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German Pages [79] Year 2021
Martin A. Fellacher
Digitale Medien und Neue Autorität Kinder und Jugendliche in virtuellen Welten begleiten
Leben.Lieben.Arbeiten
SYSTEMISCH BERATEN Herausgegeben von Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe
Martin Fellacher
Digitale Medien und Neue Autorität Kinder und Jugendliche in virtuellen Welten begleiten
Mit einer Abbildung und 2 Tabellen
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021 Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Vof/stock.adobe.com Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2625-6088 ISBN 978-3-666-40778-9
Inhalt
Zu dieser Buchreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
I Der Kontext Die digitale Revolution und ihre Bedeutung für den Erziehungskontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Die digitale Revolution – Chancen und Risiken? . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Bedeutung für die Rolle der Erziehungsverantwortlichen . . . . . 21 Die Entwicklungen der letzten Jahre in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Entwicklung der Bedeutung der Medien in den Altersgruppen .24 Mediennutzung als Rückzugsfeld bei nicht gelungener Scham regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 Untersuchungen zu Auswirkungen der Handy-Strahlung . . . . 28 II Die systemische Beratung Fallbeispiel über den elterlichen Kontrollverlust . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Wachsame Sorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Stufe: Offene Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Stufe: Fokussierte Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Stufe: Schutz und Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Fallbeispiel mit Beauty-Vlog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Herausforderungen, die bleiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Umgang mit laufend neuen technischen Entwicklungen . . . . . . 66 Technische Lösungen als Unterstützung bei der Grenzsetzung .67 Erwachsene als »digitale Analphabeten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
III Am Ende Die Frage nach der Henne und dem Ei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Hilfreiche Links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Zu dieser Buchreihe
Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« befasst sich mit Herausforderungen menschlicher Existenz und deren Bewältigung. In ihr geht es um Themen, an denen Menschen wachsen oder zerbrechen, zueinanderfinden oder sich entzweien und bei denen Menschen sich gegenseitig unterstützen oder einander das Leben schwermachen können. Manche dieser Herausforderungen (Leben.) haben mit unserer biologischen Existenz, unserem gelebten Leben zu tun, mit Geburt und Tod, Krankheit und Gesundheit, Schicksal und Lebensführung. Andere (Lieben.) betreffen unsere intimen Beziehungen, deren Anfang und deren Ende, Liebe und Hass, Fürsorge und Vernachlässigung, Bindung und Freiheit. Wiederum andere Herausforderungen (Arbeiten.) behandeln planvolle Tätigkeiten, zumeist in Organisationen, wo es um Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit geht, um Struktur und Chaos, um Aufstieg und Abstieg, um Freud und Leid menschlicher Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten. Die Bände dieser Reihe beleuchten anschaulich und kompakt derartige ausgewählte Kontexte, in denen systemische Praxis hilfreich ist. Sie richten sich an Personen, die in ihrer Beratungstätigkeit mit jeweils spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind, können aber auch für Betroffene hilfreich sein. Sie bieten Mittel zum Verständnis von Kontexten und geben Werkzeuge zu deren Bearbeitung an die Hand. Sie sind knapp, klar und gut verständlich geschrieben,
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allgemeine Überlegungen werden mit konkreten Fallbeispielen veranschaulicht und mögliche Wege »vom Problem zu Lösungen« werden skizziert. Auf unter 100 Buchseiten, mit etwas Glück an einem langen Abend oder einem kurzen Wochenende zu lesen, bieten sie zu dem jeweiligen lebensweltlichen Thema einen schnellen Überblick. Die Buchreihe schließt an unsere Lehrbücher der systemischen Therapie und Beratung an. Unsere Bücher zum systemischen Grundlagenwissen (1996/2012) und zum störungsspezifischen Wissen 8
(2006) fanden und finden weiterhin einen großen Leserkreis. Die aktuelle Reihe erkundet nun das kontextspezifische Wissen der systemischen Beratung. Es passt zu der unendlichen Vielfalt möglicher Kontexte, in denen sich »Leben. Lieben. Arbeiten« vollzieht, dass hier praxisbezogene kritische Analysen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ebenso willkommen sind wie Anregungen für individuelle und für kollektive Lösungswege. Um klinisch relevante Störungen, um systemische Theoriekonzepte und um spezifische beraterische Techniken geht es in diesen Bänden (nur) insoweit, als sie zum Verständnis und zur Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen bedeutsam sind. Wir laden Sie als Leserin und Leser ein, uns bei diesen Exkursionen zu begleiten. Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe
Vorwort
Digitale Medien verändern die Welt. Verschiedentlich wird die Erfindung des Computers und mit ihm der vielen Möglichkeiten, elektronisch zu kommunizieren als vierte große Erfindung der Menschheit genannt, die neben der Sprache, der Schrift und dem Buchdruck die Bedingungen unseres sozialen Miteinanders radikal verändern wird: jederzeit ist jede Information – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt – abrufbar, jederzeit ist prinzipiell jeder erreichbar, ansprechbar und nicht nur das: in alle möglichen Kommunikationen können auch beliebig viele andere Personen per cc und bcc hineingezogen werden. Prozesse, die sich in früherer Zeit über Tage und Wochen hinzogen, laufen daher heutzutage innerhalb von wenigen Minuten oder Stunden ab. Die dramatischen Veränderungen merken Familien ganz besonders. Mit dem Smartphone, das Kinder sich immer früher wünschen und bekommen, drängt sich die Welt mit ihrer ganzen Vielfalt und auch mit ihrer Zerrissenheit nicht nur ins Kinderzimmer, sondern auch in die Herzen und Köpfe der Kinder hinein. Die Möglichkeiten, sich in einer Fülle von Handy- und Videospielen zu verlieren, sind unendlich, die Gefahren von Konflikteskalationen und von Cybermobbing im Kreis der Gleichaltrigen steigen. Eltern, die vor dreißig/ vierzig Jahren schockiert über die Offenheit der Bilder in Jugendzeitschriften wie der »Bravo« waren, wären fassungslos und entsetzt zu sehen, wie leicht der Zugang für Kinder und Jugendliche zu weit
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freizügigeren, ja schlimmeren Bildern heute ist, ganz zu schweigen von der Gefahr, dass sich ein Kind, nichts Böses ahnend, in alle möglichen Kommunikationsketten einklinkt, ohne die manchmal möglichen schlimmen Folgen auch nur ansatzweise zu erahnen. Die Bandbreite der neuen Gefahren, die sich hier ergeben, wird in diesem Buch sehr prägnant vorgestellt. Doch es bleibt nicht dabei stehen, sondern gibt Eltern und Erziehungsverantwortlichen Antworten auf die zentralen sich hier ergebenden Fragen: Wie können 10
Eltern auf eine sinnvolle Weise eingreifen, ihre Kinder beschützen und ihnen beim sinnvollen Umgang mit den Medien helfen (die die Kinder ja manchmal sogar besser bedienen können als sie selbst)? Wie können sie vor allem auf »elterliche Löschungserfahrungen« reagieren, wie sie in diesem Buch beschrieben werden? Elterliche Präsenz, die Beharrlichkeit der Eltern braucht hier neue Formen, wenn es darum geht, gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie verantwortlich mit der Digitalisierung der kindlichen Lebenswelten umzugehen ist. Simple Formen von Anordnung und Kontrolle greifen hier nicht, ja, sie bringen eher das Risiko mit sich, dass das Geschehen noch weniger durchsichtig wird. Stattdessen wird eine Vielzahl von Wegen vorgestellt, wie über Vereinbarungen und Vorbildfunktionen Eltern und Kinder sich gemeinsam auf einen Weg machen und lernen, die Gefahren gut einzuschätzen und zugleich die Fülle an Möglichkeiten, die sich durch die neuen Medien ergeben, auf positive Weise zu nutzen. Der Autor ist selbst Vater und therapeutischer Berater. Er schöpft aus einem breiten Fundus an Erfahrungen. Es ist ein unmittelbar praxistaugliches Buch, das, da bin ich mir sicher, Sie, liebe Leserin, lieber Leser, genauso intensiv anregen wird wie mich! Arist von Schlippe
Der Kontext
Siebzig Jahre, nachdem die ersten Weißen – es waren Goldgräber aus Australien – das Hochland von Papua-Neuguinea entdeckten, verbrachte ich 2004 einige Wochen in der Stadt Mount Hagen. Diese Stadt entstand 1934 im Zuge einer Exploration von den drei LeahyBrüdern aus Australien. Einer von ihnen hatte eine Kamera dabei und schaffte ein beeindruckendes Filmdokument (Anderson & Connolly, 1982) vom Aufeinandertreffen der »modernen Zivilisation« und Menschen, die – nach unserer Definition – noch in der Steinzeit lebten. In
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der Dokumentation von Anderson und Connolly berichten Zeitzeugen über diese erste Begegnung. Unter anderem hatten die Bewohner den Eindruck, dass die Eindringlinge unbewaffnet waren, da sie selbst noch mit Speeren und Ähnlichem hantierten. Erst, als diese mit ihren Gewehren ein Schwein erschossen, erkannten sie den Irrtum. Ich sah das erste Mal diese Bilder und konnte es kaum fassen, mich am selben Ort in einer modernen Stadt zu bewegen, mit aller Technik und Entwicklung, die Anfang dieses Jahrhunderts eben gegeben waren. In der lokalen Gesellschaft waren zu der Zeit – und sind bis heute (Zoll, 2019; AFP, 2018) – massive Spannungen zu spüren. Regelmäßig finden »Tribal-Fights« zwischen den Bevölkerungsgruppen statt, die durch die modernen Waffen mehr Opfer fordern als früher. Viele Ethnologen, die in diesem Land forschen, führen das auf die Geschwindigkeit zurück, mit der sich die Veränderungen ab 1934 einstellten. Kinder hatten Zugang zu Bildung erhalten und waren im Bereich Wissen ihren Vorfahren rasch überlegen. Die Weisheit und daraus resultierende Autorität der Älteren wurden nicht mehr im bisherigen Maße anerkannt. Zwei Jahre durfte ich insgesamt in Papua-Neuguinea verbringen. Es waren die letzten zwei Jahre ohne Mobiltelefon. Ich kann mich erinnern, wie vor meiner Reise eine Person, die ebenfalls eine Zeit im Ausland verbrachte, sagte: »Du wirst zurückkommen und merken,
in zwei Jahren passiert hier gar nichts«. Doch mindestens in einer Hinsicht sollte sich das als Trugschluss erweisen. Vor meiner Ausreise 2004 musste ich noch über ein Telefonmodem ins Internet einsteigen. Das waren jene, die so schrecklich gequietscht haben während des Einwählens. Wenn ich ein Foto oder gar ein kurzes Video ansehen wollte, musste ich manches Mal eine halbe Stunde Ladezeit mit einkalkulieren. Nach der Reise steckte ich einen Surfals je zuvor. Es gab zwar sogenannte »Smartphones«, allerdings hatten
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diese eine Tastatur; Touchscreens gab es damals noch keine, die ersten
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Stick in meinen Laptop und hatte eine schnellere Internetverbindung
kamen ungefähr ein Jahr später auf den Markt. 15 Jahre nach deren Einführung können sich viele Menschen ein Leben ohne Smartphone gar nicht mehr vorstellen. Die Welt scheint eine andere geworden zu sein. Während viele Erwachsene sich mit der technischen Entwicklung noch schwertun, wachsen Kinder damit auf und betrachten es als das Selbstverständlichste der Welt. Hatten Eltern früher schon allein aufgrund ihrer Lebenserfahrung ein deutliches Mehr an Wissen als ihre Kinder, können diese schier unendliches Wissen heutzutage bereits im Volksschulalter über verschieden Endgeräte jederzeit abrufen. Allerdings ergeben sich daraus völlig neue Aufgaben für die Erziehungsverantwortlichen: Da Wissen mit Wertehaltungen verknüpft werden muss (Erpenbeck & Sauter, 2007, S. 15), ist die Herausforderung durch diesen erweiterten Zugang zu Wissen umso größer. Hinzu kommt, dass sich über die letzten Jahre eine Vielzahl an Anwendungen entwickelt hat, die durch Spiel und Interaktion eine hohe Attraktivität haben – nicht nur für Kinder. Für jeden Geschmack scheint etwas dabei zu sein. Ohne Probleme kann man einen kompletten Tag online verbringen und sich keine Minute langweilen. Sich dabei gut selbst zu regulieren ist eine nicht zu unterschätzende Anstrengung, die manche nicht schaffen. Im Speziellen unsere Kinder und Jugendlichen brauchen dabei unsere Begleitung.
Die digitale Revolution und ihre Bedeutung für den Erziehungskontext
Kontext
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Fallbeispiel Laura – Wie alles begann Im Alter von neun Jahren bekam Laura1 von ihren Eltern Ralf und Brigitte ihr erstes Smartphone. Der Druck sei immer größer geworden, erzählen die Eltern ungefähr eineinhalb Jahre später in Beratung. Laura war gerade in die vierte Schulstufe eingetreten und immer mehr ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen hätten ebenfalls ein »Handy« bekommen. Also bekamen sie irgendwann das Gefühl, Laura nun ebenfalls entsprechend ausstatten zu müssen. Im Internet fanden sie eine Vorlage für einen Handynutzungsvertrag, den sie vorbereiteten. Das Gerät erhielt Laura erst, als sie den Vertrag unterschrieben hatte. Brigitte übernahm es, das Smartphone mit Laura auszupacken und zu installieren. Gemeinsam entdeckten Tochter und Mutter die ersten Möglichkeiten und Apps.
Bis hierhin hatten Brigitte und Ralf ein gutes Gefühl. Laura hatte den Vertrag ohne zu zögern unterschrieben und war bei den ersten gemeinsamen Schritten mit ihrer Mutter fröhlich, zugewandt und erzählte auch einige »Geheimnisse«, die sie von anderen Kindern, die bereits ein Smartphone bekommen hatten, schon wusste. Brigitte sagte zu Ralf am Abend, dass es wohl der richtige Zeitpunkt gewesen sei, Laura das Handy zu geben. 1 Die Fallbeispiele wurden durchweg anonymisiert.
Schnell veränderten sich einige Dinge im Alltag. Was offensichtlich war: Laura konnte sich jederzeit selbst mit Freundinnen etwas ausmachen. Sie entdeckte die ersten Online-Spiele, die sie gemeinsam mit ihren Freundinnen spielen konnte. Zu Beginn kam sie immer wieder zu Ralf oder Brigitte und zeigte ihnen, was sie gerade gemacht hatte oder erzählte auch von ihren »virtuellen Erlebnissen«. Unter anderem nutzte sie die App musical.ly (heute TikTok), um sich selbst beim Tanzen zu ihren Lieblingssongs zu filmen. Die in diesem Bereich zeigte. Sukzessive bekamen sie allerdings weniger von Lauras Aktivitäten mit. Zu Beginn erschien das den Eltern noch nachvollziehbar und sie bewerteten es als einen weiteren Schritt in die Selbständigkeit. Doch mit der Zeit zog Laura sich immer mehr zurück, wollte nicht mehr erzählen und reagierte auf Nachfrage zu ihren Aktivitäten zunehmend genervt, manchmal sogar leicht aggressiv. Die Eltern hatten mit ihrer mittlerweile zehnjährigen Tochter mehr oder weniger täglichen Streit über ihr Handy-Nutzungsverhalten. Ein knappes Jahr war mittlerweile vergangen, seit Laura ihr Smartphone bekommen hatte. Ralf und Brigitte erklärten sich das genervte Verhalten von Laura zwar mit der beginnenden Pubertät, nichtsdestotrotz bekamen sie zunehmend ein mulmiges Gefühl in Bezug auf Laura und ihr »Handy«. Immer mehr hatten sie das Gefühl, aus den Aktivitäten ihrer Tochter ausgeschlossen zu sein. Der Anlass für den Anruf der Eltern in unserer Beratungsstelle waren die rapide fallenden Schulleistungen. Für die Eltern war klar, dass dies mit der vielen Zeit, die Laura an ihrem Handy verbrachte, zu begründen sei. Zuletzt ging es sogar soweit, dass Laura in der Früh nicht mehr in die Schule gehen wollte. Sie saß nach dem Aufwachen weinend in ihrem Zimmer und wiederholte nur mehrfach, dass sie da nicht mehr hingehe.
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Kontext
Eltern befanden, dass sie das sehr gut machte und durchaus Talent
Obwohl wir recht rasch einen Termin anbieten konnten, kamen Ralf und Brigitte zum ersten Elterncoaching mit einigen neuen, aktuellen Informationen: Es stellte sich heraus, dass Laura immer mehr ihrer Tanzvideos hochgeladen hatte. Andere Kinder aus ihrer Klasse hatten teilweise sehr unvorteilhafte Standbilder von den Videos gemacht und über einen Messenger-Dienst herumgeschickt. Es begann ein Kreislauf, in dem Laura zunehmend ausgelacht und nachgeäfft wurde. Ihre
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Videos erhielten vermehrt negative Kommentare. Immer öfter konnte Laura diese Kommentare nicht mehr Personen zuordnen. Ralf und Brigitte waren sehr betroffen darüber, dass sie diese Entwicklungen gar nicht richtig mitbekommen hatten. Sie hatten sehr viel Mitgefühl für das, was Laura mitmachen musste. Gleichzeitig hatten sie den Eindruck, sowohl die Beziehung zu Laura als auch den Überblick über ihre Online-Aktivitäten zu verlieren.
Das, was Brigitte und Ralf erfahren mussten, nennen Beckers, Jakob und Schreiter (2020) die »elterliche Löschungserfahrung«: Das Gefühl, aus dem Leben des Kindes ausgeschlossen beziehungsweise »gelöscht« zu werden.
Die digitale Revolution – Chancen und Risiken? Digitale Medien bestimmen seit Ende des 20. Jahrhunderts immer mehr den Alltag von Erwachsenen und Jugendlichen. Da es noch wenig Erfahrungswissen zu dieser Entwicklung gibt, herrscht bei Erziehungsverantwortlichen große Verunsicherung darüber, was »normal« ist und wo ein schädlicher Konsum beginnt. In der alltäglichen Praxis erstaunt mich immer wieder, wie wenig viele Erwachsenen über die Online-Aktivitäten der ihnen anvertrauten Kinder
und Jugendlichen wissen. Dabei wäre genau das die Grundlage für eine mögliche Einschätzung über Chancen und Gefahren der Aktivitäten auf Social Media oder in der virtuellen Spielewelt. Tendenziell schätzen Erziehungsverantwortliche laut einer Studie der IMAS in Österreich das Risiko (40 %) jedoch wesentlich höher ein als die Chance (11 %), die für ihre Kinder durch die Nutzung von Sozialen Medien entsteht (Eiselsberg, 2016). Während sogar im Kontext von deutlich empfohlen wird, die Mitarbeitenden bei der Einführung von
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Social-Media-Applikationen nicht alleine zu lassen (Dörfel & Schulz,
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Unternehmen den Führungskräften und Projektverantwortlichen
2012, S. 16), scheint diese Notwendigkeit vielen Erziehungsverantwortlichen nicht bewusst zu sein. Unternehmen wird empfohlen, mit den Mitarbeitenden vor allem auch darüber in Austausch zu gehen, wie man Beiträge postet, so dass sie nur von den Personen gesehen werden, für die sie bestimmt sind. Wir sprechen hier einerseits von Erwachsenen, andererseits von einer Umgebung mit einer beschränkten – weil unternehmensinternen – Reichweite. Wie viel größer ist der Kreis von potenziellen Empfängerinnen von Texten und Bildern unserer Kinder, wenn diese ohne Filter ins »World Wide Web« gestellt werden?! Im Coaching von Eltern und pädagogischen Fachkräften gibt es mittlerweile kaum noch einen Kontext, in dem die Mediennutzung nicht (früher oder später) zum Thema wird. Die Ratlosigkeit der Erziehungsverantwortlichen wird dabei zunehmend größer. Die Möglichkeiten und Chancen, die sich durch die rasante Entwicklung des Internets und aller damit in Verbindung stehender Technologien ergeben haben, sind ohne Zweifel schier unendlich. Das Jahr 2020 hat uns gerade in diesem Bereich viel gelehrt: Als im Frühjahr aufgrund der Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie ein Großteil des öffentlichen Lebens heruntergefahren wurde, wurden wir Zeugen, wie rasch Lösungen zum Arbeiten im Home-Office und
Lernen im Home-Schooling eingerichtet waren. Mit Freunden und Familien konnten wir über Video-Calls trotz »physical distancing« von Angesicht zu Angesicht plaudern. Unsere Seminare und Trainings wurden teilweise in »Webinare« umgewandelt. Nach einigen Notwendigkeiten der Adjustierung wurde immer klarer, dass dabei die Einschränkungen nicht so groß sind, wie wir das am Anfang angenommen hatten. Parallel zu diesen positiven Entwicklungen haben aber auch die
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Risken, besonders für unsere Kinder, zugenommen: Einerseits sind sie mittlerweile sehr früh Inhalten ausgesetzt, zu denen der Zugang vor wenigen Jahren noch wesentlich schwieriger bis unmöglich war. So ist beispielsweise der Zugang zu Pornographie für Kinder und Jugendliche ohne größere Hürden möglich. Studien darüber, wann Kinder bzw. Jugendliche im Schnitt den ersten Kontakt mit Pornos haben kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein eher optimistisches Ergebnis legen Quandt und Vogelgesang (2018) vor, indem sie schreiben, dass der durchschnittliche Erstkontakt mit 14 Jahren erfolgt. Allerdings gaben in der KIM-Studie 2018 bereits 51 % der befragten sechs- bis dreizehnjährigen an, dass sie im Internet porno graphische Inhalte gesehen hätten (Rathgeb & Behrens, 2018). Manfred Spitzer (2015) beschreibt, wie Smartphones aber auch beispielsweise Laptops in Schulen oder Universitäten die Nutzer dazu verführen, in einem andauernden »Multitasking-Modus« zu sein. Dieser wiederum wirkt sich – wie mehrere Studien ergeben haben – nachweislich und signifikant negativ auf die Konzentration und damit auch auf die abrufbare Leistung aus. Man kann dem entgegenhalten, dass auch ein Anruf störend ist, wenn man gerade eine Aufgabe zu erledigen hat; allerdings nimmt man Anrufe wesentlich seltener entgegen, als man Textnachrichten, Emails oder Meldungen auf Social Media empfängt. Der Neurowissenschaftler geht in seinem aktuellen Buch »Digitales Unbehagen« (Spitzer, 2020) sogar
so weit, dass er die deutsche Regierungsberaterin Julia von Weiler in ihrer 2019 geforderten Äußerung unterstützt, Smartphones für Kinder unter 14 Jahren generell zu verbieten. Definitiv verlagert sich ein guter Teil der Peer-Kommunikation in virtuelle Räume, zum Beispiel in Schulklassen mittels oben erwähnter Messenger-Dienste. Dort können einerseits Anonymität, andererseits eine sinkende Hemmschwelle gegenüber einer direkten Begegfrüher fast undenkbar war. Der Begriff »Cyber-Mobbing« beschreibt
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Mobbing-Prozesse, die im Gegensatz zu früher einen wesentlichen
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nung, zu nachhaltigen Diffamierungen in einer Qualität führen, die
Erschwernisfaktor aufweisen: Während früher beispielsweise in der Schule gemobbte Kinder sicher waren, sobald sie die Haustüre hinter sich schließen konnten, ist das Cyber-Mobbing orts- und zeit unabhängig und dringt damit in jeden Lebensbereich der online vernetzten Kinder ein. In der Beratungspraxis müssen wir uns jedenfalls damit auseinandersetzen, dass die medialen Praktiken von Kindern und Eltern als integraler Teil der alltäglichen Lebensführung von Familien aufzufassen sind (Tillmann, Fleischer, & Hugger, 2014) und damit auch im Coaching von Erziehungsverantwortlichen einen Platz haben müssen.
Bedeutung für die Rolle der Erziehungsverantwortlichen Die aktuelle Elterngeneration steht ohne Zweifel vor der Herausforderung, dass die Lebenswelten ihrer Kinder sich sehr unterscheiden von jenen, in denen sie selbst aufgewachsen sind. Es wird wohl schwer zu bewerten sein, ob Revolutionen, wie sie durch Buchdruck, Rundfunk oder Telefon stattgefunden haben, größere oder geringere gesellschaftliche Auswirkungen hatten. Meines Erachtens dürfte aktuell der größte Umbruch stattfinden. Durch den mittler-
weile erreichten Wohlstand in der westlichen Welt ist die gesamtgesellschaftliche Teilhabe an den neuen Kommunikationstechnologien in sehr hohem Tempo erreicht worden; bei früheren Innovationen war dies aufgrund größerer materieller Ungleichheiten wohl nicht so schnell möglich. Wir befinden uns hier in einem Übergang: Auch wenn Prognosen schwierig sind, könnte es sein, dass sich die Lebenswelten unterschiedlicher Generationen wieder mehr ähneln werden, wenn unsere Kinder selbst Erwachsene geworden sind.
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Eine wesentliche Rolle spielt im Erziehungskontext auch heute schon die eigene »digitale Vita«. Je weniger Erziehungsverantwort liche selbst mit Computer, Internet und Sozialen Medien groß geworden sind, desto größer ist meist die Skepsis. Aus Unwissenheit heraus neigen wir dazu, das Unbekannte abzuwerten. Anstatt sich dem Unbekannten mehr zu widmen, gehen Erwachsene davon aus, dass das Eigene gut und richtig ist und das Fremde schädlich und falsch (Eberding, 2020, S. 30). Der Konflikt mit Kindern und Jugendlichen, die den Kontext naturgemäß anders bewerten, ist dadurch vorprogrammiert. Ich möchte den Erziehungsverantwortlichen hier natürlich nicht unterstellen, dass sie es nicht besser verstehen wollen. Die alltäg lichen Herausforderungen mehren sich sehr schnell in einer zunehmend vernetzten Welt mit ihren Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten (Fellacher, 2019, S. 166). So kann angenommen werden, dass diese Haltung aus einem Gefühl des »Nicht-Mithalten- Könnens« entsteht. In meinen Seminaren und Vorträgen zum Thema »Medien« bekomme ich des Öfteren Rückmeldungen, dass dieses Gefühl mit der Angst einhergeht, »das alles sowieso nicht zu verstehen«, weshalb es erst gar nicht versucht wird. Das mündet nicht selten in Resignation. Es wird davon ausgegangen, dass die Jugendlichen sich so viel besser auskennen (womit die Erwachsenen ja auch oft recht haben), dass es gar keinen Sinn macht, sich selbst dar-
auf einzulassen (ein fataler Trugschluss). Dem stelle ich meist das persönliche Beispiel entgegen, dass ich mehrmals im Jahr Zeit auf Skaterparks verbringe. Mein Sohn ist nämlich ein ausgezeichneter Trick-Scooter-Fahrer. Ich unterliege nicht der Illusion, dass ich ihm dabei irgendwann das Wasser werde reichen können – im Gegenteil, ich bin froh, wenn ich mich nicht verletze, wenn ich mit seinem Scooter ein paar Meter in unserer Einfahrt fahre. Aber es interesist mir wichtig, ihm mein Interesse zu zeigen. Genauso habe ich die
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Musical-Aufführungen, in denen meine Tochter Solo-Parts gesun-
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siert mich, welche Tricks er macht, was er dazugelernt hat und es
gen hat, angesehen, ohne zu glauben, dass ich das besser könnte als sie. Diese Herangehensweise lässt sich von der »realen« auf die »virtuelle« Welt übertragen – sei es bei Aktivitäten in Games, Videoportalen oder Social-Media-Kanälen. Die Phase der notwendigen Abgrenzung von Jugendlichen gegenüber ihren Eltern wurde durch digitale Medien und Gaming um einen Aspekt erschwert: Diese bieten so etwas wie eine zusätzliche Türe, durch die sich junge Menschen der Realität und den Begegnungen sowie Beziehungen entziehen können. Problematisch wird es dann, wenn die Jugendlichen diese virtuelle Türe hinter sich zuschlagen und die Erziehungsverantwortlichen an dieser nicht einmal mehr anklopfen oder sie gar öffnen, um zu sehen, wo sich der andere befindet. Dieser verschwindet quasi aus dem gemeinsamen Alltag, auch wenn er physisch noch anwesend ist. Die Kinder werden mehr und mehr unsichtbar (Dulberger, 2018), die Eltern fühlen sich aus deren Leben ausgelöscht (Beckers, Jakob, & Schreiter, 2020) und stehen der Situation zunehmend ohnmächtig gegenüber. Eine gute Eltern-Kind-Beziehung und ein gutes familiäres Umfeld sind allerdings wesentliche Faktoren, wenn es darum geht, die Kinder und Jugendlichen vor schädlichen Entwicklungen zu schützen: Unter anderem werden sie dadurch unterstützt, ihre Emotionen besser zu
regulieren. Dies führt dazu, dass sie auftretende Herausforderungen besser bewältigen können, wodurch sich Vermeidungsverhalten, welches beispielsweise zu exzessivem Konsum von Computerspielen führt, reduziert (Sela, Zach, Amichay-Hamburger, Mishali, & Omer, 2020).
Die Entwicklungen der letzten Jahre in Zahlen
Kontext
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Entwicklung der Bedeutung der Medien in den Altersgruppen Die Zahl der »smarten« Geräte hat in der westlichen Bevölkerung – vor allem bei Kindern und Jugendlichen – in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies ist eine Tatsache, die wir im täglichen Leben sehen und spüren. Die Geschwindigkeit dieser Veränderung sieht man sehr deutlich an den jährlichen »JIM«-Studien (Jugend, Information, Medien) aus Deutschland (Tabelle 1): Tab. 1: Entwicklung des Gerätebesitzes und der Internetnutzung 1999–2019 bei 12 bis 19-Jährigen in Deutschland (Quelle: Eigene Gegenüberstellung aus »Feierabend & Klingler, 2000«, »Kutteroff & Behrens, 2010«, »Rathgeb & Schmid, 2020«) 12 bis 19-Jährige, die
1999
2009
2019
ein Handy besitzen:
14 %
95 %
95 %
… davon Smartphones
0 %
11 %*
93 %
… das Internet nutzen
29 %
90 %
97 %
… einen PC besitzen
42 %
75 %
71 %
* Wert von 2010, da 2009 noch nicht differenziert in der Studie ausgewiesen
Eine noch rasantere Entwicklung zeigt die mittlerweile zweijährlich erscheinende KIM-Studie (»Kinder, Internet, Medien«), wenn es um die Ausstattung und Internetnutzung der Sechs- bis Dreizehnjährigen geht (Tabelle 2):
Tab. 2: Entwicklung des Gerätebesitzes und der Internetnutzung 1999–2018 bei 6 bis 13-Jährigen in Deutschland (Quelle: eigene Gegenüberstellung aus »Feierabend & Klingler, 2000«, »Kutteroff & Behrens, 2009«, »Rathgeb & Behrens, 2019«) 6 bis 13-Jährige ein Handy besitzen: … davon Smartphones … das Internet nutzen … einen PC im Elternhaus haben
1999
2008
0 %
50 %
2018 97 %
–
–
89 %
4 %
49 %
63 %
50 %
88 %
80 %
Aufgrund der permanenten Möglichkeit der Vernetzung haben sich alltägliche Situationen im Erleben der Jugendlichen stark verändert. Nehmen wir als Beispiel, dass sich ein Jugendlicher am Nachmittag in sein Zimmer zurückzieht: Während die heutige Elterngeneration dadurch damals Zeit alleine verbrachte, ist die heutige Jugend-Generation auch in dieser Situation mit der ganzen Welt vernetzt. Ein Unterschied ergibt sich auch, wenn Jugendliche vereinbaren, gemeinsam auszugehen: Während die heutige Elterngeneration damals genaue Vereinbarungen darüber treffen musste, wann man sich wo das nächste Mal trifft, machen sich Jugend liche heute – wenn überhaupt – ungefähre Daten aus. Sie können dann bis zur letzten Minute – teilweise auch bereits auf dem Weg zum Treffpunkt – die genauen Details vereinbaren. Die unterschiedlichen Erfahrungen können hier durchaus zu Differenzen in der Bewertung führen: Während Eltern Angst haben, ihr Kind könnte im Zimmer vereinsamen, hat der Jugendliche womöglich das Gefühl, einen sozialen Stress zu haben, weil er mit mehreren Personen gleichzeitig über soziale Plattformen in Kontakt und im Gespräch ist. Da Erziehungsverantwortliche sich oft erst im Erwachsenenalter mit digitalen Medien vertraut machen konnten, entsteht zudem sehr rasch ein Vorsprung im Wissen und Handling der Geräte und
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Applikationen bei den Kindern und Jugendlichen. Weiters wandeln sich die virtuellen Welten sehr rasch, sodass sogar Expertinnen Mühe haben, mit den aktuellen Entwicklungen mitzuhalten.
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An dieser Stelle ein paar Grundüberlegungen zur Rolle der Scham.
Kontext
Mediennutzung als Rückzugsfeld bei nicht gelungener Schamregulierung
Dieses Thema ist im doppelten Sinn wesentlich. In vielen meiner Seminare und Trainings frage ich die Teilnehmenden zu ihren Assoziationen zu Scham. Diese sind meist ausschließlich negativ. Ich möchte an dieser Stelle aber von einem Schambegriff ausgehen, der viele positive und nützliche Effekte hat: Sei es, dass dadurch Motivation zur Verhaltensveränderung entsteht, oder aber, dass die Scham uns hilft, unsere Würde zu bewahren. Destruktiv kann es werden, wenn es uns nicht gelingt, unsere Scham zu regulieren. Es stehen uns dann verschiedene Reaktionsmuster zur Verfügung: Ȥ Vermeidung: Die betroffene Person versucht der schmerzhaften Scham-Erfahrung zu entkommen, indem sie beispielsweise Suchtmittel konsumiert, schläft, zu viel fernsieht oder am Computer spielt. Ȥ Rückzug: Es wird versucht, sich vor den Blicken derjenigen zu schützen, denen gegenüber man Scham empfindet. Bewusst werden Situationen und Personen gemieden, die mit der empfundenen Scham in Verbindung stehen. Ȥ Angriff: Es entsteht der Drang jene Person, durch die man sich beschämt fühlt, anzugreifen. Verletzende Dinge zu sagen, erniedrigt das Gegenüber, wodurch die eigene Scham zugedeckt werden kann.
Ȥ Abwertung: Die negativen Gedanken, die durch die Scham entstehen, werden angenommen und nicht auf ihre Berechtigung überprüft. Man wertet sich selbst ab, senkt die eigenen Erwartungen an sich und ist so bereits auf die nächste Scham-Attacke vorbereitet (»Ich wusste ja, dass ich das nicht kann«). Für den Umgang mit digitalen Medien sind vor allem der Rückzug und die Vermeidung von großer Bedeutung (Weinblatt, 2016). nutzung und auch Gaming sehr gut unterstützt werden. Rückzug könnte ohne digitale Medien oder Internetspiele sehr langweilig sein oder das Gefühl der Vereinsamung hervorrufen. Die Vermeidung kann wahrscheinlich am leichtesten durch bewusstseinsverändernde – legale wie illegale – Substanzen unterstützt werden, aber gerade auch das Internet-Gaming bietet die Möglichkeit, aus der realen Welt zu flüchten. »Dort drüben«, in der Welt der Spiele, sind viele schmerzhafte (Scham-)Erfahrungen aus der realen Welt nicht mehr spürbar. Dazu kommt, dass Gaming ein gutes Setting bietet, in dem Jugendliche lernen können, ihre Scham zu regulieren. Es gibt Gewinner und Verlierer, Anführer und »Underdogs«, sie stoßen auf Hindernisse, die sie überwinden müssen. Die Computerspiele unterscheiden sich von den realen Spielen sehr stark im eingebetteten FeedbackSystem und dadurch, dass sich der Schwierigkeitsgrad laufend an die Fähigkeiten des Spielers anpasst, sodass sie nie über- oder unterfordernd sind. Beim Gaming machen Jugendliche – wobei davon vor allem Jungs betroffen sind – Erfahrungen von Erfolg und Zugehörigkeit, wie sie die reale Welt nicht bieten kann (Weinblatt, 2020). Es ist also durchaus eine Überlegung wert, Computerspiele nicht ausschließlich als schädlich zu betrachten, sondern durchaus auch als ein Setting, das wichtige Lernerfahrungen ermöglicht. Diese gilt es durch unsere Begleitung nach und nach in die reale Welt zu übertragen.
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Kontext
Beide Schamregulierungsstrategien können mithilfe von Medien-
Untersuchungen zu Auswirkungen der Handy-Strahlung Über die Auswirkungen und mögliche Schädlichkeit der Strahlung von Mobiltelefonen gibt es mittlerweile einige Untersuchungen und kritische Auseinandersetzungen. Aus heutiger Sicht ist eher davon auszugehen, dass die vom Mobilfunk verwendeten hochfrequenten elektromagnetischen Wellen zu wenig Energie besitzen, um die menschlichen Zellen tatsächlich schädigen zu können (Baan, Grosse,
Kontext
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Lauby-Secretan, El Ghissassi, & Benbrahim-Tallaa, 2011). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft nichtsdestotrotz die Strahlung von Mobiltelefonen als »möglicherweise krebserregend« ein (2014). Die schlimmsten Befürchtungen von Anfang dieses Jahrhunderts, dass Handystrahlung vermehrt Hirntumore auslösen könnte, scheint sich jedoch nicht zu bewahrheiten, da die diesbezüglichen Zahlen an Erkrankungen unauffällig konstant sind (Chapman, Azizi, Luo, & Sitas, 2016). Diskussion über neue Störungsbilder
Häufig kommen Eltern auch mit der Frage in Beratung, ob ihr Kind meiner Einschätzung nach süchtig sei. Als Indikator dafür wird meist die Mediennutzungsdauer gesehen. Im ICD-10 wird die Internetund Onlinesucht nicht erwähnt und fällt wie auch beispielsweise die Kaufsucht unter F63.9, also nicht näher bezeichnete Störungen der Impulskontrolle. Der Linzer Suchtpsychiater Kurosh Yazdi (2016) schreibt dazu, dass diese Klassifizierung wenig hilfreich ist, da die Beschreibung »abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskon trolle« viel zu weit gefasst wird und damit erschwert, das dahinterliegende Problem zu begreifen oder gar eine sinnvolle Therapieplanung zu entwickeln. Auch in der Entwicklung des ICD-11 sei die Diagnose Internetabhängigkeit derzeit nicht vorgesehen, weshalb Yazdi vorschlägt, auf die Kriterien für substanzbezogene Süchte zurückzugrei-
fen: Zwang zu konsumieren, Kontrollverlust in Bezug auf die Intensität des Konsums, Entzugserscheinungen bei Verminderung oder Beendigung des Konsums, Toleranzentwicklung, Vernachlässigung anderer Interessen im Sinne der Einengung auf die Sucht und schließlich das Weitermachen trotz negativer Konsequenzen. Die tatsächlichen Störungsbilder scheinen sich irgendwo zwischen substanzgebunden und substanzungebundenen Süchten einzuordnen. 29
schen. Das bedeutet, dass sie noch nicht als eigenes Störungsbild
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Im amerikanischen DSM-5 hingegen gibt es aktuell eine Empfehlung, mehr in Richtung der »Internet Gaming Disorder« zu forbeziehungsweise eigene Abhängigkeits-Erkrankung erfasst wurde. Allerdings wurden bereits Kriterien definiert, die für eine Klassifizierung als Erkrankung von Bedeutung sein könnten (American Psychiatric Association, 2013): Ȥ Gaming wird zur Hauptbeschäftigung Ȥ Entzugserscheinungen wie Bedrücktheit, Ängste, Reizbarkeit Ȥ Toleranzentwicklung, im Sinne von immer mehr spielen zu wollen Ȥ Unfähigkeit, das Spielen zu reduzieren oder erfolglose Versuche, damit aufzuhören Ȥ Aufgabe anderer Interessen Ȥ Weiterzuspielen, obwohl dadurch Probleme entstehen Ȥ Gegenüber Familienmitgliedern oder anderen die mit Internetspielen verbrachte Zeit leugnen Ȥ Das Spielen zu benutzen, um negative Stimmung sowie Schuldgefühle oder Hoffnungslosigkeit auszublenden Ȥ Das Risiko einzugehen, Job oder Beziehung(en) aufs Spiel zu setzen. Auseinanderzuhalten sind jedenfalls Süchte, die unabhängig vom Internet existieren, aber mithilfe von Angeboten im Internet ausgeübt werden. Dies betrifft beispielsweise Spielsüchtige, die über Internet-Plattformen Wetten platzieren (Yazdi, 2016).
Die vielleicht bekannteste warnende Stimme im deutschsprachigen Raum, Manfred Spitzer, beschreibt seiner Ansicht nach bestehende suchtbegünstigende Mechanismen, die dem Internet zuzuschreiben seien: »Mal findet man bei der Internetrecherche etwas, mal nicht; mal hat man eine interessante neue Mail erhalten, mal nicht – diese Zufallskomponente ist für Suchtentwicklung entscheidend.« (Spitzer, 2015). Für das Gaming ist diese Zufallskomponente tatsächlich ein
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wesentlicher Faktor. In Computerspielen kann die abwechselnde Befeuerung von »Erwartungs- und Belohnungshirn« so gesteuert werden, wie das im realen Leben nur ganz selten passiert. Die Fragen: »Wann schaffe ich das nächste Level, wann werde ich wieder scheitern?« dürfen nicht vorab beantwortbar sein. Fred Skinner (1947) forschte in den 1940er-Jahren mit Tauben zur »Operanten Konditionierung«. Dabei wurde anhand verschiedener Reaktionen auf gezeigtes Verhalten nachgewiesen, dass positive Konsequenzen sich verstärkend auswirken. In seinen Versuchen spielte aber auch die Unvorhersehbarkeit der Konsequenzen eine Rolle. Er stellte dabei fest, dass die intermittierende Verstärkung, die einige, aber nicht alle wichtigen Reaktionen belohnt, die effizienteste Methode ist, um gelerntes Verhalten zu bewahren. Beim Gaming entsteht dadurch eine Kette von »nur noch dieses Level«, nach einem allfälligen Scheitern »ein Versuch noch«, und danach »geschafft, eines mache ich noch schnell«. So können Stunden vergehen, bevor man wahrgenommen hat, wie viel Zeit man mit dem Spielen verbracht hat. Im Umgang mit digitalen Medien ergaben sich neben den suchtfördernden Faktoren in den letzten Jahren weitere Verhaltensmuster. Diese sind eher im Bereich der Ängste anzusiedeln und miteinander verwandt: FOMO – »Fear of missing out«: Die Angst beispielsweise Anrufe,
(Push-)Nachrichten, Forums- oder Podcast-Beiträge zu verpassen.
Nomophobia – »No-mobile-Phobia«: Könnte als eine Art Trennungsangst von dem Mobiltelefon verstanden werden, letztlich ist es aber vor allem die Angst, nicht erreichbar zu sein. POPC – »permanently online, permanently connected«: Wenn
der letzte Blick vor dem Einschlafen und der erste Blick nach dem Aufwachen auf das Mobilgerätgerichtet ist – und auch dazwischen die durchgehende Verbindung gewährleistet sein muss. 31
Häuptern – da auf das Smartphone blickend – in der Öffentlichkeit
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Heads-down-society: Mit dieser Beschreibung wird auf das Phänomen eingegangen, dass immer mehr Menschen mit gesenkten unterwegs sind. Erste Reaktionen im Sinne der Verkehrssicherheit sind in Gehsteige eingelassene Fußgängerampeln, wie es sie auch bereits in einigen deutschen Städten gibt. Diesen wiederum ist das Kunstwort »Bompel« (Boden – Ampel) geschuldet. Smombies: Aus »Smartphone« und »Zombies« wurde dieses Wort gebildet, in diesem Fall als Beschreibung von Individuen, die sich abgelenkt durch ihre Smartphones Zombie-ähnlich durch den öffentlichen Raum bewegen. Pseudo-Autismus: Ende 2019 sorgte in Österreich eine Presseaussendung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde für Aufsehen. Demnach würden an die Hälfte der Kinder, die mit der Diagnose Autismus an neuropädiatrische Zentren vermittelt würden, in Wirklichkeit an sozialen Entwicklungsstörungen leiden. Diese würden daraus resultieren, dass bereits Babys mit Handy oder Tablet ruhiggestellt würden, wodurch die sprachliche und sinnliche Kommunikation zu kurz käme. Die Sprache sowie die Fähigkeit, Gefühle zu erkennen und zu benennen, würden dadurch in diesem jungen Alter nicht ausreichend entwickelt. Die Anomalie im Verhalten werde dann oft fälschlicherweise als Autismus diagnostiziert (Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, 2020; Engelhardt-Krajanek, 2019).
Kritische Auseinandersetzung mit den Ergebnissen
Auffallend ist, dass immer wieder Betrachtungen des »Phänomen Internet« nicht in Relation zu sonstigen, alltäglichen Tätigkeiten gesetzt werden. Wenn Spitzer (2015) beispielsweise schreibt, dass die Zufallskomponente ein wesentlicher Faktor für die Suchtentwicklung sei, dann gilt das nicht nur für das Recherchieren im Internet und den Empfang von – interessanten oder weniger interessanten – 32
Wenn man jeden Tag die Zeitung liest, wird man manches Mal auf
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Emails, sondern kann auf viele andere Bereiche übertragen werden: interessante Artikel stoßen, andere Male wird man es als langweilig empfinden. Beim täglichen Gang zum Briefkasten wird man das eine Mal hoch erfreut sein über das, was man darin vorfindet, oft wird es aber wenig spannend sein – mal wieder nur Werbung. Und wenn ich einen Krimi lesen möchte, dann lege ich ihn manches Mal nach dem ersten Kapitel wieder weg, weil er mich enttäuscht. Andere Male werde ich in die Geschichte »hineingesogen«. Wie überall sind Verallgemeinerungen auch im Umgang mit Mediennutzung und Gaming der Kinder und Jugendlichen eher hinderlich als förderlich. Ich plädiere deshalb dafür, dass die Beschäftigung mit Internet, Sozialen Medien und Gaming eher als Symptom denn als Ursache für die entstehenden Schwierigkeiten gesehen werden. Diese Annahme eröffnet uns Handlungsoptionen dort, wo Erziehungsverantwortliche sich häufig schon ohnmächtig und ausgeliefert fühlen. In seinem Buch »Junkies wie wir« liefert Yazdi (2017) eine Idee zur Bewertung der Suchtgefahr und -wahrscheinlichkeit, die sich sowohl im Elterncoaching, als auch in der direkten Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen, die exzessiv Medien nutzen, als sehr hilfreich erwiesen hat: Laut Yazdi ist das Wichtigste, dass die Vielfältigkeit gewährleistet bleibt. Einerseits reduziere sich die Gefahr von Verhaltenssüchten, wenn das Leben von unterschiedlichsten
Facetten geprägt ist. Andererseits hilft diese Herangehensweise dabei, das problematische Verhalten genauer zu definieren, wozu wir später in diesem Buch noch kommen werden. Die Vielfältigkeit zeigt sich dadurch, dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen ihre schulischen und sonstigen Verpflichtungen (bspw. Mithilfe im Haushalt) wahrnehmen, Hobbies haben und sich in Vereinen engagieren, Zeit im Freien und »offline« mit Freundinnen verbringen. Christoph Fragen, ob die Jugendlichen Erfolgserlebnisse haben, sich altersad-
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äquat mit ihren Eltern auseinandersetzen, fähig sind mit Frustra-
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Möller und Emilia Hornemann (2015, S. 310) ergänzen dies mit den
tion umzugehen, sich selbstwirksam empfinden und Ziele verfolgen.
Die systemische Beratung
Fallbeispiel über den elterlichen Kontrollverlust Rosmarie suchte unsere Beratungsstelle auf, als ihre beiden Söhne Peter und Jakob 17 und 15 Jahre alt waren. Sie lebte mit den beiden allein in einem Haus. Dieses bot der gesamten Familie viel Platz für unterschiedlichste Aktivitäten, so hatten sich die Söhne beispielsweise eine Werkstatt eingerichtet, in der sie kreative Dinge produzierten, in den vergangenen Monaten wurde jedoch auch der Partykeller Beide Söhne mussten recht lange auf ihr erstes Smartphone war-
Beratung
immer wichtiger und deshalb besser ausgestattet. 36
ten, wie Rosmarie selbst sagte. Selbst besaß sie nach wie vor ein mobiles Telefon, mit dem man nichts anderes tun konnte, als zu telefonieren und SMS zu verschicken. Während all die Freunde ihrer Söhne schon längst elektronisch vernetzt waren, entschied sie, Peter und Jakob erst an ihrem jeweils vierzehnten Geburtstag entsprechend technisch auszustatten. Rückblickend sei das gut gewesen, denn die Söhne hätten sich gar nicht so viel daraus gemacht. Mit dem Einzug der ersten elektronischen Geräte in ihren Haushalt begann allerdings eine Entwicklung, die Rosmarie als eine »Abwärtsspirale mit Hochgeschwindigkeit« beschrieb. Erst verschwand Peter immer öfter mit seinem Smartphone im Zimmer. Solange Jakob seines noch nicht hatte, fand er das Verhalten seines älteren Bruders doof – schließlich hatten sie weniger Zeit, gemeinsam in der Werkstatt Dinge zu produzieren oder hinterm Haus Basketball zu spielen. Sobald er sein eigenes Smartphone hatte, toppte er das Rückzugsverhalten seines Bruders. Das erste selbstverdiente Geld investierten beide in zusätzliche Geräte, sodass mittlerweile neben den Smartphones zwei Laptops, Smart-TVs und drei Spielkonsolen Einzug in das Haus hielten. Rosmarie stand den Geräten immer noch skeptisch gegenüber, gelinde ausgedrückt. In Wirklichkeit fand sie diese Dinge richtig
doof, wie sie sagte. Ihre Söhne würden immer mehr ihrer bisherigen Hobbies vernachlässigen und sich mit ihren elektronischen Geräten zurückziehen. Für gemeinsame Unternehmungen würden sie kein Interesse mehr zeigen, und die schulischen Leistungen würden konstant abnehmen, was ja auch kein Wunder sei, da Peter und Jakob keine Zeit mehr hätten, sich um ihre Verpflichtungen zu kümmern. Sie habe auch herausgefunden, dass sie online Spiele spielen würdamit einverstanden, dass Jakob all seine Geräte in seinem Schlafzim-
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mer aufgebaut hatte, obwohl Rosmarie betont hatte, dass sie diese
Beratung
den, die nicht für ihr Alter gedacht seien. Außerdem sei sie nicht
Geräte nicht in den Jugendzimmern wollte. Mittlerweile würden täglich die Kämpfe insbesondere mit Jakob eskalieren.
Wachsame Sorge Der israelische Psychologie-Professor Haim Omer, der Begründer der »Neuen Autorität«, hat mit seinem Buch »Wachsame Sorge« (2015) ein Modell vorgelegt, das Erziehungsverantwortliche dabei unterstützt, ihre Präsenz im Leben der Kinder auf das notwendige Maß hin zu prüfen. Dazu definierte er drei Stufen: 1. Offene Aufmerksamkeit: Eltern nehmen teil am Leben des Kindes. Sie zeigen Interesse an Ereignissen und Entwicklungen und wissen, was ihrem Kind wichtig ist. 2. Fokussierte Aufmerksamkeit: Wenn Eltern Hinweise darauf bekommen, dass irgendetwas nicht stimmt, dann fokussieren sie ihre Aufmerksamkeit auf das (vermeintlich) problematische Verhalten. Dies geht auch mit einer Erhöhung der eigenen Präsenz im Leben des Kindes einher. 3. Schutz und Intervention: Sollten sich die Bedenken bestätigen oder klare Hinweise für schädliches Verhalten ergeben, dann ist
es die Aufgabe der Eltern, durch ihre Intervention Schutz herzustellen. Dazu greifen sie auch zu einseitigen Maßnahmen. Die Zeit des Diskutierens ist vorbei, durch das eigene Handeln wird Schutz hergestellt. Im Folgenden sollen auf Basis dieser drei der Stufen der Wachsamen Sorge Handlungsoptionen beschrieben werden, die den Erziehungsverantwortlichen eine Idee geben können, wie sie handlungsfähig
Beratung
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bleiben und dadurch dem Ohnmachtsgefühl entkommen können.
1. Stufe: Offene Aufmerksamkeit Was in der Realität für die allermeisten Eltern eine Selbstverständlichkeit ist, fällt sehr vielen Erziehungsverantwortlichen im Bereich der virtuellen Räume schwer. Wenn wir die erste Stufe der Wachsamen Sorge ernst nehmen und am Leben unserer Kinder teilhaben möchten, dann müssen wir uns in die Welten begeben, in denen sie unterwegs sind. Häufig sind das nicht unsere Welten: Als meine Tochter als Schwimmerin an Wettbewerben teilgenommen hat, stand ich am Beckenrand, obwohl ich selbst noch nie an einem solchen Wettbewerb teilgenommen habe. Und als mein Sohn beim Geräteturnen viel Talent bewies, verbrachte ich ganze Wochenenden in Sporthallen, obwohl ich aus meiner Kindheit wusste, dass es nicht mein Talent war, das mich da hinführte. Später kam die Phase, in der meine Kinder auf Sozialen Medien aktiv wurden und sich für Computerspiele interessierten. Genauso wie in Turnhallen und Schwimmbädern war es meine Aufgabe, auch dort Interesse und Präsenz zu zeigen. Diese Präsenz hat im Wesentlichen zwei wichtige Aspekte: Einerseits ist sie sehr beziehungsförderlich. Rade (2019, S. 34) schreibt: »Präsenz ist die beste Investition in eine Beziehung.« Andererseits
können Erziehungsverantwortliche wesentlich früher erkennen, wenn sich gefährdende Aktionen anbahnen. Doch wie können Erziehungsverantwortliche diese offene Aufmerksamkeit im Kontext von Social Media und Gaming wahrnehmen? Das Kind auf den Umgang mit dem neuen Gerät vorbereiten
Smartphone bekommt. Leider erleben wir diese Situationen nicht
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oft in Beratungen, aber in (Eltern-)Seminaren, bei Elternabenden in
Beratung
Fangen wir ganz zu Beginn an, nämlich, bevor das Kind sein erstes
Schulen und Kindergärten und ähnlichen Anlässen. Der Gedanke, bereits im Vorfeld einige Fragen gut zu klären und vorzubereiten, wird meist sehr dankbar aufgenommen. Dies beginnt mit der Frage, warum das Kind überhaupt ein Smartphone erhalten soll. Es kommt immer wieder vor, dass die Eltern als Motivation angeben, ihr Kind erreichen zu können, wenn es unterwegs ist. Oder umgekehrt, dass es Zeiten gibt, in denen das Kind zuhause ist und die Eltern es von unterwegs aus erreichen wollen. An dieser Stelle macht es – je nach Alter des Kindes – Sinn zu überprüfen, ob wirklich ein Smartphone mit all seinen weiteren Möglichkeiten dann das richtige Gerät ist, oder ob es vorläufig ein klassisches Handy ohne alle verfügbaren Funktionen, insbesondere einem ständigen Internetzugang, sein kann. Soll es ein Smartphone werden, dann gilt es, vorab einige Dinge zu klären, die dem Kind dann beispielsweise in einem Brief gemeinsam mit der Übergabe des Geräts mitgeteilt werden können (Herbsman, Naim, Naim, & Amiel, 2017): Liebe Sophie, wir freuen uns und sind stolz, dir heute dein erstes Smartphone zu überreichen. Es wird uns die Möglichkeit geben, mit dir in Kontakt
zu sein, auch wenn du nicht in unserer Nähe bist. Zudem kannst du mit deinen Freunden und Freundinnen besser in Kontakt sein und dich mit einer virtuellen Welt verbinden, die voll ist von »Action«, Spielen, Bildern und sonstigen Dingen, die dich interessieren. Aber diese Welt birgt auch einige Gefahren, wie du weißt. Wir als deine Eltern sehen es als unseren Auftrag, für deine Sicherheit zu sorgen. Es gibt einige Voraussetzungen, die uns wichtig sind, wenn Es ist uns wichtig, dass wir auch künftig als Familie Zeiten mit-
Beratung
du dein Smartphone benutzt: 40
einander verbringen, die nicht von Medien unterbrochen werden. Deshalb werden wir alle unsere Smartphones in die Ladestation geben, wenn wir gemeinsam essen. Wenn du nach Hause kommst, möchten wir, dass du uns für eine halbe Stunde für ein Gespräch darüber, was du erlebt hast, zur Verfügung stehst. Im Wohnzimmer haben wir eine Ladestation, in der du dein Handy täglich um 20 Uhr ausgeschaltet ansteckst. Es ist wichtig, dass du uns immer deine Passwörter nennst, und drei Mal pro Woche werden wir mit dir die Nachrichten in deinen Gruppenchats durchsehen. Wenn wir eine unangebrachte Nutzung deines Smartphones feststellen, dann werden wir im ersten Schritt ein dreitägiges »Time-Out« einführen, um in dieser Zeit mit dir darüber zu sprechen was passiert ist und wie wir in Zukunft damit umgehen können. Wir werden in Zukunft vielleicht Auseinandersetzungen rund um das Smartphone haben. Wir möchten aber, dass du weißt, dass wir dir dieses Smartphone geben, weil wir dir vertrauen und daran glauben, dass wir Schwierigkeiten gut überwinden können, wenn wir miteinander im Gespräch bleiben. Wir sind uns sicher, dass dir dieses Smartphone viel Freude bereiten wird. Also los, mach es auf und schalte es ein! In Liebe, Deine Eltern
Das Wichtigste in diesem Brief ist der Ausdruck dessen, dass die Eltern sich bereits im Vorfeld überlegt haben, was ihnen wichtig ist und wie sie auf Schwierigkeiten reagieren werden. Deshalb ist es auch nicht notwendig, dass das Kind – wie es oft empfohlen wird – hierzu eine Vereinbarung unterschreibt. Die Eltern teilen mit, was sie sich überlegt haben. Sophie erfährt in dem Schreiben, dass die Eltern Wert darauf sind und weiterhin an ihren Erlebnissen teil haben möchten. Gleich-
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zeitig bekommt sie von den Eltern die Zusage, nicht allein gelas-
Beratung
legen, dass sie gemeinsame Zeiten verbringen, beim Essen ungestört
sen zu werden in dieser neuen Welt. Zumindest anfangs werden die Eltern sehr regelmäßig – drei Mal in der Woche – mit ihr gemeinsam die Nachrichten in den Gruppenchats durchlesen. Und es steht auch bereits fest, wie die Eltern auf unangebrachte Nutzung im ersten Schritt reagieren werden. Zu guter Letzt bringen die Eltern aber auch zum Ausdruck, dass sie die positiven Aspekte der Technologie ebenfalls kennen und sich für Sophie freuen, dass sie ihr Zugang dazu verschaffen können. Ein kurzer Exkurs: Ich erlebe immer wieder Eltern, die eine große Scheu davor haben, sich dem Smartphone des Kindes zu nähern, da dies doch seine »Privatsphäre« sei. Die Kinder und Jugendlichen wiederum unterstützen dies, indem sie sehr schnell mit Passwörtern ihre Geräte sperren und den Eltern sagen, das ginge sie nichts an, was sie da machen. Hier liegt ein großer Irrtum vor: Es gibt zwar durchaus Dinge, die unter das Kinderrecht der Privatsphäre (UNICEF, 1989) fallen, wie beispielsweise der Chatverlauf der Tochter mit ihrem Freund oder ihrer Freundin. Daneben gibt es aber jede Menge Informationen, die über Smartphones mit einer breiten Öffentlichkeit geteilt werden, was erst durch elektronische Medien möglich wurde. Dazu zählen einerseits die Inhalte von Gruppenchats, denn was in einer Gruppe diskutiert wird und dort von jedem Gruppenmitglied
mit zwei »Klicks« an jede x-beliebige Person weitergeleitet werden kann, ist nicht als private Information betrachtbar. Die Erfahrungen, vor allem in Schulen, zeigen, dass in Gruppenchats von Klassenverbänden sehr schnell destruktive Dynamiken losgetreten werden können, die in der Schule nur schwer gelöst werden können, wenn die Erwachsenen keine Kenntnis von den Aktivitäten in den Gruppenchats haben. Andererseits zählt natürlich auch die Frage dazu, welche Inhalte auf Sozialen Medien geteilt werden und wie die dor-
Beratung
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tigen Privatsphäre-Einstellungen sind. Ich habe hierzu einmal eine beeindruckende Aktion mitbekommen: Nachdem eine Schulsozialarbeiterin in der Diskussion über Privatsphäre und Öffentlichkeit mit einer Schulklasse nicht auf ausreichend Bereitschaft stieß, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, druckte sie kurzerhand die öffentlichen Profile aller Schülerinnen der Klasse von verschiedenen Plattformen aus und hängte sie im Klassenzimmer an die Pinnwand. Die Schülerinnen waren entrüstet, dass die Schulsozialarbeiterin ihre Profile hier veröffentlicht hatte. An diesem Punkt konnte diese wieder in die Diskussion einsteigen, da den Schülerinnen bewusst gemacht werden konnte, dass die Öffentlichkeit innerhalb ihrer Schule immer noch etwas eingeschränkter ist als auf den Sozialen Medien, auf die man von überall auf der Welt zugreifen kann.
Keine elektronischen Geräte in Kinderzimmern
Verschiedene Studien der letzten zwei Jahrzehnte legen nahe, dass eine Nutzung von elektronischen Medien in der letzten Stunde vor dem Schlaf zu einer erhöhten Einschlaflatenz führen und außerdem die elektronischen Geräte im Zimmer den Schlaf stören und somit zu einer signifikant höheren Tagesmüdigkeit führen (Spitzer, 2015). Schon seit einigen Jahren bestehen außerdem Studien darüber, dass die Verfügbarkeit von Bildschirmen im eigenen Zimmer zu einem
drastischen Anstieg der Mediennutzung führt, was negative Folgen auf spätere Schulleistungen haben kann (Zemp & Bodenmann, 2015). Nicht zuletzt erschwert der Rückzug der Kinder mit ihren Geräten ins eigene Zimmer den Erziehungsverantwortlichen die Wahrnehmung der »Wachsamen Sorge«. Wenn die Mediennutzung der Kinder in den gemeinsam genutzten Räumen der Wohnung stattfindet, ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich größer, dass man Vorgänge mit43
für sie gedacht sind. So sind meine Kinder das erste Mal auf einer Por-
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bekommt, bei denen die Präsenz der Erwachsenen gefragt ist. Kinder können überraschend und unvorbereitet auf Inhalte stoßen, die nicht noseite gelandet, als sie in die Suchmaschine »Partyspiele«, in Vorbereitung auf einen Kindergeburtstag, eingaben. Dazu kommt, dass auf vielen Plattformen mittlerweile die Verwendung von Algorithmen dazugehört, die uns Inhalte vorschlagen, die auf Basis unseres bisherigen Nutzungsverhaltens generiert werden. Videoplattformen haben oft zusätzlich eine »Autoplay«-Funktion standardmäßig aktiviert. So passiert es immer wieder, dass Eltern dem Vorschulkind auf einer Videoplattform ein kindgerechtes Video einstellen. Das Kind zieht sich damit zurück und kommt eine halbe Stunde später weinend zu den Eltern gelaufen, da es in der Zwischenzeit mehrere Videos vorgeführt bekam, und einige davon von Videokünstlern so verändert waren, dass sie nicht mehr für Kinder gedacht waren. Der Algorithmus hatte sie jedoch immer noch als Kindervideo erkannt (Kühl, 2017). Klare Vereinbarungen definieren, die überprüfbar sind
Nach wie vor wird auf vielen Plattformen, in Büchern und von Experten vorgeschlagen, den Kindern einen zeitlichen Rahmen im Sinne einer »maximalen täglichen Nutzungsdauer« vorzugeben. Ich halte diese Empfehlung für problematisch, da sie Erziehungsverantwortliche sehr oft direkt in das Gefühl der Ohnmacht führt. Die »smarten Geräte« bieten eine Vielzahl von Funktionen an, die
mehrere Geräte ersetzen, mit denen Kinder und Jugendliche früher aufgewachsen sind: Sei es der Fernseher, der Walkman, das Telefon natürlich, der Taschenrechner, der Kalender, der Fotoapparat, der Schrittzähler, das Lexikon, die Videokamera, Papier und Stift zum Briefe schreiben oder Notizen machen, ja sogar die Taschenlampe und noch einige andere mehr. Je älter die Kinder werden, desto üblicher wird mittlerweile auch der Einsatz von smarten Geräten in der Zeit, in der das Gerät für die Schule genutzt wurde, mitgezählt wer-
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Schule. Daraus ergibt sich oft schon die erste Diskussion: Soll die 44
den? Außerdem zeigt die Erfahrung, dass Eltern sich aufgrund dieses Rahmens in täglichen Verhandlungen wiederfinden, ob denn nun die Zeit bereits abgelaufen sei oder nicht. Wird beispielsweise Zeit mitgezählt, in der das Smartphone als Walkman-Ersatz genutzt wird, also der Bildschirm gar nicht aktiv ist, sondern nur die Musik für die Kopfhörer liefert? Es ist deswegen notwendig einen Rahmen zu definieren, der klar überprüfbar ist (Omer, 2015). Das gelingt am besten, wenn die Perspektive gewechselt wird, wie es in dem Vorbereitungsbrief weiter oben auch schon passiert ist. Die Erziehungsverantwortlichen definieren, was sie wollen. Dies könnte – je nach Alter des Kindes – sein: Ȥ Wir benutzen das Smartphone erst nach dem Frühstück Ȥ Wenn wir nach Hause kommen, geben wir das Smartphone für eine halbe Stunde weg, um uns gegenseitig zu erzählen, was wir erlebt haben Ȥ Wenn das Essen fertig zubereitet ist, legen wir unsere Smartphones für eine Stunde weg, um gemütlich zu essen und Zeit füreinander zu haben Ȥ Am Abend legen wir die Smartphones ab 20 Uhr weg. Natürlich kann diese Liste noch mit weiteren Punkten ergänzt werden. Das Ziel ist eine Liste an Verhaltensregeln, die gleichzeitig
deutlich machen, wofür sich die Erwachsenen einsetzen – anstatt hauptsächlich zu vermitteln, wogegen sie sind. Auch hier ist es nicht notwendig, dass eine gemeinsame Vereinbarung formuliert wird. Vielmehr geht es darum, dass die Eltern mitteilen, was ihnen wichtig ist und dies dem Kind ankündigen. Vorbild sein!
Kinder nicht zu erziehen, sie machen uns sowieso alles nach,«
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gilt natürlich auch für den Umgang mit Smartphones und ande-
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Das Karl Valentin zugeschriebene Zitat: »Wir brauchen unsere
ren digitalen Medien. Ich ergänze dieses Zitat gerne noch mit der Anmerkung, dass vorbildhaftes Verhalten keine Garantie für positive Nachahmung bietet, wenig vorbildliches Verhalten aber eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, kopiert zu werden. Manfred Spitzer (2018) berichtet von einer Beobachtungsstudie aus dem Jahr 2014. Dabei wurden in insgesamt 15 Fast-Food- Restaurants in der Gegend von Boston Familien beim Mittagoder Abendessen beobachtete. Bei 40 der insgesamt beobachteten 55 Familien-Mahlzeiten benutzten die betreuenden Erwachsenen – in der Regel Mutter, Vater oder beide Eltern – ihr Mobiltelefon. Das dominierende Thema, das sich mit der Nutzung des Mobiltelefons, während der Erwachsener-Kind-Interaktion als besonders eng verknüpft erwies, war das Ausmaß der Vertiefung der Erwachsenen in die Apparate. In 16 Fällen befassten sich die Erwachsenen nahezu während der gesamten Mahlzeit nur mit ihrem Smartphone und nicht mit ihren Kindern. Dabei telefonierten sie eher nicht, sondern tippten oder wischten auf ihrem Smartphone herum. Ed Tronick sorgte 1975 bei einem Kongress der Society for Research in Child Development in Denver für Aufsehen, als er das erste Mal sein »Still Face Experiment« präsentierte (Goldman, 2010). In diesem Versuch, der mittlerweile zu den meist zitierten der Ent-
wicklungspsychologie zählt, wurde eine Mutter gebeten, nach dreiminütiger Interaktion mit ihrem Kleinkind, diesem mit »eingefrorenem« Gesicht gegenüber zu sitzen. Tronick zeigte, wie schnell die fehlende Interaktion zu Ernüchterung bei dem Kind führte. In weiterer Folge konnte man beobachten, wie es die ihm bereits bekannten Strategien, die Aufmerksamkeit der Mutter zu gewinnen, der Reihe nach ausprobierte. Mit jedem gescheiterten Versuch stieg die Erregung bei dem 46
das lange vor der Entwicklung der »Personal Computer«, geschweige
Beratung
Kind, bis es schließlich zu weinen begann. Was hat dieses Experiment, denn der Smartphones stattfand, mit der heutigen Zeit zu tun? Die fehlende Interaktion war damals ein außergewöhnliches Experiment, heute kann es in der Öffentlichkeit sehr regelmäßig beobachtet werden. Erwachsene, die mit Kindern unterwegs sind, lesen Nachrichten oder sehen sich Videos an, wodurch sie nicht entsprechend präsent sein können und die Interaktion mit dem Kind dadurch stören. Welchen Umgang mit dem Smartphone sollen Kinder von ihren Eltern lernen? Auch hierbei ist es wichtig, dass die Eltern sich bewusst mit dieser Frage auseinandersetzen. Wenn sie Regeln, wie oben beispielhaft aufgezählt, definieren, muss klar sein, dass diese für die gesamte Familie gelten. Wenn eine Regel also lautet, dass bei Tisch kein Handy zu sein hat, dann geben auch die Erwachsenen ihre Geräte vorher in die Ladestation. Wesentlich erscheint mir auch noch der Umgang mit der Erreichbarkeit: Dadurch, dass Smartphones mittlerweile rund um die Uhr online sind, besteht auch eine gewisse Erwartung der andauernden Erreichbarkeit. Wenn Eltern auf jeden Ton oder jedes Vibrieren ihres Gerätes reagieren, werden die Kinder daraus schließen, dass es wichtig ist, verfügbar zu sein und rasch zu antworten. Ein bewusstes Einführen von Zeiten und Aktivitäten, bei denen die Handys nicht mitgenommen werden oder auf Flugmodus gestellt sind, zeigt den Kindern, dass es auch Zeiten geben darf, in denen sie nicht erreichbar sind.
Interesse zeigen
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es analog zu den sonstigen Bereichen des Lebens wichtig, auch in Bezug auf die Aktivitäten in Sozialen Medien und genauso auch bei Computerspielen Interesse zu zeigen. Wenn Erziehungsverantwortliche selbst keine Affinität zu dieser Technologie haben, empfehle ich ihnen, sich auf eine »virtuelle Tour« zu begeben und ihre Kinder als Reiseführer zu engagieren. Die meisüber das Interesse sehr erfreut waren und teils eine stundenlange
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Tour durchführten. Positiv nehmen die Erziehungsverantwortlichen
Beratung
ten Erwachsenen berichten im Anschluss darüber, dass ihre Kinder
meist auch wahr, dass sie mit ihren Kindern eine gute Zeit verbrachten, was gerade in Bezug auf digitale Medien und Gaming davor oft nicht der Fall war. Letztlich wird sehr häufig davon berichtet, wie gut diese gemeinsame Zeit der Beziehung tat – und dass die Kinder in den Folgetagen noch über weitere Erfolge im Spiel oder gesehene Inhalte auf diversen Plattformen berichteten. Die Erwachsenen wurden nicht selten durch diese eine »virtuelle Tour« zu einem Teil der Online-Welt des Kindes.
2. Stufe: Fokussierte Aufmerksamkeit Wenn Eltern wahrnehmen, dass nicht mehr alles glatt läuft, dann ist es Zeit, auf die zweite Stufe der Wachsamen Sorge zu wechseln. Solche Anzeichen können beispielsweise ein Nachlassen der Schulleistungen oder ein Verheimlichen mancher Aktivitäten sein (Omer, 2015, S. 18). Es reicht aber auch, dass die Eltern ein »komisches Gefühl« haben, um auf die zweite Stufe zu wechseln. Durch die fokussierte Aufmerksamkeit und erhöhte Präsenz wird kein Schaden angerichtet, auch wenn das »komische Gefühl« sich als unberechtigt erweisen sollte. Genau deshalb ist die zweite Stufe auch so wichtig in diesem
Prozess, denn sehr oft haben Erwachsene das Gefühl, bei Wahrnehmungen, die sie misstrauisch machen, gleich intervenieren zu müssen, was nicht selten zu überschießenden Reaktionen, Eskalationen mit der betreffenden Jugendlichen und dadurch zu einer Schädigung der Beziehung führt. Es empfiehlt sich, dem Jugendlichen den Wechsel auf die zweite Stufe der Wachsamen Sorge transparent zu machen und anzukündigen. Dies konnte am Beispiel von Laura folgendermaßen formu-
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liert werden: »Laura, wir machen uns Sorgen, da wir den Eindruck haben, dass du mit deinem Smartphone Aktivitäten nachgehst, die du versuchst vor uns zu verheimlichen und wir auch merken, dass du auf unsere Nachfragen aggressiv reagierst. Vielleicht liegen wir falsch mit unserer Sorge. Aber um dies herauszufinden möchten wir, dass du weißt, dass wir in nächster Zeit aufmerksam sein werden und genau hinsehen.«
Laura erfährt, was ihren Eltern Sorgen macht und gleichzeitig wird ihr mitgeteilt, dass sie die Angelegenheit über eine größere Zeitspanne im Auge behalten werden (Omer & Haller, 2019). Es gibt verschiedene Szenarien, wie die Geschichte weitergehen kann: Ȥ Es kann sein, dass sich die Sorge der Eltern tatsächlich als unberechtigt herausstellt. In diesem Fall werden sie Laura nach einiger Zeit mitteilen, dass sie ihr vertrauen und denken, dass ihre Sorge unberechtigt war. Sie ziehen sich damit wieder auf die erste Stufe der Wachsamen Sorge zurück. Ȥ Vielleicht wird Laura durch die Ankündigung bewusst, dass die Eltern richtig liegen oder im Gegensatz zu ihrer Annahme doch schon mehr mitbekommen haben, als sie dachte. Dann kann sie
darauf reagieren, indem sie entweder das Gespräch mit ihren Eltern sucht oder ihr gefährdendes Verhalten einstellt. Ȥ Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass Laura ihr Verhalten weiterführt und die Eltern durch die fokussierte Aufmerksamkeit und erhöhte Präsenz Hinweise darauf bekommen, dass ihre Sorge berechtigt ist. Diese Variante ist der Indikator für einen Wechsel
Doch was tun Eltern konkret, wenn sie angekündigt haben auf die
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zweite Stufe der Wachsamen Sorge zu wechseln? Grundsätzlich auf
Beratung
auf die dritte Stufe der Wachsamen Sorge: Schutz und Intervention.
jeden Fall mehr von dem, was sie bereits auf Stufe eins getan haben, mit einem stärkeren Fokus auf das (vermeintliche) Problemverhalten. Zusätzlich hat sich Folgendes als hilfreich erwiesen: Fokussierte Interviews
Erziehungsberechtigte versuchen nun, den Finger am Puls zu haben, um rechtzeitig mitzubekommen, wenn das Kind Handlungen setzt, mit dem es sich oder andere gefährdet oder gegen Vereinbarungen verstößt. Fokussierte Interviews zielen deshalb einerseits darauf ab, diesbezügliche Informationen zu erhalten. Andererseits signalisieren sie aber auch, dass sie am Leben des Kindes beteiligt sein möchten. Selbst wenn die Eltern keine Informationen erhalten, ist das fokussierte Interview ein wesentlicher Schritt in der Wahrnehmung der Wachsamen Sorge, da es die Eltern handlungsfähig macht und allein aufgrund der Fragen zu einer Verringerung der gefährdenden Aktivitäten des Kindes führen kann (Omer, 2015, S. 19). Alternativen bieten
Wenn Kinder und Jugendliche sich von digitalen Medien stark in Bann gezogen fühlen, kann es sein, dass sie mit der Aufforderung »Hör auf damit!« oder »Spiel weniger am Handy!« überfordert sind. Diese
Überforderung mag einerseits daraus resultieren, dass die Attraktivität des Weiterspielens zu groß ist. Noch schwieriger wird es allerdings, wenn es andererseits aus Sicht des Kindes keine wirkliche Alternative zu den digitalen Medien gibt. Sprich: Die Realität ist schlichtweg zu langweilig. Gerade wenn eine exzessive Mediennutzung schon einige Zeit andauert, kann es an Ideen mangeln, was man mit der Zeit und sich selbst ohne digitale Medien anfängt. Es kann deshalb notwendig anbieten. Sie müssen nicht versuchen, dem Spektakel im Computer-
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sein, dass die Erziehungsverantwortlichen beharrlich Alternativen 50
spiel genug entgegenzusetzen, denn – im Gegensatz zum »Gaming« – beinhalten ihre vielleicht noch so banalen Alternativen immer auch ein Beziehungsangebot, das es automatisch attraktiv macht. Dies bedeutet nicht, dass solche Vorschläge sofort von den Jugendlichen angenommen werden. Erziehungsverantwortliche wünschen sich natürlich, dass ihre Kinder erfreut darauf reagieren, wenn sie gemeinsame Aktivitäten vorschlagen. Manchmal passiert jedoch genau das Gegenteil und die Einladung wird nicht nur abgelehnt, sondern gar abgewertet. Ziehen sich die Erwachsenen dann wieder zurück und beschließen, keine Vorschläge oder Einladungen mehr auszusprechen, führt dies mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, dass die unbefriedigende Situation bestehen bleibt. Ganz im Sinne von Beziehungsgesten, wie wir sie aus der Neuen Autorität kennen, geht es dennoch darum, beharrlich und möglichst erwartungsfrei dran zu bleiben (Fellacher, 2019). Manchmal braucht es viele Wochen und unzählige Vorschläge, bevor gemeinsame Aktivitäten tatsächlich stattfinden können. Das Problemverhalten klar definieren
Sobald ein elektronisches Gerät in Konflikte von Kindern und Jugendlichen mit ihren Erziehungsverantwortlichen involviert ist, scheint das darüber hinwegzutäuschen, dass vielfach alte und
bekannte Themen, Probleme und Fragen dahinter verborgen sind (Wenzel, 2018, S. 18). Schnell wird pauschal geurteilt und vorgeworfen: »Du bist zu viel am Gamen!«. Diese elterlichen Angriffe werden von Jugendlichen sehr oft ignoriert oder mit Gegenangriffen beantwortet. Es ist mir bisher noch nicht untergekommen, dass Eltern berichteten, ein Jugendlicher hätte darauf geantwortet mit: »Ach ja, danke Mama, gut dass du mich darauf hingewiesen hast.«. 51
Gefühl einher, einen unüberwindbaren Berg, bestehend aus unzäh-
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Diese Art Konflikte – gewissermaßen Dauerbrenner und zum Teil auch alltäglich und von Routine geprägt – gehen meist mit dem ligen Schwierigkeiten, vor sich zu haben. Um mit der Komplexität der Themen etwas besser klar zu kommen, wird nach einer einzigen Ursache für all diese Probleme gesucht. Mit den elektronischen Medien ist diese in meinen Beratungsgesprächen der letzten Jahre oft schon gefunden, bevor die Eltern sich bei uns melden. In der Beratung geht es deshalb von vornherein um die Frage, wie die Eltern es schaffen, ihr Kind in der Mediennutzung einzuschränken. Wenn es gelingt, die Situation differenzierter zu beschreiben, können Erwartungen klarer ausgedrückt werden. Diese knüpfen idealerweise an Regeln an, die wie weiter oben beschrieben, formuliert wurden: »Du weißt, dass wir möchten, dass wir das Abendessen zusammen einnehmen. Du hast uns vergangene Woche drei Mal versetzt, da dir das Spielen an deiner Konsole wichtiger war. Damit sind wir nicht einverstanden.«
Diese Aussage kann als solche auch stehen bleiben. Es besteht weder die Notwendigkeit, sich in lange Diskussionen mit Rechtfertigungsversuchen des Jugendlichen einzulassen, noch braucht es an dieser Stelle Strafen und Sanktionen. Die klare Positionierung der Erziehungsverantwortlichen wird nachwirken.
Der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer, der mit seinen Büchern vehement für einen kritischen Blick auf die Entwicklungen in Zusammenhang mit Smartphone, Internet & Co. plädiert, schreibt, dass Medien zu Bewegungsmangel führen und zitiert dabei mehrere Studien (Spitzer, 2015). Diese Schlussfolgerung drückt für mich allerdings genau die Bewertung aus, die Eltern letztlich in die Ohnmacht und Hilflosigkeit gegenüber ihren Jugendlichen führen: Es entsteht oft eine regelrechte Dämonisierung der Geräte bei den Erwachsenen. Die
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Jugendlichen widersprechen dem in der Regel vehement. Und schon landen die Beteiligten in einer Diskussion über Schaden und Nutzen, Sinn und Unsinn von Social Media, Internet und Gaming. Zu einem Gespräch über das eigentliche Problem, hier der Bewegungsmangel, kommt es dann meist gar nicht mehr. Dieser Teufelskreis (Milowiz, 2009) führt des Öfteren dazu, dass sich Eltern bei unserer Beratungsstelle melden. Sie fühlen sich mit ihren eigenen Versuchen, etwas an der Situation zu verändern, gescheitert und sind psychisch und körperlich erschöpft (Ollefs, 2017, S. 23). Ihre Erwartung im Erstgespräch ist nicht selten, dass ich als Experte ihnen einerseits sagen solle, ob »dieses« Verhalten nun schädlich sei oder nicht (nicht selten sind sich auch die Eltern darüber nicht einig), andererseits erwarten sie sich klare Handlungsanleitungen. Meist ist es deshalb bereits im Erstgespräch notwendig, aus einer umfangreichen Problembeschreibung eine klare Priorisierung vorzunehmen, um daraus resultierende Vorgehensweisen entwickeln zu können (Fellacher, 2019). In der Neuen Autorität hat sich die Arbeit mit der Körbe methode in solchen Situationen etabliert (Omer & von Schlippe, 2015, S. 223 ff.; Lemme & Körner, 2018, S. 232 ff.). Im Wesentlichen nutzen wir vier Körbe, um den Blick der Erziehungsverantwortlichen auf die Ressourcen des Kindes zu richten, der mitunter durch die täglichen Kämpfe nicht mehr scharf ist. Außerdem geht es darum,
Klarheit darüber zu bekommen, was ihr wichtigstes Anliegen für eine Veränderung ist. In einem ersten Schritt bitten wir die Erziehungsverantwortlichen uns zu erzählen, was sie an ihrem Kind schätzen, welche positiven Eigenschaften und Interessen ihnen an ihrem Kind gefallen und wann sie gute Zeiten miteinander verbringen. Die gesammelten Beschreibungen geben wir in den blauen, sogenannten »Ressourcenoft die Stimmung. Dies macht die weitere Vorgehensweise meist ein-
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facher und führt bei den Erwachsenen zu einem optimistischeren
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Korb«. Dadurch, dass wir mit diesem Schritt beginnen, lockert sich
Blick auf das Kind. Anschließend bitten wir in der Beratung darum, alle negativen Verhaltensweisen aufzuzählen. Wir achten dabei darauf, dass die Formulierungen so beschreibend und klar sind, dass ein gemeinsames Bild darüber entsteht. Statt »hängt zu viel am Handy« könnte es dann beispielsweise heißen »verpasst seinen Bus in der Früh«, »nimmt nicht am gemeinsamen Abendessen teil«, »vernachlässigt seine Schulaufgaben«, etc. Es erweist sich als hilfreich, eine Vereinbarung darüber zu erzielen, dass nicht die Ursache für das Handeln benannt wird, da diesbezüglich meist ein Dissens mit dem Jugendlichen besteht, sondern die Wirkung beschrieben wird. Trotz Vereinbarung kann es nötig sein, dass die Beraterin bei den Formulierungen unterstützt. Die so gesammelten Verhaltensweisen schreiben wir einzeln auf Zettelchen oder Kärtchen, um sie danach mit den Erziehungsverantwortlichen gemeinsam zu sortieren. Wir beginnen dabei mit dem grünen Korb, dem »Großzügigkeits-Korb«: In diesen legen wir jene Verhaltensweisen, die zwar durchaus ärgerlich sein können, aber (derzeit) nicht unbedingt einer Korrektur bedürfen. Was in diesen Korb kommt, hängt auch von der Gesamtsituation ab; jedenfalls
gehören in den grünen Korb aber die getragenen Socken, die neben dem Wäschekorb liegen bleiben, wenn dieselbe Jugendliche Verhaltensweisen zeigt, mit denen sie sich selbst oder andere massiv gefährdet. Auf den verbleibenden Kärtchen stehen negative Verhaltensweisen, mit denen die Erziehungsverantwortlichen dauerhaft nicht einverstanden sind, die deshalb einer Korrektur bedürfen. Aus diesen müssen nun jene ausgewählt werden, die auf keinen Fall län-
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ger akzeptiert werden können und für die Erziehungsverantwortliche bereit sind, heftige Auseinandersetzungen und die Mühen des gewaltlosen Widerstands auf sich zu nehmen. Bei jüngeren Kindern empfehlen wir, maximal zwei bis drei Kärtchen in den roten Korb zu legen, bei Jugendlichen maximal drei bis vier. Es kann aber auch vorkommen, dass keine Karte im roten Korb landet, was ebenfalls eine sehr wertvolle Erfahrung für Eltern in der Beratung darstellen kann. Die restlichen Kärtchen verbleiben im gelben Korb. Sie gehen dort nicht verloren, sondern bleiben gespeichert, um zu einem späteren Zeitpunkt wieder darauf zurück zu kommen. Entsprechend den oben genannten Beispielen wäre die nächste Frage: »Angenommen, Ihr Sohn würde täglich pünktlich in die Schule kommen, am gemeinsamen Abendessen teilnehmen und seine Schulaufgaben verlässlich erledigen: Wären Sie damit zufrieden?« Dieser Prozess ist oft nicht nach dem ersten Durchgang beendet, er soll aber dazu dienen, Szenarien zu entwickeln, die sich die Erziehungsverantwortlichen wünschen. Am Ende sollen sie in der Lage sein, den Kindern und Jugendlichen deutlich zu machen, wofür sie einstehen, und nicht wogegen sie kämpfen. Nicht selten verschwinden die Geräte in diesem Prozess-Schritt aus der Diskussion, da deutlich wird, dass es einfacher ist, konkret die Auswirkungen des schädlichen Handelns in den Fokus zu nehmen.
Doch zurück zu Rosmarie, Peter und Jakob: Rosmarie beschrieb mit ihren Schilderungen einen innerfamiliären Eskalationszirkel (von Schlippe & Schweitzer, 2016, S. 68) der durch andauernde verbale Auseinandersetzungen mit ihren Söhnen geprägt war. Vor allem im Konflikt mit Jakob wurde deutlich sichtbar, wie das tägliche Zusammenleben litt. Gegenseitig lehnten Mutter und Sohn ihr jeweiliges Vorgehen ab: Rosmarie war nicht damit einverstanden, dass Jakob seiner Mutter entgegen, dass sie übertrieben reagiere und ihn doch
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in Ruhe lassen solle – seine Freunde hätten ihre Zimmer ebenso aus-
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die Geräte in seinem Zimmer aufgebaut hatte und Jakob schmetterte
gestattet. Es entwickelte sich über die Monate eine klassische dysfunktionale Beziehung, in deren Kommunikation sich beide Seiten für ihr Verhalten und ihre Anliegen abgewertet fühlten (Milowiz, 2009).
Erschwert wird diese Dynamik durch einen Anspruch, den die meisten Eltern haben: Die Wirkung des eigenen Erziehungsverhaltens soll sich am angepassten Verhalten der Kinder und Jugendlichen, für die man verantwortlich ist, gefälligst widerspiegeln! Tut es das nicht, empfinden sich viele Eltern als hilflos, ohnmächtig und selbstunwirksam. Rosmarie konnte in der ersten Sitzung klar und deutlich beschreiben, dass diese täglichen Auseinandersetzungen mit Jakob sehr an ihr zehren würden. Sie hatte diese wiederkehrenden Machtkämpfe satt, gleichzeitig aber das Gefühl, dass sie verloren hätte, wenn sie damit aufhören würde. Wir kamen in der ersten Sitzung zu dem Ergebnis, dass Rosmarie darauf verzichten würde, sich täglich mit Jakob zu streiten. Stattdessen solle sie einmal täglich, wenn sie sich gerade in der Lage fühlt, ruhig eine Botschaft setzen, zu Jakob gehen und ihm sagen: »Wie du weißt, bin ich nicht damit einverstanden, dass
du all diese Geräte in deinem Zimmer hast.« Jeglichem Versuch von Jakob, in eine Diskussion einzutreten oder sie zu überzeugen, solle sie nach Möglichkeit widerstehen. Als Rosmarie drei Wochen später zur nächsten Sitzung kam, stellte sie gleich zu Beginn fest: »Zwei Wochen lang habe ich Jakob täglich den vereinbarten Satz gesagt. Und dann kam er plötzlich auf mich zu und fragte, wo er denn nun die Geräte aufbauen solle!«.
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Die Geschichte von Rosmarie und ihren Söhnen war an dieser Stelle nicht gelöst, es stellte sich aber im weiteren Verlauf heraus, dass sie einen Wendepunkt darstellte. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass es nicht darum geht, im Moment des Konflikts zu gewinnen, dass sie aber dennoch die Möglichkeit hatte, ohne in die Konflikte einzusteigen, eine klare Botschaft zu setzen. Dies sollte ihr im weiteren Verlauf noch einige Male hilfreich sein. Zudem konnte sie die erste Stufe der Wachsamen Sorge besser wahrnehmen, sobald Jakob sich mit all seinen Geräten nicht mehr ins Zimmer zurückzog. Nach und nach verbesserte sich die Beziehung zu ihren Söhnen, was die weiteren Herausforderungen bewältigbarer erscheinen ließ. Transparente Ankündigung weiterer Schritte
Sollte sich auf der zweiten Stufe der Wachsamen Sorge bereits abzeichnen, dass das schädigende Verhalten über verstärkte Präsenz und fokussierte Aufmerksamkeit nicht abzuwenden ist, sondern die Intervention der Erwachsenen nötig wird, ist es hilfreich auch diese wieder anzukündigen. Ralf und Brigitte hätten Laura zu dem Zeitpunkt, als sie den Schaden bemerkten, der durch Lauras Videos auf TikTok entstand, folgende Ankündigung machen können: »Wir machen uns Sorgen, weil durch das Hochladen deiner Videos dein Ansehen gelitten hat. Wir merken, wie sehr du dar-
unter leidest und haben entschieden, hier etwas zu tun, um das zu beenden. Das bedeutet, wir schalten das W-LAN bei uns zuhause ab, wenn wir diese Aktivitäten bemerken (oder: kündigen deinen Datenvertrag / sperren deinen Zugang zum Laptop für eine gewisse Zeit / etc.). Wir werden weiterhin alles in unseren Möglichkeiten Stehende tun, um mit dir darüber im Gespräch zu bleiben und dir unsere Unterstützung anzubieten.«
Wie weiter oben schon festgestellt wurde, bieten digitale Medien Räume für Rückzug. Jugendliche, die Schwierigkeiten bei der Schamregulierung haben, nutzen diese gerne. Erwachsene reagieren oft mit Kritik am exzessiven Mediennutzungsverhalten. Die Krux an der Sache ist nun folgende: Je mehr sich Jugendliche in die virtuellen Welten zurückziehen, desto mehr werden sie in der Regel von ihrem Umfeld kritisiert. Diese Kritik kann zu einem noch höheren Schamlevel führen, was die destruktiven Versuche, die Scham zu regulieren, intensiviert. Dies führt zu weiterer Kritik, führt zu weiterem Rückzug, und so weiter. Ein wahrer Teufelskreis! Um der Jugendlichen bei der Schamregulation hilfreich zu sein, womit ein konstruktiver Dialog eher möglich wird, braucht es stattdessen (Weinblatt, 2016, S. 169 f.): Ȥ Botschaften, auf die sie stolz sein kann: Dies kann im Besonderen dadurch gelingen, dass man Erfolge im Rahmen der OnlineAktivitäten oder beim Gaming anerkennt. Ȥ Botschaften, wie wichtig und einzigartig die Jugendliche ist: Indem man ihr mitteilt, dass sie für einen etwas Besonderes ist, schafft man Verbundenheit und reduziert die Scham. Ȥ Botschaften der Hoffnung: Gerade wenn sich die Jugendliche selbst in einer schwierigen Situation gefangen sieht, sind Botschaften der Hoffnung durch ihr Umfeld äußerst hilfreich.
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Unterstützung bei der Schamregulation bieten
Ȥ Botschaften der Zugehörigkeit: Diese können die Einsamkeit, die von der Jugendlichen im Rückzug oder der Vermeidung empfunden wird, aufbrechen. Wenn ein Gefühl der Zugehörigkeit geweckt oder gestärkt werden kann, wird Scham dadurch gelindert.
3. Stufe: Schutz und Intervention
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Es kann mehrere Ursachen dafür geben, dass es notwendig wird, als Erziehungsverantwortliche auf die dritte Stufe der Wachsamen Sorge zu gehen. Im Wesentlichen ist die entscheidende Frage dabei: Schädigt mein Kind durch sein Verhalten sich selbst oder andere? Wird diese Frage mit »ja« beantwortet, entsteht daraus die klare Notwendigkeit, dass die Erwachsenen durch ihr Vorgehen für Schutz sorgen. Statt zu überlegen, was dazu führen könnte, dass das schädigende Verhalten aufhört, fragen sich die Erziehungsverantwortlichen, was sie tun können, um Schutz herzustellen. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob die Maßnahmen unmittelbar gesetzt werden müssen oder Zeit besteht, um ein geplantes Vorgehen zu wählen. Ersteres wäre beispielsweise der Fall, wenn ich mitbekomme, dass mein Kind in diesem Moment über Chats oder Foren gefährliche Vereinbarungen trifft. Letzteres könnte zutreffen, wenn bereits seit einiger Zeit die schulischen Verpflichtungen in einer Weise vernachlässigt werden, dass langfristig ein Nachteil für mein Kind zu erwarten ist. Unbestritten haben viele Anwendungen und Plattformen eine sehr hohe Attraktivität, die dazu verleiten, die Zeit zu vergessen. Jugendliche Schwärmereien für Pop- oder Filmstars wurden beispielsweise früher spärlich über Fernsehsendungen und manche Jugendmagazine gefüttert. Heutzutage ist es möglich, manchen von
ihnen fast auf Schritt und Tritt im Alltag zu folgen. Wer als Jugendliche für einen Star geschwärmt hat, kann sich vielleicht vorstellen, wie hoch die Verführung ist, alles mitbekommen zu wollen. Dies macht es schwieriger einen gesunden Abstand zu den digitalen Medien aufzubauen. Ähnliches gilt auch für die Computerspiele von heute. Im Gegensatz zu den Anfängen sind sie oft nicht mehr Anwendungen, die phone, den PC oder die Konsole in ein ständig weiterlaufendes Spiel
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ein, spielt dort mit anderen im Team und hat Missionen zu erfüllen.
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man alleine am eigenen Gerät spielt. Man steigt über sein Smart-
Während früher das Spiel stoppte, wenn man den PC ausschaltete, laufen diese Spiele weiter und man lässt mitunter sein Team im Stich, wenn man aussteigen muss. Vielleicht ist auch eine Dynamik im Gange, die dazu führt, dass der Jugendliche Gaming als Strategie benutzt, um sich vor vielen unangenehmen Erfahrungen in seiner realen Umgebung zurückzuziehen. Wie weiter oben schon beschrieben, ist Rückzug eine mög liche Form, mit nicht regulierter Scham umzugehen. Die Schwierigkeit dabei ist, dass jede schamprovozierende Interaktion – sei es nur ein Kommentar oder eine Bemerkung der Erziehungsverantwortlichen über das exzessive Verhalten – zu einem Angriff durch den Jugendlichen oder zu einem Verlassen der Situation führen kann (Weinblatt, 2016, S. 147 f.). Eine Kooperation mit dem Jugendlichen zu erreichen, kann deshalb an dieser Stelle sehr schwierig sein. So oder so: Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem kein Zweifel mehr über die Schädlichkeit des (Online-)Verhaltens besteht, weshalb die Intervention der Erwachsenen unabhängig vom (vermuteten) Hintergrund des Verhaltens erfolgen muss! Die Zeit der bloßen Betonung der Sorge ist auf der zweiten Stufe gegeben, auf der dritten gilt es, Verantwortung als Erwachsene wahrzunehmen und zu handeln.
Einseitige Maßnahmen ergreifen
Vorweg: Wenn es um den Schutz des Kindes oder Jugendlichen geht, müssen wir bereit sein, über manche Grenze zu gehen, die wir sonst nicht überschreiten würden. Letztlich ist es immer eine Frage der Abwägung zwischen der Gefahr, die dadurch besteht, dass das Verhalten weiter existiert und der Gefahr, die durch die Folgen der Intervention entstehen. Entscheidend ist dabei, dass weiterhin das Bemühen der Erziehungsverantwortlichen um eine gute Beziehung mit im
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Vordergrund steht. Die erfolgsversprechende Mischung besteht aus Klarheit, Handeln und Beziehungsgesten bzw. guten Beziehungszeiten. Sofern es möglich ist, die Situation also nicht das unmittelbare Herstellen von Schutz verlangt, hat es sich als vorteilhaft erwiesen, verzögert zu reagieren. Dies fördert jedenfalls ein selbstkontrolliertes Handeln, das unnötigen Eskalationen entgegenwirkt. Um erste Ideen für Handlungsoptionen der Erziehungsverantwortlichen zu erhalten, stelle ich in der Beratung gerne die Frage: »Angenommen, Sie würden einen Beitrag leisten zu diesem Verhalten. Was könnte das sein?« Was nämlich immer wieder erstaunlich ist: Eltern stellen ein klar schädigendes Verhalten fest, das beispielsweise mittels Smartphones und Internetverbindung stattfindet. Gleichzeitig stellen die Eltern jedoch das Smartphone und die Internetverbindung zur Verfügung. Eine weitere hilfreiche Frage in der Beratung lautet meist: »Was könnten Sie tun, um den Schutz für ihr Kind herzustellen?«. Dabei sollte der Fokus komplett weg gehen von der Frage, wie eine Verhaltensveränderung beim Kind erzielt werden könnte. Dem Kind gegenüber wird die so beschlossene Maßnahme damit begründet, dass sie notwendig ist, um seinen Schutz zu gewährleisten. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Maßnahme in dem Moment beendet werden kann, in dem die Gefahr nicht mehr besteht.
Fallbeispiel mit Beauty-Vlog Armin und Petra meldeten sich bei unserer Beratungsstelle, als ihre 14 Jahre alte Tochter Elsa nicht mehr in die Schule ging. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie bereits ein mehrmonatiges Martyrium hinter sich. Elsa sei ihren Schilderungen nach ausschließlich an BeautyVloggerinnen interessiert. Sie folge den Video-Kanälen solcher Influencerinnen mehr oder weniger Tag und Nacht und habe mitt61
in der Früh nicht mehr aus dem Bett zu bringen gewesen. Armin
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lerweile auch begonnen, selbst Videos aufzunehmen. Ihre Aufmerksamkeit für die Schule sei nach und nach gesunken. Zuletzt sei sie merkte an, dass dies ja kein Wunder sei, da sie die ganze Nacht hindurch Video-Channels ansehe. Im Laufe des Gesprächs wurde klar, dass Elsa nicht nur die Schule verweigerte, sondern auch ihr Handballtraining vor ungefähr zwei Monaten abgebrochen hatte. Seither sei sie nicht mehr hingegangen. Früher hätte sie viel mit den Kindern in der Nachbarschaft draußen gespielt, aber auch dazu komme es nicht mehr. An Beteiligung bei den Haushaltspflichten sei in der derzeitigen Situation gar nicht zu denken. Die Eltern waren sich einig: Würde Elsa aufhören, so viel Zeit mit dem Smartphone verbringen, wären alle Probleme gelöst. Sie waren etwas überrascht, als ich sie zunächst fragte, was ihre Tochter sonst noch für Interessen habe oder hatte, was sie besonders gut könne und was denn die liebenswerten Seiten an Elsa wären (»Blauer Korb«). Petra hatte aufgrund des zehrenden Konflikts über die letzten Monate erst tatsächlich etwas Schwierigkeiten, positive Dinge über ihre Tochter aufzuzählen. Armin schien sich etwas leichter zu tun und berichtete unter anderem, dass Elsa früher regelmäßig mit ihm Stunden am Teich beim Fischen verbracht hatte – manchmal schweigend, manchmal in tolle Gespräche vertieft. Aber auch das hätte schon einige Monate nicht mehr stattgefunden. Gemeinsam zählten die Eltern dann aber eine ganze Reihe an Ressourcen ihrer
Tochter auf. Ich schrieb alles auf einen Zettel und legte diesen dann in unsere Mitte und gratulierte den Eltern zu einer Tochter, die so viel Interessen und positive Eigenschaften hatte. Offensichtlich hätten sie vieles richtig gemacht. Die Stimmung wurde merklich gelöster. Anschließend bat ich Petra und Armin, mir noch einmal langsam alle Probleme aufzuzählen, die durch die ausufernde Beschäftigung mit den Beauty-Vlogs auftraten. Ich achtete darauf, dass sie dabei
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möglichst konkret beschrieben, um welche Verhaltensweisen es sich handelte, sodass wir auch alle ein gemeinsames Bild dazu hatten, was gemeint war. Wenn ein Thema eine gemeinsame Definition hatte, schrieb ich es auf ein Zettelchen. Als alle Probleme aufgezählt waren, bat ich die Eltern, in einem ersten Schritt jene Zettelchen auszusortieren, die aus ihrer Sicht zwar lästig, aber nicht wirklich dramatisch waren (»Grüner Korb«). Sie sollten sich vorstellen, dass sie jetzt die Chance hätten, ihrer Tochter gegenüber in manchen Themen großzügig zu sein oder ihr einfach noch etwas Zeit in ihrer Entwicklung einzuräumen, um die fehlende Fähigkeit zu lernen, mit der sie diese Schwierigkeiten überwinden konnte; welche Zettelchen wären das? Die Eltern entschieden sich unter anderem für »Fußboden in Elsas Zimmer ist voll mit Gegenständen belegt« und »Kein Handball mehr« – schließlich hätte sie schon länger keinen richtigen Spaß mehr daran gehabt. Auf jenen Zettelchen, die nach diesem Prozess übrig blieben, standen lauter Verhaltensweisen, von denen die Eltern der Überzeugung waren, dass sich daran etwas ändern müsse (»Gelber Korb«). Ich bat sie nun, zwei weitere auszuwählen, von denen sie dachten, dass darauf Dinge standen, die sich am dringendsten ändern müssten (»Roter Korb«). Die Eltern waren sich schnell einig, dass da die Schulverweigerung dazu gehörte. Über das zweite Thema diskutierten sie erst ein wenig, allerdings gab ich dann zu
bedenken, dass eine unmittelbare Gefahr bestehen könnte in Hinsicht auf die selbst produzierten Videos, je nach Inhalt und Information der Videos und natürlich auch abhängig von der Plattform, auf die diese hochgeladen wurden. Darüber hatten Armin und Petra nämlich so gut wie keine Informationen. Wir vereinbarten bis zur zweiten Sitzung, dass Petra sich von Elsa zeigen lasse, was sie genau für Videos produziere und wo sie diese hochlade oder bekommen, sondern in erster Linie darum, Interesse und Präsenz
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zu zeigen. Armin sollte Elsa zum Fischen einladen; das hatte er
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hinschicke. Dabei ging es aber nicht darum, möglichst viel Infos zu
schon eine Zeitlang nicht mehr getan, da er von den Streitereien Zuhause so genervt war, dass er froh war beim Fischen seine Ruhe zu haben. Wenn sie mitkomme, solle er einfach eine gute Zeit mit ihr verbringen. Als die beiden zur zweiten Sitzung kamen, hatten sie ihre Aufgaben erledigt. Armin war völlig überrascht, dass Elsa die erste Einladung annahm. Beim Fischen habe sie dann geredet wie ein Wasserfall und Armin hatte dadurch erfahren, dass Elsa es ihren Idolen gleichtun wolle und mit ihrem eigenen Video-Channel reich und berühmt werden wollte. Petra war sehr angetan von der Kreativität und Professionalität der Videos von Elsa. Sie hätte davor schon länger keines mehr gesehen. Sie hätte auch keine Hinweise bekommen, dass Elsa sehr persönliche Informationen veröffentlichen würde oder problematische Inhalte in den Videos zu sehen wären. Allerdings habe das Wissen, dass ihr Tochter Videos von sich veröffentliche ein seltsames Gefühl bei ihr hinterlassen, sie könne nicht sagen, ob da alles in Ordnung sei. Die Eltern entschieden, auf jeden Fall den fehlenden Schulbesuch im roten Korb zu lassen, gleichzeitig aber auch ein Auge auf die Online-Aktivitäten von Elsa zu haben. Wir formulierten gemeinsam eine »Ankündigung« (Girolstein, 2019) für Elsa:
Liebe Elsa, als deine Eltern sind wir sehr stolz auf so Vieles, das du machst, dir überlegst und wie du bist. Deine Begeisterungsfähigkeit und Ziel strebigkeit sind außergewöhnlich. Wir genießen es, wenn wir gemeinsam Zeit verbringen und unsere Gedanken austauschen und du uns über deine Ideen und Pläne erzählst. Wir können nicht länger hinnehmen, dass du nicht mehr in die Schule gehst. Wir haben uns beim Institut PINA beraten lassen und
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sind entschlossen, alles in unseren Möglichkeiten Stehende zu tun, damit du bald wieder deiner Schulpflicht nachkommst. Ab heute werden wir deshalb um 21 Uhr die Internetverbindungen schließen. Wir werden hierzu auch noch weitere Personen um Unterstützung bitten, sowohl aus der Schule als auch aus unseren Familien. Es ist uns wichtig, dass du deine Kreativität ausleben kannst und deine Interessen und Ziele verfolgst. Wir werden dich dabei unterstützen. Voraussetzung ist, dass du deine Pflichten erledigt hast. Als deine Eltern werden wir zudem wachsam darauf achten, dass du keine Informationen oder Inhalte teilst, mit denen du dich oder andere in Gefahr bringen könntest. Wir tun dies alles, weil du uns sehr wichtig bist und wir möchten, dass es dir gut geht. Deine Mama und dein Papa Die Ankündigung der Eltern, alles in ihren Möglichkeiten Stehende zu tun, bedingte, dass sie sich nächste Schritte überlegen mussten. Elsa bekam die Ankündigung von Petra und Armin vorgelesen und überreicht, im Anschluss sollte sie merken, dass etwas anders war – abgesehen von der nächtlich geschlossenen Internetverbindung. So kontaktierten sie nach dem Überbringen der Ankündigung die Schulsozialarbeiterin und den Bruder von Armin. Sie baten beide, Elsa eine Nachricht zukommen zu lassen,
in der sie ihr mitteilten, dass sie mitbekommen hätten, wie sehr ihre Eltern in Sorge waren und dass sie Elsa wie auch Petra und Armin unterstützen würden, damit die Situation sich bald bessern könne. Bei der nächsten Sitzung berichteten Petra und Armin, dass Elsa vor allem aus der Ankündigung gehört hatte, dass ihre Eltern sie bei ihren Videos unterstützen wollten – sie hatte sofort einige konkrete 65
der die Schule. Die Schulsozialarbeiterin und ihr Onkel meldeten sich
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Ideen, wie Armin und Petra ihr assistieren konnten. Nichtsdestotrotz besuchte sie am folgenden Tag das erste Mal nach drei Wochen wiein den folgenden Wochen noch einige Male mit einer bestärkenden Meldung. Sie teilten ihr mit, wie sehr sie sich für sie und ihre Eltern freuten, dass sie wieder in der Schule sei und nun sogar Unterstützung bei den Videos hätte.
In diesem Prozess war entscheidend, dass Ȥ die Eltern sich auf eine klare Problembeschreibung einigen konnten Ȥ dadurch die »Dämonisierung« des Smartphones aufgelöst werden konnte Ȥ die Eltern sich gegenüber Elsa mit der Ankündigung klar positioniert hatten Ȥ Elsa merkte, dass es ihren Eltern ernst war – über die Einschränkung der Internetverbindung und natürlich auch durch Ȥ die Involvierung von Unterstützern Hätte Elsa weiterhin die Schule verweigert, wären in einem ersten Schritt die Unterstützerinnen von uns mehr involviert worden, beispielsweise über Besuche bei Elsa. Mit den Eltern hätten wir aufbauend auf den Ideen des Gewaltfreien Widerstand daran gearbeitet, die Widerstandsmaßnahmen nach und nach zu intensivieren.
Ausgangspunkt für den weiteren Widerstandsprozess kann eine Ankündigung sein, wie sie oben im Fall von Petra und Armin beschrieben ist. Sie kann als Startschuss gesehen werden und bedingt ein beharrliches Dranbleiben. Nicht selten erwarten sich Erziehungsverantwortliche, dass ein solcher Brief bereits eine Veränderung im Verhalten des Kindes erzielt – und sind enttäuscht, wenn dies nicht eintritt. Im Wesentlichen formulieren die Erwachden etwas verändern! Der entscheidende Punkt ist deshalb nicht
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senen in der Ankündigung aber eine Selbstverpflichtung: Wir wer66
die Reaktion des Kindes darauf, sondern die Beharrlichkeit, mit der die Erwachsenen im Folgenden ihren Widerstand deutlich machen. Jegliche Aktion im gewaltfreien Widerstand kann beschrieben werden als Zeichen, durch das deutlich gemacht wird, dass die Erwachsenen sich entschieden gegen schädigendes Verhalten stellen und die Beziehung stärken wollen. Der Fokus liegt dabei auf dem Prozess und nicht auf einer vermeintlich raschen Lösung des Problems. Diese Haltung eröffnet den Erziehungsverantwortlichen einen großen Handlungsspielraum: Während bei einer erwarteten Verhaltensveränderung das Kind »mitspielen« muss (und damit auch den Prozess torpedieren kann), sind die Möglichkeiten, gewaltfrei Widerstand zu zeigen, schier endlos.
Herausforderungen, die bleiben Umgang mit laufend neuen technischen Entwicklungen Ich gehe davon aus, dass die rasante technologische Entwicklung der letzten Jahrzehnte zum heutigen Zeitpunkt nicht beendet ist. Es werden noch weitere Innovationen kommen. Auf dem Markt der Apps ist es schon seit einigen Jahren so, dass das was gestern gegolten hat,
heute schon überholt sein kann. Ich habe den Anspruch, immer »up to date« zu sein schon länger aufgegeben und lerne in jedem Seminar von den Teilnehmenden etwas Neues, das sie wiederum von ihren Kindern und Jugendlichen wissen. Wenn wir es allerdings nicht als unsere Pflicht sehen, besser Bescheid zu wissen, sondern präsent zu sein und Interesse zu zeigen, dann haben wir uns ganz schnell von dem Druck befreit, immer der sende zu sein und sich etwas von der Pike auf erklären zu lassen. Was
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wir tun müssen, ist Fragen zu stellen. Dann wird manchmal deutlich,
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Wissende zu sein. Es ist oft sogar wesentlich hilfreicher, der Unwis-
dass die Kinder sich über das Interesse der Eltern freuen, wenn es nicht mit Kritik verbunden ist und dann durchaus auch bereit sind, mit den Eltern zusammenzuarbeiten.
Technische Lösungen als Unterstützung bei der Grenzsetzung Auch der App-Markt für Eltern boomt. Mittlerweile bieten sogar einige Hersteller Kinderschutz-Funktionen, die in das Betriebssystem der Geräte schon integriert sind. Beliebte Funktionen sind Ȥ der »Safe Search«, wodurch Suchergebnisse nach nicht für Kinder gedachte Inhalte gefiltert werden Ȥ die Möglichkeit, die Nutzungszeit zu begrenzen, sodass beispielsweise nach zwei Stunden Nutzung am Tag der Bildschirm schwarz wird Ȥ die Verhinderung der Installation von Apps ohne Zustimmung der Eltern Ȥ tägliche Emails an die Eltern mit Infos über die Nutzung des Geräts durch die Kinder Ȥ sogar die ständige Ortung des Kindes
Nicht wenige Erwachsene meinen, dass die Installation einer Kinderschutz-Anwendung sie von ihrer Wachsamen Sorge befreien würde. Dabei sind diese technischen Lösungen dennoch Herausforderungen und dies aus mehreren Gründen: Ȥ Keine Software bietet einen hundertprozentigen Schutz Ȥ Die Kinder können über ihre Peers trotzdem auf unerwünschte Inhalte zugreifen 68
sie umgangen werden können. Sobald unsere Kinder das her-
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Ȥ Es existieren zu jeder Anwendung im Internet Anleitungen, wie ausgefunden haben, wiegen sich die Eltern in Sicherheit und die Kinder können ohne Hindernis alles erforschen, auch das, was sie nicht sollten.
Erwachsene als »digitale Analphabeten« Besonders herausfordernd kann die Situation sein, wenn sich Erziehungsverantwortliche den technischen Entwicklungen verweigern möchten und mit dieser Begründung die Wachsame Sorge für die Kinder, für die sie zuständig sind, nicht wahrnehmen wollen. In der Beratung, oder auch bei Vorträgen und Seminaren ist es mir deshalb wichtig zu betonen, dass sich selten jemand zu seinem Kind ins Zimmer setzt und beim »Gamen« zusieht, weil er so ein großes Interesse an Computerspielen hat. Es ist das Interesse und letztlich auch die Verantwortung für das eigene Kind, die uns keine andere Wahl lässt!
Am Ende
Die Frage nach der Henne und dem Ei
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Das vielleicht wichtigste Ziel meiner Arbeit zu diesem Thema sehe ich darin, für Ent-Dämonisierung und Ent-Mystifizierung der digitalen Medien zu sorgen. Gleichzeitig müssen wir uns als Erziehungsverantwortliche aber auch bewusst sein, dass in der virtuellen Welt Gefahren auf unsere Kinder lauern, die bedingen, dass wir sie dort nicht allein lassen können. Ein Ergebnis der »Dämonisierung« der Endgeräte, die den Zugang zu Sozialen Medien und Gaming ermöglichen, scheint innerhalb der Familien oder auch Wohngruppen sehr oft den Blick für die eigentlichen Themen zu verstellen. Das Smartphone wird beispielsweise für die mangelnden Sozialkontakte des Jugendlichen verantwortlich gemacht, was dazu führt, dass die Erziehungsverantwortlichen laufend ihren Unmut über das Smartphone äußern, anstatt dem Jugendlichen zu sagen, dass sie nicht akzeptieren können, dass er sich den Sozialkontakten entzieht. In manchen Beratungssitzungen war das Thema einfacher zu bearbeiten, wenn ich den Eltern vorgeschlagen habe, sich vorzustellen, das Smartphone wäre ein gutes Buch. Das problematische Verhalten bliebe dasselbe, das Buch würde aber dafür nicht verantwortlich gemacht. Damit gelang es leichter, über Schritte gegen das problematische Verhalten nachzudenken. Wie in jeder anderen Beratung auch, ist ein entscheidendes Moment die Beziehung und das Vertrauen der Klienten in die Beraterin. Was auch immer in den gemeinsamen Sitzungen erarbeitet
wird: Die Herausforderung besteht darin, neugierig und offen zu bleiben für das, was die Klientinnen aus den Interventionen machen (Schwing & Fryszer, 2018, S. 168). Von da aus kann beim nächsten Treffen weitergearbeitet werden. Die Haltung der Wachsamen Sorge bietet in jedem Fall die Möglichkeit – gerade im Umgang mit digitalen Medien – Perspektiven zu erarbeiten und positive Veränderungen herbeizuführen.
Hilfreiche Links In jedem Land der Europäischen Union und in weiteren europäischen Ländern wurden in den letzten Jahren Projekte zur Aufklärung und Sensibilisierung bezüglich digitaler Medien gegründet, die wiederum im insafe-Netzwerk miteinander verbunden sind. Unter folgenden Links finden Sie eine Vielzahl an Materialien für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen: Deutschland: www.klicksafe.de und www.schau-hin.info Österreich: www.saferintenet.at Schweiz: www.jugendundmedien.ch
Literaturverzeichnis AFP. (21. Dezember 2018). Zwischen Tradition und Moderne. Tödliches Wettrüsten in Papua-Neuguinea. Frankfurt. Von https://www.faz.net/ aktuell/gesellschaft/toedliches-wettruesten-im-hochland-von-papuaneuguinea-15953090.html abgerufen American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic And Statistical Manual Of Mental Disorders, Fifth Edition. Abgerufen am 09. 12. 2020 von https:// www.psychiatry.org/patients-families/internet-gaming
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Der Autor Martin A. Fellacher ist Geschäftsführer des Instituts PINA | Praxis und Innovation – Neue Autorität in Feldkirch im Westen Österreichs. Der studierte Sozialarbeiter und Personal- und Kompetenzmanager startete seine berufliche Tätig-
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keit in der Offenen Jugendarbeit sowie in der Jugend-Bildungsarbeit. Nach einiger Zeit in der Arbeit mit suchtkranken Menschen verbrachte er zwei Jahre in
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einem Entwicklungsprojekt in PapuaNeuguinea, wo er ein HIV/AIDS-Zentrum aufbaute. Nach seiner Rückkehr nach Österreich hatte er die Gesamtleitung der Angebote für Geflüchtete im Bundesland Vorarlberg und war in der Männerberatung aktiv. Er ist derzeit externer Lehrbeauftragter an drei Hochschulen und bei PINA Lehrgangsleiter der Ausbildung zum »Coach für Neue Autorität«.