Digitalisierung – Krisen.Leid.Trauer 2.0: Leidfaden 2020, Heft 1 [1 ed.] 9783666406874, 9783525406892, 9783525406908, 9783525406915, 9783525406878


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Digitalisierung – Krisen.Leid.Trauer 2.0: Leidfaden 2020, Heft 1 [1 ed.]
 9783666406874, 9783525406892, 9783525406908, 9783525406915, 9783525406878

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9. Jahrgang  1 | 2020 | ISSN 2192-1202 | € 20,–

faden Leid

FA C H M A G A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D , T R A U E R

DIGITALISIERUNG

Krisen.Leid.Trauer 2.0

Martin Lysser Digitalisierung im Pflegeheim  Norbert Ellinger Die Zukunft der

Seelsorge in einer digitalen Welt  Claudia Weidinger Psychotherapie 2.0 – Online-Therapie – Fluch oder Segen?  Carola Scherf Digitale Tränen – Wie Menschen in Trauer im Netz aufgefangen werden können  Carmen Berger-Zell Trauerseelsorge im Internet

EDITION LEIDFADEN – NEUE BÄNDE

Nicole Friederichsen | Stefan Springfeld Fundraising in der Hospiz- und Trauerarbeit – ein Praxisbuch 2020. Ca. 128 Seiten, mit Abb., Tab. und Download-Material, kartoniert € 17,00 D | € 18,00 A ISBN 978-3-525-40689-2 eBook: € 13,99 D | € 14,40 A

Für das Fundraising im Trauerbereich bietet dieses Buch handfeste Unterstützung: Mit einem Praxischeck ist zunächst schnell zu erkennen, was in einer Organisation gut läuft, aber vor allem auch, was noch besser werden könnte. Die Autoren präsentieren eine Menge praktischer Ideen für Veranstaltungen und Kampagnen, die schnell und einfach umsetzbar sind, auch unter Nutzung des dazugehörigen DownloadMaterials.

Marianne Bevier | Christoph Bevier Selig sind die Trauernden Trauer in der Seelsorge 2020. Ca. 128 Seiten, kartoniert € 17,00 D | € 18,00 A ISBN 978-3-525-40690-8 eBook: € 13,99 D | € 14,40 A

Die Autoren geben eine biblische und theologische Grundlegung in Seelsorge und eine psychologische Grundlegung in Trauer. In Kapiteln zu Bestattung, Weisheit und Resilienz, Ritualen, Schuld in der Trauer und Hoffnungs- und Trostbildern werden Aspekte von Trauerseelsorge nahegebracht. Eines der Hauptanliegen dieses Buches ist, seelsorgliche Kompetenzen für die Trauerseelsorge zu vermitteln und zu ermutigen, den Transzendenz- und Gottesbezug in die Beziehung einzubringen.

Urs Münch Anhaltende Trauer Wenn Verluste auf Dauer zur Belastung werden Mit einem Vorwort von Heidi Müller. 2020. Ca. 128 Seiten, kartoniert € 17,00 D | € 18,00 A ISBN 978-3-525-40691-5 eBook: € 13,99 D | € 14,40 A

Die international kontrovers diskutierte, mit der ICD-11 auf uns zukommende Diagnose der »Anhaltenden Trauerstörung« will für betroffene Menschen eine verbesserte Versorgung schaffen. Eine solche Diagnose bringt aber auch Ängste vor einer Pathologisierung von Trauer mit sich. Umso mehr braucht es Wissen, das hilft, die Betroffenen in ihrer Beeinträchtigung erkennen zu können, ihnen Würde wahrend zu begegnen sowie sie angemessen zu unterstützen.

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EDITORIAL

Krisen, Leid, Trauer 2.0 Liebe Leserinnen und Leser, stellen Sie sich vor, die einzelnen Artikel in dieser Ausgabe von Leidfaden wären nicht namentlich gekennzeichnet und auch nicht von Menschen verfasst, sondern von Textrobotern generiert. Das wäre in absehbarer Zukunft wahrscheinlich machbar. Manches geht heute schon. Vor allem der Online-Handel mit seiner irrwitzigen Menge von Produkten bedient sich solcher Textroboter. Sie schreiben wesentlich schneller als Menschen und sind in ihrer Textqualität gar nicht schlecht. Bestellen wir etwas aus dem Internet, so vertrauen wir sehr unbekümmert den Fähigkeiten solcher künstlichen Intelligenz. Und sind in der Regel zufrieden. Die von Robotern erstellten Produktbeschreibungen sind durchaus praxisgerecht. So sind wir in unserem Alltag längst von KI umgeben, die immer mehr kann, immer schneller arbeitet und uns Menschen in bestimmten Bereichen überflüssig macht. Dass die KI irgendwann klüger ist als der Mensch, steht für den Informatiker Jürgen Schmidhuber wohl außer Frage. Er gilt als der Vater der künstlichen Intelligenz und sagt: »Ich möchte eine künstliche Intelligenz bauen, die nicht nur das kann, was heute Smartphones können, sondern die lernt, alle Probleme zu lösen, die ich selbst nicht lösen kann. Und dann kann ich in Rente gehen.« Zugleich ist er sicher, dass die Menschen nicht untergehen wegen der KI, sie werden nur nicht mehr so wichtig sein. Wir sollten uns deshalb aber keine Sorgen machen. Auf unserem Planeten gibt es genügend Arten, die in der Intelligenz dem Menschen unterlegen sind und trotzdem recht gut leben. Bedenklicher sieht das Sigmar Gabriel in seiner Rede auf dem Innovationstag 2018: »Die Digitalisierung verändert unser Leben so dramatisch, dass nicht jeder mitkommt.« So setzen die einen ihre ganze Hoffnung auf die KI, die an-

deren tragen die Bedenken. Solche ambivalenten Einschätzungen sind allerdings historisch betrachtet die unvermeidlichen Begleiter jeglicher technischer Innovation. Mit welcher Sorge haben manche Zeitgenossen die erste Zugfahrt 1835 von Nürnberg nach Fürth kommentiert. Ob ihrer maximalen Geschwindigkeit von 28 km/h hielt man das rauchende Ungeheuer für höchst gesundheitsschädlich. Wie immer man nun die KI einschätzen mag, so steht doch fest: Sie wird sich nicht aufhalten lassen, ebenso wenig wie die Eisenbahn, die heute mit bis zu 350 km/h durch die Gegend braust. Eines sei aber an dieser Stelle versichert: Die Artikel in diesem Leidfaden sind nicht von Text­ robotern verfasst. Schwerpunktmäßig befassen sich die Autorinnen und Autoren mit den Bereichen Gesundheits- und Pflegewesen sowie mit Seelsorge und Krisenintervention. Auch hier hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. Und selbst vor den letzten Dingen Sterben, Tod und Trauer macht sie nicht Halt. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei meiner Mitherausgeberin Dorothee Bürgi bedanken, die gemeinsam mit mir dieses Heft erarbeitet hat. Nun ist sie nach langen Jahren der Mitwirkung aus dem Herausgeberkreis ausgeschieden, und das ist erst recht ein Grund, ihr auch für diese Arbeit ein herzliches Vergelt’s Gott zu sagen.

Reiner Sörries

Inhalt Editorial 1

4 Arne Manzeschke

Digitalisierte Gesundheitsversorgung – Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Gesundheitswesen aus ethischer Sicht

13 Michael Lehmann | Der Mensch steht im Zentrum

9 Martin Lysser

Digitalisierung im Pflegeheim



13 Michael Lehmann

Der Mensch steht im Zentrum



18 Saskia Huckels-Baumgart, Ute Buschmann Truffer und Rolf Prions

CIRS – ein zentrales Melde- und Lernsystem

22 Thomas Zwahlen

Algorithmen, Computer und der Mensch im Zentrum



26 Barbara Steffen-Bürgi

Zur Erweiterung des Care-Mix-Ansatzes

22 Thomas Zwahlen | Algorithmen, Computer und der Mensch im Zentrum

30 Stefan Leniger im Gespräch mit Reiner Sörries Dr. Google versus Dr. med.



32 Meinrad Mannhart

Digitalisierung des Tumorboards



35 Karin Eder

Wie wird unsere Zukunft aussehen?! Digitale Tools zur Vernetzung und zu mehr Teilhabe am Leben, Ambient Assisted Living (AAL) und Palliative Care

48 Anna Caroline Türk | Online Selbsthilfe­ gruppen

51  Carola Scherf | Digitale Tränen



39 Norbert Ellinger

Die Zukunft der Seelsorge in einer digitalen Welt



44

Psychotherapie 2.0 – Online-Therapie –

48 Anna Caroline Türk

Online Selbsthilfegruppen – Welche Bausteine tragen zum Gelingen bei?



51

80 Aus der Forschung: Psychische Gesundheits­

störungen über die sozialen Medien entdecken

82 Fortbildung: Selbstreflexion und Ressourcen – Fortbildungseinheit für Begleiterinnen und

Begleiter des Trauerchats für Jugendliche und junge Erwachsene »doch-etwas-bleibt«

Carola Scherf Digitale Tränen – Wie Menschen in Trauer im Netz aufgefangen werden können



Persönliche Erfahrungen aus dem LeidfadenHerausgeberkreis

Claudia Weidinger Fluch oder Segen?



77 Monika Müller und Lukas Radbruch

73  Andreas Stolte | Von der Keilschrift bis zur Robotik

54 Cornelia Marti

Digitale Burnout-­Prävention – Chancen und Risiken von ­digitalen Angeboten



58 Carmen Berger-Zell

Trauerseelsorge im Internet



62 Klaus Bally

Patientenverfügungen online erstellen? Weswegen Technologie den Dialog nicht zu ersetzen vermag

66 Karsten Wenzlaff im Gespräch mit Reiner Sörries

Social Media und Tod – Wie das Internet den Tod verändert



69 Birgit Aurelia Janetzky

Digitaler Nachlass – Vom Umgang mit digitalen Hinterlassenschaften



73 Andreas Stolte

Von der Keilschrift bis zur Robotik – Das Heinz Nixdorf MuseumsForum

85 Buchtipps zum Thema 91 Rezensionen 94 Verbandsnachrichten 95 Cartoon | Vorschau 96 Impressum

4

Digitalisierte Gesundheitsversorgung Die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Gesundheitswesen aus ethischer Sicht

Arne Manzeschke

Bedrohung oder Potenzial? Warum weckt das Phänomen der Digitalisierung gerade im Gesundheitswesen so zwiespältige Gefühle? Auf der einen Seite verbinden sich mit ihr Erwartungen, die sich vereinfacht so formulieren ließen: Je mehr und je präziser Daten von einem Menschen über seinen Gesundheitszustand und sein gesundheitsbezogenes Verhalten vorliegen, umso besser könnte für die Erhaltung, Wiederherstellung, vielleicht sogar für die Verbesserung seiner Gesundheit gesorgt werden. Grundlage dieser Vorstellung ist es, dass solche Daten Auskunft über den Sachverhalt geben. Und dass mit diesen Daten Zusammenhänge hergestellt werden können, die eine effektive Steuerung der gesundheitsbezogenen Prozesse beim Einzelnen, aber auch für das gesamte Gesundheitssystem und damit prinzipiell für alle Menschen erlauben. Hierfür liefern die vielen digitalen Endgeräte mit einer – noch weiter auszubauenden – digitalen Infrastruktur eine vielversprechende Voraussetzung. Dieses enorme Potenzial ist zugleich mit ursächlich dafür, dass die Digitalisierung andererseits als eine eminente Bedrohung wahrgenommen wird. Sie mache aus individuellen Patientinnen und Patienten »gläserne Objekte«, die in allen ihren Lebensvollzügen – auch den privatesten – für unbekannte Andere durchsichtig würden. Gesundheitliche »Ausrutscher« wie übermäßiger Alkoholkonsum, eine mangelnde Therapietreue bei der Medikamenteneinnahme oder beim Rehabilitationstraining, aber auch

Leistungsdaten des pflegerischen oder ärztlichen Personals ließen sich so zusammentragen und im Sinne eines effizienteren Versorgungssystems nutzen. Zugleich würden die digitalen Bürger zu ihrem eigenen Besten wohlwollend »unterstützt« gesteuert. Nicht zuletzt brächten Digitalisierung und künstliche Intelligenz Roboter hervor, die nicht nur menschliche Arbeitsplätze vernichteten, sondern – gerade in sozialen Berufen – die Gestalt und das Verständnis humanitärer Wertsetzungen bedrohten. Stichwort: Technik ersetzt menschliche Zuwendung. In der Tat bietet die Digitalisierung das Potenzial für beide Seiten, und insofern ist die eingangs erwähnte Ambivalenz durchaus berechtigt. So wie wir Menschen digitale Technik konstruieren und einsetzen, kann sie uns auf der einen Seite neue und großartige Handlungsmöglichkeiten eröffnen und unseren Lebensraum dadurch bereichern – zum Beispiel durch ein individuelles und präzises Vitaldatenmonitoring. Christoph Kucklick (2014) gibt hierfür ein anschauliches Beispiel, wie auf der Grundlage individuellen Vitalparametermonitorings der Diabetes eines kleinen Kindes sehr viel genauer behandelt und sein Wohlbefinden verbessert werden kann. Und doch kann die gleiche Technik dazu beitragen, dass Menschen in ihren Lebensmöglichkeiten eingeschränkt werden. So kann bereits in der Datenerhebung und -verarbeitung diskriminiert werden. Diese Diskriminierung ist aufgrund selbstlernender Algorithmen, enorm großer Datenbestände und -arten mit unterschiedlicher Qualität für keinen Menschen mehr so recht nachvollziehbar und korrigierbar.

Die Technik fördert die immens hohe Erwartung an die Bekämpfung von Krankheiten, die Überwindung des Leids und eines Tages vielleicht sogar des Todes.

Hier kombinieren sich zwei ganz verschiedene Entwicklungen in einer problematischen Weise: Die Wertschätzung der Gesundheit als eines sehr hohen Gutes macht Menschen ausbeutbar gegenüber Versprechungen hinsichtlich dieses Gutes. Die Technik fördert die immens hohe Erwartung

an die Bekämpfung von Krankheiten, die Überwindung des Leids und eines Tages vielleicht sogar des Todes. Mit den entsprechenden Daten, so die Vorstellung, ließe sich alles besser verstehen und besser steuern. Aber diese Technik wird in ihrer digitalen, vernetzten Variante zunehmend

Digitalisierung

ivector / Shutterstock.com

D i g i t a l i s i e r t e G e s u n d h e i t s v e r s o r g u n g    5

6   A r n e M a n z e s c h k e

undurchschaubar für den Menschen. Juli Zeh hat in ihrem Roman »Corpus Delicti« (2009) eine beklemmende Dystopie einer konsequent am Gut Gesundheit ausgerichteten Gesellschaft gezeichnet, in der diese Wertschätzung gepaart mit den Steuerungsfantasien der Regierung in eine sehr unfreie und ans Diktatorische gemahnende Gesellschaft ausarten. Ethische Fragen in der digitalen Technik Aber in welcher Gesellschaft wollen wir leben und welche Möglichkeiten eröffnen wir ihren einzelnen Mitgliedern? Das sind, mit Gernot Böhme (1997) gesprochen, genuin ethische Fragen, die bei der Gestaltung von digitaler Technik eine zentrale Rolle spielen müssen. Wo und wie müssen diese Fragen gestellt werden, damit die Antworten darauf für die Gestaltung der digitalen Infrastruktur und ihrer Anwendungen wirksam werden können? »Wie wir uns in diesen Fragen entscheiden, entscheidet darüber, wer wir sind und was für Menschen wir sind [und] in welcher Gesellschaft wir leben« (Böhme 1997, S. 17). Die Debatte um »die« Digitalisierung verdeckt sehr leicht, dass es sich hierbei um sehr verschiedene Apparate und Einsatzgebiete handelt, auch wenn deren technische Grundlage immer dieselbe ist. Digitalisierung bedeutet, dass alle möglichen analogen Phänomene, sei es der Blutdruck oder der Insulinspiegel einer konkreten Person, zunächst einmal in einem digitalen Format erhoben und dann weiterverarbeitet werden. In einem weiteren Schritt werden diese Daten miteinander verknüpft, um bestimmte Zusammenhänge zu erkennen und so neue Erkenntnisse für die Diagnostik oder Therapie zu gewinnen. Auf einer weiteren Ebene werden die Daten vieler Personen miteinander als Massendaten verarbeitet, um über statistische Verfahren Erkenntnisse über bestimmte Gruppen zu erhalten (etwa welche Medikamente bei welcher genetischen Disposition helfen oder auch nicht).

Neben dieser Ebene der Ableitung von Handlungen aus personenbezogenen Daten spielt auch die Übertragung von Daten eine wichtige Rolle in einem digitalisierten Gesundheitswesen: Histologische Schnitte, Röntgenbilder, Befunde bei einem Unfall oder Krankheitsverläufe und Unverträglichkeiten einer Patientin können teilweise nahezu in Echtzeit übertragen werden und bilden so unter Umständen die Grundlage für lebensrettende Maßnahmen. Die digitale Vernetzung der verschiedenen Versorgungseinrichtungen im Gesundheitswesen ist ebenso die Grundlage für eine sektorenübergreifende Versorgung von Patientinnen und Patienten, bei der die notwendigen Daten direkt an die betroffenen Einrichtungen übertragen und so unnötige Doppeluntersuchungen, Zeitverluste durch Rückfragen bei anderen Organisationen und Fehlmedikationen vermieden werden können. Eine weitere Ebene betrifft die der Steuerungsund Leistungsdaten, die bei digitalen Endgeräten ebenso erhoben und ausgewertet werden können: Wie lange brauchen die Operateure im Haus A für die Operation X im Vergleich zu denen im Haus B? Welche Zeiten weisen die einzelnen Operateure aus? Wie lange war Pflegekraft P in der häuslichen Versorgung von Frau Y und wie lange hat sie für den Weg danach zu Herrn Z gebraucht? Nicht zuletzt wird man bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen an den Einsatz von Robotern im Operationssaal oder in der Pflege denken müssen. Alle diese sehr verschiedenen Szenarien machen es erforderlich, dass man sie differenziert betrachtet und die zwei großen ethischen Fragen – Was und welcher Mensch ist man unter den gegebenen Bedingungen und wie gestaltet sich das Zusammenleben der verschiedenen Menschen unter diesen Bedingungen? – sehr kleinteilig betrachtet und berät. Der Einsatz von Robotik im Operationssaal geht – bei manchen Ähnlichkeiten – mit ganz anderen ethischen Fragen einher als der Einsatz in der ambulanten Pflege (Manzeschke 2014). Diese Differenzen kommen aller-

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D i g i t a l i s i e r t e G e s u n d h e i t s v e r s o r g u n g    7

dings nur in den Blick, wenn man bereit ist, sich für die jeweils konkreten sozio-technischen Arrangements auf einen komplexeren Prozess der Exploration, Beratung und Entscheidung einzulassen. Und das zu einem Zeitpunkt, zu dem technisch nicht schon alles entschieden ist. Entsprechend sollten ethische Beratungen zur Kon­ struk­tion und zum Einsatz digitaler Technik im Gesundheitswesen rechtzeitig und am richtigen Ort einsetzen. Unterstützung durch ein Modell zur ethischen Evaluation

Leonardo da Vinci, Head of a Man in Profile, 1490–94, / INTERFOTO / LISZT COLLECTION

Das Modell zur Ethischen Evaluation Sozio-Technischer Arrangements (MEESTAR) wurde 2012 im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts entwickelt. Es hat das Ziel, eben solche ethischen Beratungen am Ort der Entwicklung und des Einsatzes von digitaler Technik im Gesundheitswesen zu stimulieren und zu strukturieren (Manzeschke, Weber, Rother und Fangerau 2013; Weber, Frommeld, Manzeschke und Fangerau 2015). Die Beratungen beziehen sich auf ein konkretes Einsatzszenario, das in drei Arbeitsgruppen aus drei verschiedenen Beobachtungsperspektiven (individuell, organisational, gesellschaftlich) in einem ersten Schritt mögliche ethische Probleme identifiziert und in einem zweiten Schritt gewichtet. In einem dritten Schritt werden die Beobachtungen und Bewertungen der drei Arbeitsgruppen in einer großen Matrix und geordnet nach sieben moralischen Dimensionen zusammengeführt und diskutiert. Die unterschiedlichen Bewertungen von Sachverhalten aus den verschiedenen Perspektiven liefern den Anstoß für umfangreiche ethische Debatten, die dann in konkrete Lösungsschritte und Entscheidungen im Team überführt werden, ob und wie welche Technik in welchen Zusammenhängen gestaltet werden soll, so dass sie von den entwickelnden wie einsetzenden Parteien verantwortet werden kann.

Digitalisierung

8   A r n e M a n z e s c h k e

Modell zur Ethischen Evaluation Sozio-Technischer Arrangements (MEESTAR)

Dieses Modell ist ein mittlerweile in der Praxis gut rezipiertes Angebot, um ethische Überlegungen systematisch in die Technikentwicklung zu integrieren und auf diese Weise der jeweiligen Verantwortung der verschiedenen Akteure im Gesundheitswesen gerecht werden zu können. Entscheidend ist, dass wir alle, als Bürgerinnen und Bürger, als Professionelle oder ehrenamtlich im Gesundheitswesen Engagierte, unsere Verantwortung dafür erkennen und annehmen, dass wir die Digitalisierung – nicht nur im Gesundheitswesen – gestalten können und müssen und hierbei ethische Überlegungen rechtzeitig integrieren. So können wir dazu beitragen, einem digitalisierten Gesundheitswesen die humanitären Züge einzuprägen, die für uns um unserer selbst willen wesentlich sind.

Prof. Dr. Arne Manzeschke ist Professor für Anthropologie und Ethik für Gesundheitsberufe und Leiter der Fachstelle für Ethik und Anthropologie im Gesundheitswesen der Evangelisch-Lu­ the­rischen Kirche in Bayern an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Seit 2018 ist er Präsident der Societas Ethica, Europäische Forschungsgesellschaft für Ethik. E-Mail: [email protected] Literatur Böhme, G. (1997). Ethik im Kontext. Über den Umgang mit ernsten Fragen. Frankfurt a. M. Kucklick, C. (2014). Die granulare Gesellschaft. Wie das Digitale unsere Wirklichkeit auflöst. Berlin. Manzeschke, A. (2014). Digitales Operieren und Ethik. In: Niederlag, W.; Lemke, H. U.; Strauß, G.; Feußner, H. (Hrsg.), Der digitale Operationssaal (S. 227–249). Berlin. Manzeschke, A.; Weber, K.; Rother, E.; Fangerau, H. (2013). Ethische Fragen im Bereich Altersgerechter Assistenzsysteme. Ergebnisse der Studie. Berlin Weber, K.; Frommeld D.; Manzeschke, A.; Fangerau, H. (Hrsg.) (2015). Technisierung des Alltags. Beitrag für ein gutes Leben? Stuttgart. Zeh, J. (2009). Corpus Delicti. Ein Prozess. Frankfurt a. M.

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Digitalisierung im Pflegeheim Martin Lysser Die Digitalisierung ist im Pflegeheim auf ganz unterschiedlichen Ebenen angekommen. Einerseits werden die Bewohner und Bewohnerinnen immer fitter im Umgang mit Handy, Tablet oder Computer und andererseits müssen die Pflegefachpersonen alle Dienstleistungen, Pflege­ beschrei­bungen und abgegebenen Medikamente digital erfassen und dokumentieren. Doch was bringt eine solche Digitalisierung der Pflege und Betreuung? Die Pflegeheime stehen vor großen Herausforderungen in der Organisation und der Finanzierung. Vor allem ist es sehr schwierig, gutes Personal zu finden und deren Löhne zu bezahlen. Die Informatik soll helfen, die Informations­ wege zu verkürzen, alle Aufwendungen zu erfassen und den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten. Zudem werden die Pflegeheime in der Schweiz ab 2022 alle Dokumente aus der medizinisch-pflegerischen Patientenakte ins Elektronische Patienten Dossier (EPD) hochladen müssen (zum Beispiel bei einer Verlegung in ein Spital). Entwicklung der Digitalisierung in den Heimen In den Heimen hat die Digitalisierung bei der Administration angefangen. Schon seit über zwanzig Jahren werden dort Informatikmittel eingesetzt, um Briefe oder Rechnungen zu schreiben. Damit Fakturen generiert werden können, braucht es heute aber immer mehr pflegerische Daten, die direkt im Bewohnerzimmer erhoben werden. Das hat viele Anbieter von Heim-Informatiklösungen dazu bewogen, ihrem administrativen System einen pflegerischen Teil anzufügen. Dieser beschränkte sich in der Anfangszeit vor allem auf

die Erfassung von Dienstleistungen, mit dem Ziel, diese dann automatisiert abrechnen zu können. Doch die Anforderungen der Pflege haben sich in den letzten Jahren verändert. Es geht nicht mehr nur um »satt und trocken«, sondern um den ganzen Aspekt der Pflege. Dies beginnt bei einem umfassenden Assessment, um die aktuelle Situation des Bewohners oder der Bewohnerin einzuschätzen. Aus dem Assessment werden die pflegerischen Probleme als Pflegediagnosen festgelegt und davon die pflegerischen Handlungen abgeleitet. Aus den Pflegediagnosen lassen sich auch Ziele formulieren, an denen die angewandte Pflege gemessen werden kann. Damit kann die Anforderung des Krankenpflege-Verordnungsgesetzes KVG1 nach Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden. Die Pflegebedürftigkeit wird in der Schweiz mit drei Instrumenten gemessen: RAI, BESA und in der Westschweiz mit PLAISIR. RAI = Resident Assessment Instrument →h  ttps://www.qsys.ch/de/rainh/ raisystem/uebersicht BESA = Bedarfsklärungsinstrumenten → https://www.besacare.ch/ PLAISIR (Planification Informatisée des Soins Infirmiers Requis; verbreitet in Kanada und der Schweiz) → http://www.ctplaisir.ch/ct-methode.html

®

Alle gehen von den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) aus und beschreiben die Stärke der Abhängigkeit in den jeweiligen Aktivitäten wie »sich bewegen«, »sich waschen und kleiden«, »schlafen« etc. Damit die Einstufung der Pflegebedürftigkeit erhoben werden kann, braucht

davidpereiras / photocase.de

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es sehr viele Angaben. So besteht beispielsweise der RAI-Katalog aus zwanzig Bereichen und über dreihundert einzelnen Erhebungspunkten, die codiert werden müssen. Eine solche Erhebung wird üblicherweise bei Eintritt in ein Pflegeheim und in der Folge alle sechs Monate oder bei offensichtlichen Veränderungen (zum Beispiel bei höherer Pflegeabhängigkeit) erhoben. Aus den erhobenen Daten wird schließlich eine Zahl generiert, die die Pflegeabhängigkeit des Bewohners darstellt. Unterschiedliche Interessen an den Daten Wie überall sind unterschiedliche Interessen mit den digitalen Systemen verbunden. Während die Heimleitung vor allem an der einen Zahl aus der erhobenen Pflegeabhängigkeit interessiert ist, um die Pflegekosten vollumfänglich abrechnen zu können, wollen die Pflegefachpersonen vor allem eine einfache und trotzdem genaue Pflegeplanung abbilden. So stellt das RAI gleichsam das Pflegeassessment dar, das als Grundlage für die Pflegeplanung dient. Die elektronischen Instrumente sollen die Erfassung von Pflegediagnosen, Pflegezielen und Pflegeinterventionen ermöglichen. Verlaufsberichte zu den zwanzig Bereichen sollen schließlich die Wirksamkeit der getroffe-

Die Anforderungen der Pflege haben sich in den letzten Jahren verändert. Es geht nicht mehr nur um »satt und trocken«, sondern um den ganzen Aspekt der Pflege.

nen Maßnahmen dokumentieren und die Informationen über den Bewohner oder die Bewohnerin schichtübergreifend weitergeben. Neben den Tag-, Spät- und Nachtschichten arbeiten auch sehr unterschiedlich ausgebildete Fachpersonen im Langzeitbereich, angefangen von Praktikantinnen über Hilfspersonal, Fachangestellte Gesundheit und Pflegefachpersonen HF/FH. Auch sind in den meisten Betrieben Lernende und Studierende der verschiedenen Pflege­ berufe angestellt. Dieser Skill-Grade-Mix muss in der Planung der Dienste berücksichtigt werden und kommt auch in unterschiedlichen Berechtigungen im digitalen System zum Ausdruck. Eines der Ziele des Klinikinformationssystems (KIS) ist, dass die Bewohnerinnen nur einmal zu einem bestimmten Thema befragt werden müssen. Zum Beispiel erhebt eine Pflegefachperson die Sozialsituation eines Bewohners zu Beginn des Aufenthalts und alle am Prozess Beteiligten, etwa die Ärztin der Institution oder die Sozialarbeiterin, können auf die Daten und Informationen zugreifen. So sollen auch die Prozesse schlank gehalten werden und die Fachpersonen können sich auf ihre spezifischen Aufgaben konzentrieren. Der Umgang mit der elektronischen Dokumentation muss allerdings geübt und gefördert

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werden. Viele Beispiele zeigen, dass die Benutzer und Benutzerinnen lieber mit Papier die Informationen beim Bewohner einholen und dann im Stationszimmer oder Büro die Resultate ins elektronische System übertragen, genauso wie sie es zuvor mit der Papierdokumentation taten. Aber die Voraussetzung, dass keine Medienbrüche entstehen, ist, dass man mit dem Laptop zur Bewohnerin geht und direkt im Computer dokumentiert. Doch genau das braucht Anleitung und Übung, damit es für die Bewohnerin und die Pflegefachperson angenehm gestaltet wird und zu einem Zeitgewinn führt. Zudem muss in vielen Pflegeheimen die entsprechende Infrastruktur mit WLAN und mobilen Computern aufgebaut werden. Dies zeigt auch exemplarisch, dass die Mitarbeiterinnen nicht nur im Umgang mit der entsprechenden Software zu schulen sind, sondern auch allgemein im Umgang mit dem Computer Kenntnisse aufbauen müssen. Dies betrifft nicht nur die älteren Arbeitnehmer/-innen, sondern auch die Digital-Natives, die es gewohnt sind, am Handy ihre Befindlichkeiten mitzuteilen, denn die Arbeit in einem Klinikinformationssystem ist fokussierter und betrifft vor allem Informationen zu einem Bewohner an viele andere Berufskolleginnen.

D i g i t a l i s i e r u n g i m P f l e g e h e i m    1 1

prill / photocase.de

Der Umgang mit der elek­tronischen Dokumentation muss geübt und gefördert werden. Viele Beispiele zeigen, dass die ­Benutzer und Benutzerinnen lieber mit Papier die Informationen beim Bewohner einholen.

Die Herausforderungen bei der Einführung eines elektronischen Systems Im Vorfeld einer Software-Implementierung ist zu bestimmen, wie die Einführung umgesetzt wird. Eine schrittweise Einführung könnte bei knappen Personalressourcen sinnvoll sein, doch häufig wählen sowohl Heime als auch Spitäler die flächendeckende Einführung. Diese »Big Bang«-Methode ist vor allem dann zielführend, wenn Mitarbeiter häufig in unterschiedlichen Abteilungen arbeiten. So ist sichergestellt, dass die Dokumentationsprozesse eingehalten werden und die Informationen für alle sichtbar sind. Die Schulung vor der Einführung dient vor allem dazu, das System kennenzulernen, und zeigt die vielen Möglichkeiten auf, die eine elektronische Dokumentation bereithält. In der Einführungsphase sollten die Anbieter der Softwarelösung oder speziell geschulte Personen die Mitarbeiterinnen begleiten, um bei Fragen sofort Hilfe leisten zu können. Damit lässt sich die Einführung im laufenden Betrieb erfolgreich durchführen. Eine spätere Überprüfung der Einträge und das Weitergeben von Tipps und Tricks kann den Einführungsprozess über die ersten Wochen und Monate begleiten und die Wissenslücken der Mitarbeiter ausfüllen.

Digitalisierung

m.schröer

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Die Schulungen im Vorfeld einer Einführung sind sorgfältig zu planen. Es braucht Zeit, sich mit dem neuen System auseinanderzusetzen. Man muss gewisse Abläufe mehrmals sehen und üben, bevor man das große Ganze erfassen kann. So sind nicht alle Pflegefachpersonen glücklich über die Einführung einer elektronischen Pflegedokumentation. Während die einen nur darauf gewartet haben, das Papiersystem abzulösen, und schon in anderen Institutionen mit einem elektronischen System gearbeitet haben, zeigen andere eine abwehrende Haltung bei der Schulung und meinen: »Ich habe nicht den Pflegeberuf gewählt, um täglich x Stunden an einem PC zu sitzen.« Eine Kollegin, die kurz vor der Pensionierung steht, meint: »Ich könnte verzweifeln, nichts finde ich mehr und habe keine Ahnung, was ich als Nächstes tun muss. Am liebsten würde ich gleich in Pension gehen.« Aber eine 17-jährige Fachangestellte-Gesundheit-Lernende jubelt: »Ah, das finde ich sehr gut, ihr habt das gleiche System, das ich schon auf der Akutpflege kennengelernt habe. Ich freue mich, dieses auch im Pflegeheim nutzen zu können.« Die elektronische Patientendokumentation bringt »Patienten-Empowerment« Die Zukunft könnte vermehrt auch die Bewohner und Patienten miteinbeziehen. Vorläufig sind sie noch die Objekte der elektronischen Dokumenta-

tion. Doch wenn man die Menschen im Pensionsalter beobachtet, sieht man, wie sie die elek­tro­ ni­schen Medien nutzen, sie »leichtdäumig« das Handy bedienen und sich gezielt Informationen aus dem Internet »googeln«. Einige dieser Personen wollen künftig auch im Pflegeheim ihre Informationen einsehen oder sogar in der elektronischen Dokumentation mitschreiben, beispielsweise ihre Sozialanamnese eintragen oder Symptome beschreiben. Dies wird sich sowohl im Spitalumfeld als auch in den Heimen in den nächsten Jahren als große Herausforderung für die elektronischen Systeme erweisen. Heute schon gibt es Zuweiser- und Patientenportale und in der Schweiz soll flächendeckend die Elektronische Patienten-Dokumentation (EPD)2 eingeführt werden. Damit verfügt die Bewohnerin über die Möglichkeit, ihre Krankengeschichte selbst zu führen und die Daten den verschiedenen medizinischen Akteuren freizugeben. Die elektronische Dokumentation kann dazu beitragen, die Selbstbestimmung der Patientinnen und Bewohner zu verbessern, so dass sie im Sinne eines »Patienten-Empowerment« auf Augenhöhe mit den medizinischen Fachpersonen sprechen können. Martin Lysser, Diplom-Pflegefachmann, Lehrer für Krankenpflege und DiplomIT-Systems-Engineer HF, arbeitet als Berater und Coach für die Einführung von Klinikinformationssystemen und als Dozent an verschiedenen Krankenpflege- und Fachhochschulen. Zuvor war er Anästhesiefachmann und Leiter der Schule für Anästhesiepflege am UniversitätsSpital Zürich. Später war er mitbeteiligt an der Entwicklung der Pflegeinhalte in Klinikinformationssystemen. E-Mail: [email protected]

Anmerkungen 1 https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesetze-undbewilligungen/gesetzgebung/gesetzgebung-versicherungen/gesetzgebung-krankenversicherung/kvg.html 2 https://www.e-health-suisse.ch/startseite.html

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Der Mensch steht im Zentrum Michael Lehmann Zu Hause bei Brönnimanns Elisabeth Brönnimann-Bertholet lebt zusammen mit ihrem Mann Kurt am Kreuzweg 11 in Biel. Abgesehen von ihren Hüftbeschwerden ist die junggebliebene 82-Jährige eigentlich noch ganz gut in Form. Sie muss zwar Medikamente nehmen, weil Sie an Diabetes mellitus und Hypertonie leidet, kann sich aber noch recht problemlos um ihren Ehemann Kurt kümmern, der an einer beginnenden Demenz erkrankt ist und situativ Unterstützung nötig hat. Die beiden freuen sich sehr, wenn sie von einem ihrer drei Kinder oder einem der Enkel besucht werden. Und seit kurzem haben sie sogar Urenkel. Zwar wird bei diesen Besuchen auch immer wieder ein Umzug ins Altersheim oder in ein Pflegeheim thematisiert, aber für Elisabeth ist klar: Solange sie nach Kurt schauen kann, wollen sie beide in den eigenen vier Wänden bleiben. Das alles hört sich nach einer alltäglichen Lebensgeschichte an – und ist doch etwas ganz Spezielles: Elisabeth Brönnimann und ihr Mann Kurt gibt es nicht wirklich, genauso wenig den Kreuzweg 11 in Biel! Die beiden leben als (virtuelle) Hauptfiguren im Living Lab der Abteilung Medizininformatik der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel. Das Living Lab der Berner Fachhochschule ist einmalig in seiner Art, steht im Zentrum der Ausbildung der Studierenden und fungiert als Labor in der angewandten Forschung und bei der Zusammenarbeit mit Projektpartnern. Auf mehreren Etagen sind wichtige Stationen des Gesundheitswesens nachgebildet, mit passenden Geräten, Sensoren und natürlich den dazu­

gehörenden Softwareapplikationen. So gibt es nicht nur Brönnimanns Dachwohnung, in der an zukünftigen Assistenztechnologien geforscht wird, sondern auch die »Klinik Höheweg« mit Operationssaal und Intensivstation, »Dr. Wengers Hausarztpraxis«, die »Kreuzweg-Apotheke« und als Bindeglied zwischen den verschiedenen Leistungserbringenden die E-Health-Plattformen der Zukunft. Brönnimanns Wohnung steht also nicht isoliert da, viel mehr werden in ihr die Integration zukünftiger Assistenzsysteme in die Behandlung und die Prävention erforscht. Dank Vernetzung, Sensorik und Robotik sind in Zukunft ganz neue Arten der Unterstützung im »zu Hause« möglich. Doch was heißt das konkret? Genau auf diese Fragen versuchen die Forschenden in der Medizininformatik der Berner Fachhochschule im Living Lab Antworten zu finden. Ältere Menschen und Technik – ein Widerspruch? Beim Stichwort Robotik werden heute die meisten Menschen hellhörig. »Werde ich in Zukunft durch eine Maschine gepflegt?« ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird. Diese Ängste müssen ernst genommen werden. Gerade ältere Menschen fühlen sich von den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte überfordert. Während Digital Natives die neuen Technologien gewissermaßen mit der Muttermilch eingeflößt erhalten, hat die Generation der heutigen Rentner und Rentnerinnen eine enorme technische Weiterentwicklung mehr oder weniger bewusst miterlebt. Ende des Zweiten Weltkrieges – Computer füllten damals ganze Etagen – ging man davon aus, dass es weltweit einen Markt für ein halbes Dutzend

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Computer gibt. Heute aber sind Prozessoren und Sensoren dank der Miniaturisierung fast überall integriert. Eine aktuelle SmartWatch hat eine wesentlich höhere Rechenleistung als der Computer der Mondlandefähre vor fünfzig Jahren! Dass diese neuen Technologien für jene, die nicht damit aufgewachsen sind, kaum zu verstehen sind, leuchtet ein. Aber gerade auch für diese Generation sollen die Studierenden der Medizininformatik Lösungen erarbeiten, die intuitiv bedient werden können. Dieser Generationsunterschied spielt eine wesentliche Rolle: Wenn Entwickler und Entwicklerinnen Software, Apps oder technische Lösungen entwerfen, denken sie meistens an Menschen wie sie selbst; man spricht auch von people like us: PLUS. Auch die jungen Studierenden neigen dazu, Lösungen für PLUS zu entwerfen. Elisabeth Brönnimann ist aber ziemlich genau das Gegenteil der Studierenden! Wenn wir jetzt eine App für Elisabeth entwickeln wollen, müssen wir zuerst ihre Lebenswelt kennen lernen und ein tiefes Verständnis für die alltäglichen Herausforderungen entwickeln – man kann sehr viel sachgerechter Lösungen erarbeiten, wenn man auch den dazugehörigen Kontext versteht. Und hierbei spielt die Wohnung im Living Lab eine wichtige Rolle. Hier sehen wir Brönnimanns schlafende Katze, Tierbilder und -kalender an der Wand und die Gesamtausgabe von »Grzimeks Tierleben« im Bücherregal und wissen mit wenigen Blicken, wer Brönnimanns sind. Wir tauchen in ihre Welt ein. Die Studierenden schlüpfen gewissermaßen in die Rollen von Kurt und Elisabeth und eignen sich deren Erfahrungshorizont an. Und ab und zu ist Elisabeth persönlich anwesend: Sie wird von Delia, einer über 80-jährigen Rentnerin aus Biel, dargestellt, die gern für Fragen, Interviews oder einfach zum Ausprobieren dabei ist. Wie können wir jetzt Elisabeth zu Hause unterstützen? Wie bereits geschrieben, leidet sie unter verschiedenen chronischen Erkrankungen und muss deshalb jeden Tag mehrere Medikamente einnehmen. Damit Elisabeth immer eine voll-

ständige Liste ihrer Medikamente hat und weiß, welches Medikament sie wann und in welcher Dosierung einnehmen muss, haben Studierende eMMA – die elektronische Medikationsmanagement-Assistentin entwickelt. Diese Smartphone-App kann die Medikamente aus dem eMediplan oder dem zukünftigen elektronischen Patientendossier (EPD) übernehmen. Der eMediplan wird bereits in einzelnen Kantonen eingesetzt. eMMA unterstützt die Patienten bei der regelmäßigen Einnahme ihrer Medikamente. In der App wird dazu ein Conversational User Interface (CUI) eingesetzt, also einen Chatbot, um den Benutzer oder die Benutzerin an die Einnahme der Medikamente zu erinnern. Wurde das Medikament nicht eingenommen, fragt eMMA nach den Gründen, ähnlich wie es Verwandte tun würden, die per SMS mit älteren Menschen chatten. Viele Seniorinnen und Senioren kennen SMS und »WhatsApp« und können eMMA deshalb sofort bedienen, was sich in Tests gezeigt hat. Active and Assisted Living – selbstbestimmt zu Hause leben Und in der Wohnung selbst? Auch hier wird eine möglichst umfassende, für die Bewohner und Bewohnerinnen nicht störende, sondern nutzbringende Unterstützung entwickelt. Active and Assisted Living (AAL) ist ein multidisziplinäres Forschungsgebiet, das zum Ziel hat, mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien älteren und unterstützungsbedürftigen Menschen ein sicheres, selbstbestimmtes und unabhängiges Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Die Forschung für AAL wird in der Schweiz und in anderen europäischen Ländern staatlich gefördert. Viele der heute verfügbaren Technologien konzentrieren sich auf die Erfassung von Stürzen, zum Beispiel mit Bewegungssensoren im Armband. Andere Systeme versuchen, den Gesundheitszustand zu überwachen. Es ist beispielsweise technisch möglich, ein EKG im Bett abzuleiten oder die Menge des Urins und

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Amedeo Modigliani, Young Woman with Red Hair Wearing a Collar / Photo © Christie’s Images / Bridgeman Images

Michael Lehmann, Berner Fachhochschule

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Intelligenter Kleiderschrank

dessen Zusammensetzung in der Toilette zu messen. Es gibt sogar schon Versuche, Hirnstromkurven während eines Vollbades zu erfassen. Wie Umfragen zeigen, wirken viele dieser Ideen aber abschreckend auf ältere Menschen. Es besteht heute Konsens, dass die Forschung in eine andere Richtung gehen soll: Im Zentrum steht die »intelligente Wohnung für ältere Menschen«. Es geht darum, die Sicherheit und Selbstständigkeit der Bewohnenden möglichst lange beizubehalten und damit auch die Angehörigen zu entlasten. Die Zweizimmerwohnung von Brönnimanns im Living Lab wird deshalb schrittweise mit assistierenden Technologien ausgerüstet. Auf Basis von Gesprächen mit Betroffenen hat die BFH Medizininformatik Vorgaben für Projekte entwickelt, die insbesondere den Persönlichkeitsschutz der Menschen zu adressieren versuchen. Dazu gehört beispielsweise, dass kein Monitoring mittels Kameras implementiert wird – auch wenn ein solches technisch sehr einfach zu realisieren wäre. Stattdessen wurden Sensoren in den Fußboden integriert. Diese funktionieren wie der Touchscreen eines Smartphones und messen, wo sich Füße oder ein Körper befinden. Daraus lässt sich berechnen, wie und wohin sich ein

Mensch bewegt. Zurzeit kann ein Alarm ausgelöst werden, wenn jemand bewegungslos auf dem Boden liegt. In weiterführenden Arbeiten soll untersucht werden, ob sich anhand des Bewegungsmusters Veränderungen im Gang erkennen lassen, die auf eine Sturzgefahr hinweisen. Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, einzugreifen, bevor ein Sturz-Unfall passiert. Wegen des demografischen Wandels steigt auch die Zahl derjenigen Menschen, welche Unterstützung beim Bewältigen des Alltags benötigen. Schon heute haben wir in der Schweiz einen Mangel an Pflegekräften im stationären wie im ambulanten Bereich, der sich in den nächsten Jahren sogar noch verschärfen wird. Gleichzeitig ist zum Beispiel die Betreuung von Angehörigen mit Demenz zu Hause aufwendig und psychisch belastend. In Studien wurde festgestellt, dass unter anderem das Ankleiden ein wesentlicher Stressfaktor für die Angehörigen und für die betreuten dementen Menschen ist. In einem weiteren AAL-Projekt der BFH wurde deshalb ein »intelligenter Kleiderschrank« entwickelt, der Kurt Brönnimann Unterstützung beim Ankleiden geben kann. Hinter einem Einweg­ spiegel in der Schranktür ist ein Display integriert.

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D e r M e n s c h s t e h t i m Z e n t r u m    1 7

Michael Lehmann, Berner Fachhochschule

Sobald Kurt Anleitung beim Anziehen benötigt, wird der Bildschirm sichtbar und führt in der richtigen Reihenfolge durch das Ankleiden. Mittels LED-Lichtern wird die Position der Kleidungsstücke angezeigt, damit Kurt sie problemlos finden kann. Dabei erkennt der Kleiderschrank selbstständig, welche Kleider wo im Schrank liegen. Dazu wurde sämtliche Kleidung mit waschbaren RFID-Etiketten (Radio-Frequency Identification) versehen. RFID wird heute eher in der Logistik eingesetzt, wo Warenflüsse verfolgt werden, oder im Einzelhandel, um Diebstahl zu verhindern. Der Schrank kann zusätzlich sensorbasiert auf die Temperaturen in verschiedenen Räumen der Wohnung und draußen zurückgreifen und berücksichtigt die Wetterprognose sowie Kurts Termine, um dann einen passenden Kleidungsvorschlag zu präsentieren. Und wie profitiert Elisabeth vom intelligenten Kleiderschrank? Sie wird für einige Minuten entlastet, wenn Kurt mit dem Anziehen beschäftigt ist. Natürlich sind die in Brönnimanns Wohnung gezeigten Technologien noch Prototypen, in die bis zur Marktreife noch einige Jahre Entwicklung fließen müssen. Dabei ist die enge Zusammenarbeit mit den zukünftigen Bewohnenden zentral. Welche Technologien werden von der Zielgruppe überhaupt akzeptiert? Wie müssen Assistenzsysteme funktionieren, damit sie nicht als überwachend oder störend empfunden werden? Und wie muss ein User Interface gestaltet sein, das als unterstützend erlebt wird? Viele dieser Fragen drehen sich um User Centered Design und Interaction Design. Erst wenn Assistenzsysteme als wahrhaft unterstützend erlebt werden, können wir den Schritt in die Alterswohnungen wagen.

Ein sicherer, durchgängiger Informations­ fluss im Gesundheitswesen Elisabeth Brönnimanns Lebensgeschichte ist auch an vielen weiteren Stationen im Living Lab eingebettet. Wie eingangs erwähnt nehmen die Beschwerden wegen der Hüftarthrose zu und eine Operation lässt sich nicht mehr aufschieben: Elisabeth benötigt ein künstliches Hüftgelenk, das in der Klinik Höheweg eingesetzt werden soll. Und nach der Reha will Elisabeth wieder möglichst rasch zu Kurt nach Hause. Basierend auf diesem Behandlungspfad forschen die Studierenden und Forschenden der BFH, wie in Zukunft die Unterbrechungen im Informationsfluss zwischen den Leistungserbringenden und in Behandlungsprozessen vermieden werden können. Viele dieser Lösungsideen sind im Living Lab umgesetzt und können anlässlich einer Führung ausprobiert werden. Das Gespräch und der Meinungsaustausch mit den Health Professionals und der Bevölkerung ist essenziell. Bei der Entwicklung von Lösungen stehen die Menschen, die diese Lösungen in Zukunft anwenden sollen, im Zentrum. Darum dreht sich im Living Lab alles um Elisabeth, ihre Familie und ihre Behandelnden. Denn Elisabeth Brönnimann steht stellvertretend für uns alle – Elisabeth Brönnimann ist »Frau Jedermann«. Prof. Michael Lehmann, Studium der Humanmedizin in Bern, war in verschiedenen Schweizer Spitälern als Assistenzarzt tätig. 1999 wechselte er in die Medizininformatik und beschäftigte sich mit der Entwicklung von Klinikinformationssystemen. Er ist Professor für Medizininformatik an der Berner Fachhochschule, lehrt und forscht u. a. in den Bereichen eHealth, Informationssysteme, Active and Assisted Living und Internet of Things. E-Mail: [email protected] Literatur Sharp, H.; Peece, J.; Rogers, Y. (2019). Interaction design: Beyond human-computer interaction. Oxford.

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CIRS – ein zentrales Melde- und Lernsystem Saskia Huckels-Baumgart, Ute Buschmann Truffer und Rolf Prions

CIRS – ein Lerninstrument zur Erhöhung der Patientensicherheit Ein Critical Incident Reporting System (CIRS) ist seit vielen Jahren im Gesundheitswesen, vor allem in Spitälern, ein zentrales Instrument des klinischen Risikomanagements, um kritische Ereignisse mit Auswirkungen auf die Patien­ten­ sicher­heit systematisch zu erfassen. Ziel ist es, zu identifizieren, welche Fehler beziehungsweise kritischen sicherheitsrelevanten Ereignisse auftreten, um geeignete Maßnahmen zur Reduktion dieser und folglich zur Erhöhung der Patien­ten­ sicher­­heit umzusetzen (Aktionsbündnis Patien­ ten­sicher­heit 2007, S.  15). Je nach Einrichtung kann die Definition abweichen, was im CIRS erfasst werden soll. In der Regel können Risiken und Ereignisse gemeldet werden, die noch rechtzeitig vor Erreichen des Patienten abgefangen werden konnten oder die Patientin in Form eines Fehlers erreicht haben, ohne einen bleibenden Schaden zu verursachen. Einige Institutionen binden darüber hinaus die Mitarbeitersicherheit und das Melden von Ereignissen durch Patienten in das CIRS ein. Die Organisation und Umsetzung des CIRS kann je nach Einrichtung und Struktur variieren. Das CIRS kann entweder zentral gesteuert werden durch einen einzigen Meldebereich oder bei größeren Organisationen durch mehrere Meldebereiche (meist Fachbereiche oder Kliniken), die jeweils von mindestens zwei CIRS-Verantwortlichen, idealerweise einem ärztlichen und einem pflegerischen Vertreter, betreut werden. Die Meldungen sollten pro Meldebereich gesichtet, hinsichtlich Anonymität und Schweregrad überprüft und in interprofessionellen Sitzungen zeitnah be-

sprochen sowie Maßnahmen abgeleitet und die Umsetzung initiiert werden. In den meisten Institutionen ist das CIRS elektronisch umgesetzt. Voraussetzungen für ein funktionierendes CIRS Eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung und Nutzung des CIRS ist ein sanktionsfreier Umgang mit den Meldungen. Es geht nicht darum, zu hinterfragen, wer der oder die Schuldige beziehungsweise Verursacher des Fehlers war, sondern aus Systemperspektive aus den Ereignissen zu lernen. Darüber hinaus sollte das CIRS anonyme Meldungen ermöglichen oder der meldenden Person freistellen, ob sie ihre Kontaktangaben für Rückfragen und für eine bessere Bearbeitung der Meldung angeben möchte. Aus rechtlicher Sicht bieten elektronische Systeme verschiedene Möglichkeiten, den Meldenden zu schützen, zum Beispiel Anonymisierung und Löschen von Originalmeldungen. So kann auf länderspezifische rechtliche Unterschiede reagiert werden. Wichtig ist hier auch, dass allen Nutzern das Ziel von CIRS bewusst ist und dieses nicht als Patientendokumentation oder »Jammerkasten« benutzt wird. Eine weitere Voraussetzung für ein erfolgreiches CIRS ist die Unterstützung von Seiten der Führungsebene im Arbeitsalltag. Das anonyme und sanktionsfreie Melden von kritischen Ereignissen muss ausdrücklich von der Führung zugesichert und gefördert werden. Dies kann beispielsweise in Form eines Patientensicherheitsmanifests festgehalten werden, in dem die wichtigsten Grundsätze zu Patientensicherheit und CIRS definiert und von allen Leitungsper-

Shamanic painting / G. Dagli Orti / De Agostini Picture Library / Bridgeman Images

sonen unterzeichnet werden. Die Unterstützung von Seiten der Führungsebene ist insbesondere relevant, wenn im CIRS sehr kritische Ereignisse als Einzelfälle oder auch gehäuft auftreten, die auf Systemprobleme hinweisen. In solchen Fällen ist es wichtig, dass alle verantwortlichen Personen zeitnah reagieren und mögliche Lösungsansätze auf den Weg bringen. Ein CIRS kann nur langfristig erfolgreich funktionieren, wenn die Meldenden wahrnehmen, dass die Ereignisse von der Institution und der Leitungsebene ernst genommen werden, Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt werden.

Der Ansatz der Fehlerketten­ analyse ermöglicht eine erweiterte prozessorientierte Betrachtung von kritischen Ereignissen mit dem Ziel, nicht auf einzelne Prozess­schritte zu fokussieren, sondern den gesamten Prozess zu betrachten.

Umgang mit kritischen Ereignissen und mögliche Fallanalysemethoden Vor allem wenn sehr kritische Ereignisse im CIRS gemeldet werden oder in einer Einrichtung auftreten, ist die Definition eines Prozesses sowie ein verantwortungsvoller Umgang durch die beteiligten Personen zentral. In solchen Fällen kann als Unterstützung auch das Angebot eines »Care Teams« hilfreich sein. Diese meist mit psychologischem Schwerpunkt aus- beziehungsweise weitergebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Beteiligten unterstützen, wenn für

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diese als »Second Victim« die Bewältigung des kritischen Ereignisses psychisch eine Herausforderung darstellt. Grundsätzlich sollten solche Ereignisse zeitnah interprofessionell und wertschätzend aufgearbeitet und analysiert werden. Als mögliche unterstützende Analysemethoden können hier beispielsweise das London Protocol (Taylor-Adams und Vincent 2004) oder das Fehlerkettenmodell nach J. Reason (2000) verwendet werden. Das Fehlerkettenmodell eignet sich darüber hinaus für die Analyse von CIRS-Meldungen oder kritischen Ereignissen im Arbeitsalltag. Ziel ist es, für die Analyse und Bearbeitung der Meldungen eine Prozessperspektive einzunehmen und zu identifizieren, wo der auslösende Fehler eines Ereignisses lag, welche Sicherheitsbarrieren gewirkt oder nicht gewirkt haben und welcher Fehler den Patienten erreicht hat oder gegebenenfalls rechtzeitig abgefangen werden konnte.

Dieses Beispiel zeigt, dass der ursprüngliche Fehler bereits bei der Verordnung entstanden ist und sich durch den Medikationsprozess bis kurz vor der Verabreichung fortgesetzt hat. Die Doppelkontrolle war hier die entscheidende funktionierende Sicherheitsbarriere, die den Fehler vor Erreichen des Patienten abgefangen hat. Der Ansatz der Fehlerkettenanalyse ermöglicht eine erweiterte prozessorientierte Betrachtung von kritischen Ereignissen mit dem Ziel, nicht auf einzelne Prozessschritte zu fokussieren, sondern den gesamten Prozess mit den jeweiligen beitragenden Faktoren sowie funktionierenden oder nicht funktionierenden Sicherheitsbarrieren zu betrachten (Huckels-Baumgart und Manser 2014). Ein prospektiver Ansatz von CIRS kann außerdem die Fokussierung auf Risiken beziehungs-

bomg / Shutterstock.com

Fallbeispiel: Heparin wurde vom zuständigen Arzt in der falschen Dosierung verordnet (statt 10.000 UI/24h wurden 10.000 UI/h verordnet), weil das Verordnungssystem diese Verordnung

ohne Warnmeldung zulässt und der Arzt während der Verordnung mehrfach unterbrochen wurde. Eine Auszubildende stellt die falsche Dosierung am Perfusor ein. Der Fehler wird durch die zuständige Diplomierte bei der Doppelkontrolle bemerkt, bevor die falsche Dosierung an den Patienten verabreicht wurde.

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weise im Sinne des Safety-II-Ansatzes (Hollnagel 2018) auf Ereignisse darstellen, die vor Erreichen des Patienten oder der Patientin abgefangen wurden, sogenannten »Erfolgsgeschichten«. Ein Risiko kann beispielsweise die Verwechslungsgefahr von Medikamenten darstellen, die durch eine Produktumstellung entstanden ist, wodurch ähnlich aussehende und klingende Medikamente neu nebeneinander im Medikamentenschrank stehen. Dem kann durch prospektives Melden begegnet werden. Ein rechtzeitig abgefangener Fehler wurde in dem zuvor aufgeführten Fallbeispiel dargestellt. Für die Definition und Kategorisierung dieser Ereignisse eignet sich die Methode von NCCMERP (2014) (Kategorien A und B), die ursprünglich für Medikationsfehler entwickelt wurde, aber auf alle kritischen Ereignisse übertragen werden kann. Der prospektive Ansatz konzentriert sich vor allem auf das frühzeitige Erkennen und Abfangen von Fehlern sowie darauf, mehr Erkenntnisse darüber zu erlangen, warum Ereignisse abgefangen werden konnten und welche Sicherheitsbarrieren hierbei wirksam sein können.

Hinweise auf ethische Fragestellungen sowie Pro­ ble­me und Fehlerkosten geben. Eine engere Verknüpfung von (Patienten-)Sicherheit, Ethik und Ökonomie am Beispiel von CIRS wäre ein inte­ res­santer zukünftiger Ansatz. Dr. phil. Saskia Huckels-Baumgart, Gesundheitsökonomin und promovierte Arbeitspsychologin im Bereich Patientensicherheit, ist freiberufliche Patientensicherheitsexpertin und Vorstandsmitglied der sQmh. E-Mail: [email protected] Dr. med. Ute Buschmann Truffer, Neu­ rochirurgin und Executive MBA an der HSG, ist tätig im Spitalmanagement als Departementsleiterin des Spitalstandorts Wol­husen und Mitglied der Geschäftsleitung des Luzerner Kantonsspitals sowie Vorstandsmitglied der sQmh. E-Mail: [email protected] Rolf Prions, Diplomierter Krankenpfleger und Bachelor of Business Administration, ist Leiter Qualitätsmanagement mit Fokus Klinische Risiken und Patientensicherheit sowie Vorstandmitglied sQmh. E-Mail: [email protected]

Fazit und Ausblick Neben dem Melden von kritischen Ereignissen ins CIRS sollte die offene Kommunikation von Fehlern direkt im Team beziehungsweise in interprofessionellen Besprechungen gefördert werden. Beispielsweise könnte routinemäßig morgens bei Teambesprechungen oder in Mortalitäts- und Morbiditätskonferenzen die Besprechung von ein bis zwei kritischen Ereignissen oder Risiken integriert werden. Das CIRS ist gemeinsam mit Beschwerdemanagement und Haftpflichtmanagement eine wesentliche Quelle, um zentrale Risiken für das klinische Risikomanagement zu identifizieren und einen Transfer in Simulationstrainings und Lernfälle für Fort- und Weiterbildungen zu gewährleisten. Die Berücksichtigung der ethischen und ökonomischen Perspektive erfolgt in den meisten CIRS-Systemen derzeit nur wenig. CIRS-Fälle können auch wesentliche

sQmh = Schweizerische Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheits­ wesen. http://www.sqmh.ch Literatur Aktionsbündnis Patientensicherheit (2007). Empfehlungen zur Einführung von Critical Incident Reporting Systemen (CIRS). Praxistipps für Krankenhäuser. Witten. Hollnagel, E. (2018). Safety-I and safety-II: The past and future of safety management. CRC Press. Huckels-Baumgart, S.; Manser, T. (2014). Identifying medication error chains from critical incident reports: A new analytic approach. In: Journal of Clinical Pharmacology, 54, 10, S. 1188–1197. NCCMERP  – National Coordinating Council for Medication Error Reporting and Prevention (2014). What is a me­di­cation error? http://www.nccmerp.org/aboutMed­ Errors.html. Letzter Aufruf Januar 2014. Reason, J. (2000). Human error: Models and management. In : Western Journal of Medicine, 172, 6, S. 393–396. Taylor-Adams, S.; Vincent, C. (2004). Systems analysis of clinical incidents: The London Protocol. In: Clinical Risk, 10, 6, S. 211–220.

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Algorithmen, Computer und der Mensch im Zentrum Thomas Zwahlen Die Anwendungsmöglichkeiten für Algorithmen im Gesundheitswesen sind breit, die Herausforderungen ebenso. Vom Patientendossier bis zur Infektionsprävention, über rechtliche Fragen und Vorurteile. Wie kann uns die Digitalisierung unterstützen und was müssen wir noch selber leisten? Alle Patientendaten auf einen Blick. Übersichtlich zusammengefasst, mit der Möglichkeit, sie jederzeit nach den aktuellen Bedürfnissen zu organisieren: Das elektronische Patientendossier verspricht in der Diagnostik und der Betreuung von Patienten und Patientinnen breite Anwendungen und erhöhte Sicherheit. Natürlich stellen Neuerungen wie diese aber ethische Fragen und rechtliche Herausforderungen an alle, die sie entwickeln, nutzen und davon profitieren möchten. Die Instrumente sind gestützt auf Computer, die die eigentliche Arbeit verrichten, müssen aber keineswegs undurchsichtig und angsteinflößend sein. Im Universitätsspital Zürich beispielsweise können heute mit Hilfe von Mikrobiolabordaten Vorhersagen zur Verbreitung von Infektionen gemacht werden. Dank moderner Informatik werden diese Wege verfolgt, analysiert und im besten Fall unterbrochen. Das Gesundheitswesen ist sehr zukunftsorientiert und die grundlegende Forschung immer in Bewegung. Es geht aber nicht um Selbstzweck, Sachzwänge oder Fortschritt um des Fortschritts willen. Das Feld ist stark reguliert und nichts wird implementiert, bevor es seine Tauglichkeit bewiesen hat. Gerade um die Begriffe »Algorithmen« und »künstliche Intelligenz« ranken sich dennoch Gerüchte,

Aufgaben, die keine Empathie voraus­ setzen, sollen nicht mehr zwingend von Menschen ausgeführt werden müssen.

Ängste, verschiedene Wahrheiten und Meinungen, die auf unsicheren Informationen basieren. Verunsicherung durch unklar verwendete Begriffe Ich stelle immer wieder fest, dass die Klärung der Begriffe und deren praktischen Bedeutung im Gesundheitswesen große Teile der Verunsicherung abbauen kann. Es geht nicht darum, dass jeder

PopTika / Shutterstock.com

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die wissenschaftlichen Definitionen kennt, sondern lediglich um ein grundlegendes Verständnis. Künstliche Intelligenz und Algorithmen sind beispielsweise keine Synonyme. Künstliche Intelligenz (kurz KI) meint das Forschungsfeld an sich, das sich mit Computersystemen auseinandersetzt, die fähig sind, selbst zu lernen. Dies tun sie oft aufgrund von Algorithmen: Algorithmen sind Programme, die von Softwareentwicklern oder Wissenschaftlern so geschrieben werden,

dass sie bei der Analyse großer Datenmengen dieselben Schritte immer wieder ausführen und daraus Schlüsse ziehen können. Algorithmen sind also oft so gebaut, dass sie sich weiterentwickeln – basierend auf Erfahrungen, die sie in der Anwendung und Berechnung von Daten machen. Aus diesem Machine-Learning muss sich kein möglicherweise bedrohliches Eigenleben entwickeln. Das Programm ist lediglich fähig, Muster in verarbeiteten Daten zu erkennen.

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Paul Klee, The Physiognomy of a Bloodcell, 1922 / Photo © Christie‹s Images / Bridgeman Images

Kein Eigenleben

Der Mensch im Zentrum

Dafür bestehen unzählige, sonst undenkbare Anwendungsmöglichkeiten. Beispielsweise versucht man mit der international angelegten Forschungsinitiative »Mindfire« herauszufinden, wie die menschliche Intelligenz funktioniert. Die Tatsache, dass es sich um von Menschen geschriebene Computerprogramme handelt, birgt aber eben doch das Risiko, dass sich Algorithmen in eine nicht gewollte Richtung entwickeln, möglicherweise schadhaft oder gar unkontrollierbar werden. Dann kann man ihnen aber oft im wahrsten Sinne des Wortes den Stecker ziehen. Maschinelle Intelligenz bedeutet eben kein Eigenleben, sondern grundsätzlich nur die reine Rechenleistung eines Computers. Die menschliche Intelligenz und den Menschen in seiner biologisch-chemischen Komplexität und der Fähigkeit, Emotionen zu haben, mit einer auf Mathematik basierten Maschine zu vergleichen, ergibt deshalb aus meiner Perspektive keinen Sinn.

Alle bisher verwendeten Fachbegriffe sind Teil der Digitalisierung verschiedener Lebensbereiche, die dazu führt, dass früher analog verrichtete Arbeiten heute digital ausgeführt werden können. Bei all der Begeisterung für die sich bietenden technischen Möglichkeiten steht bei der Entwicklung von Informatiklösungen für das Gesundheitssystem für mich immer der Mensch im Zentrum. So ist auch das »Natural Language Pro� cessing« (kurz NLP) ein bedeutungsvolles Feld. Die Interaktion zwischen Mensch und Maschine soll damit möglichst natürlich werden. Hinter der Maschine muss also ein Code stehen, der versteht, was sein menschliches Gegenüber sagt oder geschrieben hat, um diese Informationen verarbeiten zu können. Sinnvollerweise kann sich die Maschine auch merken, was ihr gesagt wurde. Dafür sind komplexe Lösungen nötig, die mit den zuvor beschriebenen Hilfsmitteln technisch umsetzbar sind.

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Bewusste und aktive Nutzung der Möglichkeiten

Künstliche Intelligenz soll lernen, Gefühle zu »vermessen«. Kommunikation und Empathie bleiben die wichtigsten Maximen, speziell im Gesundheitswesen. Je nach Situation wird der Patient oder die Patientin auch mit den besten Algorithmen und lernenden Maschinen immer ein Bedürfnis nach menschlichem Kontakt haben. In technischen Kreisen geht es keinesfalls darum, dies zu verunmöglichen, sondern vielmehr darum, mehr Effizienz zu generieren, damit Menschen hauptsächlich für Menschen da sein können. Höchstes Ziel ist also eine Entlastung des Spital- und Pflegepersonals. Aufgaben, die keine Empathie voraussetzen, sollten also nicht mehr zwingend von Menschen ausgeführt werden müssen. Die Verlässlichkeit von Maschinen bei der Ausübung von »langweiliger« Routinearbeit ist bereits heute sehr hoch. Diese Verlässlichkeit bietet in der allfälligen Hektik weitere Vorteile: Mit höchster Wahrscheinlichkeit rechnet eine empathielose Maschine in einer heiklen Situation schneller und besser eine Medikationsdosis nach als ein Mensch. Verliert der Mensch seine Entscheidungshoheit? Wenn nur noch Maschinen entscheiden, könnte plötzlich Effizienz höher gewichtet werden als andere Werte, die uns Menschen beeinflussen und ausmachen. Gerade »Fake-News« können unvorhergesehene, negative Folgen haben. Grundsätzlich kann einem Algorithmus beigebracht werden, wie er Entscheidungsgrundlagen bewertet. Der Mensch verliert durch die maschinelle Unterstützung seine Entscheidungsfähigkeit nicht, vielmehr muss er sie noch aktiver wahrnehmen und sich klar werden: Was soll einer Maschine beigebracht werden?

Im Gesundheitswesen scheint es mir extrem wichtig, dass das Fachpersonal aktiv auf die Nutzung neuer Tools und Hilfsmittel vorbereitet wird, die auch in Zukunft große Hilfen sein können. Gesichts- und Fingerabdruckerkennung nutzen wir heute schon völlig selbstverständlich zur Identifikation. Auch dabei handelt es sich um Algorithmen, die bestimmte Muster erkennen. Viele Alltagsentscheidungen werden uns auf diese Weise abgenommen: News-Sites organisieren ihre Inhalte nach einem Schlüssel, der unsere Interessen kennt. Streaming-Plattformen schlagen Musik vor, die uns gefallen könnte, aber eben auch jene Songs, die aus wirtschaftlichen Gründen »gepusht« werden sollen. Algorithmen analysieren Beziehungsnetzwerke auf Social Media, bieten neue Freundschaftsvorschläge und fördern so unsere »Abhängigkeit« von der Plattform. Wir entscheiden zwar selbst, was wir konsumieren, die Auswahl stellen uns aber Algorithmen und ihre Programmierer zur Verfügung. Diese Entwicklung kann gefährlich sein. Vornehmlich aber wegen der Menschen dahinter, nicht wegen der Maschinen. Die Frage, welche Aufgaben wir selbst ausführen und welche wir an Maschinen abgeben, ist deshalb vielschichtig. Zur Beantwortung müssten wir verhandeln, was uns überhaupt zum Menschen macht und uns als solchen definiert. Am wichtigsten scheint mir, dass wir die »entscheidenden Entscheidungen« weiterhin und bewusst selbst fällen. Sich in weniger philosophischen Lebenssituationen von Maschinen unterstützen zu lassen, erlebe ich dabei als Gelegenheit für mehr Freiheiten und die Konzentration auf das wirklich Wichtige. Thomas Zwahlen studierte Wirt­schafts­ informatik und ist Gründer und Geschäftsführer der Indema AG mit Schwerpunkt Digitalisierung in Spitälern. Er ist auch Veranstalter des Digital Economic Forums. E-Mail: [email protected]

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Zur Erweiterung des Care-Mix-Ansatzes Barbara Steffen-Bürgi Die alternde Gesellschaft und die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen für die Gesundheits- und Betreuungssysteme sind zunehmend Gegenstand gesundheitspolitischer Diskussionen. Prognosestudien sagen einen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und insbesondere im Bereich der Langzeitpflege voraus. In diesem Zusammenhang erlangt die Thematik der Digitalisierung eine besondere, vielleicht sogar eine herausragende Bedeutung. Dies, weil sich angesichts des demografischen Wandels die Versorgungslage deutlich zuspitzen wird und ergänzende Ansätze notwendig sind. Ein Care-Mix als Lösungsansatz Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird davon ausgegangen, dass die Pflege und Betreuung der Seniorinnen und Senioren zukünftig nur mittels einer gut organisierten und koordinierten Gesundheitsversorgung gewährleistet werden können. Was beim Ansatz der integrierten Versorgung mehr als bisher ins Blickfeld rückt und für die Versorgungssicherheit wesentlich erscheint, wird mit den Begriffen Care-Mix oder auch Pflege-­Mix beschrieben. Das Verständnis des Care-Mixes geht davon aus, dass es verschiedene unterstützende Personen und Berufsgruppen braucht, um auch zukünftig eine hohe Pflege- und Betreuungsqualität zu erreichen. Dabei geht es um die Herausforderung, mit unterschiedlich qualifizierten Personen die notwendigen Pflege- und Betreuungsleistungen so gut wie möglich zu erbringen. Care-Mix bedeutet die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken von verschiedenen Fachpersonen, von Pflege- und Betreuungsassistenz, von qua-

lifizierten Laien, von Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sowie die Mithilfe von Anund Zugehörigen etc. Im Zusammenhang mit der häuslichen Versorgung können insbesondere auch die Menschen in der Nachbarschaft, im Quartier, einen wesentlichen Teil des Care-­Mixes darstellen. Digitale Systeme und technische Assistenz­ systeme als Care-Mix-Komponenten Die digitalen und technischen Assistenzsysteme im gegenwärtigen Care-Mix-Verständnis werden noch nicht umfassend mitgedacht, obwohl sie in zukunftsorientierten Veranstaltungen und Studien als zentrale Elemente der zukünftigen Versorgung von Menschen mit Unterstützungsbedarf dargestellt werden. Wobei sich entsprechend der jeweiligen Perspektive meist auch rasch die damit verbundene Ambivalenz zeigt. Zum einen erscheinen intelligente Technologien verheißungsvoll wie beispielsweise der intelligente Fußboden, der Stürze erkennt, zum anderen sind wir, was den Einsatz von digitalen Technologien betrifft, auch äußerst skeptisch. Denn gerade im Bereich der Pflege und Betreuung stellen Innovationen, das heißt Veränderungen durch neue Ideen und Techniken, uns auch vor die Frage, ob das technisch Mögliche auch das moralisch Vertretbare oder das gesellschaftlich Richtige ist. Beispielhaft können die Diskussionen zum Einsatz von PARO die Baby-Roboter-Robbe genannt werden, welche vor allem in Altersheimen und bei Menschen mit Demenz zum Einsatz kommt. PARO die Roboter-Robbe mit dem kuscheligen weißen Fell, die sich anschmiegen kann, freundlich mit den Augen blinzelt und da-

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bei mit sanften piepsenden Tönen des Wohlbefindens auf die Streicheleinheiten reagiert. Der Einsatz von PARO wird von den einen hochgelobt, von anderen gibt es auch kritische Stimmen. PARO sollte vor allem als Kontaktinstrument eingesetzt werden, um den Zugang zu den in sich zurückgezogenen Menschen mit Demenz herzustellen. Kritikerinnen und Kritiker befürchten indes, dass PARO letztlich ganz als Ersatz für die menschliche Zuwendung missbraucht werden kann. Beide Perspektiven sind ernst zu nehmen, zum einen kann es durchaus legitim sein, PARO als Kontakt- und Zugangsinstrument zu Menschen mit Demenz zu nutzen, zum anderen sollte es nicht soweit kommen, dass infolge fehlender Zeit oder mangels Personals das Bedürfnis nach Zuwendung durch Roboter erfüllt werden soll. Digitale Techniken schaffen Bewegungs­ räume und ermöglichen Freiheit Es gibt dank der Digitalisierung etliche sehr erleichternde und unterstützende Entwicklungen im Bereich der Pflege und Betreuung. Als Beispiel möchte ich die Möglichkeiten von GPS-Personen-Ortungsgeräten erwähnen. Diese Geräte ermöglichen es, dass auch Menschen mit Demenz nicht eingeschlossen werden müssen, sondern sich so weit wie möglich frei bewegen können. So hat uns im Zusammenhang mit einer Studie zu den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen eine Frau erzählt, wie wichtig für sie und ihren Ehemann der Einsatz des GPS-Ortungsgerätes sei. Ihr an Demenz leidender Ehemann könne sich in der Stadt Bern noch gut bewegen, ohne dass seine Sicherheit gefährdet sei. Da er jedoch infolge der Orientierungsprobleme den Heimweg meist nicht mehr finde, wisse sie dank dem Ortungsgerät zu jeder Zeit, wo er sich befinde. So könne sie ihn abholen, wenn sie mit Hilfe des Ortungsgerätes sieht, dass er den Rückweg nicht mehr findet.

Die Möglichkeiten von Alarm-Medaillons oder Armbändern, welche mittels digitaler Technik funktionieren, sind in Pflegezentren, in denen Menschen mit Demenz und Weglaufgefährdung betreut werden, eine nicht mehr wegzudenkende Erleichterung. Die Angst, dass Personen infolge ihrer Orientierungsprobleme zu Schaden kommen könnten, ist für Angehörige und für das Pflege- und Betreuungspersonal gleichermaßen belastend. Doch selbst im Zusammenhang mit den erwähnten Ortungsgeräten und Alarm-­ Medaillons braucht es immer auch empathische und vertraute Personen, um Menschen mit Weglauftendenz wieder zur Rückkehr zu bewegen. Es zeigt sich auch hier, dass digitale Hilfsmittel immer nur einen Bestandteil und eine Ergänzung eines Care-Mixes darstellen können. Sie können Pflegende und Betreuende lediglich in der Wahrnehmung ihrer Fürsorgepflicht unterstützen – mehr nicht. Die Bewahrung von Offenheit und kritischer Reflexion als wichtiges Gut Es geht wie immer in Zeiten des Wandels vor allem darum, Innovationen mit der notwendigen Offenheit, aber auch mit Respekt und einer guten Portion kritischer Wahrnehmung zu begegnen. Offenheit braucht es, wenn darum geht, sich überraschen zu lassen und sich von vorhandenen Überzeugungen zu verabschieden. Dies hat sich im Zusammenhang mit der Idee einer Angehörigen, Frau Bettina Wegenast1, gezeigt. Frau Wegenast hat bei den Besuchen ihrer Schwiegermutter im Heim festgestellt, dass die Kommunikation mit den Besuchten oft zäh und für beide Seiten beschwerlich sein kann. Sie beschreibt dies sehr treffend: »So sitzen wir unserem Angehörigen befangen gegenüber. Wir wissen nicht, was wir noch sagen sollen, nachdem schon fünfmal gesagt worden ist, wie schön das Blumengedeck auf dem Tisch sei«.2 Frau Wegenast kam dann auf die Idee, Computerspiele zu entwickeln, welche auf spielerische Weise die Kommunika-

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tion anregen und erleichtern können. So entstand das Projekt »Myosotis« an der Fachhochschule Nordwestschweiz. In Zusammenarbeit mit Marco Soldati3 und Informatik-Studierenden wurden geeignete Spiele entwickelt, welche auf einem großen Touchscreen-Bildschirm gespielt werden können.

© Bettina Wegenast

Zu ihrem Erstaunen zeigten die Bewohnerinnen und ­Bewohner keine Berührungsängste gegenüber der Technik, sondern ließen sich auf das für sie neue Medium mit Spaß und Vergnügen ein.

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Die Idee, mit betagten und dementen Menschen zu gamen, welche Frau Wegenast den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Pflegeheim des Zentrums Schönberg in Bern erklärte, wurde von diesen zuerst skeptisch aufgenommen. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass alte und demente Menschen, die bisher noch nie mit einem Computer in Kontakt gekommen sind, sich darauf einlassen würden. Doch zu ihrem Erstaunen zeigten die Bewohnerinnen und Bewohner keine Berührungsängste gegenüber der Technik, sondern ließen sich auf das für sie neue Medium mit Spaß und Vergnügen ein. Wie das Beispiel zeigt, können innovative digitale Techniken das Spektrum der bereits vorhandenen Care-Möglichkeiten bereichern und unterstützen. Wesentlich erscheint, dass die digitalen Hilfsmittel verantwortungsbewusst in die jeweiligen Settings eingeführt werden und die Pflege- und Betreuungspersonen die Gelegenheit erhalten, sich mit deren Nutzung kritisch auseinanderzusetzen. Barbara Steffen-Bürgi arbeitet seit 2014 als Pflegewissenschaftlerin und Leiterin des Wissenszentrums am Zentrum Schönberg (ZSB) in Bern. Das Wissenszentrum des ZSB verfügt über einen kantonalen Auftrag, um zukunftsorientierte Projekte in den Bereichen der Demenz-Care und der palliativen Geriatrie durchzuführen. E-Mail: [email protected]

© Bettina Wegenast

Anmerkungen 1 Bettina Wegenast entwickelt Konzepte für Computerspiele und arbeitet als Theaterautorin und ­-produzentin. Während ihrer Lehrerausbildung hat sie mehrere Jahre als Plegehelferin in einem Altersheim gearbeitet. Mit elektronischen Spielen beschäftigt sie sich seit etwa 1990. https:// myosotis.i4ds.net/kontakt/http://fabelfabrik.ch/ 2 https://alzheimer.ch/de/alltag/magazin-detail/99/ueberspiele-ins-gespraech-kommen/{Martin Mühlegg #3} 3 Marco Soldati ist M.Sc.Eng und arbeitet seit 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Technik (HT) der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Hauptberuflich ist er als technischer Leiter und als Soft­ ware-­Ingenieur in mehreren nationalen und europäischen Forschungsprojekten tätig. Daneben betreut er studentische Semesterarbeiten im Bachelor-­und Masterstudiengang und koordiniert die praktische Ausbildung der Berufslernenden in Applikationsentwicklung.

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Dr. Google versus Dr. med. Stefan Leniger im Gespräch mit Reiner Sörries

Sörries: Geben sich diese Patienten eigentlich mit ihren »Dr. Google«-Diagnosen zu erkennen, oder erspüren Sie das erst aus dem Gespräch? Leniger: Die fallen mir in der Regel nicht ins Haus mit den Worten »Herr Doktor, ich weiß was. Ich habe mich schon informiert, ich weiß, was ich habe.« Aber im Gespräch mit den Patientinnen und Patienten und bei der Anamnese kann das schon deutlich werden, dass der oder die Patientin sich schon vorab informiert hat.

from Pixabay

Sörries: Wie gehen Sie mit Patienten um, die sich ihre Diagnose bereits bei »Dr. Google« geholt haben? Leniger: Natürlich rede ich Ihnen das nicht sofort aus. Aber ich versuche schon, meine Patienten und Patientinnen auf den normalen Weg der Diagnose zu führen, ohne dass ich sie vor den Kopf stoße. Ich erkläre Ihnen, dass eine ärztliche Diagnose ihre Zeit braucht. a R iva

Sörries: Wie häufig begegnen Ihnen Patienten, die mit einer Diagnose von »Dr. Google« zu Ihnen in die Praxis kommen? Leniger: Das mag in den letzten Jahren durchaus zugenommen haben, aber ich schätze die Zahl meiner Patienten und Patientinnen, die schon mit einer »Dr.  Google«-­Diagnose kommen, eher gering ein. Nageln Sie mich nicht fest, ich schätze mal zehn Prozent vielleicht.

Sörries: Sind solche »Dr. Google«-Diagnosen in der Tendenz eher richtig oder falsch? Leniger: Man muss solche aus dem Internet gewonnenen Selbstdiagnosen erstmal kritisch betrachten. Kommt natürlich darauf an. Wenn einer einen Schnupfen hat, dann kann er ruhig mit seiner Diagnose kommen, und die stimmt dann wohl auch. Sie wissen, was ich meine: Kritische Betrachtung gilt eher bei komplexeren Krankheitsbildern. Da muss man schon nach den Regeln ärztlicher Kunst das Krankheitsbild abklären. Ein Schnellschuss à la »Dr. ­Google« ist da sicher fehl am Platz.

E lis

Sörries: Herr Dr. Leniger, was fällt Ihnen zunächst zu »Dr. Google« ein? Leniger: Zweifellos gehört »Dr. Google« heute zum Alltag in einer Arztpraxis, und viele Patienten informieren sich im Internet, aber für mich und meine ärztliche Praxis spielt das eine eher untergeordnete Rolle. Das darf man trotz seiner Popularität auch nicht überschätzen.

Sörries: Sind solche »Dr. Google«-Diagnosen für Sie unter Umständen sogar hilfreich? Leniger: Sie müssen sich vorstellen, dass die Erhebung des Krankheitsbildes immer am Anfang ärztlichen Handelns steht, und da ist das Gespräch mit dem Patienten der erste Schritt. Ich muss wissen, wie er sich fühlt, was ihn beschwert.

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Und seine eigenen Vermutungen, woher die Beschwerden kommen, sind allemal wichtig, egal ob sie wie früher aus dem großen Buch der Gesundheit oder heute aus dem Internet kommen. Das ist nicht nur hilfreich, sondern ein wesentlicher Teil der Anamnese. Sörries: Würden Sie Menschen mit bestimmten Symptomen empfehlen, sich schon mal bei »Dr. Google« zu informieren? Leniger: Nein. Ermuntern möchte ich sie dazu eigentlich nicht. Aber ich weiß natürlich, dass ich das auch nicht verhindern kann. Immerhin reden wir heute vom mündigen Patienten. Sörries: Die Bertelsmann Stiftung hat erhoben, dass 52 Prozent der Befragten mit »Dr. Google«-Diagnosen sehr zufrieden oder zufrieden sind. Was sagen Sie dazu? Leniger: Na ja. Da muss man natürlich fragen, was in diesem Fall »zufrieden« heißt. Kann sein, dass sich die Zufriedenheit einstellt, wenn ihre »Dr. Google«-Diagnose durch den Arzt bestätigt wird. Dann ist das ja in Ordnung. Aber wahrscheinlich heißt »zufrieden« in solchen Fällen auch, dass Patientinnen und Patienten die Möglichkeit gut finden, sich selbst zu informieren. Die Information über das Internet wird ja insgesamt von einem Großteil der Bevölkerung positiv bewertet. Sörries: Apropos »bewertet«. Über verschiedene Internetportale werden heutzutage auch die Leistungen der Ärzte bewertet, mit Sternchen, Punkten oder mit Kommentaren. Was halten Sie eigentlich von solchen Bewertungen? Leniger: Von solchen »Bewertungen« halte ich eigentlich gar nichts. Sie bilden immer nur einen winzigen Ausschnitt der behandelten Patienten ab und sind – natürlich – sehr subjektiv. Allenfalls können sie einen vagen Hinweis über den entsprechenden Arzt oder die Praxis geben. Denn auch hier sind »fake news«, positiv wie negativ, nicht zu verhindern.

Sörries: Eine vorletzte Frage. Nutzen Sie eigentlich selbst »Dr. Google«? Leniger: Ja, warum nicht. Früher griff man eben mal auf ein medizinisches Fachbuch zurück, heute geht das schneller und meist auch aktueller über das Internet. Im Gegensatz zu manchen Patienten wissen wir jedoch die seriösen von den unseriösen Seiten zu unterscheiden. Das ist letztlich entscheidend, ob man den Informationen vertrauen kann. Deshalb habe ich schon gesagt, dass ich Patienten nicht aktiv auffordere, im Internet nach ihrer Krankheit zu googlen. Sörries: Nun zuallerletzt noch ein etwas anderes Thema. Vor allem dort, wo Ärztemangel herrscht, glaubt man, das Problem mit Skype oder Videochat beheben zu können. Wie stehen Sie zu einer Diagnose via Bildschirm? Leniger: Ich will mal so sagen: Bei Patientinnen und Patienten, die man aus der Praxis kennt, lässt sich das schon mal machen. Und der Kontakt via Bildschirm ist immer noch besser als nur übers Telefon. Da hat man wenigstens Augenkontakt. Erstkonsultationen via Bildschirm halte ich für problematisch, da habe ich den Patienten schon lieber vor mir. Das gilt natürlich auch, wenn das Krankheitsbild komplexer ist. Sörries: Herr Dr. Leniger, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Dr. med. Stefan Leniger war nach dem Studium der Medizin bis zu seinem Ruhestand 2018 Hausarzt in allgemeinärztlicher Praxis in einer mittelfränkischen Kleinstadt. E-Mail: [email protected]

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Digitalisierung des Tumorboards Meinrad Mannhart Seit einigen Jahren hat die Digitalisierung auch in der Medizin Einzug gehalten und vor allem jüngere Ärzte/Ärztinnen, Pflegende und Patientinnen und Patienten sind mit der digitalen Welt vertraut. Somit werden auch häufig elektronische Mittel wie Smartphones, Tablets, Computer und anderes eingesetzt. Der folgende Artikel stellt am Beispiel der Digitalisierung des Tumorboards die aktuellen Veränderungen und die dadurch entstehenden Möglichkeiten dar. Im Rahmen einer medizinischen Abklärung oder einer medizinischen Behandlung gibt es heute für die meisten Situationen klare Richtlinien und für klare Krankheitsbilder sind die einzelnen Abklärungs- und Behandlungsschritte definiert. Sie sind in der Fachliteratur beschrieben und werden den angehenden Ärzten und Ärztinnen schon im Studium und später in der Assistenzzeit vermittelt und beigebracht. Interdisziplinäre Meinung Komplexe medizinische Krankheitsbilder sind jedoch weitaus schwieriger abzuklären und zu behandeln, denn das Wissen in der Medizin hat in den letzten Jahrzenten massiv zugenommen, sodass eine Übersicht durch einen einzelnen Arzt nicht mehr gewährleistet ist. Somit tritt zunehmend eine Spezialisierung auf, wobei sich einzelne Ärztinnen und Ärzte auf ein Teilgebiet konzentrieren. Komplexe Krankheitsbilder wie Tumorerkrankungen überschneiden die einzelnen Fachgebiete, sodass es wichtig ist, dass mehrere Spezialistinnen und Spezialisten über die einzelnen Abklärungsschritte und Therapien befinden und entscheiden. Das macht regelmäßige Sitzungen, sogenannte Tumorboards, zu einer Notwendigkeit.

Ein Tumorboard (auch Tumorkonferenz genannt) bietet die Möglichkeit, mittels einer Sitzung, bei der verschiedene Ärzte, Experten in unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen, anwesend sind, die vorliegenden Akten und auch die Behandlungsmöglichkeiten eines Patienten oder einer Patientin zu prüfen und miteinander zu diskutieren. Die Fachrichtung der Teilnehmer/-innen eines Tumorboards richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung und der Fragestellung. Regelmäßig vertreten sind dabei Onkologen, aber auch chirurgisch tätige Ärztinnen aus den verschiedenen Fachrichtungen (Chirurgie, Frauenheilkunde, HNO etc.), Radiologen, Strahlentherapeutinnen und Pathologen. Das Ergebnis der Beurteilung und die entsprechende Behandlungsplanung werden als interdisziplinäre Meinung bezeichnet. Dieses interdisziplinäre Festlegen von Behandlungsstrategien und spätere Rückmeldungen über die Krankheitsverläufe stellen einen großen Nutzen für die Patientin oder den Patienten dar. Der Patient selbst ist zwar nicht anwesend bei einer solchen Tumorkonferenz, aber es werden dessen Akten besprochen. Voraussetzungen für ein digitales Tumorboard Die Voraussetzungen für ein digitales Tumorboard sind, dass die entsprechenden Teilnehmer/-innen teamfähig miteinander zusammenarbeiten, die einzelnen Krankenakten offenlegen und auch regelmäßig ein Zeitfenster bereithalten, um an diesen Sitzungen teilzunehmen. Die Vorteile einer solchen Tumorkonferenz liegen auch darin, dass die Ergebnisse schriftlich festgehalten sind und dank der Vielfalt des Teilnehmerkrei-

Robert Delaunay, Relief noir avec des cercles de couleur, 1930 / akg-images

ses breiter abgestützt sind. Dadurch sinkt die Gefahr, dass ein einzelner Arzt ein Krankheitsbild beurteilt, dabei vielleicht wichtige Daten überliest oder allenfalls falsch beurteilt. In einem kooperativen Sinn »schaut man sich gegenseitig auf die Finger«. Das Ergebnis einer Tumorkonferenz wird immer schriftlich festgehalten. Immer häufiger werden auch vom Gesetzgeber Tumorkonferenzen gefordert, um sicherzustellen, dass (zunehmend teure) Therapien wirklich korrekt eingesetzt werden. Tumorkonferenzen regelmäßig durchzuführen hat sich seit den 1980er Jahren langsam durchgesetzt. Früher waren Tumorkonferenzen aufwendig und haben nur an den großen Spitälern stattgefunden, an denen sämtliche Spezialdisziplinen vertreten waren. Dabei wurden fixe Sitzungszeiten festgelegt, zu denen sich die ent-

sprechenden Spezialisten regelmäßig getroffen haben. Die Akten mussten damals vorgängig zusammengetragen beziehungsweise kopiert werden, die Röntgenbilder wurden in einer Röntgenmappe mitgebracht und die Unterlagen wurden mittels eines Hellraumprojektors den anwesenden Ärztinnen und Ärzten gezeigt. Eine Telefonoder Videokonferenz war früher aus technischen Gründen nicht möglich. Der Vorteil damals war jedoch, dass man sich persönlich gegenübersaß, was eine lebendige und persönliche Diskussion ermöglichte. Heute können medizinische Boards digital und somit auch ortsunabhängig durchgeführt werden. Das heißt, dass nicht mehr sämtliche Ärzte vor Ort sein müssen, sondern sich zur gegebenen Zeit über ihren Computer einschalten können und dann für die anderen Teilnehmer

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am Bildschirm sichtbar sind. Dies hat insofern den Vorteil, dass auch entfernt arbeitende Spezialistinnen und Spezialisten nach vorheriger Absprache mit wenig Aufwand zugeschaltet werden können, um sich an der Diskussion zu beteiligen und ihr Wissen einzubringen. Es ist auch möglich, dass sich Hausärzte, die ihre Patienten ins Spital überwiesen haben, dazuschalten, ihre Meinung und ihr Wissen zusätzlich eingeben und sich an der Diskussion beteiligen. Ein Nachteil von Videokonferenzen besteht jedoch darin, dass die Diskussionen schablonenhafter und weniger intensiv ablaufen. Tumorkonferenzen finden heute in der Regel in gemischter Form statt. Das heißt, dass sich einzelne Ärzte nach wie vor persönlich vor Ort in einem Konferenzraum treffen und sich andere Ärzte per Computer videobasiert zuschalten. Unabhängig davon, ob eine Tumorkonferenz digital/videobasiert stattfindet oder im Rahmen einer herkömmlichen Sitzung, muss sie gut vorbereitet sein. Das Leiten eines digitalen Tumorboards Dem Tumorboardleiter liegt eine vorbereitete Liste der zu besprechenden Patentinnen und Patienten und den damit verbundenen Fragestellungen vor. Hilfreich ist, wenn die entsprechenden Befunde (Pathologieberichte, Röntgenbefunde, Diagnoselisten, Laborbefunde etc.) schon vorab an die einzelnen Konferenzteilnehmer/-innen verteilt wurden und sie sich damit auseinandersetzen konnten. Je nach Fachgebiet können so noch vor der Konferenz weitere Abklärungen in der Fachliteratur vorgenommen werden. Sind alle gut vorbereitet und die Diskussion reif für den Behandlungs- und Abklärungsbeschluss, ist dieser nicht nur umfassend wissenschaftlich fundiert, sondern auch gleich dokumentiert. Der Tumorboardleiter verfasst ein Beschlussprotokoll, in dem bei sämtlichen Patienten der Abklärungs- oder Behandlungsvorschlag schriftlich festgehalten ist, inklusive der entsprechenden Literaturangaben, was die

Therapieentscheidung nochmals breiter abstützt und umfassend dokumentiert. Dank diesem Vorgehen und der Technologie ist es heute relativ einfach, sich auch datenschutzkonform mit anderen Spezialisten und Spezialistinnen auszutauschen. Ein Tumorboard wurde bislang dann durchgeführt, wenn entscheidende diagnostische beziehungsweise Behandlungsschritte geplant waren, welche den weiteren Verlauf der Erkrankung mitbestimmen. Mit der Vereinfachung des Tumor­boards mittels Videokonferenz wird dieses Setting auch immer häufiger bei anderen Erkrankungen eingesetzt. Somit ist das Tumor­board nicht nur den Patientinnen und Patienten vorbehalten, welche hospitalisiert sind und sich einer Operation oder einer Chemotherapie unterziehen müssen. Zunehmend werden auch Tumor- beziehungsweise Indikationskonferenzen durchgeführt, an denen weitere Berufsgruppen teilnehmen, wie zum Beispiel die Pflege. Der Patient oder die Patientin muss über alle Inhalte informiert werden, die Gegenstand der Tumorkonferenz waren. Ebenso muss sein/ihr Einverständnis (schriftlich oder mündlich) vorliegen, dass der behandelnde Arzt die Akten mit anderen Ärzten und weiteren an der Konferenz beteiligten Berufsgruppen austauschen darf. Bei allen Vorteilen, die ein digitales Tumorboard hat, gibt es auch Grenzen und Gefahren, die man sorgfältig im Blick behalten muss. Zum einen kann man trotz der Präsenz vieler Spezialisten nicht alle Probleme lösen und zum anderen kann auch in interdisziplinären Entscheidungsgremien die Verantwortung des behandelnden Arztes nicht delegiert werden. Dr. med. Meinrad Mannhart ist Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Medizinische Onkologie. Er arbeitet für die Hirslanden Gruppe am OHZ (Onko-­Häma­to­lo­gischen Zentrum Zug) in Cham (Schweiz) und ist Tumorboardleiter des Brustzentrums Aarau Cham mit 33 Mitgliedern. E-Mail: meinrad.mannhart@hirs­ landen.ch

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Wie wird unsere Zukunft aussehen?! Digitale Tools zur Vernetzung und zu mehr Teilhabe am Leben, Ambient Assisted Living (AAL) und Palliative Care

Karin Eder

Ich bin begeistert! Einfache technische Devices wie ein Tablet/iPad können Menschen im hohen Alter toll unterstützen. Sie aktivieren und halten fit. Dies war für mich der Auslöser, mich näher mit dem Thema Ambient Assisted Living (AAL) zu beschäftigen.

Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Smart Home – vieles ist nicht mehr wegzudenken und manches unterstützt auch im Leben, gerade wenn man krank ist und Hilfe benötigt. Robotik und der digitale Wandel werden oftmals sehr polarisiert betrachtet. Entweder es kommt zum totalen Hype oder zu einer totalen Ablehnung. Im Bereich Pflege und Betreuung zu Hause besteht meist großes Ressentiment dem Thema gegenüber. Gleich fällt einem das Bild des Roboters ein, der pflegt, anstelle menschlichen Kontakts oder man kriegt Angst vor der totalen Überwachung – die Freiheitsbeschränkung durch digitale Systeme tritt in den Vordergrund. Jedoch können smarte Systeme zu Hause auch sehr hilfreich sein und das Sicherheitsgefühl fördern, gerade wenn man allein ist. Ebenso kann das soziale Netz durch digitale Vernetzung und Internet ausgebaut oder erhalten werden. Einsamkeit wird so vorgebeugt. Ambient Assisted Living kann hier viel Unterstützung bieten, besonders bei Menschen mit chronischen Erkrankungen, Einschränkungen und auch im letzten Lebensabschnitt. Jedoch sollte immer der Mensch im Mittelpunkt stehen und nicht die Technologie. Die intelligenten Technologien sollten den einzelnen Menschen in seiner Autonomie und im sozialen Zusammenleben unterstützen und die Sicherheit fördern. Was bedeutet nun Ambient Assisted Living (AAL)? AAL wird definiert als »altersgerechte Assistenzsysteme für ein umgebungsunterstütztes, gesun-

Tori card store / Shutterstock.com

Frau A ist bereits über 90 Jahre alt, sie lebt mit ihrem Mann in Deutschland. Früher sind sie viel gereist, was jedoch seit einigen Jahren nicht mehr möglich ist. Sie ist vor drei Jahren gestürzt und braucht nun Krücken zum Gehen. Ihre beiden Söhne leben im Ausland: einer auf einer Insel in der Karibik und der andere Sohn lebt mit seiner Gattin in Thailand. Trotzdem ist Frau A nicht einsam! Sie kommuniziert mit allen Mitgliedern der Familie regelmäßig nicht nur über Skype, sondern ist auch über Facebook mit allen verbunden – und so treffe ich sie gerade mit dem iPad beschäftigt an, als wir sie in ihrem Haus besuchen kommen. Sie bastelt seit Jahren Schmuck, als Therapie aufgrund ihrer Arthritis. Ihre Schwiegertochter aus Thailand schickt ihr die dafür ausgewählten Perlen, die akribisch von Frau A online vor dem Kauf betrachtet und selbst ausgewählt werden. Die zweite Schwiegertochter hat in ihrem Hotel in der Karibik einen Verkaufsstand für jene Ketten und Ohrringe eingerichtet, die Frau A herstellt. Regelmäßig werden Fotos über das Internet ausgetauscht und auch Informationen, was nun alles schon verkauft wurde und was wieder benötigt wird.

cydonna / photocase.de

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des und unabhängiges Leben«. AAL-Technologien sind Assistenzsysteme, die direkt in das Lebensumfeld des Menschen integriert sind. Es geht bei AAL um den Einsatz von Kommunikations- und Informationstechnologien, die den Alltag von Menschen unterstützen sollen, zum Beispiel von Seniorinnen und Senioren oder Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Grundsätzlich sollten die technischen Systeme beziehungsweise Tools den Benutzer oder die Benutzerin unterstützen, sie sollten den Alltag, die Tagesplanung und Struktur sowie auch das soziale Netz positiv beeinflussen. Ein aufwendiges Erlernen für den Umgang mit den Systemen sollte nicht notwendig sein, so dass auch jene älteren Menschen, die nicht technikaffin sind, damit gut zurechtkommen und nur minimale Schulungen und auch wenig laufende Begleitung brauchen. Es geht also nicht um den Roboter, der die Pflegeund Betreuungshandlungen bei den Menschen zu Hause übernehmen soll, sondern um Unterstützungsmöglichkeiten, um das Leben aktiver und angenehmer zu gestalten. Beispielprodukte am Markt aus der AAL-Forschung Es gibt eine sehr große Anzahl an AAL-Technologieprodukten, die eingesetzt werden können, um den Alltag und die Lebensumstände von Seniorinnen und Senioren zu unterstützen und sicherer zu gestalten, ohne diese selbst zu belasten.

Beispiel smarte Notrufuhr Die Smartwatch-ähnliche Uhr ist ein Notrufsystem mit GPS-Ortungssystem in Kombination. Eine Ortung mittels GPS ermöglicht ein schnelles Auffinden, die Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen, ist gegeben und Kommunikation mit einer Schnittstelle im Sinne einer Leitstelle oder der betreuenden Pflegeperson am Stützpunkt in einer Pflegeeinrichtung ist gewährleistet. Eine Sturzmeldung erfolgt auch als Notrufmeldung durch Alarm, ohne dass der oder die Betroffene den Notrufknopf betätigen muss. Dieses Produkt hat dadurch einen markanten Vorteil gegenüber dem derzeit am Markt vorherrschenden Notrufarmband, dass auch jene Betroffenen profitieren, die es in einem Notfall nicht mehr schaffen, den Notrufknopf selbst zu drücken, wie zum Beispiel Menschen mit Epilepsie oder bei Bewusstseinsverlust. Das Produkt wird derzeit erprobt. WHO iSupport Von der WHO werden einerseits die Unterstützung und Förderung des Zugangs und Gebrauchs von Informations- und Kommunikationstechnologie wie Internet und Smartphone für Pflegende, vor allem sind hiermit pflegende Angehörige gemeint, gefordert. Dies soll den Bereich Edukation, Kompetenztraining und soziale Unterstützung abdecken. Als ein Beispiel wird der WHO iSup-

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W i e w i r d u n s e r e Z u k u n f t a u s s e h e n ? !    3 7

port genannt, ein Trainingsprogramm für Betreuer/-innen und Pflegende von Demenzkranken. Andererseits wird ein Ausbau der Entwicklung der technologischen Innovationen gewünscht, nicht nur hinsichtlich physischem, psychischem und sozialem Bedarf der Menschen mit Demenz im Bereich Diagnosestellung, Krankheitsmonitoring und Assessment, sondern auch hinsichtlich assistiver Technologien wie AAL, um präventiv und assistiv beim Pflegen und im Leben zu unterstützen. Tele-Health-Nurses Digitale Technologien können gerade im Sektor Pflege und Betreuung als Unterstützung eingesetzt werden. So können zum Beispiel Tele-­ Health-Nurses über ihren Monitor mit dem pflegebedürftigen Menschen zu Hause am Bildschirm via Video-Internettelefonie verbunden sein. Das Gespräch mit Bild kann viel mehr Informationen liefern als ein simples Telefonat. Auch ist der Effekt durch diese Kommunikation auf beiden Seiten bemerkbar. Die Pflegefachkraft kann durch die optische Beurteilung bessere Rückschlüsse aus dem Gespräch ziehen und die Betroffenen sehen die Fachkraft, was ein positives Gefühl bewirkt und Sicherheit vermittelt. Sensorensysteme im Pflegebett Unterstützende Technologien können auch dem Pflegepersonal unnötige Arbeitsschritte ersparen und zugleich die Lebensqualität von Betroffenen erhöhen. Zum Beispiel kann mittels Sensoren, welche während des Schlafes die Bewegungen im Bett überwachen, eindeutig die Gefahr eines Dekubitus (Druckstelle durch Wundliegen, weil zu lange nicht umpositioniert wurde) identifizieren und eliminieren. Solange im Schlaf ausreichend Positionsänderungen erfolgen, muss die Pflegekraft nicht umpositionieren und der erholsame Schlaf wird nicht gestört. Das Sensorensystem meldet nur, wenn dies nicht der Fall ist.

Die Pflegefachkraft stört also den Schlafvorgang nicht, was sowohl gesundheitsfördernd wie auch arbeitssparend ist. Wir leben alle in einer digitalisierten Welt, nutzen wir das! Pflegepersonen sollten sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen, um auch in Zukunft die Pflege und Betreuung zu optimieren. Allerdings bedarf es dazu auch ausreichend Unterstützung durch die Organisationen und IT-Fachfirmen. Eine gute Zusammenarbeit mit IT-Anbietern ist Voraussetzung, um sich auf die Pflegearbeit und den Menschen zu fokussieren und nicht auf die digitalen Devices. Conclusio Das Internet macht vieles möglich. Aber nicht alles. Wir sind global verbunden, Teilhabe an Geschehen und beinahe so etwas wie Begleitung auch in der letzten Lebensphase werden mittels sozialer Medien wie WhatsApp, Facebook, ­Skype, E-Mail etc. möglich. Allerdings ist die Wichtigkeit des tatsächlichen menschlichen Kontakts im echten Leben nicht wegzudenken. Trost und Anteilnahme können auch virtuell gegeben werden. Jedoch ist die Qualität einer Berührung niemals dadurch ersetzbar. Ich selbst habe meine Familie in Australien virtuell begleitet, als der Mann meiner Cousine eine Krebsdiagnose bekam. Die Möglichkeiten, durch die globalen Vernetzungen zeitnah Unterstützung trotz der weiten Entfernung zu organisieren und zu beraten, bereichern das familiäre Unterstützungsnetzwerk enorm. Ebenso wird so ein ständiger Kontakt ohne viel finanzielle Investition (im Gegensatz zu der Notwendigkeit einer Reise) möglich. Das Organisieren von Medikamenten über weltweite Kontakte kann die Therapiemöglichkeiten erweitern sowie auch die Informationsvernetzung und damit die reale Vermehrung von Wissen im internationalen

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Karin Eder, BSc, MSc, Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Advanced Practice Nurse, Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege, ist freie Pflegejournalistin und Redakteurin bei »Pflege Professionell« und leitet den Bereich Gerontologie und Validation im Ausbildungszentrum des Wiener Rotes Kreuzes GmbH. E-Mail: [email protected] Literatur Rode-Schubert, C. (Hrsg.) (2012). Ambient Assisted Living – ein Markt der Zukunft. Potenziale – Szenarien – Geschäfts­modelle. Berlin/Offenbach. WHO (2016). Draft global action plan on the public health response to dementia. EB140/28. http://www.lazarus.at/wpcontent/plugins/pdf-viewer-for-wordpress/web/viewershortcode.php?file=http://www.lazarus.at/wp-content/ uploads/2017/06/B140_28-en.pdf&settings=11111111& lang=en-US#page=&zoom=auto)3 (Zugriff am 07.11.2019).

Zhanna Tretiakova

Austausch, und dies alles zeitnah. Das erschließt Möglichkeiten und räumt Barrieren sowie auch Wissensdefizite schnell aus dem Weg und stärkt das Empowerment von Betroffenen ebenso wie von pflegenden An- und Zugehörigen. Doch in der tatsächlichen Situation des Sterbens ist wahre Nähe gefragt. Reiner Internetkontakt ist unterstützend und kann in dieser Situation den pflegenden Angehörigen ein Sicherheitsgefühl vermitteln, aber ein rein virtueller Kontakt ist für die Betroffenen bei weitem nicht ausreichend. Es gilt daher, eine ausgeglichene Balance zwischen virtuellen und realen Unterstützungsmöglichkeiten zu finden. Dies bedarf einer vertieften Forschung und parallel dazu vertiefter Schulung der Anwenderinnen und Anwender.

Doch in der tatsächlichen Situation des Sterbens ist wahre Nähe gefragt. Ein rein virtueller Kontakt ist für die Betroffenen bei weitem nicht ausreichend.

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Die Zukunft der Seelsorge in einer digitalen Welt Norbert Ellinger Wenn wir in zwanzig Jahren auf die Epoche zurückblicken werden, die wir gerade als »Digitalisierung« erleben, werden wir ungläubig den Kopf schütteln. Rückblickend werden wir uns zum einen wundern über eine übergroße Vorsicht und den Kleinmut angesichts der bis dahin kaum vorstellbaren neuen Möglichkeiten digitaler Medien. Andererseits werden wir staunen über die Naivität und Sorglosigkeit, mit der diese Medien in ihrer Anfangszeit genutzt wurden. Das Kopfschütteln wird sich nicht nur auf die Digitalisierung in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur beziehen, sondern auch darauf, wie die Kirchen in Verkündigung und Seelsorge damit umgegangen sind. Kommunikative Revolution Wer denkt, Seelsorge und Digitalisierung hätten nichts miteinander zu tun, hat das Ausmaß der Revolution, die gerade im Gange ist, noch nicht verstanden. In »The Future of the Professions« teilen Susskind und Susskind (2015) die Entwicklung der Kommunikationstechnologie in vier Phasen ein: »Phase 1: mündliche Überlieferung, Phase 2: handschriftliche Aufzeichnungen, Phase 3: Druckprodukte und Phase 4: Informationstechnologie.«1 Jede dieser Phasen war mit einem wesentlichen Entwicklungsschritt menschlicher Evolution und Kultur verbunden: der Entwicklung der Sprache (Phase 1), der Schrift (Phase 2), des Buchdrucks (Phase 3) und der digitalen Informationsverarbeitung (Phase 4). Wir erleben gerade, wie sich letztere auf alle Bereiche menschlicher Kommunikation in nachhaltiger Weise ausbreitet. Davon bleibt die Seelsorge nicht unberührt.

    

Telefonseelsorge: Pionierin medialer Seelsorge Gerade in einem so sensiblen Bereich wie Seelsorge ist es verständlich, dass ein neues Kommunikationsmedium erst einmal Vorsicht und Misstrauen hervorruft. Zu Beginn der telefonischen Seelsorge konnten sich viele nicht vorstellen, ein Seelsorgegespräch zu führen, ohne dem Gegenüber in die Augen blicken zu können. Heute ruft es Bedenken hervor, Seelsorge ohne jeden physischen Kontakt, unter Verzicht auf nonverbale Kommunikation und Hinweise auf den Kontext, aus dem heraus der oder die Ratsuchende schreibt, treiben zu wollen. Die Telefonseelsorge hat sich als die Pionierin darin gezeigt, sich der jeweils modernsten Technologie für Seelsorge und Beratung zu bedienen. Sie fing an, den »Fernsprecher« dafür zu nutzen, als gerade mal 10 Prozent aller Haushalte einen eigenen Telefonanschluss hatten (1956). Und sie war schon im digitalen Raum unterwegs, als Bill Gates das Internet noch nicht für erwähnenswert hielt2: 1995 begannen Telefonseelsorge-Stellen in Hagen, Krefeld und Köln eine Art Briefseelsorge per Internet. Zu dieser asynchronen Art schriftlicher Seelsorge kam 2003 das Angebot der synchronen Seelsorge via Chat hinzu, in dem sich Ratsuchender und Seelsorger verabreden, auf einer dazu geeigneten Website ein schriftbasiertes Gespräch zu führen. Inzwischen bieten von den 105 bundesdeutschen Tele­fon­seel­sorge-­Stellen rund 40 auch per Mail und/oder Chat Seelsorge an. Wurden ganz zu Beginn jährlich rund 350 Mails und 200 Chats geschrieben, waren es im Jahr 2018 28.000 Mails und 15.000 Chats bundesweit. Das sind gegenüber den jährlich rund

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680.000 telefonisch geführten Seelsorgegesprächen geringe, aber wachsende Zahlen. Erfahrungen der Online-Seelsorge Die Chat- und Mailseelsorgerinnen und -seelsorger der Telefonseelsorge machen die Erfahrung, dass sich gerade durch die Reduktion auf das geschriebene Wort seelsorgliche Gespräche mit einer eigenen Charakteristik führen lassen. Die sogenannte »Kanalreduktion« (kein physisch wahrnehmbarer Kontakt, keine nonverbalen Signale, kein erschließender Kontext) führt eine Distanz herbei, die es besonders belasteten Menschen erleichtert, sich zu öffnen. Diese erste Distanz kehrt sich im Laufe des Kontakts in eine besondere Nähe um, wenn es gelingt, eine Beziehung herzustellen. Schon das Telefon hilft dabei, Dinge auszusprechen, die einem nicht über die Lippen kommen würden, müsste man einem anderen Menschen in die Augen sehen. Per Chat oder per Mail wird die Hemmschwelle noch weiter heruntergesetzt. Ratsuchende haben die volle Kontrolle über das Gespräch. Sie geben nur das von sich preis, was sie preisgeben wollen. Sie können ohne Rechtfertigung das Gespräch jeder Zeit beenden. Sie müssen sich nicht der Macht des laut ausgesprochenen Wortes aussetzen, sondern dürfen sich ihren seelischen Nöten nähern, indem sie besonders bedrückende Erlebnisse schweigend in eine Tastatur eingeben. Das ermöglicht es manchem, ein Gespräch überhaupt erst zu beginnen – und das fast an jedem Ort der Welt, per PC, Laptop oder Smartphone. Besonders deutlich spiegelt sich das in der signifikanten Zunahme des Themas Suizidalität in der Chat- und Mailseelsorge: Es ist in der Online-Seelsorge dreimal so häufig vertreten wie am Telefon. Keine Überraschung ist es, dass sich vor allem jüngere Menschen der Online-Seelsorge bedienen. Seit dem sich das Smartphone auch bei Jugendlichen verbreitet hat, wird im Seelsorge-Chat

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Salvador cathedral basilica / Philippe Lissac / Godong / akg-images

Die Telefonseelsorge hat sich als die Pionierin darin gezeigt, sich der jeweils modernsten Technologie für Seelsorge und Beratung zu bedienen.

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sichtbar, unter welchem Druck sie stehen, worunter sie leiden und wie nahe an der Grenze zwischen Leben und Tod sie oft unterwegs sind. Die Seelsorge für die heranwachsende Generation erschließt sich auf dem digitalen Feld. Keine sorglose Seelsorge

Barcelone / Sagrada Familia basilica entrance / Philippe Lissac / Godong / akg-images

Wer also als Pfarrer besonders belasteten Gemeindegliedern per E-Mail beisteht oder Ehrenamtliche des Besuchsdienstes über Intranet mit Anregungen zu ihrem Dienst versorgt, wer als Diakonin mit Jugendlichen über eine Whats­AppGruppe Tag und Nacht verbunden bleibt oder wer als Bischof über Facebook tröstende und ermutigende Worte weitergibt, betreibt Online-Seelsorge – ob ihm oder ihr das bewusst sein mag oder nicht. Die Frage ist deshalb nicht, ob sich Kirche

und Diakonie mit digitalisierter Seelsorge und Beratung beschäftigen sollte, sondern wie. Dabei ist der rechtliche und technische Aspekt besonders wichtig. So begrüßenswert die kreative Nutzung digitaler Medien für die Seelsorge ist, so erschreckend ist die Sorglosigkeit, mit der das noch geschieht. Wer per E-Mail seelischen Beistand leistet, sollte sich bewusst sein, dass auch nur mäßig begabten Hackern das Mitlesen einer E-Mail genauso leicht fällt wie dem Postboten das Lesen einer Postkarte. Auch wie Facebook mit den Daten umgeht, die über Messenger und Whats­App versendet werden, entspricht nicht dem, was das Seelsorgegeheimnisgesetz unter seelsorglicher Verschwiegenheit versteht. Der digitale Raum muss genauso vor absichtlichen oder unabsichtlichen Mitlesern geschützt sein wie ein Amtszimmer vor Mithörern. Es ist daher sehr ge-

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nau zu prüfen, mit welchem Kommunikationsmedium welche Art von Gespräch geführt werden darf. Ein dezidiert seelsorgliches Gespräch ist letztlich nur auf einer technisch extra gesicherten Plattform zu verantworten. So loggen sich auf der Plattform der Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de) Ratsuchende und Seelsorger/ ­-innen auf demselben Server ein und führen in diesem geschützten Raum ihr Gespräch. Nehmen die Kirchen ihre Verschwiegenheitspflicht in der auf digitalem Wege erfolgenden Seelsorge wirklich ernst, werden sie mehr dafür investieren müssen als bisher. Zukunft der Seelsorge in einer digitalen Welt Um für die Online-Seelsorge und -Beratung gerüstet zu sein, bedarf es der Weiterbildung, Vernetzung und Forschung. Inzwischen gibt es von der Deutschsprachigen Gesellschaft für Online-­ Beratung (DGOB; www.dg-onlineberatung.de) zertifizierte Ausbildungen zum Online-Berater. Es gibt Lehrbücher für Online-Beratung (­Kühne und Hintenberger 2009; Knatz 2013; Eichenberg und Kühne 2014; Engelhardt 2018) und eine Fachzeitschrift (www.e-beratungsjournal.net). Die psychologische Wissenschaft hat damit begonnen, onlinegestützte Beratungsverfahren zu entwickeln und auf deren Wirkung hin zu evaluieren. Krankenkassen unterstützen den Aufbau von automatisierten Beratungsangeboten, welche erstaunlich positive Ergebnisse vorweisen (zum Beispiel der »DepressionsCoach« der Techniker Krankenkasse; www.tk.de). Ob Computer und künstliche Intelligenz jemals die lebendige Begegnung von Mensch zu Mensch ersetzen können, darf bezweifelt werden, auch wenn massiv in künstliche Intelligenz investiert wird. Doch in Zukunft werden sich die Kommunikationswege je nach persönlicher Neigung, Thema und Technik ausdifferenzieren. Sie sollten alle von der Seelsorge auf verantwortungsvolle Weise genutzt werden können.

Die Telefonseelsorge hat ihre Weichen dementsprechend gestellt. Bis Ende 2019 wird sie eine Krisen-App zur Suizidprävention entwickelt haben. Sie bietet akut Gefährdeten Informationen über Krisen, eine Tagebuchfunktion, Ressourcensammlungen und direkten Kontakt zur Telefonseelsorge. Die Technik scheint sich in Richtung einer Multichannel-Lösung zu entwickeln. So hat die Telekom – der mit Abstand größte Sponsor der Telefonseelsorge – ihr von der Telefonseelsorge verwendetes Tool für gewerbliche Anbieter weiterentwickelt. Es ermöglicht Kunden, über das von ihnen bevorzugte Kommunikationsmedium mit dem Kundenservice in Verbindung zu treten: per App, Chat, Mail, Telefon oder persönlich. Wenn sich die Menschen an diese Art der Kommunikation gewöhnen, wird es die Seelsorge auch tun. Norbert Ellinger, Pfarrer, Systemischer Supervisor (vft), Online-Berater (DGOB), ist Leiter der Evangelischen TelefonSeelsorge München im ebz und Mitglied im Vorstand der Evangelischen Konferenz für TelefonSeelsorge und Offene Tür e. V. E-Mail: [email protected] Website: www.ebz-muenchen.de

Literatur Eichenberg, C.; Kühne, S. (2014). Einführung Onlineberatung und -therapie. Grundlagen, Interventionen und Effekte der Internetnutzung. München. Engelhardt, E. (2018). Lehrbuch Onlineberatung. Göttingen. Knatz, B. (2013). Handbuch Internetseelsorge. Grundlagen – Formen – Praxis. Gütersloh. Kühne, S.; Hintenberger, G. (2009). Handbuch Online-Beratung. Psychosoziale Beratung im Internet. Göttingen. Susskind, R.; Susskind; D. (2015). The future of the professions. How technology will transform the work of human experts. Oxford. Anmerkungen 1 In: »Bildung 2030  – veränderte Welt. Fragen an die Bildungspolitik«. Gutachten des Aktionsrats Bildung, 2017, S. 75. 2 In der 1. Ausgabe seines 1995 erschienenen Buches »The Road Ahead« war ihm das Internet noch keine Erwähnung wert. Vgl. Wikipedia »Geschichte des Internets« (Zugriff am 12.6.2019).

Digitalisierung

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Psychotherapie 2.0 Online-Therapie – Fluch oder Segen?

Claudia Weidinger Die digitale Welt ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Ob wir im Auto unser Navigationssystem verwenden, schnell mal ein Foto über einen Instant-Messenger-Dienst versenden oder im World Wide Web eine Information abrufen, die Anzahl der Dienstleistungen, Medien und Programme, die inzwischen weltweit in digitalisierter Form existieren, steigt täglich. Aktuell nutzen in Deutschland 96 Prozent, in der Schweiz über 93 Prozent und in Österreich über 87 Prozent der Bevölkerung das Internet1, da ist es naheliegend, dass dieser Trend auch vor der Psychotherapie nicht Halt macht. Online-Therapie mit Cosima Obwohl ich einige dieser Online-Programme und Internet-Dienste privat nutze und eine Technologiebefürworterin bin, erinnere ich mich an mein Zögern, als mich eine Klientin fragte, ob ich auch Online-Therapie anbiete. Sie war kurz davor, mit ihrem Mann ins Ausland zu gehen, und wollte in dieser Phase von mir begleitet werden. Ich war mir nicht sicher, ob es möglich wäre, gut in Kontakt zu kommen, da ich mit der Person nicht im selben Raum sitzen würde. Viele Aspekte der nonverbalen Kommunikation könnten verloren gehen, ganz zu schweigen vom Händedruck zur Begrüßung, der auch oft ein wichtiger Indikator ist, wie es jemandem gerade geht. Ich bot ihr an, für einen Monat eine wöchentliche Therapiesitzung zu versuchen und dann gemeinsam zu entscheiden, ob wir weitermachen wollen. Ich entschied mich für Skype, den Marktführer für Videotelefonie – sowohl vom

technischen Standard, der Stabilität während des Telefonats und auch von der Qualität des Augenkontakts für mich die beste Wahl. Meine Klientin Cosima (Name geändert) und ich starteten unsere wöchentliche Therapiesitzung, sechs Wochen bevor sie und ihr Mann nach Australien auswanderten. Er war beruflich dorthin versetzt worden und sie hatte noch keine Ahnung, was sie mit sich dort anfangen würde (wie sie ihren Alltag gestalten würde, welche Herausforderungen auf sie zukommen würden). Wir trafen uns schon von Anfang an im Videochat, auch als sie noch in Wien war. Zukünftig werde ich diese Vorgangsweise beibehalten, denn so war die Therapiestunde eine Konstante bei so viel Neuem, das die Klientin erwartete. Ich war überrascht, wie schnell ich den Bildschirm vergaß und wie gut ich mitschwingen konnte. Natürlich war es eine neue Situation in meinem psychotherapeutischen Setting und dennoch war es der Klientin und mir möglich, die Bedingungen zu schaffen, die notwendig sind, um einen psychotherapeutischen Prozess in Gang zu bringen. Für mich persönlich sind bei dieser Form der Therapie die Rahmenbedingungen noch wichtiger als sonst. Ich verwende einen 15-Zoll-Bildschirm und Kopfhörer, um mich noch mehr auf die Umgebung, die Geräusche, die Zwischentöne und die Stimmung der Klientin einzulassen. Ich sitze in meiner Praxis in meinem gewohnten Sessel und habe meinen Tee vor mir stehen. Ich schaffe eine Situation, die sich so wenig wie möglich von meinem üblichen Therapie-Setting unterscheidet. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass

Lorelyn Medina / Shutterstock.com

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ab und sie lebt immer noch mit ihrem Mann in Melbourne und hat sich ein soziales und berufliches Leben aufgebaut. Ich habe seit sechs Monaten nichts mehr von ihr gehört und das ist für mich ein gutes Zeichen.

Möglichkeiten und Chancen

Therapeutin online ist, mit dem/der ich mich sofort – manchmal sogar kostenfrei – austauschen kann. Man sieht, welche Fragen zu einem speziellen Thema bereits diskutiert wurden, und gegebenenfalls kann man einen Termin für ein Therapiegespräch vereinbaren. Vielleicht ermöglichen Online-Therapieangebote, dass sich Personen mit einem psychischen Leidensdruck schneller an Experten wenden, um sich Hilfe zu suchen. Und eine Behandlung, die so früh wie möglich beginnt, ist schneller wirksam. Ein Muster, das sich über viele Jahre manifestiert hat und vom Klienten oder der Klientin perfektioniert wurde, ist schwieriger zu verändern als eine Symp­tomatik, die noch recht jung ist.

imago images / Niehoff

ich privat regelmäßig über Videotelefon kommuniziere, darum ist mir diese Form des Gesprächs genauso vertraut wie für viele andere ein normales Telefonat. Cosima und ich schlossen den therapeutischen Prozess nach einem knappen Jahr

Etwa zwei Drittel der deutschen Internetnutzer/-innen konsultieren das Netz bei Gesundheitsfragen und für 43,7 Prozent wäre das Internet bei psychischen Problemen eine Anlaufstelle. Immerhin 28,2 Prozent der deutschen Nutzer/ ­-innen würden im Bedarfsfall auch online Rat und Hilfe suchen und gegebenenfalls psychologische Online-Tests recherchieren, um ihr Problem besser einschätzen zu können (Eichenberg, Wolters und Brähler, 2013). Ich denke, es ist immer noch schwierig, sich bei psychischen Problemen einzugestehen, dass man Hilfe braucht. Trotz aller Aufklärung und steigender Zahl von Burnout und Depressionserkrankungen ist es immer noch ein Stigma, psychisch krank zu sein. Die Hemmschwelle für einen Erstkontakt ist bei Online-Therapieangeboten sicherlich geringer und leichter zu bewältigen, als das Telefon in die Hand zu nehmen und jemanden anzurufen. Online-Therapie ist 24/7 erreichbar; gerade bei akuten Krisen, die häufig mitten in der Nacht oder an Feiertagen auftreten, kann man auf diversen Plattformen feststellen, ob gerade ein Therapeut oder eine

Risiken und Nebenwirkungen Wie bei jeder neuen Entwicklung gibt es auch bei Online-Therapieangeboten nicht nur positive Aspekte. Bereits das Recherchieren im Netz birgt Risiken, denn viele Informationen sind schlicht und ergreifend falsch. Fehlinformationen und Fachausdrücke können Hilfesuchende rasch überfordern. Eine Face-to-Face-Situation findet nicht

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statt, die bei einigen diagnostischen Verfahren einfach nicht wegzudenken ist, wenn diese seriös durchgeführt werden. Es gibt auch Klientinnen und Klienten, bei denen Online-Therapieangebote nicht hilfreich sind. Zum Beispiel wenn bei einem Klienten oder einer Klientin durch den Ausfall von Internetverbindungen oder durch das Warten auf eine Antwort per Mail Verlustängste ausgelöst werden. Auch bei einigen Suchterkrankungen halte ich das Medium Internet für nicht hilfreich. Nicht zu vergessen ist der Datenschutz. Diskretion und absolute Verschwiegenheit zählen zu den wichtigsten Faktoren für einen guten psychotherapeutischen Prozess. Ein hoher technischer Standard, der die Inhalte verschlüsselt, ist absolut unabdingbar. Das beginnt schon bei E-Mails und wie die Personendaten der Klienten und Klientinnen im Adressbuch des Therapeuten oder der Therapeutin gespeichert werden. Ich habe kein WhatsApp oder Facebook, weil diese Dienste das gesamte Telefonbuch in eine Cloud hochladen und das meiner Meinung nach aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich ist. Jeder Klient, jede Klientin und jede Therapeutin, jeder Therapeut muss sich bei der Nutzung von Online-Therapieangeboten bewusst sein, dass es trotz Absicherung nach bestem Wissen und Gewissen im Netz keine hundertprozentige Sicherheit geben kann. Auch wenn ein Hacker­ angriff auf ein persönliches Videotelefonat oder die eigenen E-Mails eher unwahrscheinlich ist, ist er möglich und schon die größten und sichersten Server weltweit wurden von Computer­hackern geknackt. Persönliches Resümee Ich werde mich aus heutiger Sicht nicht auf Online-Therapie konzentrieren oder spezialisieren, da ich die Face-to-Face-Situation für enorm wichtig halte und am liebsten so arbeite. Dennoch bin ich froh, dass ich dieses zusätzliche Angebot machen kann. Sei es, weil Klienten und Klientin-

nen einen längeren Kuraufenthalt haben und im Kontakt bleiben wollen oder weil sie wegen einer Grippe nicht das Haus verlassen können, aber nicht auf ihre Therapiesitzung verzichten wollen. Momentan gibt es vor allem bei Psychotherapieplätzen, die von den Kassen bezahlt werden, enorme Engpässe und lange Wartezeiten. Ich hoffe, dass Online-Therapieangebote dazu beitragen, die Versorgungsdichte zu erhöhen und die Wartezeiten für Hilfesuchende zu verkürzen. Ob dann aus einem Erstkontakt eine Online-Therapie wird oder diese nur der Einstieg in eine klassische Face-to-Face-Therapie ist, hängt ganz von dem Klienten oder der Klientin sowie von der Therapeutin oder dem Therapeuten ab. Ich wünsche mir, dass Online-Therapie als Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten gesehen und eingesetzt wird und dass noch viele seriöse und professionelle Plattformen und Programme entstehen, die den Klientinnen und Klienten eine gute Unterstützung und Hilfestellung bieten.

Auswahl an Internetangeboten www.justanswer.de/psychologie/ www.besthelp.at/ www.mentavio.com www.betterhelp.com/

© monika saulich

Claudia Weidinger arbeitet seit 2008 mit Menschen. Anfangs vor allem über den Körper als Masseurin, Yoga- und Entspannungstrainerin und seit 2017 als Personzentrierte Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision in eigener Praxis in Wien.

E-Mail: [email protected] Website: www.psychotherapieweidinger.at Literatur Eichenberg, C.; Wolters, C.; Brähler, E. (2013). The internet as a mental health advisor in Germany. Results of a National Survey. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0079206 Anmerkung 1 https://internetworldstats.com/stats.htm

Digitalisierung

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Online Selbsthilfegruppen Welche Bausteine tragen zum Gelingen bei?

Anna Caroline Türk Seit 2014 lädt die Netzwerkstatt Krebs (NWSK) regelmäßig junge Krebserkrankte zu verschiedenen bundesweiten Workshops ein. Online-Treffen wurden zunächst nur angeboten, um die Zusammenarbeit und Vernetzung der aktiven Teilnehmenden zusätzlich zu unterstützen. Als sie erlebten, wie einfach Online-Treffen sind, beschlossen sie außerdem, eine eigene Online-­ Selbsthilfe­gruppe (SHG) zu gründen. Diese SHG ist sowohl für aktive Mitglieder der NWSK offen als auch für neue Interessierte und Betroffene. Die SHG trifft sich jeden Monat mit sieben bis zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmern und wurde 2018 als Preisträger beim Ideenwettbewerb Ehrenamt 4.0 ausgezeichnet. In meiner Rolle als ihre Begleiterin unterstütze ich die NWSK bei der Konzeption und Durchführung ihrer Treffen. Im Folgenden stelle ich die Bausteine vor, die aus meiner Perspektive zum Gelingen der SHG beitragen. Die Technik Die SHG gleicht einer Videokonferenz – im Gegensatz zu Online-Foren ist es ein Treffen mit klarer Anfangs- und Endzeit. Die Teilnehmenden sind per Computer, Tablet oder Mobiltelefon verbunden. Für das Treffen schalten sie ihre Kamera an, so dass sich alle sehen können. Das kann einige

verunsichern, während andere schon aus anderen Kontexten daran gewöhnt sind. Bevor es offiziell losgeht, gibt es daher jedes Mal die Möglichkeit für einen Technik-Check. Die Veranstalterinnen Drei Frauen der Netzwerkstatt initiierten die Online-Gruppe und haben zunächst gemeinsam mit mir ihre Rolle, ihre Vision und die Rahmenbedingungen geklärt. Als Veranstalterinnen laden sie zu den Treffen ein und begrüßen zu Beginn die Anwesenden. Danach sind sie Teilnehmerinnen, die auch Themen einbringen können, ich übernehme die Begleitung des Treffens. Die Begleiterin

Als Begleiterin ist es meine Aufgabe, mithilfe technischen KnowHows, emotionaler Intelligenz und methodischer Expertise, trotz örtlicher Distanz Vertrauen, Nähe und authentisches Miteinander zu ermöglichen und während des Treffens darauf zu achten, dass der ganze Mensch beteiligt wird. Zurzeit bilde ich Teilnehmende der NWSK zum Thema Online-Treffen aus, so dass die Rolle der Begleiterin in Zukunft auch von Betroffenen übernommen werden Alle Abbildungen kann. © Kathrin Lubig

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Die Methode

Der ganze Mensch

Um ein wertschätzendes und offenes Klima zu schaffen, nutze ich die Methode Whole Person Process Facilitation (deutsch: ganzheitliche Moderation) des Genuine Contact Programms. Dieser ganzheitliche Organisationsberatungsansatz legt das Hauptaugenmerk auf authentische Begegnungen. Im Folgenden stelle ich einige Bausteine der Methode vor.

Der ganzheitliche Ansatz betont, dass Menschen zu gleichen Teilen aus Körper, Verstand, Emotionen und Intuition/Spiritualität bestehen und dass wir diese Aspekte gleichermaßen benötigen, um zu lernen, zu leben und Veränderungen zu meistern.

Der Kreis Der Kreis ist die Urform menschlichen Zusammenkommens und ermöglicht Kommunikation auf Augenhöhe. Auch im Online-Meeting setzen wir uns in einen Kreis. Ich bitte alle, einen Kreis auf ein Papier zu zeichnen und sich selbst und die anderen Teilnehmenden im Kreis zu platzieren. Obwohl alle allein zu Haus sitzen, sind wir jetzt im Kreis miteinander verbunden. Das gibt Orientierung und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.

Aus der Schul- und Arbeitswelt sind wir es gewohnt, dass hauptsächlich der Verstand angesprochen wird. So bleibt ein Großteil unseres Potenzials verborgen und zwischenmenschlichen Beziehungen bleiben funktional und oberflächlich. Diese Methode ist anders – hier liegt der Fokus darauf, Raum für authentische Begegnungen mit sich selbst und den anderen und auf allen vier Ebenen zu schaffen, eine einladende Haltung unterstützt dies zusätzlich. Die Einladung Zu Beginn des Treffens ist die erste Hürde bereits genommen: Alle haben die Technik gemeistert. Jetzt geht es darum, den Fokus wieder auf

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die individuellen Anliegen und Fragen der Beteiligten zu lenken. Nach der Begrüßung durch die Veranstalterinnen eröffne ich das Treffen oft mit dem Ton einer Klangschale, um die Anwesenden zu fokussieren und ihre Aufnahmefähigkeit zu stärken. Ich lade sie ein, ihre Körper wahrzunehmen, die Schultern und Zehen zu bewegen und tief durchzuatmen. Anschließend stelle ich eine Frage, zum Beispiel: »Wofür bist du heute dankbar?«, über welche die Teilnehmenden kurz in Stille reflektieren. In der folgenden Ankunftsrunde können sich alle persönlich vorstellen und dabei auf die Frage Bezug zu nehmen. Die Geschichten, Anekdoten und Reflexionen der Teilnehmenden zeigen deren Vielseitigkeit und setzen einen positiven Ton für das gesamte Treffen. So wird bereits in den ersten Minuten des Treffens der ganze Menschen angesprochen: Körper, Geist, Emotionen und Verstand. Nach der Ankommensrunde bitte ich alle, Anliegen oder Fragen zu nennen, die ihnen unter den Nägeln brennen. Bevor wir thematisch einsteigen, sammeln wir die Themen und legen die Reihenfolge fest. Dann gibt es jeweils so viel Zeit wie gewünscht – meist etwa sieben bis fünfzehn Minuten. Zuerst schildert die Person ihr Anliegen. Anschließend teilen alle ihre Erfahrungen und ihr Wissen. Zum Abschluss kann die Person teilen, was sie gelernt hat und vom Austausch mitnimmt. Vor der Abschlussrunde nutzen die Veranstalterinnen die Gelegenheit, nächste Termine und aktuelle Informationen allen mitzuteilen. In der Abschlussrunde lade ich die Teilnehmenden ein, zu erzählen, was ihnen zu der Frage »Wie war’s heute für mich?« einfällt. Dann ist das Treffen vorbei. Das Redeobjekt Bei der Ankunfts- und Abschlussrunde und zur Reflexion der persönlichen Anliegen nutze ich

gern ein Redeobjekt zur Strukturierung und Entschleunigung des Gesprächs. Als Redeobjekt wähle ich einen Stift oder ein schönes Natur­ objekt und lege es in unsere virtuelle Mitte. In den Online-Treffen verwenden die Teilnehmenden gern persönliche Glücksbringer, denn hier müssen alle ein eigenes Redeobjekt mitbringen. Redeobjekte stellen sicher, dass alle ausreden können und ihnen zugehört wird, und stärken die Eigenverantwortung: Alle entscheiden selbst, ob und wann sie etwas sagen möchten. Ich lasse das Objekt bewusst länger liegen, so dass immer wieder Stille entsteht. So finden sowohl Extrovertierte als auch Introvertierte Zeit zum Sprechen. Die Stille Die wiederkehrende Stille unterstützt die Menschen, mit sich und ihren Gedanken und Fragen in Kontakt zu treten und zu reflektieren. Stille ist in Gruppen eher ungewohnt oder sogar negativ belegt. Um die Angst davor zu nehmen, betone ich, dass sie hier dazu dient, die eigenen Gedanken zu sammeln. Regelmäßige Stille unterstützt unser Lernen. Probieren Sie diese Bausteine gern sowohl offline als auch online aus! Sie werden auf jeden Fall viel über sich selbst und den Umgang mit Veränderung und Gruppen lernen. Anna Caroline Türk ist Unternehmensberaterin, Facilitator für Großgruppenprozesse mit bis zu 800 Teilnehmenden und Personal Leadership Coach. Sie ist zertifizierte Trainerin des Genuine Contact Programms und bietet regelmäßig © Jasmin Schuller Trainings in Europa und den USA an. Sie lebt in ihrer Geburtsstadt Berlin, praktiziert Buddhismus, liebt Radfahren, Kochen und verbringt gern Zeit mit Freunden und der Familie. E-Mail: [email protected]

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Digitale Tränen Wie Menschen in Trauer im Netz aufgefangen werden können

Carola Scherf Ich bin bei einer Session bei der re:publica in Berlin, einer der wichtigsten Digitalkonferenzen der Welt. Viele Menschen sind im Raum. Trotzdem ist die Atmosphäre erfüllt von Stille. Fast andächtig ist die Stimmung. Es geht um Trauer im digitalen Raum. Der Anlass ist der Tod von Mitgestalterinnen und Mitgestaltern der re:publica. Die Netzgemeinde trauert. Und zu meiner großen Überraschung: Sie weiß nicht so richtig, wie. Ich befinde mich mitten in einem digitalen Großereignis, bei dem einmal im Jahr Fortschritt, Technik und immer noch weitere Grenzüberschreitungen des Menschenmöglichen gefeiert werden. Und die Teilnehmenden sind ratlos angesichts der Grenzen des Lebens. Das ist kein Wunder: Tod, Trauer und Ohnmacht können in die eigene Welt einbrechen, ohne dass Menschen darauf vorbereitet sind. Das Bedürfnis danach, all das in Ritualen bewältigbar zu machen, ist etwas sehr Menschliches. Dem Unsagbaren Sprache verleihen und dem Schmerz Würde, ist manchmal lebensnotwendig, wenn die Krise ohne Gnade zuschlägt. Das Unfassbare schreit nach Sinn. Und der Antrieb, geliebten Menschen einen Ort im Leben zu geben, ist groß. • Es gibt Menschen, die nehmen Video- und Audiomaterial ihrer verstorbenen Lieben und programmieren Bots daraus, die selbstständig auf Interaktionen reagieren können – und zwar auf unterschiedliche Familienmitglieder jeweils anders. • Im Open-World-Spiel »Minecraft« erschließen sich die Spielenden schon länger digitale Räume für ihren Wunsch nach Gedenken an verstorbene Mitspieler und Mitspielerinnen.

Hier werden online virtuelle Fried­höfe und Kirchen gebaut. Orte, zu denen man kommen kann, um sich zu erinnern, und die für das Ritual bestimmt sind. • Sehr traditionell und trotzdem online gab es bei der Church of England die Möglichkeit, auf Twitter und in anderen sozialen Medien eine Kerze für geliebte Menschen digital anzuzünden. • Die Online-Kondolenzbücher der Bestatter und Bestatterinnen werden immer mehr angenommen, und der Hinweis der Institute an die Kirchen ist deutlich: Da geht noch mehr. Der Bedarf ist da. Menschen, die traurig sind, sind im Internet genauso anzutreffen wie draußen auf der Straße. Allerdings habe ich als Seelsorgerin bei Leuten, die ich mit Klarnamen und in ihren persönlichen Bezügen kenne, nicht so große Chancen, ihnen über den Kontext von Trauerfeiern hinaus genau im richtigen Moment zu begegnen. Seelsorge im echten Leben ist meistens mit Gesprächen im Vorbeigehen, am Supermarktregal oder beim Kaffeetischdecken verbunden. Meistens wissen die Menschen gar nicht, dass sie in diesem kurzen Wortwechsel gerade Seelsorge erfahren haben. Die Grundhaltung, die immer noch die meisten Leute in unserem Kulturkreis von klein auf anerzogen bekommen, ist, dass es eine Schwäche ist, Hilfe für die Seele zu brauchen: »Ich doch nicht.« Traurig sein darf man eigentlich nicht. Zumindest nicht über einen bestimmten (Zeit-)Rahmen hinaus. Auch wenn oft eher das Gegenteil thematisiert wird: Das Internet kann Menschen auch Schutz

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www.mathiaslysssy.de

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geben. Gerade in Trauer und Krisensituationen können Formen des Ausdrucks von Trauer in anonymisierter Form hilfreich sein. Aber auch der Austausch mit Menschen, denen es ähnlich geht, oder das Erlebnis von Solidarität kann über Social Media als stärkend und unterstützend erfahren werden. Es ist egal, ob ich mit einem anonymen Ava oder mit meiner richtigen Identität im Netz auftrete: Ich kann meine Tränen in digitaler Form ausdrücken. Inter-Net heißt »Zwischen-Netz«: Ich darf als Pastorin in der Es steht für die Verbindung #digitalenKirche auf Twitter von Mensch zu Mensch über oft beobachten, wie es gelingt, dass Userinnen und User eindas World Wide Web. ander beistehen. Einfach nur durch freundliche Antworten, Segens-Emojis oder durch ein »Das kenne kultur sind die Kompetenz und das Potenzial ich auch«. Auch auf Facebook-Seiten, in Face- der Kirche hoch. Im Netz sind die Möglichkeiten book-Gruppen und in anderen Internetforen fin- groß, sowohl Ausdrucksformen als auch persönden sich vermehrt Trauernde zusammen, um sich liche Begleitung zu schaffen. Der Bedarf daran auszutauschen und einander zu stärken. ist groß – ob Menschen einer Kirche angehören Als ausgebildete Seelsorgerin und durch das oder nicht, ob sie an einen Gott glauben oder an Vertrauen in das Amt, das Kirche Gott sei Dank eine »Macht« oder an gar nichts. noch immer besitzt, habe ich darüber hinaus imSogar die re:publica hat in einer Session, an mer noch weitere Möglichkeiten, mit Menschen der ich mehr oder weniger zufällig teilgenommen online im Gespräch zu sein. Es gibt mittlerwei- habe, Netzgemeindemitglieder zusammengerufen, le zahlreiche Pastoren und Pastorinnen und an- um gemeinsam angemessene Formen zu finden, dere kirchliche Menschen mit Seelsorgeausbil- wie Trauer und Erinnerung digital und analog dung, die auf Social Media Gesicht zeigen, die funktionieren können. Das, was dort an Vorschläansprechbar sind und die Menschen in ihren je- gen von Nicht-Kirchenleuten zusammengetragen weiligen Lebensumständen begleiten, einfach, in- wurde, hat noch einmal deutlich gemacht: Mögdem sie dauerhaft präsent sind. Darüber hinaus lichkeiten des Gedenkens, des Gesprächs und des gelingt es auch Accounts, die Institutionen wie Rituals werden in digitaler wie analoger Form gedie Nordkirche vertreten, eine begleitende Rol- braucht. Und zwar unabhängig davon, ob Menle für Menschen in Glaubens- und Spiritualitäts- schen sich als »gläubig« bezeichnen. fragen einzunehmen. Die Teilnehmenden äußerten den Wunsch, Dies alles ist durchaus noch ausbaufähig. Ge- dass Bilder der verstorbenen Lieben als Erinnerade im Bereich der Trauer- und Erinnerungs- rung zugänglich sein sollten. Sie könnten durch

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eine App in Räume projiziert werden, in denen man sich bewegt. Als tröstliche Erinnerung daran, dass dieser Mensch sich dort auch einmal aufgehalten hat. Aber auch Aufsteller, vielleicht nur als Umriss, in den Räumlichkeiten der Digitalkonferenz waren denkbar. Die größte Überraschung für mich ist allerdings gewesen, dass an einem Ort, der ferner von Kirche wie nur irgendwie möglich anmutet, der Wunsch nach der Möglichkeit persönlicher seelsorglicher Begleitung, konfessionell und nichtkonfessionell, geäußert wurde. Hier verschränken sich digitale und reale Räume. Für Kirche bedeutet das zum einen, dass sich ihr Raum weiten kann über die eigenen Kirchenmauern hinaus. Es bedeutet zum anderen auch, dass sie sich Räume real erschließen kann, in denen Menschen sich in einem alltäglichen Kontext bewegen. In jedem Fall hat sie etwas beizutragen im täglichen Kampf von Krisen, Hilflosigkeit und empfundener Sinnlosigkeit, den Menschen in allen möglichen Zusammenhängen durchmachen müssen.

Durch kontinuierliche Präsenz in den sozialen Medien ist es natürlich auch möglich, bei Menschen zu sein, die sich freuen und die positive Erlebnisse mit der Community teilen. Wenn Kirchenleute das ebenso tun und in allen Lebens­ lagen authentisch Gesicht zeigen – in Freud und Leid –, dann dient das dem Vertrauensaufbau für Menschen, die vielleicht irgendwann mal jemanden brauchen, dem oder der sie vertrauen können. Inter-Net heißt »Zwischen-Netz«: Es steht für die Verbindung von Mensch zu Mensch über das World Wide Web. Wenn auch Kirche diese Vernetzung gelingt, dann wird sie eine ihrer größten Kompetenzen entfalten können: tragen, auffangen und halten. In allen Situationen des Lebens. Carola Scherf ist Pastorin in der Nordkirche in der Paul-Gerhardt-Gemeinde in Lübeck und in der #digitalenKirche. Ausbildung in Notfallseelsorge und Krisenintervention. E-Mail: [email protected]

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Digitale Burnout-­ Prävention Chancen und Risiken von ­digitalen Angeboten

Cornelia Marti Jemanden stützen und begleiten, sei es in einer schweren Krise, in Leid und Trauer, erfordert Kraft und Energie, sei es als Familienangehöriger, Freund oder Freundin und auch als Fachperson. Es ist nicht immer einfach, dabei die Balance zu bewahren, die eigenen Ressourcen zu erhalten und zu stärken.

Informationen über das BurnoutSyndrom sind online jederzeit und in unüberschaubarer Menge verfügbar. Wie sind diese einzuordnen? Nach welchen Kriterien sind vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen zu bewerten?

D i g i t a l e B u r n o u t -­P r ä v e n t i o n    5 5

Stress – Burnout-Syndrom – Burnout-Prävention

Kazimir Severinovich Malevich, A Red Figure, 1928 / Bridgeman Images

In Bezug auf die Arbeitssituation können ganz verschiedene Stressfaktoren hinzukommen. Individuelle Verhaltensmuster (zum Beispiel Perfektionismus) wie auch die gegebenen Verhältnisse (zum Beispiel unklare Strukturen, Zeitdruck) spielen eine Rolle. Gleichzeitig müssen auch die individuelle Bewertung und die Dauer der belastenden Situation berücksichtigt werden. Die ausgelöste Stressreaktion macht sich sowohl physisch (zum Beispiel beschleunigter Herzschlag, erhöhter Blutdruck) wie auch psychisch bemerkbar. Hält diese Belastungssituation an, kann das zur Symptomatik eines Burnout-Syndroms führen, einem Zustand von emotionaler und körperlicher Erschöpfung und verminderter Leistungsfähigkeit. Angebote im Bereich Burnout-Prävention sind zahlreich und auch Informationen zu diesem Thema finden sich in großer Zahl, sowohl online wie offline. Digitale Angebote im Bereich Burnout-Prävention Gesundheitsinformationen online Welche Rolle spielen nun hier die Digitalisierung respektive digitale Angebote? Einerseits kann die Digitalisierung erst einmal als zusätzlicher Stressfaktor wahrgenommen werden, als zusätzliche Veränderung, vielleicht als Aufforderung zu mehr Effizienz, als Möglichkeit, Kontrolle auszuüben, und auch als Gefahr einer zwar effizienten, aber weniger persönlichen Kommunikation. Andererseits bieten sich durch die Digitalisierung viele Chancen, speziell auch im Bereich der Gesundheitsförderung.

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5 6   C o r n e l i a M a r t i

Informationen über das Burnout-Syndrom sind online jederzeit und in unüberschaubarer Menge verfügbar. Wie sind diese einzuordnen? Nach welchen Kriterien sind vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen zu bewerten? Nicht immer bieten die bei der Google-Suche zuerst erscheinenden Resultate die besten Informationen. Hilfreich ist es sicher, sich nicht nur auf eine Quelle zu verlassen, sondern die Übereinstimmung der Informationen auf verschiedenen Kanälen zu überprüfen. Unterstützend gibt es für Fachleute und Patienten/Patientinnen verschiedene Initiativen. Transparenzkriterien bietet beispielsweise der HONCode an (www.hon.ch). Seit 1996 akkreditiert diese Schweizer Stiftung Gesundheits-Webseiten und weist auf seriöse und vertrauenswürdige Gesundheitsinformationen hin. Im HON-Code werden Kriterien wie Qualifikation des Autors, Aktualität der Information, Quellenangaben und Datenschutzerklärung einbezogen. Auch die afgis-­Kriterien bieten eine ähnliche Struktur zur Bewertung an (www.afgis.de). Überprüfen Sie, ob die von Ihnen favorisierte Gesundheits-Webseite ein »Gütesiegel« hat. Möchten Sie Ihre Burnout-Gefährdung online testen? Auch hier ist die Auswahl groß. So zeigte eine kürzlich durchgeführte Google-Abfrage über 67 Millionen Suchresultate an! Doch ist das Ausfüllen eines Online-Tests zur Ermittlung einer Burnout-Gefährdung wirklich sinnvoll? Was müssen Sie beachten? Es werden sehr unterschiedliche Tests verwendet, die nur zum Teil in Studien validiert und getestet wurden, teilweise wurden die Fragen auch relativ frei zusammengestellt. Hintergrundwissen ist gefragt, um die Qualität der Angebote einschätzen zu können. Achten Sie auch auf die Anbieter dieser Online-Burnout-Tests. Könnte ein kommerzielles Interesse dahinterstecken? Wie sieht es aus mit dem Datenschutz? Werden die eingegebenen Informationen gespeichert, weiterverwendet? Sind diese auch rückverfolgbar, kann man sie auch löschen? Große Vorsicht und Zurückhaltung sind geboten.

Gesundheits-Apps Auch die Zahl an Gesundheits-Apps nimmt rasch zu. In der Fülle der zur Auswahl stehenden Anwendungen ist es nicht einfach, den Überblick zu wahren. Gesundheits-Apps, zuerst vor allem als Wellness- und Lifestyle-Produkte gedacht, gibt es unterdessen in großer Zahl auch in den Bereichen Gesundheitsförderung, Prävention und für die Langzeitbetreuung von Patienten und Patientinnen mit chronischen Erkrankungen. Doch wie soll man die passende App finden? Einige Portale bewerten Gesundheits-Apps nach ihren eigens dafür geschaffenen Kriterien (zum Beispiel Orcha, Healthon), andere bieten den App-Entwicklern eine Selbstdeklaration mit einem Transparenzsiegel an (zum Beispiel HON-Code, analog der Bewertung von Webseiten). CE-zertifizierte Medizin-Apps haben eine Qualitätsprüfung durchlaufen, sind aber leider noch selten zu finden. Auch im Bereich »mentale Gesundheit« besteht ein breites Angebot an Gesundheits-Apps. Die Qualität ist sehr unterschiedlich. Nicht immer halten sich Versprechungen und Evidenz die Waage. Gemäß der Studie von Torous, Cerrato und Halamka (2019) sind weniger als 1 Prozent der angebotenen Apps im Bereich »mental health« tatsächlich validiert. Auch bestehen häufig Probleme bei Datenschutz und Sicherheit (wie beispielsweise vollständig fehlende Datenschutzerklärung, fehlende Verschlüsselung der Kommunikation bis hin zum Weiterverkauf der gewonnenen Daten zu Werbezwecken). Dies ist bedenklich, handelt es sich doch bei Gesundheitsdaten, speziell die psychische Gesundheit betreffend, um sensible und besonders schützenswerte Angaben, die nicht in falsche Hände gelangen dürfen. Auch zum Thema Burnout-Prävention gibt es verschiedene digitale Anwendungen, wiederum von unterschiedlicher Qualität und Vertrauenswürdigkeit. So existieren etwa vielfältige Apps zum Thema Entspannung, Meditation, Achtsamkeit und CBT (Cognitive Behavioral Therapy/

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Kognitive Verhaltenstherapie). Vielversprechend ist hier vor allem Achtsamkeitstraining via Gesundheits-App (Stratton et al. 2017). Weitere Studien müssen aber folgen. Im Weiteren sind Gesundheits-Apps von der Ermittlung der Burnout-Gefährdung bis hin zu einer Online-Therapie mit Gesprächsangebot zu finden. Hier ist besondere Vorsicht angebracht. Wiederum stehen Fragen zur fachlichen Kompetenz, Validierung des Angebots, Aktualität der Informationen, Sicherheit und des Datenschutzes wie auch des Finanzierungsmodells des jeweiligen Angebots im Vordergrund. Seien Sie kritisch, beurteilen Sie Vor- und Nachteile und verzichten Sie im Zweifelsfall auf das Herunterladen einer App. Ethische Aspekte der digitalen Anwendungen im Gesundheitsbereich Gesundheit, nach dem heute weit verbreiteten bio-psycho-sozialen Modell, betrifft verschiedene Dimensionen. Digitale Anwendungen können hier eine, in vielen Bereichen sicher sinnvolle, Ergänzung zu bestehenden analogen Angeboten liefern, diese aber nicht ersetzen. Beispielsweise können im Bereich »Wissen« und Faktenvermittlung unendlich viele Webseiten durch eine Google-Suche ermittelt werden. Neben den oben geschilderten Transparenzkriterien spielen aber in der Aneignung und Bewertung von Wissen noch viele weitere Faktoren eine Rolle. So können gewisse Informationen für Personen eine unterschiedliche Bedeutung haben. Es spielen Lebenserfahrungen, Emotionen und persönliche Bewertungen eine Rolle. Hier kommen digitale Systeme schnell an ihre Grenzen (Spiekermann 2019). Weitere Fragen, die sich stellen, sind: Was geschieht mit meinen Daten? Welche Informationen sollen privat bleiben? Letztlich stellt sich die grundsätzliche Frage: Was ist wichtig? Welche Werte sind essenziell? Diese Themen müssen in der Gesellschaft diskutiert und Richtlinien erarbeitet werden.

Stimmen aus der Praxis Wie wird im täglichen Leben mit den digitalen Möglichkeiten umgegangen? Was erzählen die Nutzer und Nutzerinnen? Die Reaktionen sind unterschiedlich. Häufig besteht eine große Unsicherheit, wie digitale Informationen und Angebote bewertet werden sollen. So werden manchmal sogar Rating-Systeme zur Beurteilung herangezogen, ohne sich der fehlenden Objektivität bewusst zu sein (»Ich schaue auf die Anzahl der Rating-­ Sterne«). Ungenügende Gesundheitskompetenz kann auch zu einem Vermeidungsverhalten führen (»Ich google nicht, das macht mir Angst«). Im Gegensatz dazu kann »Maschinenwissen« höher eingestuft werden als »Menschenwissen«, so dass selbst Gesundheitsfachpersonen Mühe bekunden, Inhalte, die im Netz gefunden wurden, mit fachlichen Argumenten zu widerlegen (»Ist das wirklich so? Das habe ich aber bei Google ganz anders gelesen …«). Insgesamt ist es wichtig, die eigene Gesundheitskompetenz zu fördern und zu stärken, um mit den vielfältigen digitalen Angeboten, sei es im Bereich Burnout-Prävention oder auch zu anderen Gesundheitsthemen, einen möglichst sicheren Umgang zu finden. Dr. med. Cornelia Marti, MPH, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, ist selbstständig tätig im Bereich Consulting »Digital Health« in den Bereichen »Gesundheitsförderung/Prävention« und »Chronische Erkrankungen/Senioren«. E-Mail: [email protected] Website: www.quince.ch Literatur Spiekermann, S. (2019). Digitale Ethik. Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert. München. Stratton, E.; Lampit, A.; Choi, I.; Calvo, R. A.; Harvey, S. B.; Glozier, N. (2017). Effectiveness of eHealth interventions for reducing mental health conditions in employees: A systematic review and meta-analysis.  In: PLoS One, 12, 12, e0189904. doi: 10.1371/journal.pone.0189904. Torous, J.; Cerrato, P.; Halamka, J. (2019). Targeting depressive symptoms with technology.  In: Mhealth, 5, 19. doi: 10.21037/mhealth.2019.06.04.

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Trauerseelsorge im Internet Carmen Berger-Zell Welche Möglichkeiten hat die Seelsorge, trauernde Menschen im Internet zu unterstützen? Für das Team der Website trauernetz.de ist diese Frage leitend in ihren Überlegungen, welche Angebote sie auf der Online-Plattform machen können. Seit 2001 gibt es diese Website, die von Anfang an als ein Kooperationsprojekt mehrerer evangelischer Landeskirchen verstanden wurde. Seit es das Internet gibt, nutzen trauernde Menschen dieses Medium. Manche gestalten eine Website für ihre Verstorbenen, andere verewigen ihre Namen auf einem Gedenkportal. Doch die meisten von ihnen hinterlassen keine oder nur wenige persönliche Spuren. Sie klicken sich in ihrem Schmerz durch die verschiedenen Websites für Trauernde auf der Suche nach Trost. Manchmal hinterlassen sie auf Instagram oder Facebook einen Kommentar oder entzünden eine virtuelle Kerze. Die meisten bleiben aber für die Öffentlichkeit weitgehend im Verborgenen. Nur die Webstatistiken zeigen, wie oft eine Seite besucht wurde. Wir Menschen leben und verorten uns in leiblichen Beziehungen und Bezügen zu uns selbst, zu anderen, zur Umwelt und zu Gott. Stirbt ein Mensch, der für unser Leben in irgendeiner Weise bedeutsam war, entsteht ein leerer Beziehungsraum und wir trauern. Wie diese Trauer aussieht, kann individuell ganz verschieden sein, doch allen Trauernden ist gemein, dass sie nach Wegen suchen, mit dem Verlust leben zu können. Das Gelingen hängt wesentlich davon ab, ob sie es auch schaffen, eine neue Form der Beziehung zu den Verstorbenen zu finden, neben der Aufgabe, den Verlust anzuerkennen, sich an ein neues Leben anzupassen und den Schmerz zu verarbeiten. Trauer ist wesentlich ein Beziehungsgeschehen,

von daher bietet es sich an, Trauer als ein Resonanzgeschehen zu begreifen. Das Internet ist ein Medium neben anderen, das Resonanzerfahrungen ermöglichen kann. In der Vergangenheit wurde das Internet als Raum für Trauererfahrungen oft kritisch hinterfragt. Es wurde unterschätzt, welch vielfältige Möglichkeiten es trauernden Menschen bietet, ihren Gefühlen einen Ausdruck zu geben und sie letztlich verarbeiten zu können. Nicht wenige befürchteten, das Internet könne ein schlechter Ersatz für »reale« Trauerbegleitung und Friedhöfe sein. Dies lag sicherlich mit daran, dass in den Anfängen des Internets virtuelle Friedhöfe mit kommerziellem Interesse online gingen und den Usern suggerierten, wer ein virtuelles Grab bei ihnen kaufe, würde dem Toten oder der Toten einen Ort für alle Ewigkeit schaffen. Angebote mit diesem Versprechen wurden allerdings nur von einer Handvoll Menschen genutzt und gibt es mittlerweile nicht mehr. Die virtuellen Friedhöfe, die heute online zu finden sind, sind Gedenkstätten für die Nutzung in der Gegenwart. Trauernde hatten zu allen Zeiten das Bedürfnis, ihrer Trauer auch öffentlich Ausdruck zu verleihen. Grab- und Gedenkzeichen, Straßenkreuze, Totenschilde und Epitaphe, Totenzettel sind in gleicher Weise wie Todesanzeigen und Trauerzeichen im Internet Medien, die stellvertretend für die leibliche Präsenz der Verstorbenen in unserer Gesellschaft stehen. Durch sie können bei trauernden Menschen tröstliche Resonanzerfahrungen entstehen. Und sie ermöglichen eine öffentliche Anteilnahme am persönlich erlittenen Verlust. So gesehen tragen sie dazu bei, dass Menschen, dass die Gesellschaft insgesamt sich mit den Trauernden solidarisch erklären kann.

complize / photocase.de

Trauernde Menschen suchen im Internet Räume für Resonanzerfahrungen mit ihrer Trauer und mit ihren Toten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist: Das Internet hat mit dazu beigetragen, bestimmte Gruppen von trauernden Menschen aus ihrer Einsamkeit zu holen: nämlich diejenigen, die in früherer Zeit keinen oder kaum Raum für ihre Trauer in unserer Gesellschaft hatten. Nicht zufällig wurde eine der ersten Websites für Trauernde von einer Mutter ins Internet gestellt, die ihr Kind in der 15. Woche der Schwangerschaft verloren hatte. Monika Liebner schreibt über ihre Beweggründe auf www.schmetterlingskinder.de: »Im Jahr 1997 wurde ich mit meinem 3. Kind schwanger – die Freude war groß, an Weihnachten sollte es zur Welt kommen. Doch in der 15. SSW musste ich mein kleines Kindchen zu den Sternen gehen lassen (…) Mein kleiner Paul hatte schwerwiegende, multiple Missbildungen und war nicht lebensfähig. Er hätte die Schwangerschaft oder gar die Geburt nicht überlebt. Man riet mir zu einem med. indizierten Abbruch, welchen ich aus Unwissenheit leider viel zu schnell nach der Diagnose vornehmen ließ. Mein kleines Kind wurde geboren und starb am 11. Juli 1997. Ich war sehr einsam mit der Trauer um mein Kind, kaum jemand war da, mit dem ich über meine Gefühle reden konnte. So gründete ich 1997 das erste deutsche Internetforum für betroffene Eltern.«

Gerade für Trauernde mit besonders belastenden Verlusten ist das Internet ein wichtiges Medium für ihre Trauererfahrungen. Menschen, die um Kinder trauern, um junge Erwachsene oder um Opfer von Gewaltverbrechen, finden hier andere Betroffene mit ähnlichen Erfahrungen. Sie erzählen einander ihre Geschichten, sie haben das Gefühl, verstanden zu werden, und fühlen sich nicht mehr allein mit ihrer Trauer. Und das Internet ist kein isolierter Raum. Aus mehreren dieser Online-Foren für Trauernde sind dann auch Selbsthilfegruppen und -vereine entstanden, zum Beispiel von trauernden Eltern, Trauernden nach Suizid oder jung verwitweten Menschen. Sie informieren, setzen sich für eine Trauerkultur ein, die Betroffenen hilft, mit ihrem Verlust leben zu können, und geben einander Halt. Trauernde Menschen suchen im Internet Räume für Resonanzerfahrungen mit ihrer Trauer und mit ihren Toten. Damit diese entstehen können, braucht es Medien in Form von Bildern, Texten, Lebensgeschichten, Symbolen und Musik, die Zugänge zu den eigenen Empfindungen und Gedanken eröffnen. Auf www.trauernetz.de bietet die evangelische Kirche solche Medien gezielt als seelsorgliche Angebote an. Es finden sich dort zum Beispiel Gebete, Gedichte und Meditationen zu zwölf verschiedenen Gefühlen der Trauer. Vor ein paar Jahren bekam die Redaktion von www.trauernetz.de eine E-Mail von einem Men-

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Camille Corot, The Muse: History, ca. 1865 / INTERFOTO / LISZT COLLECTION

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schen, der auf der Website eine deutsche Übersetzung des Liedes »Tears in Heaven« gelesen hatte. Er schreibt: »Guten Tag, ich bin durch Zufall auf Ihre Internet-Präsenz gestoßen. Da in meinem Leben u. a. Tod, Trauer, Angst und schwere Depression bis vor Kurzem eine enorme Rolle gespielt haben, hat mir Ihre Webseite sehr, sehr geholfen. Bedingt durch die Depression, war es mir lange Zeit nicht möglich, Gefühle zu empfinden. Als ich die Übersetzung von ›Tears in

Heaven‹ (und die dazu gehörende Interpretation) gelesen habe, konnte ich seit Jahren das erste Mal wieder weinen. Sie können kaum ermessen, wie dankbar ich Ihnen dafür bin. Mit dem Lied kann ich mich besonders gut identifizieren, da mein leiblicher Vater einen Tag nach meiner Geburt gestorben ist. Als unbeweisbare Grundannahme habe ich den festen Glauben, dass Verstorbene, die mir nahestanden, in irgendeiner Form bei mir sind (…) Das Lied hat mir zusätzliche Hoffnung gegeben, da ich so das Gefühl bekommen habe, dass es Mitmenschen gibt, die mein Axiom teilen.

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Tr a u e r s e e l s o r g e i m I n t e r n e t    6 1

Ich habe mir daraufhin eine Playback-Version des Liedes organisiert und selbst den Text dazu gesungen. Das hat mir zusätzlich geholfen; immer, wenn es mir jetzt mal schlecht geht, singe ich den Song und finde Trost. Auch wenn ich null Ahnung vom Singen habe und sich alles für geschulte Ohren vermutlich krumm und schief anhört, hatte ich das Bedürfnis, Ihnen eine Version zukommen zu lassen, siehe Anhang. Bitte machen Sie unbedingt weiter so!!! Ich bin Ihnen sehr dankbar!« Für diesen Menschen war genau dieses Lied der Schlüssel zu lang ersehnten Tränen. Es löste eine Resonanzerfahrung aus, die eine unvorhersehbare Wirkung auf seinen Trauerprozess hatte. Es hat in ihm etwas zum Klingen gebracht, wonach er sich schon lange gesehnt hatte. Ein weiteres Beispiel sind die Chatandachten am Ewigkeitssonntag, in denen jedes Jahr Hunderte Namen von Verstorbenen eingeblendet werden. Einige Tage zuvor können die Namen von Verstorbenen in ein virtuelles Trauerbuch eingetragen werden. Während der Andacht erscheinen sie, eingebettet zwischen die Worte »… und niemand ist vergessen« und »wir sind bei Gott geborgen«. Während dieser Zeit können die Chat-Teilnehmenden eigene Gebetsanliegen äußern oder still die jeweils eingeblendeten Namen auf sich wirken lassen. Die Andacht endet mit dem Vaterunser und einem Segen. Auswertungen haben ergeben, dass bei weniger als einem Viertel der Eintragungen der Todesfall sich in dem zurückliegenden Jahr ereignet hat. Bei rund der Hälfte liegt der Sterbetag zwei bis acht Jahre zurück. Dies legt die Annahme nahe, dass Trauernde nicht nur im Sterbejahr das Bedürfnis haben, ihrer Verstorbenen namentlich zu gedenken. Doch in den Ortsgemeinden ist es üblich, am Ewigkeitssonntag nur der Verstorbenen des zurückliegenden Jahres namentlich zu gedenken. Das Online-Angebot bietet so gesehen Trauernden etwas, was sie woanders momentan nicht bekommen können. Und es wird für jedes

häufige Sterbealter angenommen: Es sind Kinder, die bei der Geburt oder im ersten Lebensjahr verstorben sind, und Menschen im Alter zwischen sechzig und neunzig Jahren, derer erinnert wird. In den ersten Jahren, in denen www.trauernetz. de online war, gab es ein Trauerbuch auf der Website. Es diente nicht so sehr der Kommunikation mit anderen Usern oder mit der Redaktion, sondern mehr als Medium, um mit den Toten zu kommunizieren oder um Gebetsanliegen an Gott zu richten. Dies zeigt, dass eine christliche Website für Trauernde auch die Funktion haben kann, transzendente Erfahrung machen zu können. Ähnlich wie ein Kirchenraum kann eine christliche Website für gläubige Menschen ein Symbol für die Gegenwart Gottes in unserer säkularen Welt sein. Sie kann den Benutzerinnen und Benutzern das Gefühl der Zugehörigkeit und der Gemeinschaft geben und damit ein Raum der Hoffnung sein auf ein Leben nach dem Tod. Hierfür muss sie aber klar erkennbare, identitätsstiftende christliche Merkmale aufweisen und ein Ort sein, an dem Trauernde persönliche Spuren der Erinnerung an ihre Verstorbenen hinterlassen können, zum Beispiel in Form von Gedenkseiten oder -worten. Für eine Trauerseelsorge im Internet ergeben sich im Wesentlichen folgende Aufgaben: • die Pflege der Gemeinschaft mit den Toten unterstützen, • das Erinnern und Gedenken an Verstorbene fördern, • Resonanzräume für Trauergefühle eröffnen, • identitätsstiftende christliche Gedenk- und Erinnerungsorte für Verstorbene im öffentlichen Raum gestalten. Dr. Carmen Berger-Zell ist Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie arbeitet bei der Diakonie Hessen als Theologische Referentin und ist für den Bereich Sterben, Tod und Trauer zuständig. Außerdem ist sie Mitherausgeberin der Internetseite www. trauernetz.de. E-Mail: [email protected]

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Patientenverfügungen online erstellen? Weswegen Technologie den Dialog nicht zu ersetzen vermag

Klaus Bally »Wenn ich eines Tages schwer erkrankt sein sollte und mich nicht mehr äußern kann, möchte ich keinesfalls an Schläuchen hängen oder von Maschinen abhängig sein.« Diesen Satz höre ich regelmäßig, wenn ich einen Patienten frage, weswegen er mit mir, seinem Hausarzt, eine Patientenverfügung erstellen möchte. Im weiteren Verlauf bringt er oftmals den Wunsch zum Ausdruck, im Fall eines Herz-Kreislauf-Stillstands wiederbelebt zu werden, keinesfalls Organe spenden zu wollen und seinen Nachbarn als Vertrauensperson einzusetzen. Um meinem Patienten zu erklären, dass diese Aussagen unvollständig sowie in sich widersprüchlich sind und beileibe nicht genügen, um eines Tages seinem Willen gerecht zu werden, verbringe ich einige Zeit mit ihm, die ich der Krankenversicherung in der Schweiz als sogenannte kurze Beratung in Rechnung stelle. Daher werden sich nicht nur Kostenträger, sondern auch Gesundheitsökonomen fragen, weswegen die von meinem Patienten geäußerten Wünsche nicht ohne Zutun eines Arztes oder einer entsprechend ausgebildeten Fachperson online am Computer niedergeschrieben werden können. Können computergenerierte Profile Individualität wiedergeben? Wenn wir eine Bankverbindung eingehen, werden wir gebeten, vorformulierte Fragen anzukreuzen, um unsere Risikobereitschaft kundzutun; unseren Intelligenzquotienten können wir problemlos online ermitteln und die Suche nach einem neuen Lebenspartner über ein Dating-Portal nimmt

ihren Anfang in der Erstellung eines sogenannten »individuellen« Profils, das mit wiederum »individuellen« Profilen von anderen Menschen in Einklang gebracht werden soll. Daher liegt es geradezu auf der Hand, auch höchst individuelle Patientenverfügungen online für sich daheim im stillen Kämmerlein zu erstellen. Nun wissen wir, dass in Deutschland und in der Schweiz immer noch deutlich weniger als die Hälfte der über 60-jährigen Individuen eine Patientenverfügung verfasst haben (de Heer et al. 2017; Harringer 2012), dass diese häufig im entscheidenden Moment nicht verfügbar sind, dass die Angaben in diesen Patientenverfügungen oftmals unpräzise oder gar sich widersprechend sind und dass mehrheitlich eine Vertrauensperson aufgeführt ist, die im Fall einer Urteilsunfähigkeit entscheiden soll. Spätestens wenn der mutmaßliche Wille des Patienten eruiert werden soll und die entscheidungsbefugte Vertrauensperson zu Rate gezogen wird, realisieren wir, dass der verfügende Patient gar nie ein Gespräch mit der entscheidungsbefugten Person über seine Wertvorstellungen und Behandlungspräferenzen geführt hat (Pautex et al. 2018). Dies führt zu einer großen Verunsicherung bei der Vertrauensperson, wenn sie im Sinne des Patienten entscheiden soll, und zu Situationen, in denen alle Beteiligten den Eindruck haben, letztlich nicht im Sinn des nicht mehr urteilsfähigen Patienten entscheiden zu können. Diese Problematik wurde vor bald dreißig Jahren primär in Großbritannien, in den USA, in Kanada, Australien und Neuseeland erkannt, worauf das Konzept des Advance Care Planning (ACP) entwickelt wurde.

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Gesundheitliche Vorausplanung (ACP) – ein Schritt in die richtige Richtung Wie von Karzig-Roduner und Krones in Heft 2/ 2019 dieser Zeitschrift dargelegt, wird im Konzept der Gesundheitlichen Vorausplanung (ACP) ein ganz spezielles Augenmerk gerichtet auf die Erstellung einer Patientenverfügung im Dialog mit einer Fachperson, auf die klare Beschreibung eines Behandlungsziels basierend auf den individuellen Wertvorstellungen und den vorliegenden Erkrankungen sowie den sich daraus ergebenden konkreten Fragestellungen. Zudem werden insbesondere die entscheidungsbefugten An- und Zugehörigen ganz früh in die entsprechenden Gespräche einbezogen. Dies hat dazu geführt, dass mehr Menschen eine brauchbare Patientenverfügung haben, dass es Angehörigen und Ärzten leichter fällt, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu erfassen, dass Behandlungspräferenzen eher berücksichtigt werden, dass Menschen dort sterben können, wo sie sich dies gewünscht haben, und dass Angehörige nach dem Verlust eines verstorbenen Mitmenschen weniger traumatisiert sind (Detering et al. 2010). Weswegen Wahrnehmung der Autonomie den Mitmenschen braucht Patientenverfügungen werden mehrheitlich in der Absicht verfasst, autonomes Entscheiden über den Zeitpunkt der eintretenden Urteilsfähigkeit hinaus zu ermöglichen und vor allem um ein Abwehrrecht wahrzunehmen, was in Anbetracht der als bedrohlich empfundenen zunehmend technisierten Medizin nachvollziehbar ist. Autonomie genießt in der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion einen hohen Stellenwert; niemand wird einem Menschen das Recht auf selbstbestimmtes Leben und Sterben absprechen. Wenn es aber um die Formulierung einer ganz persönlichen Wertehaltung, basierend auf der individuellen Lebensgeschichte, geht, wenn es darum geht, ganz

konkrete Behandlungspräferenzen auszudrücken, sind in einem elektronisch zugänglichen Formular (Beispiel: www.mydirectives.com) vorformulierte Sätze wie »ich möchte schmerzfrei sein« oder »ich möchte für meine Körperpflege unabhängig sein« oder »ich möchte meiner Familie in finanziellen Angelegenheiten nicht zur Last fallen« nicht ausreichend, um diesem Menschen eines Tages wirklich gerecht zu werden. In einem Modell der Beziehungsautonomie, wie sie für das Erstellen einer Patientenverfügung unabdingbar ist, geht es darum, die verfügende Person in ihrer Reflexionsfähigkeit und der authentischen Formulierung ihrer Wünsche zu begleiten. Es soll Verständnis für die persönliche Situation geschaffen werden und weitere Gespräche sollen angeboten werden (Autonomie und Beziehung, swiss academies communications, 2016). Dabei wird es das Ziel der beratenden Person sein, den verfügenden Menschen darin zu unterstützen, seine Wertevorstellungen, Wünsche und Lebenskonzepte so zu übersetzen, dass deren Verschriftlichung von hoher Aussagekraft und Validität ist. Gelingen wird dies nur, wenn zwischen der beratenden Person und dem Ratsuchenden eine auf gegenseitigem Verständnis beruhende vertrauensvolle Beziehung besteht. Patientenverfügungen bilden den Menschen in seiner Einzigartigkeit ab Die Erkenntnisse der modernen evidenzbasierten Medizin werden weitgehend in großen Studien gewonnen. Dies führt dazu, dass wir unsere Patienten oftmals aufgrund messbarer Parameter in bestimmte Kollektive einteilen und entsprechend ihrem »biologischen Muster« behandeln. Das elektronische Erfassen und die Berücksichtigung dieser einzelnen messbaren Parameter bestimmen in den Augen von Gesundheitsökonomen und Krankenkassen die Qualität der Versorgung. Wir müssen uns nun hüten, auch die Qualität von Patientenverfügungen in reduktionistischer Art

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und Weise auf gewisse elektronisch erfassbare Parameter (Wiederbelebung: ja/nein; Ernährung über eine Magensonde: ja/nein; Organspende: ja/ nein) zu beschränken. Im Gegenteil wird es unsere Aufgabe sein, gerade in diesem hochsensiblen Bereich einer drohenden Entindividualisierung (Abholz 2019) in der Medizin entgegenzuwirken

und bei den zuständigen Behörden darauf hinzuwirken, dass eine Beratungstätigkeit, wie sie bei einer qualitativ hochstehenden Gesundheitlichen Vorausplanung (ACP) angezeigt ist, entsprechend von den Kostenträgern vergütet wird. Letztlich wird sich dies möglichweise sogar positiv auswirken auf die Gesamtkosten.

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Wo hat die Digitalisierung im Bereich der Patientenverfügungen ihren Platz? Es gibt allerdings durchaus Bereiche, in denen die Digitalisierung im Bereich der Gesundheitlichen Vorausplanung ihren Platz hat. Wie eingangs erwähnt, sind auch heute noch Patienten-

verfügungen oftmals im entscheidenden Moment nicht verfügbar. Um unter anderem Patientenverfügungen jederzeit und ortsunabhängig abrufen zu können, wird in der Schweiz das sogenannte elektronische Patientendossier (www.e-­healthsuisse.ch) entwickelt, welches allen an der Gesundheitsversorgung beteiligten Fachpersonen ermöglichen wird, auf Patientenverfügungen zuzugreifen. Zudem gibt es schon heute ein Nationales Organspende-Register, bei dem man sich registrieren lassen kann, wenn man seine Bereitschaft zur Organspende kundtun und zentral registrieren lassen möchte (https://register.swisstransplant.org). PD Dr. med. Klaus Bally, Facharzt für Allgemeine Medizin, war bis 2018 als praktizierender Hausarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Basel tätig. Er ist am Universitären Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel verantwortlich für die Lehre und ist Mitglied der Zentralen Ethikkommission der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW. E-Mail: [email protected] Literatur

m.schröer

In einem Modell der Beziehungs­autonomie, wie sie für das Erstellen einer Patienten­verfügung unabdingbar ist, geht es darum, die verfügende Person in ihrer Reflexions­ fähigkeit und der authentischen Formulierung ihrer Wünsche zu begleiten.

Abholz, H.-H. (2019). Die Entindividualisierung der (haus) ärztlichen Versorgung. In: Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 95, 7/8, S. 303–306. Autonomie und Beziehung. Bericht zur Tagung vom 7. Juli 2016 des Vortragszyklus »Autonomie in der Medizin«. In: swiss academies communications, Vol. 11, No 12. Detering, K. M.; Hancock, A. D.; Reade, M. C.; Silvester, W. (2010). The impact of advance care planning on end of life care in elderly patients: Randomised controlled trial. In: BMJ, Mar, 23 S. 340:c1345. Harringer, W. (2012). Advance directives in general practice. In: Therapeutische Umschau, 69, 2, S. 107–109. de Heer G.; Saugel, B.; Sensen, B.; Rübsteck, C.; Pinnschmidt, H. O.; Kluge, S. (2017). Advance directives and powers of attorney in intensive care patients. In: Deutsches Ärzteblatt International, 114, S. 363–370. Karzig-Roduner, I.; Krones, T. (2019). Advance Care Planning (ACP) – Gesundheitliche Vorausplanung basierend auf dem individuellen Lebenssinn. In: Leidfaden – Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer, 2, S. 73–75. Pautex, S.; Gamondi, C.; Philippin, Y.; Gremaud, G.; Herrmann, F.; Camartin, C.; Vayne-Bossert, P. (2018). Advance directives and end-of-life decisions in Switzerland: Role of patients, relatives and health professionals. In: BMJ Supportive & Palliative Care, Dec; 8, 4, S. 475–484.

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Social Media und Tod – Wie das Internet den Tod verändert Karsten Wenzlaff im Gespräch mit Reiner Sörries

Sörries: Sehr geehrter Herr Wenzlaff, Sie sind Geschäftsführer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien. Geben Sie uns doch bitte einen Einblick in Ihre Arbeit! Wenzlaff: Wir forschen zu Themen, die sich mit der digitalen Gesellschaft beschäftigen, also einerseits Kommunikation in und mit sozialen Medien, andererseits aber auch die Auswirkungen des Internets auf das Verständnis von Beruf und Arbeit. Wir beraten Unternehmen, aber auch öffentliche Institutionen. Sörries: Dabei beobachten Sie sicherlich alles, was sich in den sozialen Medien tut. Können Sie zwei, drei Dinge nennen, die dort hauptsächlich zur Sprache kommen? Wenzlaff: Die Komplexität sozialer Medien erlaubt es eigentlich nicht, eine pauschale Antwort darauf zu geben. Soziale Medien sind im Sinne von Marshall McLuhan zu einem Sprachrohr für jedermann geworden. Die Algorithmen der sozialen Medien sorgen dafür, dass die Kommunikation der Menschen sich selbst filtert, die sprichwörtlichen Filterblasen entstehen. Insofern kommt alles zu Sprache – aber es wird zunehmend schwerer, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die etwas anderes denken oder fühlen als man selbst. Sörries: Beobachten Sie dabei, dass Themen wie Sterben, Tod und Trauer eine Rolle spielen, und wenn ja, in welchem Umfang? Wenzlaff: Soziale Medien integrieren sich naht­ los in das Leben vieler Menschen – manche schauen morgens als Erstes auf das Smartphone und

abends als Letztes. Natürlich spielt der Tod eine Rolle, weil wir durch soziale Medien von der Trauer von Menschen erfahren, mit denen wir vielleicht keinen Kontakt mehr hätten ohne das Internet. Wir erfahren auch von den Schicksalen anderer Menschen, wie zum Beispiel den Bootsflüchtlingen im Mittelmeer. Sörries: Meinen Sie, dass die Redeweise über Tod und Trauer vergleichbar ist mit analogen Medien, also mit der traditionellen Redeweise, oder hat sich die Ausdrucksweise verändert? Wenzlaff: Trauer in der analogen Welt hat bestimmte Ausprägungsformen – der Gedenkgottesdienst, die Trauerkarte, der Blumenschmuck, das Grab. In der digitalen Welt haben sich andere Ausprägungsformen entwickelt. Es gibt Websites, auf denen Trauernde gemeinsam einem Toten gedenken können, es gibt Websites, welche die Gräber katalogisieren. In den sozialen Medien reagiert man schneller auf Nachrichten über den Tod von Angehörigen und Freunden und würde sich eine Trauerkarte dann sparen. Sörries: Wie ist Ihre Beobachtung: Werden Todesnachrichten, Kondolenzen und so weiter in den sozialen Netzwerken kommuniziert? Wenzlaff: Ja, dies ist relativ normaler Bestandteil der Kommunikation, denn es ist ja Teil der Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Vielleicht ist es in Deutschland noch so, dass die Menschen eher vergleichsweise kurze Nachrichten über den Tod von Angehörigen und Freunden posten, während zum Beispiel in den USA es üblich ist, die

Piet Mondrian, Composition in Line, 1917 / De Agostini Picture Library / Bridgeman Image

S o c i a l M e d i a u n d To d   – W i e d a s I n t e r n e t d e n To d v e r ä n d e r t    6 7

recht langen »Obituaries« [Nachrufe] auch online und in den sozialen Netzwerken zu veröffentlichen. Im Endeffekt ist es aber wohl mehr eine Frage des persönlichen Empfindens, welche Länge angemessen ist. Sörries: Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass durch Social Media aus der analogen Gesellschaft eine digitale Gesellschaft wird, und diese zeichne sich durch Transparenz, Partizipation und Authentizität aus. Meinen Sie, dass diese Veränderungen Auswirkungen haben können auf einen offeneren Umgang mit Sterben, Tod und Trauer?

6 8   K a r s t e n We n z l a f f i m G e s p r ä c h m i t R e i n e r S ö r r i e s

Wenzlaff: Sterben und Tod sind für den modernen Menschen sicherlich abstrakter als noch für dessen Vorfahren vor hundert oder zweihundert Jahren. Sowohl in den Großstädten als auch in den ländlichen Regionen waren die Menschen vor einigen Jahrzehnten mit Tod und Trauer wesentlich direkter konfrontiert. Das Sterben findet heutzutage eher in Hospizen, Pflegeheimen und Krankenhäusern statt, wenn man von Unfällen oder Kriminalität absieht. Dennoch ist das Trauern öffentlicher geworden. Menschen sind stärker bereit, ihre Gefühle für einen anderen Menschen auch zu kommunizieren und digital zu veröffentlichen. Gleichzeitig ist es auch so, dass die Hürden sinken, an der Trauer anderer teilzuhaben. Sörries: Manche, vielleicht sogar viele Menschen stehen den sozialen Netzwerken eher skeptisch gegenüber, weil sie das unter anderem für ein flaches Medium halten, in dem Urlaubsbilder oder das letzte Shopping-Erlebnis in die digitale Welt gesendet werden. Für wie ernsthaft halten Sie die Social Media? Wenzlaff: Das Leben besteht auch aus Urlaub, deswegen ist es verständlich, wenn Menschen die sozialen Medien auch dafür nutzen. Es gibt sicherlich Menschen, die viel aus dem Alltag posten, es gibt aber auch zunehmend Menschen, die ihre digitale Kommunikation sehr sorgfältig überdenken, gerade vor dem Hintergrund der Möglichkeit von Social Profiling, also dem Erstellen von Beschreibungen von Menschen anhand ihrer Veröffentlichung in den sozialen Netzwerken, verbunden mit dem Targeting, also dem genauen Veröffentlichen von Werbung, basierend auf den Einträgen in sozialen Netzwerken. Man darf nicht Medium und Botschaft verwechseln – soziale Netzwerke haben ernsthafte Konsequenzen für unsere Gesellschaft, auch wenn die Kommunikation nicht immer ernsthaft ist. Sörries: In dieser Ausgabe von Leidfaden kommen auch Seelsorger/-innen und Therapeuten/Therapeutinnen zu Wort, die Beratung, Hilfestellung

oder Therapie online und über soziale Netzwerke anbieten. Halten Sie das für einen gangbaren Weg? Wenzlaff: Ja, natürlich. Es gibt viele Beispiele für professionelle Seelsorge, die ihre Anbahnung über das Internet nimmt. Die Tatsache, dass Spracherkennungssoftware und virtuelle Assistenten wie Amazon auch genutzt werden von Menschen, um sich etwas von der Seele zu reden, zeigt doch, dass das Internet hier eine gewisse Hemmung überwinden kann, sich an andere Personen zu wenden und um Unterstützung zu bitten. Sörries: Erlauben Sie mir noch eine letzte Frage: Längst haben die Social Media Postkarte, Brief oder sogar Telefon überrundet. Wird diese Kommunikationsform bald auch wichtiger als das persönliche Gespräch? Wenzlaff: Elektronische Medien ergänzen analoge Medien, aber ersetzen diese nie vollständig. Deswegen wird auch nie das persönliche Gespräch ersetzt werden. Aber das persönliche Gespräch ist nie nur direkt, auch ein Chat über ein Messenger-­Programm ist ein persönliches Gespräch. Wir sind mit den sozialen Medien längst aus der Hype­phase heraus – nicht alles, was in den sozialen Medien passiert, ist gut, nicht alles ist schlecht. Menschen können, glaube ich, sehr bewusst sich dafür entscheiden, wie sie kommunizieren, und reflektieren dies auch. Sörries: Vielen Dank, Herr Wenzlaff, für das Gespräch. Karsten Wenzlaff ist Geschäftsführer des Instituts für Kommunikation in sozialen Medien und promoviert an der Universität Hamburg zu digitalen Finanzierungsmöglichkeiten für Gemeinwohlprojekte. Er ist Ahnenforscher und beschäftigt sich deswegen viel mit digitalen Trauer-Webseiten. E-Mail: [email protected] Website: www.ikosom.de Literatur McLuhan, M. (1994). Die magischen Kanäle – Understanding Media. Dresden/Basel.

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Digitaler Nachlass Vom Umgang mit digitalen Hinterlassenschaften

Birgit Aurelia Janetzky Das Internet vergisst niemanden, der einmal dort sichtbar geworden ist. Das gilt auch für Verstorbene, es sei denn, ihre digitalen Spuren werden aktiv gelöscht. Am 12. Juli 2019 stirbt in London eine junge Frau. Emily Hartridge hat von ihrem Freund einen E-Scooter geschenkt bekommen. Sie wird von einem LKW erfasst und stirbt noch an der Unfallstelle. Ihr Tod löst eine Welle von Meldungen im Internet aus. Die YouTuberin war bei ihren Fans bliebt. Ihrem Kanal folgen knapp 356.000 Abonnenten. Das letzte Video zeigt, wie sie sich über das Geschenk freut. Sie, ihr Freund und der E-Scooter im Bild. Am 13. Juli erscheint auf Instagram eine Nachricht: »»Hallo zusammen, das ist eine schreckliche Sache, die wir über Instagram sagen müssen … Dies ist der Weg, euch alle zu erreichen«. Es ist der letzte Eintrag. Die Fans drücken ihr Erschrecken und ihre Anteilnahme aus. YouTube, Instagram, Facebook, Twitter – wie lange werden ihre Profile dort sichtbar sein? Das ist nur eine der Fragen, die beim Thema digitaler Nachlass auftauchen. Fragen, die vor 15 Jahren noch niemand stellte, niemand stellen musste. Anfang 1990 wurde der erste deutsche Internetanschluss in Betrieb genommen, 2005 das erste YouTube-Video veröffentlicht. Inzwischen durchdringt das Internet alle Lebensbereiche. Leute unter vierzig Jahren sind nahezu alle online, bei den Sechzig- bis Siebzigjährigen sind es 80 Prozent (Quelle: D21-Digital-Index

2018/2019). Wenn sie sterben, hinterlassen sie neben dem materiellen ihren digitalen Nachlass. Den typischen digitalen Nachlass gibt es nicht Die Zahl der Nutzerkonten im Internet variiert von Person zu Person. Die Studie unterscheidet verschiedene Nutzergruppen. Die Einstellung zu allem Digitalen spielt eine Rolle, ebenso Alter, Geschlecht oder Bildung. Mit 37 Prozent beziffert der D21-Digital-Index den Anteil der »digitalen Vorreiter« in Deutschland. Die »digital Mithaltenden« sind mit 42 Prozent die größte Gruppe. Für sie gehört das Internet zum Alltag. Sie nutzen es für Information, Einkauf und Kommunikation. Dabei geben sie ungern persönliche Informationen preis. Nur für 21 Prozent der Menschen in Deutschland ist der digitale Nachlass kein Thema. »Digital Abseitsstehende« nutzen das Internet nicht oder nur minimal. Viele von ihnen sind bereits im Rentenalter. Ihre Zahl schrumpft von Jahr zu Jahr. Wer heute ins Rentenalter eintritt, ist bereits digital unterwegs. Der digitale Nachlass im Einzelnen 1. Dateien und Hardware Inhalte auf der Festplatte eines Computers gehören den Erben, weil der die Daten tragende Computer Bestandteil der Erbschaft ist. Die erste Hürde ist der Zugang zu den Dateien. Lässt sich ein Passwortschutz beim Benutzerkonto noch umgehen, sind verschlüsselte Dateien verloren, wenn das Passwort unbekannt ist. Die weiteren Hürden

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sind die vorgefundene Datenmenge, kryptische Dateinamen und das unbekannte Ordnungssystem, in dem persönliche Dateien abgelegt sind. 2. Kontakte und Kommunikation

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Im Internetzeitalter kommen zu den klassischen Kommunikationswegen Telefon, Brief und Fax diverse E-Mail-Accounts, SMS, Messenger und

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Kontakte in Social Media dazu. Jede Plattform hat andere Regeln. Ohne Login-Daten ist es schwierig bis unmöglich, Zugang zu dieser Kommunikation zu bekommen. In den Kontaktlisten befinden sich Urlaubsbekanntschaften, der Freund eines Freundes, unbekannte Menschen. Wer kennt die Bedeutung, die ein eingetragener Kontakt für die verstorbene Person hatte? Wenn eine öffentliche Person wie Emily Hartridge stirbt, bleibt nur das Profil für die Todesnachricht. Das Profil einfach einzufrieren oder zu löschen, fördert nur die Gerüchteküche und macht aus Verstorbenen Verschwundene. 3. Guthaben und Zahlungsverpflichtungen Bei einer Erbschaft geht es um das Geld. Auch im digitalen Nachlass befinden sich Guthaben und Werte. Beim Online-Banking reicht die Mitteilung an die Bank und der Online-Zugang wird gesperrt. Bei online geschlossenen Verträgen gilt das Erbrecht. Die Erben treten in das Vertragsverhältnis des Erblassers ein, sowohl bei Guthaben als auch bei Zahlungsverpflichtungen. Es gibt Guthaben, von denen die Erben zunächst nichts wissen. Eine ellenlange Zahlen-Buchstaben-Kombination auf einem Papier notiert, ein kleines Gerät, dessen Funktion man nicht kennt, das kann der Zugang zu einer Kryptowährung wie Bitcoins sein. Guthaben summieren sich in Bonusprogrammen wie Payback, Deutschlandcard oder Miles & More, bei PayPal, Online-Poker oder Online-Lotto. Eine Spielfigur in einem Online-Spiel wie World of Warcraft kann weiterverkauft werden. Wer sich damit nicht auskennt, kündigt einen Vertrag, löscht einen Account. Die Guthaben sind verloren.

Amazons Kindl anders. Bezahlt wurde ein Nutzungsrecht. Es erlischt, wenn der Account der verstorbenen Person gekündigt wird. Zu den digitalen Gütern zählen auch Softwarelizenzen. Gebrauchte Computersoftware mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung darf grundsätzlich weiterverkauft werden, allerdings nur mit dem Originaldatenträger. 5. Soziale Netzwerke Facebook kennt verschiedene Möglichkeiten im Umgang mit verwaisten Profilen. Hat der Profil­ inhaber einen Nachlasskontakt bestimmt, bekommt dieser eingeschränkt Zugriff. Meldet irgendeine Person den Profilinhaber als verstorben, wird das Profil in den Gedenkzustand versetzt. Sichtbar bleiben Bilder und Pinnwand, die meisten Funktionen sind außer Kraft gesetzt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2018 Facebook verpflichtet, den klagenden Eltern Zugang zum Profil ihres verstorbenen Kindes zu gewähren. Die zentrale Begründung des Urteils: Private Daten im Internet wie ein Facebook-Konto fallen nach dem Tod des Nutzers grundsätzlich an seine Erben. In der Praxis machen es Plattformen Angehörigen aber weiterhin schwer, auf Inhalte zuzugreifen. Alternativ kann das Profil komplett gelöscht werden. Doch hier ist Vorsicht geboten. Mit dem Profil kann eine Facebook-Seite oder -Gruppe verbunden sein. Wenn der alleinige Admin gelöscht wird, müssen komplizierte Nachweise geführt werden, damit Facebook einem anderen die Administratorrechte überträgt. Das Businessnetzwerk Xing löscht automatisch den Account, wenn eine Person als verstorben gemeldet wird, ebenso LinkedIn, Twitter, Pinterest und WhatsApp.

4. Digitale Güter Im analogen Nachlass gehören die Bücher, Filme auf DVD und Musik auf CD den Erben. Das ist bei gekaufter Musik auf iTunes oder E-Books in

6. Webseiten und Online-Shops Wird ein Internetnutzer vom Konsumenten von Informationen und Dienstleistungen zum Pro-

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duzenten, platziert er eigene Angebote im Netz. Im Nachlass befinden sind dann gehostete Domains, ein eigener Blog, eine Webseite oder ein Online-Shop. Wer gern fotografiert, bietet nicht selten die eigenen Bilder bei Stockfotos zum Kauf an. Andere handeln auf Amazon oder Ebay mit Waren. Manche besitzen Domainnamen, für die sich vielleicht ein Käufer findet. Oft ist es sinnvoll, zunächst in den Vertrag des Erblassers einzutreten und die Sachlage in Ruhe zu prüfen: selbst weiterführen, an einen Käufer übertragen oder endgültig löschen. Wichtig ist, innerhalb von sechs Wochen nach dem Tod das Impressum der Webseite zu aktualisieren. Rechtliche, praktische und emotionale Fragestellungen Der digitale Nachlass berührt mehrere Rechtsgebiete: Erbrecht, Urheberrecht, Recht am eigenen Bild und Vertragsrecht. Dazu sind im Internet zahlreiche Informationen zu finden. Wenn keine Regelung der verstorbenen Person zum digitalen Nachlass vorliegt, entscheiden Angehörige und Erben. Sie handeln nach dem mutmaßlichen Willen. Man kann versuchen, den Nachlass selbst zu sichten oder diese Aufgabe einem anderen anvertrauen. Doch wer das Know-How für die Hardware hat, kennt sich nicht automatisch auch mit den diffizilen Fragen zu Internetkonten aus. Selten gibt es eine kompetente und vertrauenswürdige Person im Familien- oder Freundeskreis, die bereit ist, unzählige Stunden zu investieren, um sich zeitnah in die Thematik einzuarbeiten. Dienstleister können mit eingespielten Ar­ beits­routinen Daten auf der Hardware sichten, sichern und die Geräte für eine weitere Nutzung vorbereiten. Bestattungshäuser bieten Zugang zu einem Portal, mit dem automatisiert die Daten des Verstorbenen mit Online-Unternehmen abgeglichen werden, ohne dass das Passwort be-

kannt sein muss. Der Vertrag kann geprüft, übertragen oder gekündigt werden, die Auszahlung von Guthaben erfolgt treuhänderisch. Vertragsklärung ist ein sachliches Thema. Bei Social-Media-Profilen und in der privaten Kommunikation stehen emotionale Fragen im Vordergrund. Nach und nach lösen sich die Trauernden von materiellen Dingen. Die Wohnung wird aufgelöst, Kleidung und Fotos werden sortiert. Dieser Prozess ist begleitet von Erinnerungen und intensiven Trauergefühlen. Wenn ein Mensch gestorben ist, machen diese konkreten Dinge den Verlust bewusst. Im Trauerprozess sind sie eine wertvolle Hilfe. So ist es auch mit den Online-Profilen, sie können das Erinnern und Trauern unterstützen. Das erklärt auch die Scheu, ein vorhandenes Profil einfach zu löschen. Das Profil ist eng mit Erinnerungen verbunden. In Bildern, liebevollen Sätzen und Emojis ist das Leben dokumentiert. Die emotionale Hürde, das zu vernichten, ist groß. Digitale Nachlassverwalter bekommen Einblick in private Dinge. Fotos, die zu Lebzeiten kein anderer gesehen hat, Tagebücher oder Briefe geben Auskunft darüber, wie ein Mensch gefühlt oder gedacht hat. Strafbare Handlungen können sichtbar werden oder ein Seitensprung. Angehörige können mit diesen Informationen zusätzlich auf die emotionale Achterbahn geschickt werden. Dem Persönlichen sollte man sich behutsam nähern und für das Notwendige sich fachkundige Unterstützung holen. Wer dann noch für den eigenen digitalen Nachlass vorsorgt, macht seine eigenen Erben glücklich. Birgit Aurelia Janetzky, Theologin, begleitet als Trauerrednerin Menschen beim Abschiednehmen, gibt Fortbildun­ gen für alle Berufsgruppen rings um Friedhof und Bestattung. Mit ihrem Unternehmen Semno Consulting berät sie Menschen, Unternehmen und Institutionen an der Schnittstelle von #Mensch #Tod #Internet. E-Mail: [email protected] Website: www.semno.de

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Von der Keilschrift bis zur Robotik Das Heinz Nixdorf MuseumsForum

Andreas Stolte

HNF

Museen sind wichtige Vermittler unserer Geschichte. Doch nirgends ist die Kapitelabfolge der Geschichtsschreibung so kurz wie in der Technologie. War es vor ein paar Jahren ganz normal, den Telefonhörer nach Beendigung des Gesprächs auf die Gabel zu legen, wissen viele jüngere Menschen nicht mehr, was eine Telefongabel ist. Museen vermitteln aber nicht nur Geschichte. Sie sammeln, bewahren, forschen und lassen uns an unserer eigenen Geschichte als Urheber/-innen und Betrachter/-innen gleichermaßen teilhaben. Nicht im kalifornischen Silicon Valley, sondern im westfälischen Paderborn steht das weltgrößte Computermuseum. Mit sechstausend Quadrat-

Leibniz-Rechenmaschine

metern Ausstellungsfläche übertrifft das Heinz Nixdorf MuseumsForum (www.hnf.de) alle anderen Museen, die sich mit der Informationstechnik befassen, wie das Guinness-Buch der Rekorde bestätigte. Einzigartig ist das HNF neben seiner Größe aber vor allem aufgrund seiner inhaltlichen Konzeption. Die Dauerausstellung umfasst fünftausend Jahre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Informationstechnik, von der Keilschrift über Rechen- und Schreibmaschinen bis zu Internet und Robotik. Der gesamte Rundgang durch das Museum ist als multimediale Zeitreise angelegt. Sie beginnt bei der Entstehung von Zahl und Schrift in Mesopotamien 3.000 v. Chr.

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und umfasst die Kulturgeschichte des Schreibens, Rechnens und Zeichnens. Schreib- und Rechenmaschinen sind ebenso ausgestellt wie Lochkartenanlagen, Bauteile der ersten Computer, über 700 Taschenrechner und die ersten PC.

Bundeskanzler Helmut Kohl das Heinz Nixdorf MuseumsForum.

Vorgeschichte

Die Besucher und Besucherinnen können Telefone aus alten Zeiten benutzen, neue wie auch historische Computerspiele erproben oder sich mit dem virtuellen Wesen Max unterhalten. Zu den Höhepunkten zählen der funktionstüchtige Nachbau der Leibniz-Rechenmaschine, ein Thomas-Arithmomètre von 1850, Komponenten des ersten raumgroßen elektronischen Computers ENIAC, der Bordrechner der Gemini-Raumkapsel, der legendäre Apple 1 und mehrere aktive Roboter. Eine besondere Attraktion des HNF ist der berühmteste Automat der Welt: Der sogenannte

HNF

Die ersten Ideen für ein Computermuseum gehen auf den bedeutenden deutschen Computerunternehmer Heinz Nixdorf zurück, der bereits Mitte der 1970er Jahre begann, erste Objekte zu sammeln. Ihm ist das HNF gewidmet. Nach dem plötzlichen Tod von Heinz Nixdorf 1986 griff die von ihm gegründete Stiftung Westfalen seine Idee auf und realisierte seit 1992 die Errichtung des Museums in der ehemaligen Hauptverwaltung der Nixdorf Computer AG. 1996 eröffnetet dann

Ausprobieren und Anfassen stehen im Mittelpunkt

Schachtürke

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Vo n d e r K e i l s c h r i f t b i s z u r R o b o t i k    7 5

Schachtürke Wolfgang von Kempelens aus dem 18. Jahrhundert wurde in über einjähriger Arbeit im HNF rekonstruiert. Künstliche Intelligenz und Robotik

CodeLab und Smart World Besonders anschaulich wird das Prinzip des Programmierens im CodeLab anhand eines Balletts von 49 Winkekatzen, die sich mit wenigen ein-

HNF

Seit Ende 2018 ist der Bereich zu künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik komplett neu gestaltet. Wie bewegen sich Roboter? Was sehen sie? Können sie denken und fühlen? Die Museumsbesucher sind aufgefordert, selbst zu erforschen, wie Maschinen selbstständig lernen und wo ihre Grenzen sind. Dabei fasziniert besonders der fegende Roboter Beppo. Der 900 Kilogramm schwere Industrieroboter kehrt unablässig mit enormer Präzision rote Granulatteilchen, lässt sich dabei aber von einem Lichtkegel und den Besuchern irritieren. Ebenso beliebt ist Pepper, der elegant tanzt

und gerne plaudert. Der humanoide Roboter Nadine sieht einem Menschen verblüffend ähnlich und unterhält sich mit den Besuchern. Bevor er im HNF seinen Platz fand, trampte hitchBOT durch Kanada und Europa. Beinahe selbstverständlich, dass im HNF seit Jahren die Roboter PETER und PETRA Besucher durch das Museum führen. Auch die Darstellung der Computerkunst und Computermusik präsentiert sich neu. Nun können Menschen zusammen mit der KI Kunstwerke erzeugen und musizieren. Aber auch der erste digitale Synthesizer Fairlight CMI ist ausgestellt.

Pepper

Digitalisierung

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Andreas Stolte studierte Geschichte und Politikwissenschaft in Braunschweig. Nach einem wissenschaftlichen Volontariat im Westfälischen Freilichtmuseum Hagen ist er seit 1994 beim Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn beschäftigt und dort verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. E-Mail: [email protected]

HNF

fachen Befehlen in Bewegung setzen lassen. Die Smart World zeigt anschaulich, wie bereits heute unser Alltag durch das Internet und Sensoren beeinflusst wird. Ebenso informativ wie spielerisch geht es um die vernetzte Mobilität, die Arbeitswelt von morgen, die Vermischung von realer und digitaler Realität und das vermessene Ich.

PETER und PETRA

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Persönliche Erfahrungen aus dem Leidfaden-Herausgeberkreis Die Digitalisierung erfasst (nahezu) alle Lebensbereiche, im Privaten wie im Beruflichen. Hier berichten zwei Mitglieder aus dem Herausgeberkreis über ihre eigenen Erfahrungen mit dieser Entwicklung.

Monika Müller: Digitalisierung … Ich gehöre zu einer Generation, die viel mit der Hand schrieb. Als ich mich berufsbedingt mit Vorträgen und Artikeln befassen musste, tippte ich meine Gedanken fleißig auf Papier, um dann irgendwann – eine bessere Ordnung und nachvollziehbare Logik herstellen wollend – einzelne Absätze mit der Schere auszuschneiden und an anderen Stellen einzufügen, wo sie besser zu passen schienen. Das Ergebnis waren Doppelseiten, mit Tesafilm aneinander befestigt, oder überlange DIN-A4-Blätter, die ich zum Transportieren umund zum Lesen entklappen musste. Bis mich eine Kollegin liebevoll auf den Computer hinwies und die Möglichkeit des »copy and ­paste«. Das war für mich eine Offenbarung, für die ich bis heute ex­ trem dankbar bin. Diese Kollegin wies mich dann in viele andere »Geheimnisse« der Computerarbeit ein, wie erst neulich in erweiterte Kenntnisse des Umgangs mit Excel-Dateien. Und wenn ich es dann einmal begriffen habe (zuerst wird die Anleitung in eine Art Vokabelheft eingetragen, dann geübt und geübt, mit etlichen Anrufen bei der Kollegin: »Entschuldige bitte, aber wie ging das noch mal mit dem Filtern und Sortieren?«), dann folgt ein entdeckerfreudiges Spiel zwischen »try and error« – mit Betonung auf freudig. Und wenn mir dann Handgriffe und PC-Befehle in Fleisch und Blut übergegangen sind, bin ich zutiefst stolz.

Meinem verstorbenen Vater haben wir Töchter zu seinem 83-jährigen Geburtstag einen Laptop geschenkt. Und als seine ersten Mails uns erreichten, wusste er sich vor Stolz kaum zu lassen. Er war bis zu seinem Tod mit 94 Jahren geistig wach und interessiert, was ich unter anderem für eine Folge seiner Auseinandersetzung mit neuen Techniken und Medien halte. So bin ich inzwischen eine hochzufriedene Nutzerin des häuslichen Netzwerks mit einer Cloud, die alle Dateien unmittelbar nach Fertigstellung auf allen PCs und Laptops und Smartphones abgleicht und speichert. Wunderbar. Nur: Wie das funktioniert und wie ein PC aufgebaut ist, das werde ich in diesem Leben nicht mehr begreifen. Hauptsache, er gehorcht und führt kein Eigenleben Und mein Handy habe ich noch nie in die Ecke werfen wollen, allerdings bestimme auch nur ich, ob ich beim Klingeln drangehe und wann ich auf stumm schalte. Das ist sehr oft. Monika Müller, M. A., war Leiterin von ALPHA Rheinland, der Ansprechstelle in NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung mit Sitz in Bonn. Sie ist Dozentin und Supervisorin im Bereich Trauerbegleitung und Spiritual Care.

E-Mail: [email protected]

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Lukas Radbruch: Was bedeutet Digitalisierung für mich?

Digitalisierung – Fluch oder Segen? Im Laufe meiner Karriere habe ich erlebt, wie zum Beispiel die Vorbereitung von Vorträgen einfacher geworden ist. Als ich anfing, gaben wir den Text oder das Bild, das wir im Vortrag benutzen wollten, der MTA in der Schmerzambulanz, und die verschwand im Fotolabor und machte ein Foto. Für Textdias wurde der Hintergrund dann gebläut. Es war wie eine Revolution, als unser Oberarzt für seinen Computer eine Kamera als Drucker bekam. Nun konnten wir die Präsentation mit Harvard Graphics erstellen, und dann wurde jedes Bild einzeln – Zeile für Zeile – direkt auf den Film in der Kamera, die an den Computer angebaut

war, belichtet. Das dauerte allerdings auch mehrere Stunden, so dass ich oft im Nachtdienst am Computer saß, bis alles auf dem Film war. Morgens brachte die  MTA den Film weg, und mittags hatten wir die neuen Dias! Mittlerweile kann ich die Präsentation sogar noch wenige Minuten vor dem Vortrag verändern, und ich muss nicht mehr lange vor dem Diaschrank sitzen und die richtigen Dias raussuchen (und immer die Angst, dass der Diakasten vor dem Vortrag umkippt und die Bilder alle durcheinander kommen). Das kann allerdings manchmal auch dazu führen, dass ich eine unangenehme halbe Stunde vor dem Vortrag habe, weil mir plötzlich bewusst wird, dass

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Pe r s ö n l i c h e E r f a h r u n g e n a u s d e m L e i d f a d e n - H e r a u s g e b e r k r e i s    7 9

Studio_G / Shutterstock.com

ich eigentlich noch einige Aktualisierungen in der Präsentation hätte machen müssen. E-Mails statt Briefe, das ermöglicht, dass ich Publikationen mit Kollegen aus den USA oder aus Afrika schreiben kann. Wir müssten uns nicht einmal treffen. So arbeiten wir gerade in der International Association for Hospice and Palliative Care an einer neuen Definition der Palliativversorgung mit mehr als dreißig Autoren aus allen Kontinenten und können die Vorschläge und Revisionen in kürzester Zeit hin- und herschicken. Die schnelle und weltweite Vernetzung führt allerdings auch dazu, dass ich mehr als hundert E-Mails pro Tag erhalte. Mein Verhalten bei E-Mails lässt sich deshalb mittlerweile nur noch mit Astrophysik von schwarzen Löchern erklä-

ren: Die untere Kante vom Bildschirm ist der Ereignishorizont, und wenn die E-Mails erst einmal darunter gerutscht sind (weil ich sie nicht direkt bearbeitet habe), kollabieren sie unter ihrem Eigengewicht und können nie mehr aus dem schwarzen Loch entkommen. Als Arzt wäre natürlich viel interessanter, wie man die Digitalisierung für die Patientenversorgung nutzen könnte. Die Möglichkeiten dazu gibt es längst. Auf einer Tagung zu medizinischen Interventionen habe ich schon vor mehreren Jahren Vorrichtungen für das iPhone gesehen, mit denen EKGs abgeleitet, Ultraschalluntersuchungen gemacht oder der Augenhintergrund fotografiert werden können. Diese Geräte sind allerdings in Deutschland noch nicht zugelassen – und werden es bei unseren strengen Auflagen wohl so schnell auch nicht werden. Das ist eigentlich in der praktischen Umsetzung immer das Problem: Man kann eben nicht einfach machen, was man will. Die Digitalisierung würde uns erlauben, schnell und einfach Daten mit den Mitbehandlern und Mitbehandlerinnen auszutauschen, bei einem Notfalleinsatz immer alle aktuellen Daten des Patienten griffbereit zu haben und die Wirksamkeit der Behandlung ohne zusätzlichen Aufwand auszuwerten. Aber der Datenschutz behindert den Austausch von Daten und die Sicherheitstechnologie den schnellen Zugriff auf die Daten. Natürlich sind solche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich, aber manchmal bleiben die Vorteile der elektronischen Akte weit hinter den Erwartungen zurück. Dennoch, trotz aller Nachteile, bin ich froh über die Möglichkeiten der Digitalisierung und möchte nicht wieder zurück ins Fotolabor vor dem nächsten Vortrag. Prof. Dr. Lukas Radbruch hat den Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Universität Bonn inne und ist Chefarzt des Zentrums für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). E-Mail: [email protected]

Digitalisierung

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AUS DER FORSCHUNG

Psychische Gesundheitsstörungen über die sozialen Medien entdecken Vorgestellt von Lukas Radbruch Akkapon Wongkoblap, Miguel A. Vadillo, Vasa Curcin (2017): Researching mental health disorders in the era of social media: Systematic ­review. In: Journal of Medical Internet Research, 19, S. e228 Kennen Sie Amazon Mechanical Turk? Wissen Sie was ein API ist? Haben Sie schon mal die Methode LIWC für Ihre Forschungsprojekte benutzt? Wenn Sie alles mit nein beantworten, gehören Sie sicher nicht zu den Experten für medizinische Internetforschung. Dabei lassen sich mittlerweile Depressionen früher aus der bei Facebook benutzten Sprache erkennen (Eichstaedt et al. 2018), Computer können Empathie erkennen (Buechel et al. 2018) und kognitive Verhaltenstherapie kann bei jungen Erwachsenen mit Depression auch über den Computer online durchgeführt werden (Rice et al. 2014). Kein Wunder also, dass die medizinische Forschung zunehmend das Internet als Datenquelle entdeckt. Wongkoblap, Vadillo und Curcin stellen in einer systematischen Übersicht innovative Ansätze zur Prädiktion von psychischen Gesundheitsstörungen aus den Datenquellen der sozialen Medien vor. Dazu sind spezialisierte Methoden wie zum Beispiel maschinengestütztes Lernen erforderlich, um mit den enormen Datenmengen umgehen zu können. Die Daten müssen aufbereitet werden, so müssen zum Beispiel Emoticons in ASCII-Codes umkodiert werden, um sie computergestützt erfassen zu können. Bei

bestimmten Formen des maschinengestützten Lernens (zum Beispiel Deep Learning) findet die Entwicklung der Auswertungsalgorithmen allerdings in einer »Black Box« statt, und die Autoren stellen die Frage, ob solche Algorithmen überhaupt noch von klinischen Experten überprüft und validiert werden können oder sollten. Insgesamt fanden die Autoren 48 Studien zu ihrer Fragestellung, die fast alle in den letzten fünf Jahren publiziert worden sind. Die Hälfte der Studien wurden zu Depression veröffentlicht, einige zu Suizidalität, zu Wohlbefinden und Glück. Wenige Studien lagen zu postpartaler Depression, Essstörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung vor. Prädiktion von chronischem Stress oder Angststörungen in den sozialen Medien ist bisher noch gar nicht untersucht worden. Die Daten wurden in den untersuchten Studien auf zwei Arten erhoben: Zum einen wurden die Nutzer/-innen über die sozialen Netzwerke zur Teilnahme an Umfragen eingeladen, zum anderen wurden die öffentlichen Beiträge der Nutzer/-innen untersucht. Die Studien bezogen sich auf Daten bei Facebook oder Twitter. Die Autoren stellen fest, dass es zwischen den Plattformen forschungsrelevante Unterschiede gibt. So können bei Facebook nur Daten für Forschungszwecke genutzt werden, wenn die betroffenen Personen vorher ihr Einverständnis gegeben haben. Bei Twitter hingegen können die veröffentlichten Tweets sowohl re­ tro­spektiv wie prospektiv auch ohne besonderes

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blikation die Analysen von einer unabhängigen Stelle wiederholt werden sollten. Ach ja, und die Auflösung der Fragen: Amazon Mechanical Turk ist ein Online-Marktplatz für Gelegenheitsarbeiten, wo man zum Beispiel auch kleinere Zuarbeiten für wissenschaftliche Projekte erledigen lassen kann. API steht für Application Programming Interface, das sind Anwendungsschnittstellen, mit denen Apps auf Inhalte von Facebook oder Twitter (oder andere soziale Medien) zugreifen können. Und LIWC ist Linguistic Inquiry and Word Count, ein computergestütztes Textanalyseprogramm mit integriertem Wörterbuch, mit dem potenzielle Zeichen von psychischen Gesundheitsstörungen aus dem Textzusammenhang extrahiert werden können (zum Beispiel die Häufigkeit der persönlichen Fürwörter »ich« und »du«). Literatur Buechel, S.; Buffons, A.; Staff, B.; Unger, L.; Sedoc, J. (2018). Modeling empathy and distress in reaction to news stories. World Well-being Project. http://wwbp.org/papers/empathy_emnlp2018.pdf (Zugriff am 11.5.2019). Eichstaedt, J. C.; Smith, R. J.; Merchant, R. M.; Ungar, L. H.; Crutchley, P.; Preotiuc-Pietro, D.; Asch, D. A.; Schwartz, H. A. (2018). Facebook language predicts depression in medical records. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, 115, 11203–11208. Nosek, B. A.; Alter, G.; Banks, G. C.; Borsboom, D.; Bowman, S.  D.; Breckler, S.  J.; Buck,  S.; Chambers, C. D.; Chin, G.; Christensen, G.; Contestabile, M.; Dafoe, A.; Eich, E.; Freese, J.; Glennerster, R.; Goroff, D.; Green, D. P.; Hesse, B.; Humphreys, M.; Ishiyama, J.; Karlan, D.; Kraut, A.; Lupia, A.; Mabry, P.; Madon, T. A.; Malhotra, N.; Mayo-Wilson, E.; McNutt, M.; Miguel, E.; Paluck, E. L.; Simonsohn, U.; Soderberg, C.; Spellman, B. A.; Turitto, J.; VandenBos, G.; Vazire, S.; Wagenmakers, E. J.; Wilson, R.; Yarkoni, T. (2015). SCIENTIFIC STANDARDS. Promoting an open research culture. In: Science, 348, S. 1422–1425. Rice, S. M.; Goodall, J.; Hetrick, S. E.; Parker, A. G.; Gilbertson, T.; Amminger, G. P.; Davey, C. G.; McGorry, P. D.; Gleeson, J.; Alvarez-Jimenez, M. (2014). Online and social networking interventions for the treatment of depression in young people: a systematic review. In: Journal of Medical Internet Research, 16, e206.

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Alle Abbildungen: Colourbox

Einverständnis ausgewertet werden. Allerdings ist für eine gute prospektive Auswertung ein zusätzliches kostenpflichtiges Programm (Fire­hose) erforderlich. Als Methoden wurden vor allem Textanalysen eingesetzt. Besonders interessant erscheinen einige Studien, die mit Bildanalysen arbeiteten. Zwei Studien fanden einen signifikanten Zusammenhang zwischen Emotionen und dem Gebrauch von Farben. Ebenso interessant war die Analyse der sozialen Interaktionen: In einer Studie konnten Symptome der Depression durch die sozialen Netzwerke, also durch die Freunde des Betroffenen erkannt werden. Die Autoren befassten sich auch mit den ethischen Implikationen dieser Art von Forschung. In den untersuchten Studien war dies vor allem die Frage nach der Notwendigkeit der Vorlage bei einer Ethikkommission und der Notwendigkeit der Transparenz in der Auswertung und Publikation. Einige Studien hatten keine solche Genehmigung eingeholt, da sie nur anonymisierte Daten aus öffentlich gestellten Beiträgen ausgewertet hatten. Natürlich sind manche Studienfragen nicht oder nur mit größeren systematischen Fehlern zu beantworten, wenn Daten nur nach Information und Einverständniserklärung erfasst und ausgewertet werden dürfen. Zumindest die Vorlage und Beratung des Studienplans bei einer Ethikkommission sollten normaler wissenschaftlicher Standard auch für die Auswertung von Daten aus sozialen Netzwerken sein. Zur Transparenz geben die Autoren sehr weitreichende Empfehlungen zur Einhaltung der Stufe 2 der »Transparency and Openness Promotion«-Leitlinie (Nosek et al. 2015), nach der Datenquellen und Kodierungen in vertrauenswürdigen Langzeitarchiven gespeichert werden sollen, oder sogar der Stufe 3, gemäß der vor Pu-

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FORTBILDUNG

Selbstreflexion und Ressourcen Fortbildungseinheit für Begleiterinnen und Begleiter des Trauer­ chats für Jugendliche und junge Erwachsene »doch-etwas-bleibt«

Romy Kohler »Du bist für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.« Antoine de Saint-Exupéry

Vorinformation Unser Trauerchatangebot »doch-etwas-bleibt« existiert seit zehn Jahren. Wir begleiten mit einem Team junger Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die eigene Trauererfahrung in ihrer Vergangenheit machen mussten, ehrenamtlich Jugendliche und junge Erwachsene auf einer Chatplattform im Internet. Jeden Montag zwischen 20.00 und 22.00 Uhr stehen vier Teammitglieder als Begleitung für die User und Userinnen bereit. Sie geben Raum und Zeit, stehen

Rede und Antwort, hören zu und versuchen für deren Anliegen und Gefühle eine Hilfe zu sein. Jeden Montag bedeutet immer – an Feiertagen und auch in den Ferien. Das ist nur möglich, weil wir sehr gut darüber nachgedacht haben, ob es auf längere Sicht genug freie Kapazitäten in personeller, struktureller und finanzieller Hinsicht gibt. Wir arbeiten auf beiden Seiten mit jungen Menschen, die sehr schwere Verluste in frühen Jahren erleben mussten, die auf Userseite meist sehr verzweifelt und verletzlich sind und nicht immer gute Erfahrungen mit Verlässlichkeit und Beständigkeit machen konnten. Deshalb habe ich diese Worte von Antoine de Saint-Exupéry vorangestellt. Ein wichtiger Aspekt ist die Befähigung unserer Chatbegleiter/-innen. Bevor sie das erste Mal

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im Einsatz sind, nehmen sie an einem Einführungswochenende teil. Während des Wochenendes beschäftigen sich die potenziellen Begleiter/-innen ausführlich mit den Themen Tod und Trauer und lernen sowohl Theorieansätze zu diesen Themen als auch Beratungsansätze kennen und werden in die Technik der Chatplattform eingeführt. Zentrales Ziel des Ausbildungswochenendes sind aber die Reflexion der eigenen Situation und Trauererfahrung und das Entdecken der eingesetzten Ressourcen. Ressourcen sind Kräfte, Fähigkeiten und Möglichkeiten, die es Menschen erlauben, mit einem Verlust oder einer Krise umzugehen. Nur wenn die Begleiter/-innen ihre eigenen Grenzen kennen und schützen können und wissen, was sie bereit sind zu leisten, können sie für andere eine wirkliche Unterstützung sein. Entscheiden sie sich, im Team mitzuarbeiten, ist damit die Verpflichtung zur Teilnahme an einer monatlichen Supervision und an einem jährlichen Fortbildungswochenende verbunden. Fortbildungseinheit Selbstreflexion und Ressourcen

Der Raum Er sollte so groß sein, dass sechs Arbeitstische einzeln gestellt werden können und Platz für zwei Materialtische, einen Flipchart und zwei Pinnwände vorhanden ist. Arbeitsmaterialien Flipchart, zwei Pinnwände, Moderationskarten und dicke Filzstifte, stabile Papierbögen DIN A1, Scheren, Klebstoff, Tacker, eine Fülle von Gestaltungsmaterial. Alle Arten von Stiften, verschiedene Papiere, Pappen, Sticker, Bänder, Buchstaben, Moosgummi, Perlen etc. Beim Material für die Gestaltung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Je mehr und unterschiedlicher, desto besser. Aufgabe Gestalte in den nächsten 60 Minuten ein Bild deines Lebens für uns. Lass dich vom Material inspirieren. Einige Hinweise werden auf dem Flipchart zur Verfügung gestellt: Wo kommst du her? Wie war dein Weg? Gestalte deinen Verlust. Wie ging dein Leben danach weiter? Wo bist du heute?

Die folgende Einheit ist ein Bestandteil eines ganzen gemeinsamen Wochenendes. Sie steht ungefähr in der Mitte des Gesamtkonzepts und findet dann statt, wenn die Gruppe die Chance hatte, sich kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen. Da im Moment nur junge Frauen in unserem Team arbeiten, werde ich in der Folge zur Vereinfachung die weibliche Form benutzen. Zielgruppe Junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die in der Vergangenheit eigene Trauererfahrung machen mussten. Die Gruppengröße umfasst höchstens sechs Teilnehmerinnen. Ist die Zahl der Teilnehmenden für das Wochenende größer, wird die Gruppe für diese Einheit geteilt.

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Ziel der Übung Die Teilnehmerinnen betrachten ihren Verlust und den Umgang damit in ihrem Lebenszusammenhang. Sie lernen zu erkennen, wo Ressourcen zu finden sind, die in schwierigen Lebenssituationen hilfreich sein können. Sie erkennen, dass die Fähigkeiten und Umstände, die ihnen Unterstützung waren, eventuell auch bei den Userinnen und Usern zu entdecken sind und diesen gespiegelt werden können. Die Teilnehmerinnen erfahren bei der Aufgabenstellung, dass sie ihr Bild (ihren Lebensweg) anschließend der Gruppe vorstellen. Durchführung Während der Arbeit herrscht Schweigen, eventuell kann leise Musik gespielt werden. Die Gestaltungseinheit endet mit einer Pause von 10 Minuten. Die Tische werden weggeräumt, das »Publikum« sitzt im Halbkreis gegenüber den Pinnwänden. Das erste Bild wird angepinnt und die »Künstlerin« hat 15 Minuten Zeit, um vorzustellen, was sie gestaltet hat. Der Verlust und was sich darum herum rankt und wie damit gelebt und umgegangen wurde, werden hervorgehoben. Die Gruppe schweigt und schenkt der Vortragenden die volle Aufmerksamkeit. Die Zuhörerinnen sollen besonders darauf achten, welche Ressourcen vorhanden waren und genutzt wurden, um diesen Verlust zu durchleben. Die Leitung achtet auf die Vortragende, interveniert, wenn sie sich zu verlieren droht, achtet auf die Zeit. Ist das Werk vorgestellt, dürfen aus dem Publikum kurze Fragen zum Verständnis gestellt werden. Danach nimmt die Leitung die Vortragende an ihre Seite und schaut, was sie braucht. Die Gruppe »murmelt« zu zweit oder zu dritt und sammelt auf Moderationskarten die gefundenen Ressourcen (5 Minuten).

Danach werden die Ergebnisse vorgestellt und die Karten dazu an die zweite Pinnwand geheftet. Dabei wird die Vortragende direkt angesprochen und es werden ihr die gefundenen Ressourcen zugesprochen. Sie hört aufmerksam zu und darf sagen, ob sie sich gut gesehen fühlt, und Dinge, die vielleicht fehlen, ergänzen. Es wird sich gegenseitig bedankt, dann nimmt die Vortragende ihr Bild ab (10 Minuten). Nach einer kurzen Bewegung im Raum wird das nächste Werk angepinnt und damit genauso verfahren. Nachdem drei Bilder vorgestellt und besprochen wurden, gibt es eine 15-minütige Pause. Sind alle Bilder angesehen, gibt es wiederum eine kurze Pause, in der die Leitung die gefundenen Ressourcen unter bestimmten Gesichtspunkten ordnet. Beispielsweise: Kindheit, Familie, Freunde, Natur, Tiere, Hobbys etc. Dies dient der Veranschaulichung. Die Übung endet mit dem gemeinsamen Betrachten der großen Fülle der gesammelten Ressourcen. Alle Teilnehmerinnen dürfen ihren Eindruck dessen, was dort zusammengekommen ist und wo überall Kräfte zu finden sind, deren wir uns vielleicht nicht bewusst sind, kurz äußern. Nach dieser Einheit folgt eine, die der Auflockerung dient, damit die Teilnehmerinnen gut weiterarbeiten beziehungsweise nach Hause gehen können. Am Ende des Wochenendes entscheiden die Teilnehmerinnen, wie sie mit ihren Bildern verfahren möchten. Romy Kohler, Erzieherin, Master Palliative Care für psychosoziale Berufsgruppen, Trauerbegleiterin (TID), arbeitet als Koordinatorin eines ambulanten Hospizund palliativen Beratungsdienstes. E-Mail: [email protected]

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BUCHTIPPS

Buchtipps zum Thema macht deutlich, dass praktisch alle auch beruflich von der Digitalisierung betroffen sind, die medizinisch, pflegerisch, therapeutisch oder seelsorglich handeln, also alle Tätigkeitsbereiche, die dem Titel des Fachmagazins »Leidfaden« entsprechend mit Krisen, Leid und Trauer zu tun haben. Im Folgenden stellen wir Bücher vor, die uns aufgefallen sind. Zum Inhalt sind ergänzend die Verlagstexte angeführt.

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Es gibt sogar noch Bücher: Erstaunlicherweise hat die digitale Welt in der analogen Bücherwelt nicht nur ihren Niederschlag gefunden, sondern sie wird gerade dort in ihren Chancen, Möglichkeiten und mit ihren Risiken intensiv betrachtet, erläutert und kontrovers diskutiert. Dies reicht von der informativen Sachebene bis zur ethischen und religiösen Metaebene. Das Spektrum, das hier nur ansatzweise aufgezeigt werden kann,

Johannes Jörg, Digitalisierung in der Medizin (2018). Wie Gesundheits-Apps, Telemedizin, künstliche Intelligenz und Robotik das Gesundheitswesen revolutionieren. Berlin: Springer, 156 Seiten

Das Werk beschreibt anhand von 15 Fallbeispielen die bisherige und zukünftige Digitalisierung in der Medizin im Bereich von Gesundheits-Apps, Telemedizin, künstlicher Intelligenz und Robotik. Das Werk wendet sich an Ärzte aller Fachdisziplinen in Klinik oder Praxis, an Gesundheitsökonomen, an alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen, besonders Pflegeberufe, Physiotherapeuten, Logopäden, aber auch an interessierte Laien oder Selbsthilfegruppen. Aufgezeigt wird u. a. • wie Gesundheits-Apps und Telemonitoring in der Kardiologie den Abstand zwischen Patient und Arzt durch mehr Eigenverantwortung verringern, • wie Online- oder Video-Sprechstunden gegen überfüllte Wartezimmer helfen und die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum verbessern, • wie die Telemedizin im Rahmen der Schlaganfallversorgung die Notfallversorgung revolutioniert hat, • wie sich mit der künstlichen Datenintelligenz sowie der Bildund Gesichtserkennung die radiologische und dermatologische Diagnostik in den nächsten Jahren weiter verbessern werden, • wie der Pflegeberuf durch Akademisierung und ärztliche telemedizinische Supervision die gewünschte Eigenverantwortung erfahren kann.

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Ralf Huss (2019). Künstliche Intelligenz, Robotik und Big Data in der Medizin. Berlin: Springer, 124 Seiten

Die Informationstechnologien haben, wie in alle Lebensbereiche, längst auch Einzug in Medizin und Gesundheitsversorgung gehalten: • digitale Systeme erstellen Diagnosen, errechnen Krankheitsrisiken und geben individuelle Therapieempfehlungen, • neue Technologien eröffnen ungeahnte Behandlungsmöglichkeiten, • aus der Analyse großer Datenmengen ergibt sich ein tieferes Verständnis der Entstehung und der Verläufe von Krankheiten und neue Therapieideen. • In diesem Spannungsfeld verändern sich auch die Erwartungen, die Patient und Arzt aneinander stellen, und ihr jeweiliges Rollenverständnis. In sieben anschaulich und einprägsam geschriebenen Kapiteln stellt der Autor die Hauptfelder der Digitalisierung in der Medizin dar, sowohl die Chancen, die sie für viele Patienten beinhalten, als auch die Gefahren, die sie für die Bewahrung der Privatsphäre und die am Patienten orientierte ärztliche Behandlung mit sich bringen können – eine gut lesbare Einführung für alle, die sich für die Entwicklung der Medizin und des Gesundheitswesens interessieren.

Emily M. Engelhardt (2018). Lehrbuch Onlineberatung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 172 Seiten, mit 16 Tabellen und ­digitalem Zusatzmaterial

Wo liegen Chancen und Grenzen von Online-Beratung? Wie gelingt eine professionelle Beziehungsgestaltung zwischen Fachkraft und Klient in der digitalen Beratung? Was sind die Besonderheiten von Online-Kommunikation? Der Einsatz digitaler Medien und Kommunikation spielt im Bereich der psychosozialen Beratung eine immer wichtigere Rolle. Dieses Lehrbuch vermittelt (angehenden) Fachkräften im Kontext von Beratung, Coaching und Supervision praktisches Handlungswissen zur Online-Beratung. Neben theoretischen Grundlagen veranschaulicht Emily Engelhardt anhand von praktischen Beispielen und Übungen, wie Online-Beratung konkret umgesetzt wird. Die Leser und Leserinnen lernen die unterschiedlichen Tools der textbasierten Online-Beratung (Mail-, Chat- und Forenberatung) sowie neuere Entwicklungen wie Videound Messenger-Beratung kennen und setzen sich mit den Besonderheiten der Online-Kommunikation auseinander. Neben den Einsatzmöglichkeiten und -feldern von Online-Beratung werden rechtliche, technische und organisatorische Aspekte beleuchtet.

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Klaus P. Horn (2019). Connected to the Un­known – mit System­ aufstellungen die digitale Transformation meistern. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 199 Seiten, mit 26 Abbildungen

Die digitale Transformation eröffnet einen Raum völlig neuer technischer und wirtschaftlicher Möglichkeiten. Zugleich entzieht sie etablierten Strukturen den Boden. Was brauchen Unternehmen und Einzelne, um diese Herausforderung anzunehmen und sich auf das Unbekannte einzulassen? Offenheit und die Bereitschaft, Gewohntes aufzugeben und unbegangene Wege zu gehen. Das verunsichert viele, denn wir Menschen brauchen anders als Roboter ein Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit. Wie kann Digitalisierung mit menschlichem Maß gelingen? Was hilft, wenn es hakt? Mit der Systemaufstellung können im Spannungsfeld zwischen digitaler Logik und menschlicher Psycho-Logik verborgene Hindernisse ans Licht kommen. Systemische Dynamiken werden so hautnah erfahren. Wie Aufstellungsarbeit in Unternehmenszusammenhängen helfen kann, die Digitalisierung zu meistern, zeigt Klaus P. Horn mit einer psychologischen Betrachtung digitaler Blindspots, praktischer Anwendung systemischer Prinzipien, ausführlichen Fallstudien und einem Kapitel mit Fragen und Antworten zur Systemaufstellung im Digitalisierungskontext.

Heinrich Wullhorst (2018). Soziallehre 4.0: Wie wir in Zeiten der Digitalisierung menschlich bleiben können. Paderborn: Bonifatius, 163 Seiten

Die digitale Transformation wird in den kommenden Jahrzehnten zu dramatischen Veränderungen führen, die in ihren Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind. Unter dem Stichwort »Arbeitsmarkt 4.0« werden diese Fragen heute bereits stark mit Blick darauf diskutiert, welche Rolle der Mensch als Individuum in einer digitaler werdenden Welt künftig einnehmen wird und kann. Das Buch geht der Frage nach, wo die zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit für die digitale Transformation liegen und welche Bedeutung die Katholische Soziallehre haben kann, um diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen.

Gregor Waclawiak (2015). Gott im Netz. Religiöse Kommuni­kation im Internet. Fallstudien zur Internetseelsorge. Berlin, Münster: LIT, 382 Seiten

Ist das Internet ein Ort, an dem Menschen Seelsorge suchen und finden? Die Kontroversen zu dieser Frage reißen nicht ab. Wer sich ein Urteil bilden will, wird in diesem Buch fündig werden. Es ist die erste Arbeit, die sich theoretisch und empirisch mit Dialogen beschäftigt, die in solchen Chats geführt werden. Das Ergebnis überrascht. Waclawiak zeigt auf: Wenn User im Netz biblische Texte kommunizieren, kann dieselbe Tiefenschärfe erreicht werden wie in der Face-to-Face-Kommunikation. Wer wissen will, was sich im Netz tut, wer aktiv ist und ob diese Leute mit ihrer Botschaft überhaupt beim »User« ankommen, der sollte sich mit dieser Arbeit beschäftigen.

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Ilona Nord und Swantje Luthe (Hsrg.) (2014). Social Media, christliche Religiosität und K­ irche. Studien zur P­ raktischen Theologie mit religions­pädagogischem ­Schwerpunkt. Jena: Garamond, 446 Seiten

Das Buch bietet innerhalb der deutschsprachigen Diskussion zu Religion und Medien eine umfassende Zusammenschau von medienwissenschaftlichen und theologischen Grundlagen, religiöser Mediensozialisation sowie didaktischen Reflexionen für die Religionspädagogik und kybernetischen Reflexionen für den Bereich von Kirche und Gemeinde. Ein Buch, das im Alltag von Mixed Reality, in dem Online- und Offline-Welten ineinander verwoben sind, theoretische Einblicke und praktische Beispiele liefert. Empfohlen für Studentinnen und Studenten der Theologie, Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Religionslehrerinnen und Religionslehrer.

Ilona Nord und K­ ristin Merle (Hrsg.) (2020). Mediatisierung religiöser Kultur. Praktisch-­theologische Standort­bestimmungen im ­interdisziplinären ­Kontext. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 400 Seiten

Die gegenwärtig stattfindenden Prozesse der Digitalisierung haben als Kulturwandel auf die verschiedensten Bereiche des (Zusammen-)Lebens Einfluss. Der Band geht der Frage nach, welche Bedeutung die Transformationen für Religion und Religiosität besitzen und welche Reflexionsdesiderate sich vor diesem Hintergrund auch für die Praktische Theologie als wissenschaftliche Disziplin stellen. Die hier publizierten Beiträge sind im Wesentlichen im Kontext eines mehrjährigen fachwissenschaftlichen, interdisziplinären Gesprächszusammenhangs entstanden. Sie thematisieren grundlagentheoretische Fragen sowie disziplin- und handlungsfeldbezogene Aspekte, zum Beispiel in homiletischem, poimenischem, kirchentheoretischem und religionspädagogischem Interesse.

Thomas Klie und Ilona Nord (Hrsg.) (2016). Tod und Trauer im Netz. Mediale Kommunikationen in der ­Bestattungskultur. Stuttgart: Kohlhammer, 224 Seiten

Seit geraumer Zeit wird bereits im Cyberspace bestattet und getrauert. In dem Maße, wie sich die Bestattungskultur verändert und ausdifferenziert, besetzt sie mit großer Selbstverständlichkeit auch die modernen Repräsentationsmedien. Computer-mediatisierte Kommunikationen eröffnen dabei neue Wege zur Visualisierung des Umgangs mit Tod und Trauer. Simulacren des Funeralen, Bilder der Anteilnahme und das öffentliche Sichtbarmachen von Trauerprozessen sind dabei nicht nur in der virtuellen Welt zu lokalisieren, sondern sie bestimmen auch leiblich wahrnehmbare Realitäten von Trauernden. In diesem Band geht es darum, die Art und Weise der Visualisierungen von Tod, Abschiedsprozessen und Bestattungsritualen im Cyberspace in interdisziplinärer Weise zu erörtern und die kultur- und bildtheoretischen Perspektiven ins Gespräch mit einer kulturoffenen Praktischen Theologie zu bringen.

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Unaufhaltsam drängt der digitale Wandel auch im Gesundheitswesen voran. Dies führt zu grundsätzlichen Veränderungen in der Gesundheitsversorgung und schafft neue Möglichkeiten der Diagnostik, Therapie und Prävention. Digital Health, Wearables, Big Data und Algorithmen eröffnen vielfältige Chancen einer effektiven Gesundheitsversorgung. Aber wie ist der aktuelle Stand der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen? Welche Herausforderungen und Potenziale bringt der digitale Wandel mit sich? Und in welchen Bereichen besteht noch Handlungsbedarf? Diese Fragen beantworten renommierte Autoren unterschiedlicher Disziplinen in ihren Beiträgen. Sie arbeiten die aktuelle Situation der digitalen Transformation im deutschen Gesundheitswesen heraus und stellen die Chancen, Risiken und aktuellen Herausforderungen in unterschiedlichen Kontexten dar. Für Ärzte im Krankenhaus und in der Praxis, für Angehörige des Krankenhausmanagements, für Entscheidungsträger der Gesundheitswirtschaft und für alle Akteure im Gesundheitswesen.

Benedikt Buchner (Hrsg.) (2019). Datenschutz im Gesundheits­ wesen (2. Auflage). Remagen: AOK-Verlag., 384 Seiten

Mit Geltung der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung und der damit verbundenen umfassenden Anpassung der nationalen Datenschutzvorschriften haben sich die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen auch für Gesundheitseinrichtungen seit Mai 2018 grundlegend geändert. Die Broschüre soll Datenschutzverantwortlichen dabei helfen, die Datenverarbeitung in Gesundheitseinrichtungen auch künftig rechtskonform zu gestalten. Das Handbuch vermittelt die neuen gesetzlichen Grundlagen, führt praxisnah in die Datenschutz­ organi­sation ein und erläutert am Beispiel des Krankenhauses die zentralen datenschutzrechtlichen Herausforderungen. Neben dem Datenschutz wird dabei auch das neue für Gesundheitseinrichtungen zunehmend wichtigere Feld der IT-­Sicher­ heit beleuchtet.

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Robin Haring (Hrsg.) (2018). Gesundheit digital: Perspektiven zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Berlin: Springer, 248 Seiten

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Tim Hagemann (Hrsg.) (2017). Gestaltung des Sozial- und Gesundheitswesens im Zeitalter von Digitalisierung und technischer Assistenz. Baden-Baden: Nomos, 542 Seiten

Die Begriffe Digitalisierung und Arbeit 4.0 sind in aller Munde. Auch im Sozial- und Gesundheitswesen lässt sich erahnen, wie allumfassend Arbeitsfelder und gesellschaftliche Verhältnisse sich ändern werden. Digitale Technologien und Roboter werden unseren Alltag prägen. Sie vernetzen Menschen, Geräte und Gegenstände miteinander und schaffen neue Formen der Interaktion und Kommunikation. Solche Systeme werden in atemberaubendem Tempo autonomer und können unabhängig von menschlicher Steuerung agieren. Und sie sind zunehmend in der Lage, komplexe Entscheidungen selbst zu treffen. Dadurch entstehen vielerlei Möglichkeiten – der Unterstützung, aber auch der Kontrolle und einer grundlegenden Reorganisation zahlreicher sozialer Dienstleistungen. In der Publikation wird in Beiträgen dargestellt und diskutiert, welche Auswirkungen dies für soziale Räume, die Gesundheitsversorgung, für Beratung und Therapie, für die berufliche Bildung und für die Leitung von Sozialunternehmen hat.

Arno Elmer und David Matusiewicz (Hrsg.) (2019). Die Digitale Transformation der Pflege: ­Wandel. Innovation. Smart Services. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 323 Seiten

Der digitale Wandel macht auch vor der Pflege nicht Halt und wird diese nachhaltig verändern. Dies betrifft Kostenträger wie Kranken- bzw. Pflegekassen, ambulante und stationäre Leistungserbringer, aber vor allem die Patienten und deren Angehörige. Smart Services und Ambient Assisted Living gewinnen immer mehr an Bedeutung. Der zweite Gesundheitsmarkt bietet hier smarte Lösungen, die durch den ersten Gesundheitsmarkt noch nicht abgedeckt werden. Auf Nachfragerseite geht es um schnelle und intuitiv zu bedienende Lösungen, aus Anbietersicht um nachhaltig tragfähige Geschäftsmodelle. Doch wer soll das finanzieren? Schon heute fehlen zehntausende Pflegekräfte. Abhilfe können intelligente und smarte, aber vor allem menschliche Lösungen schaffen – zum Vorteil aller und besonders der zu pflegenden Menschen. Zukunftsforscher gehen davon aus, dass in etwa zehn bis fünfzehn Jahren mehr Pflegeroboter geleast werden als Autos. In Japan unterstützen Roboter bereits heute die Pflegekräfte bei der täglichen Arbeit. Der Kern des Problems liegt nicht mehr in den Möglichkeiten der technischen Umsetzung, sondern ist eine Frage der Erkenntnis und des Finanzierungssystems. Dieses Buch beleuchtet aus verschiedenen Perspektiven praxisnah und fundiert die Entwicklung der Digitalisierung der Pflege in Deutschland. Experten aus Politik, Kranken- und Pflegeversicherung, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, Selbstverwaltung und Wirtschaft bewerten die derzeitige Situation und zeigen Entwicklungsperspektiven, Herausforderungen und Grenzen des spannenden Zukunftsmarkts Pflege auf.

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REZENSIONEN

Männer trauern anders

Thomas Achenbach (2019): Männer trauern anders. Was ihnen hilft und guttut. Ostfildern: Patmos Verlag, 167 Seiten »Männer trauern anders«, so lautet der Titel des im Frühjahr 2019 erschienenen Buches von Thomas Achenbach. Das Buch greift Beobachtungen auf, die viele Trauerbegleitende kennen: Trauercafés und Trauergruppen sind weiblich dominiert und auch die Trauerbegleitenden sind überwiegend weiblich – immer noch. Doch rechtfertigt das den Rückschluss, dass Männer anders trauern als Frauen? Achenbach nähert sich dem Thema und der Fragestellung in neun Schritten. Nach einer Einführung, in der er selbst deutlich auf die bestehende Klischeefalle (»Männer sind so«) hinweist, wendet er sich den Unterschieden in der Trauer zwischen Männern und Frauen zu und begibt sich in diesem Kapitel auf einen durchaus schmalen Grat. Einerseits betont er die hohe Individualität von Trauer und dass die Auswirkungen von Trauer grundsätzlich und unabhängig vom Geschlecht sehr unterschiedlich sind. Andererseits beschreibt er aber auch, dass es Grenzen im persönlichen Ausdruck gibt, »die eine Frau jederzeit zu überschreiten bereit ist, ein Mann aber nicht«. In diesem ersten Kapitel tauchen wiederholt solche geschlechtsspezifischen Zuschreibungen auf, daneben aber auch zentrale erläuternde Gedanken etwa zu historischen Wurzeln und Ursachen der Entwicklung eines heutigen Männerbildes.

Norbert Mucksch

Im zweiten Kapitel wendet sich Achenbach dem Thema »Ohnmacht« zu und er beschreibt Ohnmacht als das Gefühl, welches trauernden Männern am meisten zu schaffen macht. Männer, so der Trauerbegleiter Achenbach, benötigen den Handlungsmodus, um ein gutes Gefühl zu haben. Diese Feststellung ist mir in dieser absoluten Formulierung zwar einerseits zu klischeehaft, andererseits ist der Gedanke dahinter für Trauerbegleitende hilfreich und handlungsleitend. Es ist sicher richtig, dass einige Männer in der Trauerbegleitung andere Impulse benötigen und dass ihnen andere Methoden gut tun als die, die tendenziell eher Frauen ansprechen. Im dritten Kapitel wendet sich Achenbach dem Thema Kommunikation zu. Überschrieben ist dieses Kapitel mit der Aussage: Männer reden, aber anders. Damit bleibt der Autor sich und seinem Buchtitel treu, läuft damit aber Gefahr, wiederum in die Klischeefalle zu tappen. Kapitel vier wendet sich den extremen Ausdrucksformen von Trauer zu: Rausch, Exzess und Depression. Wichtig in diesem Kapitel sind die hilfreichen Ausführungen zur gegenwärtigen Diskussion um die Neufassung des ICD. Der Autor positioniert sich hier als BVT-Mitglied und formuliert eine klare Unterscheidung zwischen Trauer und Depression. Und er stellt unmissverständlich klar, dass Trauer nicht als Störung verstanden werden darf, sondern als gesunde Reaktion auf erlittene Verluste. Im fünften Kapitel wendet sich der Autor dann dem Thema Männergesundheit zu. Die Überschrift zu diesem Abschnitt macht neugierig: »Schmerzfallen, Einsamkeit und Männergesundheit – Alltag ohne Alltäglichkeit«. Zum Teil

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schlägt Achenbach hier inhaltliche Bögen zurück zu den vorhergehenden Kapiteln. Vor allem interessant und aufschlussreich sind die Verweise auf einen Bericht des Robert-Koch-Instituts zur gesundheitlichen Lage der Männer in Deutschland. Gegen Ende dieses Kapitels findet sich ein insbesondere für Betroffene wichtiger Abschnitt zur Fragestellung, wie lang Trauer eigentlich dauern darf. Kapitel sechs widmet sich dem gewichtigen Thema Trauer am Arbeitsplatz, ein Thema, das gleichermaßen Bedeutung hat für trauernde Männer wie Frauen. Zwischen Kapitel sechs und sieben befindet sich ein kleines »Intermezzo«. Hier liefert das Buch hilfreiche Hinweise für Betroffene und Angehörige, wie ein guter Trauerbegleiter, eine gute Trauerbegleiterin gefunden werden kann. Das siebte Kapitel versucht Zugänge zum Thema Trauer zu vermitteln und bedient sich des Mediums Musik. Kapitel acht thematisiert die Aufgaben von trauernden Menschen in Abgrenzung zu Trauerphasen, wie sie früher in der Fachliteratur beschrieben wurden. Dieses Kapitel erscheint mir sehr hilfreich insbesondere für trauernde Menschen und deren Angehörigen. Im abschließenden neunten Kapitel benennt Achenbach dann Dinge, Angebote, Methoden, die trauernden Männern gut tun können. Dieses Kapitel umfasst eine große Fülle von möglichen Zugängen und kreativen Ideen. Damit ist es – auch in seiner Kürze – sicher ein mögliche Inspiration für Trauerbegleitende, die gezielt Männer begleiten oder begleiten möchten. Ein Nachwort und ein kleiner Anhang zu Trauerphasenmodellen schließen das Buch ab. Männer trauen anders! – Trauern Männer wirklich anders? Männer trauern in ihrer individuellen männlichen Rollen- und Geschlechtsidentität, die unter anderem geprägt ist von einer

sehr persönlichen Sozialisation, von kulturellen Einflüssen und nicht zuletzt von spezifischen lebensgeschichtlichen Erfahrungen. Bei allen wichtigen Gedanken, die dieses Buch liefert, berücksichtigt es meines Erachtens diese Aspekte nicht in ausreichendem Umfang. Insofern ist auch der Titel zu hinterfragen, denn er wirkt zu pauschal, zu sehr verallgemeinernd und zu festlegend. Nein! Männer trauern nicht per se anders. Sie trauern als Männer in einer oft spezifischen und ebenso sehr individuellen Form wie auch Frauen. Seinen Wert hat dieses Buch dennoch, und zwar durch die vielfältigen Anregungen, die es gibt. Es öffnet Blickwinkel für diverse Aspekte, die rund um das Thema Trauer eine gewichtige Rolle spielen. Die von Achenbach konkret genannten Aspekte haben eine grundsätzliche Bedeutung für trauernde Männer und Frauen. Und mitunter ist deren Relevanz für Trauer bei Männern tatsächlich etwas höher. Bei allen verwendeten Klischees finde ich das Buch hilfreich und lesenswert. Es macht aufmerksam auf mögliche konkrete Trauerbesonderheiten bei Männern, wie auch bei Frauen. Aber diese Besonderheiten gelten eben nicht für alle Männer und ebenso wenig für alle Frauen. Das, was Achenbach in einer sehr leicht zugänglichen und in ansprechender Sprache beschreibt, hat zum einen mit konkreter Sozialisation und Erziehung zu tun und zum anderen hat sich das Trauern »der« Männer nach meinen eigenen Erfahrungen in den vergangenen Jahren geändert. Gewandelt hat es sich noch nicht, wohl aber geändert. An diesem Änderungsprozess können auch Trauerbegleitende entscheidenden Anteil haben, wenn sie sich zunehmend lösen von den typischen Männerzuschreibungen und zugleich über eine kreative Methodenvielfalt verfügen, die trauende Menschen (Männer wie Frauen) in ihrer Individualität abholt und sie zum Beispiel in gemischten Trauergruppen voneinander lernen lässt.

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Angst, Verlust, Trauer und die Frage nach dem Sinn

Norbert Mucksch

Barbara Leu (2019): Angst, Verlust, Trauer und die Frage nach dem Sinn. Existenzielle Themen in Psychoonkologie und Psychotherapie – Eine Einführung. Wiesbaden: Springer, 56 Seiten

Angst, Verlust, Trauer und die Frage nach dem Sinn. Lassen sich so existenzielle Themen auf rund 50 Seiten in einer Form bearbeiten, die fachlich vorgebildete Leserinnen und Leser in eine inhaltliche Auseinandersetzung bringt, die ihnen in ihrem Tun hilft und sie weiterbringt in der regelmäßigen Konfrontation mit solchen gewichtigen Nöten und Fragen? Diese Frage mag man stellen und auch ich habe sie mir gestellt, als ich die vorliegende Publikation in die Hand und unter die Augen nahm. Die Autorin, Barbara Leu, ist in beiden Berufsfeldern, denen sich das Buch widmet, ausgebildet, nämlich als Psychoonkologin und Psychotherapeutin. Die in diesen Handlungsfeldern zentralen Themen (Angst, Verlust, Trauer und Fragen nach dem Sinn) arbeitet Leu in ihrem schmalen Band ab. Dies ist aus meiner Sicht ein durchaus ambitionierter, aber gelungener Versuch, auch aufgrund zahlreicher Querverweise zu einschlägiger Literatur. Ziel der Autorin ist, zunächst einmal die im Titel genannten Themen in Verbindung zu bringen. Darüber hinaus bietet sie eine gelungene Auswahl an theoretischen Mo-

dellen an. Das Buch lebt sowohl von diesen Modellen, die natürlich nur in kurzer Form, dafür aber sehr übersichtlich vorgestellt werden, als auch von Fallbeispielen, die einen gelungenen Praxisbezug herstellen. Die Chance dieses Buches, das die Autorin selbst als Einführung versteht, sehe ich vor allem darin, dass es im konkreten Arbeitsalltag in Psychoonkologie und Psychotherapie einen schnellen Zugang zu den Themen liefern kann, die ohne Frage immer wieder auftauchen und die aufgrund ihrer existenziellen Gewichtigkeit Begleitende verunsichern und mitunter auch blockieren können. Die schnellen Zugriffsmöglichkeiten dieses Buches können gerade in solchen Situationen eine echte Hilfestellung sein. Insofern handelt es sich bei dieser Veröffentlichung nicht um ein Buch für das Bücherregal, sondern es ist eher eine Art Manual für den Schreibtisch. So gesehen wird es dem Namen der Reihe »Essentials« gerecht, in der es erscheint. Sicher ist es kein Ersatz für fundierte Hintergrundliteratur für das Tätigkeitsfeld der Psychoonkologie, aber auf jeden Fall eine sinnvolle Ergänzung.

Digitalisierung

VERBANDSNACHRICHTEN

Annette Wagner, langjähriges Mitglied im BVT und Vorstandsmitglied, hat am 28. November 2019 im Kreishaus Schwelm das Bundesverdienstkreuz am Bande für ihre langjährige Arbeit in der Begleitung trauernder Menschen erhalten. Bei der Verleihung, bei der auch die amtierende Vorsitzende des BVT (Marianne Bevier) und deren Vorgängerin (Christine Stockstrom) anwesend waren, nahm die Preisträgerin Bezug auf ihre Herkunft aus dem Sport und betonte, dass es ihr immer wichtig gewesen sei, im Team zu arbeiten. Ihr Team auf Regionalebene sei der Verein Trauerarbeit Hattingen e. V. »traurig-mutig-stark«. Ihre Mannschaft auf Bundesebene ist der Bundesverband Trauerbegleitung. Die Auszeichnung nahm Annette Wagner stellvertretend für beide Teams in Empfang. Mit dieser Auszeichnung wurden auch unsere Gründungsmitglieder Dr. Sylvia Brathuhn (2018) und Monika Müller (2001) geehrt.

   

http://www.presse-service.de/medienarchiv.aspx?medien_id=211020

Bundesverdienstkreuz für die Arbeit als Trauerbegleiterin

»Des Menschen Gehirn ist unzählige Male leistungsfähiger als der beste Computer …«

Vorschau Heft 2 | 2020 Thema: Vertrauen Wie entsteht Vertrauen?

Einblick in die Grundlagen des Vertrauens

Neues wagen

Vertrauen in Zeiten des Umbruchs

Frieden mit dem Tod schließen

Vertrauen als »Schlüsselpraxis« einer menschlicheren gesellschaftlichen Zukunft

Verlusterfahrungen pflegender ­Angehöriger (Selbst-)Vertrauen in der Begleitung und Therapie u. a. m. Das Heft 2/2020 erscheint zur Tagung »Vertrauen – die tragende Kraft« der Leidfaden Academy im Mai 2020 in Naters/Schweiz.

Impressum Herausgeber/-innen: Monika Müller M. A., KAB-Ring 22, D-53359 Rheinbach E-Mail: [email protected] Prof. Dr. med. Lukas Radbruch, Zentrum für Palliativmedizin, Von-Hompesch-Str. 1, D-53123 Bonn E-Mail: [email protected] Dr. phil. Sylvia Brathuhn, Frauenselbsthilfe nach Krebs e. V., Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland e. V./Bundesverband e. V. Bonn Schweidnitzer Str. 17, D-56566 Neuwied E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Arnold Langenmayr (Ratingen), Dipl.-Sozialpäd. Heiner Melching (Berlin), Dr. Christian Metz (Wien), Dipl.-Päd. Petra Rechenberg-Winter M. A. (Hamburg), Dipl.-Pflegefachfrau Erika Schärer-Santschi (Thun, Schweiz), Dipl.-Psych. Margit Schröer (Düsseldorf), Dr. Patrick Schuchter (Wien), Prof. Dr. Reiner Sörries (Erlangen) Bitte senden Sie postalische Anfragen und Rezensionsexemplare an Monika Müller, KAB-Ring 22, D-53359 Rheinbach Wissenschaftlicher Beirat: Dr. Colin Murray Parkes (Großbritannien), Dr. Sandra L. Bertman (USA), Dr. Henk Schut (Niederlande), Dr. Margaret Stroebe (Niederlande), Prof. Robert A. Neimeyer (USA) Redaktion: Ulrike Rastin M. A. (V. i. S. d. P.), Verlag Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Göttingen, Tel.: 0551-5084-423, Fax: 0551-5084-454 E-Mail: [email protected] Bezugsbedingungen: Leidfaden erscheint viermal jährlich mit einem Gesamtumfang von ca. 360 Seiten. Bestellung durch jede Buchhandlung oder beim Verlag. Jahresbezugspreis € 70,00 D / € 72,00 A. Institutionenpreis € 132,00 D / € 135,80 A / SFr 162,00, Einzelheftpreis € 20 D / € 20,60 A (jeweils zzgl. Versandkosten), Online-Abo inklusive für Printabonnenten. Preisänderungen vorbehalten. Die Bezugsdauer verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn nicht eine Abbestellung bis zum 01.10. erfolgt. Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstr. 13, D-37073 Göttingen; Tel.: 0551-5084-40, Fax: 0551-5084-454 www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2192-1202 ISBN 978-3-525-40687-8 ISBN 978-3-666-40687-4 (E-Book) Umschlagabbildung: Billion Photos/Shutterstock Anzeigenverkauf: Anja Kütemeyer, E-Mail: [email protected] Bestellungen und Abonnementverwaltung: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice mbH, Servicecenter Fachverlage, Holzwiesenstr. 2, D-72127 Kusterdingen; Tel.: 07071-9353-16, Fax: 07071-9353-93, E-Mail: [email protected] Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. © 2020 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Gestaltung, Satz und Lithografie: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Printed in Germany

Psychosozial-Verlag Ulrich Trebbin

Mut zur Psychotherapie!

Wie sie funktioniert und warum sie guttut

Annelie Sand & Paul L. Janssen

Ich bin der Rede wert Dialog über eine Psychoanalyse

166 Seiten Gebunden • €19,90 ISBN 978-3-8379-2917-1

Ulrich Trebbin macht Mut und Lust, die Chancen der Psychotherapie zu nutzen, um ein zufriedeneres und glücklicheres Leben zu führen. Interessierte können hier dem Autor bei seiner therapeutischen Arbeit direkt über die Schulter blicken und erfahren, worauf es bei einer Psychotherapie ankommt.

Elisabeth Petrow & Torsten Passie

Wenn Krankheit das Leben verändert

Über den Umgang mit Brüchen im bisher Vertrauten

310 Seiten Broschur • €29,90 ISBN 978-3-8379-2882-2

Elisabeth Petrow schildert den Umgang mit einer lebensverändernden Krankheit aus der Erfahrung einer betroffenen Ärztin, die zur Patientin wurde. Das Buch bietet Betroffenen, Angehörigen und professionell Begleitenden einen berührenden Einblick und direkte Hilfe.

307 Seiten Broschur • €29,90 ISBN 978-3-8379-2910-2

Annelie Sand und ihr Psychoanalytiker Paul L. Janssen geben einen authentischen Einblick in den Verlauf einer Psychoanalyse. Auf der Grundlage von Tagebucheinträgen und Erinnerungen begeben sie sich noch einmal auf die Reise der psychoanalytischen Begegnung.

Thomas Auchter

Trauer

kom Basi paktes swis sen

150 Seiten Broschur • €16,90 ISBN 978-3-8379-2662-0

Thomas Auchter stellt die Beiträge der Psychoanalyse sowohl zur Psychologie und zum Verständnis der Trauer als auch zur Psychotherapie der Trauerkrankheiten dar. Es wird deutlich, dass Trauern ein natürlicher Prozess ist, der gegebenenfalls durch eine gute Trauerbegleitung erleichtert werden kann.

Walltorstr. 10 · 35390 Gießen · Tel. 0641-969978-18 · Fax 0641-969978-19 [email protected] · www.psychosozial-verlag.de

KRISENINTERVENTION KOMPAKT – THEORIE UND PRAXIS AUF EINEN BLICK Otto Hofer-Moser | Gerhard Hintenberger | Melitta Schwarzmann | Rita De Dominicis | Franz Brunner

Krisenintervention kompakt Theoretische Modelle, praxisbezogene Konzepte und konkrete Interventionsstrategien 2020. Ca. 128 Seiten, kartoniert ca. € 15,00 D | € 16,00 A ISBN 978-3-525-40851-3 Auch als eBook erhältlich

Krisenhafte Entwicklungen sind meistens keine pathologischen Phänomene, sondern normale Reaktionen auf Situationen der Überforderung. Sie können sich langsam anbahnen, aber auch überraschend in laufenden psychotherapeutischen Behandlungen, während einer Beratung oder in der ärztlichen Praxis auftreten. Ausreichende Kenntnisse, Kompetenzen und Fertigkeiten zur Durchführung einer Krisenintervention gehören deshalb zur Basisausbildung unterschiedlicher Berufsgruppen. Der Band bietet Praktikerinnen und Praktikern in konkreten Situationen Orientierung, vermittelt Kernwissen und gibt Einblicke in die Praxis der Krisenintervention. Eine unverzichtbare Lektüre für Praxis und Ausbildung!

ISBN 978-3-525-40687-8  www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com  € 20,–