln im Interesse des Betroffenen“ in Kongruenz mit dem zugrunde liegenden binnenkollisionsspezifischen Konzept und ist daher insoweit nicht zu beanstanden. In Hinblick auf die zweite Fallgruppe kann eine Kongruenz jedoch nicht so eindeutig angenommen werden. Technisch gesehen trifft die Bezeichnung als „mangelndes Interesse“ zwar durchaus zu. Schließlich erfolgt eine willensgemäße Preisgabe eines abstrakten Rechtsguts, sodass man von einer untergeordneten und damit im Vergleich mangelnden Präferenz an jenem Gut sprechen kann. Allerdings vermag die Bezeichnung „mangelndes Interesse“ der Konnotation nach leicht den Eindruck zu erwecken, dass gar keine generell schützenswerte Position des Verletzten betroffen sei. Dies würde aber die Bedeutung der Selbstbestimmung als beteiligtes Rechtsgut ungerechtfertigterweise ignorieren. Um solche Missverständnisse auszuschließen, sollte folglich eine andere Bezeichnung verwendet werden. Hierfür bietet es sich an, analog zum Titel der zuerst erörterten Fallgruppe die Person des Begünstigten als Ausgangspunkt zu nehmen. Auf diese Weise können bei einer passenden Wortwahl die maßgeblichen inhaltlichen Unterschiede der Fallgruppen bereits aus den Begrifflichkeiten deutlich werden. Während also in Hinblick auf die erste Fallgruppe die Tendenz dahin geht, den gängig verwendeten Begriff beizubehalten, erscheint bezogen auf die Bezeichnung der zweiten Fallgruppe eine begriffliche Neufassung angezeigt. Für die Bestimmung der endgültigen exakten Begrifflichkeit sind jedoch in beiden Fällen noch weitere Informationen erforderlich. Da diese speziell die Beteiligung zusätzlicher Rechtsgutsträger und mithin die Abgrenzung zwischen reiner und partieller Binnenkollision betreffen, kann eine abschließende Stellungnahme erst im Anschluss an die Behandlung jener letztgenannten Thematik erfolgen. (2) Differenzierung nach der Repräsentation einer reinen bzw. partiellen Binnenkollision Der Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen liegt in vielen Fällen eine reine Binnenkollision zugrunde.524 Es erscheint allerdings nicht ausge523 Da der abwägungsbasierte Erklärungsansatz, wie unter D. II. 2. b) aa) (2) festgestellt, allenfalls Binnenkollisionen im engeren Sinne repräsentieren kann, erscheint nunmehr auch die fehlende Erstreckung des Anwendungsbereichs jenes Ansatzes auf die Fallgruppe des Handels zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten – vgl. dazu bereits Fn. 458 Abschn. D. und Fn. 520 Abschn. D. – sinnhaft. 524 Teils wird sie sogar explizit mit einer internen Güter- bzw. Interessenkollision gleichgesetzt; vgl. Jescheck/Weigend, AT, S. 386; Müller-Dietz, JuS 1989, 280, 282; Yoshida, in: FS Roxin 2001, S. 401, 419.

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schlossen, dass innerhalb jener Fallgruppe auch eine partielle Binnenkollision repräsentiert wird. So lässt sich etwa das Beispiel der schadhaften Wasserleitung, in dem ein Dritter zur Rettung der Güter des Hauseigentümers handelt, wie bereits angesprochen, dahingehend abwandeln, dass zusätzlich auch das Inventar eines Mieters bedroht wird. Greift nun der Dritte in gleicher Weise wie im Ausgangsbeispiel ein, so dient das Handeln noch immer der Rettung der Güter bzw. Interessen des Inhabers. Es kommt lediglich eine weitere Dimension der Güterwahrung hinzu.525 Zusammenfassend vermag die Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen also sowohl reine als auch partielle Binnenkollisionen zu repräsentieren.526 Im Kontext der zweiten Fallgruppe sind ebenfalls mehrere Szenarien ins Auge zu fassen. Herkömmlicherweise unterfallen jener Gruppe Bagatellfälle wie etwa das Aufsammeln von Fallobst527 in Abwesenheit des Nachbarn.528 Insoweit steht man vor der Frage, ob überhaupt ein Rechtsgut eines Dritten zu der Binnenkollision des Betroffenen hinzutritt und eine partielle Binnenkollision auslöst. Erforderlich für das Vorliegen einer partiellen Binnenkollision ist dabei schon dem Wortsinn nach, dass das betreffende Drittrechtsgut auch Bestandteil der eigentlichen Kollisionsbeziehung ist. Wenn der Begünstigte im konkreten Fall aber keinerlei Rechtsgutseinbußen befürchten muss, unabhängig davon, wie sich der Betroffene entscheidet, ist kein Rechtsgut des Dritten in die Kollisionsbeziehung integriert. Es handelt sich vielmehr um einen bloßen Vorteil, der dem Dritten zugutekommen kann. In der Folge ist diesbezüglich lediglich eine reine Binnenkollision festzustellen. Eine derartige Grundkonstellation wird den allermeisten

525 Ein Handeln im Interesse des Betroffenen ist auch dann gegeben, wenn es nicht primär um die Wahrung der Güter des Betroffenen geht, sondern deren Begünstigung lediglich die Begleiterscheinung eines Handelns ausmacht, das vorrangig zugunsten von sich selbst oder einem Dritten vorgenommen wird. Die Beschreibung „Handeln im Interesse des Betroffenen“ bildet nämlich rein die objektive Sachlage ab. Diese verlangt in Abgrenzung zu der anderweitigen Fallgruppe, wie bereits dargestellt, dass ein von der Selbstbestimmung verschiedenes Rechtsgut des Betroffenen durch den Eingriff gerettet werden kann. Eine derartige Ausgangslage ist in der genannten Konstellation aber trotz einer anders konturierten Zweckrichtung gegeben, sodass insoweit keine Abweichung von sonstigen Unterfällen der betreffenden Gruppe angezeigt erscheint. 526 Es wäre zwar prinzipiell denkbar, die gleichzeitige Rettung eines Drittrechtsguts vollständig von der in Rede stehenden Fallgruppe abzuspalten und als eigenständige Untergruppe aufzufassen. Aus der Sicht des Trägers des Eingriffsgutes ergeben sich allerdings insofern keine signifikanten Unterschiede. Da es aber gerade die Verletzung jenes Gutes ist, deren Rechtfertigung den Gegenstand der Diskussion darstellt, besteht für eine weitere Differenzierung mithin kein hinreichender Anlass. 527 Um nicht in den Bereich willensbasierter Delikte und damit weg von der mutmaßlichen Einwilligung hinein in den Anwendungsbereich des mutmaßlichen Einverständnisses zu gelangen, soll sich diesbezüglich nicht auf eine Strafbarkeit nach § 242 StGB und § 123 StGB, sondern lediglich nach § 246 StGB bezogen werden. 528 Vgl. zu diesem Beispiel Roxin, AT I, § 18 Rn. 15.

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Beispielen der in Rede stehenden Fallgruppe zugrunde liegen. Es ist allerdings nicht undenkbar, Beispielsfälle zu bilden, in denen nicht ein bloßer rechtsgutsferner Vorteil gewährt werden soll, sondern in der Tat die Wahrung eines Rechtsguts betroffen ist. Man nehme etwa die Konstellation, dass aus einem fremden alten, in einer Hofeinfahrt achtlos abgestellten Verbandskasten ein Desinfektionsspray entnommen wird,529 um bei sich selbst oder einem Dritten eine Wunde zu versorgen, die sich ansonsten entzünden würde. Bei einem gegebenen mutmaßlichen Willen entspricht jene Situation den sonstigen Fällen der betreffenden Fallgruppe. Allein die Rechtsgutsbezogenheit des angestrebten Erfolgs stellt kein derart einschneidendes Kriterium dar, dass es eine unterschiedliche Behandlung erlauben könnte. Somit bleibt festzuhalten, dass auch in jener zweiten Fallgruppe der mutmaßlichen Einwilligung sowohl reine als auch partielle Binnenkollisionen auftreten können. Mit diesen Informationen vermag nun abschließend eine präzise Begriffsbestimmung getroffen zu werden. In Hinblick auf die Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen kann auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sowohl reine als auch partielle Binnenkollisionen erfasst sein können, an jener gängig verwendeten Bezeichnung festgehalten werden. Die potentielle Repräsentationsmöglichkeit einer partiellen Binnenkollision würde zwar deutlicher zum Ausdruck gebracht, wenn man übergreifend den Begriff des „Handelns im Interesse (auch) des Betroffenen“ verwenden würde. Dieser Terminus erscheint aber zumindest im verbalen Gebrauch nicht sonderlich praktikabel. Es mutet daher vorzugswürdiger an, die gängig verwendete Ausdrucksform auch weiterhin umfassend und einheitlich zu gebrauchen. Im Zusammenhang mit der zweitgenannten Fallgruppe wurde bereits erwähnt, dass für deren zutreffende Bezeichnung der Begünstigte als Ausgangspunkt genommen werden sollte. Die größte Nähe zur Bezeichnung der anderen Fallgruppe und damit die bestmögliche Vergleichbarkeit läge insoweit in der Bezeichnung als „Handeln im eigenen Interesse bzw. dem eines Dritten“ 530. Jene Begrifflichkeit kann allerdings aus inhaltlichen Gründen nicht überzeugend verwendet werden. Denn der Begriffsteil „Interesse“ impliziert nach dem vorliegend vertretenen Verständnis bekanntlich die stete Beteiligung eines Rechtsguts. In der betreffenden Fallgestaltung steht aber, wie gezeigt, nicht immer die Rettung eines Rechtsguts des Handelnden oder eines Dritten im Raum. Um zu verdeutlichen, dass folglich sowohl eine reine als auch eine partielle Binnenkollision denkbar ist, sollte daher eine offene Terminologie herangezogen werden. Geeignet hierfür erscheint der Ausdruck des „Belangs“. Hierunter lassen sich sämtliche Begünstigungen subsumieren, ob sie nun den Schutz eines Rechtsguts oder aber einen davon unabhängigen bloßen Vorteil umfassen.

529 Hinsichtlich der konkret betroffenen Delikte gilt das in Fn. 527 Abschn. D. Ausgeführte entsprechend. 530 So Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55.

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Daher ist die Fallgruppe im Folgenden mit dem Titel „Handeln zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten“ zu beschreiben. (3) Konsequenzen für die Heranziehung der mutmaßlichen Einwilligung in Fällen reiner Binnenkollision Als erstes Resultat der vorangegangenen Analyse lässt sich festhalten, dass beide Fallgruppen in der Lage sind, Fälle reiner Binnenkollision zum Ausdruck zu bringen. Ein diesbezügliches, bereits im Ausgangspunkt bestehendes grundlegendes Kongruenzhindernis ist mithin zu verneinen. Auch bringt die binnenkollisionsspezifische Betrachtung ein positives Ergebnis in Hinblick auf den Aspekt der Allgemeingültigkeit. Zwar verkörpert die Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen lediglich Fälle einer Binnenkollision im engeren Sinne, während die Ausprägung des Handelns zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten aus der Sicht des Verletzten auf die Repräsentation einer Binnenkollision im weiteren Sinne beschränkt bleibt. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass beide Fallgruppen jeweils auch beide Formen der Binnenkollision zum Ausdruck bringen können. Als Instrument zur Lösung der reinen Binnenkollision stehen nämlich nicht die einzelnen Fallgruppen, sondern die mutmaßliche Einwilligung als gesamter Rechtfertigungsgrund in Rede. Diese vermag aber unter Berücksichtigung ihrer Untergruppen als Ganzes betrachtet umfassend und ausreichend alle erforderlichen Ausprägungen der reinen Binnenkollision abzudecken, womit insoweit der Aspekt der Allgemeingültigkeit gewahrt ist. Bezogen auf die zweite vorgenommene Differenzierungsdimension lassen sich, wie gesehen, in beiden Fallgruppen sowohl Fälle reiner als auch partieller Binnenkollision finden. In der Konsequenz kann also weder eine ausschließliche Repräsentation der partiellen Binnenkollision festgestellt werden, die die Kongruenz mit der reinen Binnenkollision wesentlich behindern würde, noch vermag demgegenüber die Kongruenz durch eine ausschließliche Beteiligung von Fällen reiner Binnenkollision betont zu werden, was allerdings der Bejahung einer Kongruenz nicht widerspricht. Als Kongruenzhindernis könnte allenfalls der mit der Repräsentationsmöglichkeit einer partiellen Binnenkollision verbundene erweiterte, sprich über die reine Binnenkollision hinausgehende Anwendungsbereich vorgebracht werden. Wie bereits im Zusammenhang mit § 34 StGB und der Beschränkung seines Anwendungsbereichs auf die Notstandshilfe bei reiner Binnenkollision ausgeführt,531 stellen Rechtfertigungsgründe jedoch abstrakt-generelle Regelungen dar, deren Aufgabe es gerade ist, eine Vielzahl von Fällen zu erfassen. Es muss daher unschädlich sein, wenn neben der in Rede stehenden Konstellation noch andere Grundsituationen mithilfe des betreffenden Rechtfertigungsgrundes geregelt werden können. Im Ergebnis steht die binnenkollisionsspezifische Un-

531

Siehe dazu die Angaben unter D. I. 2. b) aa).

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tersuchung der Fallgruppen der mutmaßlichen Einwilligung mithin vollumfänglich in Einklang mit der zuvor allgemein festgestellten Kongruenz jenes Rechtfertigungsgrundes mit der reinen Binnenkollision. Die mutmaßliche Einwilligung kann folglich ebenso wie die Einwilligung als insoweit sachlich passender Lösungsansatz erachtet werden. 3. Die Einwilligungsregeln als gemeinsamer allgemeingültiger Lösungsansatz Nachdem sich sowohl die Einwilligung als auch die mutmaßliche Einwilligung jeweils isoliert als adäquater Lösungsansatz erwiesen haben, gilt es nun zu untersuchen, ob man diese beiden Institute zu einem gemeinsamen Lösungsansatz zusammenfassen kann. Die betreffende Thematik wird dabei im Rahmen der Suche nach einer Lösung bei reiner Binnenkollision insbesondere in Hinblick auf das Kriterium der Allgemeingültigkeit relevant. Denn Fälle reiner Binnenkollision sind sowohl denkbar, wenn man die Entscheidung des Betroffenen direkt einholen kann, als auch, wenn dessen unmittelbare Erreichbarkeit nicht gewährleistet ist. Im Verhältnis der beiden in Rede stehenden Ansätze wird die erstgenannte Situation allerdings ausschließlich von der Einwilligung erfasst, während das zweite Szenario allein durch die mutmaßliche Einwilligung gelöst werden kann. Ohne eine Zusammenfassung als gemeinsamer Ansatz könnte man folglich insoweit keine allgemeingültige Regelung der reinen Binnenkollision erkennen. Daher ist zunächst ein Fokus auf die Vergleichbarkeit jener Rechtfertigungsgründe zu richten, welche ein zwingendes Erfordernis für eine gemeinsame Betrachtung und die damit verbundene Ermöglichung der Allgemeingültigkeit darstellt. Auch wenn sich die Vergleichbarkeit aber als gegeben erweisen sollte, könnten dennoch anderweitige Faktoren die Allgemeingültigkeit des Ansatzes in Frage stellen. Infolgedessen werden im Anschluss an die Prüfung der Vergleichbarkeit auch sonstige die Allgemeingültigkeit betreffende Aspekte in den Blick genommen werden. a) Vergleichbarkeit von Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung Die mutmaßliche Einwilligung stellt unter Geltung des vorliegend befürworteten willensbezogenen Ansatzes zwar keinen Spezialfall der Einwilligung dar, sondern einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund.532 Man kann die Vergleichbarkeit folglich nicht bereits aufgrund einer konstruktiven Identität bejahen. Allerdings weist die mutmaßliche Einwilligung trotzdem maßgebliche Parallelen zur Einwilligung auf. Allen voran ist dabei der Deliktsstandort zu nennen, der sich in beiden Fällen als die Rechtfertigungsebene betreffend herausgestellt hat.

532

Vgl. dazu die Nachweise in Fn. 470 Abschn. D.

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Darüber hinaus enthält die mutmaßliche Einwilligung bis auf das Erfordernis der tatsächlichen Kundgabe weitestgehend die gleichen Voraussetzungen wie die Einwilligung.533 Entscheidend ist in Hinblick auf die Vergleichbarkeit aber vor allem, dass beide rechtlichen Instrumente das gleiche Rechtfertigungsprinzip repräsentieren. So haben sich sowohl die Einwilligung als auch die mutmaßliche Einwilligung als willensbezogene Ansätze erwiesen, sprich als Rechtfertigungsgründe, bei denen allein die Selbstbestimmung den Ausschlag geben kann.534 In Kongruenz mit jenem Grundprinzip liegt in beiden Fällen die konkrete Legitimation für die Folge der Straflosigkeit in einem Verzicht des Betroffenen auf Rechtsschutz. Wie gesehen, lässt sich auch das Element des erlaubten Risikos in jenen Topos integrieren, sodass es im Falle der mutmaßlichen Einwilligung insofern zu keinen maßgeblichen Abweichungen kommt. Nach den bisherigen Ausführungen besteht folglich eine Vergleichbarkeit zwischen Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung. Gegebenenfalls lassen sich aber dennoch Unterschiede ausmachen, die derart durchgreifend erscheinen, dass eine Vergleichbarkeit im Ergebnis abgelehnt werden muss. In jenem Kontext ist der Einwand anzuführen, dass die Einwilligung eine tatsächliche Äußerung zur Grundlage habe, die mutmaßliche Einwilligung demgegenüber aber lediglich ein normatives Konstrukt darstelle.535 Unabhängig davon, dass man erwägen könnte, alle Rechtfertigungsgründe gleichermaßen im Kern als normative Konstrukte anzusehen, ist jedenfalls aber der behauptete Unterschied der Beteiligung eines tatsächlichen Elements in der Sache nicht durchgreifend. Freilich besteht allein bei einer Einwilligung ein tatsächlicher Äußerungsakt des Betroffenen. Dieser wird jedoch im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung nicht durch ein normatives Element ersetzt. Die Übermittlung des Willens liegt insoweit in der Mutmaßung des Handelnden, was wiederum einen 533 Vgl. dazu Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54; Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 160; Geppert, JZ 1988, 1024, 1026. Die vorliegend hinzugefügte Einschränkung „weitestgehend“ bezieht sich dabei zum einen auf den Gesichtspunkt der Einwilligungsfähigkeit, deren Erfordernis im Rahmen der mutmaßlichen Einwilligung gegebenenfalls einer Modifikation bedarf. Siehe dazu die Ausführungen unter F. III. 3. Dort wird auch auf einen etwaigen Einfluss jener abweichenden Beurteilung auf die Frage nach der Vergleichbarkeit eingegangen. Vorliegend soll dies ob des Charakters als Folgeproblematik aber noch ausgespart und ein Hindernis der Vergleichbarkeit als nicht gegeben unterstellt werden. Über den Aspekt der Einwilligungsfähigkeit hinaus lässt sich ferner auch die Voraussetzung, dass die Einwilligung zur Tatzeit bestehen muss – vgl. dazu etwa Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, Vor § 32 Rn. 44 – naturgemäß nicht direkt auf die mutmaßliche Einwilligung übertragen. Da aber, wie unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 202 gesehen, bei der mutmaßlichen Einwilligung der Bezugspunkt der Selbstbestimmung stets die Tat ist, kann diesbezüglich eine Parallele zu dem angesprochenen Einwilligungserfordernis angenommen werden, auch wenn es sich insoweit weniger um eine Voraussetzung der mutmaßlichen Einwilligung als um eine Feststellung von deren Wirkungsweise handelt. 534 Vgl. zu jener Parallelität auch Sternberg-Lieben, S. 65. 535 So Roxin, AT I, § 18 Rn. 4.

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tatsächlichen Vorgang darstellt. Im Ergebnis enthalten also beide Rechtfertigungsgründe bezogen auf die Darstellung des Willens tatsächliche Elemente. Ein die Vergleichbarkeit hindernder entscheidender Unterschied ist folglich insofern nicht zu konstatieren. Auch das zumeist behauptete Fehlen eines mutmaßlichen Einverständnisses im Gegensatz zur Anerkennung des tatsächlichen Einverständnisses kann nicht gegen eine Vergleichbarkeit vorgebracht werden. Zum einen lässt sich die Negierung der Existenz des erstgenannten, wie bereits gesehen, im Ergebnis ohnehin nicht plausibel halten.536 Dadurch entfällt bereits die Grundlage eines entsprechenden potentiellen Arguments gegen die Vergleichbarkeit. Selbst wenn man aber die Nichtexistenz eines mutmaßlichen Einverständnisses vertreten wollte, würde dieser Aspekt allein die willensbasierten Delikte betreffen. Diese stellen jedoch lediglich einen kleinen Ausschnitt aus möglichen betroffenen Delikten dar und weisen zudem entscheidend eine spezifische tatbestandliche Struktur auf, die zu deren Sonderbehandlung führt. Wie gesehen, hat jene Konstruktion des Tatbestandes aber keinerlei Auswirkungen auf die Beurteilung von Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung als Rechtfertigungsgründe. In der Folge muss die rein tatbestandsbezogene Besonderheit der willensbasierten Delikte denklogisch auch die Vergleichbarkeit der Rechtfertigungsgründe unberührt lassen. Argumente, die das Einverständnis betreffen, können somit ganz generell keine Rückschlüsse bezogen auf die Vergleichbarkeit der Rechtfertigungsgründe ermöglichen. Als letztes potentielles Hindernis der Vergleichbarkeit bleibt demnach lediglich der Aspekt der Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung. Nach herrschender Ansicht kommt die mutmaßliche Einwilligung nur in Betracht, wenn man eine tatsächliche Einwilligung nicht bzw. nicht rechtzeitig einholen kann.537 Denkbar wäre nun, dergestalt zu argumentieren, dass jenes Rangverhältnis eine 536

Siehe dazu die Angaben unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 207. Vgl. etwa Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 118; Roxin, AT I, § 18 Rn. 10; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 461. Teils wird im Rahmen der Fallgruppe des Handelns zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten hinsichtlich geringfügiger oder nur vorübergehender Beeinträchtigungen eine Ausnahme vom Subsidiaritätserfordernis vertreten; so etwa von Tiedemann, JuS 1970, 108, 109; vgl. auch Lenckner/ Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54. Aufgrund der sogleich im Text näher darzustellenden Sinnhaftigkeit des Subsidiaritätserfordernisses in Hinblick auf den Schutz der Selbstbestimmung sollte allerdings von einer Ausnahme insoweit abgesehen werden. Gegen die Annahme einer derartigen Ausnahme im Ergebnis, wenngleich mit fragwürdiger Begründung, auch Roxin, AT I, § 18 Rn. 11; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 461. Eine weitere Ausnahme vom Prinzip der Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung könnte man im Instrument der hypothetischen Einwilligung erblicken, die aber gerade aus jenem Grunde massiver Kritik ausgesetzt ist – vgl. dazu etwa Sowada, NStZ 2012, 1, 5, 7 – und daher in ihrer Berechtigung auch abgelehnt werden sollte; so auch Sowada, NStZ 2012, 1, 10. Vgl. zur hypothetischen Einwilligung allgemein etwa Joecks, in: MK-StGB, § 223 Rn. 106 ff. m.w. N. 537

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

qualitative Nachrangigkeit der mutmaßlichen Einwilligung impliziere. Ein solch qualitativer Unterschied würde dann wiederum dazu führen können, die Vergleichbarkeit in Frage zu stellen. Problematisch erscheint allerdings, ob man tatsächlich eine derartige qualitative Nachrangigkeit der mutmaßlichen Einwilligung annehmen kann. Zur Klärung jener Frage ist es erforderlich, das Telos des Subsidiaritätsgedankens näher zu betrachten. Hierbei ist anzuführen, dass im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung anders als bei der tatsächlich geäußerten Einwilligung in Ausnahmefällen Rechtfertigungsergebnisse möglich sind, die dem konkreten Willen widersprechen. Im Vergleich stellt also die Einwilligung die sicherere Methode zur Gewährleistung der konkreten Selbstbestimmung dar, die daher auch primär ausgeschöpft werden sollte. Das Telos des Subsidiaritätsgedankens ist folglich in der bestmöglichen Gewährleistung von Selbstbestimmung538 durch eine weitestgehende Reduktion des Risikos von Willensabweichungen zu erkennen.539 Mit der Annahme eines derartigen Telos des Subsidiaritätsgedankens lässt sich dabei im Übrigen auch ein weiterer potentiell auftretender Einwand gegen die Tauglichkeit der Einwilligungsregeln als Instrument zur absoluten Selbstbestimmungsgewährleistung bei reiner Binnenkollision entkräften. Unter Umständen vermag nämlich zwar eine Rechtfertigung ausgeschlossen zu sein, wenn unter Missachtung des Subsidiaritätsgedankens, sprich ohne Erforschung des Willens, gehandelt wird, ein entsprechender befürwortender Wille aber dennoch gegeben ist. Da das Subsidiaritätskriterium jedoch abstrakt gesehen der Verhinderung von willenswidrigen Eingriffen und somit wiederum der Gewährleistung von Selbstbestimmung dient, wird die geringere Einbuße in Gestalt der ausnahmsweisen Behinderung einer willensgemäßen Rechtfertigung kompensiert. Gleiches gilt auch für die Nichterfüllung der Voraussetzung der pflichtgemäßen Prüfung im Rahmen der mutmaßlichen Einwilligung.540 Anders als im Zusammenhang mit § 34 StGB stellt die potentielle Verhinderung einer willensgemäßen Rechtfertigung mithin im Rahmen der Einwilligungsregeln kein durchschlagendes Kongruenzhindernis dar. Auch wenn die Einwilligung nach dem Subsidiaritätsgedanken primär heranzuziehen ist, steht ihr die mutmaßliche Einwilligung in Hinblick auf die Gewährleistung von Selbstbestimmung allerdings nicht in großem Umfang nach. Dies wird deutlich, wenn man bedenkt, dass in den – seltenen – Fällen willenswidriger Rechtfertigung zwar nicht die konkrete Selbstbestimmung verkörpert wird, die Wahrung der Selbstbestimmung einer derartigen Rechtfertigungsmöglichkeit aber zumindest in einer abstrakten Form zugrunde liegt. Daher kann lediglich von einem graduellen und nicht von einem qualitativen Unterschied der beiden

538 539

Siehe dazu auch Geppert, JZ 1988, 1024, 1028. Vgl. dazu ähnlich auch Roxin, AT I, § 18 Rn. 10; Roxin, in: FS Welzel, S. 447,

461. 540

Vgl. insoweit bereits Fn. 494 Abschn. D.

II. Die Einwilligungsregeln

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Rechtfertigungsgründe gesprochen werden, der durch das Subsidiaritätskriterium zum Ausdruck gebracht wird. Graduelle Unterschiede bedingen aber nicht zwingend eine fehlende Vergleichbarkeit. Vergleichbarkeit bedeutet schließlich nicht vollständige Identität, sondern lediglich eine Entsprechung in den wesentlichen Elementen. Eine solche wurde in Bezug auf das Verhältnis Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung zu Anfang jenes Unterabschnitts bereits festgestellt und wird durch die aufgezeigte geringe Differenz in der selbstbestimmungsbezogenen Schutzdimension nicht maßgeblich beeinflusst. Die Vergleichbarkeit zwischen Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung lässt sich mithin auch nicht aufgrund des Gedankens der Subsidiarität verneinen. Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung vermögen folglich als gemeinsamer Lösungsansatz unter den Oberbegriff der Einwilligungsregeln eingeordnet zu werden. In der Konsequenz stellt es also kein Hindernis für die Allgemeingültigkeit dar, dass Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung in Hinblick auf das Kriterium der Erreichbarkeit des Rechtsgutsträgers jeweils nur gewisse Szenarien reiner Binnenkollision abdecken. b) Sonstige allgemeingültigkeitsbezogene Aspekte der Einwilligungsregeln Neben dem soeben behandelten Gesichtspunkt können jedoch weitere die Allgemeingültigkeit potentiell negativ betreffende Aspekte ins Feld geführt werden. Teils haben diese ihre Erörterungen bereits im dafür sachlich einschlägigen vorherigen Kontext erfahren. Insoweit ist zum einen die deliktssystematische Einordnung der Zustimmung – sei sie tatsächlich ausgedrückt oder nur gemutmaßt – bei willensbasierten Delikten zu nennen.541 Zum anderen betroffen ist die fallgruppenbezogene Analyse der mutmaßlichen Einwilligung, soweit sie sich mit der Repräsentation sämtlicher Formen reiner Binnenkollision beschäftigt.542 Es verbleiben daher lediglich die Problematiken der Lebensbetroffenheit sowie der Einwilligungsunfähigkeit als zu untersuchende Themen. Zunächst soll auf den Gesichtspunkt der Lebensbetroffenheit näher eingegangen werden. Diesbezüglich findet sich teils die Annahme, dass die Einwilligungsregeln eine Rechtfertigung zu Lasten des Lebens nicht ermöglichen könnten. Dies resultiere daraus, dass in derartigen Fällen das Autonomieprinzip, welches 541 Vgl. diesbezüglich Fn. 330 Abschn. D. sowie Fn. 438 Abschn. D. zur Berechtigung einer Erörterung bereits im vorherigen Kontext. 542 Angaben zur Berechtigung einer Verortung jener Problematik im entsprechenden sachlichen Zusammenhang finden sich in Fn. 518 Abschn. D. Die Thematik der fragwürdigen Repräsentation sämtlicher Formen reiner Binnenkollision wurde zudem bereits im Rahmen der Erörterung des objektiv-abwägungsbasierten Erklärungsansatzes relevant; vgl. dazu die Aussagen unter D. II. 2. b) aa) (2), S. 191. Da sich der betreffende Ansatz aber nicht als sachlich einschlägiges Erklärungsmodell erwiesen hat, sind die diesbezüglichen Erwägungen zur Allgemeingültigkeit vorliegend außer Betracht zu lassen.

220

D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

den Einwilligungsregeln zugrunde liege, keine Berechtigung habe und damit auch keine Durchschlagskraft aufweise. Mithin könne zur Legitimierung der verletzenden Handlung nicht auf die Einwilligungsregeln zurückgegriffen werden.543 Wollte man dem zustimmen, würde es in der Folge an einer Allgemeingültigkeit der Einwilligungsregeln als Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision fehlen. Schließlich stellen, wie bereits dargelegt, Fälle mit Lebensbetroffenheit durchaus mögliche Ausprägungen der Konstellation einer reinen Binnenkollision dar.544 Problematisch an entsprechenden Argumentationen hinsichtlich der Nichteinschlägigkeit der Einwilligungsregeln ist jedoch, dass sie gemeinhin ihre Begründung in der Einwilligungssperre aus § 216 StGB haben.545 Es hat sich aber bereits herausgestellt, dass jene materiell gesehen gerade keine Fälle reiner Binnenkollision repräsentieren kann.546 Damit entfällt insoweit die maßgebliche Begründung für einen denkbaren Ausschluss der Rechtfertigungswirkung bei gegebener Lebensbetroffenheit. Über die Relevanz des § 216 StGB hinaus lässt sich dem Rechtsgut Leben aber ebenfalls kein Charakteristikum entnehmen, welches eine begründete Sperrwirkung in Fällen reiner Binnenkollision zwingend mit sich bringen würde.547 Die Einwilligungsregeln sind daher inhaltlich in der Lage, Eingriffe im Kontext einer reinen Binnenkollision bei Lebensbetroffenheit zu rechtfertigen. Freilich verbleibt insofern die Problematik, dass der Wortlaut des § 216 StGB als Grundlage der Einwilligungssperre keine Ausnahmen von der Sperrwirkung vorsieht. Dieser Schwierigkeit sachlich und ausführlich zu begegnen, stellt eine Aufgabe dar, die dogmatisch korrekt erst innerhalb der Einwilligungssperren anzusiedeln ist.548 Ganz allgemein soll aber schon hier auf die theoretische Möglichkeit einer teleologischen Reduktion hingewiesen werden.549 Im Ergebnis erscheint also die Rechtfertigung von Fällen reiner Binnenkollision durch die Einwilligungsregeln auch bei Lebensbetroffenheit nicht ausgeschlossen. Man kann folglich die Lebensbetroffenheit nicht als durchschlagendes Kriterium gegen die Allgemeingültigkeit vorbringen. In Hinblick auf die Allgemeingültigkeit der Einwilligungsregeln müssen des Weiteren diejenigen Konstellationen untersucht werden, in denen der Rechtsgutsträger konstitutionell bedingt nicht die Fähigkeit besitzt, einen rechtlich relevan-

543 Siehe zu jener vorgestellten Argumentation Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583. Die von Neumann gezogene Konsequenz aus der betreffenden Annahme, nämlich die Anwendbarkeit des § 34 StGB anstelle der Einwilligungsregeln, hat sich allerdings, wie gesehen, bereits als unhaltbar erwiesen. 544 Vgl. dazu die Ausführungen unter C. II. 1. b) bb). 545 So auch Neumann, in: FS Herzberg, S. 575, 583. 546 Siehe dazu wiederum die Darstellung unter C. II. 1. b) bb). 547 Insofern kann inhaltlich auf die unter C. II. 1. b) bb) zu findende, parallel gelagerte Argumentation verwiesen werden. 548 Vgl. dazu auch die Aussagen unter C. II. 1. b) bb) S. 78. 549 Siehe dazu konkret die Ausführungen unter F. I. 1. c).

II. Die Einwilligungsregeln

221

ten zustimmenden Willen zu bilden. Als Anknüpfungspunkt des potentiell bestehenden Hindernisses fungiert dabei die Rechtfertigungsanforderung der Einwilligungsfähigkeit. Diese wird im Kontext der Einwilligung unzweifelhaft verlangt550 und bei der mutmaßlichen Einwilligung jedenfalls nicht umfänglich abgelehnt.551 Die Einwilligungsregeln könnten demnach in den betreffenden Konstellationen unter Umständen mangels Erfüllung des Erfordernisses der Einwilligungsfähigkeit nicht anwendbar sein. Da entsprechende Situationen auch im Zusammenhang mit einer reinen Binnenkollision auftreten, würde dies mithin die Tauglichkeit der Einwilligungsregeln als insoweit allgemeingültiger Rechtfertigungsansatz aufheben. Es erscheint jedoch fraglich, ob es wirklich sachgerecht sein kann, die Durchschlagskraft der Einwilligungsregeln aufgrund fehlender Einwilligungsfähigkeit in gewissen Fällen zu verneinen. Die Rechtfertigungsanforderungen der Einwilligung bzw. der mutmaßlichen Einwilligung dienen generell dem übergeordneten Ziel des Rechtfertigungsansatzes, nämlich der Gewährleistung von Selbstbestimmung. Sollte sich dieses Ziel aber auch dann gleichermaßen erreichen lassen, wenn eine an sich postulierte Voraussetzung nicht erfüllt würde, besteht materiell gesehen kein Grund, dem Rechtfertigungsansatz seine Wirksamkeit zu versagen. Die Quintessenz des konkret aufgeworfenen Problems liegt folglich darin, ob auch im Falle der Einwilligungsunfähigkeit die Selbstbestimmung als beteiligtes Element festzustellen ist, dem prinzipiell Rechnung getragen werden kann. Thematisch gesehen unterfällt die betreffende Problematik dem Folgeproblem der Einwilligungsunfähigkeit und wird daher auch erst an jener Stelle552 ausführlich erörtert. Dass eine Beteiligung der Selbstbestimmung bei Einwilligungsunfähigkeit aber nicht gänzlich geleugnet werden kann, wurde schon in anderem Zusammenhang553 kurz angedeutet. Auch die Möglichkeit, bei Einwilligungsunfähigkeit zu einer Rechtfertigung mithilfe der Einwilligungsregeln554 zu gelangen, soll hier bereits im Sinne eines notwendigen Vorgriffs zugrunde gelegt werden.555 Man kann somit im Ergebnis auch im Kriterium der Einwilligungsunfähigkeit kein Hindernis für die Allgemeingültigkeit der Einwilligungsregeln zur Lösung der reinen Binnenkollision erblicken. 550

Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 39. Vgl. zu der herkömmlicherweise in sich nicht einheitlichen Handhabung der Anwendbarkeit der mutmaßlichen Einwilligung bei Einwilligungsunfähigkeit die Ausführungen unter F. III. 1. 552 Unter F. III. 2. 553 Siehe dazu die Ausführungen zur Entkräftung des individualbezogenen Rechtsgutsverständnisses im Rahmen der deliktssystematischen Einordnung der Einwilligung unter D. II. 1. a) aa) (2). 554 Hierbei genügt freilich die Anwendbarkeit einer der darin enthaltenen Rechtfertigungsgründe. Schließlich ist es, wie im Rahmen der fallgruppenbezogenen Analyse in Hinblick auf die repräsentierten Ausprägungen reiner Binnenkollision unter D. II. 2. c) bb) (3), S. 214 gesehen, nicht erforderlich, dass beide Rechtfertigungsgründe alle möglichen Szenarien erfassen. 555 Die diesbezüglichen noch folgenden Ausführungen finden sich unter F. III. 2. 551

222

D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

4. Zusammenfassung zur Heranziehung der Einwilligungsregeln als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision Zusammenfassend haben sich nach den vorangegangenen Erörterungen die Einwilligungsregeln – bestehend aus einem Zusammenspiel von Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung – als sachlich einschlägiger und gleichzeitig allgemeingültiger Lösungsansatz für die Konstellation der reinen Binnenkollision erwiesen. Die Einwilligung ist deliktssystematisch auf der Rechtfertigungsebene einzuordnen. Der Auffassung, die die Einwilligung stets als Tatbestandsausschluss klassifizieren will, ist zum einen die mangelnde Überzeugungskraft eines individuell basierten Rechtsgutsverständnisses entgegenzuhalten. Auch lässt sich bei gegebener Einwilligung weder ein Unwerturteil noch die Verwirklichung des Deliktstypus verneinen, sodass diesbezüglich ebenfalls keine Argumente für die Tatbestandslosigkeit herzuleiten sind. Ferner stellt sich die Einwilligung im Vergleich zu sonstigen Rechtfertigungsgründen nicht als derart wesensverschieden dar, dass dies zwingend eine anderweitige Einordnung bedingen würde. Schließlich kann eine umfassend tatbestandsausschließende Wirkung auch nicht inhaltlich überzeugend mit einem Rekurs auf angebliche Zufälligkeiten in der Gesetzesformulierung begründet werden. Eine Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund wird zudem in positiver Hinsicht durch die eindeutige Fassung des § 228 StGB bestätigt, der aus dogmatischer Perspektive auch einen Rückschluss auf die Behandlung anderer Delikte zulässt bzw. sogar erfordert. Von der rechtfertigenden Wirkung der Einwilligung ist selbst im Falle der willensbasierten Delikte keine Ausnahme zu machen. Dort entfällt lediglich aufgrund der spezifischen Struktur des Tatobjekts in Gestalt eines die Selbstbestimmung inkorporierenden synthetischen Rechtsguts vorab der Tatbestand. Dies ändert jedoch nichts an der theoretisch bestehenden, wenn auch aufgrund des Entfallens des Tatbestandes praktisch nicht mehr relevanten Einschlägigkeit der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund. Die Basis der Einwilligung ist allgemein in der grundrechtlich in Art. 2 I GG verbürgten Selbstbestimmung zu erblicken. Bezogen auf den konkreten Grund für die Strafbefreiung wird allerdings eine nähere Spezifizierung der Begründung erforderlich. Die dabei zum einen vorgeschlagene Abwägungstheorie erklärt den Wegfall der Strafbarkeit mit einem Überwiegen der Freiheit zur Verfügung über die eigenen Rechtsgüter gegenüber gesellschaftlich relevanten Positionen in Hinblick auf die Erhaltung des konkret betroffenen Gutes. Allerdings kann richtigerweise nicht bezüglich der Erhaltung jedes individualbezogenen Gutes ein entsprechendes Gesellschaftsinteresse festgestellt werden. Auch mangelt es im Rahmen des vorgestellten Prinzips an einem hinreichend konturierten Abwägungsmaßstab. Jener Ansatz kann folglich nicht überzeugend als Begründung für die einwilligungsbedingte Straflosigkeit anerkannt werden. In der Folge scheidet nicht nur eine Klassifizierung der Einwilligung als Unterfall des rechtfertigenden Notstands aus. Ohne Akzeptanz des Abwägungs-

II. Die Einwilligungsregeln

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gedankens als taugliches Prinzip kann dieser auch keine validen Argumente hinsichtlich der Kongruenz des in Rede stehenden Rechtfertigungsgrundes mit Fällen reiner Binnenkollision liefern. Die angesichts der steten Beteiligung eines Drittrechtsguts gegebene Inkompatibilität jener Begründung mit der reinen Binnenkollision muss also unberücksichtigt bleiben. Nach richtiger Ansicht ist die Straflosigkeit bei erteilter Einwilligung nicht auf einen objektiv-abwägungsbasierten Gedanken, sondern auf das individuell geprägte Prinzip der fehlenden Schutzwürdigkeit zurückzuführen. Hierbei kann zwar die rechtsgeschäftsbezogene Begründung wegen ihrer strafrechtsfremden zivilistischen Prägung nicht herangezogen werden. Aufgrund fehlender Präzisierung sind auch die Gedanken des mangelnden Interesses und der Interessenpreisgabe im Ergebnis nicht vollständig überzeugend. Die zutreffende Begründung liegt aber in der Annahme eines Rechtsschutzverzichts des Betroffenen. Dieser bezieht sich auf die Schutzgewährleistung durch die Norm als solche und lässt insoweit bereits die Rechtswidrigkeit entfallen. Auf diese Weise wird das Anliegen des Gutsinhabers, durch die Freistellung von Strafe das Eingreifen des Handelnden zu ermöglichen und somit die Wahrung seiner Selbstbestimmung zu garantieren, am effektivsten umgesetzt. Der Rekurs auf die Selbstbestimmung des Rechtsgutsinhabers als tragender Gedanke schließt dabei potentielle Begründungsdefizite im Ergebnis überzeugend aus. Auch sonstigen vorgebrachten Einwänden gegen den individualbezogenen Ansatz als solchen mangelt es an Durchschlagskraft, sodass diesem die Anerkennung nicht versagt werden kann. In Hinblick auf die Fälle reiner Binnenkollision wahrt der in Rede stehende Ansatz sowohl in seiner individualbezogenen Ausrichtung als auch speziell in der vertretenen Ausprägung des Rechtsschutzverzichts eine umfassende Kongruenz. Mit der Einwilligung unter Zugrundelegung des Rechtsschutzverzichtsgedankens steht mithin ein sachlich einschlägiger Rechtfertigungsgrund zur Lösung der reinen Binnenkollision zur Verfügung. Ebenso wie die Einwilligung ist auch die mutmaßliche Einwilligung stets als Rechtfertigungsgrund einzuordnen. Eine Abweichung davon kann auch im Kontext der willensbasierten Delikte nicht festgestellt werden, selbst wenn richtigerweise ein mutmaßliches Einverständnis bei willensbasierten Delikten nicht als ausgeschlossen anzusehen ist. Diesbezüglich gilt die im Rahmen der Einwilligung vorgestellte Begründung, dass die besondere Behandlung der willensbasierten Delikte allein in der Tatbestandsstruktur wurzelt und die Rechtfertigungsebene strukturell unberührt lässt, in gleicher Weise. Allerdings ist im Gegensatz zur Behandlung der Einwilligung hinsichtlich des Rechtfertigungsprinzips nicht die Selbstbestimmung als unzweifelhafter Ausgangspunkt anzuerkennen. Der objektiv-abwägungsbasierte Erklärungsansatz bei der mutmaßlichen Einwilligung sieht vielmehr die Abwägung der beteiligten objektiv fassbaren Interessen als entscheidenden Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung, ohne dass dabei eine zwingende Inkorporierung der Selbstbestimmung als eigenständiger Abwägungsparameter erfolgt. Insoweit würde die mutmaßliche Einwilligung als Unterfall

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

des rechtfertigenden Notstands fungieren. Das objektiv-abwägungsbasierte Erklärungsmodell kann jedoch richtigerweise nicht als taugliches Rechtfertigungsprinzip der mutmaßlichen Einwilligung erachtet werden. Der Vergleich mit der Ausgangslage bei einer tatsächlich vorliegenden Zustimmung erfordert eine insoweit gleichgerichtete Behandlung, die sich angesichts der feststehenden Dominanz der Selbstbestimmung bei der Einwilligung nicht in einem objektiven Sinne vertreten lässt. Im Übrigen würde eine derartige objektiv geprägte Deutung der mutmaßlichen Einwilligung jene Bezeichnung irreführend erscheinen lassen. Aufgrund der Ablehnung des betreffenden Ansatzes als Rechtfertigungsprinzip der mutmaßlichen Einwilligung können diesbezüglich argumentativ auch keine Rückschlüsse auf die Kongruenz zwischen der mutmaßlichen Einwilligung und der reinen Binnenkollision gezogen werden. Es ist folglich im vorliegenden Zusammenhang nicht von Relevanz, dass zwar – anders als bei der Einwilligung – nicht die stete Beteiligung eines Drittrechtsguts zum Vorwurf zu machen ist, aber der objektive Abwägungsmaßstab strukturell nicht zufriedenstellend in Einklang mit den rein subjektiven Entscheidungsvorgaben bei reiner Binnenkollision gebracht werden kann und zudem die reine Binnenkollision im weiteren Sinne der Struktur nach keine Repräsentation erfahren könnte. Die mutmaßliche Einwilligung ist nach richtiger Ansicht mit einem rein willensbezogenen Erklärungsansatz zu versehen. Demnach stellt sie ebenso wie die Einwilligung einen Ausdruck der Selbstbestimmung des Betroffenen dar, wobei allerdings dennoch im Verhältnis zur Einwilligung die Rolle eines autonomen Rechtfertigungsgrundes eingenommen wird. Entsprechend dem Grundgedanken der Gewährleistung von Autonomie muss sich die Ermittlung des Willens entscheidend auf subjektive Faktoren gründen. Nur wenn Indizien für den wahren Willen nicht vorhanden oder aber bestehende vollständig unergiebig bzw. widersprüchlich sind, dürfen objektive Kriterien zur Ermittlung herangezogen werden. Jene fungieren insoweit allerdings nur als eine Repräsentation des angenommen Willens und werden nicht in ihrer objektiven Eigenschaft als solche relevant. Auch sollte hinsichtlich der Annahme eines den Eingriff befürwortenden Willens, die rein aufgrund objektiver Kriterien erfolgt, Zurückhaltung geübt werden. Als konkreten Grund für die Straflosigkeit kann im Rahmen des individuell geprägten Ansatzes bezüglich der mutmaßlichen Einwilligung wie auch bei der Einwilligung auf den Gedanken des Rechtsschutzverzichts abgestellt werden. Dieser wird in den Fällen, in denen der wahre Wille im Ergebnis ausnahmsweise verfehlt wird, durch das Element des erlaubten Risikos als Unterform des Rechtsschutzverzichts präzisiert. Der Topos des erlaubten Risikos dient ebenso wie auch die Berücksichtigungsfähigkeit objektiver Kriterien bei fehlenden Indizien der Gewährleistung einer prinzipiellen Handlungsbereitschaft und damit der Möglichkeit der Wahrung der Selbstbestimmung in einer abstrakteren Form. Zusammen mit der Klarstellung, dass eine Ausprägung von Selbstbestimmung nicht zwingend die aktuelle Bildung eines entsprechenden Willens voraussetzt und auch eine Übermittlung durch einen Dritten beinhalten

II. Die Einwilligungsregeln

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kann, sind folglich sämtliche Kritikpunkte in Bezug auf eine mangelnde Repräsentation von Selbstbestimmung entkräftet. Auch vereinzelt mögliche Fälle einer Behinderung jeglicher willensgemäßen Rechtfertigung erscheinen angesichts der dabei gleichzeitig gegebenen übergeordneten abstrakten Gewährleistung von Selbstbestimmung nicht als Verstoß gegen das Grundprinzip reiner Binnenkollision. Die mutmaßliche Einwilligung steht mithin unter der Geltung des willensbezogenen autonomen Ansatzes in Kongruenz mit der Konstellation der reinen Binnenkollision. Dieses Ergebnis wird auch durch eine fallgruppenbezogene Betrachtung nicht widerlegt. Sowohl die Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen als auch diejenige des so zu bezeichnenden Handelns zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten können Fälle reiner Binnenkollision zum Ausdruck bringen. Der Unterschied liegt diesbezüglich allein darin, dass erstgenannte Fallgruppe immer eine Binnenkollision im engeren, die zweitgenannte hingegen stets eine Binnenkollision im weiteren Sinne repräsentiert. In ihrem Zusammenspiel sind sie jedoch umfassend in der Lage, sämtliche Formen der reinen Binnenkollision abzudecken. Beide Untergruppen sind zwar nicht ausschließlich als reine Binnenkollisionen, sondern ebenfalls in Gestalt einer partiellen Binnenkollision denkbar. Jener weitergehende Anwendungsbereich hindert aber nicht die Kongruenz mit der Konstellation der reinen Binnenkollision. Durch die festgestellte willensbezogene Ausrichtung allgemein sowie im Konkreten die Verankerung des Rechtsschutzverzichtsgedankens als tragende Begründung der Straflosigkeit sind die Einwilligung und die mutmaßliche Einwilligung in wesentlichen Punkten vergleichbar. Dies zeigt sich zudem an der jeweiligen Einordnung als Rechtfertigungsgrund sowie an der Postulierung weitestgehend gleicher Voraussetzungen. Die Vergleichbarkeit kann auch nicht mit dem Argument verneint werden, dass die mutmaßliche Einwilligung im Gegensatz zur Einwilligung lediglich ein normatives Konstrukt darstelle. Denn die mutmaßliche Einwilligung beinhaltet an dem maßgeblichen Punkt der Willensdarstellung ebenfalls ein tatsächliches Element, was den behaupteten entscheidenden Unterschied nivelliert. Gegen die Vergleichbarkeit lässt sich angesichts der Unabhängigkeit der Rechtfertigungsebene von der spezifischen Tatbestandsstruktur der willensbasierten Delikte argumentativ auch nicht die – vorliegend ohnehin nicht anzunehmende – fehlende Existenz eines mutmaßlichen Einverständnisses ins Feld führen. Auch das Kriterium der Subsidiarität führt durch die Repräsentation eines lediglich graduellen Unterschieds in der Gewährleistung von Selbstbestimmung nicht zu einem die Vergleichbarkeit hindernden qualitativen Nachrangigkeitsverhältnis. Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung können mithin umfassend als gemeinsamer Lösungsansatz erachtet werden. Speziell in Hinblick auf die Divergenz in der Voraussetzung der Erreichbarkeit des Rechtsgutsträgers ergänzen sie sich folglich zu einem allgemeingültigen Ansatz in Bezug auf die Lösung reiner Binnenkollision. Einer generellen binnenkollisionsbezogenen Einordung als allgemeingültiger Lösungsweg können auch nicht die Fälle der Le-

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

bensbetroffenheit entgegengehalten werden. Denn die materielle Sperrwirkung aus dem Gedanken des § 216 StGB ist in Fällen reiner Binnenkollision gerade nicht einschlägig. Ansonsten bestehen aber keine Spezifika des Rechtsguts Leben, die insoweit eine Unanwendbarkeit der Einwilligungsregeln begründen könnten. Ebenfalls sind die Fälle fehlender Einwilligungsfähigkeit in Anbetracht einer dabei denkbaren Repräsentationsmöglichkeit von Selbstbestimmung nicht zwingend aus dem Anwendungsbereich der Einwilligungsregeln auszuklammern. Schließlich wahren auch die jeweilige einheitliche deliktssystematische Einordnung sowie die fallgruppenübergreifende Erfassung aller Fälle reiner Binnenkollision bei der mutmaßlichen Einwilligung für sich genommen das Erfordernis der Allgemeingültigkeit. Die Einwilligungsregeln fungieren somit umfassend als allgemeingültiger Ansatz im Kontext der reinen Binnenkollision. Abschließend bleibt also festzustellen, dass die zu Anfang der Behandlung der Einwilligungsregeln vorgebrachten Behauptungen hinsichtlich der Einordnung als passender Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision nach der erfolgten inhaltlichen sowie dogmatisch orientierten Analyse als bestätigt anzusehen sind.

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision Nach dem derzeitigen Stand der Untersuchung haben sich, wie gesehen, bislang allein die Einwilligungsregeln als sachgerechter und allgemeingültiger Lösungsansatz in Fällen reiner Binnenkollision erwiesen. Es erscheint allerdings nicht ausgeschlossen, dass es unter Umständen auch andere Rechtfertigungsgründe gibt, die gleichermaßen oder sogar besser in der Lage sind, die in Rede stehende Problematik zu erfassen. Im Folgenden gilt es insoweit speziell die Geschäftsführung ohne Auftrag in den Blick zu nehmen. Mit dem Begriff „Geschäftsführung ohne Auftrag“ wird das zivilrechtliche Regelungsregime der §§ 677 ff. BGB bezeichnet, das ein gesetzliches Schuldverhältnis556 normiert.557 Definitionsgemäß ist dabei von einer berechtigten558 Geschäftsführung ohne 556

Siehe hierzu Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 1. Zwar stellt der genannte Terminus gleichzeitig die Beschreibung des Gegenstandes bzw. des Verhaltens dar, das dem Schuldverhältnis zugrunde liegt; vgl. Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 1. So ist definitionsgemäß dann eine Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben, wenn man ein Geschäft für einen anderen ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung führt. Siehe zu den Bestandteilen einer Geschäftsführung ohne Auftrag ausführlich Seiler, in: MK-BGB, § 677 Rn. 2 ff. Für die Frage einer potentiellen strafrechtlichen Rechtfertigungswirkung kann es jedoch nicht allein auf die tatsächliche Handlung ankommen. Ein Rechtfertigungsgrund zeichnet sich vielmehr gerade durch seine rechtlich wirksamen Folgen aus. Daher vermag lediglich das gesetzliche Schuldverhältnis als solches den aktuell maßgeblichen Anknüpfungs- und Diskussionspunkt auszumachen. 558 Dieses Merkmal darf inhaltlich nicht mit dem in Fn. 557 Abschn. D. angesprochenen Element verwechselt werden, dass kein Auftrag oder keine sonstige Berechti557

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

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Auftrag zu sprechen, wenn die Geschäftsführung559 in Einklang mit dem Willen und dem Interesse des Geschäftsherren erfolgt, während bei einem nicht willensgemäßen bzw. nicht interessengerechten Verhalten grundsätzlich eine sogenannte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt.560 Eine Ausnahme bildet lediglich § 679 BGB, der den Willen des Geschäftsherrn in gewissen Fällen für unbeachtlich erklärt. Trotz willenswidrigen Vorgehens ist insoweit von einer Einordnung als Fall der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag auszugehen.561 Im Zuge der weiteren Erörterung wird ausschließlich die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag eine Rolle spielen. Allein diese ist somit gemeint, wenn im Folgenden der Einfachheit halber schlicht der allgemeine Terminus „Geschäftsführung ohne Auftrag“ Verwendung findet. Im Zivilrecht ist die Geschäftsführung ohne Auftrag nach h. M. als Rechtfertigungsgrund für Verletzungen von Rechtsgütern des Geschäftsherrn562 anerkannt.563 Entsprechende Schadensersatzansprüche sind damit ausgeschlossen.564 Dies soll vorliegend angesichts der speziell zivilrechtlichen Bedeutung nicht näher vertieft, sondern als zutreffend hingenommen werden. Fraglich ist im aktuellen Kontext allein die Bedeutung des betreffenden Regelungsregimes für die strafrechtliche Rechtfertigung in Fällen reiner Binnenkollision. Insofern ist es zunächst erforderlich zu erörtern, ob die Rechtfertigungswirkung über ihre angenommene Existenz im zivilrechtlichen Bereich hinaus auch auf strafrechtlicher Ebene prinzipiell Bedeutung erlangen kann. Die Geschäftsführung ohne Auftrag könnte nämlich nicht als tauglicher Rechtfertigungsansatz565 bei reiner Binnengung gegeben ist. In jenem letztgenannten Zusammenhang sind rechtliche Legitimationen gemeint, die die Rechtsfolgen der §§ 677 ff. BGB bereits auf anderem Wege anordnen, vgl. Seiler, in: MK-BGB, § 677 Rn. 43. Das Attribut „berechtigt“ bezieht sich dagegen in dem im Text genannten Kontext auf eine individuell legitimierte Berechtigung zum Handeln, die sich auf die Wahrung des Willens oder zumindest eines Interesses des Betroffenen gründet. Vgl. insoweit auch Seiler, in: MK-BGB, § 677 Rn. 50, der diesbezüglich das betreffende Adjektiv auch in Anführungszeichen setzt. 559 Genauer gesagt deren Übernahme; vgl. Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 3. 560 Vgl. zu dieser Differenzierung Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 2. Siehe speziell zur unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 6. 561 Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 679 Rn. 1. 562 Vgl. zu jener Beschränkung der Rechtfertigungswirkung auf Eingriffe zulasten des Geschäftsherrn Ahrens, S. 13; Hellmann, S. 173, 176. 563 So Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 20; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 105; Ahrens, S. 22; vgl. ferner Schroth, JuS 1992, 476, 477 m.w. N. in Fn. 4, der auch die insofern vorgebrachten Argumente überblicksartig darstellt. Gegen eine Einordnung als zivilrechtlicher Rechtfertigungsgrund aber Seiler, in: MK-BGB, Vor § 677 Rn. 17; Hellmann, S. 178; Wollschläger, S. 271. 564 Siehe zu dieser Folge Seiler, in: MK-BGB, Vor § 677 Rn. 17. 565 Die Geschäftsführung ohne Auftrag soll im Folgenden als eigenständiger potentieller Ansatz behandelt werden. Auffassungen, nach denen sie bereits einen Unterfall der mutmaßlichen Einwilligung darstellt – vgl. dazu etwa den Hinweis auf eine existie-

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

kollision fungieren, wenn ihr die Eigenschaft als strafrechtlich relevante Lösungsmöglichkeit schon im Grundsatz aberkannt würde. Weiter ist bei unterstellter Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag im Strafrecht sodann zu untersuchen, worin die Charakteristika jenes Ansatzes liegen und daran anschließend, ob die betreffende Lösungsmöglichkeit eine Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision wahrt. Insoweit gilt es speziell auch einen weiteren maßgeblichen Punkt zu beachten. Wenn sich die Geschäftsführung ohne Auftrag als einschlägiges taugliches Lösungsinstrument bei reiner Binnenkollision erweisen sollte, hätte man neben den ebenfalls als sachgerecht herausgestellten Einwilligungsregeln einen weiteren Rechtfertigungsgrund zur Auswahl, den man in den betreffenden Fällen anwenden könnte. Dass eine alternative Heranziehung mehrerer Rechtfertigungsansätze aber in Konflikt mit dem dogmatisch begründeten Grundsatz der Einheitlichkeit einer Rechtfertigung geraten kann, wurde bereits an anderer Stelle angesprochen.566 So könnte im Endeffekt lediglich eine konkurrenzrechtliche Verdrängung des einen oder anderen Ansatzes Klarheit schaffen. Die Frage, welcher von mehreren sachlich passenden Rechtfertigungsgründen als einheitlicher Ansatz zu wählen ist, wird sich richtigerweise danach richten, welcher in der Gesamtbetrachtung vorteilhafter erscheint.567 Es ist daher im Gesamtkontext der Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision auch ein Augenmerk darauf zu legen, ob bzw. inwieweit die Geschäftsführung ohne Auftrag unter Umständen einen Mehrwert gegenüber den Einwilligungsregeln aufweist, der bei gegebener tatbestandlicher Kongruenz zu deren vorrangiger Anwendbarkeit gegenüber den Einwilligungsregeln führen könnte. Schlussendlich darf im Rahmen einer dogmatisch umfassenden Analyse auch der Aspekt der Allgemeingültigkeit nicht vernachlässigt werden, der folglich den letzten zu untersuchenden Gesichtspunkt darstellen wird.

rende entsprechende Sichtweise bei Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 157 – sind angesichts der noch zu zeigenden Divergenzen zwischen den Eigenschaften der Geschäftsführung ohne Auftrag und dem rein willensbezogenen Charakter der mutmaßlichen Einwilligung abzulehnen. Aus dem gleichen Grunde erscheint es auch ausgeschlossen, dass die mutmaßliche Einwilligung umgekehrt als Unterfall der Geschäftsführung ohne Auftrag fungieren kann. Vgl. zu jener letztgenannten Erwägung auch die – im Ergebnis ebenfalls ablehnenden – Ausführungen von Schmitz, S. 82 ff. sowie die vorliegend insoweit sachlich einschlägige Aussage in Fn. 512 Abschn. D. Für eine Unabhängigkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag von der mutmaßlichen Einwilligung auch Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 17 Rn. 114. 566 Siehe dazu die Ausführungen unter D. I. 1. c). 567 Dass die Vorrangigkeit des vorteilhafteren Ansatzes die einzig logische Folge ist, resultiert auch daraus, dass die betreffenden Vorteile schließlich nicht durch eine potentielle parallele Anwendbarkeit wieder ausgehebelt werden dürften; ähnlich insoweit auch Schmitz, S. 82.

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

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1. Die Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtfertigungsgrund im Strafrecht Die Meinungen zur prinzipiellen Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag sind im Strafrecht geteilt. Während von manchen Autoren die Geschäftsführung ohne Auftrag als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund anerkannt wird,568 lehnen andere jene Eigenschaft prinzipiell ab.569 Die letztgenannte Auffassung wird dabei zumeist mit der Erwägung begründet, die Geschäftsführung ohne Auftrag stelle lediglich eine Regelung des internen Ausgleichs zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsführer in Hinblick auf Schäden bzw. Aufwendungen dar.570 Sie umfasse aber keine Aussagen über die Begründung und Voraussetzungen von Eingriffsrechten.571 Richtigerweise kann hierin jedoch kein valides Gegenargument erkannt werden. Zivilrechtlich rechtfertigende Regelungen zeichnen sich generell gerade dadurch aus, dass sie das interne Verhältnis zwischen den unmittelbar Beteiligten speziell in Hinblick auf finanzielle Aspekte regeln. Wollte man dieses Charakteristikum als Argument gegen eine Durchschlagskraft im Strafrecht vorbringen, müssten sämtliche zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe von einer Bedeutung im Strafrecht ausgeschlossen sein.572 Dies erscheint aber gerade in Hinblick auf §§ 228, 904 BGB äußerst fragwürdig. Zudem lassen sich aus der Betrachtung der dem finanziellen Ausgleich zugrunde liegenden gegenüberstehenden Rechte und Pflichten der Beteiligten durchaus Aussagen in Hinblick auf eine strafrechtlich bedeutsame Dimension gewinnen. Konkret ist insofern der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber bezogen auf das Verhalten des Geschäftsführers von einem rechtmäßigen Verhalten nicht nur im zivil-, sondern auch im strafrechtlichen Sinne ausgegangen sein muss. Denn es erscheint nicht sinnhaft, für ein Verhalten Aufwendungsersatz zu gewähren, das gleichzeitig als strafrechtswidrig eingestuft wird.573 Zur näheren übergeordneten Begründung jenes letztgenannten Aspekts ist zwar nicht das Gebot der Einheit der Rechtsordnung heranzuziehen,574 jedenfalls nicht in der allgemeinen Aus568 In diesem Sinne etwa v. Hippel, Strafrecht II, S. 249 ff.; Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 215; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 105; v. Hippel, in: FG RG V, S. 1, 9; Ahrens, S. 22; Fisch, S. 202; vgl. auch Weber, in: FS Baur, S. 133, 139 f. 569 So etwa Jescheck/Weigend, AT, S. 388; siehe auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55, die lediglich für § 679 BGB die Zuerkennung einer eigenständigen Rolle erwägen, diese im Ergebnis aber angesichts der Bedeutung von § 34 StGB wieder ablehnen. 570 Vgl. insoweit Jescheck/Weigend, AT, S. 388; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55; Roxin, in: FS Welzel, S. 447, 452 Fn. 23. 571 Jescheck/Weigend, AT, S. 388; Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55. 572 Das gesamte betreffende Argument findet sich in dieser Form bei Fisch, S. 177. 573 Vgl. zu dem dargestellten Argument auch Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 215; Schroth, JuS 1992, 476, 477 f. 574 Für eine Heranziehung gerade jenes Prinzips aber Weber, in: FS Baur, S. 133, 140, allerdings speziell bezogen auf § 679 BGB. Siehe allgemein zur Darstellung der auf

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

sage, dass ein Verhalten, das in einem Gesetz nicht missbilligt werde, in keinem anderen Rechtsgebiet verboten sein könne.575 Unterschiedliche Rechtsgebiete verfolgen schließlich unterschiedliche Zwecke, sodass ein Verhalten in Hinblick auf seine Rechtmäßigkeit je nach einschlägigem Blickwinkel durchaus plausibel anders beurteilt werden kann.576 Dies bedeutet aber nicht, dass man den vorgestellten Schluss von der zivilrechtlichen Rechtmäßigkeit der Handlungen des Geschäftsführers – ausgedrückt unter anderem durch einen Aufwendungsersatzanspruch – auf dessen strafrechtliche Legitimierung nicht halten könnte. Insofern ist auf einen spezifischeren, das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung sachgerecht modifizierenden Gedanken577 zurückzugreifen. Konkret handelt es sich dabei um die von Günther vorgeschlagene Theorie der spezifischen „Strafrechtswidrigkeit“. Demnach weist strafrechtliches Unrecht immer einen gesteigerten Unwertgehalt gegenüber sonstigen Rechtswidrigkeitsurteilen, auch einem solchen des Zivilrechts, auf. Dies bedeute im Umkehrschluss aber auch, dass ein zivilrechtlich anerkanntes Verhalten im strafrechtlichen Sinne erst recht erlaubt sein müsse.578 Freilich ist der teils hiergegen geäußerte Einwand berechtigt, dass man strafrechtliches Unrecht nicht stets als gesteigertes zivilrechtliches Unrecht beschreiben kann.579 Schließlich gibt es nicht in jedem Fall eine zivilrechtliche Entsprechung für strafrechtliches Unrecht,580 so etwa im Beispiel des nur strafrechtlich relevanten untauglichen Versuchs.581 Derartige Fälle, in denen der Regelungsbereich des Zivilrechts inhaltlich gar nicht einschlägig ist – im genannten Beispiel mangelt es aufgrund fehlender Einbuße an einem Anknüpfungspunkt für einen potentiellen vermögenswerten Ausgleich –582 müssen jedoch bereits naturgemäß in Hinblick auf die Aussagekraft der in Rede stehenden Theorie ausgeklammert werden.583 Durch die nicht vorhandene Vergleichsgrundlage fehlt es insoweit an einem Ansatz für die Postulierung einer „Steigerung“. Sofern aber dem betreffenden Prinzip basierenden Argumentation und ihrer Vertreter Schroth, JuS 1992, 476, 478; Fisch, S. 127. 575 Siehe zu jener Aussage Zitelmann, AcP 99 (1906), 1, 105, wenngleich sie dort nicht gänzlich in einer solch abstrakten Form zu finden ist. 576 Vgl. insoweit auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 27; Fisch, S. 177. 577 Eine deutliche Abgrenzung des betreffenden Gedankens vom Prinzip der Einheit der Rechtsordnung lässt sich aber der Darstellung von Schroth, JuS 1992, 476, 478 sowie Fisch, S. 127 entnehmen. 578 Vgl. zur zunächst genannten Grundaussage sowie deren Kehrseite Günther, S. 178; siehe auch die Darstellung jener Ansicht bei Schroth, JuS 1992, 476, 478. 579 Siehe zu diesem angesprochenen Einwand Schroth, JuS 1992, 476, 478; Fisch, S. 185. 580 So Hellmann, S. 91. 581 Siehe zu jenem Beispiel sowie dem damit zusammenhängenden betreffenden Argument Fisch, S. 184 f.; Hellmann, S. 91. 582 Vgl. Fisch, S. 184. 583 Ähnlich auch Sternberg-Lieben, S. 179.

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

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eine zivilrechtlich geregelte Entsprechung zu einer strafrechtlichen Beurteilung gegeben ist, vermag die Lehre vom Strafunrecht als gesteigerte Zivilrechtswidrigkeit durchaus plausibel durchzugreifen: Dem bereits mehrfach angesprochenen ultima-ratio-Prinzip584 folgend pönalisiert das Strafrecht nur besonders verwerfliche Verhaltensweisen. Es liegt daher nahe, bei gegebener strafrechtlicher Rechtswidrigkeit von einem qualitativ strengeren, sprich gesteigerten Rechtswidrigkeitsverständnis im Verhältnis zu einer bestehenden Zivilrechtswidrigkeit auszugehen.585 Insbesondere auch der von Günther gezogene Umkehrschluss lässt sich mithilfe des ultima-ratio-Gedankens bestätigen. Wenn ein bestimmter Sachverhalt schon im Zivilrecht eine Freistellung vom Unrechtsurteil erfährt, kann es nicht vertretbar sein, dasselbe Verhalten als gesteigertes Unrecht aufzufassen, denn dies würde die ultima-ratio-Funktion des Strafrechts inhaltlich torpedieren.586 Dieser Gedanke stützt die vorgestellte These, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag durch ihre zivilrechtliche Legitimierung auch im strafrechtlichen Sinne als legitimes Verhalten und mithin als Rechtfertigungsgrund zu erachten ist, in dogmatisch zufriedenstellender Weise. Diskussionsbedürftig bleibt in Hinblick auf die Anerkennung der Geschäftsführung ohne Auftrag als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund lediglich die Regelung des § 684 S. 2 BGB. Durch Genehmigung, sprich durch nachträgliche Zustimmung (§ 184 I BGB), wird die an sich unberechtigte Geschäftsführung in eine berechtigte umgewandelt,587 sodass ihr nachträglich auch die Stellung eines zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrundes zukommt. Im Strafrecht kann demgegenüber durch einen solchen nachträglichen Willensakt keine rechtfertigende Wirkung erzielt werden.588 Schließlich sind mit einem strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund Duldungspflichten verbunden, deren Vorliegen immer bezogen auf den Zeitpunkt der Vornahme der Eingriffshandlung festgestellt werden muss.589 Man könnte nun erwägen, aufgrund des zwingenden Ausschlusses eines Bestandteils der Geschäftsführung ohne Auftrag im Strafrecht die Übertragung des gesamten Rechtfertigungsgrundes in Frage zu stellen. Dies wäre jedoch nur dann ein legitimes Vorgehen, wenn durch die Herausnahme des § 684 S. 2 BGB für den strafrechtlichen Anwendungsbereich ein Wesenselement der rechtfertigenden Wirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag ausgeklammert würde. Dem ist al584 Das auch auf Rechtfertigungsebene Wirkung entfaltet, vgl. dazu Sternberg-Lieben, S. 178 f. 585 Dies lässt sich in jenem generellen Aussagegehalt zumindest implizit auch Sternberg-Lieben, S. 179 entnehmen. 586 In diesem Sinne auch Fisch, S. 200. Für die Bedeutung des ultima-ratio-Prinzips im Kontext der Anerkennung der Geschäftsführung ohne Auftrag als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund auch Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 215. 587 Vgl. Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 684 Rn. 2. 588 Fisch, S. 222 ff. 589 Vgl. dazu Schroth, JuS 1992, 476, 480. Eine Argumentation gegen die Relevanz nachträglicher Genehmigungen im Strafrecht findet sich auch bei Fisch, S. 224.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

lerdings nicht so. § 684 S. 2 BGB erweitert die bereits in den sonstigen Normen begründete Rechtfertigungswirkung lediglich auf einen weiteren Fall und enthält keine konstituierende Bedeutung für den Rechtfertigungsansatz an sich. Ganz generell ist die nur partielle Übertragung eines Grundsatzes – sofern die Kernelemente der maßgeblichen Aussage nicht berührt werden – nicht nur nicht schädlich, sondern sogar geboten, wenn der auszuschließende Aspekt gerade Besonderheiten des originären Rechtsgebiets geschuldet ist. Die vorliegend relevante weitergehende Dimension des Anwendungsbereichs der Geschäftsführung ohne Auftrag im Zivilrecht gegenüber dem Strafrecht findet ihre Berechtigung allein in zivilrechtlichen Grundsätzen.590 Es geht bei § 684 S. 2 BGB schlicht darum, die gerechte Ausgleichsfunktion591 für alle relevanten Konstellationen zu garantieren. Hierfür bedarf es aber keiner Entsprechung im Strafrecht. Es bleibt daher im Ergebnis festzuhalten, dass trotz einer fehlenden strafrechtlichen Relevanz des § 684 S. 2 BGB die Geschäftsführung ohne Auftrag prinzipiell als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund Anwendung finden kann. Dieser wird nun im Folgenden in seinen Eigenschaften näher dargestellt werden. 2. Die wesentlichen Charakteristika des Rechtfertigungsgrundes Die beiden wesentlichen Erfordernisse der sowohl zivil- als auch strafrechtlichen Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag werden bereits am Normtext der §§ 677, 683 BGB deutlich. Voraussetzung für eine rechtfertigende Wirkung ist demnach das Handeln mit dem Willen und im Interesse des Betroffenen. In Abgrenzung der beiden genannten Termini ist „Interesse“ im Kontext der Geschäftsführung ohne Auftrag richtigerweise in einem rein objektiven Sinne zu verstehen, während der Wille die subjektiven Präferenzen zum Ausdruck bringt.592 Das Gebot der Willenswahrung gilt unzweifelhaft für die Übernahme des Geschäfts.593 In Hinblick auf die konkrete Ausführungshandlung wird angesichts des Wortlauts des § 677 BGB im Vergleich zu § 683 BGB die Pflicht zur Wil590 Für eine Klassifizierung des § 684 S. 2 BGB als „schuldrechtliche Spezialregelung“ im einschlägigen Kontext auch Knauf, S. 99. 591 Die der Geschäftsführung ohne Auftrag im zivilrechtlichen Sinne primär zugrunde liegt, vgl. Seiler, in: MK-BGB, Vor § 677 Rn. 6. 592 So auch Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 19; Seiler, in: MK-BGB, § 677 Rn. 51. Die im Text vertretene Auffassung hinsichtlich der Charakterisierung von „Interesse“ entspringt vorliegend dem konkreten Verhältnis der beiden in Rede stehenden Ausdrücke im betreffenden Regelungsgefüge. Nach dem allgemeinen Verständnis kann „Interesse“ freilich prinzipiell auch subjektiv geprägt sein, vgl. die Ausführungen unter B. III. 2. Für einen subjektiven Interessenbegriff im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag aber Fisch, S. 39 ff. 593 Siehe dazu auch bereits die Ausführungen im Zusammenhang mit Fn. 559 Abschn. D.

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

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lenswahrung hingegen häufig nur eingeschränkt vertreten.594 Es erscheint jedoch nicht sinnhaft, die Übernahme der Pflicht allein im Einklang mit dem Willen zu legitimieren, bei der Ausführung dagegen unter Umständen auch willenswidriges Verhalten zuzulassen. Schließlich handelt es sich um einen zusammenhängenden Lebenssachverhalt, der auch einer einheitlichen Beurteilung bedarf.595 Die einzige Ausnahme von der Pflicht zur Berücksichtigung des Willens bildet § 679 BGB, der in den diesbezüglich erfassten Konstellationen den entgegenstehenden Willen für unbeachtlich erklärt.596 Abgesehen von jener Sondernorm stellt somit die Wahrung der Selbstbestimmung in Gestalt des Verbots willenswidriger Rechtfertigungen ein entscheidendes Charakteristikum der Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag dar. Neben dem Willen ist jedoch stets auch das Interesse zu beachten. Das hat zur Konsequenz, dass eine zwar dem Willen entsprechende, aber objektiv nicht interessengerechte Rechtfertigung nicht möglich ist.597 Häufig wird dem Interesse zwar im Verhältnis zu einem erkennbaren Willen eine derart begrenzende Funktion abgesprochen.598 Dies erscheint aber in Anbetracht der Gesetzesformulierungen sowie der ansonsten weitestgehend irrelevant bleibenden Erwähnung des Interesses, jedenfalls in dessen Charakter als solchem, im betreffenden Zusammenhang nicht sinnvoll.599 Zusammenfassend kann mithin konstatiert werden, dass die Rechtfertigungswirkung im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag abgesehen von den Konstellationen des § 679 BGB auf allen Ebenen kumulativ die Wahrung von Wille und Interesse erfordert. 3. Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision Die Geschäftsführung ohne Auftrag wird in der Literatur nicht selten im Zusammenhang mit der Lösung einer reinen Binnenkollision aufgeführt.600 Dabei handelt es sich gemeinhin um Konstellationen, die ansonsten ihrem Wesen nach dem Anwendungsbereich der Einwilligungsregeln, speziell der mutmaßlichen 594 Vgl. zu einer reduzierten Bedeutung des Willens bei der Ausführungshandlung etwa Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 19 m.w. N. 595 Vgl. zu dem aufgeworfenen Streitstand auch Seiler, in: MK-BGB, § 677 Rn. 52 mit Verweis auf die insoweit vertretenen Ansichten. 596 So auch Knauf, S. 95. 597 So auch Schroth, JuS 1992, 476, 477; Sternberg-Lieben, S. 209; vgl. in diesem Sinne auch Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 215 sowie aus der zivilrechtlichen Literatur Larenz, SchuldR II, § 57 I a, S. 444. 598 Vgl. dazu die Darstellung bei Fisch, S. 36 m.w. N.; siehe des Weiteren auch Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 683 Rn. 3. 599 Diese Aspekte als potentielle Kritikpunkte klingen auch bei Seiler, in: MK-BGB, § 683 Rn. 13 an; vgl. ferner Knauf, S. 95. 600 Siehe insoweit etwa v. Hippel, in: FG RG V, S. 1, 2; Wollschläger, S. 271, 275.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Einwilligung, unterfallen.601 Eine derartige Handhabung legt nahe, darüber nachzudenken, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber den Einwilligungsregeln, wie bereits eingangs als zu untersuchende Möglichkeit angesprochen, insoweit gegebenenfalls sachlich vorteilhaft und damit vorrangig anwendbar erscheint. Bezogen auf potentielle Vorteile findet sich als vorgeschlagener positiver Aspekt zum einen die Beschränkung auf objektiv nützliche Handlungen, mit der Begründung, dass auf diese Weise ein größtmöglicher Schutz vor unangemessenen Eingriffen gewährt werde.602 Des Weiteren lässt sich die Maßgeblichkeit des Willens auch für die Ausführungshandlung als denkbarer Vorteil in Betracht ziehen.603 Schließlich könnte man zudem an das Vorliegen einer Normierung denken, die allein bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, nicht aber bei den Einwilligungsregeln gegeben ist und daher unter Umständen einen Mehrwert der Geschäftsführung ohne Auftrag ausmacht. Vor einer Untersuchung jener angesprochenen Aspekte hinsichtlich ihrer Berechtigung als mehrwertbegründende Faktoren soll aber logisch vorrangig zunächst überprüft werden, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag eine Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision aufweist und damit überhaupt eine Basis für einen vorteilsbezogenen Vergleich der Rechtfertigungsansätze auf Konkurrenzebene besteht. Naturgemäß liegt in allen rechtfertigungsbedürftigen Konstellationen im Kontext der Geschäftsführung ohne Auftrag ein Eingriff in ein abstraktes Rechtsgut des Geschäftsherrn vor.604 Da – abgesehen von der Ausnahmekonstellation des § 679 BGB, die vorliegend zunächst ausgeklammert werden soll – für eine Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag zudem ein willensgemäßes Verhalten erforderlich ist, findet sich insoweit stets auch die Selbstbestimmung als beteiligtes Rechtsgut, und zwar auf der dem abstrakten Gut gegenüberliegenden Seite der Kollision. Neben der Selbstbestimmung können ferner auch noch ein weiteres, abstraktes Gut des Geschäftsherrn oder mehrere derartige Güter positioniert sein und mithin durch den Eingriff gewahrt werden. Dies wird sogar regelmäßig der Fall sein, wenn man den gängigen Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag betrachtet. Es ergeben sich aber keine 601 So etwa das bei Wollschläger, S. 271 erwähnte Beispiel der Operation eines Bewusstlosen. Siehe des Weiteren die Ausführungen von Schroth, JuS 1992, 476, 479 sowie Schmitz, S. 82. 602 In diesem Sinne Schroth, JuS 1992, 476, 479. 603 Inhaltlich gesehen könnte man diese Erwägung ebenfalls den Ausführungen von Schroth, JuS 1992, 476, 479 entnehmen. Dieser stellt zwar dem Wortlaut nach nicht die Maßgeblichkeit des Willens, sondern die des Interesses in den Mittelpunkt. Letztgenanntes setzt er jedoch in den verwendeten Beispielen inhaltlich mit dem Willen gleich, sodass es dabei faktisch nicht auf die Wahrung des objektiven Interesses, sondern entscheidend auf den Willen ankommen wird. 604 Ohne einen solchen käme man nämlich gar nicht zur Problematik der Rechtfertigung. Zur Beschränkung auf Verletzungen zulasten des Geschäftsherrn siehe die Nachweise in Fn. 562 Abschn. D.

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

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zwingenden Gründe dafür, stets die Beteiligung eines weiteren abstrakten Rechtsguts des Betroffenen zu konstatieren, sodass im Ergebnis immer eine Binnenkollision im engeren Sinne vorliegen würde. Insbesondere kann sich eine derartige Sachlage nicht aus dem Erfordernis der Wahrung eines Interesses ergeben. Nach dem vorliegend vertretenen allgemeinen Interessenbegriff enthält ein Interesse zwar immer ein Rechtsgut.605 Die Verankerung des Interesses im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag dient aber nur dem Zweck, die Rechtfertigung an die Einhaltung eines objektiven Maßstabes zu binden. Mit der Verwendung des Terminus „Interesse“ soll allein eine vernunftsorientierte Korrekturdimension für die Durchschlagskraft des Willens zum Ausdruck gebracht werden. Darüber hinausgehende Aussagen in Hinblick auf die Beteiligung weiterer Rechtsgüter sind mit der Verwendung der Begrifflichkeit im betreffenden Zusammenhang nicht verbunden.606 Man wird daher auch dann von der Einschlägigkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag ausgehen können, wenn etwa der hilfsbereite Nachbar in Abwesenheit des Eigentümers einen Baum auf dessen Grundstück fällt, da er weiß, dass der Nachbar diesen Baum gefällt haben möchte und gerade ideales Wetter für eine solche Aktion herrscht. Hierbei steht neben der Selbstbestimmung des Bauminhabers kein Schutz eines weiteren abstrakten Gutes im Raum. Dennoch hält sich die Handlung im Rahmen des objektiv Vernünftigen und wahrt mithin zusammen mit der Willensentsprechung die erforderlichen Rechtfertigungskriterien. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag sowohl Binnenkollisionen im engeren als auch im weiteren Sinne zum Ausdruck bringt. Da ferner auch nicht zwingend die Beteiligung eines Drittrechtsguts gegeben ist, existiert folglich eine umfassende Repräsentationsmöglichkeit aller Formen reiner Binnenkollision. Anders gestaltet sich die Lage allerdings in der zunächst ausgeklammerten Konstellation des § 679 BGB. Zum einen ist das Rechtsgut Selbstbestimmung insoweit nicht mehr antagonistisch zum verletzten Gut, sondern auf dessen Seite zu positionieren. Die Repräsentation einer Binnenkollision im weiteren Sinne ist daher von vornherein ausgeschlossen. Bezüglich reiner Binnenkollisionen käme allenfalls eine Binnenkollision im engeren Sinne als erfasste Konstellation in Betracht. Aber selbst dies mutet fraglich an. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass auch abstrakte Rechtsgüter des Betroffenen gewahrt werden. Im Kern des § 679 BGB steht aber der Schutz von öffentlichen Interessen.607 Vorliegend kann mit

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Vgl. die Ausführungen unter B. III. 2. Es liegt also eine Abweichung zum vorliegend vertretenen Interessenbegriff vor. Aus dogmatischer Perspektive ist die Verwendung jenes Terminus im Kontext der Geschäftsführung ohne Auftrag daher nicht vorteilhaft. Vorzugswürdig wäre, anstelle von „Interesse“ etwa klarstellend von „objektiven Vernunftskriterien“ zu sprechen. 607 Vgl. insoweit auch Seiler, in: MK-BGB, § 679 Rn. 1, der dies als Normzweck der gesamten Regelung ansieht, was die Betroffenheit jenes Elements auch in der zweiten Tatbestandsalternative der Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht impliziert. 606

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

der Verwendung jenes Terminus auch nicht allein die objektive Vernunftsdimension gemeint sein. Vielmehr ist darunter tatsächlich ein separater schutzwürdiger Wert zu verstehen, der im Konkreten der Öffentlichkeit, sprich dem Staat oder der Allgemeinheit, zuzuordnen ist. Da wie gesehen Rechtsgüter die kleinste abgrenzbare Schutzeinheit darstellen, muss es sich insoweit im Rahmen des § 679 BGB auch um die Beteiligung von Rechtsgütern handeln, wenn dem betreffenden Wert Vorrang und damit rechtlicher Schutz zukommen soll. Bei § 679 BGB handelt es sich folglich strukturell gesehen nie um Fälle reiner Binnenkollision. Entweder es liegt eine partielle Binnenkollision vor, oder aber – und dies wird der häufigere Fall sein –608 es kann gar kein zu schützendes Rechtsgut des Betroffenen und daher keinerlei Form von Binnenkollision festgestellt werden. Dieses Ergebnis vermag jedoch eine potentielle Kongruenz der Geschäftsführung ohne Auftrag als solcher mit Fällen reiner Binnenkollision nicht zu verhindern. Bei § 679 BGB handelt es sich um einen Sonderfall der Geschäftsführung ohne Auftrag,609 der leicht abzugrenzen ist und in seinen Charakteristika die sonstigen Fälle nicht zu prägen vermag. Man kann jene Sonderkonstellation somit gedanklich abtrennen und die Geschäftsführung ohne Auftrag im Übrigen als geschlossenes System in Hinblick auf eine Kongruenz untersuchen. Selbst wenn man aber eine solche Teilung nicht als sachgerecht ansehen wollte, ließe sich ein weiteres Argument dafür ins Feld führen, dass § 679 BGB einer denkbaren Kongruenz der Geschäftsführung ohne Auftrag mit Fällen reiner Binnenkollision nicht im Wege steht. So wurde bereits darauf hingewiesen, dass es nicht schädlich ist, wenn ein Rechtfertigungsgrund auch Fälle erfasst, die keine reine Binnenkollision darstellen, solange nur alle Fälle reiner Binnenkollision zutreffend abgebildet werden können.610 Da der Bereich der willensgemäßen Rechtfertigung der Geschäftsführung ohne Auftrag bereits positiv auf die Repräsentationsmöglichkeit sämtlicher Formen reiner Binnenkollision untersucht wurde, liegt insoweit ein ausreichender Anknüpfungspunkt für eine potentielle Kongruenz vor und es kann auf § 679 BGB nicht mehr maßgeblich ankommen. Zu klären verbleibt folglich allein, ob die genannten willenswahrenden Regelungen auch inhaltlich in der Lage sind, die darunter zu subsumierenden Formen reiner Binnenkollision sachgerecht zu behandeln. Das Erfordernis einer steten Wahrung des Willens schließt willenswidrige Rechtfertigungen per se aus. Damit ist bereits ein entscheidendes Merkmal in Hinblick auf die notwendige Autonomiegewährung erfüllt. Problematisch gestaltet sich aber der Aspekt des rein objektiv zu verstehenden Interesses als zusätz608 Vgl. etwa die Beispiele bei Seiler, in: MK-BGB, § 679 Rn. 7 f., die eine derartige Interpretation nahelegen. 609 Siehe zum Sondercharakter jener Norm auch Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 215. 610 Siehe zu jener Argumentation insbesondere die Ausführungen unter D. II. 2. c) bb) (3).

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

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liche Rechtfertigungsanforderung der Geschäftsführung ohne Auftrag. Wie gesehen, wird hierin teils sogar ein Mehrwert der Geschäftsführung ohne Auftrag für die Behandlung der reinen Binnenkollision erkannt. Richtigerweise erscheint allerdings fraglich, ob diese objektivierte Sichtweise wirklich einen Vorteil gegenüber den Einwilligungsregeln darstellen kann oder nicht im Gegenteil sogar vielmehr den Vorgaben der Lösung der reinen Binnenkollision widerspricht. Hierbei ist festzustellen, dass die Rechtfertigung auf diese Weise über den erforderlichen Einklang mit dem Willen hinaus zusätzlichen erschwerenden Hürden ausgesetzt wird. Dies widerspricht jedoch bereits strukturell dem Grundgedanken der reinen Binnenkollision, deren Rechtfertigung sich allein nach der Selbstbestimmung des Betroffenen zu richten hat. Darüber hinaus lässt sich auch ein inhaltlicher Konflikt mit der Wahrung des Autonomieprinzips konstatieren. So ist neben dem Verbot willenswidriger Entscheidungen bekanntermaßen auch das Verbot der Verhinderung willensgemäßer Rechtfertigungen kennzeichnend für die alleinige Maßgeblichkeit des Willens. Die zwingende Bedeutung objektiver Kriterien hat inhaltlich zwar keinen Einfluss auf den erstgenannten Aspekt, schränkt allerdings die zweite Dimension der Maßgeblichkeit des Willens nicht unerheblich ein. Es widerspricht folglich den notwendigen Charakteristika für die Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision, wenn die Rechtfertigungswirkung wie bei der Geschäftsführung ohne Auftrag zusätzlich zur Wahrung des Willens von objektiven Kriterien abhängig gemacht wird. Das betreffende Instrument kann also insoweit nicht nur keinen Mehrwert gegenüber den Einwilligungsregeln mit sich bringen. Es mangelt im Gegenteil bereits grundlegend an kongruenzbegründenden Übereinstimmungen. Die Geschäftsführung ohne Auftrag stellt mithin schon in sich kein taugliches Instrument zur Lösung der reinen Binnenkollision dar. Konstruktiv bedeutet das, dass bereits im Wege der Auslegung die Geschäftsführung ohne Auftrag ihrem Rechtfertigungstatbestand nach nicht auf Fälle reiner Binnenkollision anwendbar ist.611 Freilich wird damit die Relevanz jenes Instruments im Strafrecht stark eingeschränkt. Denn die einer Geschäftsführung ohne Auftrag zugrunde liegenden Sachverhalte bilden unzweifelhaft häufig Fälle reiner Binnenkollision ab.612 Hierfür kann sowohl auf die entsprechenden Kongruenzerwägungen relativ zu Anfang des aktuellen Gliederungspunktes als auch auf die Widerspiegelung einer derartigen Sachlage in der Literatur613 verwiesen werden. Ob der Geschäftsführung ohne Auftrag zumindest in Fällen partieller Binnenkollision eine entscheidende Bedeutung zukommt, vermag dagegen vorliegend noch 611 Im Wege teleologischer Reduktion auf das Kriterium des objektiven Interesses zu verzichten, würde dem hier vertretenen Charakter der Geschäftsführung ohne Auftrag grundlegend widersprechen und kann daher keine Option sein, um eine Anwendbarkeit auf die Fälle reiner Binnenkollision zu begründen. 612 Dass dies von der Tauglichkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag als diesbezüglich passendes Lösungsinstrument zu unterscheiden ist, wurde im Vorherigen deutlich gemacht. 613 Vgl. dazu bereits den Hinweis im Zusammenhang mit Fn. 600 Abschn. D.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

nicht geklärt zu werden.614 Im Falle der potentiellen Ablehnung einer durchschlagenden Anwendbarkeit jedoch könnte allenfalls noch der nicht binnenkollisionsbezogene Bereich des § 679 BGB für eine denkbare strafrechtliche Relevanz in Betracht kommen. In der Folge hätte man sich sodann damit zu befassen, dass die theoretisch festgestellte Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag größtenteils inhaltsleer bliebe. Diese Problematik soll angesichts der hier vorgenommenen Fokussierung auf die Binnenkollision aber nicht weiter vertieft werden.615 Mit der getroffenen Feststellung der Inkongruenz der Geschäftsführung ohne Auftrag hinsichtlich der Lösung reiner Binnenkollisionen werden die verbleibenden angeführten potentiellen Mehrwerte gegenüber den Einwilligungsregeln eigentlich gegenstandslos. Der Vollständigkeit halber soll aber auf die betreffenden Aspekte dennoch kurz eingegangen werden. Die dabei zum einen angesprochene Maßgeblichkeit des Willens auch für die Ausführungshandlung dient unzweifelhaft dem Grundgedanken der Wahrung der Selbstbestimmung und ist daher als wünschenswert anzusehen. Man kann jedoch nur dann einen Mehrwert gegenüber den Einwilligungsregeln postulieren, wenn letztgenannte jenes aufgeworfene Charakteristikum gerade nicht erfüllen. Es gilt also zu klären, wie im Rahmen der Einwilligungsregeln der Fall zu beurteilen ist, dass in Bezug auf die Ausführung entgegen einem geäußerten oder auch nur mutmaßlich bekannten Willen gehandelt wird. Hat die Präferenz hinsichtlich der Ausführung unmittelbare Auswirkungen auf das betroffene Rechtsgut, etwa im Falle der gewünschten und auch möglichen Durchführung einer Operation ohne sichtbare Narben, so gilt die Maßgeblichkeit der Willenswahrung auch für die Ausführungshandlung. Die Situation des Betroffenen ist dabei vergleichbar mit derjenigen, dass er sich in einem rechtsgutsbezogenen Irrtum befindet. In beiden Fällen erfährt das Rechtsgut eine Einbuße, die in der betreffenden Form nicht gewollt ist. Ebenso wie rechtsgutsbezogene Irrtümer richtigerweise als beachtlich anzusehen sind,616 muss auch in den vorliegend diskutierten Konstellationen die Einwilligung bzw. die mutmaßliche Einwilligung unwirksam sein. Wenn die gewünschte Ausführung allerdings keinen direkten Bezug zum Rechtsgut aufweist, gestaltet sich die Einschätzung schwieriger. Ein Beispiel wäre etwa die Zersägung eines Baumes mit einer umweltfreundlichen Säge, oder aber die Durchführung einer Operation durch einen anderen als den gewünschten Arzt mit gleichen medizinischen Fä614 Diesbezüglich ist die generelle Erörterung der Handhabung bei partieller Binnenkollision einschlägig. Konkret finden sich Aussagen hinsichtlich der Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag auf partielle Binnenkollisionen in der Einleitung zu dem Gliederungspunkt E. 615 Siehe zu jener Problematik etwa Knauf, S. 100, der einen Mehrwert der Geschäftsführung ohne Auftrag im Strafrecht ablehnt und daher auch die diesbezügliche Relevanz als Rechtfertigungsgrund verneint. 616 Siehe zu dieser Thematik Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 46 m.w. N. zum Meinungsstand.

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

239

higkeiten.617 Stellt man auch hierbei den Vergleich mit der Irrtumslehre an, so stößt man auf das Problem, dass die Beachtlichkeit nicht rechtsgutsbezogener Irrtümer in der strafrechtlichen Diskussion stark unterschiedlich beurteilt wird.618 Hierauf soll allerdings vorliegend nicht näher eingegangen werden. Es hat lediglich bei folgendem Hinweis konkret zur aktuell in Rede stehenden Problematik zu verbleiben: Zur Lösung muss man sich vor Augen führen, welchem Zweck die Einwilligungsregeln dienen. Nach richtiger Ansicht geht es dabei, wie gesehen, um die weitestmögliche Wahrung der Selbstbestimmung des Betroffenen. Zwar bezieht sich der Rechtsschutzverzicht als konkrete Begründung der Straflosigkeit insoweit nur auf das Rechtsgut. Dies resultiert jedoch allein daraus, dass auch nur dieses in positiver Hinsicht konkreten Rechtsschutz genießt. Der Gedanke der Wahrung der Selbstbestimmung ist hingegen umfassendes Leitbild der Einwilligungsregeln und dehnt jene Anforderung mithin auf den gesamten sachlich betroffenen Bereich des in Rede stehenden Rechtfertigungsansatzes aus. Die Selbstbestimmung umfasst die Möglichkeit, frei über den Bestand der eigenen vorhandenen abstrakten Rechtsgüter zu entscheiden. Es muss also garantiert werden, dass auch jede konkrete Entscheidung Beachtung findet. Wenn man sich nur bei einem umweltfreundlichen Zersägen für die Verletzung des Eigentums an dem betreffenden Baum entscheidet, ist es allein der insoweit geformte Entschluss, der Ausdruck des Rechtsguts Selbstbestimmung ist. Weicht man als Täter davon ab, kann folglich nicht mehr die Wahrung der Selbstbestimmung des Betroffenen als Legitimationsbasis herangezogen werden. Die fehlende Rechtfertigungskraft der Einwilligungsregeln in derartigen Fällen wird auch dadurch untermauert, dass die Einwilligung frei widerruflich ist. Wenn der Betroffene Kenntnis davon erlangen würde, dass der Täter eine andere als die gewünschte Säge wählt, so könnte er jederzeit die Erlaubnis zurückziehen. Dass im Falle der fehlenden Kenntnis von einer solchen Abweichung die Selbstbestimmung weniger Gewicht erlangen sollte, erscheint nicht plausibel begründbar. Im Ergebnis muss mithin der Wille des Betroffenen im Rahmen der Einwilligungsregeln stets auch bei der Ausführungshandlung berücksichtigt werden. Die Geschäftsführung ohne Auftrag könnte also auch unabhängig von der fehlenden Kongruenz mit den Erfordernissen bei reiner Binnenkollision insoweit keinen Mehrwert begründen. Auch der des Weiteren angesprochene Aspekt einer Normierung vermag für sich betrachtet keinen Vorteil der Geschäftsführung ohne Auftrag darzustellen. Denn die Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag ist weder im zivil- noch im strafrechtlichen Sinne explizit in den betreffenden Normen festgehalten. Sie ergibt sich vielmehr erst im Wege der Interpretation der normierten Folgen. Auch die Voraussetzungen für die Durchschlagskraft des in Rede stehenden Rechtfertigungsgrundes lassen sich den einschlägigen Normen nicht klar und 617 Vgl. zu letztgenanntem Beispiel Amelung/Eymann, JuS 2001, 937, 944, die eine Auswirkung des betreffenden Fehlers aber ablehnen. 618 Siehe zu jenem Streitstand etwa Rönnau, Jura 2002, 665, 670 ff.

240

D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

deutlich entnehmen. Die Wahrung des Willens und des Interesses sind lediglich als Schlagworte verankert, ohne dass nähere Aussagen über den Inhalt und die Ermittlung jener Parameter getroffen werden. Es ergibt sich folglich der gleiche Begründungs- und Ausfüllungsaufwand wie im Rahmen der Einwilligungsregeln. Der potentielle Vorteil eines normierten Rechtfertigungsgrundes gegenüber einem nicht normierten, nämlich konkretere Vorgaben und mithin ein Gewinn an Rechtssicherheit, ist damit im einschlägigen Zusammenhang nicht festzustellen. Zusammenfassend wäre also die Heranziehung der Geschäftsführung ohne Auftrag selbst bei einer unterstellten Kongruenz nicht als weiterbringend anzusehen. 4. Ergänzende Untersuchung der Allgemeingültigkeit Nach der Feststellung der fehlenden Eignung zur sachgerechten Lösung von Fällen reiner Binnenkollision ist die Überprüfung der Allgemeingültigkeit des in Rede stehenden Lösungsansatzes hinsichtlich jener Fallgruppe an sich ebenfalls nicht mehr entscheidend. Dennoch soll auch hier der Vollständigkeit halber eine kurze Erörterung erfolgen. Eine allgemeingültige Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag in sämtlichen Fällen reiner Binnenkollision könnte bereits daran scheitern, dass auch Situationen reiner Binnenkollision denkbar sind, in denen der Geschäftsherr eine Einwilligung zur Vornahme der Handlung erteilt hat. In derartigen Konstellationen ist nämlich häufig auch ein „Auftrag“ im Sinne des § 677 BGB619 gegeben.620 Auf diese Weise wären bereits die vom Wortlaut vorgegebenen Tatbestandsmerkmale der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht erfüllt und man könnte folglich jenen Rechtfertigungsgrund überhaupt nicht in Betracht ziehen. Selbst wenn die in Rede stehende Zustimmung aber im Einzelfall keinen Auftrag im Sinne des § 677 BGB begründen kann, wäre die Geschäftsführung ohne Auftrag im Strafrecht dennoch ausgeschlossen, wenn in der betreffenden Gestattung eine strafrechtlich wirksame Einwilligung zu erkennen ist621.622 Schließlich ist – zu619 Vgl. zur Bedeutung jenes Merkmals Gehrlein, in: BeckOK-BGB, § 677 Rn. 18, woraus die Erstreckung über den Auftrag i. S. d. §§ 662 ff. BGB hinaus, sprich der Einschluss sonstiger Geschäftsführungsrechte zu entnehmen ist. 620 Vgl. dazu auch Ahrens, S. 27. 621 Man nehme etwa die Konstellation, dass es sich um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne zivilrechtlichen Rechtsbindungswillen handelt – vgl. zu dieser Thematik Sutschet, in: BeckOK-BGB, § 241 Rn. 18 –, das der betreffenden gestatteten Rechtsgutsverletzung zugrunde liegt. Ein weiteres Beispiel für das Vorliegen einer strafrechtlichen Einwilligung ohne Bejahung eines Auftrags im Sinne der §§ 677 ff. BGB ist der Fall, dass ein strafrechtlich einwilligungsfähiger Minderjähriger ohne Zustimmung seiner Eltern die Handlung erlaubt. Inwieweit die Geschäftsführung ohne Auftrag dabei unter Umständen aber ohnehin bereits aus anderen Gründen als der vorliegenden strafrechtlich relevanten Einwilligung ausscheiden würde, soll hier angesichts der rein zivilrechtlichen Bedeutung jener Fragestellung ausgeklammert werden. 622 Siehe zum Vorrang der Einwilligung bei gegebener Zustimmung Hellmann, S. 173.

III. Die Geschäftsführung ohne Auftrag

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mindest in Fällen reiner Binnenkollision, um die es vorliegend maßgeblich geht – kein Grund ersichtlich, warum die stärkste Form der Gewährleistung von Selbstbestimmung nicht auch stets primär heranzuziehen ist. Das Vorrangverhältnis geht dabei wie auch im Verhältnis von Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung so weit, dass schon bei der Möglichkeit der Einholung einer tatsächlichen Einwilligung die Geschäftsführung ohne Auftrag als subsidiär ausscheiden muss.623 Im Ergebnis wäre der Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag mithin unabhängig von der binnenkollisionsspezifischen Kongruenz in einem nicht unerheblichen Teilbereich der reinen Binnenkollision ausgeschlossen. Ein daraus resultierendes Hindernis der Allgemeingültigkeit könnte man nur dann verneinen, wenn die Geschäftsführung ohne Auftrag ebenso wie die mutmaßliche Einwilligung mit der Einwilligung als gemeinsamer Lösungsansatz zu erachten wäre. Entscheidend ist dafür, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag dem Grundgedanken der Einwilligung, das heißt der umfassenden Wahrung der Selbstbestimmung, entspricht. Zwar lässt sich durch das Verbot willenswidriger Rechtfertigungen im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag durchaus eine gewisse Übereinstimmung konstatieren. Ein anderer maßgeblicher Teilbereich der Autonomiewahrung, nämlich derjenige der Gewährleistung jeglicher willensgemäßer Rechtfertigung, wird aber durch die zwingende zusätzliche Erfüllung objektiver Kriterien behindert.624 Anders als im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung kann insoweit auch keine Kompensation durch eine abstraktere Art und Weise der Wahrung von Selbstbestimmung erfolgen. Dieses Manko im Umfang der Gewährleistung von Selbstbestimmung macht es unmöglich, einen qualitativ vergleichbaren Grundgehalt mit der Einwilligung und damit eine gemeinsame Klassifizierung als einheitlicher Ansatz anzunehmen. Schlussendlich kann also zusätzlich zur festgestellten Inkongruenz auch keine Allgemeingültigkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag als potentieller Lösungsansatz – oder zumindest Bestandteil eines allgemeingültigen Gefüges – bei reiner Binnenkollision bejaht werden. 5. Zusammenfassung zur Heranziehung der Geschäftsführung ohne Auftrag als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision Die Geschäftsführung ohne Auftrag stellt in Hinblick auf die Behandlung der reinen Binnenkollision keine vorzugswürdige Alternative zu den Einwilligungsregeln dar. Zwar ist jenem Instrument mit anerkannter zivilrechtlicher Rechtferti623 Vgl. zur Subsidiarität der Geschäftsführung ohne Auftrag im genannten Sinne v. Hippel, in: FG RG V, S. 1, 10; siehe zu jener Thematik auch Schmitz, S. 83 f. 624 Wollte man § 679 BGB nicht als Sonderfall ausklammern, sondern in die Betrachtung der Geschäftsführung ohne Auftrag als gesamter Rechtfertigungsgrund einbeziehen, so läge insoweit zusätzlich sogar eine noch einschneidendere Abweichung von dem Gedanken der Gewährleistung von Selbstbestimmung vor.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

gungswirkung auch im Strafrecht eine rechtfertigende Funktion prinzipiell zuzuschreiben. Denn die Gewährung eines Aufwendungsersatzanspruches und damit die zivilrechtliche Anerkennung ließen sich nicht sinnhaft mit der Postulierung einer gleichzeitigen strafrechtlichen Rechtswidrigkeit kombinieren. Diese Annahme wird durch den von Günther entwickelten Gedanken der Strafrechtswidrigkeit als gesteigertes Zivilunrecht in seinem Umkehrschluss unter besonderer Berücksichtigung des ultima-ratio-Prinzips untermauert. Danach bleibt im Falle einer zivilrechtlichen Anerkennung eines Verhaltens für das strengere Unwerturteil des Strafrechts kein Raum, sodass sich die zivilrechtliche Legitimität auch auf das Strafrecht ausdehnen muss. Der damit begründeten Rechtfertigungswirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag steht auch nicht § 684 S. 2 BGB entgegen. Denn diese Norm zielt rein auf den zivilrechtlichen Regelungsbereich ab und kann für die strafrechtliche Betrachtung daher ohne Bedenken einer unsachgemäßen Auftrennung ignoriert werden. Abgesehen von § 679 BGB, der jedoch für die Behandlung der reinen Binnenkollision keine entscheidenden Auswirkungen mit sich bringt, ist die Geschäftsführung ohne Auftrag als Rechtfertigungsgrund gekennzeichnet durch die gleichzeitig erforderliche Wahrung von Wille und objektiv verstandenem Interesse auf allen betroffenen Ebenen, sprich sowohl in Bezug auf die Übernahme als auch auf die Ausführung des Geschäfts. In Hinblick auf die Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision ist daher neben der prinzipiellen Repräsentationsmöglichkeit sämtlicher Formen reiner Binnenkollision positiv zu konstatieren, dass durch die Rechtfertigungsanforderung der zwingenden Beachtung des Willens auch willenswidrige Rechtfertigungen im Einklang mit dem Autonomiewahrungsgedanken ausgeschlossen werden. Aufgrund der steten Berücksichtigungspflicht des objektiv zu verstehenden Interesses ergeben sich allerdings zusätzliche Anforderungen neben der reinen Willenswahrung, was bereits in struktureller Hinsicht einer sachgemäßen Repräsentation des Autonomieprinzips widerspricht. Des Weiteren wird durch jene Einschränkung inhaltlich die Gewährleistung jeder willensgemäßen Rechtfertigung verhindert. Eine Kongruenz mit den Vorgaben zur Lösung der reinen Binnenkollision ist damit nicht in erforderlicher Weise gegeben. Davon unabhängig ließe sich ohnehin kein Mehrwert der Geschäftsführung ohne Auftrag gegenüber den Einwilligungsregeln in Fällen reiner Binnenkollision erkennen. So ist eine Maßgeblichkeit des Willens in der Ausführungshandlung gleichermaßen im Rahmen der Einwilligungsregeln festzustellen. Auch betreffen die normierten Aspekte der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht deren Rechtfertigungswirkung, sodass insoweit keine vorteilhaften konkreten Vorgaben gewonnen werden könnten. Ferner wäre es schließlich nicht möglich, die Geschäftsführung ohne Auftrag als allgemeingültigen Lösungsansatz für die reine Binnenkollision zu erachten. Denn im Falle einer gegebenen oder möglichen Einwilligung ist für die Geschäftsführung ohne Auftrag kein Raum. Angesichts des Erfordernisses der Einhaltung objektiver Kriterien mit der daraus resultierenden Beschränkung der Autonomiegewäh-

IV. Untersuchung sonstiger potentieller Rechtfertigungsansätze

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rung vermag die Geschäftsführung ohne Auftrag auch nicht mit der Einwilligung als gemeinsamer Lösungsansatz erachtet und auf diese Weise die Allgemeingültigkeit hergestellt zu werden. Im Ergebnis verbleibt es daher mangels Heranziehungsmöglichkeit der Geschäftsführung ohne Auftrag aktuell bei der alleinigen Einschlägigkeit der Einwilligungsregeln als sachgerechter und allgemeingültiger Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision.

IV. Untersuchung sonstiger potentieller Rechtfertigungsansätze bei reiner Binnenkollision Der Vollständigkeit halber soll zum Abschluss kurz überprüft werden, ob über die bereits erörterten Rechtfertigungsmöglichkeiten hinaus noch andere Lösungsansätze für die Konstellation der reinen Binnenkollision in Betracht kommen. Zunächst könnte man in diesem Zusammenhang an das erlaubte Risiko als eigenständigen Rechtfertigungsgrund denken. Hierbei ist aber zum einen fraglich, ob man dieses überhaupt als solchen anerkennen kann625 oder ob es sich dabei vielmehr um bestimmte Teilbereiche oder Ausformungen sonstiger Rechtfertigungsgründe handelt.626 Jedenfalls aber wäre das erlaubte Risiko ohnehin nicht in der Lage, alle Fälle reiner Binnenkollision im Sinne eines allgemeingültigen Rechtfertigungsgrundes abzudecken. Denn sobald der Wille des Betroffenen bekannt ist und danach gehandelt wird, kann Legitimationsgrundlage nicht mehr sinnhaft ein Risiko sein. Durch die Fokussierung auf das Risiko als Wesenselement des Rechtfertigungsgrundes scheidet auch eine eventuelle gemeinsame Klassifizierung mit der Einwilligung aus. Die Tauglichkeit des erlaubten Risikos als passender allgemeingültiger Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision ist mithin zu verneinen. Weiter könnte die Wahrnehmung berechtigter Interessen als Rechtfertigungsansatz in Erwägung gezogen werden. Hierbei ist es aber fraglich, ob überhaupt jenseits der Beleidigungsdelikte, auf die sich die Norm des § 193 StGB ausweislich ihrer systematischen Stellung direkt bezieht, Anwendungsfälle jenes Instru625 Vgl. dazu Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 107b m.w. N., die eine eigenständige Bedeutung des erlaubten Risikos zumindest für Vorsatztaten im Ergebnis aber ablehnen. 626 Ulsenheimer, JuS 1972, 252, 255 m.w. N. weist auf eine angenommene Eigenschaft als bloße besondere Ausformung des Notstandsgedankens hin und spricht dem erlaubten Risiko eine selbständige Bedeutung ab. In der vorliegenden Arbeit wurde das erlaubte Risiko lediglich als eine besondere Begründung im Kontext des Rechtsschutzverzichtsgedankens als Legitimierung für die Straflosigkeit bei mutmaßlicher Einwilligung angesehen. Es spielt daher allein im Rahmen der rein subjektiven Deutung der mutmaßlichen Einwilligung und richtigerweise – wie es auch der Aussage in Fn. 442 Abschn. D. entspricht – nicht als eigenständiger Ansatz zur Erklärung jenes Unterfalls der Einwilligungsregeln eine Rolle. Erst recht wird das erlaubte Risiko daher zumindest in dem zugrunde liegenden sachlichen Themenbereich nicht als gänzlich eigenständiger Rechtfertigungsgrund erachtet werden können.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

ments existieren.627 Der entscheidende Hinderungsgrund speziell für eine Heranziehung in Fällen reiner Binnenkollision ist aber, dass der Anwendungsbereich von § 193 StGB – der jedenfalls den Ausgangspunkt des betreffenden Rechtfertigungsansatzes darstellt – durch die Beschränkung auf Beleidigungsdelikte auf bipolare Rechtsverhältnisse zugeschnitten ist. Eine Übertragung des Prinzips über jenen Bereich hinaus gerade für die an sich nicht erfassten Fälle reiner Binnenkollision mutet daher unabhängig von der weitergehenden Frage nach der generellen Übertragbarkeit inhaltlich nicht naheliegend an. Auch die Wahrnehmung berechtigter Interessen stellt folglich in Hinblick auf die Lösung der reinen Binnenkollision keine valide Alternative zu den Einwilligungsregeln dar. Ferner böte sich unter Umständen die rechtfertigende Pflichtenkollision als Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision an. Zum einen ist aber zu bedenken, dass der Anwendungsbereich dieses Rechtfertigungsgrundes nach überwiegender Ansicht auf den Widerstreit von Handlungspflichten beschränkt ist.628 Nicht in jeder reinen Binnenkollision liegen jedoch im Ausgangspunkt629 kollidierende Handlungspflichten des Täters vor,630 sodass eine Allgemeingültigkeit des betreffenden Ansatzes von vornherein abzulehnen wäre. Das Erfordernis kollidierender Handlungspflichten führt darüber hinaus auch in Hinblick auf die inhaltliche Kongruenz mit der gesamten Fallgruppe zu Problemen, wenn man den Willen als entscheidendes Element bei reiner Binnenkollision einbezieht. Denn wie bereits dargestellt,631 hängt die schlussendliche Annahme einer Handlungspflicht vom Willen des Betroffenen ab. Hinsichtlich desjenigen Rechtsguts, dessen Verletzung in Einklang mit dem Willen des Berechtigten steht, ist daher in der Folge stets eine Handlungspflicht abzulehnen, sodass die erforderliche pflichtenbezogene Kollision entfällt. Eine Kompatibilität der rechtfertigenden Pflichtenkollision mit der reinen Binnenkollision erscheint aber ohnehin schon konzeptionell unter Berücksichtigung der jeweiligen wesentlichen Charakteristika problematisch. Im Rahmen der Pflichtenkollision liegt der Fokus durch den Rekurs auf die Handlungspflichten als entscheidende Elemente auf dem Täter und dessen Konfliktsituation. Bei der reinen Binnenkollision kommt es hingegen bekanntlich 627

Vgl. zu dieser Problematik etwa Kühl, AT, § 9 Rn. 51 m.w. N. So Erb, JuS 2010, 17, 20; Küper, JuS 1987, 81, 90; Ulsenheimer, JuS 1972, 252, 255; Neumann, in: FS Roxin 2001, S. 421, 428; Lenckner, S. 5. Nach seltener vertretener Ansicht – z. B. von Otto, AT, § 8 Rn. 206 – sind von jenem Instrument auch Konflikte zwischen Handlungs- und Unterlassungspflichten erfasst. Vgl. weiter zur Frage nach der Erstreckung auf die schon in ihrer Existenz strittige Kollision zweier Unterlassungspflichten Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 71/72, 76; Neumann, in: FS Roxin 2001, S. 421, 429 f. 629 Das bedeutet noch ohne Berücksichtigung des Willens. Vgl. zur Sachlage bei Berücksichtigung des letztgenannten Elements sogleich die Ausführungen im Text. 630 Insbesondere in Fällen der reinen Binnenkollision im weiteren Sinne erscheint das Vorliegen kollidierender Handlungspflichten ausgeschlossen. 631 Zu Beginn des Gliederungspunktes D. 628

V. Ergebnis zur Suche eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes

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ausschließlich auf den Willen des Rechtsgutsträgers an. Der Täter spielt insofern lediglich eine untergeordnete Rolle als „Ausführender“ des Willens. Es erscheint daher nicht sachgerecht, zur Lösung des Konflikts einer reinen Binnenkollision auf das täterorientierte Institut der rechtfertigenden Pflichtenkollision zurückzugreifen. Schließlich ist noch auf die prinzipiell denkbare Option einzugehen, die Lösung der reinen Binnenkollision in einem unmittelbaren Rückgriff auf Grundrechte zu erkennen. Schon die teils unkonkrete Weite der Schutzbereiche lässt es dabei aber fraglich erscheinen, ob die Klassifizierung eines Grundrechts als unmittelbar geltender strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund überhaupt möglich ist.632 Selbst wenn man prinzipiell die Heranziehungsmöglichkeit von Grundrechten als strafrechtliche Rechtfertigungsgründe bejahen wollte, wird man jedoch davon richtigerweise im Konkreten nur dann Gebrauch machen können, wenn es nicht einen spezielleren Rechtfertigungsansatz aus dem Strafrecht gibt. Letzteres ist aber gerade für die vorliegend betroffene Grundkonstellation zu konstatieren. Wie gesehen, richtet sich die Lösung der reinen Binnenkollision allein nach der Selbstbestimmung des Rechtsgutsträgers. Aus dem grundrechtlichen Spektrum käme daher allein Art. 2 I GG als Rechtfertigungsansatz in Betracht. Es wurde jedoch bereits ausführlich herausgestellt, dass mit den Einwilligungsregeln ein Instrument existiert, das umfassend auf Art. 2 I GG gründet und dabei gleichzeitig spezifischere, strafrechtsadäquate Ausformungen, Voraussetzungen und Folgen mit sich bringt. Es besteht daher keinerlei Bedarf, in der betreffenden Regelungskonstellation auf den weiter gefassten Art. 2 I GG zurückzugreifen. Zusammenfassend können mithin sämtliche soeben angesprochenen Rechtfertigungsansätze nicht als überzeugende Alternativen zu den Einwilligungsregeln hinsichtlich der Behandlung einer reinen Binnenkollision herangezogen werden.

V. Ergebnis zur Suche eines einheitlichen Rechtfertigungsansatzes bei reiner Binnenkollision Nach Abschluss der vorgenommenen Untersuchung haben sich allein die Einwilligungsregeln als sachgerechter einheitlicher Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision erwiesen. Die Kombination aus Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung erfasst sämtliche Fälle reiner Binnenkollision und gewährleistet dabei die Selbstbestimmung im erforderlichen umfassenden Maße. Der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB weist dagegen schon angesichts des dahinter stehenden Prinzips wechselseitiger Mindestsolidarität keine Kongruenz mit Fällen reiner Binnenkollision auf. Darüber hinaus ist er insbesondere nicht in der Lage, die absolute Wahrung der Autonomie als einzuhaltendes Wesenselement reiner Binnenkollision in struktureller und teils auch inhaltlicher Hinsicht zu gewährleisten. 632

Vgl. dazu die Darstellung bei Kühl, AT, § 9 Rn. 112.

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D. Der einheitliche Rechtfertigungsansatz bei reiner Binnenkollision

Auch der Geschäftsführung ohne Auftrag mangelt es an einer hinreichenden Repräsentation des Autonomieprinzips. Ansonsten gibt es ebenfalls keine weiteren Rechtfertigungsgründe, die taugliche Alternativen zu den Einwilligungsregeln darstellen könnten. Soweit also in der Literatur und Rechtsprechung zur Lösung reiner Binnenkollisionen auf andere Rechtfertigungsansätze als die Einwilligungsregeln zurückgegriffen wird, ist dies nicht als sachgerecht zu werten. In Anbetracht des Bedürfnisses nach einer dogmatisch überzeugenden einheitlichen Handhabung müssen insbesondere auch die herkömmlich als Problemfälle gewerteten Konstellationen mithilfe der Einwilligungsregeln gelöst werden, wenn diese Fälle reiner Binnenkollision verkörpern. Die dabei unter Umständen auftretenden Schwierigkeiten und Besonderheiten werden im Rahmen der die Behandlung von Folgeproblemen und Sonderfällen betreffenden Gliederungspunkte F. und G. näher betrachtet und erörtert werden.

E. Die sachgerechten Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision Nachdem der Fokus der konkret rechtfertigungsbezogenen Erörterung bislang auf der reinen Binnenkollision lag, soll nun die sachgerechte Lösung bei partieller Binnenkollision näher untersucht werden. Im Rahmen der Diskussion der Notwendigkeit einer einheitlichen Handhabung wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine Gleichbehandlung der partiellen Binnenkollision als Ganzes mit der reinen Binnenkollision weder aus Gründen eines einheitlichen Grundprinzips geboten noch inhaltlich möglich ist.1 Allerdings müssen die entwickelten Unterkategorien partieller Binnenkollision jeweils für sich betrachtet auf einen passenden einheitlichen Lösungsansatz hin untersucht werden.2 Innerhalb der betreffenden Gruppen partieller Binnenkollision wird im Folgenden wiederum zum einen auf die Einwilligungsregeln und zum anderen auf § 34 StGB als potentielle Lösungsmöglichkeiten einzugehen sein. Die Geschäftsführung ohne Auftrag soll hingegen keine eigenständige Behandlung erfahren. Denn in Hinblick auf das willensgemäße Verhalten vermag sie keine Vorteile gegenüber den Einwilligungsregeln mit sich zu bringen. Allein § 679 BGB als abgrenzbarer Sonderfall könnte in gewissen Kategorien prinzipiell eine Rolle spielen. Dessen Anwendungsbereich wird im Kontext der partiellen Binnenkollision aber gleichermaßen durch § 34 StGB abgedeckt.3 Letztgenannter enthält dabei jedoch durch die Verankerung der Interessenabwägung nicht nur konkretere Maßstäbe in Hinblick auf die Rechtfertigungsvoraussetzungen.4 Er erfasst darüber hinaus seiner Grundsituation nach

1

Siehe dazu die Ausführungen unter C. II. 2. Vgl. zur Kategorienbildung und dem Erfordernis einer insoweit einheitlichen Betrachtung die Ausführungen unter C. II. 3. 3 Das Kriterium der nicht rechtzeitigen Erfüllung in § 679 BGB legt die Interpretation im Sinne eines Gefahrerfordernisses entsprechend § 34 StGB nahe. Seiler, in: MKBGB, § 679 Rn. 6 lässt es hingegen genügen, dass durch die Vornahme der Handlung im Rahmen des § 679 BGB eine Gefährdung vermieden worden wäre. Der Terminus „nicht rechtzeitig“ impliziert jedoch das Vorliegen einer gewissen Bedrohungslage. Daher erscheint es sachgerechter, bei Erfüllung jenes Merkmals immer auch bereits eine gegenwärtige Gefahr anzunehmen. Sämtliche Fälle partieller Binnenkollision, die unter § 679 BGB fallen würden, ließen sich daher auch unter § 34 StGB fassen. Eine mögliche Überschneidung der Anwendungsbereiche jener Normen kann man allgemein auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55 implizit entnehmen. 4 Dass der Vorteil des § 34 StGB gegenüber § 679 BGB in der Interessenabwägung liegt, klingt auch bei Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55 an. 2

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

auch Fälle partieller Binnenkollision, die mangels Bestehens einer Rechtspflicht5 des Binnenbetroffenen schon tatbestandlich nicht unter § 679 BGB fallen würden. Als denkbare Lösungsmöglichkeit soll daher insoweit nur der weitergreifende § 34 StGB untersucht werden.6 Auch die sonstigen im Rahmen der reinen Binnenkollision angeführten potentiellen Rechtfertigungsgründe erscheinen vorliegend nicht weiterführend.7 Es verbleibt folglich allein die Notwendigkeit der Erörterung der Einwilligungsregeln sowie des rechtfertigenden Notstands. Hinsichtlich beider Rechtfertigungsansätze können dabei die bereits im Kontext der reinen Binnenkollision thematisierten Ausführungen zu Grundgedanke und Rechtfertigungsstruktur fruchtbar gemacht werden. Es bedarf also lediglich einer Diskussion um die Anwendbarkeit8 auf die jeweiligen Kategorien partieller Binnenkollision. Bezüglich der letztgenannten hat sich als entscheidendes Differenzierungs- und Kategorisierungsmerkmal das Verhältnis der beteiligten Drittrechtsgüter zum Rechtsgut Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen herausgestellt.9 An jener Systematisierung wird sich auch die folgende Suche nach dem jeweiligen passenden einheitlichen Lösungsansatz orientieren.10 In Hinblick auf

5

Vgl. zu jenem Erfordernis etwa Seiler, in: MK-BGB, § 679 Rn. 3. Vgl. generell zu einem Vorrang des § 34 StGB vor § 679 BGB Kühl, AT, § 9 Rn. 49; siehe ferner Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 55. 7 Ein Widerstreit kollidierender gleichwertiger Handlungspflichten und damit die prinzipielle Eröffnung des Anwendungsbereichs der rechtfertigenden Pflichtenkollision ist bei partieller Binnenkollision zwar nicht vollständig ausgeschlossen. Beispiele sind aber schwer zu bilden, und muten, wenn es doch gelingen sollte, äußerst konstruiert an. Mangels Vorliegens einer entsprechenden Sachlage innerhalb einer ganzen Unterkategorie scheidet die rechtfertigende Pflichtenkollision jedoch ohnehin als diskussionswürdiger einheitlicher Lösungsansatz im Folgenden aus. Sollte aber dennoch einmal eine solch zugrunde liegende Konstellation gegeben sein, so wäre ein sachlicher Grund ersichtlich, um abweichend von den herkömmlichen einheitlichen Rechtfertigungsanforderungen in der betreffenden Kategorie ausnahmsweise auf die rechtfertigende Pflichtenkollision abzustellen. Denn die Sonderkonstellation des Widerstreits gleichwertiger Handlungspflichten bei lediglich einer einzigen Erfüllungsmöglichkeit statuiert andere Handlungsanforderungen, als sie durch die herkömmlichen Instrumente ausgedrückt werden können; vgl. dazu im Konkreten etwa Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 125 f.; Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 170. Dies macht trotz wesentlicher Gleichheit innerhalb der entsprechenden Kategorie eine spezifische Rechtfertigung im Sinne eines sachlichen Grundes zulässig. 8 Hiermit ist wiederum allein die theoretische Einschlägigkeit gemeint. Ob im konkreten Fall die Voraussetzungen erfüllt sind und der betreffende Ansatz im Ergebnis zur Rechtfertigung führen kann, spielt, wie schon im Rahmen der reinen Binnenkollision zu Anfang des Gliederungspunktes D. erörtert, insoweit keine Rolle. 9 Vgl. dazu speziell die Ausführungen unter C. II. 3. b) bb). 10 Wie im Rahmen der Erörterung der Rechtfertigung bei einer reinen Binnenkollision sollen auch vorliegend im Ausgangspunkt allein irrtumsfreie Konstellationen zugrunde gelegt werden; vgl. bereits Fn. 3 Abschn. D. Die folgende Untersuchung wird daher auf der Sachlage aufbauen, dass eine Kongruenz der Vorstellung des Täters mit der tatsächlich gegebenen Konstellation besteht. Auf den Sonderfall, dass der Han6

E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

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das Kriterium der Einheitlichkeit ist insoweit aber darauf hinzuweisen, dass bereits abstrakt gesehen keine stets gleichgerichtete Rechtfertigungswirkung erforderlich ist.11 Ebenso wenig ist es zur Erfüllung dogmatischer Maßstäbe notwendig, dass nur ein einziger Rechtfertigungsgrund im Rahmen der betreffenden Kategorie zur Anwendung kommt. Wichtig ist allein eine in allen Fällen gleich strukturierte Herangehensweise, um die Merkmale der Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit zu erfüllen. Vor den konkret auf bestimmte Rechtfertigungsgründe bezogenen Ausführungen soll auch vorliegend ein kurzer Verweis auf den Gegenstand potentieller Rechtfertigungen erfolgen. Hierbei ist ebenso wie im Rahmen der Untersuchung der reinen Binnenkollision12 eine Beschränkung denkbarer Rechtfertigungen auf die Verletzung13 straftatbestandlich geschützter Rechtsgüter zu postulieren. Im Gegensatz zur reinen Binnenkollision lässt sich der Rechtfertigungsgegenstand bei partieller Binnenkollision jedoch nicht auf willensgemäßes Verhalten begrenzen.14 Damit entfällt gleichzeitig auch die bei reiner Binnenkollision vorgebrachte Begründung für eine Beschränkung technischer Rechtfertigungen auf Verletzungen durch aktives Tun. Durch die Erfassung willenswidriger Eingriffe

delnde irrtümlich umfassend von einer anderen Kategorie partieller Binnenkollision ausgeht, kann vorliegend nicht ausführlich eingegangen werden. Hierbei hat es zum einen bei dem allgemein gehaltenen, wenn auch freilich nicht sämtliche Problempunkte abdeckenden Verweis zu verbleiben, dass generell über die Grundsätze des Erlaubnistatbestandsirrtums eine mögliche Lösung gefunden werden kann. Des Weiteren ist speziell darauf hinzuweisen, dass im Kontext der irrtümlichen Annahme einer Sachlage in Hinblick auf eine potentielle Heranziehung der Einwilligungsregeln auch das Element des erlaubten Risikos eine Rolle spielt, das willenswidrige Rechtfertigungsergebnisse mittels jenes Instruments ermöglicht. Ein Rückgriff auf Irrtumsregeln wird in der folgenden Diskussion allein unter E. III. im Zusammenhang mit der Vermeidung von Ungereimtheiten bei der Lösung partieller Binnenkollisionen erfolgen. Da insoweit aber nicht die Prämisse zugrunde gelegt wird, dass sich der Täter tatsächlich umfassend eine andere Konstellation vorstellt, als sie wirklich gegeben ist, kommt es zu keinem Widerspruch zu dem hier postulierten Ausschluss der im Ausgangspunkt irrtumsbehafteten Konstellationen. 11 Eine solche ist zwar im Rahmen der reinen Binnenkollision durch die generelle Beschränkung auf willensgemäße Verletzungen prinzipiell gegeben. Dies ist jedoch dem besonderen Einfluss der Selbstbestimmung geschuldet, welcher vorliegend, wie bereits festgestellt, nicht in gleichem Umfang greift. Im Übrigen existieren durch das Element des erlaubten Risikos auch im Kontext der reinen Binnenkollision Ausnahmen von einer völligen Ergebnisgleichheit in Hinblick auf die Rechtfertigungsrichtung im Einzelfall. 12 Die Ausführungen zum Gegenstand der Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision finden sich zu Anfang des Gliederungspunktes D. 13 Vgl. zur hinzuzudenkenden möglichen Rechtfertigung von bloßen Rechtsgutsgefährdungen bereits Fn. 4 Abschn. D. 14 Siehe dazu bereits die grundlegenden Ausführungen unter C. II. 2. und unter C. II. 3. a) sowie sogleich die Ausführungen zur zweiten und vierten Kategorie partieller Binnenkollision unter E. I. 2. und E. II. 2.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

kommt es nämlich nicht mehr zwingend zu einer Übereinstimmung von Wille und Gutsverletzung und mithin zu der daraus resultierenden prinzipiellen Ablehnung der Grundlage einer Handlungspflicht. Folglich ist eine potentielle Rechtfertigung insoweit nicht stets mangels Tatbestandsmäßigkeit konstruktiv versperrt. Die Möglichkeit der Rechtfertigung eines Unterlassens ließe sich im Rahmen der partiellen Binnenkollision aber unter Umständen auf anderem Wege verneinen. So entspricht es einer weitverbreiteten Ansicht, innerhalb des unechten Unterlassungsdelikts die Zumutbarkeit des Handelns bereits als Tatbestandsvoraussetzung zu sehen.15 Im Kontext des § 323c StGB wird eine solche Deutung aufgrund der Gesetzesformulierung sogar noch weitergehender vertreten.16 Ob eine derartige Einordnung generell sachgerecht erscheint, soll hier nicht näher thematisiert werden. Es ist allein auf die vorliegend speziell maßgebliche Fallgestaltung einzugehen, dass man bei Ausübung der Rettungshandlung ein verbotenes Verhalten an den Tag legen würde. Eine derartige Lage wird teils als unzumutbar angesehen.17 Innerhalb einer Kollisionssituation, um die es vorliegend allein geht, ist die Rettung eines Gutes, sprich die Ausübung einer entsprechenden Handlungspflicht, indessen zwingend mit der Verletzung oder zumindest Gefährdung eines anderen Gutes verbunden. Wenn man nun die Arbeitshypothese aufstellt, dass die durchgreifende Rechtfertigung eines Unterlassens stets mit einer gleichzeitigen hypothetischen Rechtswidrigkeit der Rettungshandlung gekoppelt ist,18 würde bei der Bejahung einer Rechtfertigungswirkung immer auch die Unzumutbarkeit des Handelns gegeben sein. Mit der dargestellten Auffassung, dass die Unzumutbarkeit bereits zur Tatbestandslosigkeit führe, könnte man demnach in der betreffenden Konstellation konstruktiv nie zur Annahme der Rechtfertigung eines Unterlassens kommen. Problematisch an einer solchen Herangehensweise ist allerdings, dass durch die entsprechende Bestimmung der Unzumutbarkeit Erwägungen in die Tatbestandsmäßigkeit eines Unterlassens einfließen, die sich erst durch eine hypothetische Prüfung der Rechtfertigung des potentiellen Tuns ergeben. Eine solche Vermengung unterschiedlicher Ebenen erscheint aus dogmatischer Perspektive nicht hinnehmbar.19 Folglich liegt der sach-

15

Vgl. dazu etwa Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 17 m.w. N. Siehe zur Interpretation der Zumutbarkeit als Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 323c StGB z. B. Sternberg-Lieben/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 323c Rn. 18. 17 Vgl. etwa Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 18 m.w. N. 18 Dies kann an der vorliegenden Stelle freilich nur generell ohne nähere Analyse der konkret einschlägigen Rechtfertigungsgründe postuliert werden. Vgl. zu jener Thematik unter Rückgriff auf die Ergebnisse der Betrachtung der passenden Rechtfertigungsansätze nochmals speziell Fn. 55 Abschn. E. 19 Zwar werden im Rahmen des Unterlassungsdelikts als solchem speziell auch durch die Inkorporierung der Garantenstellung in größerem Umfang als gewöhnlich Einzelfallelemente im Tatbestand verankert. Die diesbezügliche Bedeutung des Willens verfügt sogar mit den Einwilligungsregeln grundsätzlich über ein Pendant auf Rechtfertigungsebene. In der vorliegend diskutierten Konstellation würden bei einer Berück16

E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

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gerechte Weg darin, die Frage nach der Erlaubtheit der Rettungshandlung aus dem tatbestandlich relevanten Bereich vollständig auszuklammern. Der Gedanke, dass eine verbotene Rettungshandlung nicht verlangt werden kann, erfährt sodann im Kontext der Rechtfertigung seine Berücksichtigung, indem bei Vorliegen einer hypothetisch rechtswidrigen Rettungshandlung das Unterlassen als gerechtfertigt anzusehen20 ist.21 Auf diese Weise werden Wertungswidersprüche mit generellen Erwägungen des Deliktsaufbaus vermieden und damit die erforderlichen dogmatischen Grundsätze gewahrt. Der Weg für die potentielle Rechtfertigung eines Unterlassens im Rahmen partieller Binnenkollision ist mithin nicht von vornherein versperrt.22 Die Aussagen zur Erweiterung des Rechtfertigungsgegenstandes auf willenswidrige Verletzungen und damit auch auf Eingriffe durch Unterlassen gelten freilich in dieser Allgemeinheit lediglich für die Gruppe der partiellen Binnenkollision als Ganzes. Innerhalb der einzelnen Unterkategorien lassen sich dagegen durchaus konkretere Aussagen hinsichtlich einer potentiellen näheren Beschränkung des Rechtfertigungsgegenstandes treffen. Hierauf wird an den entsprechenden Stellen jeweils gesondert hingewiesen werden.23

sichtigung der betreffenden Erwägungen auf Tatbestandsebene aber nicht lediglich gleichermaßen einzelne Elemente in den Tatbestand überführt, die ebenfalls auf Rechtfertigungsebene von Relevanz sein könnten. Es fände vielmehr systemwidrig eine vollständige Verlagerung einer Rechtfertigungsprüfung auf die vorherige Ebene statt. 20 Für eine Lösung auf Rechtfertigungsebene, allerdings unabhängig vom Aspekt der Unzumutbarkeit diskutiert, auch Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, § 15 Rn. 18. 21 Vgl. dazu im Konkreten ebenfalls Fn. 55 Abschn. E. mit näheren Hinweisen. 22 Richtigerweise hat dies sowohl bei unechten als auch bei echten Unterlassungsdelikten zu gelten. Eine abweichende Behandlung erscheint nur dann angezeigt, wenn das Unterlassen nicht der Bewahrung fremder, sondern eigener Güter dient. Hierbei führt nämlich die Frage nach der hypothetischen Erlaubtheit eines Eingriffes zur Rettung nicht weiter. Schließlich sind Selbstverletzungen bekanntlich nicht tatbestandsmäßig. Eine hilfsweise unterstellte Betroffenheit eines Drittrechtsgutes könnte indessen den zugrunde liegenden Konflikt des potentiellen Täters nicht sachgerecht abbilden. In jenen Konstellationen sollte daher besser bei Bedarf bereits nach objektiv zu bestimmenden Kriterien die Tatbestandsmäßigkeit verneint werden; so im Ergebnis auch Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 5. Wollte man die Zumutbarkeit prinzipiell als eigenständiges Merkmal des Tatbestandes beibehalten und nur die Prüfung der hypothetischen Erlaubtheit ausklammern, so würde die Tatbestandserfüllung in der vorliegend angesprochenen Konstellation an jener Stelle verneint werden. Alternativ könnte man die betreffende Erwägung aber auch als – tatbestandlich wirkende – Begrenzung der aus der Garantenstellung folgenden Pflicht zum Handeln ansehen; in diesem letztgenannten Sinne lässt sich Wohlers/Gaede, in: NK-StGB, § 13 Rn. 17 interpretieren. 23 Die diesbezüglichen Ausführungen bleiben entsprechend der Aussage in Fn. 10 Abschn. E. wiederum auf irrtumsfreie Konstellationen beschränkt. Es gilt jedoch zu bedenken, dass in gewissen Fällen der irrigen Vorstellung einer anderweitigen Kategorie Modifikationen hinsichtlich potentieller Rechtfertigungsgegenstände angebracht sein können.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

I. Beteiligung aller Drittrechtsgüter auf derselben Kollisionsseite 1. Parallelität aller Drittrechtsgüter mit der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen Zunächst ist die Fallkonstellation zu betrachten, dass sämtliche beteiligten Drittrechtsgüter gleichermaßen auf der Seite der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen streiten. Als Beispiel kann etwa die Situation genannt werden, dass man als Eigentümer eines Mantels dem Handelnden gestattet, ein Stück Stoff aus dem Kleidungsstück zu reißen, um damit die Blutung eines Dritten zu stillen und diesen so vor dem Verbluten zu bewahren. Das Binnenelement stellt hierbei eine Binnenkollision im weiteren Sinne dar. Will man dagegen ein Beispiel mit einer Binnenkollision im engeren Sinne bilden, so ist die bereits in jenem Zusammenhang24 angesprochene Konstellation der schadhaften Wasserleitung zu nennen, in der die Zerstörung der Tür bzw. des Fensters des binnenbetroffenen Eigentümers nicht nur dessen Inventar, sondern auch dasjenige eines Mieters schützen würde und beide die Rettung des Inventars wünschen. Im Rahmen der vorliegend thematisierten Kategorie wird eine Binnenkollision zwingend durch Drittrechtsgüter auf der Seite der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen ergänzt. Damit würde von einer Verletzung der Drittrechtsgüter und der Selbstbestimmung nur das abstrakte Gut des Binnenbetroffenen profitieren. Da letztgenanntes aber allein seinem Inhaber dient, kann es nicht vertretbar sein, insoweit dessen Willen zu überspielen. Denn dies würde ohne jegliche Legitimationsbasis den Gewährleistungsgehalt der Selbstbestimmung in Hinblick auf das betroffene Gut aushöhlen. Eine Rechtfertigung ist folglich nur bei Wahrung der die Selbstbestimmung inkorporierenden Kollisionsseite, sprich bei Verletzung des allein positionierten abstrakten Rechtsguts des Binnenbetroffenen, denkbar. Diese Feststellung hat Auswirkungen auf den von der betreffenden Kategorie erfassten Rechtfertigungsgegenstand. So führt das Erfordernis der Willenswahrung – neben dem ihm naturgemäß innewohnenden eigenständigen Beschränkungsumfang – ebenso wie im Rahmen einer reinen Binnenkollision zusätzlich zu einer Eingrenzung des Rechtfertigungsgegenstandes auf Verletzungen durch aktives Tun. Grund dafür ist wiederum die bereits ausgeführte Bindung des Fundaments einer Handlungspflicht an den Willen des Betroffenen, die auch vorliegend im Ergebnis ein Entfallen des Tatbestandes bei einer willensgemäßen Rechtsgutverletzung durch Unterlassen bedingt. Zur Illustrierung kann die Konstellation genannt werden, dass zwar allein das Inventar des Hauseigentümers betroffen ist, zur dessen Rettung aber zwei Türen zerstört werden müssen, wovon eine im Eigentum des Binnenbetroffenen und die andere im Eigentum des Dritten steht. Wenn nun beide Beteiligte die Türen vor Schäden bewahren wollen, sprich jeweils eine entsprechend ausgestaltete Selbstbestimmung vorliegt, befinden sich 24

Unter C. II. 3. b) bb) (1), S. 84.

I. Beteiligung aller Drittrechtsgüter auf derselben Kollisionsseite

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alle Drittrechtsgüter auf der Seite der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Als legitimationswürdige Rechtsgutsverletzung durch einen potentiellen Garanten kommt mithin allein diejenige am Inventar in Betracht, die aus der Nichtvornahme der Rettung folgt. Da aber kein Wille des Binnenbetroffenen zur Rettung des Inventars festzustellen ist, muss dabei bereits die Garantenstellung entfallen und in der Konsequenz die Tatbestandserfüllung abgelehnt werden. a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln Zunächst soll im Folgenden die Frage erörtert werden, ob man die Verletzungen, die sich als potentielle Rechtfertigungsgegenstände innerhalb der aktuell diskutierten Kategorie herausgestellt haben, mithilfe der Einwilligungsregeln rechtfertigen kann. Hierbei lässt sich argumentativ eine Parallele zur reinen Binnenkollision anführen.25 Eine solche existiert nämlich nicht nur in Hinblick auf das Verbot willenswidriger Rechtfertigungen und die damit einhergehende Beschränkung des Rechtfertigungsgegenstandes auf willensgemäße Verletzungen durch aktives Tun. Sie zeigt sich insbesondere auch in der konstituierenden Rolle der Selbstbestimmung für die konkrete Erlaubnis der Verletzung. Bereits innerhalb der reinen Binnenkollision hat sich insoweit herausgestellt, dass die Beweggründe, die der Gestattung einer Verletzung zugrunde liegen, für die betreffende Einordnung und Behandlung der Situation irrelevant sind. So kann es für die Beurteilung nach den Grundsätzen der reinen Binnenkollision keinen Unterschied machen, ob man mit der Verletzung schlicht jemandem einen – nicht rechtsgutsbezogenen – Gefallen tun will26 und damit eine Binnenkollision im weiteren Sinne vorliegt, oder ob ein eigenes Rechtsgut im Sinne einer Binnenkollision im engeren Sinne zur Rettung in Rede steht. Auch wenn nun, wie in den aktuell relevanten Beispielen, Drittrechtsgüter gewahrt werden sollen, handelt es sich insoweit wiederum lediglich um Motive für die Ausübung der Selbstbestimmung. In allen Fällen bleibt letztgenannte dasjenige Element, das den Grundstein für die Anerkennung einer Verletzung des betreffenden Bezugsobjektes darstellt, unabhängig davon, was an unterstützenden Erwägungen hinzukommt. Die Wahrung der Selbstbestimmung lässt sich folglich im Ergebnis auch im Rahmen der vorliegend thematisierten Fallgruppe partieller Binnenkollision als legitimierendes Element ansehen. Ebenso ist der Gedanke des Rechtsschutzverzichts hierbei sinnvoll zu integrieren. Denn dem Binnenbetroffenen ist, wie auch im Rahmen der reinen Binnenkollision, daran gelegen, dass die Handlung ausgeführt und mithin sein Wunsch erfüllt wird. Damit stehen die wesentlichen Charakteristika 25 Dass aber aufgrund der anders strukturierten Beteiligtensphäre insoweit keine wesentliche Gleichheit mit der reinen Binnenkollision angenommen werden kann, wurde bereits in Fn. 32 Abschn. C. angesprochen. 26 Man gestattet beispielsweise die Zerstörung eines eigenen Kleidungsstückes, da die Ehefrau es ohnehin schon lange aus ästhetischen Gründen ausrangieren wollte.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

der Einwilligungsregeln in Einklang mit der betreffenden Kategorie partieller Binnenkollision. Jener Rechtfertigungsansatz fungiert also diesbezüglich als eine sachgerechte Lösungsmöglichkeit.27 Mit dieser Feststellung ist auch die Grundlage für die Subsumtionsmöglichkeit von Fällen partieller Binnenkollision unter die Fallgruppen der mutmaßlichen Einwilligung gegeben.28 Konkret ist in diesem Zusammenhang auszuführen, dass die in Rede stehende Konstellation des Hinzutretens sämtlicher Drittrechtsgüter auf der Seite der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen zum einen gegeben sein kann, wenn als beteiligtes Binnenelement eine Binnenkollision im engeren Sinne und damit ein Handeln im Interesse des Betroffenen vorliegt. Zudem ist sie auch bei einer Binnenkollision im weiteren Sinne als Binnenelement und somit im Falle eines Handelns zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten denkbar. Unabhängig davon, in welchen darüber hinausgehenden Konstellationen die mutmaßliche Einwilligung eventuell noch eine partielle Binnenkollision zu betreffen vermag, ist mithin bereits vorliegend die Erstreckung der Fallgruppen des Handelns im Interesse des Betroffenen und des Handelns zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten auf partielle Binnenkollisionen als bestätigt anzusehen.29 b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB Zu erörtern ist weiter, ob trotz einer prinzipiellen Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln auf die in Rede stehende Kategorie partieller Binnenkollision zusätzlich auch ein Rückgriff auf § 34 StGB möglich ist. Im Kontext der reinen Binnenkollision hat sich § 34 StGB, wie gesehen, bereits sachlich als nicht zur Lösung geeignet erwiesen. Eine Heranziehung beider Rechtfertigungsansätze und die damit zusammenhängende Konkurrenzproblematik war daher nicht mehr zu behandeln. Vorliegend gilt es nun zu untersuchen, ob in Hinblick auf die aktuell diskutierte Kategorie partieller Binnenkollision dieselben Maßstäbe hinsichtlich der inhaltlichen Unanwendbarkeit des rechtfertigenden Notstands gelten

27 Durch die herausgestellte Bedeutung der Selbstbestimmung als konstitutiv einzuhaltendes Element für die Rechtfertigung und die daraus resultierenden Gemeinsamkeiten mit einer reinen Binnenkollision kann eine wesentliche Ungleichheit letztgenannter im Verhältnis zu der in Rede stehenden Kategorie partieller Binnenkollision nicht vertreten werden. Einer Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln in beiden Fällen stehen mithin auch unter Berücksichtigung der Vorgaben aus Fn. 10 Abschn. C. keine Hindernisse entgegen. 28 Die Kongruenz von mutmaßlicher Einwilligung und partieller Binnenkollision wurde im Rahmen der Ausführungen unter D. II. c) noch ohne inhaltliche Befassung vorausgesetzt. Dort finden sich auch die Definitionen und Charakteristika der Fallgruppen, auf die vorliegend rekurriert wird. 29 Siehe zu der Frage, ob eine Subsumtion unter die beiden Fallgruppen mutmaßlicher Einwilligung auch dann denkbar ist, wenn ein weiteres Drittrechtsgut in antagonistischer Position beteiligt ist, die Ausführungen in Fn. 48 Abschn. E.

I. Beteiligung aller Drittrechtsgüter auf derselben Kollisionsseite

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oder ob sich relevante Unterschiede ausmachen lassen, die eine tatbestandliche Einschlägigkeit des § 34 StGB begründen können. Als Prinzip hinter dem rechtfertigenden Notstand hat sich richtigerweise der Gedanke wechselseitiger Mindestsolidarität erwiesen. Während dieser im Rahmen des Widerstreits von Rechtsgütern allein einer Person unter anderem mangels Bestehens eines versicherungsgleichen Gegenseitigkeitsverhältnisses keine Überzeugungskraft aufweisen konnte, ist bei Beteiligung mindestens eines Dritten das dafür erforderliche Mehrpersonenverhältnis gegeben. Die Rettung der Güter des anderen kann man insoweit als eine Solidaritätsleistung ansehen, die speziell unter Berücksichtigung der Option erfolgt, im umgekehrten Fall ebenfalls profitieren zu können. Dies gilt sowohl, wenn eine Binnenkollision im weiteren als auch im engeren Sinne seitens des Binnenbetroffenen gegeben ist. Das Prinzip hinter § 34 StGB steht der Anwendbarkeit jener Norm auf die aktuell behandelte Kategorie partieller Binnenkollision insoweit folglich nicht entgegen. Darüber hinaus hat die Beteiligung von Drittrechtsgütern auch Auswirkungen auf die mit Kongruenzfolgen verbundene Frage, ob man in der betreffenden Grundkonstellation wie bei der reinen Binnenkollision eine umfassende Autonomiewahrung als strikt einzuhaltendes Wesenselement statuieren muss. Im Rahmen der reinen Binnenkollision ist das Verbot des Einflusses von Drittfaktoren der alleinigen Beteiligung eines einzigen Rechtsgutsträgers geschuldet. Die partielle Binnenkollision hingegen ist gerade durch die Beteiligung mindestens eines weiteren Rechtsgutsträgers geprägt, womit ein vergleichbarer konzeptioneller Ausschluss der Berücksichtigung von Drittinteressen ausscheidet. Rein strukturelle Vorwürfe in Hinblick auf eine mangelnde Repräsentation des Autonomiegedankens erscheinen daher vorliegend nicht ebenso einschneidend wie im Rahmen der reinen Binnenkollision. Der konzeptionelle Mangel des Solidaritätsgedankens bezogen auf die Wahrung des Autonomieprinzips bringt mithin bei der aktuell behandelten Kategorie partieller Binnenkollision keine mit der reinen Binnenkollision vergleichbaren negativen Auswirkungen für die Anwendbarkeit mit sich. Ferner wurde bei der reinen Binnenkollision im Kontext der erforderlichen Autonomiegewährleistung auf eine strukturelle Inkompatibilität mit dem objektiven Abwägungsvorgang hingewiesen. Bei der partiellen Binnenkollision sind indessen durch die Beteiligung von Drittrechtsgütern unabhängig von deren Positionierung stets externe Elemente an der Abwägung beteiligt. Eine vollständig subjektive Abwägung scheidet also bereits konzeptionell aus, sodass die angesprochenen Kompatibilitätshindernisse diesbezüglich schon im Grundsatz nicht auftreten können. Keine Konflikte gibt es außerdem in Hinblick auf eine strukturelle bzw. konzeptionelle Inkongruenz der Pflicht zur absoluten Autonomiewahrung mit dem Merkmal des wesentlichen Überwiegens. Das bedeutet aber nicht, dass jenes letztgenannte Element vorliegend einer Kongruenz im Ergebnis nicht entgegenstehen könnte. Die des Weiteren mit dem betreffenden Erfordernis verbundene inhaltliche Torpedierung der Autonomiewahrung lässt sich nämlich

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

auch im Rahmen der in Rede stehenden Kategorie partieller Binnenkollision als Kongruenzhindernis vorbringen. Eine Pflicht zur Autonomiewahrung resultiert zwar, wie gesehen, nicht aus der Konzeption der Konstellation in Hinblick auf die Anzahl der Beteiligten. Sie entspringt aber in der aktuellen Kategorie zumindest der spezifischen Positionierung der Drittrechtsgüter. Jene bedingt richtigerweise nicht nur das Verbot einer willenswidrigen Rechtfertigung, sondern ist auch im Sinne einer Verpflichtung zur Ermöglichung jeder willensentsprechenden Rechtfertigung zu verstehen. Denn die zu rettenden Drittrechtsgüter untermauern sogar die Bedeutung der Selbstbestimmung, sodass es nicht sachgerecht erscheint, deren Durchschlagskraft durch ein zusätzliches Hindernis zu torpedieren. Darüber hinaus kommt im Zusammenhang mit dem wesentlichen Überwiegen hinzu, dass auch der Aspekt des Schutzes vor übermäßiger Inanspruchnahme nicht sinnhaft erklärt werden kann. Schließlich besteht in der entsprechenden Konstellation angesichts der Beschränkung potentiell gerechtfertigten Verhaltens auf willensgemäße Verletzungen schon dem Wesen nach keine Gefahr einer übermäßigen Inanspruchnahme. Mit Rekurs auf jene Beschränkung lässt sich ferner innerhalb der betreffenden Kategorie auch die Statuierung einer Duldungspflicht nicht sinnhaft erklären. Denn wie bereits im Rahmen der reinen Binnenkollision thematisiert, ist eine solche nicht mit der Rolle der Selbstbestimmung als entscheidender Legitimationsfaktor in Einklang zu bringen. Eine Kongruenz des § 34 StGB mit der in Rede stehenden Kategorie partieller Binnenkollision ist folglich auch aus diesem Grunde abzulehnen. Zusammenfassend bedeutet dies, dass § 34 StGB bereits im Wege der Auslegung nicht auf die Kategorie der Parallelität der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen mit sämtlichen Drittrechtsgütern anwendbar ist. Es verbleibt daher innerhalb jener Kategorie bei der alleinigen Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln. Konkurrenzrechtliche Probleme zwischen den beiden Rechtfertigungsansätzen treten mithin insoweit nicht auf. 2. Antagonistische Positionierung aller Drittrechtsgüter zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen Die zweite zu behandelnde Kategorie partieller Binnenkollision zeichnet sich dadurch aus, dass sämtliche beteiligten Drittrechtsgüter antagonistisch zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen positioniert sind. Beispielhaft handelt es sich etwa dann um die betreffende Konstellation, wenn im Falle der schadhaften Wasserleitung nur dem Hauseigentümer Schäden an dessen Inventar drohen, zu deren Verhinderung jedoch Türen eingeschlagen werden müssen, von denen eine im Eigentum des Hauseigentümers und die andere im Eigentum eines Mieters steht und allein letztgenannter den Eingriff ablehnt.30 Dieses Beispiel enthält als Bin30

Vgl. zu diesem Beispiel bereits C. II. 3. b) bb) (1), S. 84.

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nenelement eine Binnenkollision im engeren Sinne. Zur Illustrierung einer Fallkonstellation mit einer Binnenkollision im weiteren Sinne ist die Situation zu schildern, dass im Einklang mit dem Willen des Eigentümers ein Baum gefällt wird, obgleich mit jener Aktion zwingend auch die Beschädigung des Zaunes eines Nachbarn verbunden ist, welcher den Eingriff missbilligt. In der vorliegend in Rede stehenden Kategorie partieller Binnenkollision lässt sich ein prinzipielles Verbot der Rechtfertigung von Verhaltensweisen, die entgegen dem Willen des Binnenbetroffenen erfolgen, nicht mehr postulieren. Ein derartiger Eingriff dient nämlich stets der willentlichen Wahrung von Rechtsgütern eines Dritten, und es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum sich allein die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen und nicht die des Dritten durchsetzen können sollte.31 In Anbetracht der Parallelität der Bedeutung von Gütern des Staates oder der Allgemeinheit zu Individualrechtsgütern mit danebenstehender Selbstbestimmung32 lässt sich jener zuvor aufgeführte Gedanke auch bei Beteiligung der soeben genannten Güter entsprechend fruchtbar machen. Selbstredend ist die betreffende Argumentation aber ebenfalls im umgekehrten Falle heranzuziehen. Auch Verletzungen zulasten von Drittbeteiligten zum Zwecke der Wahrung der Selbstbestimmung bzw. damit verbundenen sonstigen Gütern des Binnenbetroffenen sind folglich nicht von vornherein ausgeschlossen. Eine potentielle Rechtfertigung ist mithin nicht zugunsten eines Beteiligten vorkonturiert. Konkret bedeutet diese Offenheit der Rechtfertigungslage, dass sowohl willensgemäße33 als auch willenswidrige Verletzungen der Güter des Binnenbetroffenen zu einer Rechtfertigung führen können.34 In Bezug auf willenswidrige Verletzungen sind dabei zum einen Schädigungen durch aktives Tun als potentielle Rechtfertigungsgegenstände denkbar. Zum anderen kommen aber auch willenswidrige Eingriffe durch Unterlassen als Rechtfertigungsgegenstände in Betracht. Denn wie bereits dargelegt, steht die Selbstbestimmung einer tatbestandlichen begründeten Handlungspflicht insoweit nicht mehr entgegen, sodass die Rechtfertigungsebene nicht zwingend aufgrund fehlender Tatbestandsmäßigkeit verschlossen bleibt. Ein möglicher Fall der Rechtfertigung eines Unterlassens zulasten des Binnenbetroffenen ist etwa im genannten Ausgangsbeispiel gegeben, wenn ein Garant die Rettung des einzig gefährdeten Inventars des Hauseigentümers gegen dessen Willen unterlässt, um neben der Tür des Hauseigentümers die wertvolle Tür des Mieters mit entsprechendem Willen des Berechtigten zu 31 Vgl. zu ähnlichen Erwägungen die Ausführungen unter C. II. 2., wenn diese sich auch auf ein Beispiel einer anderen Kategorie partieller Binnenkollision beziehen. 32 Siehe dazu die Erörterungen unter C. II. 3. b) bb) (2), S. 86. 33 Vgl. zu deren konkretem Auftreten im Rahmen der vorliegend besprochenen Kategorie partieller Binnenkollision sogleich die Ausführungen im kommenden Absatz. 34 Im Falle einer Binnenkollision im weiteren Sinne als beteiligtes Binnenelement scheitert eine diesbezügliche potentielle willenswidrige Rechtfertigung jedoch schon an der mangelnden Tatbestandsmäßigkeit der Selbstbestimmungsverletzung als solcher.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

bewahren. Bei willensgemäßen Verletzungen des Binnenbetroffenen bleibt es hingegen bei der Kongruenz von Wille und Verletzung und der daraus resultierenden mangelnden Begründung einer Handlungspflicht, womit einer Rechtfertigung durch die fehlende Tatbestandserfüllung von vornherein den Raum genommen wird. Die aufgrund der Offenheit der Rechtfertigungslage ferner legitimierungsfähigen Verletzungen von Drittrechtsgütern sind der Konstellation nach allerdings auf willenswidrige Eingriffe beschränkt. Schließlich streiten sämtliche Drittrechtsgüter auf einer Seite, sodass es bei insoweit willensgemäßem Vorgehen nicht zu einem Gutseingriff zulasten des Dritten kommen könnte. Eingriffe in Güter von Dritten lassen sich sowohl in Gestalt eines aktiven Tuns als auch bei einem Unterlassen rechtfertigen. Sie stehen dabei jedoch naturgemäß in keinem Fall alleine da. Jede Beeinträchtigung eines Drittrechtsguts hat immer gleichzeitig die Verletzung oder Gefährdung eines abstrakten Gutes des Binnenbetroffenen zur Folge. Dies ist der notwendigen Beteiligung einer Binnenkollision als entscheidendem Grundelement geschuldet. So würde im eingangs genannten Beispiel nicht nur die willenswidrige Verletzung der Tür des Mieters, sondern auch die Zerstörung der Tür des Eigentümers einen zu rechtfertigenden Faktor darstellen. Da die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen allerdings stets entgegengesetzt zu den Drittrechtsgütern positioniert ist, handelt es sich bei der angesprochenen Verletzung des abstrakten Rechtsguts des Binnenbetroffenen immer um eine – bereits als denkbar herausgestellte – willensgemäße Verletzung. Jenes doppelte, invers ausgestaltete Legitimationsbedürfnis gilt es im Auge zu behalten, wenn nun auf die konkreten Rechtfertigungsmöglichkeiten im Rahmen der betreffenden Kategorie partieller Binnenkollision eingegangen werden wird. a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln Wie bereits mehrfach betont, liegt der Grundgedanke der Einwilligungsregeln in der Wahrung der Selbstbestimmung. Die Einwilligungsregeln führen also prinzipiell allein zur Legitimierung willensgemäßer Verletzungen. Damit scheidet der betreffende Lösungsweg aus, wenn es um die Rechtfertigung von Verletzungen an Rechtsgütern des Binnenbetroffenen geht, die parallel zur Selbstbestimmung positioniert sind und mithin naturgemäß nur willenswidrig beeinträchtigt werden können.35 Indem denkbare Rechtfertigungen zulasten von Drittrechtsgütern auf willenswidrige Eingriffe beschränkt bleiben, können die Einwilligungsregeln auch insoweit nicht weiterführen. Zwar ist mit derartigen Verletzungen, wie gesehen, stets gleichzeitig die willensgemäße Verletzung eines abstrakten Gutes des Binnenbetroffenen verbunden. Die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen ver35 Dieser dargestellte Ausschluss gilt zumindest für irrtumsfreie Konstellationen, auf welche die vorliegende Untersuchung begrenzt bleibt. Vgl. diesbezüglich bereits den – weiterführenden – Hinweis in Fn. 10 Abschn. E.

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mag jedoch in Bezug auf die Drittrechtsgüter keinerlei rechtfertigende Wirkung zu entfalten. Man ist schließlich nicht dazu befugt, wirksam über fremde Güter zu disponieren bzw. in jener Hinsicht auf Rechtsschutz zu verzichten. Anders gestaltet sich die Sachlage hingegen, wenn man die Einbuße an dem abstrakten Gut des Binnenbetroffenen betrachtet. Dessen Beschädigung steht gerade in Einklang mit der Selbstbestimmung des dazugehörigen Rechtsgutsträgers, ist anders gesprochen sogar Ausdruck dieser Selbstbestimmung. Hinsichtlich der betreffenden konkreten Verletzung will und kann der Betroffene auch wirksam auf Rechtsschutz verzichten. Insoweit ist folglich der typische Anwendungsbereich der Einwilligungsregeln gegeben. Fraglich erscheint jedoch, ob man die Verletzung der Rechtsgüter des Dritten einerseits sowie die parallel liegende Verletzung des Binnenbetroffenen andererseits in Hinblick auf die Rechtfertigung überhaupt einer solch getrennten Betrachtung unterziehen kann, wie sie soeben erfolgt ist. Nach den Merkmalen des Kollisionsbegriffs ist es vorliegend erforderlich, dass die auf einer Seite befindlichen Rechtsgüter des Binnenbetroffenen nur weiterbestehen können, wenn sämtliche antagonistisch positionierten Güter verletzt bzw. zumindest preisgegeben werden, wobei das betreffende Erfordernis gleichermaßen auch im umgekehrten Fall erfüllt sein muss.36 Da sämtliche Drittrechtsgüter und mindestens ein Gut des Binnenbetroffenen gemeinsam eine Seite der Kollision darstellen, machen sie gerade und nur in ihrer Gesamtheit einen der beiden entscheidenden Parameter der Kollisionsdefinition aus. Somit sind auch die diesbezüglichen Verletzungen zwingend miteinander verknüpft. Es handelt sich folglich um einen nicht trennbaren Lebenssachverhalt. Eine einheitliche Handhabung erscheint daher nach dogmatischen Grundsätzen eine Notwendigkeit. Wie bereits angesprochen, bedeutet eine solche jedoch nicht zwingend, dass lediglich die Wahl eines einzigen gemeinsamen Rechtfertigungsgrundes zulässig wäre, solange die Grenzen der Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit gewahrt werden.37 Dasjenige Kriterium, das im Kontext der in Rede stehenden Sachlage die unterschiedliche Behandlung hervorruft, ist die Frage nach der Übereinstimmung mit dem Willen des Berechtigten. Diese ist dabei stets in gleicher Weise getrennt ausgestaltet: Die Verletzung der Drittrechtsgüter erfolgt immer willenswidrig, während die gleichzeitige Verletzung des abstrakten Gutes des Binnenbetroffenen stets mit Willen des Berechtigten geschieht. Hierin kann man wiederkehrende, immer gleich strukturierte Parameter erkennen. Wenn sich die entsprechende Behandlung zudem inhaltlich immer nach den gleichen Kriterien richtet, sind die dogmatischen Anforderungen der Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit gewahrt und eine getrennte Betrachtung ist insoweit nicht zu beanstanden. Man kann daher ohne Widerspruch gegen das Erfordernis einer einheitlichen Rechtfertigung 36 37

Vgl. zur Definition des Kollisionsbegriffs die Ausführungen unter B. IV. 1. Siehe dazu die einleitenden Aussagen unter E.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

festhalten, dass willensgemäße Verletzungen von Gütern des Binnenbetroffenen einer Rechtfertigungsmöglichkeit durch die Einwilligungsregeln unterliegen, wohingegen hinsichtlich der gleichzeitigen willenswidrigen Beeinträchtigung von Drittrechtsgütern jenes Rechtfertigungsinstitut nicht zu greifen vermag. Dass eine solche Trennung rechtlich zulässig ist, bedeutet allerdings nicht zwingend, dass sie auch in jedem Fall möglich wäre. Werden durch die zu rechtfertigende Tat Güter mehrerer Personen verletzt, die durch verschiedene Rechtsobjekte repräsentiert werden, ist eine derartige Handhabung unproblematisch. Eine partielle Binnenkollision kann jedoch auch dann gegeben sein, wenn auf der fraglichen Seite lediglich ein Objekt streitet, das dem Binnenbetroffenen sowie mindestens einem Dritten gemeinsam zusteht.38 Praktisch relevant wird dies insbesondere in Hinblick auf Eigentumsdelikte, beispielsweise wenn im Kontext der schadhaften Wasserleitung zur Rettung des Inventars nur eine Tür beschädigt werden muss, die aber im Miteigentum des Binnenbetroffenen und eines Dritten steht. Zwar kann man bezogen auf bestehende Miteigentumsanteile von der Beteiligung mehrerer Rechtsgüter sprechen. Es erscheint jedoch nicht sachgerecht, bei einem einheitlichen Objekt eine Teilrechtfertigung zuzulassen. Schließlich ist das Strafrecht, anders als das Zivilrecht, weniger formalistisch, sondern mehr an tatsächlichen Gegebenheiten orientiert. Für die Frage, ob ein beeinträchtigendes Handeln oder Unterlassen rechtmäßig ist, muss daher – im Gegensatz zu einer Beteiligung mehrerer Tatobjekte – in der aktuell besprochenen Konstellation richtigerweise eine gemeinsame Betrachtung erfolgen. Da die Einwilligungsregeln in Hinblick auf Drittbeteiligte, wie gesehen, im Rahmen der betreffenden Kategorie partieller Binnenkollision mangels entsprechend positionierter Selbstbestimmung nicht zu greifen vermögen, ist die Anwendbarkeit jenes Rechtfertigungsansatzes folglich im Ergebnis vorliegend überhaupt nicht möglich. Schlussendlich bleibt also festzuhalten, dass die Heranziehung der Einwilligungsregeln zur Rechtfertigung willensgemäßer Verletzungen des Binnenbetroffenen nur in Betracht kommt, wenn sich die Tatobjekte in Bezug auf etwaige Berechtigte real aufteilen lassen. b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB Neben den Einwilligungsregeln soll ferner auch § 34 StGB auf seine Anwendbarkeit in der betreffenden Konstellation partieller Binnenkollision hin analysiert werden. 38 In Hinblick auf die Frage nach einer möglichen Trennung der Rechtfertigung ließe sich ferner auch die Konstellation problematisieren, dass gewisse Delikte schon ihrer Struktur nach mehrere Rechtsgüter mit Schutz versehen. Ein Beispiel hierfür wäre § 315c StGB, der – nach freilich umstrittener Ansicht – sowohl Rechtsgüter des Individuums als auch die Sicherheit des Straßenverkehrs schützt; vgl. Lackner/Kühl, StGB, § 315c StGB Rn. 1 m.w. N. Angesichts der auf den Besonderen Teil des StGB fokussierten Bedeutung der Behandlung jener Tatbestände soll auf die betreffende Thematik aber vorliegend nicht näher eingegangen werden.

I. Beteiligung aller Drittrechtsgüter auf derselben Kollisionsseite

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Bezogen auf willenswidrige Verletzungen des Binnenbetroffenen erscheint der rechtfertigende Notstand bereits auf den ersten Blick als eine naheliegende Option. So wird diesbezüglich der Paradefall eines willenswidrigen Eingriffs zur Rettung von Gütern Dritter abgebildet, was den typischen Anwendungsbereich des rechtfertigenden Notstands markiert. Konflikte mit dem Grundgedanken der wechselseitigen Mindestsolidarität lassen sich insoweit ebenso wenig feststellen wie Inkongruenzen in Hinblick auf die Duldungspflicht sowie das Erfordernis des wesentlichen Überwiegens. Naturgemäß ist in der betreffenden Konstellation auch kein Vorwurf einer defizitären Repräsentation des Autonomiegedankens angebracht. Schließlich erscheint auch der für § 34 StGB charakteristische Gedanke der Ergebnisoffenheit vorliegend unproblematisch erfasst. So hat sich ein pauschaler Vorrang der einen oder anderen Seite gerade angesichts der Beteiligung von mehreren divergierenden Rechtsgütern in Gestalt von Selbstbestimmung oder zumindest einem äquivalent zu behandelnden Gut des Staates oder der Allgemeinheit als unmöglich herausgestellt. Vielmehr muss im Einzelfall ermittelt werden, welche Güter im Konflikt überwiegen und daher gewahrt werden können. Auch in Hinblick auf Verletzungen von Drittrechtsgütern lässt sich eine Anwendbarkeit des § 34 StGB nicht ablehnen. Die aufgezeigten dogmatischen Kongruenzen zwischen Struktur und Prinzipien des § 34 StGB und der in Rede stehenden Grundkonstellation gelten in gleicher Weise wie bezogen auf die zuvor erörterten Verletzungen des Binnenbetroffenen. Schließlich handelt es sich insoweit bildlich gesprochen um zwei Seiten einer Medaille. Zwar ist dieses Bild in seiner konkreten Form nur passend, wenn man eine Binnenkollision im engeren Sinne als Binnenelement zugrunde legt. Anderenfalls kommt es schließlich gar nicht zu der Frage einer potentiellen Anwendbarkeit des § 34 StGB auf Verletzungen zulasten des Binnenbetroffenen.39 Indem die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen aber den Charakter eines vollwertigen Rechtsguts einnimmt, können für die Beurteilung der Drittverletzungen auch im Falle einer Binnenkollision im weiteren Sinne rein konstruktiv dieselben angesprochenen, auf einem mehrpoligen Konflikt beruhenden Kongruenzerwägungen gelten. Schwierigkeiten ergeben sich in der betreffenden Konstellation aber in Hinblick auf die Postulierung einer Ergebnisoffenheit. Um jenen Grundsatz zu erfüllen, müsste es nämlich möglich sein, dass die reine Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen gegenüber sämtlichen Drittrechtsgütern überwiegt. Dies ist jedoch kaum vorstellbar. Hierbei spielt insbesondere wieder das Argument eine Rolle, dass mit abstrakten Werten eines dritten Individuums stets dessen Selbstbestimmung verbunden ist oder aber im Falle der Beteiligung eines Gutes des Staates oder der Allgemeinheit zumindest eine vergleichbare Ausgangssituation vorliegt. Auf der anderen Seite der Kollision befindet sich demgegenüber jedoch vorliegend im Falle einer Binnenkollision im weiteren Sinne allein ein Rechtsgut Selbstbestimmung ohne dazuge39

Vgl. dazu Fn. 34 Abschn. E.

262

E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

hörigen zu wahrenden Wert. Das Strafrecht gewährt indes von seinem Kerngedanken her einen Schutz vor tatbestandlich erfassten Rechtsgutsverletzungen, der nur in begründeten Einzelfällen nicht greift. Daher wäre es nicht plausibel, bei der in Rede stehenden Anwendung des § 34 StGB allein der Selbstbestimmung den Vorrang vor abstrakten Werten zu ermöglichen, ohne dass erstgenannte durch einen zusätzlichen Wert im Rahmen einer Güterabwägung unterstützt wird. Jener Mangel an Ergebnisoffenheit bezieht sich allerdings nur auf eine zugrunde liegende Binnenkollision im weiteren Sinne. Damit wird keine strukturelle Inkongruenz der Rechtfertigungslage als solcher mit dem betreffenden Grundsatz begründet. Auch wird man hierbei wohl angesichts der Beschränkung auf einen Teilbereich von Binnenkollisionsfällen postulieren können, dass insoweit lediglich gleichgelagerte nebeneinanderstehende Fälle vorliegen, die auch im Rahmen des § 34 StGB stets einer gleichen Behandlung bedürfen und mithin die Ergebnisoffenheit im Ganzen ohnehin nicht torpedieren.40 Im Ergebnis ist folglich die Anwendbarkeit des § 34 StGB auf Verletzungen von Drittrechtsgütern in sämtlichen Konstellationen der vorliegend thematisierten Kategorie partieller Binnenkollision anzunehmen. Wenn hingegen die willensgemäße Verletzung eines abstrakten Rechtsguts des Binnenbetroffenen im Raume steht, erscheint der rechtfertigende Notstand nicht als geeignetes Instrument. So wurde bereits im Kontext der Diskussion um die Anwendung der Einwilligungsregeln in jenem Zusammenhang die alleinige Bedeutung der Selbstbestimmung betont. Dass parallel noch Verletzungen von Gütern anderer Personen gegeben sind, kann und muss bei einer zulässigen isolierten Betrachtung ausgeklammert werden. Demnach darf die Verletzung eines Gutes, das allein der Sphäre des Binnenbetroffenen zuzuordnen ist, dann auch nicht unter erhöhte, die Gewährung der Selbstbestimmung einschränkende Voraussetzungen gestellt werden. Die mit § 34 StGB verbundenen inhaltlichen Hürden für eine absolute Autonomiegewährung sind folglich isoliert betrachtet nicht akzeptabel. Auch die Funktion des wesentlichen Überwiegens als Schutz vor übermäßiger Inanspruchnahme sowie die Statuierung einer Duldungspflicht lassen sich unter Berücksichtigung eines entscheidenden Einflusses der Selbstbestimmung nicht plausibel erklären. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen wie im Rahmen der ersten Kategorie partieller Binnenkollision und des diesbezüglichen Ausschlusses von § 34 StGB.41 Eine derartige Sichtweise setzt jedoch, wie bereits angeklungen, die Möglichkeit einer isolierten Betrachtung voraus. Bei ver40 Vgl. zu ähnlichen, wenn auch im Ergebnis leicht abweichenden Erwägungen im Kontext der reinen Binnenkollision die Ausführungen unter D. I. 2. c) aa), S. 146. 41 Im Unterschied zu jener Kategorie kommt vorliegend sogar noch hinzu, dass bei einer isolierten Betrachtung aufgrund der gleichseitigen Positionierung der Drittrechtsgüter mit dem aktuell in Rede stehenden Verletzungsgut die Annahme eines mehrpoligen Konflikts und die daraus folgende zumindest punktuelle Kongruenz nicht mehr eindeutig zu bejahen ist.

II. Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten

263

schiedenen Verletzungsobjekten ist dies bekanntermaßen unproblematisch der Fall. Sollte allerdings ein Objekt beeinträchtigt werden, das sowohl dem Binnenbetroffenen als auch einem Dritten gemeinsam zusteht, hat sich eine getrennte Betrachtung als unmöglich erwiesen. Folglich entfällt insoweit auch die Möglichkeit, der Selbstbestimmung eine eigenständige, konstituierende Bedeutung in einem gewissen Bereich zuzuerkennen. Es ist vielmehr insgesamt die für § 34 StGB charakteristische mehrpolige ergebnisoffene Grundkonstellation festzustellen, die nur mithilfe jenes Rechtfertigungsansatzes sachgerecht gelöst werden kann. Zusammenfassend zeichnet sich mithin auch die Kategorie der antagonistischen Positionierung sämtlicher Drittrechtsgüter im Verhältnis zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen dadurch aus, dass stets nur ein Rechtfertigungsansatz als potentielle Lösungsmöglichkeit in Betracht kommt. Zwar gibt es bei übergreifender Betrachtung sowohl Anwendungsfälle für § 34 StGB als auch für die Einwilligungsregeln. Es hat sich jedoch gezeigt, dass unter Berücksichtigung weiterer Differenzierungen nach dem jeweiligen Rechtfertigungsgegenstand nie eine gleichzeitige Anwendbarkeit beider Rechtfertigungsansätze gegeben ist. Insoweit ist auch sachlich klar vorkonturiert, wann welche Rechtfertigungsoption herangezogen werden kann. Auf diese Weise wird nicht nur der dogmatisch begründete Grundsatz einer einheitlichen Rechtfertigung gewahrt. Es kommt auch in keinem Fall zu einer Konkurrenzproblematik zwischen den Einwilligungsregeln und § 34 StGB.

II. Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten 1. Parallelität aller beteiligten Rechtsgüter Selbstbestimmung sowie Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit Die aktuell zu behandelnde Kategorie partieller Binnenkollision ist dadurch gekennzeichnet, dass sämtliche Rechtsgüter Selbstbestimmung sowie eventuell beteiligte Güter der Allgemeinheit oder des Staates auf derselben Seite der Kollision positioniert sind. Entsprechende Güter eines Dritten oder mehrerer Dritter streiten mithin stets parallel zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Man nehme zur Illustrierung etwa das bereits in jenem Kontext aufgezeigte42 Beispiel, dass eine schadhafte Wasserleitung das Inventar des Hauseigentümers – gegebenenfalls auch zusätzlich das eines Mieters – bedroht, zu dessen bzw. deren Rettung sowohl eine Tür des Eigentümers als auch eine solche des Mieters beschädigt werden müssen, was im Willen beider Beteiligter liegt. Eine parallel zu den Rechtsgütern Selbstbestimmung positionierte Beteiligung eines Rechtsguts mit 42

Unter C. II. 3. b) bb) (2), S. 85.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

einem überindividuellen Träger43 liegt etwa dann vor, wenn im soeben aufgezeigten Beispiel die Beschädigung der Türen nicht nur die einzige Möglichkeit zur willensgemäßen Rettung des Inventars darstellt, sondern auch allein auf diese Weise eine Gefährdung des Straßenverkehrs durch das austretende Wasser ausgeschlossen werden kann.44 Beide genannten Beispiele enthalten eine Binnenkollision im engeren Sinne als Binnenelement45. Daneben lassen sich aber auch Fälle bilden, die eine Binnenkollision im weiteren Sinne inkorporieren. Konkret ist hierfür z. B. die Konstellation zu schildern, dass das Verarzten eines Passanten neben der Zerstörung des Wagens des Binnenbetroffenen die Beschädigung eines weiteren fremden Autos notwendig macht, da kumulativ Gegenstände aus beiden darin befindlichen Verbandskästen benötigt werden, und die Autoeigentümer sowie der Verletzte entsprechende Eingriffe auch wollen. Das Charakteristikum der in Rede stehenden Kategorie, dass sämtliche Rechtsgüter Selbstbestimmung oder äquivalent geformte Güter des Staates oder der Allgemeinheit parallel zueinander stehen müssen, hat auch Auswirkungen auf den Rechtfertigungsgegenstand. So führen denkbare Verletzungen entweder zur Wahrung des Willens aller Beteiligten,46 oder aber sie verletzen umgekehrt im Falle der Betroffenheit der entgegengesetzten Kollisionsseite den Willen sämtlicher entsprechend Berechtigter. Die beteiligten Rechtsgüter sind mithin in Hinblick auf ihr Wahrungsbedürfnis gleichermaßen ausgestaltet. Es erscheint somit kein Grund ersichtlich, warum eine Rechtfertigung unter Missachtung jener Entscheidungen bzw. Vorgaben zulässig sein sollte. Folglich sind allein Rechtfertigungen möglich, die Verletzungen derjenigen Kollisionsseite betreffen, die den Rechtsgütern Selbstbestimmung bzw. eventuellen Gütern des Staates oder der Allgemeinheit entgegengesetzt ist. Mögliche gerechtfertigte Verletzungen be-

43 Vgl. zu den Kriterien, nach denen sich die Einordnung als Rechtsgut des Staates oder der Allgemeinheit richtet, die Ausführungen unter F. I. 1. a) bb), S. 287. Um einen Vorgriff zu vermeiden, wird vorliegend unspezifiziert von einem Rechtsgut mit einem überindividuellen Träger gesprochen. 44 Dieses Beispiel wurde bereits unter C. II. 3. b) bb) (2), S. 87 aufgegriffen und dort näher dargestellt. 45 Dies bezieht sich auf den im Ausgangspunkt Binnenbetroffenen; vgl. dazu Fn. 38 Abschn. C. Jener ist vorliegend, wie auch in den zuvor dargestellten Beispielen im Kontext der schadhaften Wasserleitung, im Hauseigentümer zu erkennen. Zwar ist der Struktur der in Rede stehenden Kategorie nach stets auch hinsichtlich mindestens eines Dritten eine Binnenkollision gegeben. Anderenfalls kann das Kriterium der Beteiligung von Drittrechtsgütern auf verschiedenen Kollisionsseiten nicht erfüllt sein, wenn gleichzeitig sämtliche Güter Selbstbestimmung bzw. Güter des Staates oder der Allgemeinheit parallel liegen müssen. Um eine sinnvolle Strukturierung und Betrachtung jener Kategorie speziell auch im Vergleich zu den anderen Kategorien zu gewährleisten, ist es aber erforderlich, an dem bislang gewählten Ausgangspunkt bzw. Blickwinkel festzuhalten und daher entsprechende Beispiele gleich zu klassifizieren. 46 Im Falle der Beteiligung von Rechtsgütern des Staates oder der Allgemeinheit gilt dies freilich nicht wörtlich, sondern nur im entsprechenden Sinne.

II. Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten

265

schränken sich damit auf Rechtsgüter der beteiligten Individuen. Denn Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit vermögen im Rahmen der betreffenden Kategorie partieller Binnenkollision der Definition nach nur auf derselben Seite wie die Selbstbestimmung positioniert zu sein. Die genannten rechtfertigungsfähigen Eingriffe können nur durch ein Handeln begangen werden. Steht nämlich ein Unterlassen im Raum, wird angesichts der antagonistischen Positionierung der entsprechenden Selbstbestimmung stets die tatbestandliche Begründung einer Handlungspflicht zur Rettung des betreffenden Gutes ausscheiden. Jene in Rede stehende Kategorie weist also hinsichtlich des Rechtfertigungsgegenstandes deutliche Parallelen zu der ersten Kategorie partieller Binnenkollision auf. Der Unterschied besteht allein darin, dass vorliegend neben den willensgemäßen Verletzungen des Binnenbetroffenen stets auch Verletzungen mindestens eines Dritten gegeben sind. Der Rechtfertigungsgegenstand bleibt folglich nicht auf Rechtsgüter des Binnenbetroffenen beschränkt. Aus diesem Grunde kann man die betreffenden Konstellationen auch nicht als wesentlich gleich erachten.47 a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln Die dargelegte Beschränkung des Rechtfertigungsgegenstandes auf willensgemäße Eingriffe legt schon auf den ersten Blick eine Kongruenz mit dem Grundgedanken der Einwilligungsregeln, nämlich der Wahrung der Selbstbestimmung, nahe. Auch im Einzelnen betrachtet lässt sich diese Annahme bestätigen. Indem sich allein abstrakte Rechtsgüter von Individuen als mögliche Verletzungsgegenstände erwiesen haben, besteht hinsichtlich jedes Verletzungsgegenstandes ein beteiligtes Rechtsgut Selbstbestimmung, welches Einfluss auf das betreffende Bezugsobjekt nimmt. Jede Verletzung wird mithin durch den Gehalt der dazugehörigen Selbstbestimmung legitimiert. Es besteht insoweit auch stets eine Befugnis, den Verzicht auf Rechtsschutz zu erklären. Die Einwilligungsregeln stellen folglich im Rahmen der aktuell betrachteten Kategorie ein sachgerechtes Lösungsinstrument dar.48 Bei deren konkreter Anwendung muss allerdings wiederum zwischen der Beteiligung einzelner Tatobjekte und solchen Gegenständen unterschieden werden, die mehreren Berechtigten gemeinsam zustehen. Handelt

47

Vgl. dazu bereits die Erörterungen unter C. II. 3. b) bb) (3). Das Ergebnis, dass sich die Einwilligungsregeln auch in jener Fallkonstellation als einschlägig erweisen, ergänzt die bereits im Rahmen der erstgenannten Kategorie getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Anwendbarkeit der mutmaßlichen Einwilligung auf Fälle partieller Binnenkollision. So kann richtigerweise auch in der vorliegenden Grundkonstellation eine Subsumtion unter die Fallgruppen der mutmaßlichen Einwilligung erfolgen. Die genaue Einordnung richtet sich dabei wie gewöhnlich nach dem enthaltenen Binnenelement: Bei einer Binnenkollision im engeren Sinne ist die Fallgruppe des Handelns im Interesse des Betroffenen einschlägig; im Falle einer Binnenkollision im weiteren Sinne handelt es sich um die des Handelns zugunsten eigener Belange oder denen eines Dritten. 48

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

es sich um die Verletzung separater Tatobjekte, hat sich bereits allgemein eine getrennte Betrachtung als sachgerecht herausgestellt. Dementsprechend ist die konkrete Durchschlagskraft der Einwilligungsregeln diesbezüglich für jeden Beteiligten isoliert zu beurteilen. Liegt hingegen ein einheitliches Verletzungsobjekt mehrerer Berechtigter vor, scheidet bekanntermaßen eine separate Betrachtung aus. Zur Rechtfertigung einer solchen Verletzung ist daher die kumulative Erfüllung der Anforderungen der Einwilligungsregeln, das heißt hinsichtlich aller Berechtigter, notwendig. b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB Trotz festgestellter Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln soll auch vorliegend eine potentielle zusätzliche Einschlägigkeit des § 34 StGB näher betrachtet werden. In Hinblick auf die allein in Rede stehende Rechtfertigung willensgemäßer Verletzungen kann man, analog zu den Erörterungen im Rahmen der ersten Kategorie partieller Binnenkollision, keinen Widerspruch gegen das Prinzip wechselseitiger Mindestsolidarität feststellen. Schließlich führt die Beteiligung mindestens eines fremden Gutes, zu dessen Gunsten die Verletzung erfolgt, zu dem erforderlichen Mehrpersonenverhältnis, welches das Solidaritätsprinzip zu aktivieren vermag. Angesichts der notwendigen Beteiligung fremder Güter kann ferner auch kein rein strukturell begründeter Verstoß gegen das Autonomieprinzip vorgebracht werden. Da ein zu rechtfertigender Eingriff jedoch stets willensgemäß geschehen muss, ist mit der gleichen Argumentation wie hinsichtlich der Betrachtung willensgemäßer Eingriffe innerhalb der sonstigen Kategorien eine Duldungspflicht nicht sinnhaft zu erklären. Auch das wesentliche Überwiegen lässt sich in seiner Funktion als Schutz vor übermäßiger Inanspruchnahme insoweit nicht plausibel begründen. Zusätzlich behindert jenes Merkmal bekanntlich die Gewährleistung jeder willensgemäßen Rechtfertigung, was vorliegend aber wiederum nicht durch einen sachlichen Grund gedeckt ist. Die erfolgten Aussagen gelten dabei nicht nur in Hinblick auf getrennte Verletzungsobjekte. Auch wenn es sich um ein einziges Objekt handelt, das dem Binnenbetroffenen sowie einem oder mehreren Dritten gemeinsam zusteht, lässt sich ein nebeneinander wirkender Einfluss der jeweiligen Rechtsgüter Selbstbestimmung nicht leugnen. Die gegen die Anwendung des rechtfertigenden Notstands vorgebrachten Erwägungen gelten daher auch hierbei in vollem Umfang. § 34 StGB kommt mithin in der betreffenden Kategorie umfassend nicht zur Legitimierung von Eingriffen in Frage. Zusammenfassend ist eine Ähnlichkeit mit der ersten Kategorie partieller Binnenkollision auch in Bezug auf den konkret möglichen Lösungsweg zu konstatieren. Dementsprechend verbleibt es vorliegend ebenfalls bei der alleinigen Einschlägigkeit der Einwilligungsregeln. Dies hat wiederum zur Konsequenz, dass keine konkurrenzrechtlichen Probleme im Verhältnis zu § 34 StGB entstehen.

II. Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten

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2. Antagonistische Positionierung der beteiligten Rechtsgüter Selbstbestimmung bzw. Rechtsgüter des Staates oder der Allgemeinheit Unter den Oberbegriff der Beteiligung mehrerer Drittrechtsgüter auf verschiedenen Seiten der Kollision lässt sich ferner die Kategorie fassen, dass insoweit der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen mindestens ein Rechtsgut Selbstbestimmung eines Dritten oder aber ein Rechtsgut des Staates oder der Allgemeinheit gegenübersteht. Als Beispiel in jenem Kontext fungiert die bereits angesprochene49 Konstellation, dass eine schadhafte Wasserleitung das Inventar des Hauseigentümers sowie das eines Mieters bedroht, wobei zur Rettung der gefährdeten Güter die Zerstörung von Türen beider Betroffenen notwendig ist. Sollte nun allein einer der Beteiligten mit der Rettung einverstanden sein, lässt sich die antagonistische Positionierung der Rechtsgüter Selbstbestimmung feststellen. In Hinblick auf die selbstbestimmungsbezogen antagonistische Beteiligung von Rechtsgütern des Staates oder der Allgemeinheit ist die ebenfalls bereits angesprochene50 Konstellation zu nennen, dass eine von beiden Berechtigten gewünschte Rettung des Inventars nur durch die Beschädigung beider Türen bei einer rechtzeitigen Anfahrt unter Gefährdung der Sicherheit des Straßenverkehrs möglich ist. In beiden Beispielsfällen handelt es sich um Konstellationen, die eine Binnenkollision im engeren Sinne als betroffenes Binnenelement abbilden. Eine Binnenkollision im weiteren Sinne als Binnenelement wird hingegen repräsentiert, wenn die notfallmäßige Erstversorgung eines verletzten Passanten die Beschädigung des Autos des Binnenbetroffenen sowie des Fahrzeugs eines sonstigen Dritten zwecks Entnahme der kumulativ notwendigen Gegenstände in den Verbandskästen erforderlich macht. Sofern von den Fahrzeuginhabern allein der Binnenbetroffene der Beschädigung seines Autos zustimmt, ist die charakteristische antagonistische Positionierung von Rechtsgütern Selbstbestimmung gegeben. Bezogen auf potentielle Rechtfertigungsgegenstände ist vorliegend, wie bereits in der zweiten erörterten Kategorie partieller Binnenkollision, eine Beschränkung auf Eingriffe im Einklang mit dem Willen des Binnenbetroffenen nicht sachgemäß. Ansonsten würde nämlich die Bedeutung der Selbstbestimmung des oder der Dritten bzw. der analog ausgestalteten Güter des Staates oder der Allgemeinheit missachtet, die antagonistisch zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen positioniert sind und bei aus der Sicht des Binnenbetroffenen willensgemäßen Eingriffen stets in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch im Rahmen der aktuell besprochenen Kategorie vermag die Rechtfertigung folglich prinzipiell in beide Richtungen zu erfolgen, um dem potentiellen Einfluss der in Rede stehenden Güter auf beiden Seiten Rechnung zu tragen. Denkbar sind mithin zum einen wil49 50

Unter C. II. 3. b) bb) (2), S. 85. Unter C. II. 3. b) bb) (2), S. 87.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

lenswidrige Eingriffe zulasten des Binnenbetroffenen. Derartige Fälle lassen sich dabei nicht nur bei einem Handeln, sondern auch in Gestalt eines Unterlassens illustrieren. Die fehlende Pflicht zur zwingenden pauschalen Wahrung der Selbstbestimmung einer Seite bedingt zum anderen, dass es in der betreffenden Kategorie auch umgekehrt zu rechtfertigungsfähigen willenswidrigen Eingriffen zulasten eines Dritten kommen kann.51 Dies ist ebenfalls wiederum sowohl bei einem Tun als auch bei einem Unterlassen denkbar. Mögliche Rechtfertigungsgegenstände bleiben aber selbstverständlich nicht auf willenswidrige Eingriffe beschränkt. Auch willensgemäße Verletzungen können, wie schon innerhalb der zuvor vorgestellten Kategorien, einer Rechtfertigung zugeführt werden. Erfasst sind insoweit sowohl willensgemäße Eingriffe in Güter des Binnenbetroffenen als auch in Drittrechtsgüter. Eine Ausnahme gilt lediglich für Verletzungen von Gütern des Staates oder der Allgemeinheit. Derartige Güter treten nämlich, wie bereits dargestellt, stets in einer auf Wahrung ihrer selbst gerichteten Gestalt auf. Es erscheint daher schon strukturell nicht möglich, eine mit einem willensgemäßen Vorgang vergleichbare Verletzung zu konstruieren. In Hinblick auf sämtliche denkbare willensgemäße Verletzungen ist allerdings wiederum auf die Einschränkung hinzuweisen, dass hierbei angesichts der entsprechenden Ausprägung der jeweiligen Selbstbestimmung insoweit die tatbestandliche Grundlage einer Handlungspflicht entfällt und mithin eine diesbezügliche Rechtfertigung des Unterlassens von vornherein konstruktiv versperrt wird. Betrachtet man das Verhältnis zwischen willensgemäßen und willenswidrigen Eingriffen, existiert eine ausschnittsweise Parallelität zu der zweiten Kategorie partieller Binnenkollision. Auch vorliegend besteht ein Konnex zwischen willensgemäßen und willenswidrigen Eingriffen verschiedener Beteiligter dahingehend, dass mit willensgemäßen Verletzungen des Binnenbetroffenen stets auch eine willenswidrige Verletzung mindestens eines Dritten verbunden ist.52 Da die beteiligten Drittrechtsgüter vorliegend der Kategorie entsprechend eine antagonistisch ausgestaltete Positionierung aufweisen müssen, kann es zusätzlich auch 51 Freilich gilt sowohl in Hinblick auf willenswidrige Eingriffe zulasten des Binnenbetroffenen als auch zulasten von Dritten, dass entsprechende Verletzungen nicht zwingend einen tauglichen Rechtfertigungsgegenstand darstellen. Sollte nämlich eine bloße Verletzung der Selbstbestimmung als solcher im Raume stehen, kommt man mangels Tatbestandserfüllung gar nicht zur Rechtfertigung der Tat. Vgl. zu der entsprechenden Erwägung im Rahmen der zweiten Kategorie partieller Binnenkollision Fn. 34 Abschn. E. Ein rein selbstbestimmungsbezogener Eingriff war in jener Konstellation allerdings angesichts der Parallelität sämtlicher Drittrechtsgüter strukturell allein hinsichtlich des Binnenbetroffenen denkbar, wohingegen vorliegend prinzipiell auch Eingriffe rein in die Selbstbestimmung eines Dritten möglich sind. 52 Während im Rahmen der zweiten Kategorie jene Aussage aber auch gerade umgekehrt zutrifft, sprich jede willenswidrige Verletzung eines Dritten eine willensgemäße Verletzung des Binnenbetroffenen beinhaltet, lässt sich ein derartiges zwingendes Verhältnis vorliegend angesichts der variableren Positionierungsvarianten beteiligter Drittrechtsgüter nicht feststellen.

II. Beteiligung von Drittrechtsgütern auf unterschiedlichen Kollisionsseiten

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zu demjenigen Konnex kommen, dass mit einem willenswidrigen Eingriff gegenüber dem Binnenbetroffenen ein willensgemäßer zugunsten eines Dritten verbunden ist. Diese Konstellation vermag jedoch nur aufzutreten, wenn in der Person mindestens eines Dritten ebenfalls eine Binnenkollision gegeben ist und dessen Selbstbestimmung derjenigen des Binnenbetroffenen gegenübersteht. a) Untersuchung der Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln Wie bereits mehrfach angesprochen, fungieren die Einwilligungsregeln als sachgerechter Ansatz zur Rechtfertigung bei willensgemäßen Verletzungen. Stehen folglich im Konkreten willensgemäße Verletzungen abstrakter Rechtsgüter des Binnenbetroffenen oder eines oder mehrerer Dritter in Rede, so lassen sich die diesbezüglichen Eingriffe aus denselben Gründen wie bereits innerhalb der sonstigen Kategorien mit einem Rückgriff auf jenes in Rede stehende Instrument legitimieren. Hinsichtlich willenswidriger Eingriffe können die Einwilligungsregeln hingegen aus den ebenfalls schon bekannten Gründen im Grundsatz nicht herangezogen werden. Bei getrennt zu betrachtenden Verletzungsgegenständen vermag jene isolierte Behandlung unproblematisch umgesetzt zu werden. Für den Fall jedoch, dass ein Gegenstand verletzt wird, der sowohl dem Binnenbetroffenen als auch einem Dritten mit jeweils antagonistisch ausgestaltetem Willen zusteht, kumuliert sich die Charakterisierung des Eingriffs als willenswidrig sowie willensgemäß in einem Gegenstand. Wie schon im Rahmen der zweiten Kategorie partieller Binnenkollision ausgeführt, bedingt die hierbei notwendige einheitliche Betrachtung einen Ausschluss der Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln. Deren potentielle Durchschlagskraft bleibt folglich auf isoliert zu betrachtende willensgemäße Verletzungen beschränkt. b) Untersuchung der Anwendbarkeit des § 34 StGB Stehen willenswidrige Verletzungen von Gütern des Binnenbetroffenen oder Dritten in Rede, hat sich bereits im Rahmen der zweiten Kategorie partieller Binnenkollision der rechtfertigende Notstand als sachgerechter Lösungsweg erwiesen. Die dortigen Ausführungen hinsichtlich der Kongruenz mit dem Grundgedanken und der Struktur des § 34 StGB sowie die Berechtigung der höheren Rechtfertigungsvoraussetzungen gelten vorliegend gleichermaßen.53 Rückgriffe auf vorherige Erörterungen lassen sich auch in Bezug auf willensgemäße Verletzungen vornehmen. So hat sich – erstmalig bereits im Rahmen der zunächst erörterten Kategorie partieller Binnenkollision – herausgestellt, dass § 34 StGB bei 53 Allein die Klärung der Frage nach der Einhaltung des Grundsatzes der Ergebnisoffenheit wird in Anbetracht der zwingenden Beteiligung eines Drittrechtsguts auf derselben Seite wie die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen eine leicht veränderte Begründung erfordern, im Ergebnis aber erst recht eine Kongruenz beinhalten.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

willensgemäßen Verletzungen nicht als sachlich einschlägiges Instrument fungieren kann. Für nur partiell willensgemäße Handlungen im Falle eines einheitlichen Rechtfertigungsgegenstandes vermag § 34 StGB dagegen als sachgerechter Lösungsansatz anerkannt zu werden. Auch insoweit ist wiederum auf die Ausführungen im Rahmen der zweiten Kategorie partieller Binnenkollision zu verweisen. Im Ergebnis ist die Behandlung der vorliegend in Rede stehenden Kategorie partieller Binnenkollision mithin umfassend von einer deutlichen Ähnlichkeit zu der Handhabung innerhalb der zweiten Kategorie geprägt.54 Hier wie dort folgt für die Postulierung der einschlägigen Lösungsansätze, dass in Hinblick auf willenswidrige Verletzungen allein § 34 StGB in Betracht kommt, während rein willensentsprechende Eingriffe nur mittels der Einwilligungsregeln gelöst werden können.55 Auf diese Weise ergeben sich auch hierbei keinerlei Konkurrenzprobleme zwischen den genannten Rechtfertigungsansätzen. 54

Vgl. insoweit abstrakt bereits den Hinweis unter C. II. 3. b) bb) (3). Mit diesen Ergebnissen kann nun eine Ergänzung der Erwägungen hinsichtlich der Diskussion um das Verhältnis von Rechtfertigung eines Unterlassens und Unzumutbarkeit bei hypothetisch rechtswidriger Rettungshandlung erfolgen; vgl. dazu die Ausführungen zu Anfang des Gliederungspunktes E. Wie gesehen, vermag ein Unterlassen im Rahmen der partiellen Binnenkollision nur bei einem willenswidrigen Verhalten tauglicher Rechtfertigungsgegenstand zu sein. Damit ist der diesbezügliche Anwendungsbereich auf die zweite und vierte Kategorie partieller Binnenkollision beschränkt. Herausgestellt hat sich, wie gesehen, ferner, dass derartige Verletzungen allein durch § 34 StGB einer Rechtfertigung zugeführt werden können. Die Rechtfertigung des Unterlassens ist demnach nur bei einem wesentlichen Überwiegen des gewahrten Gutes möglich. Wenn dies der Fall ist, kann denklogisch das durch Unterlassen zerstörte Gut selbst nicht wesentlich überwiegen. Letzteres wäre aber für eine hypothetische Rechtfertigung der Rettungshandlung erforderlich. Denn in den Kategorien partieller Binnenkollision, in denen die Problematik nur auftreten kann, würde die potentielle Rettungshandlung stets in Bezug auf einen Beteiligten willenswidrig erfolgen und wäre damit allein über § 34 StGB einer Rechtfertigung zugänglich. Auch diese wäre folglich an das Kriterium des wesentlichen Überwiegens gebunden, das aber, wie soeben gesehen, bei gleichzeitig gewünschter Rechtfertigung des Unterlassens nicht erfüllt sein kann. Die Prämisse, dass bei einer Rechtfertigung des Unterlassens stets auch die Rechtswidrigkeit der hypothetischen Rettungshandlung gegeben ist, hat sich hiermit bestätigt. Allerdings verbleibt rein mit den soeben dargestellten Erwägungen ein unbefriedigendes Ergebnis. Im Falle des schlicht einfachen Überwiegens eines Gutes oder bei Gleichwertigkeit wäre das Unterlassen nämlich nicht gerechtfertigt. Die Rettungshandlung jedoch wäre aus den gleichen Gründen ebenfalls hypothetisch nicht rechtmäßig. Den Gedanken, dass keine rechtswidrigen Rettungshandlungen zu verlangen sind und das Unterlassen daher nicht strafbar sein darf, könnte man hierbei aber dadurch einbringen, dass man die Anforderungen des § 34 StGB im Lichte des Zumutbarkeitsgedankens auslegt und es für die Rechtfertigung des Unterlassens genügen lässt, dass das durch Unterlassen zerstörte Gut nicht wesentlich überwiegt. Dies hat, wie zu Anfang des Gliederungspunktes E. auf S. 251 bereits erwähnt, im Gegensatz zur tatbestandlichen Verankerung des Topos der Zumutbarkeit den Vorteil, dass es zu keiner undogmatischen Vermengung von Deliktsebenen kommt. Eine gewisse Spannung zum Wortlaut des § 34 StGB kann dabei zwar nicht verleugnet werden. Im Gegensatz zur potentiellen Anwendbarkeit des § 34 StGB bei reiner Binnenkollision, wo ebenfalls Spannungen mit dem wesentlichen Überwiegen 55

III. Auseinandersetzung mit potentiellen Ungereimtheiten

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III. Auseinandersetzung mit potentiellen Ungereimtheiten bei einem Vergleich der entwickelten Lösungsansätze Auch wenn sich die entwickelten Lösungsansätze in sich als überzeugend herausgestellt haben, treten dennoch an gewissen Stellen Ungereimtheiten auf, auf die im Folgenden näher einzugehen ist. Konkret besteht die zu untersuchende Problematik in denjenigen Konstellationen, in denen allein die Einwilligungsregeln, nicht aber § 34 StGB zur Rechtfertigung angewendet werden können. Betroffen ist insoweit zum einen die Kategorie der Parallelität der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen mit sämtlichen Drittrechtsgütern. Des Weiteren tritt die Problematik in der Kategorie einer zwar antagonistischen, aber in Hinblick auf die maßgeblichen Bezugsgüter parallel zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen ausgestalteten Positionierung mehrerer Drittrechtsgüter auf. Im Detail liegt das betreffende Problem dabei in Folgendem: Mit der ausschließlichen Heranziehungsmöglichkeit der Einwilligungsregeln ist naturgemäß verbunden, dass für eine Rechtfertigung auch das Kriterium der Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung gewahrt werden muss. Sollte also die Möglichkeit bestehen, ohne Nachteile den Willen zu erfragen, so wäre bei Nichtbeachtung dessen an sich eine Rechtfertigung ausgeschlossen, selbst wenn ein entsprechender Wille zum Eingriff gegeben ist. Gleiches gilt, wenn das Erfordernis pflichtgemäßer Prüfung im Rahmen der mutmaßlichen Einwilligung nicht eingehalten werden sollte. Im Falle einer umgekehrt positionierten Selbstbestimmung wäre hingegen auch ohne sonstige Änderungen des Ausgangsfalls unter Umständen über § 34 StGB eine Rechtfertigung möglich. Dies kann man an folgendem Beispiel verdeutlichen: Der Wasserfluss der schadhaften Wasserleitung bedroht das Inventar des Binnenbetroffenen und eines Dritten, wobei beide eine Rettung ihres Inventars erstreben. Erforderlich ist dafür allein die Beschädigung einer Tür des Binnenbetroffenen. Wenn nun ein Nachbar die Tür eintritt, ohne sich bei dem Binnenbetroffenen rückversichert zu haben, ob dieser einverstanden ist, eine telefonische Kontaktaufnahme aber ohne weiteres möglich und erfolgversprechend gewesen wäre, scheidet aufgrund eines Verstoßes gegen den Subsidiaritätsgrundsatz eine Rechtfertigung mittels der mutmaßlichen Einwilligung aus. Unterstellt, der Binnenbetroffene wäre aber mit dem Eingriff nicht einverstanden, sondern wollte lieber seine Tür unbeschädigt belassen, wäre eine Rechtfertigung des Eingriffs zugunsten des Inventars des Dritten und dessen Selbstbestimmung über § 34 StGB theoretisch möglich. Ein solches Ergebnis ist jedoch schwer zu akzeptieren. Es kann nicht plausibel erscheinen, dass man bei gegebenem Verletzungswillen eine Rechtfertigung ablehnt, im Gegenteil aber gerade dann zu einer Rechtfertigung

aufgetreten sind, erscheint vorliegend jedoch eine teleologische Reduktion sachgerecht, womit die Divergenzen zum Wortlaut auf dogmatisch annehmbare Weise legitimiert werden.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

käme, wenn der Wille nicht auf Vornahme der Handlung gerichtet wäre.56 Der Gedanke, dass die Selbstbestimmung in Hinblick auf zu rechtfertigende Verletzungen in den vorliegend primär betroffenen Kategorien die essentielle Rolle spielt, würde auf diese Weise unzulässig in sein Gegenteil verkehrt.57 Fraglich erscheint allerdings, ob man jene Problematik allein dadurch lösen kann, dass man § 34 StGB – entgegen dem festgestellten Ergebnis der Auslegung – dennoch in den Konstellationen der Nichterfüllung der Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung bei gleichzeitig gegebenem Willen des Berechtigten zum Eingriff anwendet.58 Eine alternative Option wäre demgegenüber ein Rückgriff auf Irrtumsregeln, speziell auf den Erlaubnistatbestandsirrtum. Demnach wäre der Täter zwar nicht im technischen Sinne gerechtfertigt, aber jedenfalls straffrei,59 wenn er die entsprechende Handlung trotz Nichteinhaltens der in Rede stehenden Voraussetzungen ausführt. Sollte der Täter dabei davon ausgehen, dass eine Positionierung des Rechtsguts Selbstbestimmung in Form einer Erlaubnis der Verletzung gegeben ist,60 er aber dennoch nicht über jeden Zweifel hinsichtlich des Bestehens eines solchen Verletzungswillens erhaben ist, könnte 56 In Ergänzung zur Angabe der Kategorien, in denen die betreffende Problematik aufzutreten vermag, ist anzuführen, dass auch im Rahmen der zweiten und vierten Kategorie partieller Binnenkollision willensgemäße Eingriffe als Rechtfertigungsgegenstände in Betracht kommen, die bekanntermaßen insoweit die alleinige Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln erfordern. Die vorliegend konkret in Rede stehende Problematik kann innerhalb der zweiten Kategorie jedoch nie auftreten, da eine gedankliche Umpositionierung der Selbstbestimmung keine Rechtfertigungsmöglichkeit nach § 34 StGB begründen würde. Im Kontext der vierten Kategorie könnte die betreffende Widersprüchlichkeit immerhin bei speziellen Positionierungen von hinzutretenden Drittrechtsgütern konstatiert werden. Da es sich insoweit jedoch nicht um für die Kategorie typische Ausprägungen handelt, soll dies vorliegend nicht näher behandelt werden. 57 Kühl, AT, § 8 Rn. 92 sowie Roxin, AT I, § 16 Rn. 24 argumentieren hingegen, dass es einen unnötigen Umweg ausmache, erst eine Einwilligung einzuholen, wenn man die Handlung auch willenswidrig durchführen dürfe. Jene Argumentation scheint jedoch nicht die hier vorgestellte notwendige Trennung hinsichtlich der zugrunde liegenden jeweiligen Kategorien partieller Binnenkollision zu berücksichtigen und ist daher nicht als vollständig überzeugend anzusehen. 58 Kühl, AT, § 8 Rn. 92 sowie Roxin, AT I, § 16 Rn. 24 machen, wie auch bereits in der vorherigen Fußnote impliziert, die Haltung deutlich, dass § 34 StGB ganz generell auch anwendbar sei, wenn noch nicht versucht wurde, eine Einwilligung einzuholen. Davon umfasst ist dem Aussagegehalt der entsprechenden Literaturstellen nach auch der hier konkret in Rede stehende Fall, dass ein Verletzungswille des Berechtigten tatsächlich gegeben ist. 59 Vgl. zur Behandlung eines Erlaubnistatbestandsirrtums mit den daraus folgenden möglichen Auswirkungen, auf die hier im Einzelnen aber nicht näher eingegangen werden soll, etwa Puppe, in: NK-StGB, § 16 Rn. 122 ff. m.w. N. 60 Die Konstellation, dass die Vorstellung des Täters unzutreffenderweise gänzlich das Vorliegen einer anderen Kategorie als tatsächlich gegeben umfasst, soll, wie in Fn. 10 Abschn. E. schon angesprochen, außer Betracht bleiben. Daher kann es vorliegend nur um den Grenzfall gehen, dass der Täter die tatsächlich vorliegende Konstellation in der Realität auch als wahrscheinlich – oder sogar sicher; vgl. dazu sogleich die Ausführungen im Text – gegeben annimmt.

III. Auseinandersetzung mit potentiellen Ungereimtheiten

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man jedenfalls in großzügiger Interpretation des Irrtumsbegriffs einen Irrtum in Gestalt der Vorstellung des Nichtbestehens eines Verletzungswillens annehmen. Der Rückgriff auf die Grundsätze des Erlaubnistatbestandsirrtums wäre damit direkt eröffnet. Selbst wenn man einen derartigen Zweifel aber nicht ausreichen lassen will, um einen Irrtum zu begründen, oder wenn der Täter sicher ist, dass die Handlung dem Willen des Betroffenen entspricht, so hat der Täter jenen Willen jedoch unzweifelhaft nicht hinreichend ermittelt, sei es durch die Missachtung der Möglichkeit eines realen Nachfragens oder aber mangels pflichtgemäßer Prüfung. Er darf in einem solchen Fall also gar nicht davon ausgehen, dass ein entsprechender Verletzungswille besteht. Man muss ihm mithin unterstellen, dass er die Option einer willenswidersprechenden Handlung als naheliegend in Betracht zieht. Folglich ließe sich insoweit eine Art normativer Irrtum annehmen. Zugegebenermaßen bewegt sich diese Lösung in Richtung einer analogen Anwendung der Grundsätze des Erlaubnistatbestandsirrtums. Da diese Analogie jedoch zugunsten des Täters streiten würde, stünde ihr Art. 103 II GG nicht entgegen.61 Um im dargestellten Sinne eine Straflosigkeit nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums erlangen zu können, ist allerdings weiter erforderlich, dass bei Vorliegen der vorgestellten bzw. dem normativen Irrtum zugrunde liegenden Umstände eine Rechtfertigung gegeben wäre.62 Es wird mithin nur dann zu einer Straflosigkeit kommen können, wenn bei unterstellter Selbstbestimmungsverletzung gleichzeitig ein wesentliches Überwiegen auf der Seite der geretteten Güter zu bejahen ist. Eine derartige Beschränkung der potentiellen Straflosigkeit durch die Hürde des wesentlichen Überwiegens ist vorliegend auch unabhängig davon, dass die betreffenden Ungereimtheiten ohnehin nur bei einem hypothetischen Erfüllen der Voraussetzungen des § 34 StGB überhaupt tatsächlich entstehen würden, sachgerecht. Denn schließlich werden die im Rahmen der mutmaßlichen Einwilligung bestehenden besonderen Schutzmechanismen für die Selbstbestimmung in den einschlägigen Fällen gerade nicht eingehalten. Auch wenn die Selbstbestimmung im Konkreten gewahrt wird, darf man den abstrakten Schutzgehalt nicht vernachlässigen. Um den diesbezüglichen Mangel zu kompensieren, wird man den Eingriff daher sachgerechterweise auf das auch ansonsten zulässige Maß beschränken müssen, was durch das Erfordernis des wesentlichen Überwiegens verkörpert wird. Im Ergebnis besteht also für den Fall der Nichteinhaltung der Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung trotz gegebenen Verletzungswillens seitens des Berechtigten mit dem Rückgriff auf die 61 Siehe dazu, dass das Analogieverbot nicht bei Abweichungen zugunsten des Täters gilt, Schmitz, S. 111. Auf die Frage, inwieweit Art. 103 II GG überhaupt bei einer Ausweitung im Zusammenhang mit dem Erlaubnistatbestandsirrtum gelten kann, muss daher nicht näher eingegangen werden. 62 Vgl. zu jenem Merkmal im Kontext des Erlaubnistatbestandsirrtums allgemein Kudlich, in: BeckOK-StGB, § 16 Rn. 21.

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

Grundsätze des Erlaubnistatbestandsirrtums eine sachgerechte Lösung, die den Widerspruch zur Handhabung bei willenswidrigen Verletzungen verhindert, ohne vom Grundsatz der alleinigen Einschlägigkeit der Einwilligungsregeln zur Rechtfertigung innerhalb der betreffenden Kategorien abzuweichen.

IV. Zusammenfassung zur Suche der sachgerechten Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision Im Kontext der partiellen Binnenkollision richtet sich die Einschlägigkeit des jeweiligen sachgerechten Lösungsansatzes nach der Positionierung des Drittrechtsguts bzw. der Drittrechtsgüter im Verhältnis zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Befinden sich sämtliche Drittrechtsgüter auf derselben Seite wie die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen, ist der Rechtfertigungsgegenstand auf willensgemäße Verletzungen abstrakter Rechtsgüter des Binnenbetroffenen beschränkt. Ein stets auf Verletzung des betreffenden Gutes gerichteter Wille schließt Rechtsgutseingriffe durch Unterlassen mangels Begründung einer Handlungspflicht aus. Potentielle Rechtfertigungsgegenstände können folglich nur in Verletzungen liegen, die durch ein Handeln begangen werden. Eingriffe innerhalb jener Kategorie partieller Binnenkollision vermögen allein durch die Einwilligungsregeln einer sachgerechten Lösung zugeführt zu werden. Die betreffenden Rechtsgutsverletzungen lassen sich durchweg durch die Selbstbestimmung legitimieren, wobei auch der Gedanke des Rechtsschutzverzichts eine sinnhafte Integration erfährt. Eine Anwendbarkeit des § 34 StGB auf solche Taten würde hingegen zu hohe Hürden für die Gewährleistung der Selbstbestimmung mit sich bringen. Ferner wäre die Statuierung einer Duldungspflicht ebenso wie ein Schutz vor übermäßiger Inanspruchnahme insoweit nicht sinnhaft erklärbar. Aus jenen Gründen ist daher eine Einschlägigkeit des rechtfertigenden Notstands innerhalb der ersten Kategorie partieller Binnenkollision abzulehnen. In dem umgekehrten Fall, dass alle Drittrechtsgüter antagonistisch zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen positioniert sind, sind Rechtfertigungsergebnisse nicht zugunsten eines Beteiligten vorkonturiert. Demnach sind in Hinblick auf mögliche Rechtfertigungsgegenstände zum einen Verletzungen zulasten des Binnenbetroffenen denkbar, die sowohl willenswidrig als auch willensgemäß erfolgen können. Während erstere in Gestalt eines Tuns und eines Unterlassens möglich sind, bleibt die Rechtfertigung willensgemäßer Verletzungen des Binnenbetroffenen in Anbetracht des Einflusses der Selbstbestimmung auf die Begründung einer Handlungspflicht indes wiederum auf Fälle eines Handelns beschränkt. Neben Verletzungen des Binnenbetroffenen kommen zum anderen auch Beeinträchtigungen von Drittrechtsgütern als potentielle Rechtfertigungsgegenstände in Betracht. Konkret vermögen im Rahmen der betreffenden Kategorie partieller Binnenkollision ein oder mehrere Drittrechtsgüter willenswidrig in Mit-

IV. Zusammenfassung

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leidenschaft gezogen zu werden, was durch ein Tun oder ein Unterlassen geschehen kann. In einem solchen Fall wird dabei gleichzeitig immer auch mindestens ein abstraktes Rechtsgut des Binnenbetroffenen verletzt. Hierbei kann es sich der Struktur der Kategorie nach allerdings stets lediglich um eine willensgemäße Verletzung handeln. Willensgemäße Verletzungen lassen sich aufgrund der antagonistisch beteiligten Selbstbestimmung ebenso wie im Rahmen der zunächst erörterten Kategorie partieller Binnenkollision überzeugend mittels der Einwilligungsregeln rechtfertigen. § 34 StGB kann diesbezüglich hingegen abermals angesichts nicht sachgemäßer Hürden für die Selbstbestimmungsgewährleistung sowie der fehlenden Plausibilität einer Duldungspflicht oder des Schutzes vor übermäßiger Inanspruchnahme nicht zur Anwendung kommen. In Hinblick auf die verbleibenden, durch willenswidriges Verhalten charakterisierten Rechtfertigungsgegenstände erscheint indessen mangels einer entsprechend durchschlagenden Selbstbestimmung ein Rückgriff auf die Einwilligungsregeln nicht möglich. Allerdings fungiert insoweit § 34 StGB als das passende Instrument. Im Rahmen derartiger Verletzungen finden sowohl der Grundgedanke des rechtfertigenden Notstandes als auch dessen objektiv geprägter mehrpoliger Charakter eine sachgerechte Anknüpfung. Des Weiteren erscheint die Statuierung einer Duldungspflicht ebenso passend wie die mit dem wesentlichen Überwiegen zusammenhängenden Schutzmechanismen. Konflikte mit einer absoluten Gewährleistung von Autonomie bestehen angesichts der fehlenden Einschlägigkeit jenes Grundsatzes naturgemäß vorliegend ebenfalls nicht. Auch das Merkmal der Ergebnisoffenheit kann zumindest generell konstellationsbetreffend als gewahrt angesehen werden. Sämtliche vorangegangenen Ausführungen hinsichtlich der Anwendung der einzelnen Rechtfertigungsgründe gelten dabei für den Fall einer isolierten Betroffenheit verschiedener Objekte der jeweiligen Beteiligten. Sollte hingegen ein Verletzungsobjekt vorliegen, das dem Binnenbetroffenen sowie dem oder den Dritten gemeinsam zusteht, ist auch eine gemeinsame Betrachtung in Hinblick auf die Wahl des einschlägigen Rechtfertigungsansatzes erforderlich. Aufgrund der kategoriebetreffend prinzipiell fehlenden Durchschlagskraft der Einwilligungsregeln in Bezug auf Drittbeteiligte kommt hierbei allerdings keine Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln in Betracht. Es verbleibt insofern allein die Heranziehung des § 34 StGB. Wenn mehrere Drittrechtsgüter in antagonistischer Stellung beteiligt sind, jedoch alle Rechtsgüter Selbstbestimmung bzw. Güter des Staates oder der Allgemeinheit gemeinsam auf einer Seite der Kollision streiten, sind allein Verletzungen rechtfertigungsfähig, die die entgegengesetzte Seite der Kollision betreffen. Angesichts der Deckung der möglichen Verletzungen durch den Willen der Betroffenen sind mangels potentieller Begründung einer Handlungspflicht wiederum allein Verletzungen durch ein aktives Tun einer Rechtfertigung zugänglich. Als passender Rechtfertigungsansatz fungieren dabei die Einwilligungsregeln. Deren Einschlägigkeit resultiert aus der jeweiligen Wahrung der Selbstbestim-

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E. Sachgerechte Rechtfertigungsansätze bei partieller Binnenkollision

mung, die mit einem derartigen Eingriff verbunden ist. Sofern es sich bei den betreffenden Verletzungsobjekten um separate Gegenstände handelt, ist jeweils isoliert betrachtet eine Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln möglich. Handelt es sich dagegen um einen einheitlichen Gegenstand mehrerer Berechtigter, führt allein die kumulative Einhaltung der Einwilligungsvoraussetzungen zur Rechtfertigung. § 34 StGB lässt sich innerhalb jener Kategorie hingegen nicht heranziehen. Für dieses Ergebnis streiten wiederum, wie im entsprechenden Rahmen der vorherigen Kategorien gezeigt, die nicht vertretbaren erhöhten Hürden für die Gewährleistung der Selbstbestimmung sowie die fehlende Sinnhaftigkeit der Statuierung einer Duldungspflicht und der Funktion des wesentlichen Überwiegens als Schutz vor übermäßiger Inanspruchnahme. Dies gilt sowohl bei separat als auch bei gemeinsam zu betrachtenden Gegenständen. Die letzte Kategorie partieller Binnenkollision zeichnet sich durch eine antagonistische Beteiligung mehrerer Drittrechtsgüter aus, wobei zwingend eines der drittbeteiligten Güter Selbstbestimmung oder ein Gut des Staates oder der Allgemeinheit entgegengesetzt zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen streitet. Wie schon im Rahmen der zweiten Kategorie partieller Binnenkollision ergibt sich dabei eine prinzipielle Rechtfertigungsmöglichkeit von Eingriffen zulasten beider Seiten der Kollision. Hierbei sind zum einen willenswidrige Eingriffe denkbar, die sich gegen den Binnenbetroffenen, aber auch gegen Dritte richten können und in beiden Fällen in Gestalt eines Handelns oder eines Unterlassens aufzutreten vermögen. Die zum anderen möglichen rechtfertigungsfähigen willensgemäßen Eingriffe können alle beteiligten Individualrechtsgutsträger treffen, wobei einer diesbezüglichen Rechtfertigung eines Unterlassens aber die fehlende Tatbestandsmäßigkeit, hervorgerufen durch die Nichtbegründung einer Handlungspflicht, entgegensteht. In Hinblick auf willensgemäße Verletzungen kommt es – jedenfalls solange es sich um ein separat zu behandelndes Objekt handelt – mit denselben Argumenten wie hinsichtlich entsprechender Verletzungen innerhalb der anderweitigen Kategorien allein zu einer Rechtfertigungsmöglichkeit mittels der Einwilligungsregeln. § 34 StGB kann aus den bekannten Gründen nicht angewendet werden. Stehen dagegen willenswidrige Eingriffe in Rede, ist eine Kongruenz mit den selbstbestimmungswahrenden Einwilligungsregeln ausgeschlossen. In derartigen Fällen kann allein § 34 StGB zu einer Rechtfertigung führen, wobei für dessen Einschlägigkeit sachlich dieselben Gründe wie im Kontext der zweiten Kategorie partieller Binnenkollision heranzuziehen sind. Auch bei einer nur partiell willenswidrigen Verletzung eines gemeinsam zu betrachtenden Verletzungsobjekts kommt dadurch, dass aus der Perspektive des willenswidrig Verletzten die Einwilligungsregeln ausgeschlossen sind, allein § 34 StGB für die erforderliche einheitliche Rechtfertigung in Betracht. Im Rahmen der aufgezeigten Handhabung der Rechtfertigung bei partieller Binnenkollision können jedoch in gewissen Fällen Ungereimtheiten nicht geleugnet werden. Wenn speziell innerhalb der ersten oder dritten vorgestellten Katego-

IV. Zusammenfassung

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rie Erfordernisse der mutmaßlichen Einwilligung jenseits der Willenswahrung nicht erfüllt werden, ist angesichts der Beschränkung einer Legitimation auf die Einwilligungsregeln eine Rechtfertigung ausgeschlossen. Wäre die Selbstbestimmung aber auf der entgegengesetzten Seite positioniert, würde sich über § 34 StGB gegebenenfalls eine Rechtfertigungsmöglichkeit eröffnen. Es widerspricht jedoch im konkreten Vergleich der besonderen Bedeutung der Selbstbestimmung, wenn ein willenswidriger Eingriff eher zulässig wäre als ein willensgemäßer. Jenen Konflikt kann man dadurch auflösen, dass man dem Handelnden in derartigen Fällen eine Straflosigkeit nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums ermöglicht. Der Weg für eine solche Vorgehensweise eröffnet sich entweder über einen tatsächlichen Zweifel an dem befürwortenden Willen des Gutsinhabers oder zumindest mittels der Annahme eines normativen Irrtums. Durch die mit der Bejahung eines Erlaubnistatbestandsirrtums verbundene Anforderung, dass nach den irrig zugrunde gelegten Umständen auch die Anforderungen des § 34 StGB erfüllt wären, ergeben sich mit dem Kriterium des wesentlichen Überwiegens im Vergleich zu den Einwilligungsregeln höhere Hürden für die Straflosigkeit. Diese sind jedoch auch sachgerecht, da sie den Mangel kompensieren, der durch die Nichterfüllung der Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung in Hinblick auf den abstrakten Schutz der Selbstbestimmung besteht.

F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln In den vorangegangenen Erörterungen haben sich im übergreifenden Zusammenhang der Binnenkollision von Rechtsgütern die Einwilligungsregeln als wesentlicher Ansatz zur Rechtfertigung herausgestellt. Hinsichtlich der reinen Binnenkollision machen sie den einzig möglichen Lösungsweg aus. Aber auch im Kontext der partiellen Binnenkollision spielen die Einwilligungsregeln, wie gesehen, eine entscheidende Rolle. Daher soll im Folgenden speziell jener Lösungsansatz in Hinblick auf auftretende Folgeprobleme näher untersucht werden.1 Dies ist insbesondere auch deshalb von großer Bedeutung, weil es gerade die kritischen Folgeaspekte in der Anwendung der Einwilligungsregeln sind, die häufig – in undogmatischer Weise – als Anknüpfungspunkt genommen werden, um bei reiner Binnenkollision auf den rechtfertigenden Notstand auszuweichen.2 Als problembehaftete Folgefragen spielen dabei allen voran die Einwilligungssperren, darunter schwerpunktmäßig die aus § 216 StGB hergeleitete Beschränkung, eine wichtige Rolle. Der Diskussionsstand zu diesem Themenfeld, insbesondere zur Einwilligungssperre aus § 216 StGB, ist allerdings bereits sehr umfangreich,3 sodass die folgenden Ausführungen auf eine eigene Deutung beschränkt bleiben sollen. Neben den Einwilligungssperren wird auch der Problemkreis der Einwilligungsunfähigkeit teils als konfliktträchtiger Gesichtspunkt angesehen, der die Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln gegebenenfalls ausschließen könnte. Dieser muss daher ebenfalls eine eigenständige, wenn auch wiederum insbesondere auf die Entwicklung eines eigenen Ansatzes beschränkte Erörterung erfahren. Zuvor wird jedoch im Anschluss an die Behandlung der Einwilligungssperren der Gesichtspunkt der Einwilligung in eine Gefährdung einer näheren Behandlung zugeführt werden. In der herkömmlichen Diskussion kommt es dies1 Auch in Hinblick auf § 34 StGB stellen sich freilich gewisse Folgefragen, die einer näheren Diskussion zugänglich wären. Angesichts der angesprochenen Dominanz der Einwilligungsregeln auf dem Gebiet der Binnenkollision soll an aktueller Stelle auf eine Analyse entsprechender Problematiken des rechtfertigenden Notstands aber verzichtet werden. 2 Vgl. zu der gängigen Herangehensweise des Ausweichens auf den rechtfertigenden Notstand bei Konflikten mit den Einwilligungsregeln sowie der diesbezüglichen Kritisierung einer Ergebnisorientierung insbesondere die Ausführungen in der Einleitung unter A. 3 Vgl. exemplarisch die Angaben zum betreffenden Schrifttum bei Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 sowie in dessen Kapitel zu § 216 StGB. Zur Thematik der Einwilligungssperren generell ist die Abhandlung von Sternberg-Lieben aus dem Jahre 1997 besonders hervorzuheben.

I. Einwilligungssperren aus binnenkollisionsspezifischer Perspektive

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bezüglich zwar überwiegend nur speziell in Hinblick auf Lebensgefährdungen zu dem angesprochenen Ausschluss der Einwilligungsregeln. Der gesamte Problemkreis der Einwilligung in eine Gefährdung bedarf jedoch bereits im Allgemeinen einer Klarstellung, die nachfolgend in Form einer eigenen Deutung geliefert werden soll.

I. Untersuchung der Einwilligungssperren aus binnenkollisionsspezifischer Perspektive 1. Die Einwilligungssperre aus § 216 StGB Die aus § 216 StGB herzuleitende Einwilligungssperre ist in der strafrechtlichen Literatur bereits diversen Deutungen unterzogen worden.4 Auf diese soll allerdings vorliegend, wie bereits angesprochen, nicht näher eingegangen werden. Vielmehr ist im Folgenden ein eigener Ansatzpunkt vorzustellen, der sich aus einer Analyse der bisherigen Ergebnisse hinsichtlich der Behandlung von Binnenkollisionsfällen ergibt. So hat sich herausgestellt, dass die Einwilligungsregeln den sachgerechten Rechtfertigungsansatz darstellen, wenn allein Rechtsgüter einer Person beteiligt sind. Dem Telos der umfassenden Gewährleistung der Selbstbestimmung entsprechend ist dieser Ansatz bei willensgemäßem Vorgehen prinzipiell auch auf ein Durchschlagen angelegt. Wenn nun das Gesetz für einen gewissen Bereich willensgemäßen rechtfertigungsbedürftigen Verhaltens, nämlich im Falle von Lebensbetroffenheit, eine pauschale Nichtgeltung der Einwilligungsregeln anordnet, liegt die Vermutung nahe, dass dem betreffenden Lebenssachverhalt keine reine Binnenkollision zugrunde liegt. Denn es wäre widersinnig, wenn in einem Teil des ureigenen Anwendungsbereichs eines Rechtfertigungsansatzes, konkret dem der reinen Binnenkollision, die Durchschlagskraft einer entsprechenden Vorgehensweise schon prinzipiell behindert würde. Dagegen würde ein Ausschluss der Rechtfertigungswirkung der Einwilligungsregeln Sinn ergeben, wenn als Verletzungsgut in derartigen Fällen nicht nur das Gut des Binnenbetroffenen, sondern auch ein Rechtsgut eines Dritten in Betracht kommt.5 Schließlich vermag die Zustimmung des Binnenbetroffenen hinsichtlich 4 Ein Überblick über die wesentlichen vertretenen Ansätze findet sich etwa bei Kubiciel, AL 2011, 361, 362 ff.; Feldmann, S. 326 ff. 5 Die Beteiligung eines Drittrechtsguts klingt auch teils in der bislang vertretenen Literatur zur Deutung der Einwilligungssperre aus § 216 StGB an. Diesbezüglich ist zunächst Brunhöber, JuS 2011, 401, 402 zu nennen, die explizit auf die Beteiligung eines Rechtsgutes der Allgemeinheit im Kontext des § 216 StGB hinweist. Ein solches Verständnis lässt sich ferner Göbel, S. 42 f. entnehmen. Vgl. darüber hinaus auch Rieger, S. 77. Auf die konkreten Ansätze der genannten Vertreter wird in Fn. 9 Abschn. F. sowie Fn. 10 Abschn. F. nochmals eingegangen werden. Auch neben jenen betreffenden Einlassungen finden sich zum Teil im Kontext der herkömmlichen überindividuell basierten Deutungsweisen des § 216 StGB Argumentationen, die auf die Beteiligung eines Gutes der Allgemeinheit schließen lassen. Dies ist dabei allerdings nur Gegenstand einer möglichen Interpretation. Der Schwerpunkt liegt im Rahmen jener Ansätze prinzi-

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

letzterem denklogisch keine rechtfertigende Wirkung aufzuweisen.6 Es gilt also im Folgenden die – in Ansätzen bereits erwähnte7 – Hypothese zu untersuchen, dass die Einwilligungssperre aus § 216 StGB8 eine partielle Binnenkollision repräsentiert.9 a) Die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als betroffenes Drittrechtsgut Wesenselement einer partiellen Binnenkollision ist die Beteiligung mindestens eines Drittrechtsguts an der Kollision. Daher ist es zur Untermauerung der aufgestellten Hypothese unerlässlich, ein stets beteiligtes Drittrechtsgut konkret auszumachen. In Betracht kommt hierfür das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug.10 aa) Herleitung und Inhalt der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug Zunächst gilt es, das in jenem Rechtsgut enthaltene Element der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug näher zu bestimmen. piell auf dem Inhalt; an konkreten Aussagen in Hinblick auf die Rechtsgutsqualität fehlt es dagegen regelmäßig. Ablehnend gegenüber einer Interpretation des § 216 StGB im Sinne der Beteiligung von Rechtsgütern der Allgemeinheit äußert sich aber Schmitz, S. 47, 195. 6 Vgl. dazu bereits die Aussagen unter E. I. 2. a), S. 258. 7 Erstmalig unter C. II. 1. b) bb), S. 76. 8 Und damit freilich auch der Tatbestand jener Norm. Schließlich bildet der Straftatbestand des § 216 StGB den Ausgangspunkt für die Annahme einer weitergehenden Einwilligungssperre; vgl. diesbezüglich auch Fn. 20 Abschn. C. mit den dort genannten Nachweisen. Folglich müssen in Hinblick auf die beteiligten Rechtsgüter insoweit die gleichen Grundsätze gelten. 9 Auch Rieger, S. 77 spricht davon, dass bei fehlender Dispositionsbefugnis über ein Rechtsgut aufgrund der Beteiligung von Drittelementen keine rein auf eine Person beschränkte Kollision gegeben sei. Vgl. aber zu den von ihm gezogenen Konsequenzen in Hinblick auf eine Rechtfertigungsmöglichkeit in Sonderfällen Fn. 34 Abschn. G. 10 Das von Brunhöber, JuS 2011, 401, 402 vorgeschlagene Rechtsgut „allgemeine Achtung des Lebens“ vermag mangels hinreichender Konkretheit nicht den hier vertreten Rechtsgutsbegriff zu erfüllen. Auch der von Göbel, S. 42 f. angeführte „soziale Friede“ ist derselben Kritik ausgesetzt; vgl. dazu ähnlich auch die Kritik von Menrath, S. 169. Beide Ansätze sollen daher in Bezug auf potentiell beteiligte Rechtsgüter im Rahmen einer partiellen Binnenkollision nicht näher vertieft werden. Auch die sonstigen im Kontext der überindividuellen Deutungsmodelle vorgestellten Inhalte sind als solche nicht in der Lage, die erforderlichen Kriterien des Rechtsgutsbegriffs zu erfüllen. Dies deckt sich mit dem in Fn. 5 Abschn. F. angesprochenen Mangel hinsichtlich vorhandener Aussagen zur Rechtsgutsqualität der geschützten Aspekte. Allerdings bedeutet dies nicht, dass jene Ideen im Rahmen der vorliegend vertretenen Deutungsweise keinerlei Berechtigung entfalten können. Sie vermögen zumindest in Teilen bei der Konturierung des in Rede stehenden Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug eine Rolle zu spielen.

I. Einwilligungssperren aus binnenkollisionsspezifischer Perspektive

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Jedem Menschen erwächst aus den grundrechtlichen Gewährleistungen ein Anspruch auf Schutz seiner individuellen Grundrechte vor Eingriffen durch den Staat.11 Der Staat ist darüber hinaus aber auch verpflichtet, die Grundrechte der Betroffenen vor Verletzungen durch Dritte zu schützen.12 Eine staatliche Schutzpflicht für grundrechtlich herzuleitende Individualrechtsgüter lässt sich folglich unproblematisch aus der Verfassung entnehmen. Diese Form der Schutzpflicht, die auch als „einfache“ Schutzpflicht zu bezeichnen ist, bezieht sich auf Verletzungen, die nicht auf die freie Disposition des Verletzten zurückzuführen sind.13 Sämtliche strafrechtliche Normen, die grundrechtlich verankerte Werte vor ungewollten Verletzungen schützen, basieren in ihrer Existenz auf einer derartigen Schutzpflicht.14 Es existieren aber auch gewisse Fälle, in denen dem grundrechtlich gewährleisteten Wert abstrakt eine Bedeutung inne wohnt, die gegenüber der Dispositionsfreiheit des Einzelnen überwiegt. Auch bzw. gerade wenn eine Disposition über ein derartiges Gut gegeben ist, ist sodann eine Schutzpflicht zu konstatieren, die im Unterschied zur einfachen Schutzpflicht als gesteigerte Schutzpflicht bezeichnet werden soll. Deren Gegenstand ist im Konkreten die Schaffung eines überindividuellen Schutzraumes, in dem man abstrakt vor Beeinträchtigungen entsprechender Güter sicher sein kann. Es geht dabei also nicht um einen Schutz des speziell betroffenen Individualrechtsguts bzw. dessen Trägers vor willensgemäßen Verletzungen, sondern allein um die Gewährleistung eines überindividuellen Schutzes. Eine Pflicht zum Schutz eines Individualrechtsguts vor selbstbestimmten Handlungen wäre ohnehin richtigerweise nicht als eigenständige Ausprägung einer staatlichen Schutzpflicht anzusehen. Allein eine überindividuelle Prägung vermag es zu legitimieren, entgegen der Selbstbestimmung des betroffenen Rechtsgutsträgers ein Eingreifen des Staates zu fordern. Zu beachten ist allerdings, dass Grundrechtsschutz dem verfassungsrechtlichen Grundgedanken nach prinzipiell Individualschutz bleibt. Folglich kann eine Schutzpflicht in der vorgestellten überindividuellen Form nur ausnahmsweise angenommen werden. Nur wenn in einem besonders grundrechtssensiblen Bereich für den Fall einer Disposition über ein Individualrechtsgut ein gesteigertes abstraktes Schutzbedürfnis verbleibt, lässt sich eine gesteigerte Schutzpflicht des Staates im soeben dargestellten Sinne annehmen. Die betreffende Pflicht stellt damit konstruktiv stets einen Gegenpol zur Selbstbestimmung dar. 11 Diese Schutzdimension ist als sog. „status negativus“ zu bezeichnen; vgl. zu jener Thematik Epping, Grundrechte, Kap. 1 Rn. 14. 12 Sternberg-Lieben, S. 34. Die betreffenden Schutzpflichten unterfallen dabei der grundrechtlichen Schutzdimension des „status positivus“; vgl. dazu Epping, Grundrechte, Kap. 1 Rn. 15 f. 13 Für eine Beschränkung der Schutzpflicht auf Fälle willenswidriger Verletzungen auch Sternberg-Lieben, S. 36, 45, 221 sowie Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 228 Rn. 1. 14 In diesem Sinne auch Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 228 Rn. 1, der darauf hinweist, dass die staatliche Schutzpflicht für Individualrechtsgüter jedenfalls in Hinblick auf die wichtigsten Rechtsgüter die Schaffung von Strafnormen erfordert.

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

Zu untersuchen ist nun, ob § 216 StGB bzw. die daraus hergeleitete Einwilligungssperre Ausdruck der Betroffenheit einer derartigen gesteigerten Schutzpflicht sein kann.15 Im strafrechtlichen Schrifttum finden sich durchaus Stimmen, die den Regelungsbereich des § 216 StGB im Zusammenhang mit einer staatlichen Schutzpflicht erläutern. Zum Teil liegt hierin allerdings lediglich eine verfassungsrechtliche Anknüpfung, um den herkömmlich vorgebrachten Ansätzen zu einem dogmatischen Gewand zu verhelfen. Der Schwerpunkt verbleibt insoweit aber weiterhin auf den typischen, insbesondere paternalistischen bzw. tabubezogenen Erwägungen.16 Auch unabhängig davon fehlt es oft an hinreichend konkreten Aussagen zur genaueren dogmatischen Einordnung der Schutzpflicht.17 Sofern überhaupt nähere Erläuterungen vorgenommen werden, herrscht eine individuell-basierte willensabhängige Deutungsweise der Schutzpflicht vor.18 Dies entspricht jedoch nicht der vorliegend in Rede stehenden Grundkonstellation, die sich dadurch auszeichnet, dass die Selbstbestimmung antagonistisch zum Rechtsgut Leben positioniert ist und die Sperrwirkung lediglich mit der Beteiligung eines Drittelements erklärt werden kann, das entgegengesetzt zur Selbstbestimmung agiert. Auch soweit der Schutzpflicht für das Leben teils die Gewährleistung eines Schutzes des Grundrechtsträgers vor sich selbst zugeschrieben wird,19 ist argumentativ ein Individualbezug gegeben, was dem vorliegend erforderlichen überindividuellen Gehalt der gesteigerten Schutzpflicht widerspricht.20 Es fehlt also bislang, soweit ersichtlich, in der strafrechtlichen Literatur an einer überzeugenden überindividuellen spezifisch schutzpflichtbezogenen Deutung des § 216 StGB.21 Dieses Manko gilt es nun zu beseitigen. 15 Einer solchen grundrechtsbasierten Deutung des § 216 StGB steht jedenfalls nicht entgegen, dass jene Norm aus einer vorkonstitutionellen Zeit stammt. Denn um die Normenhierarchie nicht zu untergraben, muss die Verfassung auch Bedeutung im Kontext der vorkonstitutionellen Regeln entfalten können. Dies gilt richtigerweise nicht nur für das Verbot von Verfassungsverstößen, sondern eröffnet auch den Weg für eine verfassungsbezogene Auslegung. 16 Diesbezüglich ist etwa Feldmann, S. 350 ff. zu nennen. Einen ähnlichen Umgang mit der Schutzpflicht im Kontext des § 216 StGB findet sich auch bei Lindner, JZ 2006, 373 ff. 17 Vgl. zu Erwähnungen der Schutzpflicht des Staates im Zusammenhang mit § 216 StGB ohne konkrete dogmatische Einordnung etwa Fischer, BLJ 2011, 1, 1 f. Duttge, ZfL 2004, 30, 35 sowie Merkel, S. 399 nennen immerhin eine konkrete grundrechtliche Anknüpfung, darüber hinaus lassen sie aber wesentliche Aussagen zu einer dogmatischen Charakterisierung vermissen. 18 Vgl. diesbezüglich insbesondere Sternberg-Lieben/Reichmann, NJW 2012, 257, 260 sowie bereits allgemein die Angaben in Fn. 13 Abschn. F. zur Sichtweise SternbergLiebens auf den Charakter der staatlichen Schutzpflicht. 19 Vgl. hierzu etwa Czerner, MedR 2001, 354, 356. 20 Ein Schutz vor eigenen selbstbestimmten Entscheidungen könnte ohnehin, wie gesehen, richtigerweise nicht Gegenstand einer staatlichen Schutzpflicht sein. 21 Eschelbach, in: BeckOK-StGB könnte man im Wege der Interpretation eine Trennung zwischen einfacher und gesteigerter Schutzpflicht im Kontext der Begründung der Einwilligungssperren entnehmen. So spricht er in Bezug auf den Rechtfertigungsgrund

I. Einwilligungssperren aus binnenkollisionsspezifischer Perspektive

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Erforderlich ist dafür zunächst, eine aus § 216 StGB zu entnehmende gesteigerte Schutzpflicht des Staates bei Lebensbezug näher zu konturieren. Entsprechend den bereits allgemein dargestellten Voraussetzungen muss es sich bei deren Inhalt um die Gewährleistung eines abstrakten, vom Individualbetroffenen unabhängigen Schutzraumes für das Leben als besonders grundrechtssensibler Bereich handeln. Letzteres ist einfach zu bejahen. Schon angesichts der Irreversibilität einer Lebensverletzung handelt es sich bei Lebensbetroffenheit um einen grundrechtlich besonders sensiblen Bereich, in dem Achtung und Vorsicht in außerordentlichem Maße geboten ist. Ebenso lässt sich eine Unabhängigkeit der Schutzrichtung des § 216 StGB von dem betroffenen Individuum plausibel annehmen.22 Es ist dabei aber nicht allein das Leben der anderen, das Gegenstand der Schutzpflicht ist. Deren Inhalt ist vielmehr die Gewährleistung eines vorgelagerten, umfassenden Schutzraumes als solchem, sprich die Verpflichtung zur Schaffung und Wahrung eines berechtigten Gefühls der Sicherheit, die in ihrem diesbezüglichen Charakter geschützt werden muss. Konkret resultiert die Notwendigkeit der Etablierung eines derartigen Raumes der Sicherheit aus den abstrakten Gefahren, die mit einer Freigabe des Lebens verbunden wären. So ergäbe sich ein Klima der Furcht und des Misstrauens, etwa gegenüber Verwandten oder vor der Reichweite medizinischer Behandlungen, sowie ganz allgemein eine Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Umgang mit dem eigenen Tod. Teils würde sich dies darauf gründen, dass die Grenzen zwischen gewollten und ungewollten Tötungen angesichts der Erlaubtheit ersterer verschwimmen könnten. Genauso entscheidend ist aber ein gegebenenfalls auftretender Druck, von der Option der Lebensbeendigung Gebrauch zu machen, um damit möglichen Erwartungen von anderen zu entsprechen.23 der Einwilligung in Rn. 1 zu § 228 StGB davon, dass die Schutzpflicht bei freier Disposition nicht greife. In der Einleitung zu § 216 StGB führt er indes die Schutzpflicht für das menschliche Leben als Begründung für das Verbot aus jener Norm an, wobei auch eine überindividuelle Komponente anklingt. Im Umkehrschluss zur erstgenannten Aussage könnte man daher auf die Betroffenheit einer gesteigerten Schutzpflicht bei gegebenem Lebensbezug schließen. Konkret wird eine solche Form der Schutzpflicht aber nicht erwähnt. Die betreffende Interpretation erscheint somit keinesfalls zwingend. Auch mangelt es insoweit an weitergehenden Ausführungen, sodass man nicht von einer hinreichend überzeugenden überindividuell schutzpflichtbezogenen Deutung sprechen kann. 22 Auf einzelne Argumente gegen eine individualbezogene Deutung kann hier nicht näher eingegangen werden. Diesbezüglich ist auf die gängige Diskussion um die Interpretation des § 216 StGB zu verweisen. 23 All jene aufgeführten Aspekte sind im Kontext des § 216 StGB nichts Fremdes. Im Zusammenhang mit herkömmlich vertretenen Ansätzen werden diese häufig aufgegriffen; vgl. zu den genannten Elementen etwa Menrath, S. 170 f. Siehe zu einem Schutz vor der Entstehung eines gesellschaftlichen Klimas, in dem von alten oder kranken Menschen die Entscheidung für den Tod erwartet wird, speziell auch Feldmann, S. 341; vgl. zur Gefahr der Ausübung von Druck seitens der Angehörigen beispielsweise auch Dölling, MedR 1987, 6, 8. Unsicherheiten im Umgang mit dem eigenen Tod sowie speziell die Gefahr der Ausübung von Druck im Kontext von einverständlichen

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bb) Die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als Schutzgegenstand Um seiner gesteigerten Schutzpflicht nachzukommen, muss der Staat die soeben dargestellten Gefahren verhindern und dadurch das Gefühl der Sicherheit im Umgang mit dem eigenen Tod schaffen bzw. stärken. Aber auch wenn jener Zustand der Sicherheit folglich ein zentrales Element darstellt, soll vorliegend nicht das bezweckte Sicherheitsgefühl als solches, sondern vielmehr die dieses gewährleistende effektive Erfüllung der gesteigerten24 staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als betroffenes Drittrechtsgut angesehen werden. Dies resultiert zum einen aus der weitergehenden Konkretisierungsmöglichkeit im Vergleich zu dem vage gefassten Sicherheitsgefühl. Die betreffende Schutzpflicht des Staates ist eine feststehende, aus den Grundrechten abgeleitete Pflicht des Staates, die in dieser Funktion klare Konturen aufweist. Ihr Inhalt stimmt freilich naturgemäß im Konkretheitsgrad mit dem betreffenden Sicherheitsgefühl bzw. -niveau überein. Angesichts des Einschlusses im Rahmen einer eigenständigen Pflicht ist jedoch ein höheres Maß an Konkretisierung und damit eine insoweit sachgerechtere Einordnungsmöglichkeit als Rechtsgut gegeben. Mit der Anerkennung der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht und nicht des Sicherheitsgefühls als Rechtsgut geht auch ein weiterer Mehrwert einher. Auf diese Weise wird nämlich neben der Gewährleistung der Sicherheit zusätzlich speziell eine Aufgabe des Staates in den Schutzbereich einbezogen. Damit ist nicht nur die gefährdete Bevölkerung geschützt. Dem Staat selbst steht eine wehrhafte eigenständige Schutzposition zu. In Bezug auf die Rechtsgutsqualität dieser Schutzposition kann ein Vergleich mit der Effektivität bzw. der Funktionstüchtigkeit der (Straf)-Rechtspflege als Rechtsgut herangezogen werden.25 Auch hierbei wird zwar mittelbar die Bevölkerung geschützt, indem auch deren Interesse an Wahrheit und Gerechtigkeit betroffen ist. Darüber hinaus wird mit der Statuierung eiLebensbeendigungen werden auch in BT-Drucks. 18/5373, S. 2, 8 thematisiert, auf die an aktueller Stelle jedoch noch nicht näher eingegangen werden soll; vgl. dazu ausführlich Fn. 69 Abschn. G. Vorliegend spielen alle genannten Aspekte aber nicht als eigenständige Erklärungs- bzw. Legitimationsansätze eine Rolle, sondern werden nur zur Konturierung des Inhalts der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug herangezogen. 24 Da überhaupt nur die gesteigerte Schutzpflicht als Grundlage in Betracht kommt, wenn das betreffende Rechtsgut als Gegenpol zum Willen des Individualrechtsgutsträgers beteiligt sein soll, ist eine Bezeichnung der Schutzpflicht als gesteigert im Rahmen jenes Gutes nicht erforderlich und wird daher auch nicht stets verwendet werden. 25 Ein derartiges Rechtsgut findet sich zum einen in § 258 StGB, obgleich dort nur ein Ausschnitt des Funktionierens der Strafrechtspflege erfasst wird; vgl. Stree/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 258 Rn. 1. Auch § 164 StGB sowie § 145d StGB schützen im Ergebnis die Funktionsfähigkeit der deutschen Rechtspflege; siehe dazu im Einzelnen Lenckner/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 164 Rn. 1a; Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, § 145d Rn. 1. Vgl. allgemein zum Topos der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege Landau, NStZ 2007, 121 ff.; siehe ferner auch Hillenkamp, NJW 1989, 2841 ff.

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nes entsprechenden Rechtsguts aber sichergestellt, dass der Staat als Zuständiger in jenem Bereich seine Schutzaufgabe effektiv wahrnehmen kann, und somit die Grundlage für den Schutz der Interessen der Allgemeinheit abgesichert. Wenn die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als Rechtsgut in Betracht kommen soll, dessen Verletzung strafbewehrt ist, ist weiter erforderlich, dass dieses Gut durch eine Handlung des Täters auch verletzt werden kann. Denn es wäre nicht möglich, dem Handelnden eine Strafe wegen der Beeinträchtigung eines Rechtsguts aufzuerlegen, das zu verletzen er selbst nicht in der Lage ist. Es darf also nicht nur dann ein Raum der Unsicherheit im Umgang mit dem Tod zu erwarten sein, wenn auf eine Normierung wie § 216 StGB verzichtet würde. Vielmehr muss jede konkrete willensgemäße Tötungshandlung die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als beteiligtes Rechtsgut verletzen. Hierbei ist zunächst anzumerken, dass es – vergleichbar mit der Verletzung der Effektivität der Strafrechtspflege – durchaus denkbare Vorgehensweisen gibt, mit denen ein Privater die effektive Umsetzung des erforderlichen Sicherheitsniveaus zu untergraben vermag und damit eine Verletzung des betreffenden Rechtsguts vornimmt. Damit ist allerdings bloß abstrakt die Verletzbarkeit der effektiven Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht durch eine natürliche Person festgestellt. Erforderlich ist weiter darzulegen, wie eine in jeder einverständlichen Tötung liegende Verletzung des Schutzniveaus durch den Handelnden konkret beschaffen sein kann.26 Im Speziellen muss diesbezüglich begründet werden, inwiefern sich die Unsicherheit in der Bevölkerung hinsichtlich des eigenen Todes durch jede einzelne einverständliche Tötung weiter ausbreiten würde. Hierbei ist argumentativ anzuführen, dass der Tötung mit Einwilligung eine Gefahr der Öffnung für neue Werte folgt. Je mehr sich ein solches Verhalten als tatsächlich ausgeführtes, von Handelndem und Betroffenem gebilligtes Vorgehen präsentieren würde, desto eher könnte es zu der Etablierung einer neuen, tötungsaffinen Einstellung kommen. Solch eine Lebensverkürzungen gegenüber positiv gestaltete Einstellung würde jedoch den vom Staat zu gewährleistenden 26 Man könnte indessen insoweit vorgelagert sogar erwägen, dass eine Tötung mit Einwilligung des Betroffenen unter Umständen gar keine Verletzung des Rechtsguts darstelle, sondern dessen Wahrung im Gegenteil sogar befördere. Derjenige, der entgegen dem Verbot des § 216 StGB töte, werde schließlich bestraft, was eine weitere Abschreckung verstärke. Problematisch an einer solchen Erklärung ist jedoch, dass man eine derartige Abschreckungswirkung nicht sicher annehmen kann. Zum einen existieren generelle Bedenken gegen die Abschreckungswirkung als solche. Vgl. dazu Radtke, in: MK-StGB, Vor § 38 Rn. 38, wenngleich die diesbezüglichen Ausführungen speziell die Abschreckungswirkung der reinen Strafandrohung und nicht konkret den Akt der Bestrafung betreffen. Ferner ist auch konkret nicht gesichert, dass es in jedem Fall der einverständlichen Tötung zu einer Bestrafung kommt. Fehlende Kenntnis oder Aufklärung durch Polizei und Justiz sowie Prozesshindernisse vermögen einer Bestrafung im Endeffekt entgegenzustehen, sodass insoweit bereits die Grundlage der entsprechenden Argumentation entfällt. Von einer steten Bestätigung des Rechtsguts kann folglich bei der willentlichen Tötung durch einen Dritten nicht ausgegangen werden.

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Schutz gefährden. Denn wenn die Gesellschaft freiwilligen Tötungen gegenüber positiver eingestellt wäre, würde das die Unsicherheit dahingehend erweitern, ob man sich jenen Erwartungen beugen sollte oder dass gegebenenfalls schneller und eventuell auch willenswidrig von der Tötungsmöglichkeit Gebrauch gemacht würde.27 Bei einer solchen Argumentation gestaltet sich allerdings ein Aspekt unter Umständen als problematisch. Gesetzt den Fall, die neue tötungsaffine Einstellung setzte sich immer weiter durch, so würde sie in der Konsequenz zu einem umfassenden Wertewandel führen. Fraglich wäre dabei aber, ob ein solcher dann nicht auch die Verletzbarkeit des in Rede stehenden Rechtsguts beeinflussen müsste. So könnte eine mit jeder konkreten Tötung einhergehende weitere Unsicherheit in der Bevölkerung nicht mehr ohne weiteres bejaht werden, wenn eine umfassende Adaption bereits stattgefunden hat und daher jeder den betreffenden Umgang mit dem Leben erwartet und billigt. In der Konsequenz wäre damit gegebenenfalls die Annahme einer entsprechenden Rechtsgutsverletzung schon grundlegend als fraglich anzusehen, wenn nur die ersten Verletzungen überhaupt negative Implikationen mit sich bringen können. Ferner ließe sich insoweit übergeordnet die Frage aufwerfen, ob es weiterhin als Staatsaufgabe anzusehen wäre, Schutz vor etwas zu gewährleisten, das von der Gesellschaft umfassend akzeptiert wird.28 Gegen letzteres gilt es aber einzuwenden, dass es sich bei der in Rede stehenden Folge um eine verfassungsrechtlich nicht haltbare Situation handelt. Daher muss es Aufgabe des Staates sein, zu verhindern, dass es überhaupt zu einer solchen kommt. Man kann folglich nicht gerade jenes unerwünschte Ergebnis in seinem Endstadium heranziehen, um den Umfang der staatlichen Aufgabe zu minimieren. Auch das Argument, dass bei vorhandener Adaption keine Unsicherheiten und mithin keine Rechtsgutsverletzungen mehr zu konstatieren wären, vermag im Konkreten nicht zu überzeugen. Zugegebenermaßen ließe sich im Falle eines umfassenden Wertewandels in der Bevölkerung ein Klima der Unsicherheit nicht mehr in gleichem Maße feststellen. Die Unsicherheit soll jedoch nicht nur um ihrer selbst Willen verhindert werden, sondern um gleichzeitig ein tötungsaffines Klima zu blockieren. Im Falle einer Adaption würde aber mit jeder weiteren anerkannten Verletzung jenes Klima bestätigt, was 27 In eine ähnliche Richtung wie die vorliegend vorgestellte Argumentation geht auch der – wenn auch nicht speziell auf § 216 StGB bezogene – Ansatz von Durkheim. Dieser beschreibt im Zusammenhang mit der Funktion von Kriminalität das Phänomen, dass sich durch Kriminalität – die er grundsätzlich zwar als normal und notwendig einstuft – in Ausnahmefällen kollektive Werteordnungen derart wandeln könnten, dass dies vermehrtes abweichendes Verhalten und Verhaltensunsicherheit zur Folge hätte. Den betreffenden Zustand bezeichnet er als „Anomie“. Vgl. zu jenem Ansatz die Darstellung bei Meier, Kriminologie, § 2 Rn. 11. In BT-Drucks. 18/5373, S. 2, 11 wird sogar speziell im Zusammenhang mit einverständlichen Lebensbeendigungen eine Gefahr der Adaption und „Normalisierung“ mit den genannten Folgen angesprochen. Vgl. aber zum genauen Kontext, in dem dies erwähnt wird, Fn. 69 Abschn. G. 28 Auch Feldmann, S. 341 f. wirft die Frage auf, ob es bei einem Wertewandel in der Gesellschaft überhaupt legitim erscheint, diesen auf Dauer zu bekämpfen.

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ebenfalls als Ausprägung einer betreffenden Rechtsgutsverletzung anzusehen wäre. Somit ist im Ergebnis umfassend von der Verletzbarkeit des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei willensgemäßen Tötungen auszugehen. Einer entsprechenden rechtsgutsbezogenen Interpretation der mit § 216 StGB verbundenen Wirkungsweise steht folglich insoweit nichts entgegen.29 Zur genauen Charakterisierung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug muss ferner noch dessen Träger bestimmt werden. Dabei gilt es konkret zu untersuchen, ob hierin ein Rechtsgut des Staates oder eines der Allgemeinheit zu erkennen ist. Vielen Darstellungen in der Literatur lässt sich keine eindeutige Differenzierung zwischen Gütern des Staates oder der Allgemeinheit entnehmen.30 Aus Gründen dogmatischer Klarheit, speziell in Anbetracht der Eigenschaft eines Rechtsguts als kleinstes abgrenzbares Schutzelement, erscheint eine Trennung aber erforderlich. Richtigerweise sollte sich die Einordnung, ob ein Rechtsgut des Staates oder der Allgemeinheit gegeben ist, nach der Funktion des Staates im betreffenden Zusammenhang richten. Zwar verfolgt der Staat zumindest mittelbar stets auch Interessen der Allgemeinheit. Hierin liegt schließlich seine ureigene Funktion. Teils vermag er aber auch eine eigenständige Stellung aufzuweisen, sprich einen abgrenzbaren, eigens zu fassenden diesbezüglichen Wirkungsbereich auszumachen, der sich von den reinen Allgemeininteressen absetzt. Ist dieser Wirkungsbereich selbst Gegenstand des in Rede stehenden Schutzes, kann man von einem Rechtsgut des Staates sprechen. Erschöpft sich die Rolle des Staates hingegen in dem Schutz der betreffenden Allgemeininteressen und weist darüber hinaus keine eigenständige Funktion auf, ist von einem Rechtsgut der Allgemeinheit auszugehen. Dann ist es nämlich allein letztgenannte, die den in Rede stehenden Schutz genießen soll und kann. Hinsichtlich des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug impliziert bereits die entsprechende Bezeichnung eine konstituierende Rolle des Staates. Auch inhaltlich geht der Schutz des be29 Über den Kontext der bisher angesprochenen willentlichen Fremdverletzung des Lebens hinaus erscheint es ferner möglich, dass der Inhalt des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug auch im Falle der Beteiligung an einem Suizid oder sogar hinsichtlich des Suizids als solchem aktiviert ist. Hierauf soll an aktueller Stelle allerdings nicht näher eingegangen werden; der Schwerpunkt der vorliegenden Erörterungen hat vielmehr auf dem originären Anwendungsbereich der Regelungsmaterie des § 216 StGB zu verbleiben. Vertiefte Ausführungen zur Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug im Kontext eines Suizids finden sich im Rahmen der Diskussion des Sonderfalls der willenswidrigen Verhinderung einer Selbsttötung unter G. III. 30 So beschränkt sich etwa Rönnau, Jura 2002, 665, 667 darauf, als Gegenpol zu Individualrechtsgütern Rechtsgüter der Allgemeinheit – von ihm sog. Universalrechtsgüter – aufzuführen. Auch Roxin, AT I, § 13 Rn. 33 differenziert nicht zwischen Gütern des Staates und der Allgemeinheit, obwohl er inhaltlich im betreffenden Kontext explizit auch den Staat als geschützten Träger einbringt.

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treffenden Gutes, wie bereits ausgeführt, über das reine Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit – welches man rechtsgutsbezogen auch nur dieser zuordnen könnte – hinaus. In dem Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug ist vielmehr die besondere, gesteigerte Verantwortung des Staates gegenüber seinen Bürgern zur Schaffung eines Raumes der Sicherheit verankert. Diese Aufgabe ist naturgemäß speziell dem Wirkungskreis des Staates zuzuordnen.31 Folglich handelt es bei dem Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug um ein Rechtsgut des Staates. Im Ergebnis sind damit alle Komponenten angesprochen worden, die zur Erfüllung des Rechtsgutsbegriffes in Bezug auf die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug erforderlich sind. Zusammenfassend kann insoweit folgendes ausgeführt werden: Inhalt der in Rede stehenden Gewährleistung ist die effektive Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht mit dem Gegenstand, Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Beendigung des Lebens zu verhindern. Damit wird ein konkretisierter Eigenwert gegenüber dem Leben sowie dem Sicherheitsgefühl als solchem deutlich. Diesbezüglich lässt sich auch keine weitere Unterteilung vornehmen, sodass das Merkmal der Repräsentation der kleinsten abgrenzbaren Größe erfüllt ist. Ferner ist die abstrakte Schutzwürdigkeit einer solchen Pflicht und deren effektiver Umsetzung zu bejahen.32 Diese lässt sich im Konkreten auf das verfassungsrechtlich begründete Fundament zurückführen und wird auch durch die Norm des § 216 StGB zum Ausdruck gebracht. Unter Berücksichtigung der staatlichen Pflichtenkomponente wird weiter auch der konkrete Träger jenes Schutzgegenstandes deutlich. Die durch den Rechtsgutsbegriff vorgegebenen Kriterien, dass es sich um eine einer Person, dem Staat oder der Allgemeinheit zuordenbare konkretisierte oder konkretisierbare Größe handeln muss, die im Sinne eines kleinsten abgrenzbaren Teils als potentielles, abstrakt zu bestimmendes Schutzobjekt des Rechts zu identifizieren ist, sind mithin erfüllt. Zum Abschluss der rechtsgutsbezogenen Erörterung soll noch die tatbestandliche Verankerung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug untersucht werden. Wie gesehen, stellt die gesteigerte 31 Dass die Erfüllung der Schutzpflicht Aufgabe des Staates und daher dessen Wirkungskreis zuzuordnen ist, lässt sich auch Sternberg-Lieben, insbes. S. 221, entnehmen. Allerdings muss man insoweit berücksichtigen, dass Sternberg-Lieben, wie im Zusammenhang mit Fn. 18 Abschn. F. angesprochen, eine rein individualbezogene Deutung der Schutzpflicht zugrunde legt. Seine Aussagen beziehen sich folglich inhaltlich gesehen nur auf die einfache und nicht auf die vorliegend relevante gesteigerte Schutzpflicht. 32 Abstrakte Schutzwürdigkeit bedeutet gerade nicht, dass auch in jedem konkreten Einzelfall ein Schutzbedürfnis existieren muss. Der Annahme einer abstrakten Schutzwürdigkeit steht mithin nicht entgegen, dass die gesteigerte Schutzpflicht in gewissen Ausnahmefällen nicht als bestehend anzusehen ist. Vgl. zu letzterem sogleich die Ausführungen unter F. I. 1. b).

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Schutzpflicht des Staates bei Lebensbezug stets einen Gegenpol zur Selbstbestimmung des Individualbetroffenen dar. Das Rechtsgut der effektiven Erfüllung dieser gesteigerten staatlichen Schutzpflicht muss mithin gleichermaßen positioniert sein. Es kann also strukturell nur in Konstellationen eine Rolle spielen, in denen eine willensgemäße Verletzung gegeben ist. In Hinblick auf den Straftatbestand der Tötung auf Verlangen ist jenes letztgenannte Merkmal konstitutiv verankert, sodass § 216 StGB schon im Grundsatz das betreffende Rechtsgut inkorporiert.33 Den Tatbeständen der §§ 211, 212 StGB, die auch bzw. im Ausgangspunkt sogar gerade willenswidrige Verletzungen pönalisieren, liegt das in Rede stehende Rechtsgut dagegen nicht schon per se zu Grunde. Die genannten Tatbestände sind aber dahingehend auszulegen, dass sie für die Ausprägungen einer willentlichen Lebensverletzung zusätzlich zum Individualrechtsgut Leben auch die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als tatbestandlich geschütztes Gut inkorporieren. Demnach weisen die §§ 211, 212 StGB in ihrer Tatbestandsstruktur zwei Dimensionen auf, nämlich zum einen die Ausprägung als Erfüllung der einfachen Schutzpflicht in Gestalt des Schutzes vor willenswidrigen Verletzungen sowie zum anderen diejenige der Repräsentation der gesteigerten Schutzpflicht bei willensgemäßen Verletzungen.34 Den Tatbeständen der §§ 211, 212 StGB kommt mithin eine Doppelfunktion zu.35 b) Fehlende Beteiligung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug in Ausnahmefällen Die effektive Erfüllung der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug macht in ihrem Charakter als Rechtsgut einen grundsätzlich beteiligten 33 Hiermit ergibt sich allerdings die Frage nach einer Berechtigung der systematischen Stellung jener Strafnorm. So liegt bei einer Tötung auf Verlangen schon dem Tatbestand nach immer eine wirksame Einwilligung vor. Das Individualrechtsgut Leben wird folglich schon auf Tatbestandsebene notwendigerweise durch die Selbstbestimmung vorkonturiert, und zwar im Sinne einer Aufgabe desselbigen. Sinnvollerweise vermag sich der intendierte Schutz des Tatbestandes daher ausweislich der zwingenden entsprechenden Wirkung der Selbstbestimmung im Ergebnis stets allein auf das Gut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht zu beziehen. Sodann wäre allerdings zu erwägen, ob § 216 StGB gegebenenfalls unter dem Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“ systematisch verfehlt wäre. Vgl. zu einem ähnlichen Argument, jedoch konkret gegen den überindividuellen Ansatz in Gestalt des Tabuschutzes, auch Kubiciel, JA 2011, 86, 90. Da die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug aber zumindest gegenständlich – wenn auch nicht ausschließlich, vgl. die Erwägungen zum übergeordneten Schutz eines Raumes der Sicherheit – das Leben von Menschen schützt, erscheint eine Positionierung in jenem systematischen Zusammenhang nicht unzulässig. 34 Auf die Frage, inwieweit die Erfüllung der jeweiligen Mordmerkmale mit dem Vorliegen einer Zustimmung kompatibel sind, soll vorliegend nicht näher eingegangen werden. 35 Angesichts der Verkörperung beider Schutzdimensionen entstehen in Hinblick auf die Normen als Ganzes nicht dieselben potentiellen Bedenken an der systematischen Stellung wie hinsichtlich § 216 StGB.

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Baustein im Falle der willentlichen Fremdverletzung von Leben aus. Es existieren jedoch gewisse Fallkonstellationen, in denen von der Beteiligung jenes Rechtsguts trotz Lebensbezugs nicht ausgegangen werden kann. Denn die Schutzpflicht zeichnet sich in ihrem Wesen durch ein bestehendes Schutzbedürfnis aus. Wenn aber in bestimmten Einzelfällen ausnahmsweise die Schaffung oder Erweiterung eines Klimas der Unsicherheit im Umgang mit Leben und Tod nicht zu befürchten ist, muss der Staat auch keine diesbezüglichen Schutzmechanismen bereitstellen. Mangels materiellen Bestehens einer gesteigerten Schutzpflicht vermag in entsprechenden Ausnahmefällen folglich keine Beteiligung des Gutes angenommen zu werden, das die effektive Erfüllung einer solchen Pflicht zum Gegenstand hat. Wann eine derartige Konstellation zu bejahen ist, ließe sich durchaus im Wege einer Gesamtabwägung hinsichtlich jedes in Rede stehenden Einzelfalls ermitteln. Unter Berücksichtigung eines Bedürfnisses nach Rechtssicherheit erscheint es aber vorzugswürdig, insoweit Fallgruppen zu bilden, die sich nach klar definierten Kriterien richten und damit vorhersehbar sind. Freilich muss stets auch die Möglichkeit bestehen, auf neu eintretende Ereignisse oder technische bzw. wissenschaftliche Innovationen einzugehen. Auch diesbezüglich sollten sich dann aber neue Fallgruppen etablieren, um die Übersichtlichkeit und künftige Vorhersehbarkeit beizubehalten. Die konkret maßgeblichen Ausnahmen werden im Zusammenhang mit der Erörterung der Sonderfälle unter dem Gliederungspunkt G. besprochen werden. Namentlich handelt es sich hierbei um bestimmte Konstellationen der Sterbehilfe sowie lebensgefährliche36 Rettungsmaßnahmen. c) Binnenkollisionsspezifische Betrachtung der Rechtfertigungsmöglichkeiten Nachdem bislang schwerpunktmäßig Inhalt und Umfang des beteiligten Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug dargelegt wurden, soll nun eine Brücke zu den abstrakt entwickelten binnenkollisionsbezogenen Erörterungen geschlagen werden. Es gilt demnach, die Rechtfertigung bei Lebensbetroffenheit unter Berücksichtigung der schutzpflichtbezogenen Komponente einer dogmatisch zufriedenstellenden Handhabung zuzuführen. Im Falle von Lebensbetroffenheit handelt es sich grundsätzlich um die Konstellation einer partiellen Binnenkollision. Hinsichtlich des betroffenen Individuums streitet jedenfalls dessen Rechtsgut Selbstbestimmung gegen sein abstraktes Gut Leben. Man kann also mindestens eine Binnenkollision im weiteren Sinne als Binnenelement feststellen. Denkbar ist je nach Sachlage aber auch die Beteiligung weiterer Güter des Binnenbetroffenen. Auch eine Binnenkollision im 36 Vgl. zur prinzipiellen Bedeutung des § 216 StGB im Kontext von Lebensgefährdungen insbesondere die Ausführungen unter F. II. 3.

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engeren Sinne vermag daher der Kollisionssituation innezuwohnen. Auf der Seite des Lebens des Binnenbetroffenen kommt stets das Drittrechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug hinzu. In dem – typischen – Fall, dass es in Hinblick auf hinzutretende Drittrechtsgüter allein bei der Beteiligung des genannten Gutes bleibt, ist somit die Kategorie partieller Binnenkollision einschlägig, in der sämtliche Drittrechtsgüter antagonistisch zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen streiten.37 Bezogen auf die Verletzung eines derart positionierten Drittrechtsguts wurde im Rahmen der abstrakten Erörterungen der partiellen Binnenkollision bereits allgemein festgestellt, dass die Einwilligungsregeln insoweit nicht zur Legitimierung herangezogen werden können.38 Im Übrigen wäre eine Einwilligung in ein Rechtsgut des Staates ohnehin bereits in sich nicht möglich.39 Zur Rechtfertigung der Verletzung eines entsprechend positionierten Drittrechtsgutes käme dagegen prinzipiell § 34 StGB in Betracht. Erforderlich wäre dafür allerdings, dass die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen40 gegenüber der Bedeutung des Gutes der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht wesentlich überwiegt. Die gesteigerte Schutzpflicht existiert jedoch gerade in denjenigen Fällen, in denen ein vom Willen des Individuums unabhängiges überindividuelles Schutzbedürfnis besteht. Es ist der betreffenden Form von Schutzpflicht also immanent, dass sie – und mithin auch die Dimension ihrer effektiven Erfüllung – eine über das beteiligte abstrakte Individualrechtsgut und speziell auch über die Selbstbestimmung hinausgehende Bedeutung aufweist. § 34 StGB kann folglich keine Verletzung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug zugunsten von Gütern des Binnenbetroffenen legitimieren41.42 Jene Norm könnte umgekehrt nur 37 Möglich ist aber auch, dass zusätzlich weitere Drittrechtsgüter an der Kollision teilnehmen, wenngleich dies nicht häufig vorkommen wird. Sofern die Drittrechtsgüter dabei auf verschiedenen Seiten der Kollision operieren, ist freilich eine andere Kategorie partieller Binnenkollision einschlägig als soeben im Text angeführt. 38 Vgl. dazu bereits die Aussagen unter E. I. 2. a). 39 Letzteres ist der mangelnden Möglichkeit des Staates geschuldet, Träger des Rechtsguts Selbstbestimmung zu sein; siehe zu jenem Aspekt die Ausführungen unter C. II. 3. b) aa). Ein solcher Fall, in dem eine Einwilligung schon grundlegend nicht möglich ist, ist von demjenigen zu unterscheiden, in dem die Durchschlagskraft der Einwilligung allein daran scheitert, dass man nicht Inhaber des Gutes ist, der Berechtigte über das betreffende Gut aber durchaus disponieren könnte. Letztgenannte Konstellation sollte dabei als fehlende Dispositionsbefugnis bezeichnet werden. Die Situation, dass niemand in die Verletzung des Gutes einwilligen kann, ist im Unterschied dazu vorzugswürdig als fehlende Disponibilität zu betiteln. 40 Je nach betroffenem Binnenelement unterstützt durch ein abstraktes Rechtsgut desselben Trägers. 41 Man könnte allenfalls überlegen, ob § 34 StGB eine Rechtfertigung zulasten des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht zuließe, wenn auf der Seite der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen noch ein abstraktes Gut eines Dritten beteiligt wäre. Ein Beispiel wäre etwa der Wunsch einer Mutter, sich töten zu lassen, wenn darin die einzige Möglichkeit bestünde, Organe für ihr ansonsten sterbendes Kind zu erlangen. Richtigerweise überwiegt das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der

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dann zu einer Rechtfertigung führen, wenn die Güter auf der die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen inkorporierenden Kollisionsseite verletzt würden, um das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug zu wahren43.44 Diesbezüglich wird im Rahmen der Sonderkonstellationen45 auf den Spezialfall der Verhinderung eines Suizids näher eingegangen werden. In Hinblick auf die zur Diskussion verbleibende Verletzung des Lebens als Individualrechtsgut vermögen zwar die Einwilligungsregeln zu einer Legitimierung zu führen. Da das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug aber stets auf derselben Seite wie das Leben des Binnenbetroffenen zu positionieren ist, kann im Endeffekt nie eine vollumfängliche Rechtfertigung in Hinblick auf die Tötungshandlung eintreten. Wenn von einer Sperrwirkung des § 216 StGB die Rede ist, bezieht sich diese somit genau genommen auf eine Sperre hinsichtlich der Erreichung von umfassender Rechtmäßigkeit. Der Terminus „Einwilligungssperre“ ist damit jedoch nicht zwangsstaatlichen Schutzpflicht allerdings nicht nur gegenüber Gütern des Binnenbetroffenen, sondern gegenüber sämtlichen Individualrechtsgütern. Schließlich wird damit gerade ein überindividuelles Schutzbedürfnis zum Ausdruck gebracht. Man könnte allenfalls erwägen, in derartigen Fällen die gesteigerte Schutzpflicht ausnahmsweise nicht als aktiviert anzusehen, sofern es sich nicht ohnehin um einen abschließend durch Spezialgesetze – etwa das Transplantationsgesetz – geregelten Fall handelt. Dies soll jedoch nicht näher vertieft und als potentielle Fallgruppe hinsichtlich des Nichtbestehens der gesteigerten Schutzpflicht im Folgenden ausgeklammert werden. 42 Da es sich insofern um einen bestimmten, wenn auch immer gleich zu bewertenden Anwendungsfall des § 34 StGB handelt, steht dieses Resultat der grundsätzlichen Ergebnisoffenheit jener Norm nicht entgegen. Diesbezüglich ist auch auf die unter D. I. 2. c) aa), S. 146 sowie unter E. I. 2. b), S. 262 dargestellten Erörterungen zu verweisen. 43 Vgl. zu der konkreten Art und Weise, wie die „Wahrung“ des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug beschaffen sein kann, die Ausführungen in Fn. 70 Abschn. G. 44 Bei dem Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug handelt es sich, wie bereits ausgeführt, um ein Rechtsgut des Staates. Ob Rechtsgüter des Staates – bzw. solche der Allgemeinheit, zwischen denen häufig nicht gesondert differenziert wird; vgl. dazu bereits die Erörterungen im Zusammenhang mit Fn. 30 Abschn. F. – notstandfähig sind, wird unterschiedlich beurteilt. Für eine Heranziehungsmöglichkeit des § 34 StGB etwa Kühl, AT, § 8 Rn. 26 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 34 Rn. 4. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Schließlich wird mit dem Kriterium der Erforderlichkeit die notwendige, aber auch hinreichende Einschränkung gewährleistet, dass der Staat zunächst auf eigene Mittel zurückgreift; vgl. dazu auch Kühl, AT, § 8 Rn. 27. Selbst wenn man aber differenzierend eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf solche Güter vertreten wollte, die auf die Wahrung von Werten von Individuen zurückzuführen sind – so etwa Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 22, der die Staatsnotstandshilfe daher ablehnet; vgl. zu der vorgestellten Beschränkung ähnlich auch Schmitz, S. 41 –, wird man jenes Kriterium bezogen auf die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug trotz deren Charakters als Rechtsgut des Staates bejahen müssen. Denn dieses dient dazu, Unsicherheiten in Bezug auf Lebensverletzungen in der Bevölkerung zu verhindern. Somit weist es einen – angesichts der überindividuellen Schutzrichtung naturgemäß mittelbaren – Bezug zu dem Individualrechtsgut Leben auf. 45 Unter G. III.

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läufig verfehlt. Schließlich ist es zutreffend, dass die umfassende Durchschlagskraft der Einwilligung des Binnenbetroffenen versperrt bleibt. Bezugsobjekt ist lediglich nicht, wie es vielmals suggeriert wird, das Leben des betroffenen Individuums, sondern das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug, hinsichtlich dessen die Einwilligung keine Wirkung zu entfalten vermag. Liegt dagegen eine lebensbezogene Konstellation vor, in der das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht ausnahmsweise nicht beteiligt ist, handelt es sich in der Regel um eine reine Binnenkollision zwischen dem Leben einerseits sowie der Selbstbestimmung – und gegebenenfalls hinzutretenden Gütern des Binnenbetroffenen – anderseits.46 Hierbei können konstruktiv nur die Einwilligungsregeln als taugliche Rechtfertigungsmöglichkeit für eine Lebensverletzung in Betracht gezogen werden. Diese würden prinzipiell nach den festgestellten Grundsätzen bei reiner Binnenkollision auch zu einer entsprechenden Rechtfertigung führen. Im Ergebnis müsste eine Rechtswidrigkeit der Tötungshandlung in derartigen Fällen folglich ausgeschlossen sein. Dies widerspricht jedoch dem Wortlaut des § 216 StGB, der in Hinblick auf eine potentielle Rechtfertigung eine Sperrwirkung anordnet. Auf eine mögliche Lösung dieses Konflikts wurde bereits an anderer Stelle der vorliegenden Arbeit hingewiesen.47 So erscheint zur Auflösung der betreffenden Problematik eine teleologische Reduktion sachgerecht. Voraussetzung für eine solche ist, dass der Wortlaut einer Norm erfüllt wird, deren Anwendung aber im Konkreten nicht dem Sinn der Regelung entspricht.48 Vorliegend ist zwar die in Rede stehende Einwilligungssperre als solche nicht explizit normiert. Dies stellt jedoch kein methodisches Hindernis für die Annahme einer teleologischen Reduktion dar. Denn der rechtliche Anknüpfungspunkt für die Postulierung einer generellen Einwilligungssperre ist bekanntlich § 216 StGB. Folglich muss man auch für eventuelle Einschränkungen der Einwilligungssperre an dieser Norm ansetzen. Sofern es um einen Fall der Tötung auf Verlangen geht, ist Gegenstand der teleologischen Reduktion freilich der Straftatbestand des § 216 StGB in seiner originären Funktion. Bezogen auf die Erfüllung der Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion ist anzuführen, dass der Normtext des § 216 StGB keinen Raum für Ausnahmen vorsieht. Die Sperrwirkung müsste daher an sich auch in den in Rede stehenden Sonderkonstellationen bestehen. Materiell gesehen liegt der Grund für eine Sperrwirkung, nämlich die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung 46 Der Fall, dass zwar nicht das Drittrechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug, aber dafür andere Drittrechtsgüter an der Kollision beteiligt sind, soll vorliegend – und auch im Rahmen der spezifischen Diskussion der Sonderfälle – außer Acht gelassen werden. 47 Unter D. II. 3. b), S. 220. 48 Vgl. zu den genannten Voraussetzungen als Grundpfeiler der teleologischen Reduktion Walter, ZIS 2011, 76, 81.

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der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug, hingegen in den betreffenden Fällen nicht vor. In entsprechenden Konstellationen muss man folglich im Wege der teleologischen Reduktion entgegen dem Wortlaut des § 216 StGB eine durchgreifende Sperrwirkung jener Norm verneinen. Aus dem Widerspruch zum reinen Wortlaut des § 216 StGB ist mithin kein Hindernis gegen eine Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln herzuleiten. Zusammenfassend lässt sich die Sperrwirkung des § 216 StGB mit der prinzipiellen Repräsentation einer partiellen Binnenkollision bei Lebensbetroffenheit erklären, innerhalb derer weder über § 34 StGB noch mittels der Einwilligungsregeln eine Rechtfertigung zulasten des beteiligten Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug möglich ist. Auf diese Weise fügt sich die Bedeutung der Einwilligungssperre aus § 216 StGB widerspruchsfrei in das entwickelte Konzept zur Handhabung bei Binnenkollision von Rechtsgütern ein. 2. Die Einwilligungssperre aus § 228 StGB Neben § 216 StGB ist ferner auch die Norm des § 228 StGB als Einwilligungssperre zu nennen.49 Beide Regelungen haben gemeinsam, dass ihnen im Ergebnis eine Behinderung der umfassenden Rechtfertigungswirkung trotz gegebener Einwilligung des betroffenen Individualrechtsgutsträgers zu entnehmen ist. Angesichts dieser Ähnlichkeiten liegt es nahe, auch § 228 StGB im Sinne der Beteiligung eines Drittrechtsguts und mithin als Ausprägung einer partiellen Binnenkollision zu interpretieren. Als beteiligtes Drittrechtsgut kommt vorliegend wiederum ein solches in Betracht, das die effektive Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht zum Inhalt hat.50 Hinsichtlich des Bestehens einer gesteigerten Schutzpflicht ist anzumerken, dass auch im Anwendungsbereich des § 228 StGB eine grundrechtlich hochsensible Sphäre zu konstatieren ist. Dabei geht es ausweislich der Begrenzungswirkung des § 228 StGB allerdings nicht um jegliche Beeinträchtigun49 Siehe zum Charakter beider Normen als typische Einwilligungssperren Rönnau, Jura 2002, 665, 667. 50 Im Schrifttum zu § 228 StGB wird ein Bezug zur Schutzpflicht des Staates nur selten vorgebracht. Ein Schutzpflichtsbezug findet sich etwa bei Duttge, in: GS Schlüchter, S. 775, 783 f., der insoweit jedoch schwerpunktmäßig die Bedeutung der Menschenwürde betont. Im Zusammenhang mit § 228 StGB herrscht insgesamt weniger die Suche nach dessen Telos als mehr die Diskussion um die Interpretation des Merkmals „sittenwidrig“ vor. Grob umrissen konkurrieren dabei zweckbezogene Ansätze mit solchen, die auf objektive Kriterien abstellen, wobei es häufig auch zu Kombinationen beider Strömungen kommt. Im Einzelnen sei hierbei auf die einschlägige Literatur verwiesen; einen Überblick über die vertretenen Ansätze m.w. N. findet sich etwa bei Bott/Volz, JA 2009, 421, 422 ff. Einzelne Hinweise zu den entsprechenden Lösungsmöglichkeiten lassen sich, eingebunden in den vorliegend konkret erörterten Kontext, auch in Fn. 51 Abschn. F. sowie Fn. 52 Abschn. F. finden.

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gen der körperlichen Unversehrtheit. Betroffen sind hiervon allein als sittenwidrig zu qualifizierende Verletzungen. Richtigerweise gilt es, das Merkmal der Sittenwidrigkeit dahingehend zu verstehen, dass hierunter Verletzungen von besonderer Schwere oder Nichtrevidierbarkeit fallen, wobei § 226 StGB sowie auch die Auslegung der schweren Gesundheitsschädigung in § 225 StGB als Vergleichspunkt für die Bestimmung der Sittenwidrigkeit herangezogen werden können.51 Eine mögliche Lebensgefahr sollte für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit allerdings außen vor gelassen werden.52 Denn der Aspekt der Lebensbetroffenheit gehört systematisch in den Wirkungsbereich des § 216 StGB. Um Überlagerungen und somit eine Einbuße an dogmatischer Klarheit zu vermeiden, sollte man bei gegebenem Lebensbezug nicht den Anwendungsbereich des § 228 StGB, sondern allein den des § 216 StGB als einschlägig erachten.53 In Bezug auf die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht sind es konstruktiv jene sittenwidrigen Verletzungen, die eine entsprechende staatliche Schutzverpflichtung auf den Plan rufen. Ebenso wie hinsichtlich § 216 StGB geht es dabei nicht um den Schutz von einzelnen Individualrechtsgütern. Durch die Regelungswirkung des § 228 StGB soll vielmehr überindividuell ein Raum der Sicherheit gewährleistet werden, von der prinzipiellen Möglichkeit fataler körperlicher Verletzungen und den damit zusammenhängenden Gefahren bzw. diesbezüglichen Erwartungshaltungen unbehelligt zu bleiben. Auch die Beurteilung des Kriteriums der Verletzbarkeit durch den konkret Handelnden fügt sich in die angesprochene Parallelität zu § 216 StGB ein. So wird durch jede einverständliche, aber sittenwidrige Körperverletzung die Gefahr verstärkt, dass sich eine entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung bildet und damit das erforderliche Schutzniveau untergraben. § 228 StGB präsentiert sich mithin umfassend als Ausdruck der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht.54 Bei § 228 StGB handelt es 51 Jenes Verständnis entspricht inhaltlich der sog. „Rechtsgutslösung“. Vgl. zu dieser Begrifflichkeit sowie zum Inhalt der betreffenden Ansicht insbesondere Hirsch, in: FS Amelung, S. 181, 198, wo explizit auch die Heranziehungsmöglichkeit von §§ 225, 226 StGB als Orientierungspunkte betont wird. Die Interpretation des Sittenwidrigkeitskriteriums ist allerdings umstritten. Vgl. zum Meinungsstand Lackner/Kühl, StGB, § 228 Rn. 10. 52 Anders aber unter anderen die Rechtsprechung; vgl. BGHSt 49, 34, 42; BGHSt 49, 166, 171; BGHSt 58, 140, 143 f. Siehe zu einer Berücksichtigung der Lebensgefahr in § 228 StGB ferner den Verweis in Fn. 84 Abschn. F. 53 So im Ergebnis auch Gropp, ZJS 2012, 602, 604 f., der dies damit begründet, dass im Falle des Lebensbezugs bereits die Disponibilität nicht gegeben sei, während § 228 StGB den Bereich an sich zulässiger Disposition betreffe. Hierzu ist indes anzumerken, dass falls § 228 StGB im Sinne der Beteiligung eines Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht zu interpretieren sein wird, nach den in Fn. 39 Abschn. F. dargestellten Kriterien auch insofern – unabhängig von einem Lebensbezug – keine Disponibilität gegeben wäre. 54 Zur Klarstellung soll aber angemerkt werden, dass es sich bei dem insoweit beteiligten Rechtsgut trotz der ähnlichen Begrifflichkeit nicht um dasselbe Gut handelt, das

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sich allerdings nicht um einen eigenen Straftatbestand. Die Verletzung des Gutes der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht wird bereits in den Tatbeständen der §§ 223 ff. StGB im Rahmen der Dimension der willensgemäßen sittenwidrigen Verletzungen unter Strafe gestellt. Die betreffenden Straftatbestände weisen also eine Doppelfunktion auf, welche in paralleler Form bereits hinsichtlich §§ 211, 212 StGB vorgestellt55 wurde. Die Fokussierung des § 228 StGB auf sittenwidrige Verletzungen konturiert nicht nur, wie dargestellt, den Gehalt des einschlägigen Rechtsguts. Sie charakterisiert gleichzeitig das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich dessen Beteiligung im Kontext der Körperverletzungsdelikte. So ist dem Wortlaut und der Tatbestandsstruktur des § 228 StGB zu entnehmen, dass die Sperrwirkung bei Körperverletzungsdelikten die Ausnahme sein soll und somit grundsätzlich bei Einwilligungen in Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit eine Rechtfertigung anzunehmen ist.56 Methodisch bezieht sich ein spezifischer Begründungsaufwand mithin, anders als bei § 216 StGB, nicht auf das Entfallen, sondern auf die ausnahmsweise Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht.57 Binnenkollisionsspezifisch ergeben sich in der Konsequenz folgende Aussagen in Hinblick auf körperbezogene willensgemäße Rechtfertigungen: Bei gewöhnlichen willensgemäßen Köperverletzungen ist eine partielle Binnenkollision jedenfalls nicht aus der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten Schutzpflicht des Staates herzuleiten. Häufig wird einem solchen Sachverhalt lediglich eine reine Binnenkollision zugrunde liegen. Hierbei bringen bekanntlich die Einwilligungsregeln dem Grunde nach eine umfassende Rechtfertigungsmöglichkeit mit sich.58 Handelt es sich dagegen um sittenwidrige durch die Regelungswirkung des § 216 StGB verkörpert wird. Denn beide Schutzpflichten betreffen andere zugrunde liegende Ausgangsgegenstände. So gewährleistet die Schutzpflicht im Kontext des § 216 StGB einen Raum der Sicherheit in Bezug auf Lebensverletzungen, während die Schutzpflicht aus § 228 StGB, wie gesehen, einen körperverletzungsbezogenen Raum der Sicherheit schafft. Jener unterschiedliche Inhalt bedingt die Teilbarkeit in verschiedene kleinste Größen, womit nach der Rechtsgutsdefinition von zwei eigenständigen Gütern gesprochen werden kann. Freilich fallen beide ihrer Wirkungs- und Schutzweise nach unter dieselbe Kategorie, die man übergeordnet als Kategorie der Rechtsgüter der effektiven Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht bezeichnen kann. 55 Unter F. I. 1. a) bb). 56 So etwa Hardtung, in: MK-StGB, § 228 Rn. 1. 57 Durch das Kriterium der Sittenwidrigkeit wird jene Begründung jedoch inhaltlich vorkonturiert. Somit ergibt sich aus dogmatischer Perspektive auch kein Vorwurf einer nicht vorhersehbaren Einzelfallbeurteilung. 58 Im Falle einer – von der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht unabhängigen – partiellen Binnenkollision kommt es dagegen für die Annahme einer vollständigen Straflosigkeit auf die Positionierung der Drittrechtsgüter an. Die Rechtfertigung richtet sich insoweit nach den entwickelten allgemeinen Regeln bei partieller Binnenkollision.

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willensgemäße Verletzungen, ist notwendigerweise das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht beteiligt. In einer derartigen Konstellation partieller Binnenkollision kann es nicht zu einer umfassenden Rechtfertigung der Tat kommen. Zwar lässt sich die Beeinträchtigung des Individualrechtsguts der körperlichen Unversehrtheit prinzipiell durch die Selbstbestimmung des Betroffenen legitimieren. Eine Rechtfertigung zulasten des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht ist jedoch angesichts dessen immanenter Höherrangigkeit gegenüber Individualrechtsgütern selbst über § 34 StGB nicht denkbar. Insoweit kann auf die Erörterungen im Zusammenhang mit § 216 StGB59 verwiesen werden. 3. Ausblick auf sonstige potentielle Einwilligungssperren Aus der vorangegangenen Betrachtung der §§ 216, 228 StGB als typische Einwilligungssperren60 lassen sich Kriterien einer allgemeinen Definition einer Einwilligungssperre herausarbeiten. Demnach handelt es sich um eine Einwilligungssperre, wenn für den Fall willensgemäßer Verletzungen die Beteiligung eines Rechtsguts aus der Kategorie der Rechtsgüter der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht anzunehmen ist, das zum Inhalt hat, überindividuell im gegenständlich betroffenen Bereich einen Raum der Sicherheit zu gewährleisten. Die einer Einwilligungssperre zugrunde liegende Kollisionssituation zeichnet sich mithin durch das Vorliegen einer speziellen partiellen Binnenkollision aus. Eine angeordnete Strafbarkeit trotz gegebener Zustimmung lässt sich innerhalb des StGB neben §§ 216, 228 StGB auch im Rahmen der Sexualdelikte feststellen.61 Konkret sind dabei die §§ 174–176b, 179, 180 sowie 182 StGB zu nennen. Wie bereits angesprochen62, pönalisieren jene Straftatbestände auch Taten, die mit dem Willen des Betroffenen geschehen.63 Das bedeutet allerdings nicht, dass die Strafbarkeit in derartigen Fällen zwingend der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht geschuldet sein muss. Auch ein anderweitiger Erklärungsansatz erscheint prinzipiell denkbar. So wird die Strafbarkeit trotz bestehenden Zustimmungsakts teils auch mit einer un-

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Unter F. I. 1. c). Vgl. dazu bereits Fn. 49 Abschn. F. 61 Eine Bedeutung der Sexualdelikte im Kontext fehlender Disponibilität wird auch von Gropp, ZJS 2012, 602, 603 angesprochen, wenngleich dabei freilich ein Zusammenhang mit den vorliegend konkret in Rede stehenden Kriterien einer Einwilligungssperre nicht explizit hergestellt wird. 62 Unter B. III. 3. b) cc), S. 50. 63 Die fehlende umfassende Legitimationswirkung der Zustimmung resultiert dabei direkt aus dem Tatbestand der betreffenden Normen infolge einer Auslegung derselbigen. 60

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widerleglichen Vermutung von Einwilligungsunfähigkeit erklärt.64 Erforderlich ist daher eine differenzierte Betrachtung der genannten Normen, um herauszufinden, welches Telos hinter der entsprechenden Statuierung von Strafbarkeit steckt. Die §§ 174 I Nr. 2, 174 II Nr. 2,65 174a, 174b, 174c, 179, 180 III, 182 I, II StGB lassen sich plausibel im Sinne der Repräsentation einer unwiderleglichen Vermutung von Einwilligungsunfähigkeit verstehen.66 Anknüpfungspunkte hierfür sind die Merkmale des Missbrauchs67 bzw. des Ausnutzens eines besonderen Abhängigkeits-, Unterordnungs- oder Vertrauensverhältnisses. Diese Voraussetzungen bringen zum Ausdruck, dass sich das Opfer bei deren Bejahung in einer Lage befindet, in der es nicht die notwendige Einsichts- oder Handlungsfähigkeit aufweisen kann, um eine ausreichende Ausübung der Selbstbestimmung anzunehmen.68 Mangels wirksamer Zustimmung erfassen die betreffenden Normen mithin schon gar nicht die Dimension willensgemäßer Verletzungen. Somit ist auch die gesteigerte Schutzpflicht diesbezüglich nicht aktiviert. Es handelt sich lediglich um Ausprägungen der einfachen Schutzpflicht, der durch die Aufstellung von Normen zur Verhinderung willensfremder Eingriffe Genüge getan wird. Zugegebenermaßen geht der Staat bei der Etablierung von Tatbeständen mit inkorporierter unwiderleglicher Vermutung aber über das gewöhnliche Maß hinaus. Man kann in solchen Fällen von einer modifizierten Ausprägung der einfachen Schutzpflicht sprechen. Die §§ 174 I Nr. 1, Nr. 3, 174 II Nr. 1,69 176–176b, 180 I, II StGB enthalten dagegen nicht die angesprochenen Merkmale des Missbrauchs oder der Ausnutzung einer spezifischen Lage. Vielmehr wird insoweit schlicht an das Alter, teils in Kombination mit dem Bestehen eines bestimmten Verwandtschafts-, Lebens-, Erziehungs- bzw. Ausbildungsverhältnisses, angeknüpft. Trotz der erhöhten Anforderungen, die an die Selbstbestimmung im Kontext der Sexualdelikte zu stellen sind, kann allein wegen des Alters als solchem aber keine pauschale Einwilli-

64 Diesen Inhalt schreibt etwa Roxin, AT I, § 13 Rn. 36 den meisten der betreffenden Sexualdelikten zu. Vgl. insoweit auch Sternberg-Lieben, S. 163 f., der aber in Fn. 499 nähere Differenzierungen anklingen lässt. 65 Sowie § 174 III StGB, soweit er sich auf die soeben genannten Varianten des § 174 StGB bezieht. 66 Bei § 182 III StGB muss das Fehlen der sexualbezogenen Einwilligungsfähigkeit dagegen positiv festgestellt werden, um eine Strafbarkeit zu begründen; vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, § 182 Rn. 13. 67 Vgl. beispielhaft zur Interpretation des Missbrauchskriteriums in § 174 StGB Lackner/Kühl, StGB, § 174 Rn. 9. 68 Angesichts der besonderen Bedeutung der Sexualsphäre für die Entwicklung und die Persönlichkeit kann es für eine hinreichende Selbstbestimmungsausübung nicht auf den natürlichen Willen ankommen; siehe dazu bereits die Ausführungen unter B. III. 3. b) cc), S. 50. 69 Sowie § 174 III StGB, soweit er sich auf die zuvor genannten Varianten des § 174 StGB bezieht.

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gungsunfähigkeit angenommen werden.70 Auch das teils hinzukommende bloße Bestehen eines der betreffenden persönlichen Verhältnisse bzw. Beziehungen führt nicht zwangsläufig zu einer strukturellen Unterlegenheit, die in der Lage wäre, die unwiderlegliche Vermutung einer Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen plausibel zu legitimieren. Im Rahmen der Anwendungsbereiche der genannten Normen sind von einer hinreichenden Ausübung der Selbstbestimmung getragene, sprich wirklich willensgemäße Verletzungen der sexuellen Integrität durchaus denkbar. Es bedarf also einer anderweitigen Legitimierung für die dennoch angeordnete Strafbarkeit bei gegebener Zustimmung.71 Diese ist richtigerweise darin zu erkennen, dass die betreffenden Normen für entsprechende Szenarien die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht inkorporieren.72 Die gesteigerte Schutzpflicht leitet sich dabei konkret aus dem Bedürfnis her, einen Raum der Sicherheit dahingehend zu schaffen, dass die kind- bzw. jugendliche Entwicklung als solche bzw. insbesondere familiäre und lernbezogene Beziehungen frei von entscheidender Sexualisierung bleiben.73 Auf diese Weise wird das Vertrauen darauf geschützt, dass jeder seine sexuelle Entwicklung selbst steuern und gestalten kann und man gerade in den genannten, für die persönliche Entwicklung ebenfalls maßgeblichen Beziehungen nicht in den potentiellen Konflikt kommt, unter Umständen bestehenden – oder auch nur vorgestellten – Erwartungen anderer gerecht werden zu wollen. Durch die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer solchen Schutzpflicht74 erfüllen die §§ 174 I Nr. 1, Nr. 3, 174 II Nr. 1, 176–176b sowie 70 Die allgemeine Bestimmungsmethode der Einwilligungsfähigkeit, wonach eine konkret-individuelle Betrachtung maßgeblich ist – vgl. dazu Kühl, AT, § 9 Rn. 33 m.w. N. – ist richtigerweise auch im Kontext der Sexualdelikte einschlägig, wenngleich die Annahme von Einwilligungsfähigkeit freilich strengen Maßstäben unterliegt. Vgl. zu letzterem den bereits in Fn. 68 Abschn. F. angesprochenen Verweis auf die Ausführungen unter B. III. 3. b) cc), S. 50. Kritik gegenüber einer festen Altersgrenze in Gestalt von 14 Jahren klingt auch bei Schetsche, MschrKrim 1994, 201, 211 an. 71 Hierbei geht es um die durch den Tatbestand indizierte prinzipielle Strafbarkeit derartiger Konstellationen. Dass etwa gemäß § 174 V StGB in gewissen Einzelfällen von Strafe abgesehen werden kann, ändert nichts an der Interpretation der betreffenden Strafnorm als solcher. Vgl. zur Bedeutung des § 174 V StGB auch sogleich Fn. 74 Abschn. F. 72 Auch Schetsche, MschrKrim 1994, 201, 212 gelangt in seinem schwerpunktmäßig auf § 176 StGB bezogenen Beitrag zu dem Schluss, dass nicht alle Sexualdelikte im Ergebnis das konkret betroffene Individuum schützen. Im Einzelfall würden vielmehr auch nicht verwerfliche Kontakte bestraft, um einen generellen Schutz zu gewährleisten. Dies geht in die vorliegend vertretene Richtung, wenngleich freilich keine Bezugnahme auf die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht als Rechtsgut erfolgt. 73 Die angesprochenen Aspekte finden sich inhaltlich teils auch bei Lackner/Kühl, StGB, § 174 Rn. 1, 4. 74 In Hinblick auf eine potentiell fehlende Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht ist auf zwei bestimmte gesetzliche Regelungen im einschlägigen Zusammenhang hinzuweisen. So ermöglicht § 174 V StGB in gewissen Fällen des schutzpflichtbezogenen Anwendungsbereichs von § 174 StGB, in denen

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180 I, II StGB somit in den tatbestandlichen Dimensionen willensgemäßer Verletzungen die Kriterien einer Einwilligungssperre.75 Im Gegensatz zu den zuletzt aufgeführten Sexualdelikten kann dem Wuchertatbestand des § 291 StGB dagegen keine Repräsentation einer Einwilligungssperre entnommen werden. Denn hierbei fehlt es bereits an der Betroffenheit einer besonders grundrechtssensiblen Sphäre als Voraussetzung für die Aktivierung einer gesteigerten Schutzpflicht des Staates.76 Folglich kann es auch dahinstehen, ob § 291 StGB als Ausdruck unwiderleglicher Einwilligungsunfähigkeit zu betrachten ist77 oder ob der Norm der Schutz eines weiteren Rechtsguts zugrunde das Unrecht – welches man schutzpflichtbetreffend als Gefahr einer Ausbreitung von Unsicherheit fassen kann – als gering einzustufen ist, ein Absehen von Strafe. Ferner schließt das Erziehungsprivileg aus § 180 I 2 StGB Fälle, in denen ob des Erziehungsauftrags kein Strafbedürfnis besteht, bereits aus dem Tatbestand des § 180 I Nr. 2 StGB aus; vgl. dazu Eisele, in: Schönke/Schröder, § 180 Rn. 12 ff. Auf die inhaltliche Berechtigung jener Ausnahmen sowie die Frage, ob dies die einzigen sein sollten, ist vorliegend nicht näher einzugehen. Hingewiesen werden soll allein auf einen methodisch fragwürdigen Aspekt: So muss man sich fragen, ob der Regelungsinhalt des § 174 V StGB unter Berücksichtigung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht im Sinne eines übergeordnet schutzwürdigen Wertes denklogisch bestehen kann. Es mutet nämlich widersprüchlich an, das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht als Beteiligten an der Kollision – und damit die Erfüllung des Tatbestandes – anzunehmen, in einem zweiten Schritt aber eine Ausbreitung des Raumes der Unsicherheit wohl nicht in strafwürdigem Umfang zu erwarten. Eine Reduktion des Tatbestandes, entweder explizit wie in § 180 I 2 StGB oder auch in Form einer teleologischen Reduktion, erschiene dagegen methodisch angemessener. Die Existenz des § 174 V StGB spricht aber nicht zwingend gegen eine schutzpflichtbezogene Interpretation der in Rede stehenden Regelung. Denn es ist durchaus möglich, dass es dem Gesetzgeber bei § 174 V StGB lediglich um eine praxistaugliche Option zur Handhabung nicht strafwürdiger Fälle ging, ohne die dogmatischen Implikationen genau zu beleuchten. 75 Freilich ist in sehr vielen Anwendungsfällen der in Rede stehenden Delikte, gerade bei niedrigem Alter, real eine Einwilligungsunfähigkeit zu konstatieren. Dann ist naturgemäß nicht die Tatbestandsdimension betroffen, welche die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht als beteiligtes Rechtsgut inkorporiert. Vielmehr greift diesbezüglich ganz allgemein der Schutz vor willenswidrigen Verletzungen. Von der praktischen Verteilung der Anwendung jener beiden – im Sinne einer Doppelfunktion des Tatbestandes erfassten – Dimensionen her erscheint die Charakterisierung als Repräsentation der gesteigerten Schutzpflicht sogar die Ausnahme zu sein. In den Fällen der §§ 176a II Nr. 3, V, 176b StGB wird man die Ausprägung als partielle Binnenkollision unter Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht gar als überwiegend theoretisch betrachten müssen. Fälle, in denen es trotz gegebener Einwilligungsfähigkeit und Zustimmung des Opfers zu den entsprechenden Folgen kommt, sind zwar strukturell denkbar, erscheinen in der Praxis jedoch eher nicht vorzukommen. 76 Das Vermögen als nach h. M. von § 291 StGB geschütztes Rechtsgut – vgl. dazu etwa Lackner/Kühl, StGB, § 291 Rn.1; kritisch aber z. B. Kindhäuser, NStZ 1994, 105, 105 f.; vgl. auch Sternberg-Lieben, S. 165 f. – ist zwar wichtig, steht jedoch in seiner Bedeutung keinesfalls dem Leben oder Bereichen der körperlichen Integrität sowie der sexuellen Entwicklung gleich. 77 So etwa Roxin, AT I, § 13 Rn. 36.

II. Die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung

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liegt,78 bezüglich dessen der Vermögensinhaber nicht wirksam disponieren kann. Auch § 17 TierSchG, einer Norm aus dem Nebenstrafrecht, ist keine echte Einwilligungssperre zu entnehmen. Zwar entbindet die Einwilligung des Tiereigentümers nicht von einer Strafbarkeit nach § 17 TierSchG.79 Grund dafür ist jedoch nicht die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht. Vielmehr stellt der aus Art. 20a GG hergeleitete Tierschutz als solcher ein eigenständiges Rechtsgut80 dar, welches weder dem Inhalt noch der Struktur nach mit den Rechtsgütern der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht vergleichbar ist. § 17 TierSchG vermag folglich zwar eine partielle Binnenkollision zu repräsentieren, allerdings nicht in der Ausprägung einer Einwilligungssperre.

II. Die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung In der strafrechtlichen Literatur stellt die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung nicht selten den Gegenstand einer eigenständigen und allgemein gehaltenen Erörterung dar.81 Dabei wird zwar auch die prinzipielle Durchschlagskraft der Einwilligungsregeln82 kritisch diskutiert.83 Die „typische“ Pro78 Pananis, in: MK-StGB, § 291 Rn. 2 nennt insoweit etwa das Rechtsgut des Vertrauens auf einen frei von Ausnutzung gehaltenen rechtsgeschäftlichen Verkehr. Kindhäuser, NStZ 1994, 105, 106 stellt dagegen auf den Schutz der Vertragsfreiheit ab, sieht dies allerdings als einzig geschütztes Gut an. Vgl. zum Schutz der Vertragsfreiheit auch Sternberg-Lieben, S. 166. 79 Vgl. dazu Metzger, in: Erbs/Kohlhaas, § 17 TierSchG Rn. 10; Pfohl, in: MK-StGB, § 17 TierSchG Rn. 109. In Bezug auf § 303 StGB bleibt eine Durchschlagskraft der Zustimmung hingegen möglich; siehe hierzu ebenfalls die genannten Literaturstellen. 80 Vgl. zur Diskussion um die genaue Bestimmung des betroffenen Rechtsguts Pfohl, in: MK-StGB, § 17 TierSchG Rn. 1 ff. 81 Vgl. etwa die Monographien von Menrath, 2013 sowie Quillmann, 1978. Auch die Beiträge von Murmann, in: FS Puppe, S. 767 ff. sowie Stratenwerth, in: FS Puppe, S. 1017 ff. behandeln jene Thematik in eingehendem Maße. 82 In diesem Zusammenhang wird zumeist schlicht auf die Einwilligung rekurriert, was der Einfachheit halber im Folgenden auch vielfach übernommen werden wird. Die mit jener Konstellation zusammenhängenden charakterisierenden Aspekte spielen jedoch gleichermaßen auch im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung eine Rolle. Auf die Bedeutung der Einwilligungsregeln werden die folgenden Ausführungen aber gleichzeitig beschränkt bleiben. Das bedeutet konkret, dass allein Konstellationen der einverständlichen Fremdgefährdung und somit eine Bedeutung der Zustimmung auf Rechtfertigungsebene zu thematisieren sind. Fälle der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, bei denen bereits der Tatbestand verneint werden kann – vgl. dazu Beulke, in: FS Otto, S. 207, 207 f. –, sollen dagegen ausgeklammert werden. Siehe allgemein zur Abgrenzung zwischen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung und einverständlicher Fremdgefährdung sowie zu möglichen Lösungen der jeweiligen Varianten Beulke, in: FS Otto, S. 207 ff.; zu erstgenanntem auch Menrath, S. 84 ff. 83 Vgl. dazu sogleich unter F. II. 1. die Frage nach dem maßgeblichen Bezugspunkt der Einwilligung, woraus Konsequenzen für deren Anwendbarkeit auf Gefährdungssituationen folgen.

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

blemstellung ist jedoch, wie bereits angesprochen, die Frage, ob eine Einwilligung in eine Lebensgefährdung zulässig sein kann. Im Mittelpunkt steht hierbei zumeist die Diskussion um die Einschlägigkeit der Sperrwirkung aus § 216 StGB in Fällen reiner Gefährdungen.84 Diesbezüglich wird gemeinhin insbesondere auf angenommene Unterschiede zu einer Einwilligung in eine Lebensverletzung rekurriert und vor diesem Hintergrund untersucht, inwieweit das Telos des § 216 StGB auch in Fällen einer Lebensgefährdung gilt. Die Problematik der Einwilligung bei Lebensgefährdungen könnte indessen einer von der Klassifizierung als Spezialproblem unabhängigen Behandlung zugeführt werden, wenn man bereits vorgelagert die Grundkonstellation der Einwilligung in eine Gefährdung in einer anderen Weise beurteilt, als es herkömmlich getan wird. So gilt es zu fragen, worin überhaupt die Besonderheiten jener Konstellation liegen, und ob diese eine Berechtigung begründen, hierin eine autonome Fallgruppe mit eigenständiger Bedeutung zu erkennen. Sollte sich dabei herausstellen, dass sich die Fälle einer Einwilligung in eine Gefährdung ihrem Inhalt nach nicht von denjenigen einer gewöhnlichen Einwilligung in eine Verletzung unterscheiden, müssen in der Konsequenz prinzipiell auch die gleichen Regeln hinsichtlich der Folgen in ihrer Anwendung gelten. Dies würde sich sodann im Grundsatz auch auf die Bedeutung von § 216 StGB beziehen. Daher soll im Folgenden zunächst beleuchtet – und bewertet – werden, was herkömmlich unter einer Einwilligung in eine Gefährdung verstanden wird und welche Besonderheiten dabei fokussiert werden. Auf diese Weise wird die Grundlage geschaffen, um im Anschluss eine eigenständige Interpretation der Einwilligung in eine Gefährdung durchzuführen. Abschließend erfolgt nochmals ein Rekurs auf die Bedeutung des § 216 StGB, die nun im Lichte der gewonnenen Erkenntnisse zu bestimmen sein wird. 1. Das herkömmliche Verständnis einer Einwilligung in eine Gefährdung Die Konstellation einer Einwilligung in eine Gefährdung wird häufig auch als Risiko-Einwilligung bezeichnet.85 Zentraler Aspekt für deren Vorliegen ist natur84 Eine Einschlägigkeit scheint in umfassendem Maße etwa Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 953 f., 983 zu vertreten. Für eine nur eingeschränkte Sperrwirkung aus § 216 StGB im betreffenden Zusammenhang z. B. Dölling, GA 1984, 71, 87 ff.; Dölling, in: FS Gössel, S. 209, 214. Gegen eine Heranziehungsmöglichkeit der Sperrwirkung des § 216 StGB bei Lebensgefährdungen dagegen beispielsweise Beulke, in: FS Otto, S. 207, 215 f.; Weber, in: FS Baumann, S. 43, 48; Menrath, S. 173 f.; Quillmann, S. 34. Teils wird alternativ auch auf § 228 StGB zur Begründung einer Sperrwirkung bei lebensgefährlichen Handlungen abgestellt; so etwa Jescheck/Weigend, AT, S. 378, wenngleich noch zum alten § 226a StGB. Inhaltlich ergeben sich hierbei notwendigerweise Überschneidungen mit der bereits angesprochenen Problematik einer Berücksichtigung von Lebensgefahren für die Bestimmung der Sittenwidrigkeit in § 228 StGB, wie sie etwa von der Rechtsprechung – vgl. dazu Fn. 52 Abschn. F. – vorgenommen wird. Wie bereits unter F. I. 2., S. 295 dargestellt, kann eine derartige Handhabung dogmatisch aber nicht überzeugen.

II. Die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung

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gemäß, dass eine Gefahr für ein Rechtsgut festzustellen ist. Eine solche zeichnet sich – wie bereits in der Begriffsbestimmung verankert86 – dadurch aus, dass es zwar zu einer Verletzung des betreffenden Objektes kommen kann, dies allerdings nicht sicher scheint.87 Typischerweise wird die Möglichkeit des Schadenseintritts dahingehend konkretisiert, dass sie jederzeit in einen Schaden umschlagen können müsse.88 Auf dieser Grundlage wird die vorliegend in Rede stehende Konstellation einer Einwilligung in eine Gefährdung damit umschrieben, dass der Betroffene in Kenntnis der Gefahr, die seinem Rechtsgut drohe, mit der Handlung einverstanden sei, wobei er aber erwarte, dass sich die Gefahr nicht verwirkliche.89 Eine Einwilligung in den Erfolg liegt nach dem typischen Verständnis nicht vor.90 Als Beispiele der Einwilligung in eine Gefährdung sind etwa das Übersetzen über einen Fluss bei stürmischem Wetter auf den Wunsch der Fahrgäste hin91 oder der Fall eines Beschleunigungsrennens92 zu nennen.93 Im Rahmen der dargestellten Ausgangssituation wird als allgemeine Problematik primär diskutiert, ob die abgegebene Einwilligung zu einer Rechtfertigung führen kann, wenn die Gefährdungslage im Ergebnis in einen Erfolgseintritt umschlägt.94 Die Beantwortung dieser Frage ist mit der Problemstellung verknüpft, was man als erforderlichen Bezugspunkt der Einwilligung ansieht.95 Während 85 Siehe dazu exemplarisch Lackner/Kühl, StGB, § 228 Rn. 2a; Lenckner/SternbergLieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 102. Vgl. zu sonstigen verwendeten Bezeichnungen auch Menrath, S. 53 mit Fn. 1. 86 Siehe dazu im Konkreten die Ausführungen unter B. IV. 3. a). 87 Vgl. zu einem entsprechenden Gefahrbegriff auch Horn, S. 198. 88 Vgl. hierzu Küpper, ZStW 100 (1988), 758, 770, 772. Dies erscheint allerdings zu eng gefasst. Richtigerweise muss auch dann von einer Gefahr im vorliegend maßgeblichen Sinne gesprochen werden, wenn der Schadenseintritt nicht jederzeit, sondern erst nach einem gewissen Zeitablauf zu befürchten wäre. Ebenso ist auf das teils weiter vorgebrachte – und am angegebenen Ort auch zu findende – Merkmal zu verzichten, dass es nur noch vom Zufall abhängen dürfe, ob der Erfolg eintrete. 89 So Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 102. 90 Vgl. dazu etwa Quillmann, S. 30; siehe ferner Jescheck/Weigend, AT, S. 591; Göbel, S. 24 f. Auch Stratenwerth, in: FS Puppe, S. 1017, 1022 lässt sich die betreffende Feststellung implizit entnehmen. 91 RGSt 57, 172 ff. 92 BGHSt 53, 55 ff. 93 Vgl. zu Beispielen aus der Rechtsprechung auch Dölling, GA 1984, 71, 72; Menrath, S. 53 ff. 94 Wenn kein Erfolgseintritt festzustellen ist, wird sich die Frage nach einer Rechtfertigung häufig mangels Erfüllung eines Straftatbestandes gar nicht stellen. Von Relevanz verbleiben allein reine Gefährdungsdelikte sowie bestehende Versuchsstrafbarkeiten. Die zweitgenannte Dimension wird allerdings im Rahmen der Einwilligung in eine Gefährdung herkömmlich nicht diskutiert. Vgl. zu dem betreffenden Punkt der Beschränkung auf Fahrlässigkeitstaten sogleich die Ausführungen im Text. Auf reine Gefährdungsdelikte soll dagegen vorliegend angesichts der damit verbundenen Fokussierung auf Thematiken des Besonderen Teils des StGB nicht näher eingegangen werden. 95 In diesem Sinne auch Göbel, S. 24.

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teils eine Einwilligung in den Erfolg als notwendig erachtet wird, um eine Rechtfertigungswirkung zu begründen,96 lässt die wohl h. M. eine Einwilligung in die Handlung genügen und bejaht somit eine Rechtfertigungswirkung trotz mangelnder Erfolgsbezogenheit.97 Die Einwilligung beseitige demnach das Handlungsunrecht, was für eine Rechtfertigung ausreichend sei.98 Jene Begründung weist zwar einen speziellen Bezug zu Fahrlässigkeitstaten auf.99 Der Anwendungsbereich der Einwilligung in eine Gefährdung erscheint in der herkömmlichen Darstellung aber ohnehin in der Regel auf Fahrlässigkeitstaten beschränkt zu sein.100 Richtigerweise muss ein notwendiger Zusammenhang zwischen einem fahrlässigen Verhalten des Täters und dem Vorliegen einer Einwilligung in eine Gefährdung aber bereits grundlegend verneint werden. Ob eine Gefahr gegeben ist, kann denklogisch nicht vom fehlenden Vorsatz des Täters abhängen,101 sondern bestimmt sich rein nach objektiven Umständen. Für die in Rede stehende Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung ist zwar nicht primär das objektive Vorliegen einer Gefahr relevant. Entscheidend ist vielmehr, ob der Einwilligende von einer Gefahr ausgeht und diese als Inhalt seiner Zustimmung begreift. Dafür ist jedoch allein die Sicht des Opfers maßgeblich.102 Ob eine Tat vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, betrifft dagegen lediglich die Perspektive des Täters und muss dem Einwilligenden auch nicht notwendigerweise bekannt 96 So Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 102 f.; Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 974 f., Göbel, S. 25 f.; Sternberg-Lieben, S. 215. Auch bei Ablehnung der Rechtfertigungswirkung mangels Erfolgsbezogenheit führen Fälle der Einwilligung in eine Gefährdung nach jener Ansicht jedoch nicht zwingend zur Strafbarkeit. Siehe zu den alternativen Lösungsvorschlägen Göbel, S. 26 ff.; Sternberg-Lieben, S. 223 f. 97 Diese Ansicht wird etwa von Dölling, JR 1994, 520, 521; Hillenkamp, JuS 1977, 166, 171; Dölling, in: FS Gössel, S. 209, 214; Murmann, in: FS Puppe, S. 767, 776; Stratenwerth, in: FS Puppe, S. 1017, 1022; Menrath, S. 151; Quillmann, S. 19 ff. vertreten; vgl. aus der Rechtsprechung ferner OLG Celle, NJW 1964, 736; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1997, 325, 327. 98 Siehe hierzu konkret Hillenkamp, JuS 1977, 166, 171. Vgl. ferner die Darstellung einer entsprechenden Argumentation bei Lasson, ZJS 2009, 359, 364. 99 Der Fahrlässigkeitsbezug ist Hillenkamp, JuS 1977, 166, 171 sowie der Darstellung bei Lasson, ZJS 2009, 359, 364 auch eindeutig zu entnehmen. 100 Vgl. hierzu etwa Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 128; Menrath, S. 53; außerdem die Darstellung bei Lackner/Kühl, StGB, § 228 Rn. 2a. Auch den Aussagen von Rudolphi, Jura 1980, 258, 262 f. lässt sich die angesprochene Konnexität zwischen der Einwilligung in eine Gefährdung und der Fahrlässigkeitstat entnehmen. Zum Teil wird der Fahrlässigkeitsbezug auch schon in den Titeln der Beiträge der in Fn. 97 Abschn. F. genannten Autoren deutlich. 101 Dass hochriskante Verhaltensweisen sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verübt werden können, führt auch Murmann, in: FS Puppe, S. 767, 785 aus. In diesem Sinne, wenngleich speziell auf Lebensgefährdungen bezogen, auch Schmitz, S. 193. 102 Auch Menrath, S. 61 betont die Maßgeblichkeit der Opferperspektive. Er bezieht dies jedoch, anders als vorliegend ausgeführt, nicht auf die Beurteilung der Einwilligung, sondern bereits auf den zugrunde liegenden Gefahrbegriff als solchen.

II. Die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung

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sein. Jene Fragestellung ist folglich für die Charakterisierung der Einwilligung irrelevant.103 Die Konstellation einer Einwilligung in eine Gefährdung kann demnach nicht nur bei fahrlässigem, sondern auch bei vorsätzlichem Verhalten des Täters104 einschlägig sein.105 Zu bewerten bleibt die zunächst aufgeworfene Frage, was richtigerweise Bezugspunkt der Einwilligung sein muss. Hierfür ist auf den Grundgedanken des betreffenden Rechtsinstituts zu rekurrieren. Die Einwilligung leitet ihre Legitimationswirkung nach der hier befürworteten Auffassung aus der Selbstbestimmung her, wobei die Straflosigkeit im Konkreten aus einem Rechtsschutzverzicht folgt. Nach der vorliegend vertretenen Definition bedeutet Selbstbestimmung die freie Entscheidung darüber, was mit einem selbst bzw. den eigenen Rechtsgütern geschieht. Bezugspunkt ist folglich stets ein abstrakter Wert. Hinsichtlich dessen möglicher Beeinträchtigung wird auch auf Rechtsschutz verzichtet.106 Würde man das Element der Erfolgsbezogenheit nicht verlangen, ginge aber jene Gegenständlichkeit verloren, was der grundlegenden Bedeutung von Selbstbestimmung und damit der Begründung der rechtfertigenden Qualität der Einwilligung widersprechen würde.107 In Fällen, in denen der Erfolgseintritt nicht vom zustimmenden Willen erfasst wird, kann man mithin nicht von einer wirksamen Einwilligung ausgehen. Jene Aussage ist allerdings nicht zwingend gleichzusetzen mit der Annahme, in den Konstellationen einer Einwilligung in eine Gefährdung sei keine rechtfertigende Wirkung des betreffenden Rechtfertigungsgrundes möglich. Fraglich erscheint nämlich, ob die Prämisse, dass sich eine Einwilligung in eine Gefährdung 103 So im Ergebnis, wenngleich mit leicht abweichender Begründung, auch Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 128. Auch Murmann, in: FS Puppe, S. 767, 785 betont, dass sich das Willensverhalten des Opfers – womit wohl die Erteilung der Zustimmung gemeint sein wird – nicht auf die Einstellung des Täters zur Vornahme der gefährdenden Handlung, sondern nur auf die gefährliche Handlung selbst beziehe. 104 Zumeist wird es sich dabei um Konstellationen des dolus eventualis handeln. Auch absichtliche Verletzungen sind jedoch widerspruchsfrei mit dem Vorliegen einer Gefährdung zu kombinieren; vgl. zu jener Vorsatzform die Darstellung von Joecks, in: MK-StGB, § 16 Rn. 21 ff. Selbst Wissentlichkeit des Täters vermag im Zusammenhang mit einer Einwilligung in eine Gefährdung von Relevanz zu sein. Ohne eine Fehlvorstellung des Täters scheint dieser Fall jedoch nicht denkbar. 105 So auch Jakobs, AT, Abschn. 7 Rn. 128; vgl. ferner Menrath, S. 136, 155 f. Ob die rechtfertigende Wirkung einer Risiko-Einwilligung auch bei vorsätzlichem Verhalten gelten soll, wird von Weber, in: FS Baumann, S. 43, 46 Fn. 10 dagegen offen gelassen. 106 So im aktuellen Diskussionszusammenhang auch Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 974 f. Für eine Einschlägigkeit des Rechtsschutzverzichtsgedankens auch bei einer bloßen Einwilligung in die Handlung und nicht in den Erfolg aber Dölling, JR 1994, 520, 521; Quillmann, S. 20. 107 Dass der Erfolgsbezug für die Repräsentation von Autonomie erforderlich sei, führen auch Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 103 aus; so auch Sternberg-Lieben, S. 215.

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

durch eine fehlende Erfolgsbezogenheit auszeichnet, wirklich zutreffen kann. Sollte dem nicht so sein, sprich könnte man in derartigen Fällen stets auch eine Einwilligung in den Erfolgseintritt feststellen, stünde einer Rechtfertigungswirkung nichts entgegen. Sodann müsste man sich aber konkret mit der Frage beschäftigen, inwieweit man die Einwilligung in eine Gefährdung überhaupt von Konstellationen der Einwilligung in eine Verletzung unterscheiden kann und muss. Jene Aspekte gilt es nun im Folgenden näher zu beleuchten. 2. Untersuchung einer potentiellen Identität von erfolgs- und gefährdungsbezogener Einwilligung Die als denkbar angedeutete Auffassung, dass eine Einwilligung in eine Gefährdung stets gleichzeitig eine Einwilligung in den Erfolg darstellt, wird in der strafrechtlichen Literatur vielfach als bloße unrealistische Fiktion abgelehnt, die das Opfer in unangemessener Weise benachteilige. 108 Zutreffend von einer Fiktion sprechen zu können, setzt allerdings voraus, dass es messbare Unterschiede zwischen einer Einwilligung in den Erfolg und einer solchen in eine Gefährdung als Bezugspunkt gibt.109 Gerade das muss vorliegend aber bezweifelt werden. Der Grund hierfür liegt in dem bereits dargestellten Gefahrbegriff. Demnach ist konstituierendes Merkmal einer Gefährdung die Möglichkeit eines Schadenseintritts.110 Wenn also ein Gegenstand in Gefahr gerät, muss dieser notwendigerweise auch verletzt werden können. Es wäre widersinnig zu sagen, jemand oder etwas gerate in Gefahr, aber ihm werde nichts passieren.111 Jene auf die objektive Komponente der Gefahr bezogenen Aussagen können in gleicher Weise für die Einwilligung in eine solche fruchtbar gemacht werden. Wenn man sich einer Gefahr bewusst ist, umfasst jenes Bewusstsein mithin definitionsgemäß stets auch die Möglichkeit des Erfolgseintritts.112 Dies hat in Hinblick auf das Eingehen einer objektiv gefährlichen Situation folgende Konsequenzen: Weist man nach 108 So etwa Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 102; Hillenkamp, JuS 1977, 166, 171; Irene Sternberg-Lieben, JuS 1998, 428, 430; Hillenkamp, S. 57; Sternberg-Lieben, S. 219; Quillmann, S. 29 f. Vgl. ferner auch Geppert, ZStW 83 (1971), 947, 975; Weber, in: FS Baumann, S. 43, 45. Der Vorwurf einer Fiktion, den Menrath, S. 123 ff. diskutiert – und im Ergebnis als nicht zutreffend ablehnt, S. 136 f. – betrifft dagegen inhaltlich nicht die hier thematisierte potentielle Annahme einer gleichzeitigen Einwilligung in den Erfolg. Es geht dabei vielmehr um die strukturelle Frage, ob die Einwilligung in ein Risiko als vollwertige, wenngleich eigenständige Form der Einwilligung einzuordnen sei und somit methodisch nicht als Fiktion aufgefasst werden müsse. 109 Ähnlich auch Menrath, S. 123, auch wenn die dortige Aussage eine andere Intention aufweist. 110 In diesem Sinne auch Horn, S. 198. 111 Vgl. zu den vorgenannten Aussagen wiederum Horn, S. 198 f. 112 In diesem Sinne Hartung, NJW 1954, 1225, 1226. Siehe hierzu auch Küpper, ZStW 100 (1988), 758, 768, wenngleich sich dessen Darstellung im Speziellen auf die subjektive Komponente eines Täters bezieht.

II. Die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung

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seiner Vorstellung die real bestehende Möglichkeit von sich, dass es zu einem Erfolgseintritt als Ausgang kommt, handelt es sich der Definition nach nicht um die Vorstellung einer Gefährdung.113 Erkennt man aber das Vorliegen einer Gefahr und begibt sich bewusst in eine derartige Situation, akzeptiert man notwendigerweise auch deren Natur, nämlich die Möglichkeit, dass die Verletzung eintritt. Denn man kann nicht widerspruchsfrei ausführen, man finde sich mit der Gefahr, aber nicht mit dem Erfolgseintritt ab, wenn sich erstere gerade dadurch auszeichnet, dass letzteres geschehen kann.114 Im Ergebnis115 bedeutet dies: Wer bewusst eine Gefahr im eigentlichen Sinne eingeht, nimmt auch den möglichen Erfolgseintritt in Kauf, willigt mithin in diesen ein.116 In jeder Einwilligung in eine Gefährdung liegt also tatsächlich eine Einwilligung in den Erfolg. Freilich muss dies im Konkreten nicht heißen, dass der Einwilligende positiv mit dem Erfolgseintritt einverstanden ist.117 Wie hinsichtlich des dolus eventualis auf Täterseite genügt auch hier, dass man sich mit einem unerwünschten Erfolg abfindet.118

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Ähnlich auch Horn, S. 198 f., 209, allerdings bezogen auf die Tätersicht. In diesem Sinne wohl auch Beulke, in: FS Otto, S. 207, 215, der diesbezüglich von einem „venire contra factum proprium“ spricht. Anders dagegen Quillmann, S. 28 f., auch wenn diese mit einer ähnlichen Definition von Gefahr wie vorliegend vertreten argumentiert. 115 Aus den genannten Gründen ist dabei im Übrigen gleichermaßen die Unterscheidung von Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz zu verneinen. Dafür explizit auch Horn, S. 209 f. Dem steht auch nicht die Existenz von reinen Gefährdungsdelikten entgegen. Denn diese gibt es vor allem, um eine Verletzung als Voraussetzung für die Strafbarkeit entbehrlich zu machen; vgl. Horn, S. 210. Dies sagt aber nichts darüber aus, dass der Gefährdungsvorsatz einen anderen Inhalt als der Verletzungsvorsatz haben müsste. 116 So auch Hartung, NJW 1954, 1225, 1226; vgl. ferner Beulke, in: FS Otto, S. 207, 215. Dass die Rechtsprechung eine solche Sichtweise vertrete, wie Lasson, ZJS 2009, 359, 364 ausführt, ist allerdings nicht zutreffend, was die genaue Analyse der Verweise bei Lasson ergibt. Eine Parallele zu der soeben im Text vorgestellten Argumentation ließe sich indes den Ausführungen von Hillenkamp, JR 1987, 254, 256 entnehmen, wenngleich es sich dabei um einen anderen Zusammenhang als den der herkömmlichen Einwilligung in eine Gefährdung handelt. Vgl. zu den Aussagen Hillenkamps zu jener letztgenannten Problematik bereits die Nachweise in Fn. 108 Abschn. F. In der in JR 1987, 254 ff. thematisierten Konstellation geht es um eine Form der Diebesfalle. Hierbei schließt Hillenkamp, JR 1987, 254, 256 aus der Zustimmung zur Wegnahme auch auf eine Einwilligung in die Zueignung, wenn der Einwilligende in der Erkenntnis handle, dass der endgültige Verlust eintreten könne und er sich mit den unerwünschten Folgen abfinde. Man könne aus dem nicht beabsichtigten Eigentumsverlust nicht zwingend schließen, dass das Opfer mit einer Zueignung nicht einverstanden sei. Vergleichbar mit dem abstrakten Fall einer Einwilligung in eine Gefährdung hat in jener Konstellation der Eigentümer das Risiko gesehen, dass er sein Geld unter Umständen nicht wiedererlangt und ist diese Gefahr durch die Gestattung der Wegnahme bewusst eingegangen, was auch eine Einwilligung in die Schädigung, sprich den endgültigen Eigentumsverlust in Gestalt einer Zueignung, mit sich bringt. 117 Anders aber Weber, in: FS Baumann, S. 43, 45, der eine gleichzeitige Einwilligung in den Erfolg gerade mit der Begründung ablehnt, der Einwilligende billige die Verletzung nicht. 118 Siehe hierzu den sog. „Lederriemenfall“ des BGH in BGHSt 7, 363 ff. 114

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

Eine derartige Auffassung, wie sie soeben hinsichtlich der Einwilligung in eine Gefährdung dargestellt wurde, hat zur Folge, dass Fälle eines erfolgsbezogen bewusst fahrlässigen Verhaltens des Einwilligenden richtigerweise nicht unter jene Kategorie subsumiert werden dürfen.119 Zwar wird auch bei bewusster Fahrlässigkeit die theoretische Möglichkeit eines Erfolgseintritts gesehen. Diese wird jedoch von einem festen, begründeten Vertrauen auf das Ausbleiben des Erfolgs begleitet,120 sodass man nicht von der Vorstellung einer realen Möglichkeit des Erfolgseintritts, sprich der Vorstellung einer Gefahr ausgehen kann. Damit ist denklogisch auch keine Zustimmung zu einer Gefährdung zu konstatieren. In solchen Fällen lässt sich sodann mangels Erfolgsbezugs keine wirksame Einwilligung feststellen.121 Dass man im Sinne von bewusster Fahrlässigkeit einen Erfolg zwar als theoretisch möglich sieht, aber darauf vertraut, dass nichts passiert, wird praktisch gesehen jedoch ohnehin vielfach bereits mit einer Naivität verbunden sein,122 die man als mangelnde Einwilligungsfähigkeit klassifizieren müsste. An einer hinreichenden Gefahrvorstellung als Anknüpfungspunkt für eine wirksame Einwilligung fehlt es ferner erst recht bei einer Zustimmung zu unbewussten Gefahrenlagen, das heißt in Situationen, in denen die Möglichkeit eines Erfolgseintritts zwar besteht, das Opfer dies jedoch nicht erkennt.123 Auch insoweit kann keine Subsumtion unter den hier konturierten Anwendungsbereich der Einwilligung in eine Gefährdung erfolgen.124 119 Jene Eingrenzung der Einwilligung in eine Gefährdung auf mit bedingt vorsätzlichem Verhalten des Einwilligenden vergleichbare Zustimmungen wird allerdings in der Literatur nicht als charakterisierend angesehen. Im Gegenteil finden sich überwiegend Ausführungen, in denen die Risiko-Einwilligung gerade mit einer Art bewussten Fahrlässigkeit des Einwilligenden verglichen wird; vgl. etwa Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 103; Murmann, in: FS Puppe, S. 767, 776. Sie sei demnach dadurch gekennzeichnet, dass das Opfer darauf vertraue, dass der Erfolg nicht eintrete; siehe dazu Göbel, S. 25; vgl. auch Stratenwerth, in: FS Puppe, S. 1017, 1022 speziell in Bezug auf Lebensgefährdungen. Teils liest man zwar auch die Formulierung, dass das Opfer lediglich darauf hoffe, dass der Erfolg nicht eintrete; in diesem Sinne etwa Lasson, ZJS 2009, 359, 364; vgl. – wenn auch nicht ganz so eindeutig – ebenfalls Weber, in: FS Baumann, S. 43, 43. Dabei wird es sich häufig aber lediglich um unklare Formulierungen handeln, die im Endeffekt doch auf die Annahme von Fahrlässigkeit hindeuten; vgl. diesbezüglich etwa die fahrlässigkeitsbezogenen Aussagen bei Weber, in: FS Baumann, S. 43, 43. Auch Menrath, S. 62 nimmt eine typischerweise als fahrlässig zu qualifizierende Einstellung des Opfers an, macht jedoch weitergehend deutlich, dass auch im Falle einer mit dolus eventualis vergleichbaren Einstellung eine Subsumtion unter die in Rede stehende Konstellation möglich sei. 120 Rein darauf zu hoffen oder es wahrscheinlicher zu finden, dass der Erfolg nicht eintritt, ist insoweit aber nicht genügend. Vgl. zu den Anforderungen an die bewusste Fahrlässigkeit, allerdings speziell hinsichtlich der Täterseite, Küpper, ZStW 100 (1988), 758, 766 m.w. N., 785. 121 Vgl. aber zu alternativen Lösungsmöglichkeiten bereits die Verweise in Fn. 96 Abschn. F. 122 Dass ein Vertrauen auf das Ausbleiben des Erfolgs diesbezüglich leicht als irrational aufgefasst werden könnte, spricht auch Menrath, S. 152 an. 123 Vgl. zur Definition einer unbewussten Gefahr Menrath, S. 61 f.

II. Die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung

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Sämtliche vorangegangenen Annahmen hinsichtlich einer Einwilligung in eine Gefährdung gelten nur für zugrunde liegende Gefahren in der bereits vorgestellten Form.125 Eine derartige Gefahr zeichnet sich entscheidend dadurch aus, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie in einen Schaden umschlagen wird.126 Damit ist eine von der Normalität abweichende Situation erforderlich. Anderenfalls müsste man stets von einer relevanten Gefahrensituation ausgehen, was wirklich als reine Fiktion betrachtet werden müsste. Abstrakte Gefahren wie die Autofahrt mit einem versierten Fahrer oder der Flug mit einer anerkannten Airline, sprich Fälle, die unter das „erlaubte Risiko“ fallen,127 sind daher nicht vom vorliegend in Rede stehenden Gefahrbegriff umfasst.128 Indem die Konstellationen des freiwilligen Eingehens abstrakter Gefahren angesichts des divergierenden Gefahrbegriffs nicht dem Anwendungsbereich der bislang diskutierten Einwilligung in eine Gefährdung unterfallen, vermögen sie auch keine Auswirkungen auf die Überzeugungskraft der diesbezüglich entwickelten Herangehensweise mit sich zu bringen. Es bleibt also festzuhalten, dass sich die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung unter Geltung des diesbezüglich vertretenen Gefahrbegriffs in Hinblick auf den tatsächlichen Bezugspunkt der Einwilligung nicht von sonstigen Einwilligungen in Rechtsgutsverletzungen unterscheidet. Eine eigenständige Behandlung jener Fallgruppe mit speziell nur dafür geltenden Regelungen erscheint daher nicht sachgerecht. 3. Konsequenzen für die Einwilligungsmöglichkeit bei Lebensgefährdungen Letztgenanntes spielt insbesondere für die Behandlung von Einwilligungen in Lebensgefährdungen eine wichtige Rolle. Bekanntlich ist eine Einwilligung in eine Lebensverletzung, sprich in den Tötungserfolg, durch die Regelung des § 216 StGB aufgrund der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug in ihrer umfassenden Rechtfertigungswirkung behindert. Entsprechend den vorangegangenen allgemeinen Erörterungen ist der Tötungserfolg auch bei einer Gefährdung des Lebens Bezugs-

124 Auch Menrath, S. 62 führt aus, dass sich jene Fälle von denen unterschieden, die unter die Fallgruppe der Einwilligung in eine Gefährdung zu subsumieren seien. 125 Vgl. dazu nochmals speziell die Aussagen unter F. II. 1., S. 303. 126 Dies lässt sich konkret auch den Aussagen von Küpper, ZStW 100 (1988), 758, 770 bezüglich des herrschenden Verständnisses von „Gefahr“ entnehmen. 127 Vgl. hierzu etwa Wessels/Beulke/Satzger, AT, § 6 Rn. 258. 128 Auch wird bei derartigen Zustimmungen zumeist höchstens eine bewusst fahrlässige Haltung des Betroffenen festzustellen sein, womit eine unter die Konstellation der Einwilligung in eine Gefährdung fallende Zustimmung ebenfalls nach den zuvor genannten Grundsätzen auszuschließen wäre.

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

punkt der Einwilligung. Folglich lässt sich zwischen jenen beiden Konstellationen strukturell gesehen kein Unterschied in der grundsätzlichen Anwendbarkeit der betreffenden Sperrwirkung erkennen. Dieses bislang rein formell hergeleitete Ergebnis ist auch materiell begründbar. So spielt der für die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht entscheidende Unsicherheitsfaktor gerade im Kontext von Lebensgefährdungen eine stark ausgeprägte Rolle. Besteht nämlich die Chance, dass es durch die Tat im Endeffekt gar nicht zu einer Verletzung des Lebens kommt, erscheint die Hemmschwelle geringer, Druck auszuüben oder implizit Erwartungshaltungen an den Tag zu legen. Auch wird es leichter und wahrscheinlicher sein, dass sich die Adressaten überzeugen lassen, lebensgefährdenden Handlungen zuzustimmen.129 Damit wächst aber gleichzeitig die Unsicherheit, ob generell eine Widersetzung gegenüber derartigen Handlungen angemessen anmutet und sozial akzeptiert wird. Dies gilt umso mehr, je geringer die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts ist. Ein Klima, das lebensfeindliche unsicherheitsbegründende Verhaltensweisen fördert, kann aber in Anbetracht der Schutzaufgabe des Staates nicht geduldet werden. Die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht im Kontext von Lebensgefährdungen erweist sich mithin in jeder Hinsicht als berechtigt. Auch das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht und deren Fehlen gilt im aktuell besprochenen Zusammenhang gleichermaßen, wie es bereits abstrakt in Bezug auf die Bedeutung der Regelung aus § 216 StGB vorgestellt wurde. Im Konkreten erscheinen Ausnahmen nur möglich, wenn die Lebensgefährdung der notwendigen Rettung wichtiger Güter dient. Da es sich hierbei um die Sonderkonstellation lebensgefährlicher Rettungsmaßnahmen handelt, soll an aktueller Stelle auf nähere Ausführungen diesbezüglich noch verzichtet werden. Die einschlägigen Argumentationen finden sich sodann unter dem Gliederungspunkt G. I. Zusammenfassend ist mithin zu konstatieren, dass die Bedeutung der Sperrwirkung aus § 216 StGB bei Lebensgefährdungen in Einklang mit der grundsätzlichen Ablehnung von entscheidenden Unterschieden zwischen Einwilligungen in Gefährdungen und in Verletzungen nicht als eigenständiges Spezialproblem zu betrachten ist.

III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit Einwilligungsunfähigkeit ist nach allgemeiner Definition gleichzusetzen mit der fehlenden Fähigkeit, Wesen, Bedeutung und Tragweite der betreffenden Tat 129

Vgl. dazu auch Dölling, GA 1984, 71, 88.

III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit

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einschließlich ihrer Folgen zu begreifen.130 Ferner ist Einwilligungsunfähigkeit dann anzunehmen, wenn es an der Fähigkeit mangelt, das eigene Verhalten an der bestehenden Einsicht auszurichten, sprich wenn keine Steuerungsfähigkeit vorliegt.131 Nach überwiegender Ansicht richtet sich die Annahme von Einwilligungsunfähigkeit nicht nach einem bestimmten Alter, sondern es wird allein auf das Nichtvorliegen der erforderlichen Fähigkeiten im Einzelfall abgestellt.132 Demnach können nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene als einwilligungsunfähig eingestuft werden.133 Im Folgenden gilt es nun zu untersuchen, inwieweit sich das Vorliegen von Einwilligungsunfähigkeit auf die Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln auswirkt. Dafür ist zunächst ein Blick auf den Umgang mit der betreffenden Problematik in der herkömmlichen juristischen Diskussion zu werfen. Daran anschließend soll in Einklang mit dem hier verfolgten übergreifenden Anliegen, dogmatisch überzeugende Lösungswege aufzuzeigen, eine mögliche einheitliche Handhabung in entsprechenden Konstellationen präsentiert werden. Dabei wird man sich auch mit potentiellen sachlichen Gründen auseinandersetzen müssen, die die Annahme einer Notwendigkeit, aber auch die Durchführung einer derartigen einheitlichen Lösung eventuell torpedieren könnten. Sollten sich die betreffenden Einwände nicht als überzeugend herausstellen, sind abschließend noch kurz die Konsequenzen in den Blick zu nehmen, die mit der entwickelten Lösung verbunden sind, um im Ergebnis eine umfassende Darstellung der zu befürwortenden Ansicht als künftige Diskussionsgrundlage zu liefern. 1. Die herkömmliche Handhabung im Falle fehlender Einwilligungsfähigkeit Überwiegend wird in der herkömmlichen Diskussion der Grundsatz postuliert, dass bei Einwilligungsunfähigkeit nicht auf den Betroffenen abgestellt werde, sondern stattdessen die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters Wirkung erlange.134 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dies nicht als gene-

130 Siehe zu der positiv formulierten – und damit umgekehrten – Dimension der Einwilligungsfähigkeit die entsprechenden Angaben bei Kühl, AT, § 9 Rn. 33. Vgl. auch die Darstellung bei Odenwald, S. 36 f. m.w. N. Eine ausführliche Diskussion über die Elemente von Einwilligungsfähigkeit findet sich bei Amelung, ZStW 104 (1992), 525, 551 ff. 131 Siehe zu diesem Element als Bestandteil der Einwilligungsfähigkeit Odenwald, S. 51 ff.; vgl. auch BayObLG, NStZ 1999, 458, 459 f. 132 Vgl. zur Maßgeblichkeit der konkret-individuellen Betrachtung Kühl, AT, § 9 Rn. 33 m.w. N.; so auch bereits der Nachweis in Fn. 70 Abschn. F. 133 Vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 228 Rn. 13. 134 Siehe hierzu etwa Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 228 Rn. 13; Beckert, JA 2013, 507, 509; Schmitz, S. 21. Teils wird in jenem Zusammenhang auch vom „Sorgeberechtigten“ als demjenigen gesprochen, auf dessen Einwilligung es ankomme; so

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

relle Richtschnur eingehalten wird. Zur näheren Klassifizierung und besseren Illustrierung bietet es sich für eine diesbezügliche Darstellung an, zwischen anfänglicher und später auftretender sowie weiter zwischen vorübergehender und endgültiger Einwilligungsunfähigkeit zu differenzieren. Tritt die Einwilligungsunfähigkeit erst später auf und ist dabei gleichzeitig nur vorübergehend, wie etwa im Falle reversibler Bewusstlosigkeit, wird vielfach abweichend von der Lösung über eine Vertretereinwilligung unmittelbar auf die mutmaßliche Einwilligung des Betroffenen abgestellt.135 Ob letztgenanntes Instrument ferner auch im Falle später auftretender, aber endgültiger Einwilligungsunfähigkeit zur Anwendung kommen kann, wird dagegen schon als problematischer angesehen.136 Ein Konsens hinsichtlich einer steten Einschlägigkeit der Vertretereinwilligung ist diesbezüglich aber ebenfalls nicht festzustellen. Im Falle von anfänglicher, aber vorübergehender Einwilligungsunfähigkeit, sprich bei der Betroffenheit von noch einwilligungsunfähigen Kindern, wird dem Topos der Vertretereinwilligung hingegen zumindest in den unproblematischen Fällen137 in der Regel gefolgt, ohne auf eine mutmaßliche Einwilligung des Kindes einzugehen. Wenn die anfängliche Einwilligungsunfähigkeit aber als endgültig zu qualifizieren ist, liegt nach gewöhnlicher Auffassung ein Spezialfall vor, der unter anderem mittels § 34 StGB zu legitimieren versucht wird.138 Auf letztgenannte Norm wird – unabhängig von der soeben erfolgten Differenzierung nach dem Charakter der Einwilligungsunfähigkeit – häufig auch dann abgestellt, wenn ein gesetzlicher Vertreter pflichtwidrig eine Einwilligung verweigert und die vorrangige Entscheidung des Gerichts139 nicht mehr eingeholt werden kann.140 Eine derart unterschiedliche Behandlung der Ausprägungen von Einwilligungsunfähigkeit mutet jedoch nicht überzeugend an. Dies gilt zum einen in Hinblick auf die praktische Komponente. So erscheint insbesondere die Feststellung, wann es sich um nur vorübergehende und wann um endgültige Einwilligungsunfähigkeit handelt, zum Tatzeitpunkt häufig nicht klar möglich. Die Klassifizierung basiert schließlich allein auf Prognosen, welche gerade in Grenzfällen etwa Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 36. Inhaltlich ergeben sich insoweit im einschlägigen Kontext aber wohl keine relevanten Unterschiede; vgl. dazu auch Roxin, AT I, § 13 Rn. 92. 135 Vgl. hierzu etwa Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 37; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 33; Fisch, S. 107. 136 Siehe dazu die Ausführungen von Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 33 m.w. N. 137 Vgl. dagegen zu möglichen Problemfällen Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 41c ff.; Paeffgen, in: NK-StGB, § 228 Rn. 17 f. 138 Vgl. Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 33 mit Verweis auf denkbare Lösungen in jener Konstellation. 139 Siehe hierzu Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 41e. 140 Für eine Lösung über den rechtfertigenden Notstand etwa Roxin, AT I, § 13 Rn. 92; Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 36; Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 15; Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 8a; Boll, S. 111.

III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit

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schwer zu treffen sein werden.141 Jene Problematik ist dabei nicht nur bei später auftretender Einwilligungsunfähigkeit von Relevanz. In Einzelfallen mag es auch unklar sein, wann und ob ein einwilligungsunfähiges Kind überhaupt die Einwilligungsfähigkeit erlangen wird. Jene verschwimmenden Grenzen machen es nahezu unmöglich, eindeutig an die betreffenden Differenzierungskriterien anzuknüpfen und darauf eine unterschiedliche Behandlung zu stützen. Aber auch aus dogmatischer Sicht wirkt eine differenzierende Vorgehensweise nicht überzeugend. Schließlich enthalten alle in Rede stehenden Fälle das gleiche Grundelement, nämlich dass der Betroffene zum Zeitpunkt der Tat kognitiv konkret nicht in der Lage ist, wirksam eine eigene Einwilligung abzugeben. Dies kann man als wesentlich gleiche Ausgangslage betrachten. Eine solche bedarf nach Art. 3 GG grundsätzlich einer gleichen Behandlung, es sei denn, es liegen sachliche Gründe vor, die eine unterschiedliche Handhabung rechtfertigen.142 Gerade auf letzteres wird noch entscheidend einzugehen sein, wenn im Folgenden eine konkrete Möglichkeit der einheitlichen Handhabung bei gegebener Einwilligungsunfähigkeit erörtert wird. 2. Die mutmaßliche Einwilligung als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei Einwilligungsunfähigkeit Als einheitlicher Rechtfertigungsansatz bei Einwilligungsunfähigkeit soll hier die mutmaßliche Einwilligung vorgeschlagen werden. Demnach wäre in allen Fällen bestehender Einwilligungsunfähigkeit der mutmaßliche Wille des Betroffenen zu ermitteln und die Rechtfertigung unmittelbar auf die entsprechende Wahrung der Selbstbestimmung zu stützen. Eine derartige Herangehensweise bringt bei unterstellter Geltung mit sich, dass auf das Instrument der stellvertretenden Einwilligung als eigenständiger Rechtfertigungsansatz im Kontext der Einwilligungsunfähigkeit vollständig verzichtet werden kann.143 Zwar wäre es 141 Vgl. zu entsprechenden Prognoseschwierigkeiten auch Schwab, in: MK-BGB, § 1905 Rn. 13. 142 Vgl. zu den Kriterien einer auf Art. 3 GG basierenden Notwendigkeit einer einheitlichen Handhabung bereits die Ausführungen unter C. I. 2. 143 Für einen Ausschluss der Stellvertretungsregeln und die Heranziehung der mutmaßlichen Einwilligung als Rechtfertigungsansatz bei Einwilligungsunfähigkeit auch Knauf, S. 14; 133 f., wenngleich sich dessen Aussagen auf die Einwilligungsunfähigkeit im ärztlichen Kontext beschränken. Darüber hinaus lässt sich eine derartige Herangehensweise an die Fälle von Einwilligungsunfähigkeit, wie sie vorliegend präsentiert wird, in der Literatur aber kaum finden. In jene Richtung könnte man wohl allenfalls Duttge, in: HK-GS, § 34 Rn. 9 verstehen. Dieser führt aus, dass bei Einwilligungsunfähigkeit an die Stelle der erklärten Einwilligung die mutmaßliche trete. Leider fehlt es diesbezüglich an weiteren Argumentationen und Hinweisen, die den betreffenden Standpunkt deutlicher machen würden. Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 33 tendiert zwar für die Fälle später eintretender vorübergehender sowie insgesamt für Konstellationen endgültiger Einwilligungsunfähigkeit zu einer Anwendung der mutmaßlichen Einwilligung. Er deutet jedoch zumindest teils auch eine inhaltliche Nähe zu den Grundsätzen

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

demgegenüber theoretisch auch möglich, die als vermeintlichen Grundsatz der h. M. herausgestellte Herangehensweise einer stellvertretenden Einwilligung übergreifend als einheitliche Lösungsmöglichkeit in Betracht zu ziehen. Verletzungen eines Rechtsguts sollten jedoch, soweit dies im Konkreten potentiell möglich erscheint, in ihrer Legitimation vorrangig auf den Entschluss bzw. den Willen des dazugehörigen Trägers zurückgeführt werden. Denn die Selbstbestimmung stellt schon ihrer Definition nach das unmittelbar einschlägige Element in Hinblick auf Gestaltungen der eigenen Rechtsgütersphäre dar. Bei der Stellvertretung werden zwar im Ergebnis zumeist auch Entscheidungen getroffen, die sich im Einklang mit dem Willen des Rechtsgutsinhabers befinden.144 Jenes Instrument erscheint aber zumindest strukturell weniger geeignet als die mutmaßliche Einwilligung, das zuvor genannte Ziel zu verfolgen.145 Denn der Vertreter trifft im Rahmen der Stellvertretung eine eigene Entscheidung,146 was sich auch an der zivilrechtlichen Definition von Stellvertretung zeigt, die eine eigene Willenserklärung voraussetzt.147 Das legitimierende Element ist somit im Rahmen der Stellvertretung anders als bei der mutmaßlichen Einwilligung nicht unmittelbar in der Selbstbestimmung des Betroffenen zu erkennen. Die dargelegte Ablehnung der Stellvertretung als eigener Rechtfertigungsansatz bedeutet freilich nicht, dass der Vertreter bei bestehender Einwilligungsunfähigkeit gar keine Rolle mehr spielen könnte. Seiner Aussage lässt sich durchaus eine Art Indizcharakter dahingehend zuschreiben, dass mit dieser der mutmaßliche Wille des Gutsinhabers abgebildet wird.148 Die Einschätzung des Vertreters ist schließlich an gewisse Vorgaben gebunden, die im Kern dazu dienen, den mutmaßlichen Willen des Betroffenen zu wahren.149 Dem Wesen eines Indizes entsprechend ist jener Rückschluss auf den mutmaßlichen Willen aber auch wi-

des rechtfertigenden Notstands an. Zumindest da er aber in Rn. 15 allgemein ausführt, dass man bei Einwilligungsunfähigkeit im Ausgangspunkt auf die stellvertretende Einwilligung abzustellen habe, ist ein umfassender Einklang mit der hier vorgeschlagenen Auffassung im Ergebnis nicht festzustellen. Trück, S. 106 ff., 127 f. spricht sich insbesondere in Bezug auf den Fall des Behandlungsabbruchs für einen Ausschluss der Stellvertretungsregeln und für eine Anwendung der mutmaßlichen Einwilligung aus. Wie es sich aber z. B. seinen Ausführungen auf S. 107 entnehmen lässt, scheint er diese methodische Handhabung auf höchstpersönliche Eingriffe zu beschränken und nicht, wie vorliegend vorgeschlagen, generell von einem Ausschluss der Vertretereinwilligung zugunsten der mutmaßlichen Einwilligung auszugehen. 144 Siehe dazu, dass die Wahrung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen eine wichtige Leitlinie für den Vertreter darstellt, Knauf, S. 132. 145 Auch Trück, S. 110 führt aus, dass die mutmaßliche Einwilligung der Gewährleistung der Selbstbestimmung besser gerecht werde als die Vertretereinwilligung. 146 Vgl. zu jenem Argument auch Trück, S. 115; a. A. aber Glöckner, S. 110. 147 Siehe dazu Valenthin, in: BeckOK-BGB, § 164 Rn. 16. 148 So auch Knauf, S. 137 ff.; siehe zum konkreten Charakter der Indizfunktion insbesondere S. 141, 144. 149 Vgl. dazu bereits den Verweis auf Knauf in Fn. 144 Abschn. F.

III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit

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derleglich.150 Auf diese Weise wird neben der generellen Gefahr der Überspielung von Selbstbestimmung151 im Speziellen auch verhindert, dass die pflichtwidrige Verweigerung einer Einwilligung als eigens zu beleuchtendes Sonderproblem behandelt werden muss. In derartigen Fällen wäre im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung152 schlicht eine Indizwirkung der konkret geäußerten Vertretereinschätzung abzulehnen und der mutmaßliche Wille nach den herkömmlichen Methoden anderweitig zu bestimmen. Eine einheitliche Behandlung sämtlicher Fälle von Einwilligungsunfähigkeit mittels der mutmaßlichen Einwilligung kann allerdings nur unter der Prämisse Bestand haben, dass auch in allen Konstellationen von Einwilligungsunfähigkeit ein mutmaßlicher Wille des Betroffenen vorhanden ist. Sollte dem nicht so sein, entspräche dies einem sachlichen Grund, gewisse Formen der Einwilligungsunfähigkeit, nämlich solche mit nicht existentem mutmaßlichen Willen, anders zu behandeln und folglich von der hier vorgestellten Lösung abweichen zu können.153 Das Fehlen eines mutmaßlichen Willens wird teils im Kontext der endgültigen Einwilligungsunfähigkeit postuliert. Im Speziellen findet man für die Ablehnung der Existenz eines mutmaßlichen Willens dabei insbesondere folgende Begründung Merkels: Für die Annahme eines mutmaßlichen Willens sei es notwendig, 150

Siehe dazu auch Knauf, S. 141 f. Vgl. zur Gefahr von nicht rein selbstbestimmungsbezogenen Entscheidungen im Kontext der Vertretereinwilligung Trück, S. 110. 152 Für eine Lösung der betreffenden Problematik über die mutmaßliche Einwilligung auch Rönnau, in: LK-StGB, Vor § 32 Rn. 185. Dieser löst jedoch nur speziell jene Konstellation bestehender Einwilligungsunfähigkeit auf die genannte Weise und hält mithin an der Einordnung der Situation als Spezialfall fest. Vgl. zur grundsätzlichen Akzeptanz der Stellvertretungsregeln durch Rönnau Rn. 179 a. a. O. Engländer, GA 2010, 15, 24 Fn. 35 erwähnt in den Fällen der missbräuchlichen Einwilligungsverweigerung ebenfalls die mutmaßliche Einwilligung als den seiner Ansicht nach richtigen Lösungsvorschlag. Es scheint jedoch unter Berücksichtigung des fußnotenbezogenen Kontexts nicht klar, ob er wirklich auf die mutmaßliche Einwilligung des jeweiligen Betroffenen abstellt. Vielmehr liegt eine Interpretation im Sinne der Maßgeblichkeit der mutmaßlichen Einwilligung des Vertreters oder des Gerichts nahe. Für letztere als insoweit maßgeblichen Anknüpfungspunkt explizit Schmitz, S. 93. 153 Freilich fällt dabei auf, dass derjenige Aspekt, der als potentieller sachlicher Grund für eine anderweitige Behandlung angeführt wird, mit dem Fehlen einer Grundvoraussetzung des gewählten Rechtfertigungsgrundes deckungsgleich ist. Prinzipiell erscheint es dogmatisch unrichtig, die Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung legitimieren, aus der fehlenden Möglichkeit der Heranziehung der in Rede stehenden Lösung zu schließen. Diese Thematik wurde bereits in einem anderen Kontext behandelt; vgl. dazu im Speziellen Fn. 28 Abschn. C. Hier wie dort existiert indes eine gewisse Doppelfunktionalität der betreffenden Gesichtspunkte. So ist die Existenz eines mutmaßlichen Willens nicht nur Voraussetzung für die Einschlägigkeit der mutmaßlichen Einwilligung. Die Frage, ob ein mutmaßlicher Wille gegeben ist, bezieht sich vielmehr auch völlig unabhängig von der Betrachtung eines bestimmten Lösungsansatzes auf die Charaktersierung der jeweiligen Form von Einwilligungsunfähigkeit. Es handelt sich folglich um ein Kriterium, das auch bereits im Kontext der Betrachtung der Ausgangslage eine Rolle spielt. 151

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

dass man die betreffende Entscheidung später bewusst wahrnehmen und billigen könne.154 Anderenfalls sei der mutmaßliche Wille ebenso inexistent wie derjenige eines Toten, da man in beiden Fällen kein Adressat der Zuschreibung einer inneren Einstellung mehr sei.155 Die vorangegangenen Aussagen beziehen sich speziell auf die Konstellation der später eintretenden endgültigen Einwilligungsunfähigkeit. Bei anfänglicher irreversibler Einwilligungsunfähigkeit nimmt Merkel die Nichtexistenz eines mutmaßlichen Willens sogar völlig unproblematisch an, indem er einen derartigen Willen als „begriffliche Unmöglichkeit“ tituliert.156 Auch abgesehen von Merkel ist in letztgenannter Konstellation die Leugnung eines mutmaßlichen Willens weiter verbreitet als in der zuvor dargestellten. Denn der Betroffene war hierbei niemals in der Lage, faktisch einen Willen zu bilden, sodass eine auf vergangene Selbstbestimmungsausübungen zurückgreifende konkret-individuelle Basis für die Ermittlung eines mutmaßlichen Willens fehlt.157 Für die Beantwortung der Frage, ob auch bei Einwilligungsunfähigkeit ein mutmaßlicher Wille bestehen kann – und dieser damit als Anknüpfungspunkt für eine mögliche Rechtfertigung in Betracht gezogen zu werden vermag –, muss man sich zunächst die Grundlage des mutmaßlichen Willens bewusst machen. Die mutmaßliche Einwilligung dient, wie bereits mehrfach betont, der Verkörperung der Selbstbestimmung. Der mutmaßliche Wille lässt sich mithin als Ausfluss jenes Rechtsguts Selbstbestimmung ansehen. Er stellt anders gesprochen dessen „Ergebnis“ dar. Entscheidend ist demnach für die Annahme eines mutmaßlichen Willens, dass auch im Falle von Einwilligungsunfähigkeit eine Beteiligung des Rechtsguts Selbstbestimmung des Betroffenen zu erkennen ist. Selbstbestimmung wurde vorliegend definiert als die freie Entscheidung, was mit einem selbst bzw. den eigenen Gütern geschieht. Dies kann man primär im Sinne einer grundsätzlich bestehenden Möglichkeit zur realen wirksamen Konturierung der Rechtsgütersphäre verstehen.158 Neben jener realitätsbezogenen, konkreten Dimension lässt sich dem Inhalt des Rechtsguts Selbstbestimmung aber noch eine weitere Komponente entnehmen. Diese besteht in der abstrakten Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen, und ist in jedem Menschen von Beginn an angelegt159. Man kann hierbei von der Betroffenheit einer inhaltlich abstrakten

154

Merkel, ZStW 107 (1995), 545, 565. Merkel, ZStW 107 (1995), 545, 565. 156 Merkel, ZStW 107 (1995), 545, 563 f. 157 Vgl. hierzu etwa auch Schmitz, S. 92. 158 Dass unter jene konkrete Dimension vom Selbstbestimmung neben tatsächlichen Einwilligungen prinzipiell auch Fälle der mutmaßlichen Einwilligung subsumiert werden können, wurde bereits unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 202 dargelegt. Vgl. dazu auch nochmals Fn. 169 Abschn. F. 159 Ähnlich Glöckner, S. 145, der betont, dass jedem Menschen ein Recht auf Selbstbestimmung unabhängig von dessen Entscheidungsfähigkeit zustehe. 155

III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit

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Dimension des Rechtsguts Selbstbestimmung sprechen.160 Zur besseren Illustrierung der beiden Dimensionen von Selbstbestimmung lässt sich eine Parallele zu dem Vergleich zwischen der grundrechtlichen Kategorie der Grundrechtsfähigkeit und derjenigen der Grundrechtsmündigkeit ziehen.161 Grundrechtsfähigkeit, sprich die Fähigkeit, Träger von Grundrechten sein zu können,162 ist eine in jedem Menschen angelegte Fähigkeit, die nicht von einer konkreten Entscheidungsreife abhängig ist.163 Grundrechtsmündigkeit dagegen bezeichnet die reale Eignung, selbst über die Ausübung seiner Grundrechte zu entscheiden und setzt dafür eine gewisse Einsichts- und Handlungsfähigkeit voraus.164 Bezogen auf die Selbstbestimmung als Rechtsgut ist die letztgenannte Dimension vergleichbar mit der Fähigkeit zu konkreten realen Entscheidungen über die eigene Gütersphäre, während erstgenannte dem vorgeschlagenen abstrakten Inhalt des Gutes Selbstbestimmung entspricht. Eine derartige Parallelität kann auch nicht nur als Hilfsmittel zur Beschreibung der betreffenden Ausprägungen des Rechtsguts Selbstbestimmung herangezogen werden. Sie dient weiter als Argument zur Bestätigung der hier entwickelten Sichtweise. So lassen sich Rechtsgüter vielfach unmittelbar auf Grundrechte als ihre entscheidende Grundlage zurückführen.165 Dies ist auch hinsichtlich der Selbstbestimmung als Rechtsgut der Fall.166 Die grundlagenbe160 Zur Klarstellung ist aber anzumerken, dass dies von dem generellen Charakter der Selbstbestimmung als abstraktes, sprich eigenständig zu fassendes Rechtsgut zu unterscheiden ist. Vgl. zu letzterem bereits Fn. 76 Abschn. B. Auch darf die hier angesprochene inhaltlich abstrakte Dimension der Selbstbestimmung nicht verwechselt werden mit der abstrakten Art und Weise von Selbstbestimmungsgewährleistung, wie sie etwa der Rechtfertigung im Einzelfall willenswidriger Eingriffe im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung zugrunde liegt; siehe dazu speziell die Ausführungen unter D. II. 2. b) bb) (2). Bei letzterem ist Bezugspunkt der Abstraktheit nämlich nicht speziell der Inhalt, sondern die Form, in der das Rechtsgut Selbstbestimmung – denklogisch in der Eigenschaft als eigenständiger und vom Einzelfall unabhängiger Wert – geschützt wird. 161 Diese beiden Schlagworte werden, wenngleich ohne nähere Erörterung, auch von Glöckner, S. 88 im Kontext der Frage nach der Anerkennung von Selbstbestimmung bei Einwilligungsunfähigkeit verwendet. 162 Dass Grundrechtsträgerschaft und Grundrechtsfähigkeit synonym zu verstehen sind, lässt sich etwa Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 13 Nr. 8a Rn. 9 f. implizit entnehmen. 163 So auch Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 13 Nr. 8a Rn. 10, der die Vollendung der Geburt als Beginn der Grundrechtsfähigkeit nennt. Vgl. ferner Reipschläger, S. 189. 164 Vgl. die Darstellung bei Hohm, NJW 1986, 3107, 3108 f. m.w. N., speziell auch zu der Problematik, ob man zur Bestimmung der Grundrechtsmündigkeit auf gleitende oder auf starre Altersgrenzen abstellen sollte. Hohm lehnt jedoch im Ergebnis – vgl. NJW 1986, 3107, 3111 – die Grundrechtsmündigkeit als eigenständige verfassungsrechtliche Kategorie ab. 165 Vgl. zur Bedeutung von Grundrechten als Grundlage für Rechtsgüter bereits Fn. 104 Abschn. B. 166 Vgl. zur grundrechtlichen Herleitung der Selbstbestimmung bereits die Ausführungen und Nachweise im Zusammenhang mit Fn. 69 Abschn. B.

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

zogenen Gewährleistungsdimensionen müssen aber strukturell auch auf die Betrachtung der Rechtsgüter als spezielle Ausprägungen durchschlagen können, was die Existenz beider Dimensionen von Selbstbestimmung als Teil des Inhalts jenes Rechtsguts belegt.167 Mithilfe der verschiedenen Dimensionen von Selbstbestimmung lässt sich also die Beteiligung des Rechtsguts Selbstbestimmung konstitutionsunabhängig annehmen. Unter Rekurs auf die Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Dimension ist im Ergebnis die Betroffenheit des Rechtsguts Selbstbestimmung in jedem Fall von Einwilligungsunfähigkeit, sei diese nur vorübergehender oder endgültiger Art, zu statuieren. Es ist allerdings auch ausschließlich diese Dimension von Selbstbestimmung, die sich in Fällen von Einwilligungsunfähigkeit als einschlägig erweist. Eine Ausprägung der Selbstbestimmung in inhaltlich konkreter Dimension ist insoweit nicht denkbar. Bei Einwilligungsunfähigkeit fehlt es nämlich immer – selbst bei einem bloßen Mangel an Steuerungsfähigkeit – an der Möglichkeit, eine eigene wirksame reale Entscheidung zu treffen. Auch bei vorübergehender Einwilligungsunfähigkeit ist keine abweichende Beurteilung möglich. Zwar muss ein Entschluss nicht simultan mit der Verletzungshandlung getroffen werden.168 Bezugspunkt der Entscheidung ist jedoch stets die Tat. Auf die Kollisionssituation zu jenem Zeitpunkt kommt es folglich an. Damit müssen auch dann die prinzipiellen Voraussetzungen für die betreffende Form des beteiligten Gutes Selbstbestimmung gegeben sein. Fehlt es aber zu jenem Zeitpunkt an der Fähigkeit zur realen und wirksamen freien Entscheidung über die eigene Gütersphäre, sprich liegt Einwilligungsunfähigkeit vor, kann man mangels Erfüllung der Definitionsmerkmale nicht von der Beteiligung des Rechtsguts Selbstbestimmung in der konkreten Dimension ausgehen.169 Wenn jedem Menschen unabhängig von dessen Einwilligungsfähigkeit das Rechtsgut Selbstbestimmung zusteht, ist in der Konsequenz auch bei Einwilligungsunfähigkeit stets ein mutmaßlicher Wille zu erkennen.170 Denn die Selbstbestimmung wäre lediglich eine leere Hülle, wenn man nicht auch in Hinblick auf einzelne Fallgestaltungen Schlüsse daraus ziehen und ihr so zu einer Legiti167 Eine direkte Übertragung der genannten grundrechtlichen Differenzierungen erscheint allerdings nur in dem aktuell präsentierten Fall der Betrachtung der Selbstbestimmung als isoliertes Rechtsgut in Verbindung mit dem zugrunde liegenden Grundrecht aus Art. 2 I GG dogmatisch und inhaltlich sinnhaft. Bezogen auf sonstige Rechtsgüter ist eine Aufteilung in mehrere inhaltliche Dimensionen schließlich nicht passend. Zugegebenermaßen ist die Bestimmung von Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsmündigkeit in Hinblick auf Art. 2 I GG aber kein herkömmlich diskutierter Fall. 168 Siehe dazu die Ausführungen unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 202. 169 Die mutmaßliche Einwilligung ist mithin nur dann als Ausprägung der Selbstbestimmung in konkreter Gestalt zu begreifen, wenn zum Tatzeitpunkt Einwilligungsfähigkeit gegeben und man nur nicht in der Lage ist, rechtzeitig eine eigene reale Entscheidung zu treffen. 170 Siehe zur Existenz eines mutmaßlichen Willens bei Einwilligungsunfähigkeit auch Glöckner, S. 95; Knauf, S. 69 ff.

III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit

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mationswirkung verhelfen könnte. Angesichts dessen, dass beide Dimensionen von Selbstbestimmung Inhalt des betreffenden Rechtsguts sein können, muss die vorgenannte Aussage auch in beiden Fällen gleichermaßen gelten. Der mutmaßliche Wille richtet sich in seinem Charakter naturgemäß nach dessen Grundlage. Man muss ihn folglich bei Betroffenheit der Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Dimension – so im Falle von Einwilligungsunfähigkeit –, ebenfalls primär als inhaltlich abstrakt charakterisieren. Es handelt sich dabei also abstrakt um das Ergebnis einer möglichen Entscheidung für eine fragliche Situation. Dieser inhaltlich abstrakte mutmaßliche Wille ist jedoch einer Anwendung auf eine bestimmte denkbare Situation zugänglich. Die entsprechende Ermittlung folgt sodann den allgemeinen Regeln. Sie ist ebenso vorzunehmen wie in dem Fall, dass ein prinzipiell Einwilligungsfähiger aktuell keine Entscheidung treffen kann. Schließlich macht es für den Ermittlungsvorgang keinen Unterschied, ob man über maßgebliche individuelle Präferenzen nur keine sichere Auskunft hat oder ob eine Präferenzbildung gerade zum betreffenden Zeitpunkt oder sogar bereits von vornherein ausgeschlossen ist.171 Soweit wie möglich ist folglich auch bei Einwilligungsunfähigkeit auf individualbezogene Umstände abzustellen, was insbesondere im Falle später auftretender Einwilligungsunfähigkeit von Relevanz sein wird. Freilich wird gerade in Fällen anfänglicher Einwilligungsunfähigkeit entscheidend auf objektive Kriterien zurückgegriffen werden müssen. Dass objektive Kriterien aber als Repräsentant eines mutmaßlichen Willens dienen können, wurde bereits betont.172 Im Ergebnis ist also festzustellen, dass unter Rückgriff auf die inhaltlich abstrakte Dimension von Selbstbestimmung und den entsprechenden mutmaßlichen Willen die mutmaßliche Einwilligung widerspruchsfrei und überzeugend zur Lösung der Fälle von Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen herangezogen werden kann.173 171 Eine ähnliche, aber inhaltlich nicht deckungsgleiche Argumentation liefert auch Schmitz, S. 89. Dieser stellt darauf ab, dass es hinsichtlich des im Tatzeitpunkt zu bestimmenden Willens keinen Unterschied macht, ob man keinen Willen bilden konnte oder ob man sich als Betroffener trotz prinzipieller Einwilligungsfähigkeit konkret keine Gedanken gemacht hat. Schmitz wendet dies allerdings nicht auf die Fälle der anfänglichen endgültigen Einwilligungsunfähigkeit an; vgl. dazu bereits den Nachweis in Fn. 157 Abschn. F. 172 Siehe dazu bereits die Ausführungen unter D. II. 2. b) bb) (3), S. 203; vgl. auch nochmals Knauf, S. 70 f. speziell für den Kontext der Einwilligungsunfähigkeit. 173 Die Aussagen zu Grundlage und Inhalt des mutmaßlichen Willens gelten nicht allein im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung als Rechtfertigungsgrund. Sie vermögen ihre Geltung ebenfalls bei willensbasierten Delikten zu entfalten. Die bei derartigen Delikten kennzeichnende tatbestandliche Abhängigkeit vom Rechtsgut Selbstbestimmung in Gestalt einer dieses einschließenden Synthese ist prinzipiell nicht davon abhängig, ob der konkrete Inhalt der Selbstbestimmung aktiviert ist oder lediglich die vorgelagerte inhaltlich abstrakte Dimension berührt wird. Dies gilt freilich nicht, wenn der selbstbestimmungsbezogene Bestandteil des willensbasierten Delikts speziell eine aktuelle Ausübung der Selbstbestimmung verlangt, wie es etwa bei § 177 f. StGB der Fall ist. Ein Rekurs auf die Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Dimension wird im

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F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

3. Konsequenzen einer derartigen Interpretation Die soeben dargestellte Interpretation der mutmaßlichen Einwilligung bringt unter Umständen Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit jenes Rechtfertigungsgrundes mit der Einwilligung mit sich.174 Herkömmlicherweise wird die mutmaßliche Einwilligung, wie bereits dargelegt, in einem die Vergleichbarkeit implizierenden Sinne als Einwilligungssurrogat bezeichnet.175 Dies wird konkret damit begründet, dass die Einwilligung und die mutmaßliche Einwilligung bis auf das Merkmal der Erklärung der Zustimmung dieselben Voraussetzungen aufwiesen.176 Demnach müsste die für die Einwilligung erforderliche Einwilligungsfähigkeit177 prinzipiell auch im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung verlangt werden.178 Einwilligungsfähigkeit ist aber in Fällen der mutmaßlichen Einwilligung gerade nicht stets gegeben, nach hier vertretener Ansicht nicht einmal zwingend zu einem früheren Zeitpunkt als dem der Tat179. Man muss folglich auf das Merkmal der Einwilligungsfähigkeit als grundsätzliche Voraussetzung der mutmaßlichen Einwilligung verzichten. Dies könnte im Ergebnis die Charakterisierung als der Einwilligung vergleichbares Instrument verhindern. Um eine derartige Konsequenz anzunehmen, müsste die Vergleichbarkeit jedoch entweder rein formal entscheidend damit zusammenhängen, dass bei der mutmaßlichen Einwilligung alle Voraussetzungen der Einwilligung jenseits deren realer Äußerung und damit eine weitestgehend strukturelle Parallelität gegeben sind. Oder aber die Einwilligungsfähigkeit müsste gerade das konstituierende Merkmal ausRahmen der willensbasierten Delikte vielfach auch gar nicht erforderlich sein. Soweit nämlich ein natürlicher Wille für eine tatbestandlich wirksame Zustimmung ausreicht, ist selbst bei Einwilligungsunfähigkeit schon eine hinreichende reale Betätigung der Selbstbestimmung zu erkennen, sodass man gar nicht zu deren gegebenenfalls entgegengesetzt geformten inhaltlich abstrakten Gestalt kommt. Vgl. zu der umgekehrten Konstellation, sprich dem Verhältnis von entgegenstehendem natürlichen Willen und befürwortender Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Form nur den Spezialfall des § 239 StGB im Kontext der Verhinderung eines unfreien Suizids unter G. III., S. 339 mit Fn. 59 Abschn. G. 174 Dieser Aspekt wurde in Fn. 533 Abschn. D. bereits angesprochen, wobei dessen genaue inhaltliche Erörterung noch offen gelassen wurde. 175 Vgl. dazu insbesondere die Aussage unter D. II. 2. b) bb) (1), S. 195 mit Nachweisen in Fn. 469 Abschn. D. 176 Vgl. hierzu etwa Lenckner/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 32 Rn. 54; Paeffgen, in: NK-StGB, Vor § 32 Rn. 160, auf die auch bereits in Fn. 533 Abschn. D. – inklusive eines Verweises auf die nun zur erörternde Problematik in Bezug auf die Einwilligungsunfähigkeit – hingewiesen wurde. 177 Vgl. hierzu die Ausführungen im Zusammenhang mit Fn. 550 Abschn. D. 178 Vgl. zu jenem Aspekt im vorliegend thematisierten Zusammenhang auch Boll, S. 109; Trück, S. 117. 179 Es lässt sich damit auch nicht hilfsweise stets auf die Einwilligungsfähigkeit zu einem anderen Zeitpunkt als dem der Tat abstellen, um die Parallelität in den Voraussetzungen zumindest modifiziert zu bejahen. Vgl. zu einer entsprechenden Vorgehensweise aber Trück, S. 118, 120.

III. Anwendbarkeit der Einwilligungsregeln bei Einwilligungsunfähigkeit

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machen, welches die Möglichkeit einer Einordnung als vergleichbar begründet und auf das daher nicht verzichtet werden darf. Beide Ansätze können jedoch nicht überzeugen. Die Vergleichbarkeit beruht nicht auf rein formalen Kriterien, sondern auf einem materiellen Fundament. Wie bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt, liegt jener materiell entscheidende gemeinsame Grundgedanke in der weitestmöglichen Gewährleistung von Selbstbestimmung.180 Auch bei fehlender Einwilligungsfähigkeit dient die mutmaßliche Einwilligung mit dem Rekurs auf die Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Dimension jenem Ziel. Die mutmaßliche Einwilligung vermag also auch unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse als mit der Einwilligung vergleichbares, nur graduell nachrangiges Schutzinstrument für die Selbstbestimmung181 angesehen zu werden. Die Feststellung, dass auch bei Einwilligungsunfähigkeit die Betroffenheit des Rechtsguts Selbstbestimmung und damit die Durchschlagskraft der mutmaßlichen Einwilligung anzunehmen ist, führt im Übrigen ferner dazu, dass auch konkret auf eine Anwendbarkeit bei Einwilligungsunfähigkeit bezogene Bedenken gegen eine Allgemeingültigkeit der Einwilligungsregeln als Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision umfassend ausgeräumt werden. Die betreffenden Ausführungen182 sind folglich insoweit gedanklich zu vervollständigen. Zum Abschluss soll noch kurz auf mögliche Wechselwirkungen der entwickelten Herangehensweise bei Einwilligungsunfähigkeit mit der zivilrechtlichen Beurteilung der betreffenden Sachlage eingegangen werden. Hierbei ist maßgeblich darauf hinzuweisen, dass das Zivilrecht und das Strafrecht verschiedene Zwecke verfolgen, weswegen auch im Kontext der Rechtfertigung unterschiedliche Vorgehensweisen möglich sind.183 Unter Berücksichtigung dessen lassen sich die hier vertretene Ablehnung einer strafrechtlichen Rechtfertigungswirkung der stellvertretenden Einwilligung und stattdessen das Abstellen auf die mutmaßliche Einwilligung nicht mit einem Verweis auf eine zivilrechtliche Bedeutung der Vertretereinwilligung entkräften. Ferner kann man auch die in § 1901a BGB geregelte Patientenverfügung zivilrechtlich durchaus als eigene, vorab geäußerte Willenserklärung des Patienten mit Wirkung für den Tatzeitpunkt anerkennen,184 ihr dagegen im strafrechtlichen Sinne in Einklang mit der hier vertretenen Auffassung aber lediglich eine Bedeutung für die Bestimmung des mutmaßlichen

180

Vgl. dazu die Ausführungen unter D. II. 3. a). Siehe hierzu speziell auch die Aussagen unter D. II. 3. a), S. 218. 182 Unter D. II. 3. b). 183 Vgl. zu einer entsprechenden Argumentation bereits die Ausführungen unter D. III. 1., S. 230. Diese waren sogar auf potentielle materielle Unterschiede in der Handhabung bezogen. Die betreffende Begründung muss daher erst recht für schwerpunktmäßig formelle Unterschiede bezüglich der Vorgehensweise gelten. 184 Vgl. dazu Müller, in: BeckOK-BGB, § 1901a Rn. 19; Schwab, in: MK-BGB, § 1901a Rn. 16. 181

322

F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

Willens zuschreiben.185 Übergreifend bleibt es überdies nicht lediglich bei einer Ablehnung eines entscheidenden Widerspruchs zwischen der zivil- und der strafrechtlichen Vorgehensweise. Gewissen zivilrechtlichen Regeln lassen sich sogar Aussagen entnehmen, die in materieller Hinsicht die vorliegend vertretene Ansicht stützen. Demnach zeugen die Regelungen des § 630d I 4 BGB sowie des § 1901a II BGB davon, dass man auch im Falle von Einwilligungsunfähigkeit die Existenz eines mutmaßlichen Willens nicht leugnen kann.186 Eine Einschränkung auf gewisse Formen von Einwilligungsunfähigkeit ist dabei nicht feststellbar, was in Hinblick auf die zweitgenannte Norm wohl sogar direkt aus § 1901a III BGB entnommen werden kann.187 Im Ergebnis lässt sich also die Lösung der Konstellationen von Einwilligungsunfähigkeit mittels der mutmaßlichen Einwilligung auch im Verhältnis zu den zivilrechtlichen Regelungen als widerspruchsfreies und überzeugendes Konzept ansehen.188

IV. Zusammenfassung zu den Folgeproblemen im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln Die Einwilligungssperre aus § 216 StGB repräsentiert eine partielle Binnenkollision als Grund für den Ausschluss einer umfassenden Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln bei Lebensbetroffenheit. Demnach tritt in entsprechenden Fällen neben das Individualrechtsgut Leben und damit antagonistisch zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug. Eine – nur ausnahms-

185 Für eine auch strafrechtliche Einordnung als antizipierte wirksame eigene Einwilligung aber die wohl h. M.; siehe hierzu den entsprechenden Verweis von Müller, in: BeckOK-BGB, § 1901a Rn. 19 auch auf die strafrechtliche Beurteilung. 186 § 1901a II BGB ist in seinem Anwendungsbereich gerade auf Fälle einer Einwilligungsunfähigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt zugeschnitten. Die Anwendbarkeit des § 630d I 4 BGB auf Konstellationen der Einwilligungsunfähigkeit lässt sich wohl aus dem systematischen Zusammenhang mit § 630d I 2 BGB schließen, indem es zumindest möglich erscheint, dass sich die Nichteinholbarkeit der Einwilligung auch auf eine solche des Berechtigten im Falle der Einwilligungsunfähigkeit des Patienten bezieht. 187 Vgl. zu einer angenommenen Bedeutung jener letztgenannten Norm jedenfalls auf die später eintretende endgültige Einwilligungsunfähigkeit auch Schmitz, S. 90 f. 188 Ein Widersprich ergibt sich auch nicht zu den Regelungen des AMG. In §§ 40 IV Nr. 3, 41 III Nr. 2 AMG wird zwar bei Einwilligungsunfähigkeit explizit die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters verlangt. Auch folgt bei Nichteinhaltung der entsprechenden Vorschriften unter Umständen eine Strafbarkeit nach § 96 Nr. 10 AMG. Hierbei handelt es sich jedoch um eine nebenstrafrechtliche Sonderregelung, die gerade die Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften pönalisiert. Richtigerweise wird man den Vorschriften des AMG aber keine Auswirkungen auf die kernstrafrechtliche Beurteilung entnehmen können. Die Frage nach einer Strafbarkeit gemäß §§ 223 ff. StGB und speziell nach einer Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln ist demnach unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 40 IV Nr. 3, 41 III AMG zu beurteilen. A. A. aber Oswald, S. 302.

IV. Zusammenfassung

323

weise bestehende – gesteigerte Schutzpflicht des Staates hat allgemein den Inhalt, in besonders grundrechtssensiblen Bereichen unabhängig von der Disposition eines Einzelnen einen überindividuellen Schutzraum zu schaffen. Im Falle der Lebensbetroffenheit ist konkret ein Klima der Unsicherheit in Hinblick auf den Umgang mit dem eigenen Tod zu verhindern. Hierfür spielt zum einen die Gefahr des Verschwimmens von Grenzen zwischen einverständlichen und ungewollten Tötungen im Falle der Freigabe ersterer eine konstituierende Rolle. Ferner wäre ein eventueller Druck zu befürchten, von den Möglichkeiten einer Lebensbeendigung Gebrauch zu machen, um einer angenommenen Erwartungshaltung zu entsprechen. Da mit jeder einverständlichen Tötung die Gefahr wächst, dass sich eine tötungsaffine Einstellung gesellschaftlich weiter etabliert und mittels der damit verbundenen Verstärkung von Unsicherheit das Schutzniveau untergraben wird, erfüllt das in Rede stehende Rechtsgut auch das Kriterium der Verletzbarkeit durch den Handelnden. Somit kann es auch als straftatbestandlich geschütztes Gut angesehen werden. Konkret ist dieses prinzipiell im Kontext der Tötung auf Verlangen, sprich im Rahmen der tatbestandlichen Reichweite des § 216 StGB, betroffen. Auch die §§ 211, 212 StGB weisen aber neben dem Bereich des Schutzes vor willenswidrigen Verletzungen in der Dimension des Verbots willensgemäßer Tötungen die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug auf. Bei willentlicher Fremdverletzung von Leben ist somit grundsätzlich eine partielle Binnenkollision anzunehmen. Nur in Ausnahmefällen, wenn ein Schutzbedürfnis nicht festzustellen ist, lässt sich das betreffende Gut mangels Bestehens seiner Grundlage nicht als beteiligt ansehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit bietet sich diesbezüglich eine Klassifizierung mittels bestimmter Fallgruppen an. Sollte eine derartige Ausnahmekonstellation vorliegen, ist aufgrund der fehlenden Beteiligung des Drittrechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug in der Regel lediglich eine reine Binnenkollision gegeben. Hierauf sind nach den allgemein entwickelten Maßstäben die Einwilligungsregeln anwendbar. Die aus dem Normtext des § 216 StGB prinzipiell folgende Sperrwirkung lässt sich dabei im Wege der teleologischen Reduktion beseitigen. Denn der dahinter stehende Grund, nämlich die Beteiligung des Gutes der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht, ist materiell gesehen gerade nicht einschlägig. Wenn hingegen eine gewöhnliche Konstellation der Lebensbetroffenheit vorliegt, können die Einwilligungsregeln zwar die Verletzung des Rechtsguts Leben, aber nicht diejenige des Drittrechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug legitimieren. Auch über § 34 StGB kann keine Verletzung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht gerechtfertigt werden. Dies resultiert aus dem spezifischen Charakter der gesteigerten Schutzpflicht, die konstitutiv eine über Individualrechtsgüter bzw. speziell die Selbstbestimmung hinausgehende Bedeutung aufweist. Damit bleibt eine umfassende Rechtfertigung der einverständlichen Tötung gesperrt. Denkbar ist al-

324

F. Folgeprobleme im Zusammenhang mit den Einwilligungsregeln

lein – in anderen Grundkonstellationen – eine Rechtfertigung mittels § 34 StGB zugunsten des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht und gegen die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen. Ebenso wie die Einwilligungssperre aus § 216 StGB lässt sich auch diejenige aus § 228 StGB im Sinne der Repräsentation einer partiellen Binnenkollision unter Beteiligung eines Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht deuten. Betroffen ist hierbei konkret die Schaffung eines Schutzraumes, in dem man vor der prinzipiellen Möglichkeit sittenwidriger Verletzungen und den damit zusammenhängenden Unsicherheiten frei bleiben kann. Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit richtet sich dabei nach der besonderen Schwere bzw. Nichtrevidierbarkeit der möglichen Folgen. Aus systematischen Gründen ist eine Lebensgefahr für die Annahme von Sittenwidrigkeit aber auszuklammern. Angesichts der Verknüpfung der Aktivierung der Schutzpflicht mit dem Merkmal der Sittenwidrigkeit ist die Sperrwirkung bezüglich einer umfassenden Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln im Körperverletzungskontext nur ausnahmsweise anzunehmen. Sodann ist eine Rechtfertigung aber aus denselben Gründen wie hinsichtlich § 216 StGB ausgeschlossen. Die Charakteristika, die eine Einwilligungssperre im zuvor dargestellten Sinne ausmachen, nämlich die Repräsentation einer partiellen Binnenkollision unter Beteiligung eines Drittrechtsguts aus der Kategorie der Güter der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht, lassen sich ferner auch bezüglich bestimmter Sexualdelikte bejahen. Im Konkreten sind dabei die Tatbestände der §§ 174 I Nr. 1, Nr. 3, 174 II Nr. 1, 176–176b sowie 180 I, II StGB in ihrer Dimension der Pönalisierung willensgemäßer Verletzungen zu nennen. Diesbezüglich ist keine unwiderlegliche Vermutung der Einwilligungsunfähigkeit, sondern die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer staatlichen Schutzpflicht als Grundlage einer Strafbarkeit trotz wirksamer Zustimmung anzunehmen. Das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht umfasst dabei dem Inhalt nach die Gewährung eines Raumes der Sicherheit, in dem die kind- bzw. jugendliche Entwicklung als solche bzw. spezifische Grundbeziehungen frei von entscheidender Sexualisierung bleiben. Im Rahmen der Konstellation einer Einwilligung in eine Gefährdung wird – herkömmlicherweise unzutreffend in der Regel auf Fahrlässigkeitstaten beschränkt – diskutiert, ob eine Rechtfertigung mittels der Einwilligung möglich ist, wenn die Gefährdungslage im Endeffekt mit einer Verletzung endet. Dabei herrscht gewöhnlich die Annahme vor, dass sich eine Einwilligung in eine Gefährdung lediglich auf die Handlung, nicht aber auf den Erfolg beziehe. Die wohl h. M. lässt jedoch eine Einwilligung in die Handlung für eine wirksame Rechtfertigung genügen. Richtigerweise muss man in Anbetracht der Selbstbestimmung als Grundlage des in Rede stehenden Rechtfertigungsgrundes aber eine Einwilligung in den Erfolg verlangen. Dennoch kommt man nach vorliegend vertretener Auffassung nicht zur Wirkungslosigkeit einer Einwilligung in eine Gefährdung.

IV. Zusammenfassung

325

Denn eine Gefahr zeichnet sich dadurch aus, dass die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Wer sich demnach unter Kenntnis jenes definitionsbildenden Umstandes in eine derartige Situation begibt, nimmt notwendigerweise auch den möglichen Erfolgseintritt in Kauf. Eine Einwilligung in eine Gefährdung umfasst also stets eine Einwilligung in den Erfolg. Willigt man dagegen bewusst fahrlässig, sprich im Vertrauen auf ein Ausbleiben des Erfolgs und damit mit der Vorstellung ein, dass keine reale Möglichkeit des Erfolgseintritts bestehe, liegt – ebenso wie im Kontext unbewusster Gefahren – schon keine Zustimmung zu einer Gefährdung vor. Die mit der vorgestellten Auffassung verbundene Nivellierung der bezugspunktbetreffenden Unterschiede zwischen Einwilligungen in Verletzungs- und Gefährdungssituationen hat zur Folge, dass die Berechtigung einer eigenständigen Klassifizierung der Einwilligung in eine Gefährdung entfällt. In der Konsequenz richtet sich auch die Einschlägigkeit der Einwilligungssperre aus § 216 StGB nach den allgemeinen Regeln. Es bedarf also entgegen der gängigerweise vorgenommenen Handhabung keiner eigenständigen Diskussion als Spezialproblem, ob § 216 StGB bei Lebensgefährdungen Anwendung finden kann. Als umfassender einheitlicher Lösungsansatz bei Einwilligungsunfähigkeit ist die mutmaßliche Einwilligung heranzuziehen. Hiermit ist eine Absage an den herkömmlich bei Einwilligungsunfähigkeit postulierten Grundsatz der Maßgeblichkeit der Vertretereinwilligung verbunden, der aber ohnehin auch in der Literatur nicht konsequent eingehalten wird. Die Auffassung des Stellvertreters dient nach der hier vertretenen Ansicht lediglich als widerlegliches Indiz für den mutmaßlichen Willen des Betroffenen. Ein Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung erscheint dabei in jedem Fall von Einwilligungsunfähigkeit möglich. In jedem Menschen ist nämlich – vergleichbar mit der grundrechtlichen Kategorie der Grundrechtsfähigkeit – unabhängig von dessen Konstitution abstrakt die Möglichkeit angelegt, freie Entscheidungen über eigene Güter zu treffen. Dies lässt sich ebenfalls als Inhalt des Rechtsguts Selbstbestimmung ansehen, dessen Beteiligung die grundsätzliche Voraussetzung für die Annahme eines mutmaßlichen Willens darstellt. Grundlage der Heranziehung der mutmaßlichen Einwilligung ist demnach bei Einwilligungsunfähigkeit ein auf der inhaltlich abstrakten Dimension von Selbstbestimmung beruhender mutmaßlicher Wille. Dessen Ermittlung richtet sich in der Anwendung auf eine bestimmte mögliche Situation nach den allgemeinen Kriterien. Mit der hier vorgenommenen Interpretation der mutmaßlichen Einwilligung ist die Einwilligungsfähigkeit nicht als notwendiges Kriterium des betreffenden Rechtfertigungsgrundes zu statuieren. Aufgrund des dennoch gewahrten gemeinsamen Grundgedankens der weitestgehenden Gewährleistung von Selbstbestimmung vermag dies aber die Einstufung als mit der Einwilligung vergleichbares Instrument nicht zu verhindern. Ferner ergeben sich auch keine Inkonsequenzen im Verhältnis zu der zivilrechtlichen Behandlung von Einwilligungsunfähigkeit. Im Gegenteil stützen zivilrechtliche Normen die vorliegend vertretene Auffassung sogar partiell in materieller Hinsicht.

G. Erörterung der Sonderfälle Im bisherigen Verlauf dieser Arbeit wurden die Grundlagen geschaffen, um die Frage nach der Rechtfertigung bei reiner und partieller Binnenkollision dogmatisch zufriedenstellend zu lösen. Unter Berücksichtigung dogmatischer Kriterien wurde ferner auch eine allgemeine Vorgehensweise hinsichtlich der einwilligungsbezogenen Problemkonstellationen vorgestellt. Vorliegend soll nun als letzter eigenständiger Diskussionspunkt eine Anwendung der allgemeinen Lösungswege auf bestimmte Sonderfälle untersucht werden. Konkret werden hierbei Konstellationen herausgegriffen, die den einwilligungsbezogenen Problemfällen zuzuordnen sind und aus diesem Grunde in der herkömmlichen Behandlung häufig ein Ausweichen auf den rechtfertigenden Notstand anstelle einer Anwendung der Einwilligungsregeln mit sich bringen.1 Die folgende Untersuchung hat mithin zum Ziel, im Sinne einer Kontrollüberlegung festzustellen, ob die gängige unterschiedliche Vorgehensweise in Anbetracht einer umfassend möglichen Lösung nach den vorliegend entwickelten Maßstäben nicht nur als undogmatisch, sondern auch als praktisch überflüssig abgelehnt werden muss.

I. Lebensgefährliche Rettungsmaßnahmen Lebensgefährliche Rettungsmaßnahmen zählen zu den typischen Beispielen, die herkömmlich im Kontext von Binnenkollisionsfällen vorgestellt werden. Allen voran ist hierunter der sogenannte „Brand-Rettungsfall“ 2 zu subsumieren, auf den in dieser Arbeit bereits mehrfach eingegangen wurde.3 Ferner lassen sich in jenem Zusammenhang auch eine lebensgefährliche Operation4 oder die für das Unfallopfer hochriskante Rettungsfahrt ins Krankenhaus anführen. In Fällen lebensgefährlicher Rettungsmaßnahmen werden die allgemeinen Problemkreise der Einwilligung in eine Gefährdung5 sowie der Frage nach der Überwindbarkeit der 1 Vgl. zu jener Vorgehensweise bereits grundlegend die Angaben in der Einleitung unter A. 2 In der Ausprägung einer mit dem Wurf verbundenen Lebensgefahr für das Kind. 3 Vgl. zu jener Konstellation bereits die Nachweise in Fn. 2 Abschn. A. 4 Dieses Beispiel führt etwa Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 33 an; vgl. ferner auch Schmitz, S. 32. 5 Die Einschlägigkeit jenes Problemkreises ergibt sich dabei rein formal aus dem Vorliegen einer Gefährdung als Ansatzpunkt der Einwilligung. Praktisch wird man in derartigen Fällen wohl aber sogar nach der gängigen Auffassung meist schon eine Einwilligung in den Erfolg feststellen, sodass insofern nicht das typische Konfliktpotential der Einwilligung in eine Gefährdung konstatiert werden kann.

I. Lebensgefährliche Rettungsmaßnahmen

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Einwilligungssperre aus § 216 StGB relevant. Häufig tritt auch die Thematik der Einwilligungsunfähigkeit hinzu. Hinsichtlich letztgenannter hat sich aber bereits eine Lösungsmöglichkeit mittels der mutmaßlichen Einwilligung als zumindest im Ergebnis unproblematisch gegeben herausgestellt. Bei erstgenannter Problematik wurde festgestellt, dass sich insoweit keine maßgeblichen Unterschiede zu einer Zustimmung zu einer Verletzung und damit auch keine entscheidenden Besonderheiten in der Handhabung ergeben. Daher werden sich die folgenden Erörterungen lediglich auf die Bedeutung des § 216 StGB konzentrieren. Bei Lebensbezug lässt sich, wie gesehen, grundsätzlich die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht mit einer daraus folgenden Sperrwirkung für eine umfassende Rechtfertigung durch die Einwilligungsregeln feststellen. Demnach wäre bei unmodifizierter Übertragung eine umfassende Rechtfertigung im Falle von lebensgefährlichen Rettungsmaßnahmen trotz tatsächlicher oder mutmaßlicher Zustimmung des Betroffenen unmöglich. Bereits im Rahmen der allgemeinen Erörterung des § 216 StGB in seiner binnenkollisionsspezifischen Deutung wurde jedoch darauf hingewiesen, dass es Ausnahmefälle gibt, in denen das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht trotz Lebensbezugs nicht an der Kollision partizipiert. Dies ist dann der Fall, wenn in der betreffenden Konstellation ausnahmsweise ein Klima der Unsicherheit in Bezug auf den Umgang mit dem eigenen Tod nicht geschaffen bzw. vertieft wird und damit bereits die Basis für das in Rede stehende Rechtsgut entfällt. Eine derartige Sachlage lässt sich im Falle lebensgefährlicher Rettungsmaßnahmen konstatieren, wenn die Gefährdung des Lebens des Binnenbetroffenen gleichzeitig die einzige Möglichkeit ist, dessen Leben zu retten. Denn bei der Erlaubnis entsprechender Handlungen ist schon denklogisch keine lebensbezogene Unsicherheit im Zusammenhang mit einer sich ausbreitenden tötungsaffinen Einstellung zu befürchten. Im Gegenteil ist Zweck der Handlung gerade die Vermeidung des Todes, sodass eine Kompatibilität mit dem von § 216 StGB inhaltlich vorausgesetzten Gefahrenpotential nicht sinnhaft zu postulieren wäre.6 Ist das Ziel der lebensgefährlichen Rettungsmaßnahme indes nicht die Bewahrung des Lebens, sondern sonstiger Güter des Betroffenen, lässt sich die soeben aufgeführte Argumentation nicht direkt übertragen. Dennoch erscheint eine Sperrwirkung auch in solchen Fällen nicht stets sinnhaft. Neben der Betroffenheit des Lebens ist ebenfalls im Kontext mit gewissen anderen wichtigen Gütern eine gesteigerte Schutzpflicht des Staates anzunehmen. Konkret handelt es sich dabei, wie bereits herausgestellt, um die körperliche Integrität, wenn deren Verletzung dem Schweregrad nach als sittenwidrig zu klassifizieren ist. Ferner ist die frei von entscheidender Sexualisierung bleibende kind- bzw. jugendliche Ent-

6 Inhaltlich ähnlich auch Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 33; Engländer, GA 2010, 15, 25, die betonen, dass die lebenserhaltende Tendenz derartiger Maßnahmen dem Schutzzweck des § 216 StGB nicht zuwiderliefe, sondern ihn vielmehr fördere.

328

G. Erörterung der Sonderfälle

wicklung zu nennen. Zwar ist die gesteigerte staatliche Schutzpflicht nur bei willensgemäßen Beeinträchtigungen aktiviert, um welche es in den vorliegend relevanten Konstellationen strukturell aber nicht geht.7 Die prinzipielle Existenz einer gesteigerten Schutzpflicht verdeutlicht jedoch die Betroffenheit einer mit dem Leben vergleichbaren besonders grundrechtssensiblen Sphäre. Es mutet daher nicht sinnhaft an, eine stets überwiegende Bedeutung der staatlichen Schutzaufgabe in Hinblick auf das Leben anzunehmen, wenn die Rettung entsprechender sonstiger Güter in Rede steht.8 Man muss vielmehr einen angemessenen Ausgleich zwischen den schutzwürdigen Sphären schaffen. In der Konsequenz führt dies zu folgendem Ergebnis: Wenn ansonsten sicher eintretende Verletzungen in Rede stehen, die im Falle von willensgemäßen Beeinträchtigungen die Betroffenheit einer sonstigen gesteigerten Schutzpflicht des Staates aktivieren würden, das Leben dagegen aber nur gefährdet und nicht sicher preisgegeben wird, sind entsprechende Rettungsmaßnahmen zuzulassen. In Bezug auf die Sexualsphäre kann man dabei sogar über den Maßstab der korrespondierenden staatlichen Schutzpflicht hinausgehen und auch die Verhinderung von Verletzungen erfassen, die die sexualbezogen ungestörte Entwicklung betreffen und gleichzeitig als sexuelle Nötigungen zu qualifizieren sind. Strukturell gesehen ist dabei vom Tatbestand her zwar keine Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht denkbar. Dennoch handelt es sich bei dem betroffenen Rechtsgut um ein solches mit einer herausgehobenen Bedeutung, das in seiner konkreten Schutzwürdigkeit den bisher genannten gleichzustellen ist.9 Zusammenfassend ist mithin in Konstellationen lebensgefährlicher Rettungsmaßnahmen, die der Wahrung des Lebens dienen oder besonders gewichtige Verletzungen der körperlichen Integrität sowie solche der ungestörten sexuellen Entwicklung verhindern, die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug nicht als beteiligtes Rechtsgut anzusehen. Daraus folgt zum einen, dass insoweit keine durch letztgenanntes ausgelöste partielle Binnenkollision festgestellt werden kann. Zum anderen ist damit der Weg für eine teleologische Reduktion des § 216 StGB eröffnet. Die Fälle entsprechender lebensgefährlicher

7 Die Beeinträchtigung der entsprechenden Güter soll durch die lebensgefährliche Rettungsmaßnahme gerade verhindert werden und würde bei Nichtvornahme der Rettung mithin willenswidrig geschehen. 8 Der Ansatzpunkt für die ausnahmsweise fehlende Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht liegt damit nicht im Fehlen einer Unsicherheit, sondern in dem Mangel an einem stets überwiegenden Schutzbedürfnis, das ebenfalls ein Charakteristikum der betroffenen gesteigerten Schutzpflicht als Grundlage darstellt. 9 Angesichts einer vergleichbaren Schutzwürdigkeit wird man im betreffenden Kontext wohl auch die Verhinderung von Vergewaltigungen an Erwachsenen unter die in Rede stehende Fallgruppe subsumieren müssen, selbst wenn dabei nicht der Bereich der von entscheidender Sexualisierung ungestörten kind- bzw. jugendlichen Entwicklung betroffen ist.

II. Anerkannte Sterbehilfekonstellationen

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Rettungsmaßnahmen sind daher im Ergebnis in ihrer Ausprägung als reine Binnenkollisionen mithilfe der Einwilligungsregeln lösbar.10

II. Anerkannte Sterbehilfekonstellationen Eine wichtige und prominente Rolle spielt die Behandlung von Binnenkollisionen auch im Zusammenhang mit dem Themengebiet der Sterbehilfe.11 Dabei wird in Hinblick auf die allgemein einwilligungsbezogenen Problemkreise zum einen häufig eine gegebene Einwilligungsunfähigkeit von Relevanz sein, wenngleich dies nicht für jeden Fall zwingend erscheint. Da bei Einwilligungsunfähigkeit aber, wie bereits im vorherigen Abschnitt verdeutlicht, die mutmaßliche Einwilligung als Bestandteil der Einwilligungsregeln prinzipiell durchzugreifen vermag, konzentriert sich die maßgebliche Diskussion auch hier auf die zum anderen relevante Frage nach der Einschlägigkeit der Sperrwirkung aus § 216 StGB. Im Speziellen werden in diesem Zusammenhang die Fallkonstellationen des Behandlungsabbruchs12 sowie der indirekten Sterbehilfe als mögliche Ausnahmen zu betrachten sein. Hierbei wird untersucht werden, ob bzw. auf welche Weise man die Nichtbeteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug konkret begründen und so den Weg für die umfassende Durchschlagskraft der Einwilligungsregeln ebnen kann. Damit bleibt die betreffende Erörterung auf die Anwendung des in dieser Arbeit entwickelten Verständnisses von § 216 StGB beschränkt. Hinsichtlich sonstiger diskutierter Lösungsmöglichkeiten für die genannten Sterbehilfekonstellationen ist lediglich auf die dazu vielfach vorhandene Literatur zu verweisen.13 Auf die direkte aktive 10 So i. E. auch Engländer, GA 2010, 15, 25. Unklar dagegen Perron, in: Schönke/ Schröder, § 34 Rn. 8a. Dieser unterstellt zwar gefährliche Rettungshandlungen und riskante Operationen allgemein den Einwilligungsregeln. Speziell im sog. „Brand-Rettungsfall“ greift er aber auf § 34 StGB zurück, womit fraglich wird, ob er in den erstgenannten Fällen überhaupt eine Lebensgefahr zugrunde legt. 11 Vgl. zur Kritik an dem Begriff der Sterbehilfe und zu möglichen Alternativen bereits die Nachweise in Fn. 3 Abschn. A. Inhaltlich soll vorliegend im Zusammenhang mit Sterbehilfe lediglich der Problemkreis der Strafbarkeit fremden täterschaftlichen Vorgehens erörtert werden; die Behandlung der Beihilfe zum Suizid wird insoweit ausgespart werden. 12 Früher wurde in jenem Zusammenhang der Terminus der „passiven Sterbehilfe“ vorherrschend verwendet. Seit der BGH in seinem Urteil vom 25.06.2010 (BGHSt 55, 191 ff.) aber die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassung in Hinblick auf die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen aufgegeben hat – vgl. dazu speziell BGHSt 55, 191, 201 ff. – empfiehlt es sich, den auch vom BGH verwendeten Begriff des Behandlungsabbruchs zu favorisieren. 13 In Hinblick auf den Behandlungsabbruch existieren trotz der Entscheidung des BGH zugunsten einer Lösung über die Einwilligungsregeln selbst im neueren Schrifttum abweichende Lösungsvorschläge; vgl. etwa Engländer, JZ 2011, 513, 518; Kubiciel, AL 2011, 361, 367 f.; Walter, ZIS 2011, 76, 80 ff. Ob der Entscheidung des BGH zum Behandlungsabbruch ebenfalls eine Aussage bezüglich der Handhabung der indirekten Sterbehilfe zu entnehmen ist, wird indes bereits im Grundsatz nicht einheitlich beur-

330

G. Erörterung der Sonderfälle

Sterbehilfe, sprich die gezielte Tötung eines Menschen zur Leidensbeendigung,14 soll vorliegend dagegen überhaupt nicht näher eingegangen werden. Diese Form der Sterbehilfe ist in Einklang mit der herrschenden Ansicht ohne weitere Diskussion als unzulässig anzusehen.15 Insoweit hat zur Erklärung die Anmerkung zu genügen, dass entsprechende Verhaltensweisen den Paradefall des Anwendungsbereichs von § 216 StGB markieren,16 indem sie gerade diejenigen Gefahren hervorrufen, deren Verhinderung Gegenstand der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug ist.17 1. Der Behandlungsabbruch Der Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung ist eine Maßnahme, die von vielen Menschen am Ende ihres Lebens gewünscht wird. Dementsprechend herrscht eine Akzeptanz in der Gesellschaft gegenüber entsprechenden Vorgehensweisen vor, was auch in Einklang mit der prinzipiell anerkannten rechtlichen Zulässigkeit derselbigen steht.18 Die betreffende Haltung der Gesellschaft stellt jedoch keine Form der unerwünschten unsicherheitsbegründenden tötungsaffinen Einstellung dar, deren Verhinderung Inhalt des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug ist. Im Gegenteil liegt in der Option, rechtlich wirksam den Abbruch einer Behandlung zu verlangen, eine Möglichkeit, selbstbestimmt den eigenen Tod zu gestalten und auf diese Weise ein akzeptables Maß an Sicherheit zu schaffen. Würde man derartige Verhaltensteilt. Vgl. zu dieser Thematik etwa die Aussagen von Engländer, JZ 2011, 513, 519; Magnus, NStZ 2013, 1, 3; Wolfslast/Weinrich, StV 2011, 286, 287 f. Ein genereller Überblick über mögliche Lösungsvarianten der indirekten Sterbehilfe findet sich z. B. bei Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 104 ff. 14 Vgl. zu dieser Form der Sterbehilfe etwa Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 100. 15 Ein Hinweis auf die entsprechende h. M. findet sich bei Rissing-van Saan, ZIS 2011, 544, 544. Auch der BGH hat sich für eine Unzulässigkeit jener Sterbehilfeform ausgesprochen; vgl. BGHSt 55, 191, 204 f. sowie zu einer derartigen Interpretation der BGH-Rechtsprechung Magnus, NStZ 2013, 1, 3. Teils existiert aber auch die Auffassung, dass trotz der Annahme eines grundsätzlichen Verbots direkter aktiver Sterbehilfe in seltenen Ausnahmefällen eine Rechtfertigung über § 34 StGB zuzulassen sei; so z. B. Neumann, in: NK-StGB, Vor § 211 Rn. 139; Otto, NJW 2006, 2217, 2222. Für eine grundsätzliche Zulassung der direkten aktiven Sterbehilfe dagegen ausdrücklich Hoerster, NJW 1986, 1786, 1790. 16 Vgl. dazu, dass man § 216 StGB gerade das Verbot derartiger gezielter Mitleidstötungen entnehmen kann, Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 100. 17 Auch Rissing-van Saan, ZIS 2011, 544, 544 weist in jenem Kontext auf das Bestehen von für § 216 StGB typische Gefahren hin. 18 Zivilrechtlich ist die Möglichkeit des Behandlungsverzichts am Lebensende in §§ 1901a, 1904 BGB verankert. Vgl. zu möglichen Konstruktionen der Straflosigkeit bei Vornahme des Behandlungsabbruchs neben der bereits angesprochenen Einwilligungslösung des BGH die weiteren Nachweise in Fn. 13 Abschn. G. Siehe zur Beurteilung der Zulässigkeit eines Behandlungsabbruchs nach den Vorschriften der EMRK das Urteil des EGMR vom 05.06.2015, veröffentlicht in NJW 2015, 2715 ff.

II. Anerkannte Sterbehilfekonstellationen

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weisen dagegen ablehnen, würde ein Klima der Unsicherheit dahingehend entstehen, dass der Patient nicht vorhersehen kann, unter welchen Bedingungen sein Lebensende verlaufen wird. Unabhängig davon, ob er zu jenem Zeitpunkt noch bei Bewusstsein sein wird oder nicht, wäre vielfach eine Angst vor dem Tod zu konstatieren, die sich invers zum eigentlichen Gehalt der Schutzpflicht präsentieren würde. Das Telos des § 216 StGB, nämlich die Verhinderung eines Klimas der Unsicherheit in Hinblick auf den eigenen Tod, erscheint damit bei der Zulassung des Behandlungsabbruchs nicht einschlägig. Hinzu kommt, dass im Falle der Verweigerung des Behandlungsabbruchs entgegen dem Willen des Patienten eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung denkbar wäre.19 Die Schutzpflicht des Staates kann aber richtigerweise nur soweit reichen, wie sie die Beteiligten nicht zu strafbaren Handlungen zwingt. Schließlich darf der Staat seine Aufgaben nicht auf Kosten einzelner, insoweit ebenfalls schutzwürdiger Individuen erfüllen. Mangels Annahme einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht und damit auch der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer solchen Pflicht in Fällen des Behandlungsabbruchs lässt sich also keine partielle Binnenkollision feststellen. In der Folge ist sodann angesichts einer zugrunde liegenden reinen Binnenkollision20 der Weg für eine umfassende Durchschlagskraft der Einwilligungsregeln unter Vornahme einer teleologischen Reduktion des § 216 StGB eröffnet. Die Grenzen, innerhalb derer die gesteigerte Schutzpflicht des Staates als nicht aktiviert angesehen werden kann, sind mit der vorangegangenen Argumentation allerdings noch nicht konkret festgelegt worden. Ein potentieller Mangel an konkreter Eingrenzung stellt aber wiederum einen eigenständigen Unsicherheitsfaktor dar, den es zu vermeiden gilt, wenn man widerspruchsfrei von einer ausnahmsweise fehlenden Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug ausgehen will. Demnach ist es erforderlich, die Fallgruppe des Behandlungsabbruchs in ihrem zulässigen Umfang als Grundlage der Nichtannahme einer gesteigerten Schutzpflicht des Staates genau zu konturieren. Hierfür bietet es sich an, die Voraussetzungen näher zu beleuchten, die der BGH als Kriterien für die Annahme eines gerechtfertigten Behandlungsabbruchs aufgestellt hat. Zunächst ist diesbezüglich ein lebensbedrohlicher Verlauf zu verlangen,21 worunter man einen Prozess verstehen kann, der ohne Behandlung zum 19 Vgl. dazu Engländer, JZ 2011, 513, 518. Siehe zu den Folgen eines Nichtabbruchs im Vergleich zu der Sachlage bei Nichtvornahme der direkten aktiven Sterbehilfe Kubiciel, AL 2011, 361, 368. 20 Gegen die Beteiligung eines Drittinteresses und mithin für eine Kollision allein zwischen Rechtsgüter desselben Betroffenen in derartigen Konstellationen auch Trück, S. 126. 21 So BGHSt 55, 191, 204. Irreversibilität wird dagegen wohl nicht verlangt. Auch ein Eintritt in die unmittelbare Sterbephase erscheint nicht erforderlich. Siehe zu beiden betreffenden Aussagen Magnus, NStZ 2013, 1, 3.

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G. Erörterung der Sonderfälle

Tod führen würde.22 Ferner muss durch den Behandlungsabbruch dem Grundleiden sein Lauf gelassen werden, es darf keine davon abgekoppelte Tötung stattfinden.23 Mit den genannten Kriterien wird klar und objektiv vorhersehbar die anerkannte Maßnahme eines Behandlungsabbruchs konkretisiert. Damit werden mögliche Unsicherheiten, insbesondere in Hinblick auf ein Verschwimmen der Grenzen zur unerwünschten und verbotenen direkten aktiven Sterbehilfe, verhindert. Dagegen erscheint das weiter vorgebrachte Kriterium, dass die betreffenden Maßnahmen zur Erhaltung oder Verlängerung des Lebens geeignet sein müssten,24 im vorliegend relevanten Kontext nicht weiterführend. Die gesteigerte Schutzpflicht des Staates wird nämlich nicht nur dann abzulehnen sein, wenn eine lebensverlängernde Weiterbehandlungsmöglichkeit besteht. Sie ist ebenfalls nicht zu konstatieren, wenn der Tod ohnehin nicht aufzuhalten ist. In derartigen Fällen würde sich allein die Frage stellen, ob man auch ohne den Willen des Patienten abbrechen darf.25 Dies bezieht sich jedoch nicht entscheidend auf eine gegebenenfalls fehlende Annahme der gesteigerten Schutzpflicht des Staates, sondern knüpft schon vorgelagert an das Erfordernis einer willentlichen Verletzung als prinzipielle Voraussetzung für den in Rede stehenden Rückgriff auf die Einwilligungsregeln an. Mit einer vergleichbaren Argumentation betrifft auch das vom BGH für die Zulässigkeit des begriffsmäßig erfüllten Behandlungsabbruchs statuierte Erfordernis einer Einwilligung oder mutmaßlichen Einwilligung26 schwerpunktmäßig nicht den Umfang der fehlenden Aktivierung der gesteigerten Schutzpflicht des Staates.27 Zuletzt verbleibt die Frage, wie das Kriterium der Beschränkung auf Ärzte, Betreuer, Bevollmächtigte sowie von diesen hinzugezo-

22 Vgl. dazu den Beschluss des BGH vom 10.11.2010, veröffentlicht in NJW 2011, 161 ff.; hierbei konkret S. 162. 23 BGHSt 55, 191, 204 f. 24 BGHSt 55, 191, 204. 25 Diesbezüglich findet sich die Auffassung, dass man bei fehlender medizinischer Indikation zur Weiterbehandlung auch ohne den festgestellten Willen die Maßnahmen abbrechen dürfe; vgl. Rosenau, in: FS Rissing-van Saan, S. 547, 552. Dagegen erscheint es vorzugswürdig, die Selbstbestimmung bis zum absoluten Ende des Lebens als entscheidenden Faktor zu betrachten und demnach auf eine Willensübereinstimmung nicht zu verzichten. Vgl. dazu, dass schließlich auch die Möglichkeit besteht, dass der Patient ein bestimmtes Ereignis noch erleben möchte, Kutzer, in: FS Rissing-van Saan, S. 337, 349. 26 Vgl. dazu bereits den ersten Leitsatz in BGHSt 55, 191, 191. 27 Freilich ist eine Willensübereinstimmung aber konstruktiv Voraussetzung dafür, dass sich die Frage nach einer ausnahmsweisen Nichtbeteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht überhaupt ergebnisrelevant stellt. Denn bei fehlendem diesbezüglichen Willen wäre die Beteiligung des betreffenden Gutes, das notwendigerweise auf der Seite des Lebens und als Gegenpol zur Selbstbestimmung streiten muss, schon strukturell ausgeschlossen. In einem Fall des willenswidrigen Behandlungsabbruchs wäre sodann aber in der Regel nicht einmal eine Kollisionssituation und damit überhaupt keine potentiell durchschlagende Rechtfertigungsmöglichkeit zu konstatieren.

II. Anerkannte Sterbehilfekonstellationen

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gene Hilfspersonen28 zu beurteilen ist. Es handelt sich hierbei zwar um eine objektiv fassbare Konkretisierung. Inhaltlich erscheint diese jedoch nicht geeignet, den Bereich der Nichteinschlägigkeit der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug näher zu bestimmen. Denn es vermag nicht deutlich zu werden, inwieweit damit überzeugend eine Abschichtung von Erlaubtem und nicht Erlaubtem erfolgt. Signifikante Änderungen in der Beurteilung der Ausgangslage sind nämlich nicht zu befürchten, wenn über den genannten Personenkreis hinausgehend agiert wird. Im Ergebnis sind demnach von den angesprochenen Aspekten zur in Rede stehenden Konkretisierung allein die Kriterien geeignet, dass es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand handeln muss, dem durch den Abbruch der Behandlung sein natürlicher Lauf gelassen wird. Fraglich ist, ob darüber hinaus noch weitere Erfordernisse zur näheren Konturierung der fehlenden Annahme einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht als Voraussetzung für die Nichtbeteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer solchen Pflicht im aktuellen Zusammenhang aufgestellt werden müssen. Hierbei kommt konkret die Einhaltung der Voraussetzungen der §§ 1901a ff. BGB29 in Betracht. Inwieweit dies vom BGH zwingend für eine Straflosigkeit des Behandlungsabbruchs gefordert wird, wird in der Literatur unterschiedlich aufgefasst.30 Vorliegend soll es diesbezüglich nicht um die allgemeine Frage gehen, ob die Durchschlagskraft der Einwilligungsregeln als solche prinzipiell von weiteren, willensfremden Kriterien abhängig gemacht werden kann.31 Vielmehr steht allein im Mittelpunkt, ob es für die nähere Eingrenzung der fehlenden Aktivierung der gesteigerten Schutzpflicht des Staates sinnvoll erscheint, eine Einhaltung der betreffenden Normen zu verlangen. Diesbezüglich ist anzuführen, dass die genannten Vorschriften sicherstellen sollen, dass Patientenverfügungen nicht als Vorwand verwendet werden, um aus unlauteren Motiven eine Lebensverkürzung zu erreichen. Weiter sollen sie gewährleisten, dass es keinen Druck hin28

Dieses lässt sich BGHSt 55, 191, 205 f. entnehmen. Der BGH spricht in BGHSt 55, 191, 200, 205 von den Regelungen der §§ 1901a ff. BGB. In seinem in NJW 2011, 161 ff. veröffentlichten Beschluss bezieht er sich hingegen speziell auf die Einhaltung der §§ 1901a, 1901b BGB. Aber gerade auch § 1904 BGB enthält Voraussetzungen, die man in jenem Zusammenhang als erforderlich ansehen könnte. Vgl. dazu, dass § 1904 BGB zu den erheblichen Vorschriften im genannten Kontext gehört, auch Eidam, GA 2011, 232, 236; Ihrig, DNotZ 2011, 583, 587. In der zivilrechtlichen Rechtsprechung zum Behandlungsabbruch wird § 1904 BGB auch explizit neben §§ 1901a, 1901b BGB als maßgebliche Vorschrift behandelt; vgl. BGH, Beschluss vom 17.9.2014, NJW 2014, 3572 ff. 30 Eine Interpretation der BGH-Rechtsprechung – speziell des in NJW 2011, 161 ff. veröffentlichten Beschlusses – im Sinne eines Erfordernisses der Einhaltung der betreffenden Vorschriften liefern etwa Jäger, JA 2011, 309, 311 f.; Verell, NStZ 2011, 276, 277; anders dagegen z. B. Coeppicus, NJW 2013, 2939, 2941; Rissing-van Saan, ZIS 2011, 544, 548. 31 Dagegen beispielsweise Verell, NStZ 2011, 276, 277; Rissing-van Saan, ZIS 2011, 544, 548; Rosenau, in: FS Rissing-van Saan, S. 547, 563. 29

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G. Erörterung der Sonderfälle

sichtlich der Anordnung des Abbruchs gibt.32 Wenn die auf jenen Erwägungen beruhenden Voraussetzungen eingehalten werden, wird mithin eine Grundsituation gefördert, in der man hinsichtlich Lebensbeeinträchtigungen weitestgehend sorglos eingestellt sein kann. Die Einhaltung der in Rede stehenden Voraussetzungen konturiert folglich den Bereich der fehlenden Einschlägigkeit der gesteigerten Schutzpflicht des Staates in positiver Hinsicht und ist aus diesem Grunde zu verlangen. Entscheidend ist also im Ergebnis ein Zusammenspiel aus den deskriptiven Kriterien der Gewährung eines ungestörten natürlichen Verlaufs eines lebensbedrohlichen Zustands und der zwingenden Einhaltung der Voraussetzungen aus §§ 1901a ff. BGB. Dieses schafft für die Konstellation des Behandlungsabbruchs den hinreichend deutlichen Rahmen, innerhalb dessen vorhersehbar und eindeutig von einer fehlenden Aktivierung der gesteigerten Schutzpflicht des Staates und damit von einer fehlenden Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer solchen Pflicht ausgegangen werden kann. 2. Die indirekte Sterbehilfe Unter indirekter Sterbehilfe versteht man die Verabreichung von schmerzstillenden Medikamenten, die als Nebenfolge eine lebensverkürzende Wirkung aufweisen können.33 Diese Form der Behandlung Schwerstkranker ist, ebenso wie der Behandlungsabbruch, in der Gesellschaft bei Wahrung des Willens des Patienten allgemein als zulässig und wünschenswert anerkannt. In jenem anwendungsbezogenen Kontext lässt sich mithin kein Element der Unsicherheit in der Bevölkerung feststellen oder eine Ausbreitung desselbigen befürchten. Im Gegenteil wird gerade durch die Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe das Vertrauen gestärkt, dass man am Lebensende nicht gezwungen ist, unerträgliche Leiden zu erdulden. Die Einschlägigkeit der gesteigerten Schutzpflicht des Staates und damit auch die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer entsprechenden Pflicht lässt sich folglich in den Konstellationen der indirekten Sterbehilfe nicht konstatieren. In der Konsequenz liegt somit keine partielle, sondern eine reine Binnenkollision34 vor. Unter Vornahme einer teleologischen Re32 Vgl. zu beiden genannten Aspekten BGH NJW 2011, 161, 162, wenngleich die entsprechenden Ausführungen, wie bereits in Fn. 29 Abschn. G. angemerkt, im Konkreten auf §§ 1901a, 1901b BGB beschränkt sind. Richtigerweise entfalten die betreffenden Aussagen aber auch in Hinblick auf § 1904 BGB eine inhaltliche Berechtigung. 33 Vgl. dazu Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 100. 34 Rieger, S. 77, speziell mit Fn. 393, schließt dagegen im Falle der indirekten Sterbehilfe das Vorliegen einer reinen Binnenkollision aufgrund der Beteiligung eines Drittinteresses aus. Er kommt aber dennoch zu einer Rechtfertigungsmöglichkeit, allerdings im Ausgangspunkt mittels des rechtfertigenden Notstands. Die betreffenden Ausführungen legen dabei nahe, dass er jene Herangehensweise auch für weitere lebensbezogene Sonderfälle vertritt.

II. Anerkannte Sterbehilfekonstellationen

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duktion des § 216 StGB ist hierbei eine umfassende Rechtfertigung mittels der Einwilligungsregeln möglich. Ein Klima frei von Unsicherheit in Bezug auf den eigenen Tod als Grundlage der Nichteinschlägigkeit der gesteigerten Schutzpflicht des Staates ist in Hinblick auf die indirekte Sterbehilfe aber ebenso wie im Kontext des Behandlungsabbruchs nur anzunehmen, wenn deren Konturen und Grenzen klar definiert sind.35 Die den Behandlungsabbruch definitionsgemäß umschreibenden Aspekte lassen sich jedoch nicht als relevante Markierungspunkte übertragen. Denn bei der indirekten Sterbehilfe wird gerade nicht dem Sterben sein natürlicher Lauf gelassen. Die schmerzstillende Medikation setzt vielmehr eine eigenständige neue Kausalkette in Gang, die potentiell einen vorzeitigen Tod hervorruft.36 Zur Schaffung einer unsicherheitsverhindernden Klarheit kommt es in Bezug auf die indirekte Sterbehilfe daher hauptsächlich auf die Klärung von Spezialfragen bezüglich der Reichweite des betreffenden Verhaltens37 an.38 Zunächst ist die Einschränkung zu nennen, dass die Straflosigkeit indirekter Sterbehilfe auf das Handeln eines Arztes oder dasjenige durch ärztliche Ermächtigung beschränkt sein sollte.39 Schließlich handelt es sich um eine medizinische Maßnahme, die nur von fachlich qualifizierten Personen vorgenommen werden darf.40 Angesichts der Gefahr von naheliegenden Fehlern in der Anwendung wären anderenfalls Unsicherheiten in der letzten Phase des Lebens und damit unmittelbar in Bezug auf den Tod zu befürchten. Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass die Medikation ferner medizinisch indiziert sein und lege artis vorgenommen werden muss.41 Ärztlich geboten ist dabei nur die Behandlung, die das Risiko der Lebensverkürzung so gering wie möglich hält.42 Das Vorliegen von körperlichen Schmerzen dagegen ist trotz der gängig als Schmerz-

35 Ähnlich auch Dölling, JR 1998, 160, 162, der dies zur Eindämmung von Missbrauchsgefahren und zur Gewährung von Rechtssicherheit als erforderlich ansieht. 36 Vgl. zu der vorgestellten Argumentation in Hinblick auf die Unterschiede zwischen dem Behandlungsabbruch und der indirekten Sterbehilfe Engländer, JZ 2011, 513, 519; Uhlig/Joerden, AL 2011, 369, 372. 37 Die folgenden in Rede gestellten Kriterien werden unabhängig von der Frage nach dem konstruktiv richtigen Lösungsansatz relevant. Vgl. in diesem Sinne etwa die Darstellung von Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 104, der die entsprechenden Punkte vor der Frage nach dem sachgerechten Lösungsansatz erörtert. 38 Entsprechend den Ausführungen im Zusammenhang mit Fn. 27 Abschn. G. wird die Wahrung des Willens insoweit nicht gesondert als Voraussetzung zu thematisieren sein. 39 Jene Einschränkung findet sich auch bei Schöch/Verell, GA 2005, 553, 578. 40 Vgl. hierzu Schöch/Verell, GA 2005, 553, 558. 41 Diese Kriterien sind etwa Schöch/Verell, GA 2005, 553, 577 f. zu entnehmen; vgl. auch Hillenkamp, in: Handbuch Sterben und Menschenwürde I, S. 349, 364. 42 Dölling, JR 1998, 160, 162.

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G. Erörterung der Sonderfälle

freiheit bzw. Schmerzlinderung beschriebenen Zielsetzung der indirekten Sterbehilfe43 kein weiteres angemessenes Begrenzungskriterium im aktuell maßgeblichen Zusammenhang. Richtigerweise wird die indirekte Sterbehilfe nicht nur bei derartigen Schmerzen, sondern auch bei schweren, nicht anders zu behebenden Leidenszuständen anderer Art erlaubt sein müssen.44 Denn auch in letztgenannten Fällen besteht in der Bevölkerung das Bedürfnis, seinem Willen entsprechend einen möglichst leidensfreien letzten Lebensabschnitt zu erleben und dem Tod nicht mit Unsicherheit und Schrecken entgegenblicken zu müssen. Eine weitere potentielle Möglichkeit der Eingrenzung liegt darin, die Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe auf den reinen Sterbevorgang zu beschränken.45 Allerdings erscheint es schutzpflichtbezogen nicht vertretbar, einem unter unerträglichen Schmerzen leidenden todkranken Patienten schmerzlindernde Medikamente solange vorzuenthalten und seine Qualen zu verlängern, bis „endlich“ der Sterbeprozess eingesetzt hat.46 Es muss sich demnach lediglich um einen Zustand handeln, in dessen tödlichen Verlauf ärztliches Handeln nicht mehr entscheidend eingreifen kann.47 Wichtig ist ferner die Beantwortung der Frage, welche Vorsatzform der Handelnde in Bezug auf den Todeseintritt haben darf, um die Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe – und damit die fehlende Einschlägigkeit der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht – zutreffend zu beschreiben. Zum Teil wird die indirekte Sterbehilfe nur bei dolus eventualis bezüglich des früheren Todeseintritts als zulässig erachtet,48 nicht hingegen, wenn der Betreffende mit sicherem Wissen hinsichtlich jener Nebenfolge, also mit dolus directus zweiten Grades, handelt. Die dafür angeführten Gründe liegen in der Nähe des Handelns mit dolus directus zweiten Grades zu dem mit dolus directus ersten Grades, mithin zur absichtlichen Tötung. Dies führe bei einer Einbeziehung des sicheren Wissens in das Spektrum des Erlaubten zu Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen indirekter und direkter aktiver Sterbehilfe.49 Hinzu komme, dass die Verursachung des Todes im einschlägigen Zusammenhang eher als sozialethisch akzeptabel anzusehen sei, wenn sie nicht bewusst geschehe, sondern nur in Kauf ge-

43

Vgl. in diesem Sinne etwa BGHSt 42, 301, 305. So auch beispielsweise Roxin, GA 2013, 313, 315; Schöch/Verell, GA 2005, 553, 575; vgl. dazu ferner Hillenkamp, in: Handbuch Sterben und Menschenwürde I, S. 349, 364 f. 45 Hierfür Dölling, JR 1998, 160, 162. 46 Siehe zu jener Argumentation Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 104. 47 Roxin, GA 2013, 313, 314; Baumann u. a., AE-Sterbehilfe, S. 23. Vgl. kritisch dazu jedoch Hillenkamp, in: Handbuch Sterben und Menschenwürde I, S. 349, 365. Die dort vorgeschlagene Erweiterung der Zulässigkeit einer lebensgefährlichen Medikation auf nicht lebensbedrohliche Zustände soll vorliegend zwar inhaltlich nicht per se abgelehnt, jedoch dem Problemkreis der unter G. I. diskutierten lebensgefährlichen Rettungsmaßnahmen zugeordnet und nach den dafür entwickelten Kriterien gelöst werden. 48 Vgl. etwa Dölling, JR 1998, 160, 162; Duttge, GA 2006, 573, 578 f. 49 So Dölling, JR 1998, 160, 162. 44

II. Anerkannte Sterbehilfekonstellationen

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nommen werde.50 Demgegenüber ist aber zu bedenken, dass der Aspekt, der die Notwendigkeit und Akzeptanz des Handelns ausmacht und damit auch die fehlende Aktivierung der gesteigerten Schutzpflicht des Staates mit legitimiert, die angestrebte Schmerzlinderung ist. Diese steht aber bei beiden betreffenden Vorsatzformen gleichermaßen im Fokus. Daher ist der Bereich zulässiger indirekter Sterbehilfe auch erfüllt, wenn der Handelnde die Lebensverkürzung sicher voraussieht, sprich mit dolus directus zweiten Grades vorgeht.51 Die gesteigerte Schutzpflicht des Staates ist somit zusammenfassend für den Kontext der indirekten Sterbehilfe dann nicht als betroffen anzusehen, wenn durch medizinisch geschultes Personal eine medizinisch indizierte und lege artis vorgenommene Therapie zur Beseitigung von Leidenszuständen bei einem Patienten durchgeführt wird, dessen tödlicher Krankheitsverlauf nicht mehr entscheidend durch ärztliches Handeln aufgehalten werden kann und mit der Medikation gegebenenfalls der Tod des Patienten beschleunigt wird, was dem Handelnden auch im Sinne von dolus directus zweiten Grades bewusst sein darf. Über jene Kriterien hinaus lässt sich auch den Regelungen der §§ 1901a ff. BGB eine schutzpflichtbezogen konkretisierende Wirkung entnehmen. Bereits im Kontext des Behandlungsabbruchs wurde ausgeführt, dass die Einhaltung der genannten Normen durch die damit verbundene Förderung des Sicherheitsgefühls die fehlende Einschlägigkeit der gesteigerten Schutzpflicht des Staates mit bestimmt und aus diesem Grunde zu verlangen ist. Für eine Übertragung der betreffenden Grundsätze ist freilich erforderlich, dass sich die in Rede stehenden Normen inhaltlich auch auf Konstellationen der indirekten Sterbehilfe beziehen. Dies lässt sich aber nicht plausibel verneinen. So sind unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 1901a BGB Schmerzlinderungsmaßnahmen im Rahmen der indirekten Sterbehilfe durchaus als zulässige Inhalte einer Patientenverfügung zu erachten.52 In der Folge erfahren damit auch §§ 1901b sowie 1904 BGB einen entsprechenden Anwendungsbereich. Zusammenfassend ist mithin sowohl ein Handeln innerhalb der die Reichweite der zulässigen indirekten Sterbehilfe beschreibenden Kriterien als auch die Einhaltung der Voraussetzungen der §§ 1901a ff. BGB erforderlich, um zweifelsfrei und damit ohne Unsicherheiten behaftet im Kontext der indirekten Sterbehilfe den Bereich einzugrenzen, in dem die effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug nicht als beteiligtes Rechtsgut anzusehen ist.

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So Schöch, NStZ 1997, 409, 411. So etwa Neumann, in: NK-StGB, Vor § 211 Rn. 99; Schneider, in: MK-StGB, Vor § 211 Rn. 104; Schroth, GA 2006, 549, 566; Hillenkamp, in: Handbuch Sterben und Menschenwürde I, S. 349, 365. 52 Dies lässt sich beispielsweise auch den Ausführungen von Jürgens, in: Jürgens, Betreuungsrecht, § 1901a BGB Rn. 8 entnehmen. 51

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G. Erörterung der Sonderfälle

III. Verhinderung eines Suizids Im Vergleich zu den zuvor thematisierten Sonderfällen ergibt sich in Hinblick auf die Verhinderung eines Suizids ein gesondertes Legitimationsbedürfnis. So stehen nicht Verletzungen oder Gefährdungen des Lebens als rechtfertigungsbedürftige Handlungen in Rede. Vielmehr werden sonstige Rechtsgüter – teils verankert im Rahmen der Tatbestände der §§ 239, 240 oder 223 ff. StGB –53 verletzt, um Beeinträchtigungen des Lebens zu verhindern. Es geht folglich nicht um die Frage, ob die Sperrwirkung aus § 216 StGB einer umfassenden Rechtfertigungswirkung durch die Einwilligungsregeln entgegensteht. Zu untersuchen ist vielmehr, ob bzw. auf welche Art eine Verletzung nicht lebensbezogener Güter entgegen dem Willen des Betroffenen legitimiert werden kann. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf der Frage liegen, ob sich in den betreffenden Fällen die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug und in der Konsequenz eine partielle Binnenkollision feststellen lässt. Denn nach den entwickelten allgemeinen Grundsätzen erscheint eine Rechtfertigung zulasten der Selbstbestimmung prinzipiell nur in Fällen der partiellen Binnenkollision denkbar. Konkret kommt im aktuell einschlägigen Kontext eine Rechtfertigung mittels § 34 StGB in Frage.54 Bei dem in Rede stehenden Hinzutreten des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht zu einer ansonsten reinen Binnenkollision zwischen Leben und Selbstbestimmung – sowie neben letztgenannter gegebenenfalls noch weiterer Güter des Binnenbetroffenen – ergäbe sich sogar die Besonderheit, dass aufgrund der inhaltlich vorgegebenen Höherrangigkeit der gesteigerten Schutzpflicht des Staates das entsprechende Rechtsgut stets überwiegen würde. Sollte die gesteigerte Schutzpflicht des Staates vorliegend aber nicht als einschlägig angesehen werden, würde lediglich eine reine Binnenkollision verbleiben. Eingriffe, die sich objektiv und subjektiv nicht in Einklang mit der Selbstbestimmung befinden, wären damit von einer Rechtfertigung ausgeschlossen. In Hinblick auf die Frage nach der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht muss, wie stets im Kontext der Behandlung der Selbsttötungsthematik, zwischen freien und unfreien Suiziden unterschieden werden.55 Ein unfreier Suizid zeichnet sich dadurch aus, dass in Bezug auf den deutlich gemachten Todeswunsch von einem Defekt des Betroffenen auszugehen ist. Dessen wahrer Wille und damit auch der entscheidende Ausdruck des Rechtsguts Selbstbestimmung – angesichts des angesprochenen Defekts des Betroffenen handelt es sich hierbei um die Ausprägung des Rechtsguts Selbstbe53

Vgl. dazu Kühl, AT, § 8 Rn. 161; Bottke, S. 86. Vgl. allgemein zu den Rechtfertigungsmöglichkeiten über § 34 StGB bei partieller Binnenkollision die Ausführungen unter E. I. 2. b) sowie E. II. 2. b). 55 Vgl. zu jener Unterscheidung ausführlich Hillenkamp, in: Handbuch Sterben und Menschenwürde II, S.1033, 1036 ff. 54

III. Verhinderung eines Suizids

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stimmung in inhaltlich abstrakter Dimension – ist gerade nicht auf die Verletzung des Lebens gerichtet.56 Selbstbestimmung und Leben streiten mithin abweichend von der im vorherigen Absatz dargestellten Ausgangsprämisse auf derselben Seite. Weiter könnte man erwägen, ob daneben auch das Rechtsgut der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug beteiligt ist. Zwar ist dem Grundsatz nach bei Lebensbetroffenheit von der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht auszugehen. Dieses zeichnet sich aber dadurch aus, dass es einen erforderlichen Gegenpol zur Selbstbestimmung markiert. Es ist also gerade und nur dann einschlägig, wenn trotz einer Wahrung der Selbstbestimmung bei in Rede stehender Verletzung des Lebens überindividuell eine Verhinderung derartiger Taten geboten ist. Der unfreie Suizid betrifft jedoch aufgrund fehlender Selbstbestimmungswahrung im Falle der Tötung jene genannte Dimension nicht. Mangels konzeptioneller Möglichkeit der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht scheidet daher das Vorliegen einer partiellen Binnenkollision insoweit aus.57 Dies bedeutet aber nicht, dass eine Verhinderung eines unfreien Suizids nicht gerechtfertigt sein könnte. Im Gegenteil kann und muss die Verletzung des Lebens sogar in Einklang mit der Selbstbestimmung verhindert werden. Hierfür ist aufgrund des einwilligungsbezogenen Defektes des unfrei Handelnden als Rechtfertigungsgrund nur die mutmaßliche Einwilligung58 denkbar. Deren Anwendungsbereich ist prinzipiell eröffnet, wenn die Verhinderung ein abstraktes Gut des Binnenbetroffenen in Mitleidenschaft zieht und damit eine reine Binnenkollision vorliegt. Dies ist etwa der Fall, wenn es sich bei dem entgegengesetzten Gut des Binnenbetroffenen um die körperliche Unversehrtheit handelt. Die tatbestandliche Körperverletzung ist sodann über die mutmaßliche Einwilligung gerechtfertigt. Auch bei einer Freiheitsberaubung streitet ein abstraktes Gut, nämlich die räumliche Fortbewegungsmöglichkeit, gegen die Selbstbestimmung und das Leben. Hinsichtlich § 239 StGB ist aber dennoch konstruktiv nicht zu einer Rechtfertigung durch die mutmaßliche Einwilligung zu kommen. Denn es handelt sich hierbei um ein willensbasiertes Delikt, das die Selbstbestimmung schon in den Tatbestand einbezieht. Richtigerweise wird man für einen tatbestandlich relevanten Selbstbestimmungsausdruck insoweit aber nicht jeden natürlichen Willen ausreichen lassen. Vielmehr muss, um dem Bedeutungsgehalt der Abhängigkeit der räumlichen Fortbewegungsmöglichkeit vom Willen gerecht zu werden, ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit gefordert werden. In Fällen des 56

In diesem Sinne auch Schmitz, S. 27. Und damit auch die Möglichkeit einer Rechtfertigung der Verhinderung über § 34 StGB. Für eine solche Herangehensweise aber Toepel, in: NK-StGB, § 240 Rn. 180; siehe ferner auch die implizite Aussage bei Engländer, GA 2010, 15, 17 hinsichtlich einer entsprechenden Handhabung der überwiegenden Ansicht bei nicht freiverantwortlichen Suiziden. 58 Für eine Anwendung der mutmaßlichen Einwilligung in derartigen Fällen auch Schmitz, S. 27, 185. 57

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G. Erörterung der Sonderfälle

unfreien Suizids erscheint dagegen gerade die entscheidende Fähigkeit, die Konsequenzen des Handelns zutreffend zu erfassen und in einen Einklang mit dem Willen zu bringen, nicht in erforderlichem Maße gegeben zu sein. Dem könnte zwar entgegengehalten werden, dass die betreffenden Folgen eher dem Bedeutungskreis des Rechtsguts Leben zuzuordnen sind. Da die Entscheidung über die Fortbewegung aber konkret untrennbar mit derjenigen über das Leben verbunden ist, erscheint es bei lebensnaher Betrachtung unmöglich, insoweit hinsichtlich der Qualität der Willensentscheidung zu differenzieren. Der Betreffende ist daher so zu behandeln, als ob er gar keine wirksame Selbstbestimmung in Hinblick auf die räumliche Fortbewegungsmöglichkeit an den Tag gelegt hätte. Man muss folglich auf die Selbstbestimmung in abstrakter Gestalt abstellen. Dies führt sodann dazu, in Form eines mutmaßlichen Einverständnisses bereits die Erfüllung des entsprechenden Tatbestandes abzulehnen.59 Besonderer Betrachtung bedarf schließlich im einschlägigen Kontext die Norm des § 240 StGB. Diese schützt die Freiwilligkeit als Voraussetzung der Selbstbestimmung.60 Freiwilligkeit soll insoweit als Abwesenheit von äußerem Zwang hinsichtlich der Umsetzung des Willens verstanden werden. Jener Aspekt kann auch bei einem natürlichen entgegenstehenden Willen negativ betroffen sein, auch wenn die Entscheidung im Ganzen mangels sachgerechten Überblickens der Folgen nicht die Qualität einer wirksamen konkreten Ausprägung der Selbstbestimmung aufweisen kann.61 Die betreffende Trennung in eine spezifische Voraussetzung und den Inhalt der selbstbestimmten Entscheidung ermöglicht es, den Tatbestand des § 240 StGB als erfüllt anzusehen, auf Rechtfertigungsebene aber auf die Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Dimension abzustellen und damit eine Rechtfertigung der Nötigung zu begründen.

59 Die vorliegende Erörterung soll in ihrem Bedeutungsgehalt aber auf den betreffenden Spezialfall beschränkt blieben. Von einer generellen Aussage zu dem Verhältnis von entgegenstehendem natürlichen Willen und mutmaßlichem Einverständnis bei willensbasierten Delikten ist hier abzusehen. 60 Vgl. dazu bereits die Ausführungen unter B. III. 3. b) aa), S. 42. 61 Das Rechtsgut Selbstbestimmung streitet im vorliegenden Kontext also in Einklang mit den vorherigen allgemeinen Aussagen im Text auf der Seite des Lebens. Die Freiwilligkeit als solche wird man wohl aber nicht als eigenständigen Gegenpart annehmen und damit das Vorliegen einer reinen Binnenkollision begründen können. Denn Freiwilligkeit stellt lediglich eine Voraussetzung der Selbstbestimmung ohne eigenständigen Aussage- und Wirkungsgehalt dar. Dem widerspricht auch nicht der tatbestandliche Schutz durch § 240 StGB. Die Freiwilligkeit wird insoweit nämlich nicht um ihrer selbst willen, sondern nur als allgemeine, aber unselbstständige Voraussetzung der Selbstbestimmung in konkreter Form geschützt und erfüllt mithin nicht die Kriterien für die Annahme eines eigenständigen Rechtsguts. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Ausprägung des Rechtsguts Selbstbestimmung in bestimmter Gestalt, sondern allein um einen Teil desselbigen. Ein Rückgriff auf die Grundsätze zur Annahme einer Kollision bei Betroffenheit desselben Rechtsguts in verschiedenen Ausprägungen vermag daher ebenfalls nicht zur Begründung einer reinen Binnenkollision herangezogen zu werden.

III. Verhinderung eines Suizids

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Bezogen auf die Verhinderung eines freien Suizids liegt im Gegensatz zu dem zuvor thematisierten unfreien Suizid eine antagonistische Positionierung des Rechtsguts Leben gegenüber der Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen vor. Die strukturelle Ausgangsprämisse für ein Hinzutreten des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug ist damit erfüllt. Es bleibt allerdings inhaltlich zu diskutieren, ob ein Ausnahmefall von der grundsätzlichen Beteiligung dieses Rechtsguts bei Lebensbetroffenheit gegeben ist. Betrachtet man allein die suizidale Handlung als solche unter Ausblendung von Drittfaktoren, fällt es schwer, eine gesteigerte Schutzpflicht des Staates als Grundlage für die Beteiligung des betreffenden Gutes anzunehmen. Die gesteigerte Schutzpflicht des Staates dient schließlich nicht dem Schutz eines Individuums, sondern soll einen überindividuell wirkenden Raum der Sicherheit gewährleisten. Die einzige überindividuell begründbare Gefahr in Hinblick auf die freie Selbsttötungshandlung als solche wäre, dass es zu einem Nachahmungseffekt kommen könnte.62 Dabei erscheint jedoch der Unsicherheitsfaktor äußerst gering. Denn wenn allein völlig freie, unbeeinflusste Entscheidungen als Vorbild fungieren, ist die Gefahr, dass es in der Folge zu Unabwägbarkeiten oder Furcht in der Bevölkerung in Hinblick auf den eigenen Tod kommt, nicht signifikant.63 Ferner sind auch die gegenläufigen Entwicklungen zu beachten, die mit der potentiellen Annahme einer gesteigerten Schutzpflicht des Staates zusammenhingen. Angesichts deren Charakters, umfassenden Schutz zu gewährleisten, müsste die Verletzung der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht stets strafbewehrt sein. Hierin liegt schließlich prinzipiell die rechtlich stärkste Möglichkeit, Schutz zu gewährleisten. Bei Annahme einer Strafbarkeit des Suizids an sich würde aber eine Unsicherheit in gesteigertem Maße geschaffen. Die Gefahr, bei einem Scheitern einer Strafe ausgesetzt zu sein,64 würde die Suizidenten dazu treiben, gefährlichere Situationen, insbesondere solche ohne Rettungsmöglichkeit, einzugehen, um den Eintritt des Todes sicherzustellen. Auf diese Weise würde ein besonderer Druck auf potentiellen Suizidenten lasten, der sogar unter Umständen in die Situation eines unfreien Suizids umschlagen könnte. Dies alles spricht im Endeffekt dafür, bei einer isolierten Betrachtung des freien Suizids an sich keine gesteigerte Schutzpflicht und damit auch keine Beteiligung des

62 Bottke, S. 52, 126 wirft einen solchen Nachahmungseffekt auf. Er stellt dafür aber vor allem auf eine Wahrnehmung durch andere ab; vgl. Bottke, S. 52. Es handelt sich aus diesem Grunde schon prinzipiell um eine potentielle Begründung mit nur eingeschränktem Umfang. Siehe zu dem von Bottke vorgestellten Nachahmungseffekt kritisch ebenfalls Schmitz, S. 43 f. 63 Schmitz, S. 44 merkt im einschlägigen Kontext an, dass die reine Nachahmung als solche unproblematisch sei, wenn der Suizid nicht aus anderen Gründen verhindert werden müsse. 64 Der Versuch müsste konsequenterweise auch strafbar sein, um die stärkste Schutzwirkung umfassend zu gewährleisten.

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G. Erörterung der Sonderfälle

Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer solchen Pflicht anzunehmen.65 Dies steht auch in Einklang mit der nach der geltenden Gesetzeslage bestehenden Straflosigkeit des Suizids. Betrachtet man hingegen die Beteiligung an einem freien Suizid, erscheint die Nichtannahme der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug als beteiligtes Rechtsgut weniger plausibel. Die die Einschlägigkeit des betreffenden Rechtsguts begründende Gefahr einer Unsicherheit im Umgang mit dem eigenen Tod rührt in Hinblick auf Fremdtötungen aus potentiell verschwimmenden Grenzen sowie möglichem Druck mit Einfluss auf die eigene Entscheidung her. Diesbezüglich kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob der todbringende Akt durch einen Dritten vollzogen wird oder ob man ihn unter Beteiligung eines Dritten selbst vornimmt. Die Gefahr, dass sich eine unsicherheitsbegründende tötungsaffine Einstellung ausbreitet, ist in beiden Fällen die gleiche.66 Der maßgebende Einfluss des Dritten ist dabei richtigerweise nicht auf eine Teilnahme im strafrechtlichen Sinne zu beschränken. Jegliche explizite oder auch nur implizite Einflussnahme, sei es auch durch bloße Schaffung von Anlässen oder Gelegenheiten, aktiviert die gesteigerte Schutzpflicht des Staates im Sinne des soeben vorgestellten Schutzbedürfnisses.67 Praktisch gesehen mutet die vorgestellte Differenzierung bzw. speziell die rein isolierte Betrachtung des Suizids unter Ausblendung sämtlicher Dritteinflüsse indes nicht lebensnah an. Ein Suizid wird in der Realität nie ohne einen irgendwie gearteten Einfluss von außen geschehen.68 Im Falle von freien Suiziden ist also grundsätzlich eine Drittbeteiligung im hier vorgestellten Sinne und infolgedessen die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutz65 Auch Brunhöber, JuS 2011, 401, 402 geht zwar grundsätzlich von der Existenz eines zweiten Rechtsguts bei Lebensbetroffenheit aus, wenngleich sie dies nicht in der effektiven Erfüllung der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug erblickt. Vgl. zur entsprechenden Auffassung Brunhöbers bereits Fn. 5 und 10 Abschn. F. Im Falle des Suizids sei dieses zweite Rechtsgut jedoch nicht verletzt, so Brunhöber, JuS 2011, 401, 403. Vgl. aber zu Unterschieden der Auffassung Brunhöbers zu der hier vertretenen Herangehensweise in Hinblick auf die Beteiligung an einem Suizid sogleich Fn. 67 Abschn. G. 66 Vgl. diesbezüglich auch Schliemann, ZRP 2013, 51, 53, der – allerdings speziell bezogen auf die geschäftsmäßige Verschaffung der Gelegenheit zur Beihilfe zum Suizid – davon spricht, dass dies zum Abbau einer Hemmschwelle und zu einer Verstärkung des Erwartungsdrucks auf Alte oder Kranke führen könne. Feldmann, GA 2012, 498, 510 führt dagegen zutreffend aus, dass jene Gefahren bei sämtlichen Formen von Suizidbeihilfe bestehen. 67 Gegen die Beteiligung eines Drittrechtsguts im Falle der Teilnahme an einem Suizid aber Brunhöber, JuS 2011, 401, 403; vgl. zur zugrunde liegenden Ansicht von Brunhöber bereits Fn. 65 Abschn. G. 68 Der theoretische Fall, dass keinerlei Dritteinfluss festzustellen wäre, soll hier nicht näher behandelt werden. Insoweit hat es bei einem kurzen Verweis auf die Heranziehungsmöglichkeit von Irrtumsregeln zur Begründung der Straflosigkeit einer Hinderung zu verbleiben.

III. Verhinderung eines Suizids

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pflicht bei Lebensbezug anzunehmen. Ausnahmen, in denen die gesteigerte Schutzpflicht des Staates nicht als einschlägig anzusehen ist, sind – selbst bei schwerster Krankheit des Betroffenen – nicht zu konstatieren. Insoweit entspricht die Sachlage derjenigen, nach der die direkte aktive Sterbehilfe ausnahmslos nicht zuzulassen ist.69 Folglich steht der Weg für eine stets durchschlagende Rechtfertigung der Hinderung eines freien Suizids zur Wahrung70 des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug über § 34 StGB offen.71 Zusammenfassend ist mithin festzustellen, dass die Verhinderung 69 In der Konsequenz müsste daher der Gesetzgeber zumindest die Beteiligung an einem Suizid im engeren, strafrechtlichen Sinne strafbar stellen, um dem Charakter des beteiligten Rechtsguts angemessen Rechnung zu tragen. Eine unterhalb der Kriterien der strafrechtlichen Beteiligung liegende Einflussnahme erscheint dagegen zu vage, um sie eigens zu verbieten. Insoweit steht das Bestimmtheitsgebot einer Strafbarkeit entgegen. Man wird sich folglich diesbezüglich mit der Verhinderungsmöglichkeit entsprechender Suizide begnügen müssen. Vgl. zu der Forderung nach Bestrafung der Suizidbeihilfe auch Feldmann, S. 354 f. Jedenfalls die Strafbarkeit einer gewerbs- bzw. geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe wurde auch in jüngster Zeit als einzuführende Neuerung immer wieder in der Politik diskutiert, siehe dazu etwa Feldmann, GA 2012, 498, 502 ff.; Schliemann, ZRP 2013, 51, 52; vgl. auch Brose, ZRP 2014, 235 ff. Am 06.11. 2015 entschied sich der Bundestag schließlich in einer Abstimmung für die Annahme des Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (BT-Drucks. 18/5373); vgl. dazu https://www.bundestag.de/dokumente/ textarchiv/2015/kw45_de_sterbebegleitung/392450, zuletzt abgerufen am 24.11.2015. Dieser Entwurf enthält den Vorschlag zur Einführung des neuen § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid unter Strafe stellen soll. Die Erwägungen, die hinter diesem Verbot stehen, decken sich teils mit dem hier Vertretenen. So wird für die Einführung jener Norm etwa die Besorgnis genannt, dass sich die Gesellschaft an derartige Handlungen gewöhne, dass insoweit also eine „Normalisierung“ eintrete; siehe BTDrucks. 18/5373, S. 2, 11. Insbesondere wird auch auf die dabei relevante Gefahr der Ausübung von Druck auf alte bzw. kranke Menschen hingewiesen; siehe BT-Drucks. 18/5373, S. 2, 8. Es sei also ein Zustand der Unsicherheit und Angst in Hinblick auf das eigene Lebensende zu konstatieren, der zu verhindern sei, vgl. BT-Drucks. 18/5373, S. 8. Anders als vorliegend vertreten, beziehen sich die genannten Erwägungen als Grundlage für ein Verbot aber gerade auf die geschäftsmäßige Förderung der Suizidbeihilfe. Ein vollständiges Verbot der Beihilfe zum Suizid ist dagegen nicht gewollt; vgl. BT-Drucks. 18/5373, S. 3, 14. Auch scheint der neu einzuführende § 217 StGB nach den niedergelegten Angaben nur den Schutz von Individualrechtsgütern zu bezwecken; vgl. BT-Drucks. 18/5373, S. 2 f., 10. 70 Die Gewährleistung der Effektivität der Erfüllung der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht würde durch jede willentliche Tötung, sei es durch einen Dritten oder bei einem Suizid mit Dritteinfluss, gestört. Umgekehrt wird sie somit bei einer Verhinderung entsprechender Handlungen gewahrt. Ganz allgemein wird sich das Sicherheitsgefühl sogar verstärken, wenn derartige Rettungshandlungen konkret vorgenommen und rechtlich befürwortet werden. 71 Für eine Rechtfertigungsmöglichkeit der Verhinderung eines freien Suizids über § 34 StGB, freilich ohne Rekurs auf die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug, auch beispielsweise Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 240 Rn. 32; Erb, in: MK-StGB, § 34 Rn. 35. Teils wird auch eine differenzierte Herangehensweise vorgebracht. Demnach sei eine Rechtfertigung mittels § 34 StGB nur denkbar, wenn damit ein Zeitgewinn erreicht werde und es Hoffnung gäbe, dass erfolgreich auf den Suizidenten eingewirkt werde. Ginge es hingegen

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G. Erörterung der Sonderfälle

eines Suizids sowohl hinsichtlich unfreier als auch freier Suizide einer Rechtfertigung zugänglich ist.

IV. Zusammenfassung zur Erörterung der Sonderfälle Lebensgefährliche Rettungsmaßnahmen zugunsten des Lebens, zur Verhinderung besonders gewichtiger Verletzungen der körperlichen Integrität sowie zur Wahrung einer frei von entscheidender Sexualisierung bleibenden Entwicklung markieren klassifizierte Konstellationen, in denen mangels Einschlägigkeit der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug auch keine Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer solchen staatlichen Schutzpflicht festzustellen ist. Im Falle beabsichtigter Lebensrettungen ist eine Gefahr der Etablierung einer unsicherheitsbegründenden tötungsaffinen Einstellung nicht gegeben; eine Rettungshandlung zugunsten der anderen genannten Güter aktiviert kein stets überwiegendes Schutzbedürfnis hinsichtlich der lebensbezogenen Sphäre. Auch in Bezug auf die anerkannten Sterbehilfeformen des Behandlungsabbruchs sowie der indirekten Sterbehilfe ist eine fehlende Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug zu konstatieren. Bei deren Vornahme und entsprechender Akzeptanz besteht ebenfalls keine Gefahr eines Raumes der Unsicherheit, den es zu verhindern gälte. Zur Eliminierung jeglicher Unsicherheiten ist jedoch im Rahmen der genannten Sterbehilfekonstellationen die Einhaltung bestimmter klar konturierter Kriterien erforderlich, um die Nichteinschlägigkeit der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht plausibel postulieren zu können. In Hinblick auf den Behandlungsabbruch muss es sich demnach um einen lebensbedrohlichen Zustand handeln, dem durch den Abbruch der Behandlung sein natürlicher Lauf gelassen wird. Die indirekte Sterbehilfe erfordert eine medizinisch indizierte, durch medizinisch geschultes Fachpersonal lege artis vorgenommene Behandlung zur Beseitigung von nur um die Erlösung von schwerem Leiden, sei eine Lösung durch den rechtfertigenden Notstand ausgeschlossen. Siehe dazu Perron, in: Schönke/Schröder, § 34 Rn. 33; Radtke/Schwer, JuS 2003, 580, 584. Vgl. sehr ausführlich zur Möglichkeit der Freitodverhinderung über § 34 StGB auch Bottke, S. 90 ff. sowie Bottke, GA 1982, 346, 356 ff. Dagegen findet sich auch die Auffassung, freiverantwortlich getroffene Entscheidungen zur Durchführung eines Suizids dürften nicht verhindert werden; vgl. etwa Kühl, AT, § 8 Rn. 161. Gegen eine Rechtfertigungsmöglichkeit sprechen sich auch Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 35; Engländer, GA 2010, 15, 26 zumindest hinsichtlich des sog. Bilanzsuizids aus. Im Falle eines Appellsuizids kommen letztgenannte a. a. O. dagegen trotz angenommener Freiverantwortlichkeit zu einer Rechtfertigung mittels der mutmaßlichen Einwilligung. Richtigerweise wird man bei einem Appellsuizid allerdings gar nicht von einem freien Suizid ausgehen können; so auch Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Vor § 211 Rn. 36; Schmitz, S. 27. Die betreffenden Konstellationen werden daher in der Tat durch die mutmaßliche Einwilligung zu rechtfertigen sein. Dies ergibt sich jedoch schon aus den hinsichtlich des unfreien Suizids vorgestellten Grundsätzen und betrifft nicht den vorliegend thematisierten Bereich des freien Suizids.

IV. Zusammenfassung

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Leidenszuständen bei einem Patienten, dessen tödlicher Krankheitsverlauf nicht mehr entscheidend durch ärztliches Handeln aufgehalten werden kann. Als Konsequenz einer solchen Medikation ist ein früherer Todeseintritt als bloße Nebenfolge selbst bei diesbezüglich sicherem Wissen des Handelnden zulässig. Sowohl den Behandlungsabbruch als auch die indirekte Sterbehilfe betreffend wird der Bereich Sicherheit gewährleistenden Verhaltens und damit die Nichteinschlägigkeit der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht ferner durch die kumulativ notwendige Einhaltung der Vorschriften aus §§ 1901a ff. BGB bestimmt. In allen bislang genannten Konstellationen, in denen eine fehlende Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug anzunehmen ist, liegt in der Folge eine reine Binnenkollision vor. Damit ist der Weg zu einer Rechtfertigung der entsprechenden willensgemäßen Lebensbeeinträchtigungen mittels der Einwilligungsregeln – freilich mit der Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion des § 216 StGB – eröffnet. Im Falle der Verhinderung eines Suizids geht es dagegen zum Teil um die Rechtfertigung eines Verhaltens gegen den Willen des Betroffenen. Die hierfür erforderliche Grundsituation einer partiellen Binnenkollision ergibt sich in Hinblick auf freie Suizide aus der Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug. Der Suizid als solcher aktiviert zwar nicht die Betroffenheit des entsprechenden Rechtsguts. Bei jeglichem Dritteinfluss – der in der Praxis stets anzunehmen ist – sind jedoch die mit der willentlichen Preisgabe von Leben verbundenen generellen Gefahren und damit die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug festzustellen. In der Folge ist die Verhinderung eines freien Suizids zum Zwecke der Wahrung jenes Rechtsguts über § 34 StGB stets zu rechtfertigen. Unfreie Suizide stehen dagegen bereits im Widerspruch zum wahren Willen des Betroffenen. Angesichts der Parallelität der Rechtsgüter Leben und Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Dimension ist die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug damit konzeptionell ausgeschlossen. Verhinderungen derartiger Selbsttötungen sind aber unter Rekurs auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen zu legitimieren.

H. Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließendes Fazit Unter dem Begriff „Binnenkollision von Rechtsgütern“ ist eine Konstellation zu verstehen, in der mindestens zwei Rechtsgüter desselben Trägers derart in Widerstreit stehen, dass die auf einer Seite beteiligten Güter nur unter Beeinträchtigung der gegenläufig positionierten unversehrt weiter bestehen können. „Rechtsgut“ ist dabei jede einer Person, dem Staat oder der Allgemeinheit zuordenbare konkretisierte oder konkretisierbare Größe, die im Sinne eines kleinsten abgrenzbaren Teils als potentielles, abstrakt zu bestimmendes Schutzobjekt des Rechts zu identifizieren ist. Auch die Selbstbestimmung als die freie Entscheidung darüber, inwieweit die eigene vorhandende Gütersphäre ausgestaltet werden soll, stellt ein eigenständiges Rechtsgut dar. Steht in Bezug auf die Güter des Binnenbetroffenen auf einer Seite der Kollision allein das Rechtsgut Selbstbestimmung, ist von einer Binnenkollision im weiteren Sinne zu sprechen. Dagegen liegt eine Binnenkollision im engeren Sinne vor, wenn auf der Seite der Selbstbestimmung mindestens ein weiteres Rechtsgut des Binnenbetroffenen streitet. Sofern die Kollision allein Rechtsgüter des Binnenbetroffenen erfasst, ist eine reine Binnenkollision gegeben. Tritt aber mindestens ein Rechtsgut eines Dritten hinzu, ist die Kollisionssituation als partielle Binnenkollision zu bezeichnen. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Handhabung der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern entspringt der Zielsetzung einer dogmatischen Vorgehensweise, Vorhersehbarkeit und Nachvollziehbarkeit als Bestandteile von Rechtssicherheit zu gewährleisten. Als materieller Maßstab für eine erforderliche einheitliche Behandlung dient Art. 3 GG, der auch auf die Wahl von Rechtfertigungsansätzen Anwendung findet. Nach dieser Norm bedürfen wesentlich gleiche Sachverhalte einer gleichen Behandlung, sofern nicht sachliche Gründe eine Ungleichbehandlung legitimieren. Sämtliche Fälle reiner Binnenkollision zeichnen sich umfassend durch einen einzuhaltenden Vorrang der Selbstbestimmung aus. Mangels entgegenstehender sachlicher Gründe benötigen sie daher einen einheitlichen Rechtfertigungsansatz, der das Charakteristikum der erforderlichen Autonomiewahrung zu berücksichtigen vermag. Fälle partieller Binnenkollision weisen dagegen weder im Verhältnis zur reinen Binnenkollision noch in sich eine umfassende wesentliche Gleichheit auf. Sie lassen sich jedoch weiter nach der Positionierung der hinzutretenden Drittrechtsgüter im Verhältnis zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen unterteilen. Innerhalb der dabei entstehenden Kategorien ist eine einheitliche Handhabung wiederum geboten. In Bezug auf die Rechtfertigung bei reiner Binnenkollision kann § 34 StGB nicht als passender einheitlicher Lösungsansatz herangezogen werden. Der recht-

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fertigende Notstand beruht auf dem Grundgedanken wechselseitiger Mindestsolidarität in Gestalt eines versicherungsgleichen Systems, das im Austausch für die gegenseitige Solidaritätspflicht eine entsprechende Vorteilsgewährung umfasst. Hierfür ist das Bestehen eines Mehrpersonenverhältnisses erforderlich, woran es im Falle der reinen Binnenkollision gerade mangelt. In normstruktureller Hinsicht steht einer Anwendbarkeit des § 34 StGB auf die reine Binnenkollision zum einen die fehlende Sinnhaftigkeit der Statuierung einer Duldungspflicht entgegen. Zum anderen lässt sich bei reiner Binnenkollision nicht von einer plausiblen Verfolgung des Schutzzwecks des wesentlichen Überwiegens ausgehen, vor übermäßiger Inanspruchnahme zu bewahren. Insbesondere ergeben sich ferner ebenenübergreifend gewichtige Unstimmigkeiten mit der absoluten Autonomiegewährung als Leitgedanke der reinen Binnenkollision. Dies betrifft sowohl das Prinzip der wechselseitigen Mindestsolidarität, das nicht zwingend mit jenem Gedanken in Einklang steht, als auch eine strukturelle Inkompatibilität mit dem objektiven Charakter der Abwägung im Rahmen des rechtfertigenden Notstands. Des Weiteren stellt speziell auch das Merkmal des wesentlichen Überwiegens einen autonomiebezogenen Konfliktpunkt dar. Die damit verbundenen erhöhten Voraussetzungen für eine Durchschlagskraft des Willens behindern das Autonomieprinzip in normstruktureller Hinsicht. Darüber hinaus ist mit jener Einschränkung ein inhaltlich wirkendes Hindernis für die Gewährleistung jeder willensgemäßen Entscheidung verbunden. Eine Kompatibilität des § 34 StGB mit Fällen reiner Binnenkollision ist folglich sowohl aus systematischen als auch aus teleologischen Gründen abzulehnen. Als passender einheitlicher Lösungsansatz bei reiner Binnenkollision lassen sich dagegen die Einwilligungsregeln, bestehend aus Einwilligung und mutmaßlicher Einwilligung, heranziehen. Bei beiden Instrumenten handelt es sich um Rechtfertigungsgründe. Dies gilt auch hinsichtlich der sogenannten willensbasierten Delikte. Angesichts deren spezieller Tatbestandsstruktur, die sich durch den Schutz eines synthetischen Rechtsguts, bestehend aus den Bestandteilen eines abstrakten Wertes und der Selbstbestimmung, auszeichnet, entfällt dabei jedoch im Falle einer wirksamen Zustimmung bereits der Tatbestand. Man kommt somit praktisch nicht mehr zu der Rechtfertigungsebene und mithin zu den Auswirkungen der Einwilligungsregeln als Rechtfertigungsgründe. Sowohl die Einwilligung als auch die mutmaßliche Einwilligung weisen als Grundprinzip die Gewährleistung der Selbstbestimmung des Betroffenen auf. Der konkrete Grund für die rechtfertigungsbedingte Straflosigkeit ist in beiden Fällen in einem Rechtsschutzverzicht des Betroffenen zu erkennen. Ein Rekurs auf die Selbstbestimmung als tragender Gedanke ist bezogen auf die mutmaßliche Einwilligung auch in Hinblick auf das Element das erlaubten Risikos möglich, wonach eine Rechtfertigungswirkung erreicht werden kann, auch wenn sich im Endeffekt herausstellt, dass nicht der wahre Wille umgesetzt wurde. In solchen Fällen lässt sich eine abstrakte Art und Weise der Wahrung von Selbstbestimmung konstatieren. Die Einwilligung und die mutmaßliche Einwilligung stehen folglich in Kongruenz mit

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dem Leitgedanken reiner Binnenkollision. Angesichts dessen, dass beide Rechtfertigungsgründe dem gleichen Grundprinzip Rechnung tragen, kann man sie als gleichgerichtet ansehen und unter dem Obergriff der Einwilligungsregeln zu einem gemeinsamen Rechtfertigungsansatz zusammenfassen. Dieser vermag in sämtlichen Fällen reiner Binnenkollision zur Anwendung zu kommen, womit das Kriterium eines einheitlichen und allgemeingültigen Lösungsansatzes für die betreffende Konstellation im Ergebnis umfassend erfüllt ist. Die Geschäftsführung ohne Auftrag kann gegenüber den Einwilligungsregeln keinen vorzugswürdigen Lösungsweg bei reiner Binnenkollision darstellen. Zwar fungiert die Geschäftsführung ohne Auftrag auch in strafrechtlicher Hinsicht als Rechtfertigungsgrund. Allerdings ist bei jenem Instrument für eine Rechtfertigung zusätzlich zur Willenswahrung die Einhaltung des objektiv zu verstehenden Interesses erforderlich. Diese erhöhte Anforderung widerspricht der Gewährleistung des Autonomieprinzips in struktureller sowie bezogen auf die Gewährleistung jeder willensgemäßen Rechtfertigung auch in inhaltlicher Hinsicht. Die Geschäftsführung ohne Auftrag weist demnach nicht die erforderliche Kongruenz mit dem Grundgedanken der reinen Binnenkollision auf. Auf potentielle, im Ergebnis aber ohnehin nicht festzustellende Vorteile gegenüber den Einwilligungsregeln kommt es somit nicht entscheidend an. In Bezug auf Fälle partieller Binnenkollision sind gewisse Bereiche zu konstatieren, in denen eine Rechtfertigung allein zugunsten der die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen inkorporierenden Kollisionsseite in Betracht kommt. Konkret ist dies zum einen dann der Fall, wenn sämtliche Drittrechtsgüter auf derselben Seite wie die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen streiten, ferner wenn bei mehreren antagonistisch beteiligten Drittrechtsgütern sämtliche Rechtsgüter Selbstbestimmung bzw. Güter des Staates oder der Allgemeinheit parallel positioniert sind. In derartigen Fällen können allein die Einwilligungsregeln herangezogen werden. Sind dagegen alle beteiligten Drittrechtsgüter antagonistisch zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen positioniert, oder befindet sich im Falle der Beteiligung mehrerer Drittrechtsgüter auf verschiedenen Kollisionsseiten zumindest ein Drittrechtsgut Selbstbestimmung oder ein Gut des Staates oder der Allgemeinheit entgegengesetzt zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen, lässt sich ein absoluter Vorrang zugunsten der die Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen inkorporierenden Kollisionsseite nicht statuieren. Für willenswidrige Verletzungen auf beiden Seiten ist insoweit ausschließlich der Weg über § 34 StGB eröffnet. Willensgemäße Verletzungen innerhalb jener Kategorien lassen sich dagegen wiederum allein mittels der Einwilligungsregeln rechtfertigen. Die aus § 216 StGB hergeleitete Einwilligungssperre bei Lebensbetroffenheit repräsentiert das Vorliegen einer partiellen Binnenkollision. Beteiligtes Drittrechtsgut ist dabei die antagonistisch zur Selbstbestimmung des Binnenbetroffenen positionierte effektive Erfüllung der gesteigerten staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug. Dieses Rechtsgut hat konkret den Inhalt, überindividuell einen Raum der

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Sicherheit zu gewährleisten, in dem Druck und verschwimmende Grenzen in Bezug auf den Umgang mit dem eigenen Tod nicht zu befürchten sind. Mit jeder einverständlichen Tötung vermag eine unsicherheitsbegünstigende tötungsaffine Einstellung verstärkt und damit das betreffende Rechtsgut verletzt zu werden. Die Verletzung jenes Gutes lässt sich weder durch die Einwilligungsregeln noch mittels § 34 StGB rechtfertigen. Trotz isolierter Rechtfertigungsmöglichkeit der Lebensverletzung durch die Einwilligungsregeln ist eine umfassende Rechtfertigung der einverständlichen Tötung mithin gesperrt. Eine Rechtfertigung bei Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug erscheint allein umgekehrt zu dessen Gunsten über § 34 StGB denkbar. Ausnahmsweise ist in klar vorkonturierten Konstellationen trotz Lebensbetroffenheit die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug mangels konkret bestehender gesteigerter Schutzpflicht nicht zu konstatieren. Sollte eine derartige Situation gegeben sein, ist eine umfassende Rechtfertigung der zugrunde liegenden reinen Binnenkollision mittels der Einwilligungsregeln unter Vornahme einer teleologischen Reduktion des § 216 StGB möglich. Auch § 228 StGB lässt sich die Beteiligung eines Rechtsguts aus der Kategorie der Rechtsgüter der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht im Rahmen einer partiellen Binnenkollision entnehmen. Konkreter Inhalt des betreffenden Rechtsguts ist die Schaffung eines Raums, in dem man vor der prinzipiellen Möglichkeit besonders schwerer oder nicht revidierbarer, sprich sittenwidriger Verletzungen der körperlichen Integrität und damit zusammenhängenden Unsicherheiten frei bleiben kann. Ferner vermögen auch die §§ 174 I Nr. 1, Nr. 3, 174 II Nr. 1, 176–176b, 180 I, II StGB Einwilligungssperren im Sinne der Repräsentation einer partiellen Binnenkollision unter Beteiligung eines Rechtsguts der effektiven Erfüllung einer gesteigerten staatlichen Schutzpflicht darzustellen. Inhalt des entsprechenden Gutes ist dabei die Gewährleistung eines Raumes der Sicherheit, in dem die kind- bzw. jugendliche Entwicklung allgemein bzw. gerade in spezifisch betroffenen Grundbeziehungen frei von entscheidender Sexualisierung bleibt. Die Fallkonstellation der Einwilligung in eine Gefährdung weist richtigerweise keine eigenständige Bedeutung gegenüber der Einwilligung in Rechtsgutsverletzungen auf. Anders als herkömmlich behauptet, liegt in jeder Einwilligung in eine Gefährdung gleichzeitig eine Einwilligung in den Erfolg. Denn eine Gefahr zeichnet sich gerade durch die Möglichkeit des Erfolgseintritts aus. Diese Konsequenz wird somit im Falle der bewussten Eingehung einer Gefährdungssituation notwendigerweise Inhalt der Zustimmung. Wer dagegen darauf vertraut, dass es nicht zu einem Erfolgseintritt kommt, willigt schon begrifflich nicht in eine Gefährdung des Rechtsguts ein. In sämtlichen Fällen von Einwilligungsunfähigkeit ist eine einheitliche Herangehensweise in Gestalt der Anwendung der mutmaßlichen Einwilligung möglich und vorzugswürdig. Grundlage für eine derartige Annahme ist die in jedem Men-

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schen konstitutionsunabhängig angelegte abstrakte Fähigkeit zur freien Entscheidung über eigene Güter. Hierin liegt eine Ausprägung des Rechtsguts Selbstbestimmung in einer inhaltlich abstrakten Dimension. Deren Einschlägigkeit bei Einwilligungsunfähigkeit ermöglicht die Statuierung eines mutmaßlichen Willens und schafft somit die Voraussetzungen für die Heranziehung der mutmaßlichen Einwilligung. Bei lebensgefährlichen Rettungsmaßnahmen zugunsten des Lebens, bestimmten Aspekten der körperlichen Unversehrtheit sowie der frei von entscheidender Sexualisierung bleibenden Entwicklung ist eine Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug nicht zu konstatieren. Gleiches gilt für die anerkannten Sterbehilfeformen des Behandlungsabbruchs und der indirekten Sterbehilfe, wobei aber die zulässigen Akte klar konturiert sein und ferner die Voraussetzungen der §§ 1901a ff. BGB eingehalten werden müssen. Infolge der Repräsentation einer reinen Binnenkollision ist in den genannten Sonderfällen eine selbstbestimmungswahrende Rechtfertigung über die Einwilligungsregeln mithilfe einer teleologischen Reduktion des § 216 StGB möglich. Im Falle eines freien Suizids muss dagegen eine Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug angenommen werden. Damit liegt eine partielle Binnenkollision vor, in der die Suizidverhinderung über § 34 StGB zur Wahrung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug gerechtfertigt ist. Bei unfreien Suiziden ist angesichts der Parallelität von Selbstbestimmung in inhaltlich abstrakter Dimension und dem Rechtsgut Leben die Beteiligung des Rechtsguts der effektiven Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug konzeptionell ausgeschlossen. Eine Legitimierung der Suizidverhinderung ist insoweit aber unter Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen möglich. Nach Abschluss der dogmatischen Betrachtung der Rechtfertigung bei Binnenkollision von Rechtsgütern lässt sich festhalten, dass der vielfach praktizierte Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand in binnenkollisionsbezogenen Konfliktfällen überwiegend nicht zu überzeugen vermag. In sämtlichen Fällen reiner Binnenkollision kommt man selbst bei vorhandenem Lebensbezug sowie gegebener Einwilligungsunfähigkeit zu einer sachgerechten Lösung mittels des einheitlichen Rechtfertigungsinstruments der Einwilligungsregeln. Nahezu alle herkömmlich als Problemfälle charakterisierten Fallgestaltungen weisen damit kein Bedürfnis nach einer abweichenden Handhabung auf. Allein die Verhinderung eines freien Suizids muss zutreffend gerade mithilfe des rechtfertigenden Notstands legitimiert werden. Dies ist jedoch dem Zugrundeliegen einer partiellen Binnenkollision geschuldet und somit ohne Einfluss auf die Beurteilung der Fälle reiner Binnenkollision. Bezogen auf die Grundkonstellation der reinen Binnenkollision hat sich die einleitend aufgeworfene potentielle Kritik an einer uneinheitlichen Vorgehensweise mithin umfassend als berechtigt erwiesen.

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Sachwortverzeichnis abstrakte Gefahr 309 abstrakte Werteordnung 48 abstraktes Recht 116 abstraktes Rechtsgut 41 Abwägungsprinzip 172 Abwägungstheorie siehe Abwägungsprinzip Affektionsinteresse 147 Allgemeingültigkeit eines Rechtfertigungsansatzes 93 Analogie 130, 273 Angemessenheitsklausel 108, 145 Anomie 286 Appellsuizid 344 Auslegung 101 Autonomieprinzip 71, 126, 142 Behandlungsabbruch siehe Sterbehilfe Bestimmtheitsgebot 33 Bevormundung 193 bewusste Fahrlässigkeit 308 Bilanzsuizid 344 Binnenkollision – im engeren Sinne 60 – im weiteren Sinne 60 – partielle 25, 81, 247 – reine 25, 70, 91 – Vergleich 72, 80 Brand-Rettungsfall 17, 57, 326 Deliktsaufbau 165 Diebstahl 51 Disponibilität 291, 295 Dispositionsbefugnis 291 Dogmatik 18, 66 Duldungspflicht 102, 119, 141

effektive Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht bei Lebensbezug 280, 284 Eingriffsgut 93, 144 Einheit der Rechtsordnung 229 Einheitlichkeit 98, 249 Einverständnis 159, 162 Einwilligung 159 – als Rechtfertigungsgrund 163 – Bezugspunkt 303, 305 – in eine Gefährdung 301 – in Lebensgefährdungen 309 – Rechtfertigungsprinzip 170 – Tatbestandsausschluss 161 Einwilligungsfähigkeit 221, 311, 320 Einwilligungsregeln 157, 215 Einwilligungssperre 279, 292, 297 – bei Lebensbetroffenheit 279 – im Körperverletzungskontext 294 – sonstige 297 – Umgehung 150 Einwilligungssurrogat siehe mutmaßliche Einwilligung Einwilligungsunfähigkeit 310 – Vermutung 298 Enteignung 117 entgegenstehender Wille 196, 198 Entschädigungsanspruch 120 Erforderlichkeit 95, 162, 166 Ergebnisoffenheit 54, 56, 146, 261 Ergebnisorientierung 19, 66 Erhaltungsgut 93, 95, 144 Erlaubnistatbestandsirrtum 272 erlaubtes Risiko 198, 199, 206, 243, 309 erst-recht-Schluss 130

Sachwortverzeichnis Fiktion 125, 306 formales Abwägungsprinzip 103 Freiheitsberaubung 47, 339 Garantenstellung 37, 92 Gefahr 56, 303, 306 Gefährdung siehe Gefahr Gefährdungseinwilligung siehe Einwilligung Gesamtnutzen siehe Utilitaritätsprinzip Geschäftsführung ohne Auftrag 226, 247 – als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund 229 – als zivilrechtlicher Rechtfertigungsgrund 227 – Ausgleichsfunktion 229, 232 – Interessenbegriff 232 geschäftsmäßige Suizidförderung 343 Gleichheitssatz 67 Grundrechte – als Rechtfertigungsgründe 245 – Basis für Straftatbestände 48 Grundrechtsfähigkeit 317 Grundrechtsmündigkeit 317 Handlungspflicht 92, 244 Handlungsunrecht 304 Hausfriedensbruch 47, 207 Heileingriff 36 hypothetische Einwilligung 91, 217 Indizfunktion 196, 204, 314 Interessenabwägung 145, 162, 165 Interessenbegriff 31, 232 Interessenpreisgabe 178, 183 Interessenübergewicht 107 interne Interessenkollision 22 intrapersonale Interessenkollision 22 Irrtumslehre 238, 272 Kollision 53 Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen 98

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Leben – Abwägungsverbot 79, 96 – Bedeutung 79 – Sperrwirkung 77 lebensgefährliche Rettungsmaßnahmen 326 mangelndes Interesse 178, 183, 209 Mindestsolidarität 123 mutmaßliche Einwilligung 186 – bei Einwilligungsunfähigkeit 313 – Einwilligungssurrogat 167, 195, 206, 320 – Fallgruppen 208 – Rechtfertigungsprinzip 188 – Subsidiarität 217 mutmaßliches Einverständnis 187, 207 Nötigung 40, 340 Notstand 93 – Abwägung 138, 146 – Gefahr 93 – Rechtfertigungsprinzip 102 Notstandshilfe 120, 137, 144 partielle Binnenkollision siehe Binnenkollision Patientenverfügung 321 Recht des Wohls 116 rechtfertigende Pflichtenkollision 244 Rechtfertigungsgegenstand 91, 199, 249 Rechtsgeschäftstheorie 178, 183 Rechtsgut der Allgemeinheit 287 Rechtsgut des Staates 287 Rechtsgutsbegriff 26, 29, 161 Rechtsschutzverzicht 179, 184, 206 Rechtssicherheit 66 reine Binnenkollision – Abwägung 104 – Leitbild 70 Risiko-Einwilligung 302

368

Sachwortverzeichnis

Sachbeschädigung 52 schadhafte Wasserleitung 17, 24, 55, 80, 84, 85, 207, 212, 252, 256, 263, 267 Selbstbestimmung 33, 71, 82, 171, 200, 202, 314, 316 – in inhaltlich abstrakter Dimension 316 – Rechtsgut 33 – tatbestandliche Relevanz 40 – Verletzung 59 – Wahrung 59, 239, 253 Selbstbestimmungsrecht 39 Sexualdelikte 48, 49, 297 Sittenwidrigkeit 295 Solidaritätsprinzip 121 staatliche Schutzpflicht 280 – einfache 281 – gesteigerte 281, 283 stellvertretende Einwilligung siehe Vertretereinwilligung Sterbehilfe 329 – Behandlungsabbruch 330 – direkte 151, 329 – indirekte 334 – passive 329 Strafrechtswidrigkeit 230 Suizidverhinderung 338 – bei freiem Suizid 341 – bei unfreiem Suizid 339 synthetisches Rechtsgut 43

teleologische Reduktion 149, 220, 293 Tierschutz 301 Tötung auf Verlangen 289 Tötungstabu 127 ultima-ratio-Prinzip 28, 43, 231 unrechtstypisierende Funktion 165 Unterlassen 34, 92, 199, 250, 252, 257, 265, 268, 270 unterlassene Hilfeleistung 250 Untreue 51 Unzumutbarkeit siehe Zumutbarkeit Utilitaritätsprinzip 110 Verrechnung 111, 112, 113 versicherungsgleiche Regelung 121, 124, 131 Vertretereinwilligung 311 Wahrnehmung berechtigter Interessen 243 Wahrscheinlichkeitsurteil 195 Wesentlichkeitserfordernis 107, 139, 147 willensbasierte Delikte 42, 159, 168, 187, 207, 319 Wucher 300 Zumutbarkeit 250, 270