Dienst am Wort Sonderausgabe Advents- und Weihnachtszeit: Krippenspiele im Gottesdienst / Christnacht feiern / Weihnachtsworte 9783666630583, 9783525630587, 9783647630588


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Dienst am Wort Sonderausgabe Advents- und Weihnachtszeit: Krippenspiele im Gottesdienst / Christnacht feiern / Weihnachtsworte
 9783666630583, 9783525630587, 9783647630588

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Advents- und Weihnachtszeit Dienst am Wort – Sonderausgabe

➠ Krippenspiele im Gottesdienst ➠ Christnacht feiern ➠ Weihnachtsworte

Vandenhoeck & Ruprecht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-63058-7 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Umschlag: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Krippenspiele im Gottesdienst Steuern, Stern und Stall

Siegfried Meier

Vandenhoeck & Ruprecht

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Vorwort

Seit frühester Kindheit begleiten mich Krippenspiele und sogenannte Sprechmotetten (für die „Großen“) zur Weihnachtszeit. Da dort von großer Freude die Rede ist (und nicht von großen Problemen, die ich in den letzten Jahren mit einschlägigen Veröffentlichungen zum Thema habe), gebe ich hier gerne weiter, was wir in den zurückliegenden Jahren in der Evangelischen Kirchengemeinde Garbenheim versucht haben – und nun auch im Bezirk HeiligGeist der Evangelischen Kirchengemeinde Wetzlar. Dankbar denke ich an die Zeit mit Alexandra Mokosch und Stefan Heinrich und dem gemeinsamen Finden und Gestalten von Kulissen, Kostüme und Kandidaten. Viele Spiele atmen noch den Zwang kleiner Besetzungen; je größer und zahlreicher die Mitspieler wurden, desto anspruchsvoller konnten wir die Weihnachtsbotschaft in Szene setzen, selbst im Kreis der Mitarbeiter alleine („Überraschung in Camp David“), einmal sogar in den Filzpantoffeln des Dialektes (vielen Dank nachträglich für den Unterricht – das Ganze klappt sicher nicht nur in Hessisch!). Zum guten Schluss ein Hinweis und viele Worte des Dankes: die Liedangaben verstehen sich als Vorschläge – solange die Dialoge und Spiele „Dienst am Wort“ sind und bleiben, habe ich nichts gegen Änderungen und sonstige Eingriffe. Dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, namentlich Herrn Christoph Spill bin ich dankbar für die Zusammenarbeit und die Möglichkeit, diese Szenen in der gleichnamigen Reihe veröffentlichen zu dürfen. Ohne Alexandra Mokosch, Jens Neuweger, Stefan Heinrich und Kevin Knoch (dessen Radioleidenschaft und Mitarbeit bei RockFun24 ihn hier zu „Kevin Ben-Knochba“ werden ließ) wäre nichts aufgeführt worden, dankbar ich auch für die Hilfe von Conny Guth und Hans-Martin Krenig und allen, die je mitgespielt haben. Damit gehen Gruß und Blick zurück nach Garbenheim, aber auch voraus in die Gemeinde um die Hospitalkirche und das Gemeindezentrum in Dalheim, wo ich jetzt Dienst tue. Meiner Frau 5 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

(danke für die letzte Predigt dieses Bandes!) und meinen Kindern danke ich, dass sie tolerierten, wenn ich in den Sommerferien wieder mal ein Stück geschrieben habe. Wetzlar, Passionszeit 2010

Siegfried Meier

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Inhaltsverzeichnis

Gott steuert anders. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

Menschliche und göttliche Weisheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Kein Platz in Bethlehem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang: Kein Platz in Bethlehem – Fassung in Garbenheimer Platt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Fünf Weihnachtsmänner und die Geschichte dahinter . . . . . .

35

Zwei Evangelisten – zwei Weihnachtsgeschichten . . . . . . . . . . .

42

Gloria im Radio

..........................................

51

Der überflüssige Josef . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

„Als Quirinius Statthalter in Syrien war …“ . . . . . . . . . . . . . . . .

69

28

Also liebt Gott die arge Welt – Weihnachtsspiel an vier Sonn- oder Feiertagen I. Die Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

II. Die Ankündigung der Geburt Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

III. Verwirrte Schriftgelehrte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

IV. Ratlose Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

Überraschung in Camp David . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Bibelstellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Gesangbuchregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

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Gott steuert anders

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Gott sei Dank durch alle Welt“ (EG 12, 1–4) GEBET Herr Jesus Christus, in dieser Zeit denken wir an Dein erstes Kommen auf diese Erde, als ein Kind geboren, hilflos – aber von den Engeln angekündigt, mitten in den Lärm und die Umtriebe dieser Welt. In allem Wichtigen bist Du der Wichtigste geworden. Bleibe in unserem Leben der Wichtigste. Bleibe Du auch in dieser Adventszeit, in dieser Vorbereitungszeit uns vor Augen, dass sich anderes nicht vor Dich schiebt. Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LIED „Was soll das bedeuten“1 WEIHNACHTSSPIEL „GOTT STEUERT ANDERS“ I. Im Kaiserpalast zu Rom Augustus: (Hände raufend) Das reicht nicht! Das reicht nicht! Rom sollte die schönste Stadt der Welt werden! Und nun:

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Liederheft Rolf Krenzer/Detlef Jöcker, „Heute leuchten alle Sterne“, Menschenkinder-Verlag 1989

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Sekretär: Augustus: Sekretär: Augustus: Sekretär: Augustus: Sekretär: Augustus: Sekretär: Augustus:

kein Geld! Zum Verrücktwerden: ich, der mächtigste Mann der Erde habe kein Geld! Und jetzt? – Sekretär! Was ist los? Kein Geld ist los! Unsere Kasse ist leer! Wozu haben wir die reichen Provinzen? Wozu sind meine Steuereintreiber im ganzen Reich unterwegs? Was ich Euch immer sage, die Steuern sind zu niedrig. Das Volk hat mehr, als Ihr denkt. So? – Das soll sich ändern. Ab sofort jeder drei Goldstücke mehr. (vorsichtig) Wenn ich in aller Bescheidenheit noch etwas fragen dürfte … Nur zu. Wir wissen ja gar nicht, wie viele Menschen in den Provinzen leben. Wir haben sie nie gezählt. Wenn wir eine Volkszählung machen würden … Volkszählungen sind nicht besonders beliebt! Ich weiß, ich weiß, – aber es gibt mehr Geld. Geld für Euch. Für den Staat, natürlich. Für Straßen und Wege, Bauten und Paläste, Thermen und Theater. Du hast recht, wir sollten die Menschen zählen. Und weil Du so gute Ideen hast, wie man den Menschen das Geld aus der Tasche zieht, fängst Du ganz im Osten an. In – Israel heißt das Land, glaube ich.

II. Bethlehem. Straße Sekretär: Hätte ich bloß nichts gesagt. Hier bin ich am Ende der Welt, es ist furchtbar heiß. Die Leute mögen uns Römer nicht. Wir müssen sie durch Soldaten mit Gewalt zwingen, uns das Geld zu geben. Nun ja. Der Nächste bitte. Josef: Das bin ich. Sekretär: Wie heißt Du? Josef: Josef. Sekretär: (schreibt) Josef. Woher? Josef: Aus Nazareth. Sekretär: (schreibt) Nazareth. Beruf? Josef: Zimmermann. Sekretär: (schreibt) Zimmermann. Warum bist Du hier? Josef: (wütend) Ihr habt gut reden. Ihr Römer habt doch schließlich – 10 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Sekretär: Schon gut, schon gut. Ich will wissen, warum Du in Bethlehem bist, wo Du doch in Nazareth wohnst. (mit Würde) Ich gehöre zur Familie des großen Königs Josef: David. Sekretär: Das sagen hier fast alle. Verheiratet? Josef: Nun, wie soll ich sagen … Sekretär: Also dass weiß selbst ein Römer, ob er verheiratet ist oder nicht! Josef: Nein, nicht verheiratet. Nur verlobt. Sekretär: Mit wem? Maria: Mit mir, Maria. Sekretär: (schreibt) Maria. Kinder? Maria: Noch nicht, aber bald. Sekretär: (schreibt) Drei Personen. Alles klar. Der Nächste! III. Bethlehem. Hirtenfeld Hirten spielen ein Lied mit ihren Flöten. 1. Hirte: Die Römer sind der schlimmste Haufen auf der ganzen Welt. 2. Hirte: Na, es geht. Durch diese Volkszählung haben wir so viele Gäste wie lange nicht mehr. Das bringt uns eine Menge Geld ein. 3. Hirte: Die ganze Verwandtschaft ist endlich mal zusammen. 1. Hirte: Wenn bloß die Soldaten nicht wären. 2. Hirte: Wir wären wieder ein freies Land. 3. Hirte: Du träumst. Das kommt nie wieder. 1. Hirte: Vielleicht sollten wir uns schlafen legen. Morgen wird ein harter Tag. 2. Hirte: Ich übernehme die erste Wache. (Hirten legen sich hin; nach einer Weile sagt er:) Obwohl, was soll schon passieren, heute Nacht scheint alles ruhig und friedlich … (sich selbst vorsagend) Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln …

(Engel treten auf ) Da, seht doch!

(Engelmusik aus dem Hintergrund, eventl. Keyboard) (Hirten springen auf )

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Engel:

Fürchtet Euch nicht! Siehe, ich verkündige Euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird. Denn Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Alle Engel: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

(Engel ab) 1. Hirte: Das will ich sehen. Auf zum Stall! 2. Hirte: Wohin – welchen Stall? 1. Hirte: Na, den mit einem Kind drin. Wir suchen alles ab. Irgendwo werden wir den Retter der Welt schon finden.

LIED

Wir sind ja nur Hirten

IV. Bethlehem. Stall 1. Hirte: Man sollte gar nicht glauben, wie viele Ställe wir in Bethlehem haben. 2. Hirte: Der Engel sagte: ihr werdet das Kind finden. (schaut in den Stall) 1. Hirte: (zeigt in den Stall hinein) Hier sind wir richtig! 2. Hirte: Dürfen wir eintreten? Maria: Wenn ihr leise seid … 1. Hirte: Der Engel Gottes hat uns gesagt, dass der Retter der Welt geboren wurde. 2. Hirte: Wir möchten ihn gerne sehen. Josef: Hier liegt er, in der Krippe – nicht einmal ein Bett haben wir für ihn bekommen. 1. Hirte: Kind, Du bist so arm wie wir. 2. Hirte: Endlich mal ein Herr, der bei den Armen geboren wird. 1. Hirte: Ja, wir sind hier unter uns – und er mitten unter uns.

(3. Hirte späht nach draußen) 3. Hirte: Das glaubt ihr nicht, das müsst ihr sehen! Könige oder so was, mit Kamelen!

(Könige treten ein) LIED Die Könige aus dem Morgenland

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1. König: 2. König: 3. König: 1. Hirte: 1. König: 2. König: 3. König: 1. König: 2. König: 3. König: Josef: Maria: 3. Hirte:

Wir kommen von weit her, von den Enden der Erde. Ein Stern hat uns den Weg zu diesem Stall gezeigt. Wir suchen den neugeborenen König der Juden. König der Juden? Viel mehr! Der Heiland, der Retter der Welt, hat der Engel gesagt! So ist es wahr – dann sind wir am Ziel. Und der da geboren ist, ist erst am Anfang! Gelobt sei Gott in der Höhe! Du bist nur ein Kind, wie alle Kinder auf der Erde, aber ganz andere als wir werden Dir zu Füßen liegen. (legt Gold vor die Krippe) Du bist nur ein Kind, aber später wirst du deinem Volk und anderen Völkern die Richtung weisen. (legt Weihrauch vor die Krippe) Du bist nur ein Kind, aber du wirst der König aller Könige werden. (Legt Myrrhe vor die Krippe) Wir danken euch für eure Gaben. Und für eure Worte. Wir werden sie nicht vergessen. Und wir gehen nach Bethlehem und sorgen dafür, dass es alle erfahren!

LIED In der Nacht von Bethlehem (Peter Strauch)2 PREDIGT mit Lk 2,20 „Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.“ Ich habe gehört, das Stück spricht für sich selbst und ich bräuchte keine lange Predigt zu halten. Ich versuche es mit zehn Sätzen: 1. Ob Rom damals vor 2000 Jahren oder zur Zeit der Reformation: mit dem Geld beginnt alles und das scheint sich bis heute gehalten zu haben, wenn wir an Weihnachten denken. 2. Gott nutzt diese Volkszählung, um seinem Volk den zu bringen, der wirklich zählt. 3. Wenn es um das Kind geht, was da geboren wird, dann sollten wir die Möglichkeiten unserer Kinder bestaunen,

2

U.a. in „Feiern und Loben“ 2003, Nr. 217

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von diesem Herrn zu singen und zu spielen, der da geboren wird – und der ein besonderes Verhältnis zu Kindern hat! 4. Die oberen Zehntausend merken nichts davon, wer da geboren wird, wenn es sich bei ihnen nur um die zehntausend dreht, die das Ganze mehr einbringt. 5. Die Hirten merken schon, wer da geboren ist und verstehen, dass er auf einer Stufe mit ihnen steht. 6. Maria und Josef bleiben im Hintergrund, um Jesus nicht aus dem Vordergrund zu verschieben. 7. Alles spielt sich unter uns ab – Jesus will nicht im Himmel bleiben, sondern bei seinen Menschen sein. 8. Advent heißt Ankunft, Ankunft von Jesus Christus, der angekommen ist, auch hier bei uns. 9. Angekommen sind auch die Könige – als lebende Beispiele dafür, dass sich die weitesten Wege für Jesus Christus lohnen! 10. Und wie die Hirten nicht still bleiben konnten, als sie von Jesus Christus hörten und von ihm weitererzählt haben, so macht Jesus auch uns den Mund auf. Amen.

LIED „Komm in unsre stolze Welt“ (EG 428, 1–5 nach der Melodie „Jesus, meine Zuversicht“) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist zu uns gekommen. Als einer von uns, als einer von denen, die eben nichts zu sagen haben, die oft genug an dem verzweifeln, was um sie herum geschieht. Du kommst zu uns, in unser Leben. Du kommst in unsere Familien, in unsere Krankheiten, in alles, was das Leben bedrückt. Und Du kommst in unsere Freude – mit Deiner Freude. Du kommst, mit uns zu feiern. Du bist der Grund, warum wir feiern und uns freuen. Das wollen wir gerade in diesen Tagen nicht vergessen. Und Du vergisst uns nicht, ebenso wenig wie die, die uns am Herzen liegen. Danke. Amen. VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Menschliche und göttliche Weisheiten

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (EG 10, 1–4) GEBET Herr, unser Gott, als Kind bist Du in diese Welt gekommen, mehr nicht, und vom ersten Tag an hältst Du Deine Welt damit in Atem, ziehst Menschen zu Dir, reizt zum Widerspruch. Schenke Deinen Heiligen Geist, dass wir an Dir bleiben, dass wir erkennen, wer Du bist und dass Du für uns Deinen Sohn gesandt hast. Du lebst und regierst in der Einheit mit dem Sohn und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Micha 5,1–4a GLAUBENSBEKENNTNIS LIED „Stern über Bethlehem“ (EG 546, 1–4)

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WEIHNACHTSSPIEL: MENSCHLICHE UND GÖTTLICHE WEISHEITEN I. Szene. Auf einem Berg irgendwo in der Wüste. Nacht. 1. Weiser: (schaut durch ein Fernrohr) Ich hab’s gewusst! Ich hab’s gewusst! Schaut euch das an! 2. Weiser: (nimmt das Fernrohr) Du hast Recht. Das ist der Stern. Wo das Bild des Widders zu den Fischen wechselt. 3. Weiser: (nimmt das Fernrohr) Jupiter und Saturn stehen nebeneinander. Und Mars ist auch dabei. 1. Weiser: Also wieder wie im Mai, als wir aufgebrochen sind. 2. Weiser: Wenn der Stern sich zum dritten Mal zeigt, wissen wir, wo der König geboren wird. 3. Weiser: Ja, dann sind wir am Ziel. II. Szene. Bethlehem. Tag. Josef:

Das ist keine gute Zeit. Alles belegt. Und wir brauchen dringend einen Platz für dich. Maria: Auch deine Verwandtschaft will uns nicht aufnehmen. Josef: So sind die, wenn man sie mal dringend braucht. Versuchen wir es noch bei diesem Haus hier. (Klopft) Hallo, Ephraim. Ephraim: Du? Hallo, Josef. Das ist lang her. Josef: Ephraim, hast du ein Zimmer für uns? Ephraim: Das Haus ist voll. Ist das deine Frau? Josef: Nicht so richtig … Ephraim: Ich sehe schon … Geht die Straße runter, da findet ihr den Stall. Der muss reichen, sonst habe ich nichts. Meine Frau bringt euch etwas zu essen. III. Bethlehem. Hirtenfeld. Nacht 1. Hirte: Sogar mein Zimmer haben sie vermietet! Blöde Volkszählung! 2. Hirte: Ist ja nur für ein paar Tage. Aber wir, die Kleinen, müssen immer als erste raus! 3. Hirte: Hoffentlich lässt man uns in Ruhe schlafen!

(sie legen sich hin; Engel treten auf, die Hirten wachen auf, erschrecken) 1. Hirte: Los, aufwachen! 2. Hirte: Was ist los? 3. Hirte: Kann man nicht mal in Ruhe schlafen? 16 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

(Engel tritt vor) Engel:

Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Die Engel: (singen) „Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring euch gute neue Mär, der guten Mär bring ich soviel, davon ich singen und sagen will. Euch ist ein Kindlein heut geborn, von einer Jungfrau auserkorn, ein Kindelein, so zart und fein, das soll euer Freud und Wonne sein. Es ist der Herr Christ, unser Gott, der will euch führn aus aller Not, er will euer Heiland selber sein, von allen Sünden machen rein.“ (Engel ab) 1. Hirte: Das glaub ich einfach nicht! 2. Hirte: Gott schickt seine Engel zu uns! 3. Hirte: Worauf warten wir noch? Auf ins Dorf, den Stall suchen!

LIED „Mit den Hirten will ich gehen“ (EG 544) IV. Königspalast zu Jerusalem. Tag. Schreiber: (tritt ein) Mein König, da draußen stehen drei Männer, königlich gekleidet wie ihr, aber mit dem Staub der Straße an den Füßen. Sie wollen euch sprechen. Herodes: Wer kann das sein? Ich erwarte niemanden. Nun gut, lasst sie herein.

(Weise treten ein) 1. Weiser: Heil dir, Herodes, den man den Großen nennt. Wir kommen von weit her. Ein großer Stern zeigte uns den Weg. 2. Weiser: Ein neuer König wurde geboren, und wir sind zu dir geführt worden. 3. Weiser: Wir wollen ihn anbeten. Herodes: Macht ihr Witze? Meine Kinder sind groß, haben Flausen im Kopf, aber keine Kinder. Ein neugeborener König? Soll ich euch zeigen, was ich an meinem Hofe mit Scherzbolden mache?

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Schreiber: (neben dem König, flüsternd) Sachte, sachte, Majestät. (zu den Weisen) Wie war das mit dem neugeborenen König? 1. Weiser: Wir haben seinen Stern gesehen. Im Mai zum ersten Mal. 2. Weiser: Dann auf dem Weg hierher, im Oktober. 3. Weiser: Er führte uns in dieses Land. So kommen wir direkt zum Königshof. Herodes: Soso … Schreiber, sag mir, was steht in den Schriften von dem neugeborenen König? Schreiber: (sucht in einer Schriftrolle) Hm … Hier beim Propheten Micha lese ich: „Und du, Bethlehem, Ephrata, die du klein bist unter den Städten Judas, aus dir soll mir der kommen, der in Israel ein Herr sei“ – ja, das könnte hinkommen. Ein Herr, ein König. Bethlehem. Da müsst ihr suchen. Herodes: (übertrieben freundlich) Sucht für mich. Und wenn ihr den neugeborenen König gefunden habt, dann sagt mir Bescheid, dann komme ich auch, um ihn anzubeten. (Weise ab) Schreiber: Meint ihr das ehrlich? Herodes: Ach was. Sagt dem Hauptmann Bescheid, er soll die drei im Auge behalten. Ein König in Jerusalem und einer in Bethlehem – das ist einer zuviel. Los, hinterher! (Schreiber ab. Herodes, guter Laune, singt:) „Du musst ein Schwein sein in dieser Welt …“ V. Bethlehem. Stall. Nacht (Hirten treten in den Stall ein) 1. Hirte: 2. Hirte: 3. Hirte: 1. Hirte: 2. Hirte: 3. Hirte: Josef: Maria:

Tatsache, da liegt ein Kind. Wie es der Engel gesagt hat. Gute Nacht, zusammen. Uns schicken die Engel. Von großer Freude für alle Völker hat er gesprochen. Uns soll dieses Kind geboren sein. Der Heiland, der Retter der Welt – hier im Stall. Als ob es so sein müsste in der Stadt des Königs David. Ihr sagt große Worte über mein Kind.

(Die Weisen treten in den Stall, langsam treten sie näher) 1. Weiser: Ich hab’s ja gewusst, als wir den Stern zum dritten Mal sahen. Dieses Mal wird er uns zum Kind führen. 18 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2. Weiser: Zum König. Ein großer König liegt vor uns. 3. Weiser: Wir sind am Ziel. (die drei beten an und bringen ihre Geschenke) Maria: Josef:

Wir danken euch sehr. Gott macht sich für uns so klein, damit wir zu ihm finden.

LIED „Wisst ihr noch, wie es geschehen“ (EG 52, 1–6) PREDIGT mit Mt 2,2: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Im Mai, im Oktober und Anfang Dezember, was für eine seltsame Geschichte um einen Stern und drei Weise, drei Magier, wie Könige gekleidet, aber mit dem Staub der Straße an den Füßen. Seltsam genug, dass Gott von allen missdeutbaren Dingen dieser Welt ausgerechnet die Sterne mal nicht lügen lässt und ihnen Bedeutung zumisst. Und dass drei Leute sich aufmachen und dem Stern folgen, ist verrückt genug. Wie soll man denn einem Stern folgen? Haben sie das schon mal versucht? Ganz so schlimm ist es ja nicht. Die Sterndeuter wussten schon, dass Jupiter der Königsstern ist. Und Saturn galt als der Schicksalsstern der Juden. Mars war eher ein Krieger, aber das ließ sich ja auch leicht auf einem mächtigen Herrscher deuten. Welcher mächtige Herrscher war kein großer Krieger? Na also. Also auf nach Israel. Und wo werden Könige geboren? Bestimmt im Königspalast. Dort regiert Herodes – und für einen König dieses unbedeutenden Landes ist es schon eine Ehre, wenn er sogar Herodes der Große genannt wird. Aber Herodes ist alt, seine Söhne träge und selber weder Väter von Kindern noch Väter des Volkes. Kein Wunder, dass Herodes vor Wut der Kragen platzt. An seinem Hof traut sich keiner, sich über ihn lustig zu machen. Immerhin, ein Hinweis aus der Bibel zeigt auch Herodes, dass es eine Gefahr gibt – aber er denkt, das schafft er schon alleine. Die Weisen bleiben weise und ziehen fort, folgen diesmal der Schrift – nur die Sterne allein bringen’s nicht. So kommen sie nach Bethlehem. 19 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Dort sind schon eine Menge andere: wütende Hirten, genervte Herbergsleute und Maria und Josef. Und wenn die Engel nicht gewesen wären, dann hätten sie nicht zueinander gefunden. Und schließlich die Weisen: als sie eintreffen, sind sie vom Mai zum Oktober schließlich doch noch im Dezember angekommen. Im Dezember kreuzen sich die Bahnen der Planeten zum dritten Mal, wie sich das trifft, genau zum Weihnachtsfest. Dass dieser Tag mal gefeiert wird, konnten die Weisen damals ja noch nicht ahnen, aber sie waren die ersten, die auf die Idee mit den Geschenken kamen. Auch wenn die eben für einen Prinzen gedacht waren. Aber jede Wette, ihr findet das gut. Wir haben mit diesem Spiel eher den Weg der Weisen beleuchtet, die anderen sind vielleicht etwas zu kurz gekommen. Aber einen Satz von Josef muss ich noch mal sagen, obwohl wir ihn alle laut und deutlich gehört haben: Gott macht sich für uns so klein, dass wir zu ihm finden. Genau das ist es. Da muss man erst mal hinkommen. Wer zur Krippe findet, ist bei Gott keine Randfigur mehr. Der hat Gott schon gefunden, in Jesus Christus, in einem kleinen Kind. Amen.

LIED „Komm, o mein Heiland Jesu Christ“ (EG 1, 5) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist zu uns gekommen. Als einer von uns, als einer von denen, die eben nichts zu sagen haben, die oft genug an dem verzweifeln, was um sie herum geschieht. Du kommst zu uns, in unser Leben. Du kommst in unsere Familien, in unsere Krankheiten, in alles, was das Leben bedrückt. Und Du kommst in unsere Freude – mit Deiner Freude. Du kommst, mit uns zu feiern. Du bist der Grund, warum wir feiern und uns freuen. Das wollen wir gerade in diesen Tagen nicht vergessen. Und Du vergisst uns nicht, ebenso wenig wie die, die uns am Herzen liegen. Danke. Amen. VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

20 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Kein Platz in Bethlehem

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED „Macht hoch die Tür“ (EG 1, 1+2+5) EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Er ist die rechte Freudensonn“ (Kanon EG 2) GEBET Herr Jesus Christus, nun wirke Du unter uns, Dein Wort gehe mit uns unter die Oberfläche des alltäglichen Feiern und reiche auch noch in die Tiefe, wo es uns anspricht, auch wenn uns nicht nach Feiern zumute ist. Gehe weiter mit uns, denn zu uns bist Du gekommen. Amen. LIED „Wir sagen euch an den lieben Advent“ (EG 17, 1–4) WEIHNACHTSSPIEL – KEIN PLATZ IN BETHLEHEM 1. Szene: Nazareth Herold:

Josef:

Alle mal herhören! Der Kaiser befiehlt eine Volkszählung! Jeder muss sich in Listen eintragen lassen. Es gilt der Geburtsort oder der Herkunftsort der Familie, nicht der Wohnort. Jeder hat sich sofort aufzumachen! Lang lebe der Kaiser! Was soll das? Der Weg nach Bethlehem ist viel zu weit. Und Maria ist schwanger. Wir können nicht gehen. 21 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Herold:

Befehl des Kaisers, tut mir leid.

(Josef geht ins Haus, wo Maria sitzt) Josef: Maria: Josef: Maria: Josef:

Der Kaiser will eine Volkszählung. Und wir müssen nach Bethlehem, weil dort meine Familie herkommt. Über zwei große Gebirge laufen? Jetzt? Wir haben keine andere Wahl. Hast du noch Verwandtschaft in Bethlehem? Eine ganze Menge. Hoffentlich kommen wir unter, wenn jetzt alle dort sind.

2. Szene: Bethlehem Maria: Josef: Mann: Josef:

Niemand will uns ein Zimmer geben. Alles überfüllt. Da vorne steht noch ein Haus. Ich werde anklopfen. (Klopft an) Was gibt’s? Hast du ein Zimmer für Maria und mich? Wir bekommen bald ein Kind.

(Frau hört, kommt an die Tür) Frau: Maria: Mann: Josef:

Im Haus ist kein Platz mehr. Aber im Stall nebenan könnt ihr schlafen. Danke, wir sind ganz erschöpft und brauchen dringend einen warmen Ort. Klopft einfach an, wenn ihr etwas braucht. Danke euch beiden!

3. Szene: Hirtenfeld bei Bethlehem

(Hirten singen oder spielen etwas, etwa „Wir sind ja nur Hirten“) 1. Hirte: Ist bei euch zuhause auch alles überfüllt? 2. Hirte: Die ganze Verwandtschaft ist da. Ich bin froh, dass ich heute Nacht hier auf dem Feld bin. 3. Hirte: Da hat man wenigstens seine Ruhe. 1. Hirte: Die Herde ist aber unruhig. 2. Hirte: Irgendetwas liegt in der Luft.

(Engel treten auf ) 3. Hirte: Schaut euch das an – ich glaub, ich träume! Engel: Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der 22 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Alle Engel: (gesungen oder gesprochen) Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!

(Engel ziehen sich zurück) 1. Hirte: 2. Hirte: 3. Hirte: 1. Hirte: 2. Hirte: 3. Hirte:

Ein Kind in der Krippe? Der Retter der Welt? Hier bei uns? Warum kommen die Engel ausgerechnet zu uns? Für uns ist er geboren, hat er gesagt. Nichts wie hin!

4. Szene: Jerusalem

LIED „Stern über Bethlehem“ (EG 546, 1) Hauptmann: Majestät! Herodes: Was ist los? Hauptmann: Drei ehrwürdige Herren sind draußen, vielleicht Könige, mit kostbaren Gewändern. Sie wünschen, Euch zu sprechen. Herodes: Herein mit ihnen. (Könige treten ein) 1. König: 2. König: 3. König: Herodes: 1. König: 2. König: 3. König: Herodes:

Glück und Segen dir, König Herodes! Glück und Segen dem neugeborenen König! Glück und Segen dem neuen Herrscher! Was sagt ihr da? Es gibt keinen neuen König, keinen neuen Herrscher. Ich bin hier der König. Wie kommt ihr dazu, solche Worte zu sagen? In unserer Heimat sahen wir den großen, hellen Stern. Das konnte nur bedeuten, dass ein großer König geboren sein muss. Wir sind dem Stern bis hierher gefolgt. Stern? König? He, Schriftgelehrter! Was sagen die alten Schriften über einen neuen König? Wo soll er geboren werden – wenn überhaupt?

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Schriftgelehrter: Wenn überhaupt, dann in Bethlehem, der Stadt des Königs David. Denn so heißt es beim Propheten Micha: Und du, Bethlehem, Efrata, die du klein bist unterst der Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel ein Herrscher sei. Herodes: Bethlehem, aha. Gut, ihr Herren, geht voraus nach Bethlehem. Sucht den neugeborenen König. Und wenn ihr ihn gefunden habt, lasst es mich wissen, damit ich auch kommen kann, um ihn anzubeten.

(Könige ab) Hauptmann! Hauptmann: Ja, Majestät? Herodes: Wir werden – handeln müssen. Behalte sie im Auge. Hauptmann: Zu Befehl! 5. Szene: Bethlehem. Stall

LIED „Mit den Hirten will ich gehen“ (EG 544, 1–2) 1. Hirte: Das ist der Stall. Und da – ein neugeborenes Kind. 2. Hirte: Der Engel schickt uns. 3. Hirte: Große Freude, hat er gesagt, für alle. Der Heiland, der Retter ist geboren. 1. Hirte: Und wir sind die ersten, die es hören.

(Könige kommen) 2. Hirte: Aber nicht die einzigen. 3. Hirte: Seht mal, wer da kommt.

(Könige treten ein) 1. König: 2. König: 3. König: 1. König: 2. König:

Hier steht der Stern überm Stall. Da ist auch der neugeborene König. Wir sind am Ziel. Gold – für den König der Welt. Weihrauch – denn Könige und Völker werden dich anbeten. 3. König: Myrrhe – zum Salben, denn Dein Weg hat erst begonnen. Maria: Wir danken euch, ihr edlen Herren – und euch Hirten. Josef: Aber nun erzählt, wie ihr hierher kamt. 24 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

(Hauptmann tritt ein) Hauptmann: Nicht jetzt. Herodes sucht den neugeborenen König. Er will ihn umbringen. In zwei Tagen schickt er seine Truppe hierher. Josef: Warum hilfst du uns, ein Römer? Hauptmann: Ich töte keine Kinder. Und erst recht nicht den Herrn, von dem der Schriftgelehrte sprach. 3. König: Mein Kind, so klein, wie du bist, bringst du die Herren dieser Welt schon durcheinander. Und das – wird so bleiben.

LIED „Mit den Weisen will ich gehen“ (EG 544, 3–5) PREDIGT mit Lk 2,11 Liebe Kinder, liebe Gemeinde, bleibt kaum Zeit, mal still zu sitzen – na, wenn das schon beim ersten Weihnachten dieser Weltgeschichte so war, wer kann dann heute noch ruhig sitzenbleiben. Kaum sind mal alle auf der Bühne, schon heißt es: keine ruhige Minute, Herodes will handeln, zack, zack, alles aufstehen und ab. Weihnachten macht ganz zappelig. Die das am besten wissen, sind immer noch die Hirten. Und die dürfen das auch voll und ganz. Maria und Josef schlurfen über die Gebirge nach Bethlehem und haben einen weiten Weg hinter sich, zu Fuß, versteht sich. Wenn’s sein muss, mit Esel. Aber trotzdem außer Puste. Die müssen erst mal Pause machen. Die Weisen kommen immer mit Kamelen, anders können wir uns das gar nicht vorstellen. Aber die haben dann ja noch einen weiten Weg vor sich. Herodes sitzt – aber er zappelt innerlich. Die anderen wohnen entweder dort oder schauen mal eben so vorbei. Bis auf die Hirten. Die haben die Flucht angetreten, sind froh, dass sie draußen sein können, weil zuhause alles überfüllt ist. Kein Wunder bei der Volkszählung. Wenn der Kaiser in Rom gewusst hätte, was er da angerichtet hat. Aber der hat auch nur dafür gesorgt, dass Josef und Maria zur rechten Zeit am richtigen Ort sind. Und nun stellt euch das mal vor: die ganze Verwandtschaft des Josef, die ja alle was mit dem König David zu tun haben, auf einem Haufen. Und keiner, der noch daran denkt, dass aus ihrer Familie doch noch mal jemand kommt, dessen Namen einen so großen Klang hat wie der König 25 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

David. Vielleicht erinnert ihr euch ja noch an unsere Kinderbibelwoche, die drehte sich ja um den König David. Und sie endete damit, dass aus dieser Familie – irgendwann – aber immerhin in Bethlehem ein neuer König geboren werden würde. Der Schriftgelehrte wusste das auch. Und der sagte das auch – aber mit dem bezeichnenden Satz: wenn überhaupt, dann aus Bethlehem. Genau. Wenn überhaupt. Herodes wusste das auch. Aber nun sah es so aus, als würde das „wenn überhaupt“ eintreten. Und schon kriegt Herodes das große Zappeln. Aber noch während er überlegt, was da zu tun ist, haben es die Hirten als erste erfahren, dass da etwas passiert ist, jawohl, direkt in Bethlehem, direkt vom Engel gehört. Große Freude, hat er gesagt. Nichts, was ihr bei euch behalten könnt, so etwa wie gesungen „Mit Maria will ich sinnen ganz verschwiegen und tief innen“ – das geht nicht. Große Freude ist wie ein aufgepumpter Luftballon: entweder geht alle Luft mit einem Knall nach draußen oder er zischt durch die Luft und überschlägt sich ein paar Mal (Demonstration gefällig?). Große Freude, hat er gesagt. Warum ausgerechnet den Hirten? Das haben die sich auch gefragt. Aber nicht lange. Sie fanden es schön, dass einer an sie denkt. Und dann gleich Gott. Und dass dann auch alles so kommt wie angesagt und nicht alles ein schöner Traum bleibt. Erkennungszeichen des Kindes soll sein: Futterkrippe. Alle anderen Kinder in Bethlehem haben ja ihre Wiege. Die hätte es in Nazareth für Jesus sicher auch gegeben. Aber so ein Ding mit auf der Reise? Nein, in Bethlehem wird nur ein Kind in der Krippe gelegen haben und das haben die Hirten auch gefunden. Und gemerkt: das Kind, was da geboren ist, ist kein Königskind wie die anderen. Das Kind kommt zu uns wie einer von uns. Wird nicht in goldene Deckchen eingewickelt, sondern macht schon bei der Geburt klar: ich komme zu euch, nicht zu den Großen, zu euch, Hirten, Männer und Frauen, Kinder, große und kleine. Für euch bin ich da. Amen.

LIED „Hört der Engel helle Lieder“ (EG 54, 1–3)

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FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, gehe mit uns in den Tag. Gehe mit uns in die Advents- und Weihnachtszeit. Es geht um Dich und wir feiern, dass Du kommst und gekommen bist. Sei bei denen, die sich in diesen Tagen besonders mit Schwermut plagen und die kalte, trübe und dunkle Jahreszeit nicht ertragen können, bei denen, die keinen Menschen bei sich haben und sich Sorgen machen. Bleibe auch bei denen, die in diesem Jahr ohne einen geliebten Menschen feiern müssen. Stelle das Leben unserer Getauften unter Deine Gnade. Wir bitten Dich auch für Deine ganze Gemeinde, hier und weltweit: zeige uns den Weg zu Dir in allen Nöten, wie groß sie auch sind. Denn weil Du zu uns gekommen bist, teilst Du auch unsere Not. Dich kann niemand aufhalten. Du bist bei uns. Amen. VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Kein Platz in Bethlehem (in Garbenheimer Platt)

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Nun jauchzet, all ihr Frommen“ (EG 9, 1–4) GEBET Herr, unser Gott, Du hast Dich verständlich gemacht, Du bist in unsere Welt gekommen, mit allen ihren Sprachen und Missverständnissen. Wir haben Dich nicht erwartet, schon gar nicht als ein Kind, das eine Sprache spricht, einer von uns wird, in einem Land fernab von uns aufwächst. Wir danken Dir, dass wir auch mit unseren Worten bekennen und loben können, dass Jesus Christus in unsere Welt, in unser Leben, in unser Reden hineingekommen ist. Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. FRAUENCHOR „Was soll es bedeuten“ (in Garbenheimer Platt) LESUNG Micha 5,1–4a GLAUBENSBEKENNTNIS

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WEIHNACHTSSPIEL IN DER FASSUNG IN GARBENHEIMER PLATT 1.Szene. Nazareth Herold:

Josef: Herold:

Hörd ema her! De Kaiser säät, mer solle e Volkszählung mache. Mer solle eus all in Liste intraache lasse. Do, wu mer gebore seu, orr wu euse Familie herkimmt. Mer solle eus spude. De Kaiser soll huchleewe. Was solln des? Des Pädche nach Bethlehem irs ze weid. Unn Maria kritt e Kind. Mir kenne net laafe. Es ersn Befehl vum Kaiser. Aich kann naut defirr.

(Josef geht ins Haus, wo Maria sitzt) Josef: Maria: Josef: Maria: Josef:

De Kaiser säät, mer solle e Volkszählung mache. Un mir müsse nach Bethlehem, weil do mei Familie herkimmt. Üwwer zwaa gruuse Berge müsse mer gieh? Un das etz? Eus bleibt naut annersch üwwerich. Soi noch welche von deiner Sipp in Bethlehem? En Hoffe Leu! Hoffenlich hunnse aach Platz fier eus, wennse all do sei.

LIED Wer klopfet an? (trad.) 2. Szene. Bethlehem Maria: Josef: Mann: Josef:

Koane will eus e Stubb gewwe. Es is alles voll. Hey vorne irs noch a Häusje. Aich werrn amol ookloppe. (Klopft an) (kommt) Wasn lous? Hott err a Stubb fier eus? Mei Fraa is schwanger. Es muß baal soweit soi.

(Die Frau des Mannes im Haus hört das und kommt zur Tür) Frau: Maria: Mann: Josef:

Es irs naut frei im Häusje. Awwer in de Scheuer irs noche Plädtzje frei. Danke, mir könne naut mi – un brauche nierich e warm Plädtzje. Kloppt ooh, wenn er was nierich habbt. Danke zesomme!

LIED Frauenchor: Kommet, ihr Hirten (EG 48, 1–3)

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3. Szene. Hirtenfeld bei Bethlehem 1. Hirte: Irs bei dahaam aach alles voll? 2. Hirte: Dey gans Bloas is hey. Aich soin fruh, dess aich haut noocht offm Feld soi. 3. Hirte: Do hott man wänigstens sei rouhw! 1. Hirte: Dey Viecher soi gans durch de Wind. 2. Hirte: Do lait ebbes irn de Luft. 3. Hirte: Guggt euch dessemo oo – aich glaabs net!

(Engel treten auf ) Engel:

Hott kei Engst, aich verzähl euch ebbes von gruuse Frait, dey soll fier alle gelde. Euse Heiland is hau geborn. Christus de Herr, ausm David seiner Stadt. Un dess erses Zeiche: dess ehr des Kearnt in Winneln gewiggelt find unn es lait inner Kripp.

(Engel ziehen sich zurück) 1. Hirte: 2. Hirte: 3. Hirte: 1. Hirte: 2. Hirte: 3. Hirte:

E Kearnd in de Kripp? Das soll euse Welt rette? Hey bai eus? Worim komme dey Engel ausgerechend ze eus? Fier eus irse geboarn, hott e gesaat. Nix wey hie!

LIED Frauenchor: Vom Himmel hoch (EG 24, 1–3) 4. Szene. Jerusalem Hauptmann: Majestät! Herodes: Wosn hey luus? Hauptmann: Draa huhe Herrn, aich glaawe, es soi Köniche or ebbes, dey hun schigge Klamotte oo unn wolle mit auch schwätze. Herodes: Losse roi. (Könige treten ein) 1. König: Guure, Könich Herodes! 2. König: Alles Guure fier de naue Könich! 3. König: Alles Guure fier de naue Herrschä! Herodes: Was hott er gesaat? Do irs kaan naue Könich un aach kaan naue Herrschä. Aich soin de Könich! Wey kemmt ihr dezu, su ebbes ze soa? 1. König: Wu mer herkomme, hun mer de helle Stern gesee. 2. König: Dos konnt blos heisse, dess en gruuse Könich geborn soi muss. 30 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

3. König: Mir sein dem Stern bis heiher nochgedappelt. Herodes: Stern? Könich? Schriftgelehrte! Was saache die aale Bicher üwwern naue Könich? Wu soll der herkomme – wenn üwwerhaupt? Schriftgelehrter: Wenn üwwerhaupt, in Bethlehem, dey Stadt vom Könich David. So stitts beim Prophete Micha geschribbe: Un du, Bethlehem, Efrata, dey klei Städtsche in Juda, aus dir soll mer der komme, welcher der Herrschä von Israel soi soll. Herodes: Bethlehem, aha. Gout. Geht schon emol fier noch Bethlehem un guckt emo nochem naugeborene Könich. Un wenn irn gefunde hott, saat mer Bescheid, dass aich aach komme kann, um en ozubeere.

(Könige ab) Hauptmann! Hauptmann: Jo, was irsn, Majestät? Herodes: Mir müsse was dou. Bass off se off. Hauptmann: Wey de maanst. 5. Szene. Bethlehem. Stall 1. Hirte: Gugge mo hey de Stall. Do lait e naugeborn Kearnd. 2. Hirte: De Engel schiggt eus. 3. Hirte: Der hott gesoot mer solle eus all freue. De Heiland, euse Retter is doo. 1. Hirte: Un mir sein de Erschte, dey es hirn. 2. Hirte: (schaut zu den Königen herüber) Awwer mir sein net dey Oanzichste. 3. Hirte: Guggtdemo, wer do kimmt.

(Könige treten ein) 1. König: 2. König: 3. König: 1. König: 2. König: 3. König: Maria: Josef:

Hey stitt de Stern üwwerm Stall. Do irs aach de naugeborne Könich. Mir sein do. Gold – fier de Könich von de Welt! Weihrauch – weil Köniche un Völke dich anbeere wern. Myrrhe – zum sallwe, weil ma am Ofang vom Weech sei. Mir danke euch, ihr goure Herrn un aach euch Hirde. Awwer saade mo wey ihr heiher gekomme seid.

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(Hauptmann tritt ein) Hauptmann: Awwer net ewei. Herodes guggt nochem naugeborne Könich. Der willn kalt mache. Irn zwaa Doog schiggt der sei Truppe heiher. Josef: Worim hilfs du eus? Dou seist dochn Römer! Hauptmann: Aich bring key Kinner imm. Un schu goar nit den, von dem de Schriftgelehrtde geschwätzt hat. 3. König: Mei Kearnd, dau seist so kloa awwer du mechst dey gruuse Herrn vo de Welt ganz schie dorchenaa. Un des wird so bleiwe. Basta.

LIED (Frauenchor mit Männergesangverein): Hört der Engel helle Lieder PREDIGT mit Mt 2,2: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Alles eine Frage der richtigen Sprache. Die Könige aus dem fernen Osten, die in der Tradition der Ausschmückung zu einem Asiaten, einem Europäer und einem Afrikaner geworden sind, diese Könige konnten sich doch nur auf dem Umweg der Sterne miteinander verständigen. Allen anderen, selbst Herodes, muss man es anders sagen. Darum haben wir dieses Weihnachtsspiel mal auf Garbenheimer Platt gewagt. Eine Sprache, die fast alle lernen mussten, um dieses Spiel zu spielen. Viele von ihnen haben diese Sprache nicht lernen müssen, sondern sprechen sie schon von Kind an. Wir nicht. Aber was wäre, wenn wir nicht davon ausgehen könnten, dass sie verstehen, was wir sagen? Wir müssten eine Sprache finden, die sie verstehen. So hat es Gott auch getan. Die Weisen sahen etwas am Himmel und dachten: seltsam. Der Königstern Jupiter, dann Saturn, der Stern der Juden, und auch der Mars: da wird den Juden ein großer König geboren, kämpferisch dazu. Und die Hirten? Die wussten nichts von den Sternen. Da braucht es schon Engel, um die Naturburschen aus dem Schlaf zu reißen und sie zum Stall zu bringen. Und der Hauptmann? Der hatte dem Schriftgelehrten zugehört. Wenn dort der König der Welt geboren wird, dann hat der König in Jerusalem ausgespielt. Dann kann er die Seiten 32 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

wechseln. Wer will schon auf der Seite des Verlierers stehen, zumal wenn klar ist, wie der Verlierer handeln wird? Die Könige, die Hirten, der Hauptmann, sie alle haben verstanden, um was es geht. Und diejenigen, die schreiben konnten, haben es aufgeschrieben, in Aramäisch, in Griechisch, je nachdem, wen sie erreichen wollten. Und andere sind ihnen gefolgt, haben diese Geschichte weiter übersetzt, so dass die Bibel das am häufigsten abgeschriebene und übersetzte Buch überhaupt ist. Und irgendwann kam sie nach Deutschland, was damals noch kein Deutschland war und wo unsere Vorfahren wohnten. Die wenigsten mit ausreichend Lateinkenntnissen, um zu verstehen, um was es geht. Da mussten dann Bilder herhalten. Oder seit Luther eben wieder die deutsche Sprache, gesprochen wohl viel sächselnder als wir das für möglich halten würden. Aber irgendwann hat es auch die Garbenheimer erreicht. Hoffentlich so, dass sie es verstehen konnten. Vielleicht so, wie sie es am besten verstehen. Zum Beispiel so wie eben. Wo die Weihnachtsbotschaft zwischen aich glaabs net und nix wie hie ankommt. Und wo die Engel eben auch den hiesigen Dialekt sprechen müssen, um verstanden zu werden. Denn erst dann, wenn diese Geschichte unsere Sprache spricht – dann verstehen wir, dass in Jesus Christus Gott zur Welt kommt, auch in unsere Welt zwischen Berg- und Sudetenstraße, zwischen Kreisstraße und Ritterkaut, zwischen Bahnhofstraße und Talsweg, zwischen Friedhofsweg und Blumenstraße. Fir eus. Amen.

LIED „Komm, o mein Heiland Jesu Christ“ (EG 1, 5) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist zu uns gekommen. Als einer von uns, als einer von denen, die eben nichts zu sagen haben, die oft genug an dem verzweifeln, was um sie herum geschieht. Du kommst zu uns, in unser Leben. Du kommst in unsere Familien, in unsere Krankheiten, in alles, was das Leben bedrückt. Und Du kommst in unsere Freude – mit Deiner Freude. Du kommst, mit uns zu feiern. Du bist der Grund, warum wir feiern und uns freuen. Das wollen wir gerade in diesen Tagen nicht vergessen. Und Du vergisst uns nicht, ebenso wenig wie die, die uns am Herzen liegen. Dafür danken wir Dir. Amen.

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VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Fünf Weihnachtsmänner und die Geschichte dahinter

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „O komm, o komm, du Morgenstern“ (EG 19, 1–3) GEBET Herr Jesus Christus, Du bist in diese Welt gekommnen und andere haben uns von Dir erzählt. Wir danken Dir für alles, was wir nachlesen können, was uns andere lebendig von Dir weitergegeben haben. Wir danken für alle, die sich schon vor uns Gedanken gemacht haben, wie die, die nach uns kommen, die wunderbare Geschichte von Deinem Kommen hören sollen. Du bist der Herr, auch unseres Lebens und Redens. Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Mi 5,1–4 GLAUBENSBEKENNTNIS WEIHNACHTSSPIEL – FÜNF WEIHNACHTSMÄNNER UND DIE GESCHICHTE DAHINTER Szenerie: Stadt. Tisch. Dahinter Beamter. 1. Enkel: Oma, warum gibt es eigentlich fünf Weihnachtsmänner? Oma: Fünf??? Kind, hast du Halluzinationen? Wirst du langsam alt? 35 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2. Enkel: Überall in der Stadt stehen sie und verteilen Süßigkeiten. Oma: Es wird immer schlimmer. Bald weiß vor lauter Einkaufen und Plätzchenessen keiner mehr, was Weihnachten bedeutet. 1. Enkel: Was bedeutet Weihnachten denn? Oma: Nana, das weißt du doch! 2. Enkel: Bitte, Oma, erzähl doch noch mal, du kannst das so gut. Oma: Na gut, setzt euch hin. (Enkel setzen sich) Alles begann mit dem Geld – wie heute. Der Kaiser in Rom wollte wissen, wie viel Steuern er seinen Untertanen abnehmen könnte. Aber wie viel Menschen waren das? Es gab ja kein Einwohnermeldeamt oder ein Stadtteilbüro, so wie heute. Viele Leute waren ständig unterwegs, reisten von Ort zu Ort. Wo sollen sie sich in die Listen eintragen lassen? Also machte er ein Gesetz: an dem Ort, wo sie geboren sind, sollten sich die Leute eintragen lassen. 1. Enkel: Das muss eine schöne Fahrerei gewesen sein. Ich müsste nur nach Wetzlar, das ist ein kurzer Weg. Oma: Damals mussten die Kinder mit ihren Eltern gehen, Frauen mit ihren Männern. Und weil sich keiner drücken durfte, brachen die Leute alle verärgert auf. Auch Josef und seine Verlobte Maria. Und Maria war schwanger. Kein guter Zeitpunkt, um über hundert Kilometer zu Fuß zu gehen, vielleicht höchstens mit einem Esel. Immer bergauf und bergab. 2. Enkel: Ich wäre ganz schön sauer auf die Römer mit ihrem Gesetz. Oma: Das waren alle. Schließlich kamen sie in Bethlehem an. Maria und Josef vor dem Tisch, dahinter der Beamte. Säulen. Beamter: Josef: Beamter: Josef: Beamter:

Name, Alter, Adresse … Josef. Und hier meine Verlobte Maria. Aus Nazareth. Und warum seid ihr dann hier in Bethlehem? Mein Vorfahr war der König David. Noch einer! Hier kommen ständig Leute, die das behaupten. „Mein Vorfahr war der große König David.“ (schreibt die Namen auf ) Ist gut, ihr könnt wieder nach Hause gehen.

Szenerie wechselt, Säulen abnehmen. Stadt. Maria und Josef gehen wieder. 36 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Oma:

Und dafür die lange Reise! Aber Maria konnte nun nicht mehr. So suchten sie nach einem Zimmer, wo sie bleiben konnten. Aber Bethlehem ist nicht Wetzlar, es ist ein kleiner Ort, vielleicht ein kleiner Gasthof, vielleicht ein paar Zimmer. Und schließlich hatte Josef ja Verwandte am Ort. Aber die hatten alle Häuser voll, schließlich waren ja alle da. Irgendwann klopfte Josef noch an eine Tür.

Josef klopft an. Wirt: Josef: Wirt: Maria: Wirt: Josef:

Was gibt’s? Gibt’s noch ein Zimmer? Seid ihr blind? Habt ihr nicht gesehen, was hier los ist? Alles voll, selbst den Ziegelstall hab’ ich vermietet! Wir erwarten ein Kind, wir brauchen dringend einen Raum! Oh. Hm. Naja … der Kuhstall wäre noch frei. Gleich dahinten (zeigt in irgendeine Richtung). Danke.

Sie gehen weiter. Szenerie wechselt: Sternenhimmel. Oma:

Sie gingen in den Stall. Und in dieser Nacht wird ihr Kind geboren, was sie Jesus nennen. Sie legen das Kind in eine Futterkrippe, weil sonst kein Platz da ist. Ganz arm und unbemerkt kommt das Kind auf die Welt. 1. Enkel: Versteh’ ich nicht. Wenn ich Gott wäre, hätte ich für meinen Sohn einen besseren Platz ausgesucht als den Stall. 2. Enkel: Oma, du hast was vergessen. Da waren doch noch Hirten und Engel. Oma: Das will ich ja gerade erzählen. In der Nacht geschieht noch etwas Wunderbares. Gott schickt seine Engel, und die berichten den Hirten, was geschehen ist. Die Hirten waren wie üblich nachts auf der Weide und passten auf die Schafe auf.

Hirten treten auf. 1. Hirte: (streckt sich und gähnt) Legt euch schon mal hin, ich übernehme die erste Wache. 2. Hirte: Pass auf den bösen Wolf auf. (legt sich hin)

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3. Hirte: Witzbold. Wir machen jetzt weiter mit Schäfchen zählen. (legt sich auch hin)

Der 1. Hirte schaut sich nach allen Richtungen um, schürt ein nicht vorhandenes Feuer und gähnt immer wieder, bis ihm der Mund vor Staunen offen bleibt. 1. Hirte: He ihr, wacht auf, da stimmt was nicht. 2. Hirte: Es wird auf einmal so hell! 3. Hirte: Was ist denn nun schon wieder los?

Engel treten auf. Engel:

Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

Engel singen „Vom Himmel hoch, da komm ich her“(EG 24, 1–2). Sie entfernen sich wieder. 1. Hirte: Und jetzt? 2. Hirte: Sofort ab nach Bethlehem. Das will ich sehen! 3. Hirte: Und die Schafe – ach, auf die passt Gott schon auf! Szenerie wechselt zur „Stadt“, gleiche Kulisse wie am Anfang. Hirten ab. Oma:

Aber die Hirten waren nicht die einzigen, die von dem neugeborenen König hörten.

Könige marschieren auf Herodes zu. Oma:

Könige oder Sterndeuter, jedenfalls sehr weise und reiche Leute kamen aus fernen Ländern, sie hatten einen sehr hellen und großen Stern gesehen. „Das muss ein Zeichen Gottes sein“, dachten sie. „Ein großer König wurde geboren.“ Sie folgten dem Stern bis nach Jerusalem, der Hauptstadt, gingen in den Palast des Königs Herodes. Sie erzählten ihm, dass ein neuer König geboren sein müsste.

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Herodes: Waaaas??? Oma:

Herodes war sehr erschrocken. Er hatte kein neugeborenes Kind. Welcher König war da bei ihm geboren worden, der nicht aus seinem Haus stammt? Aber er sagte den drei Gästen, sie sollten ihm Bescheid geben, wenn sie den König gefunden hätten.

Könige ziehen wieder ab, marschieren einmal durch die Kirche. Szenerie wechselt: Stall. Maria, Josef, Hirten und Engel bereits anwesend. 1. König: Herodes war ganz schön sauer. Irgendetwas stimmt da nicht. 2. König: Schau doch, der Stern bleibt über dem Stall stehen? 3. König: In einem Stall soll ein König geboren sein?

Könige gehen in den Stall, treffen dort auf Maria, Josef und die Hirten. Oma:

Sie waren auch am Ziel einer langen Reise. Sie fielen nieder, wie es die Menschen nur vor Gott tun und packten ihre Geschenke aus: Gold, Weihrauch und Myrrhen. Hirten und Könige hatten Jesus gefunden, weil sie dem Wort des Engels geglaubt hatten oder dem Zeichen des Sternes folgten. Aber leider wollte noch einer Jesus finden – aber nicht, um ihn anzubeten.

Bote tritt auf. Bote:

Schnell, verschwindet von hier. Herodes sucht das Kind. Ihr seid hier nicht mehr sicher.

Bote tritt ab. Oma:

Noch am selben Tag mussten sie aufbrechen und fliehen. Die Hirten gingen sehr froh in die Stadt und erzählten jedem, was sie gehört und gesehen hatten. Auch die Könige zogen glücklich in ihr Land zurück, nachdem sie Gottes Sohn gefunden hatten. Aus dem Kind in der Krippe wurde der Mann am Kreuz, der Retter der Welt. Das hatten die Engel schon den Hirten gesagt, dass er der Retter werden wird. Das bedeutet Weihnachten. Gott schickt uns seinen Sohn, seinen Retter für uns.

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LIED (Kindergottesdienstkinder) „Ihr Kinderlein, kommet“ (EG 43, 1–3) PREDIGT mit Lk 2,10: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.“

Oma hat recht. Gott schickt uns seinen Sohn, seinen Retter für uns. Und die Enkel haben recht. Wie sollen wir uns noch zurechtfinden, wenn Weihnachten mit Süßigkeiten zugepflastert wird, wenn das Licht der Welt im Konkurrenzkampf der Halogenscheinwerfer und Bombastboliden der Weihnachtsbeleuchtung untergeht, wenn das „volle GlitziBlitzi“3 entbrennt und selbst der „Spiegel“ mit flammenden Worten schreibt, dass „deutsche Weihnacht“ noch nie „so viele Lichtjahre vom dunklen Stall in Bethlehem entfernt“ war „wie in diesem Dezember“4, wenn die Weihnachtsmänner im Dress einer bekannten Getränkefirma die Straße bevölkern und bei Umfragen im Fernsehen nur jeder fünfte weiß, was eigentlich hinter Weihnachten steckt? Offen gestanden: ich habe sie so satt, all diese Geschichten um Weihnachten, in denen Weihnachten nicht vorkommt, alle Filme um Weihnachten, wo es um alles, nur um das eine nicht geht, und auch um das ganze Getue, was um dieses Fest gemacht wird. Und weiß nicht, wann da ein Umdenken einsetzt. Wenn auch der letzte unter uns sein Weihnachtsgeld gestrichen bekommen hat, wenn es den Omas an die Rente geht oder der Einzelhandel schließt, weil die Multis alle kaputtgemacht haben? Wenn auch das letzte Kind nicht mal mehr das Gesicht verzieht, wenn es die nächste Tüte mit Süßigkeiten bekommt und ich einen Anruf bekomme mit der Frage: „Weißt du, wohin mit dem ganzen Zeug? Ich habe einen Kofferraum voll Schokolade, den unsere Kinder gar nicht mehr wollen!“ Keine Ahnung, ob wir satt sind von der Weihnachtsbotschaft, die Enkel in unserem Spiel waren es offenkundig nicht. Gut so. Und das liegt nicht nur daran, dass wir nun mal gerne spielen und uns verkleiden, sondern auch, weil wir uns

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DER SPIEGEL 49/2003, 1.12.2003, 63. Ebd. 60.

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gegenseitig den Rücken stärken müssen, dass diese Geschichte weitergegeben wird, damit die Umfragen im Fernsehen demnächst besser werden, dass die Kinder und die Großen, vor allem die Großen, lernen, das Wichtige vom weniger wichtigen zu unterscheiden und wir unsere Süßigkeiten mit dem Bewusstsein essen, dass Wohlstand eine Verpflichtung für die Not anderer ist. Und trotz allem: wenn die Geschichte von Weihnachten nicht weitererzählt wird, dann nützt sie gar nichts. Die Engel waren die ersten, dann die Hirten, dann die Könige. Und was sagten die Engel? „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.“ Um die große Freude geht es. Dass die bleibt. Und gekommen ist, mit Jesus Christus. Ja, dass diese große Freude gebunden ist an Jesus Christus – und dass diese Freude bleibt. Die Geschenke lassen sich auf- und abarbeiten, meist schon in den letzten Tagen des Jahres. Und von den Geschenken kriegen Kinder nie genug. Wir auch nicht, vielleicht. Und trotzdem: diese Geschenke tragen nicht durch Weihnachten, nicht durch Einsamkeit, nicht durch Leiden, nicht durch Krankheit, nicht durch die Sticheleien von Mitschülern, was auch immer. Jesus Christus ist es, der trägt und hält. Amen.

FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist zu uns gekommen. Als einer von uns, als einer von denen, die eben nichts zu sagen haben, die oft genug an dem verzweifeln, was um sie herum geschieht. Du kommst zu uns, in unser Leben. Du kommst in unsere Familien, in unsere Krankheiten, in alles, was das Leben bedrückt. Und Du kommst in unsere Freude – mit Deiner Freude. Du kommst, mit uns zu feiern. Du bist der Grund, warum wir feiern und uns freuen. Das wollen wir gerade in diesen Tagen nicht vergessen. Und Du vergisst uns nicht, ebenso wenig wie die, die uns am Herzen liegen. Dafür danken wir Dir. Amen. VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Zwei Evangelisten – zwei Weihnachtsgeschichten

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Wie soll ich dich empfangen“ (EG 11, 1–4) GEBET Herr Jesus Christus, wir haben das Wort von Deiner Geburt, wir sind dankbar dafür, dass andere es uns überliefert haben, dass wir in unserer Sprache davon leben, hören und weitergeben können, was es uns bedeutet, dass Du als Kind in diese Welt gekommen bist. Schenke Deinen Heiligen Geist, dass wir es verstehen und uns daran freuen, dass Du in unsere Welt gekommen bist. Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Mi 5,1–4 GLAUBENSBEKENNTNIS WEIHNACHTSSPIEL – ZWEI EVANGELISTEN – ZWEI WEIHNACHTSGESHICHTEN 1. Szene. Straße Lukas:

Gestatten: Lukas. Genau. Der Lukas. Historiker, Begleiter des Paulus. Einige meiner Freunde sind mit Jesus durch Israel gezogen, andere Freunde wissen nicht mal, wo

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das liegt. Also reise ich noch mal nach Israel, um für meinen guten Freund Theophilus alles aufzuschreiben, was wichtig ist. Da muss man ganz vorne anfangen, bei der Weihnachtsgeschichte.

(macht Platz für den Herold) Herold:

Im Namen des Augustus, des Kaisers von Rom ergeht hiermit der Befehl zur Volkszählung. Jeder Mann muss sich am Ort seiner Geburt in Steuerlisten eintragen lassen. Frauen und Kinder reisen mit.

(tritt ab) Lukas:

Typisch. Es geht nur ums Geld. Und was Augustus in Rom beschließt, hat Folgen für das ganze Reich. Hier sehen wir zwei, die sich auf den Weg machen.

(Josef und Maria gehen auf der Straße) Josef: Maria: Josef:

Komm, Maria, es ist nicht mehr weit bis Bethlehem. Aber lass uns vorher eine Rast einlegen, damit wir unsere Butterbrote essen können. Hast du nicht irgendetwas Frisches eingepackt, saure Gürkchen oder Obst? Ich hätte einem griechischen Händler ein paar Erdbeeren abkaufen können, aber zu einem Wucherpreis!

(Lukas tritt vor die Szene) Lukas:

Das sind Maria und Josef, die Eltern Jesu – obwohl, na ja, Maria hat mir noch ein paar Einzelheiten erzählt, die ich mal aufgeschrieben habe für später. Jedenfalls kommen sie nun nach Bethlehem. (tritt ab)

(Mann und Frau stellen sich an die „Türen“) Mann: Josef: Mann: Maria: Frau: Maria: Frau:

(unfreundlich) Was sucht ihr so spät noch auf der Straße? Seid ihr nicht von hier? Ich bin hier geboren, ich heiße Josef. Der jetzt in Nazareth wohnt? Ja, dich kenne ich doch. Du warst lange nicht mehr hier. Wir suchen einen Platz zum Schlafen. Ganz schlecht. Wir haben nicht mal Platz für einen von euch. Aber wir sind bald zu dritt! Wir wohnen hier zu Zehnt! Das ist jetzt überall so. Aber geht dahinten hin, in Davids Stall, so heißt der bei 43 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

uns, da ist es warm. Gebt Bescheid, wenn ich euch helfen kann. Kateridee, so ’ne Volkszählung …

Mann:

(Lukas tritt wieder vor die Szene) Also, so hätte ich das nie erzählt. Egal, weiter. Es geht in den Stall. Die Leute hier in Bethlehem können sich noch gut an dieses Jahr erinnern (blättert in seinen Notizen), – aber es war für die meisten ein trauriges Jahr. So, das nächste weiß ich von den Schafhirten. Wir sollten mal aufs Feld gehen.

Lukas:

LIED „Kommet ihr Hirten“ (EG 48, 1–3) 2. Szene. Hirtenfeld (Hirten spielen mit Ähren „Streichhölzchenziehen“) 1. Hirte: Haha, verloren. Du hast die erste Nachtwache. 2. Hirte: Bei Glücksspielen habe ich immer Pech! 3. Hirte: (legt die Hand ans Ohr) Hört mal! War da nicht was? Die Tiere sind so unruhig! 1. Hirte: (schüttelt den Kopf ) Liegt noch nicht mal flach und träumt schon! 2. Hirte: Also, wenn der Wolf ausgerechnet in meiner Nachtwache kommt, werd ich zum Tier! 3. Hirte: (zeigt zu den Engeln) Und was ist das??

(Engel treten auf ) Engel:

Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Alle Engel: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!

(Engel ab) 1. Hirte: Der Heiland, der Retter? 2. Hirte: Heute geboren? Uns? 3. Hirte: Hier in Bethlehem?

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1. Hirte: Wenn wir jetzt in Bethlehem nachfragen – wer wird uns das glauben? 2. Hirte: Ich will aber wissen, was da los ist. 3. Hirte: Wir werden es finden, hat er gesagt.

LIED „Mit den Hirten will ich gehen“ (EG 544, 1–5) 3. Szene. Stall Josef: Maria: Josef:

Endlich Ruhe. Die Frau war aber auch so was von nervig. Ich bin fix und fertig! Wer strolcht denn da draußen rum?

(Hirten kommen zögernd in den Stall) 1. Hirte: Maria: 2. Hirte: 3. Hirte:

Entschuldigt mal, habt ihr gerade ein Kind bekommen? Das alte Waschweib hat wohl geplaudert! Eigentlich war es ein Engel … Vom Retter hat er gesprochen, heute hier geboren!

(Lukas tritt vor die Szene, Maria und Josef sprechen weiter mit den Hirten, freilich stumm, aber sehr erstaunt) Lukas:

Maria und Josef staunten nicht schlecht. So sollte es aber kommen. Von wegen kaiserliches Gebot. Gott hat dafür gesorgt, dass Jesus Christus in Bethlehem geboren wird, in dem Heimatort des großen Königs David. Die Hirten haben mir erzählt, dass sie danach durch alle Straßen gingen und jedem erzählten, was passiert war (blättert in seinen Notizen). Ja, das haben ziemlich viele gesagt. Mitten in der Nacht. Mit großer Freude. Das ist die Weihnachtsgeschichte.

(Matthäus tritt urplötzlich auf ) Matthäus: Moment mal! Lukas: Matthäus? Was suchst du denn hier? Matthäus: Du bist nicht der einzige, der gründlich nachforscht. Bis nach Bethlehem bin ich auch gekommen, wie du siehst. Aber ich komme aus Jerusalem, davon weißt du noch gar nichts. Ich nehme dich mal mit in den Palast. Lukas: Wessen Palast? Matthäus: Den Königspalast!

LIED „Stern über Bethlehem“ (EG 546, 1–4) 45 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

4. Szene. Königspalast in Jerusalem

(Matthäus und Lukas vor der Szene, Herodes und die Weisen haben bereits ihre Plätze eingenommen) Matthäus: Lukas: Matthäus: Lukas: Matthäus: Lukas:

Siehst du, wir wären fast zu spät gekommen. Kennst du einen von denen? Der Unsympath in der Mitte ist Herodes. Ach ja, stimmt. Und die anderen kommen von weit her, sieht man an der Kleidung. Sei still, sie reden!

(Sie verlassen die Szenerie, bleiben aber nah dran) 1. Weiser: (mit der notierten Betonung) König Herodes wir danken, dass ihr uns so spät noch empfangt. Matthäus: (mit erhobenem Zeigefinger) Das ist ein Alexandriner! Lukas: Scht! 2. Weiser: Ein Stern, so hell wie das Leuchten der Edelsteine kündigte die Geburt eines hohen Herrschers an. 3. Weiser: Der Stern führte unseren Weg nach Jerusalem. Wurde euch ein Sohn und Thronfolger geboren? Herodes: Ja, aber schon vor Jahren, alles Spitzbuben, die erben wollen, bevor ich abtrete. Was ihr da sagt, ist ungeheuerlich.

(zum Schriftgelehrten gewandt) He, Schriftgelehrter, wofür bezahle ich dich? Kannst du etwas mit einem neuen König anfangen? Schriftgelehrter: Majestät, mit Verlaub, ja. Aber er soll in Bethlehem geboren werden, nicht hier, es heißt im Propheten Micha: „Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist. Herodes: Bethlehem, wieder mal das Davidskaff.

(zu den Weisen) Ihr edlen Herren, euer Weg führt euch nach Bethlehem. Mein Personal wird euch zeigen, wo das liegt. Auf dem Rückweg hätte ich gerne eure Gesellschaft. So hohen, weisen, ja königlichen Besuch gibt es hier selten. Wann passiert in Jerusalem schon mal was Aufregendes? 46 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

(Matthäus und Lukas treten vor die Szene) Matthäus: Siehst du, die reiten schnurstracks nach Bethlehem. (in seinen Notizen blätternd) Meine Quellen wissen gar Lukas: nichts darüber. Matthäus: Gut, dass du auch mal was nicht weißt.

LIED Vor langer Zeit in Bethlehem („Marys Boychild“) 5. Szene. Stall

(Matthäus und Lukas seitlich, ohne die Szene zu verdecken) Josef: Schon wieder Besuch! Maria: In Nazareth hätten wir Ruhe … 1. Weiser: (mit der entsprechenden Betonung) Edle Eltern, wir kommen das neugeborene Kind zu sehn. Matthäus: (mit erhobenem Zeigefinger) Das ist ein – Lukas: (genervt) Ich weiß! 2. Weiser: Wir kommen, den Herrn der Welt anzubeten. 3. Weiser: Wir bringen königliche Geschenke, Gold –

(1. Weiser legt Gold hin) Weihrauch –

(2. Weiser legt Weihrauch hin) und Myrrhe.

(er legt Myrrhe hin) Lukas:

Myrrhe? Zu Einbalsamieren der Toten? Jetzt – bei der Geburt? Matthäus: Klar, weißt du denn nicht mehr? Zum Begräbnis Jesu! Lukas: Was hat das Begräbnis Jesu mit seiner Geburt zu tun? Matthäus: Der Tod ist wie seine Herrschaft von Anfang an dabei, hör nur … Bote: Schnell fort, Herodes ist dem Kind auf der Spur. Und ihr (zu den Weisen) solltet auch verschwinden! Lukas: (wild gestikulierend bis zum Schluss) Was denn, so endet deine Geschichte? Große Freude, das ist das Thema der Geburt! Matthäus: (ebenfalls mit den Händen redend, bis zum Schluss) Das ist ja auch nicht das Ende, das geht doch weiter. Jesus kommt zu den Menschen, das gehört dazu. Lukas: (Hinzeigen) Und Leute, die davon weitererzählen. 47 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Matthäus: (Hinzeigen) Und es nachspielen. Lukas: (aufeinander zeigen) Und das aufschreiben. Matthäus: (zu den Zuschauern und Zuhörern) Und solche, die es hören!

LIED (Kindergottesdienstkinder) „Ihr Kinderlein, kommet“ (EG 43, 1–3) PREDIGT mit Lk 2,1–20 und Mt 2,1–12 Liebe Gemeinde, stimmt genau, was Lukas und Matthäus da eben gesagt haben: Jesus kommt zu den Menschen, das gehört dazu. Und Leute, die davon weitererzählen. Und es nachspielen. Und das aufschreiben. Und solche, die es hören! Ohne Lukas und Matthäus kein Weihnachten. Wie das und warum das? Weil die beiden, Matthäus und Lukas, die zwei maßgeblichen Weihnachtsgeschichten aufgeschrieben haben, die seither in unzähligen Varianten durch die Krippenspiele geistern, wenn sie denn Krippenspiele sein wollen. Weitererzählen von Weihnachten. Das ist eine Geschichte, die erzählt werden will! Das Evangelium, sagte Martin Luther einmal, muss erzählt werden, gehört werden. Nichts anderes machen wir hier Jahr für Jahr – wie all die Jahre davor. Erzählen, spielen. Nicht erst warten, bis man es selbst lesen kann. Klar, wir erzählen davon. Warum? Weil es so unerhört wichtig ist, zu wissen, wer da geboren ist. Lukas erzählt5, dass der Retter in der Stadt Davids geboren ist. Ein König in der Stadt Davids! Und Hirten, Hirten wie David selber einer war, finden ihn dort als erste! Und Matthäus erzählt, dass es die Heiden sind, Könige oder Weise aus einem fremden Land, die geleitet von einem fragwürdigen Stern alles eher wissen als ganz Jerusalem (Mt 2,2f), als die Leute des Herodes oder Herodes selbst. Der muss erst den Schriftgelehrten fragen, da kommt allerdings prompt die Antwort: nicht Jerusalem, sondern Bethlehem, das Davidskaff, wie Herodes verächtlich sagt. Eben nicht seine Stadt. Gott handelt an den Hauptpersonen der weltlichen Geschichte vorbei. So bleibt ganz Jerusalem auf – pardon! – seinem Hintern sitzen und übersieht

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Vgl. Jürgen Roloff, Die Kirche im Neuen Testament (NTD Erg. 10), Göttingen 1993, 149.193.

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absichtlich den Retter Israels und der ganzen Welt. Nur die fremden Könige beten ihn an. Ach, sie meinen, das weiß doch jeder? Von wegen. Wenn sich die beiden geschätzten Evangelisten nicht dran gemacht hätten, nachzuforschen, wie alles anfing, dann wüssten wir von einem Mann, der gekreuzigt und auferstanden ist, aber mehr auch nicht. Einer muss es ja aufschreiben. Nein, mehrere. Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Nur, dass Markus und Johannes nichts über Bethlehem wissen. Oder wenigstens nichts aufschreiben. Ich bin ganz froh, dass Lukas sich aufmachte. Der schreibt schon im Vorwort vom Evangelium, er habe Augenzeugen befragt. Hirten bestimmt und Maria auch. Die müssen es ja wissen. Einige werden sicher längst tot gewesen sein, sind ja auch schon ein paar Jahre vergangen. Aber Matthäus hat auch gewusst, wo er nachfragen musste. Hat er seine Informanten im Königspalast gehabt? Oder war einer der Weisen sehr gesprächig? Wir wissen es nicht. Wir haben uns heute angewöhnt, beide Geschichten mehr oder weniger ineinander zu lesen. Recht so. In der Zusammenschau ergibt sich das große Bild. Aber wir lesen auch die Evangelien einzeln und sehen, was Lukas und was Matthäus allein geschrieben haben. Auch richtig, für die Einzelheiten und für den großen Atem. Damit wir sehen, dass es um die Freude geht, die große Freude – und auch um den Hinweis, dass das Kind in der Krippe niemand anderes ist als der Mann am Kreuz. Beides gehört zusammen. Jetzt müssen wir nur noch den Empfehlungen von Matthäus und Lukas folgen – und hören. Ihr habt es nachgespielt, die beiden haben es aufgeschrieben. Und nun sind wir dran. Hören, wer da geboren ist. Jesus Christus, der Herr der Welt. Amen.

LIED „Tochter Zion“ (EG 13, 1–3) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist zu uns gekommen. Als einer von uns, als einer von denen, die eben nichts zu sagen haben, die oft genug an dem verzweifeln, was um sie herum geschieht. Du kommst zu uns, in unser Leben. Du kommst in unsere Familien, in alle Sorgen, in alles Ungewisse, gehst mit uns durch die Tücken des Alltags wie des Berufes. Du kennst auch alle, die unsere 49 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Krankheiten, in alles, was das Leben bedrückt. Was uns und anderen auf der Seele liegt, auch die Sorge für unsere Angehörigen, wo sie auch sind, in den Krankenhäusern, in den Pflegeheimen oder weit weg. Und Du kommst in unsere Freude – mit Deiner Freude. Du kommst, mit uns zu feiern. Du bist der Grund, warum wir feiern und uns freuen. Das wollen wir gerade in diesen Tagen nicht vergessen. Und Du vergisst uns nicht, ebenso wenig wie die, die uns am Herzen liegen. Dafür danken wir Dir. Amen.

VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Gloria im Radio

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED „Wie soll ich dich empfangen“ (EG 11, 1–3) EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (EG 10, 1–3) GEBET Herr Jesus Christus, Du nutzt viele Möglichkeiten, um auf Dich aufmerksam zu machen. Wir haben viel von Dir gehört, im Gottesdienst, im Kindergottesdienst, aus Erzählungen unserer Eltern und Großeltern, von unseren Paten, im Radio und im Fernsehen. Wir danken Dir für diese Gelegenheiten. Du kommst zu uns. Das ist uns wichtig und wertvoll. Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Micha 5,1–4a GLAUBENSBEKENNTNIS LIED „Ach, mache du mich Armen“ (EG 10, 4)

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WEIHNACHTSSPIEL I. Ankündigung

(Moderator Kevin Ben-Knochba sitzt auf der linken Seite hinter einem Moderatorentisch, an dem oder hinter dem deutlich das FFHLogo prangt, vielleicht in Verbindung mit anderen, typischen Emblemen. Sein Moderatorentisch ist die im ganzen variablen Spiel zusätzliche Ebene – wenn auch die Kulissen wechseln, sein Tisch bleibt der gleiche) Kevin Ben-Knochba: Hier ist Radio FFH, freies, feierndes Hügelland, angeschlossen ist der Zelotische Querfunk und wenn sie denn empfangsbereit sind, auch unsere verehrten römischen Eindringlinge. Hier ist Kevin Ben-Knochba und es ist 10 Uhr 15 Ostmittelmeer-Zeit. Durch unseren Rundfunk-Knebelvertrag sind wir – – gehalten, folgende Meldung weiterzugeben: „Der große und friedliebende Caesar Augustus, Herr aller Herren und König aller Könige, hat in seiner Weisheit angeordnet, dass eine umfangreiche Volkszählung durchgeführt wird. Jedermann ist verpflichtet, zu seinem Geburtsort zu gehen, um sich eintragen zu lassen. Frauen und Kinder folgen dem Mann. Die Zählung soll innerhalb der nächsten Wochen abgeschlossen sein, Ausnahmen werden nicht gestattet. Hoch lebe der Senat und das römische Volk.“ Hm. Dazu würde ich gerne was sagen – aber ich frage einfach mal die Stimme des Volkes ab.

(verlässt seinen Moderatorentisch und wendet sich mit dem Mikrophon dem einfachen Volk zu, spricht einen Mann an) Haben Sie die Meldung gehört? Mann: … war ja nicht zu überhören! Kevin Ben-Knochba: Und? Was sagen Sie dazu? (mit deutlicher Verachtung in der Stimme) Volkszählung, Mann: Quatsch! Der will wissen, wie viel wir sind – und wie viel Steuern wir bezahlen können!

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Kevin Ben-Knochba: (mit einem deutlichen „Habt ihr’s auch alle gehört?“ in der Stimme) Das ist ja interessant. (schaut sich wieder um) Mal sehen, ob ich einen Zeloten auftreiben kann … Simon, darf ich dich mal was fragen? Simon: (hat einen Dolch in der Hand, schaut sich um, sieht das Mikrophon und lächelt) Wenn keiner zuhört … Kevin Ben-Knochba: Was hältst Du von der Volkszählung? Simon: Noch mehr Römer im Land, denen etwas – zustoßen kann … (streicht liebevoll über den Dolch) Kevin Ben-Knochba: Äh … ja … (schaut sich suchend um, geht zu Maria) und vielleicht diese Dame hier? Maria: Eine Katastrophe! Wir kriegen ein Kind. Und das jetzt! Kevin Ben-Knochba: Müssen Sie weit fort? Maria: Ja, nach Bethlehem! Kevin Ben-Knochba: (geht zurück) Und damit zurück ins Studio. Es wird Zeit für etwas Musik.

LIED „Nun komm, der Heiden Heiland“ (EG 4, 1–2) II. Hirtenfeld Kevin Ben-Knochba: Hier ist wieder Kevin Ben-Knochba von Radio FFH, wir spielen die Hits, wir machen die Nachrichten, wir begleiten sie durchs Gebirge des freien, feiernden Hügellandes. Mittlerweile sind einige Wege kaum noch zu betreten, so wimmelt es von Menschen, Eseln und Wegelagerern. Unser Korrespondent steckt zwischen Jericho und Jerusalem im Stau. Aber eine andere Nachricht erreichte uns soeben: eine kleine Karawane wurde gesichtet, dem Vernehmen nach ausländische Würdenträger, Königs vielleicht oder Fürsten, jedenfalls sagenhaft gekleidet. Wir bleiben dran. Das Wetter im Sendegebiet: sternklare Nacht – und ein großer, heller Stern direkt über unseren Köpfen.

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(Hirten auf dem Feld) 1. Hirte: Nachtwache ist das Schönste. Da kommt man bei den Sternen ins Träumen. 2. Hirte: Dann fang mal an zu träumen. Wir halten später Wache. 3. Hirte: Wenn die Schafe am Schlafen sind.

(Engel kommen, Hirten schrecken auf ) Engel:

Fürchtet euch nicht, siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Chor der Engel (singen aus EG 54): Gloria in excelsis Deo 1. Hirte: Ehre sei Gott in der Höhe? 2. Hirte: Und Friede auf Erden? 3. Hirte: Den Menschen ein Wohlgefallen? 1. Hirte: Das gilt uns. 2. Hirte: Und anderen. 3. Hirte: Auf nach Bethlehem. Das will ich sehen.

(Kevin Ben-Knochba spricht die an ihm vorbeigehenden Hirten an) Kevin Ben-Knochba: Wohin so eilig? 1. Hirte: Nach Bethlehem. Da ist Gottes Sohn geboren worden, in einem Stall. Kevin Ben-Knochba: Wie bitte? 2. Hirte: Die Engel haben es uns erzählt. 3. Hirte: Komm doch mit, wenn Du es uns nicht glaubst! Kevin Ben-Knochba: Ich melde mich später wieder. Können wir bis dann was singen?

LIED „Kommet ihr Hirten“ (EG 48, 1–3) III. Palast des Herodes Kevin Ben-Knochba: Das war unglaublich. Ein unscheinbares Kind, aber alles so, wie es die Hirten gesagt haben. Engel vom Himmel. Zu schade, dass ich nicht dabei war. Aber ich habe alles 54 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Wort für Wort notiert. Diese Meldung wird die Welt verändern. Obwohl, so nach außen … Eine Frau und ihr Mann, die Namen habe ich mir auch aufgeschrieben, und eben ein Kind … Die Hirten sprachen vom Retter der Welt, Christus der Herr … schon komisch, geboren in einem Stall, warum denn nicht in einem Palast – – das heißt, hier liegt eine Notiz: Palastgeburt – Fragezeichen. Wieso denn das? Gibt es denn Neuigkeiten von Herodes? Wird der auf seine alten Tage Vater – oder Großvater – oder beides? Bei dem weiß man ja nie … Hier liegt aber auch nichts von den Kollegen aus der Schmuddelecke, die sind ja sonst ganz wild auf Palastgeschichten, für mich ist das ja nichts, aber die Leute hören solche Geschichten gerne, wer weiß, warum. Aber ich sollte mich mal zum Palast begeben, vielleicht schnappt man da ja doch was Wichtiges auf. Im Übrigen kann es nicht schaden, erste Reaktionen von einem König zur Geburt eines anderen Königs zu bekommen.

(geht ab, trifft im Palast ein, Herodes bemerkt ihn missmutig, sagt aber nichts; Kevin hält sich zunächst bedeckt) Herodes: Grässlich, dieses Gewimmel in meiner Stadt. Wie gut, dass ich meine Burg habe, da habe ich wenigstens meine Ruhe und kann mir die Sterne ansehen.

(Könige treten auf ) 1. König: Großer König Herodes, wir grüßen Dich! 2. König: Wir wünschen Dir und Deinem neugeborenen Sohn Frieden! 3. König: Dürfen wir ihn sehen? Herodes: Moment mal, was fällt euch ein, hier einfach hereinzuplatzen wie dieser Kerl hier? (er zeigt auf Kevin BenKnochba) 1. König: (zeigt nach oben) Der große Stern! Er hat uns hierher geführt! 2. König: Wo sonst sollte eine neuer, großer König geboren werden wenn nicht bei Dir im Palast? 3. König: Wir sind weit geritten, um diesen König zu sehen. So einen hellen Stern am Himmel haben wir noch nie gesehen!

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Herodes: Den Stern habe ich auch gesehen … Aber ein neuer König, nein, nicht bei mir … Sollte da etwa – (zu Kevin Ben-Knochba) He, mach dich nützlich! Was weißt du von einem neuen König? Was steht geschrieben? Kevin Ben-Knochba: (präzise, überzeugt und gut auswendig gelernt) „Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.“ Herodes: Bethlehem … Wann ist der Stern erschienen? 1. König: Mehrfach! Vor fast einem Jahr zum ersten Mal. 2. König: Dann vor ein paar Monaten. 3. König: Und jetzt wieder! Herodes: (würdevoll, aber durchschaubar lügnend) Dann geht und sucht das Kind. Und wenn ihr es gefunden habt, kommt wieder vorbei, ich will es auch anbeten. Endlich habe ich einen würdigen Nachfolger gefunden, der auch das Beste für sein Volk will.

(Könige ab. Kevin Ben-Knochba geht zum Moderatorentisch) Kevin Ben-Knochba: Wenn ich diesen üblen Halunken nicht besser kennen würde, wäre ich jetzt fast auf dieses Gesülze hereingefallen. Hoffentlich wissen die drei auch, was sie von ihm halten sollen. Was hat er vor? (Herodes sitzt da und schreibt mit boshaftem Grinsen) Ich hab’s: er will den Christus umbringen. Nichts wie los nach Bethlehem. Vielleicht bin ich ja schneller als seine Leute.

(Kevin Ben-Knochba geht zu einem unsichtbaren Winkel der Kirche, aus dem er dann am Ende der nächsten Szene auftauchen kann) LIED „Stern über Bethlehem“ (EG 546, 1–3) IV. Bethlehem. Stall

(Hirten können bereits im Stall sein, ebenso Engel und – wenn durch eigenen Spieler besetzt – auch der Mann und Simon, der Zelot) 1. König: Schon als wir Bethlehem von weitem sahen, stand der Stern über diesem Ort. 56 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2. König: Da sind wir hier richtig. Das Wort der Schrift hat sich erfüllt. 3. König: Dürfen wir eintreten? Wir kommen von weit her, nur, um dieses Kind zu sehen. Maria: Kommt leise herein. 1. König: Dass ich das erleben darf: Gott schickt uns seinen Sohn. (Legt Gold vor die Krippe) 2. König: Vor dir werden die Völker und Könige das Knie beugen und dich anbeten. (Legt Weihrauch vor die Krippe) 3. König: Aber auch Du wirst die Not kennen lernen, das ganze Elend dieser Welt, in das hinein Du geboren bist. (Legt Myrrhe vor die Krippe) Maria: Wir danken euch sehr. Ich staune über das, was ihr sagt. Aber sagt: Gold – das gebührt einem König. Weihrauch – für einen Gott, für den Gott. Aber Myrrhe? Womit die Toten gesalbt werden? Er ist gerade geboren – ist er denn dem Tod so nah? Kevin Ben-Knochba: (hetzt in den Stall) Gerade noch rechtzeitig. Herodes sucht das Kind. Er duldet keinen anderen König neben sich. Ihr müsst fliehen. Eurem Sohn wird nichts geschehen, noch nicht. Gott wird für Euren Schutz sorgen. Und dass alle Welt erfährt, wer hier der wahre König und Herr ist – dafür sorgen wir. Wir fangen hier im freien, feiernden Hügelland schon mal damit an.

LIED „Wisst ihr noch, wie es geschehen“ (EG 52, 1–4) PREDIGT mit Lk 2,10b: „Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.“ Mit einer Meldung, einer Bekanntgabe fing alles an – oberflächlich betrachtet. Mit der Meldung, die unser Radiomoderator verlesen hat. Eine Meldung aus Rom. Und Rom war so gut durchorganisiert, die hatten eine Meldung für das ganze römische Reich, schickten Boten aus, dass von der Straße von Gibraltar über Spanien, von Frankreich bis zum Balkan, von Syrien bis Nordamerika und nach Britannien alle wussten, was Rom wollte. Erstaunlich. Die Mächtigen dieser Erde nutzen alle für ihre Zeit üblichen und modernen Mittel, um sich Gehör zu verschaffen.

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Aber diese Meldung ist nur der Hintergrund für eine noch größere Meldung, die allem Volk widerfahren wird, wie es der Engel sagte. Eine gute Nachricht, die alle Völker hören sollen, und die sie auch hören werden. Dafür sorgt das Radio. Naja, werden sicher manche von ihnen gedacht haben – was soll diese Verfremdung? Radio hat es doch zurzeit Jesu noch gar nicht gegeben. Stimmt. Aber wäre es schon erfunden worden – die Christen hätten das Radio genutzt. Wie sie alles genutzt haben, die gute Nachricht zu verbreiten. Die Hirten setzten sich in Bewegung und gingen in den Ort. Paulus schrieb Briefe, dort, wo er hinkam und wo er nicht hinkommen konnte. Andere malten Bilder von Jesus Christus, die anderen zeigten, was ihnen wichtig war. Wieder andere schrieben und machten Musik dazu. Und dann kam das gedruckte Buch, später eben auch das Radio, das Fernsehen, das Internet. Und überall gibt es Möglichkeiten, diese gute Nachricht weiterzusagen. Was sollten denn viele ältere Menschen tun, wenn sie nicht mehr zur Kirche gehen können? Die bekommen die Kassette vom Gottesdienst, die hören sich Gottesdienste im Radio an, was der Evangeliumsrundfunk in Dalheim seit fast fünfzig Jahren macht. Und die schauen sich den Fernsehgottesdienst an. Und nutzen das Internet für Predigten, Gottesdienste und andere Möglichkeiten, auf das Evangelium aufmerksam zu machen. Die Engel haben damit angefangen. Der Radiomoderator in unserem Stück sagte: Und dass alle Welt erfährt, wer hier der wahre König und Herr ist – dafür sorgen wir. Wir fangen hier im freien, feiernden Hügelland schon mal damit an. Im freien, feiernden Hügelland. Im FFH-Land. Hügelland – nun ja, Israel ist ein bisschen wie Mittelhessen, geht ständig auf und ab. Feiern, nun das können die genauso wie wir. Und frei, weil Jesus Christus als Kind geboren wird. Wir müssen uns nicht an ihm messen. Das können wir gar nicht. Er kommt nicht zu uns, weil wir so perfekt sind, sondern weil wir ihn brauchen. Und uns darum frei davon macht, dass wir aus eigener Anstrengung vor Gott eine gute Figur machen, sondern weil er uns vor Gott gerecht macht. Richtig macht. Frei macht – von allem, was uns sonst beherrschen will oder kann. Das ist der Grund für die große Freude, die allem Volk erzählt wird, geschrieben wird, übertragen wird. Jesus Christus ist für uns geboren. Wegen dir und mir ist er da. Amen. 58 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

LIED „Und es sang aus Himmelshallen“ (EG 52, 5–6) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist zu uns gekommen. Als einer von uns, als einer von denen, die eben nichts zu sagen haben, die oft genug an dem verzweifeln, was um sie herum geschieht. Du kommst zu uns, in unser Leben. Du kommst in unsere Familien, in unsere Krankheiten, in alles, was das Leben bedrückt. Und Du kommst in unsere Freude – mit Deiner Freude. Du kommst, mit uns zu feiern. Du bist der Grund, warum wir feiern und uns freuen. Das wollen wir gerade in diesen Tagen nicht vergessen. Und Du vergisst uns nicht, ebenso wenig wie die, die uns am Herzen liegen. Danke. Amen. VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Der überflüssige Josef

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED „Macht hoch die Tür“ (EG 1, 1–3) EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Macht hoch die Tür“ (EG 1, 4–5) GEBET Herr Jesus Christus, Dir sind wir wichtig, in allem Tun, als Person, groß und klein. Du kommst als Kind, wirst erwachsen, hast Deinen Platz in der Familie wie in Deiner Umgebung. Wie wir auch. Schenke uns gutes Hinhören und Zuhören in diesem Gottesdienst, danke für die Möglichkeit, ihn zu besuchen, ihn zu feiern, vorn Dir zu hören und weiterzugeben. Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Mt 1,18–25 GLAUBENSBEKENNTNIS KANON „Er ist die recht Freudensonn“ (EG 2)

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DER ÜBERFLÜSSIGE JOSEF 1. Abgang mit Folgen

Krippenspielprobe. Die komplette Truppe steht um die Krippe herum. Scheinbar ist die Probe gerade zu Ende. Küster:

Josef:

Maria: Josef:

1. Hirte: 2. Hirte: 3. Hirte: 1. Weiser:

Engel: Maria: Josef: 2. Weiser: 3. Weiser:

(zeigt in verschiedene Richtungen, geht dabei aus der Szene hinaus) Das will ich aber nachher alles nicht mehr hier sehen. Morgen ist Gottesdienst, da ist die Kirche wieder aufgeräumt! (etwas aufgebracht) Also ist das jetzt hier ’n Stall oder was? (Küster ist außer Hörweite) Ist doch wahr. Wenn schon Stall, dann auch Heu. Sonst könnten wir ja gleich auf der Wiese spielen. Musst du immer motzen? (äfft nach) Musst du immer motzen? (Jetzt mit normaler Stimme) Ja, muss ich, ich habe die dümmste Rolle überhaupt und jeder sagt mir, was ich tun soll. (Plötzliche Idee) Wisst ihr was? Spielt doch ohne mich. He, ein Krippenspiel ohne Josef geht nicht. Ein Krippenspiel ohne Hirten geht nicht! Ja, wir sind die Hauptfiguren. Moment mal. Ohne uns wäre alles nicht so farbenprächtig. Die Leute freuen sich am meisten darauf, wenn wir die Szene betreten, Gold, Weihrauch und Myrrhe, da kannst du jeden fragen. Wenn’s darum geht – ohne uns wüsste keiner, dass es überhaupt Weihnachten geworden ist. So ganz nebenbei – ohne mich gäbe es hier überhaupt keine Geburt zu feiern. (entnervt die Hände ringend) Schon gut, schon gut, ich hab’s kapiert. Feiert Weihnachten dieses Jahr mal ohne mich. (geht ab) Sollte nicht einer von uns mal mit ihm reden? Ich denke, du bist ein „Weiser“. Der kommt ganz von allein zurück, wetten?

2. Probenversuch

Alle Mitspieler sitzen zusammen. Je nach „Besetzung“ übernimmt einer aus dem Kindergottesdienstteam das Lesen (event. auch abwechselnd).

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Leser:

Wollen doch mal sehen, ob es auch ohne Josef geht. Vielleicht müssen wir hinten und vorne noch ein paar zusätzliche Szenen einbauen. Wie geht das Ganze denn los? Also … „Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.“ Bis dahin brauchen wir Josef nicht. Wie geht’s weiter? „Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.“ Na also, da brauchen wir nur Maria und den Engel. Die Szene können wir auch so spielen. Versuchen wir doch mal.

(Spieler nehmen Aufstellung ein) Engel: Maria: Leser:

Sei gegrüßt, du Begnadete! (erschrickt gespielt) Huch, was ist das für ein Gruß? (an der Seite) Na also, geht doch!

3. Hinter den Kulissen

Küster entdeckt schmollenden Josef.

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Küster: Josef: Küster: Josef: Küster: Josef: Küster: Josef: Küster: Josef: Küster: Josef: Küster: Josef: Küster: Josef: Küster:

Warum probst du nicht mit? (schmollt) Hal-lo! Müsstest du nicht da drin sein? Nein. Entschuldige mal, wenn ich da eben zu laut war. Nein. (mit Mitgefühl) Haben sie dich rausgeschmissen? Hab ich selber. Warum das denn? Ich hab die dümmste Rolle. Du spielst doch den Josef, das ist eine Hauptrolle! Ha, Ha! Wieso „Ha, Ha“? Ohne Maria und Josef gibt es kein Krippenspiel! Wozu braucht man den Josef? Soll Maria vielleicht alleine nach Bethlehem gehen? Willst du sie im Stich lassen? Mich lassen die im Stich! Mich brauchen sie nicht. Die werden es schon noch merken, dass sie dich brauchen!

4. Vor den Kulissen

Alle wieder zusammen. Leser hat die Bibel in der Hand. Leser:

Na, das ging doch ganz toll. Mal sehen, wie es weitergeht. „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem …“ Nein, so geht das nicht. Maria: Wieso nicht? Leser: Na hör mal, das wäre ja eher ein Solo für Josef, da könntest du dich im Hintergrund halten … Maria: Was? Im Hintergrund? Da gehört Josef hin. 2. Hirte: Wahrscheinlich passt ihm das nicht mehr … 3. Hirte: Das wäre mir auch zu wenig. 3. Weiser: Wenn Maria nicht zu Josef gehören würde, dann wären die gar nicht nach Bethlehem gegangen.

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1. Hirte: Genau. Wir brauchen den Josef. (selbstbewusst) Nein. Maria: 5. Neben den Kulissen

Alle Mitspieler, die wollen, sitzen auf den Treppenstufen, auf Kissen o. ä. und wollen dem Leser zuhören, der die Bibel in der Hand hält. Vorher gibt es jedoch noch eine Diskussion. Leser: Maria: Leser:

Engel: Leser: Maria: Leser: Maria: Leser: Engel:

Was soll das heißen, wir können die Szenen doch umschreiben? Weißt du mehr als das, was in der Bibel steht? Josef ist nicht der Vater, der wird nicht gebraucht. Und wie der gebraucht wird. Ich lese dir mal ein Stück vor: „Mit der Geburt des Messias aber verhielt es sich so. Da seine Mutter Maria dem Josef verlobt war, fand sich, ehe sie noch zusammengekommen waren, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sie ohne Aufsehen zu entlassen. Indem er aber dies bei sich erwog, siehe da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn das in ihr erzeugt ist, das ist von dem heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus heißen; denn er wird sein Volk von ihren Sünden retten. Dies alles aber ist geschehen, damit erfüllt würde, was vom Herrn durch den Propheten geredet wurde, der da spricht: Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und man wird seinen Namen Immanuel nennen, das heißt übersetzt: Mit uns ist Gott. Als aber Josef vom Schlaf aufstand, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte.“ Das kenn’ ich ja gar nicht. Nee, du wirst ja auch sonst immer zu den Hirten geschickt. Ich denke, der Engel kommt zu Maria? Zu Josef aber auch! Und wie will man das spielen? Einen Traum? Soll er da liegen und der Engel kommt durchs Fenster? Stimmt, ist schwer zu spielen, steht daher wohl auch in keinem Krippenspiel, was ich kenne. Dann lassen wir es in diesem Jahr eben sein mit dem Spielen!

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6. Wieder auf der Bühne

Alle sitzen oder stehen herum. 1. Hirte: Ich habe eben mit Josef gesprochen. Er versteht nicht, warum wir in diesem Jahr kein Spiel machen wollen. 1. Weiser: Na, weil er nicht mitmachen will. 2. Weiser: Nein, weil wir dachten, es geht auch ohne ihn. 3. Weiser: Merkt ihr nicht? Das ganze Spiel geht nicht, wenn wir irgendetwas oder irgendwen aus der Weihnachtsgeschichte für überflüssig halten. 2. Weiser: Höchstens Herodes. 3. Weiser: Ja, der verdirbt einem das ganze Spiel. 2. Weiser: Und trotzdem will den jeder spielen! 7. Vor den Kulissen

Maria geht seufzend zu Josef, begleitet von einem aus dem „Team“. Maria:

Leser:

Josef: Leser: Josef: Leser:

Hey, hör zu, ich hab’s mir überlegt. Wir haben dich ganz schön in die Ecke gespielt. Du bist nur am Anfang der Geschichte interessant, wenn du bei den Wirten anklopfst, danach stehst du nur noch im Stall rum. Das ist nicht fair. Ja, und die Stückeschreiber merken das nicht einmal. Für die bist du nur Dekoration im Stall. Dabei gehörst du von Anfang an zur Geschichte. Du hast die Träume. Du stehst zu Maria, du nimmst sie mit. Du passt auf die Familie auf. (immer noch ein wenig zögernd, so schnell zuzusagen) Keine Rolle so wie sonst dieses Jahr? Nein. Kein „Habt ihr noch ein Zimmer frei?“ Versprochen.

8. Auf der Bühne

Übliche Weihnachtshintergrundkulisse: Stadt, Straßen, Bethlehem. Stall „in Bereitschaft“, um schnell in der Szene „umschalten“ zu können. 2. Hirte: Josef. Das ist aber eine Überraschung. Josef: Mensch, David. Wir müssten uns über die alten Zeiten unterhalten. Aber nicht heute. Ich muss dringend für meine Frau und mich eine Unterkunft bekommen. Wir erwarten ein Kind. 65 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2. Hirte: Da habt ihr euch keinen guten Tag ausgesucht. Alles voll. Aber du kennst ja unseren alten Stall. Als Notunterkunft ist der gut genug. Josef: Danke, vielen Dank. (an der Seite) Sehr gut, sehr gut. Jetzt noch mal die Leser: Schluss-Szene.

Alle nehmen Aufstellung, Engel geht zum Stall, in dem Maria und Josef hinter der Krippe sitzen, mit Hirten und eventuell anderen Mitspielern. Drei Weise treten vor. 1. Weiser: Wir denken, nur die Weisen wissen, was Gott vorhat und an welchen Platz Gott uns gestellt hat. Dass Gott in einem Kind kommt, konnten wir nicht ahnen. (legt Gold nieder, verbeugt sich) 2. Weiser: (legt seinen Weihrauch nieder, verbeugt sich) Gott ist größer als unsere Weisheit, größer als unser Verstand. Er will unter uns wohnen. 3. Weiser: (legt Myrrhe nieder, verbeugt sich) Wir Menschen irren, Gott nicht. Wir sollten das Kind finden – und seine Eltern. Josef: Wir danken euch für eure Gaben und eure Worte. Ungewöhnlich hat der Weg dieses Kindes begonnen, ungewöhnlich für uns wie für euch. Gott ist mit uns unterwegs.

LIED „Ihr Kinderlein kommet“ (EG 43, 1–2) PREDIGT mit Mt 1,18–20: „Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist.“ Liebe Gemeinde, nein, ohne den Josef geht es nicht. Das könnte den anderen so passen. Aber immer nur zwischen Klopfen an der Wirtshaustür und dem Herumstehen hinter der Krippe – ist ihnen 66 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

mal aufgefallen: die Maria hat immer einen Stuhl zum Sitzen, der Josef nie!?! – der arme Kerl, nicht mal das Kind ist von ihm. Und es ehrt Josef, dass er trotzdem dabei bleibt. Und – o ja, auch zu ihm kommt ein Engel. Ha, öfter als zu Maria. Der kommt einmal, zugegebenermaßen mit einer Nachricht, die die Welt verändert hat, aber Josef ist derjenige, der stets auf den neuesten Stand gebracht wird. Ein Engel sagt ihm: das Kind ist nicht von einem anderen Mann, sondern von Gott, bleib bei deiner Maria, dann erscheint er später und sagt: geh aus diesem Land heraus, denn Herodes sucht das Kind, geh nach Ägypten – und als Herodes gestorben ist, erscheint er wieder und sagt, dass er wieder zurückkehren kann nach Nazareth. Trotzdem, Josef kommt immer schlecht weg. Und es ist immer dasselbe: wenn feststeht, wer den Josef spielt, zieren sich die möglichen Marias und umgekehrt. Die einzigen, die laut Weihnachtsgeschichte ein Paar sind, erzeugen Befangenheit bei ihren Nachspielern. Eine Frage des Alters? Nun, wenigstens war in diesem Jahr klar, dass Josef vor Maria besetzt werden konnte. Ein Josef, der meckern kann? Ein Josef, der auch mal laut wird? Das gibt es sonst nur für Herodes, um den sich in jedem Jahr gestritten wird und der in diesem Jahr gar nicht erst vorkommt. Josef ist das totale Gegenteil von Herodes. Herodes denkt nur an sich selbst, Josef denkt zuerst an Maria. Er will sie heiraten, und dann ist sie schwanger! Aber nicht von ihm. Und wer den Menschen vor zweitausend Jahren unterstellt, dass sie keine Ahnung von Biologie haben – bitte, das wussten sie genau. Das Kind ist nicht von ihm. Wie kommt er aus dem Dilemma? Eigentliche müsste er sie mit Schimpf und Schande aus der Verlobung entlassen. Das kann er nicht tun, dafür liebt er sie zu sehr. Soll er so tun, als wäre das Kind selbstverständlich von ihm? Wäre ja nicht das erste oder letzte Mal, dass vor der Hochzeit bereits ein Kind unterwegs ist. Die zwei sind verlobt, für die Umgebung wäre also alles klar. Für Josef ist gar nichts klar. Soll er seiner Braut misstrauen? Schlechte Voraussetzung für eine Ehe. Josef ist fromm, Maria ist es doch auch, steht da, er weiß nicht, was er tun soll. Haben die Männer schon vor 2000 Jahren über dieses Thema nicht reden können? Und die Frauen auch nicht? Ganz schlecht. Aber bevor es zu einer Katastrophe kommt, greift Gott ein – wieder. Und schickt seinen Engel, der dem Josef sagt, was Sache ist. Und wenn Josef nun dachte: das 67 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

hätte sie mir ja doch sagen können – und vielleicht auch Maria dachte: das hätte ich ihm sagen können – dann sage ich: so etwas kann man nicht sagen, das glaubt eh keiner. Hallo Schatz, entschuldige mal, ich bin schwanger, aber nicht von dir, sondern von Gott!? Ich seh’ es an ihren Gesichtern, was sie dazu denken. Gut, dass der Engel kam und die Aufgeklärten aufklärte – diesmal mit allen nötigen Fakten. Nein, Josef ist nicht überflüssig. Auch wenn es erst so aussieht. Auch in unserem Gesangbuch. Da kommt er nur einmal vor. Das sollten wir jetzt aber singen. Amen.

LIED „Da liegt es, das Kindlein“ (EG 43, 3–4) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, wir sind Dir wichtig. Darum bist Du gekommen. Keiner soll verloren gehen, aber auch keiner übersehen werden. Und überflüssig ist bei Dir schon gar niemand. Du bist für jeden gekommen, auch für Josef, auch für Maria, wie auch immer unsere Namen heißen. Deine Geschichte zeigt, wie Du mit allen umgehst, die sich für verloren halten, die verloren sind, die klein sind, klein gemacht werden, sich für nichts halten oder für alles. Du bist der Herr, der mit uns geht, mit dem wir unterwegs sind. Begleite uns in der kommenden Woche, segne uns, weil Du uns alle im Blick hast. Amen.

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„Als Quirinius Statthalter in Syrien war …“

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED „Es ist ein Ros’ entsprungen“ (EG 30, 1–3) EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ (EG 27, 1–6) GEBET Herr Jesus Christus, Du kommst mitten in die Welt, in Deine Welt, ein König in das Land der Könige und Regenten, die Dich nicht erwarten, im Gegenteil. Als Kind erwarten wir Dich gerne, aber als Herr bleibst Du uns auch fremd. Deine Geschichte zeichnet sich aber ein in unsere Geschichte, in der Lebensgeschichte wie der Geschichte unserer Herrn. Aber – Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Lk 2,1–3 GLAUBENSBEKENNTNIS LIED „Gelobet seist du, Jesu Christ“ (EG 23, 1–4)

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„ALS QUIRINIUS STATTHALTER IN SYRIEN WAR …“ I. Basilika in Syrien

In der Basilika des Prokonsuls Quirinius, Statthalter von Syrien. Auftritt Marcus Metellus, Hauptmann der Wache. Marcus: Ave, Prokonsul Quirinius! Quirinius: Ave, Marcus Metellus! Was hast du zu berichten? Marcus: Prokonsul, eine gute und eine schlechte Nachricht. Es war eine gute Woche. Die Leute sind ruhig geblieben, wir haben den Markt überlebt, auch die Ausländer haben wenig Anlass zur Sorge gegeben. Quirinius: Und nun die schlechte Nachricht? Marcus: Ach, Rom mal wieder. Ich dachte, wir hätten einen Friedenskaiser – Quirinius: (schnell eingreifend, umherblickend) Pass auf, was Du sagst! Marcus: Jaja, wir haben doch immer Unruhe hier. Und es soll wohl so weitergehen. Ich weiß nicht, warum, aber Quintus sagte mir, dass bei der Finanzverwaltung ein Brief eingegangen sei – Quirinius: (seufzend) Ich weiß! Schon bei der letzten Audienz sagte unser großer Erster Bürger, dass er in dem allgemeinen Chaos langsam Licht sehen wollte, was aus den Provinzen für Rom abfallen würde. Zu viele Statthalter hätten sich selbst bereichert. Das wird ja wohl auch der Grund sein, warum sie mich hier nach Syrien geschickt haben. Marcus: (platzt heraus) Sie wollen eine Volkszählung für eine Steuerschätzung! Quirinius: Ich weiß doch. Wir werden es überleben. Marcus: Aber Prokonsul, diese Provinz ist nicht wie irgendeine andere. Hier sind Volkszählungen verpönt. Meine jüdischen Bekannten haben schon vor Jahren gesagt, dass selbst ihr großer König David eine gemacht hätte, die nur Verderben für das ganze Volk mit sich brachte. Quirinius: Ich kenne diese Geschichte, bin ja nicht zum ersten Mal hier. Aber Rom hat es beschlossen, die Angelegenheit wird erledigt. Marcus: Wenn es nur das wäre! Quirinius: Wieso? Marcus: Gezählt wird nicht Ort für Ort, sondern Familie für Familie! 70 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Quirinius: Wollen sie alle Leute in die Geburtsorte zurückschicken? Marcus: Anscheinend ja. Glücklicherweise wohnen die meisten in ihrem Geburtsort. Aber etliche haben ihr Glück in Jerusalem versucht oder am Meer. Quirinius: Fordere weitere Truppen an, aber so, dass es niemand merkt. Und wir brauchen viele Schreiber. Ich will, dass das Ganze möglichst schnell geht, bevor sich Widerstand regt. Die Herolde sollen erst raus, wenn alles vorbereitet ist, und dann ohne Verzögerung eintragen und zählen lassen. Marcus: Glaubt ihr, dass man das geheim halten kann? Quirinius: Ich weiß nicht. Kam die Nachricht über den Landweg oder per Schiff? Marcus: Per Schiff, soviel ich weiß. Quirinius: Matrosen reden viel. Dann wissen es die Leute schon, auch die Zeloten von der Widerstandsbewegung. Das hat uns gerade noch gefehlt. Mach Dampf dahinter, dass wir die Sache vom Tisch haben. Und ruf mir meine jüdischen Spione. Und ein paar Stunden später lade die angesehenen Führer ihres Volkes ein. Vielleicht können wir den Schaden ja begrenzen! Marcus: (mit „Ave“-Handbwegung) Prokonsul! (geht ab) Quirinius: (schüttelt den Kopf ) Hoffentlich vergessen spätere Geschichtsschreiber diese Episode. Nie schön, wenn der eigene Name im Zusammenhang mit so etwas fällt. II. In Bethlehem

Schreiber sitzt am Pult. Schlange davor. Josef steht als zweiter in der Schlange Schreiber: Mann: Schreiber: Mann: Schreiber: Mann: Schreiber: Josef: Schreiber: Josef: Schreiber: Josef:

Name? David. Familie? Davids Familie. Wie soll ich euch alle auseinanderhalten? Familienstand? Verheiratet, zwei Töchter. Der Nächste! (Mann geht, Josef kommt) Name? Josef aus Nazareth. Familie? Davids Familie. Familienstand? Verlobt, ein Kind steht unmittelbar vor der Geburt.

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Schreiber: Viel Glück! Der Nächste! (Josef geht, ein dritter kommt an den Tisch) Josef: (im Gehen) Und dafür der ganze Aufwand! Ich muss sehen, dass ich bei der Familie unterkomme. Alles so voll hier. III. Basilika des Statthalters

Marcus Metellus betritt die Basilika. Quirinius sitzt, blickt auf Marcus: Ave, Prokonsul Quirinius! Quirinius: Ave, Marcus Metellus! Was hast du zu berichten? Marcus: Prokonsul, eine gute und eine schlechte Nachricht. Es war eine gute Woche. Wir haben gründlich gearbeitet, besser als in der letzten Woche. Quirinius: Und die schlechte Nachricht? Marcus: Bethlehem! Quirinius: Ah! Ausgerechnet! Geben diese Davids-Leute denn nie Ruhe? Marcus: Es ist komplizierter, als du denkst! Quirinius: Wie? Marcus: Zunächst mal berichteten meine Spione von großer Unruhe in Bethlehem. Kein Aufruhr, nein, die freuen sich, die lachen, sie feiern. Quirinius: Wie? Was? Marcus: Ja, angefangen hat es mit ein paar Hirten. Die haben eine Erscheinung gehabt, sprachen von unzähligen Engeln, von großer Freude für alle Völker wegen der Geburt eines Kindes. Quirinius: Ach das! Das hatten wir doch schon. Vergil, unser großer Dichter, hat auch davon gesprochen. Das neue Zeitalter. Aber wir waren uns doch einig, dass das mit Augustus begonnen hat. Marcus: Die Leute in Bethlehem sprechen von einem frisch geborenen Kind. Es muss noch da sein. Niemand reist mit Neugeborenen. Quirinius: Und weiter? Marcus: Diese große Freude stört mich. Und nicht nur mich. Ich habe auf dem Flur Sextus Pollo getroffen, unseren – Verbindungsmann am Hof von Herodes. Quirinius: Und? Was hat er mitgehört? Marcus: Fürsten oder so etwas waren die Nacht bei ihm, fragten nach einem neugeborenen Königskind. Quirinius: (belustigt) Bei Herodes? Dass ich nicht lache! 72 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Marcus:

Eben. Herodes hätte sie auseinandergenommen, wenn bei ihm nicht alle Alarmglocken gebimmelt hätten. Ein Schriftgelehrter erzählte was von Bethlehem, wo ein König in der Nachfolge Davids geboren werden sollte. Steht – Quirinius: – im Prophten Micha, ich weiß, haben mir meine Leute auch gesagt. Es wird wohl richtig brenzlig. Marcus: Kann man wohl sagen. Herodes schickt die Söldnertruppe aus. Quirinius: Ist der Verrückt? Die Söldner? Die zünden ganz Bethlehem an! Marcus: Was sollen wir tun? Quirinius: Marcus, das musst du selbst tun. Nimm so viele Leute mit, die du finden kannst. Verhüte das Schlimmste. Und – sieh zu, dass du das Kind verschonst. Marcus: Was? Quirinius: Ich weiß nicht, meine Frau hatte so einen Traum letzte Nacht … dieses Kind wird wichtig sein. Versuche, es zu retten, verstanden? Marcus: Prokonsul! (geht ab mit „Ave“-Handbewegung) IV. Im Stall von Bethlehem

Maria und Josef, die Weisen, Hirten, Engel (im Hintergrund, versteht sich) und alle anderen Hirte: Maria: 1. Weiser: 2. Weiser: 3. Weiser: Josef:

Braucht ihr noch etwas? Ist alles da. Ein König sollte im Palast aufwachsen. Mit vielen Dienern. Eines großen Königs würdig. Er ist kein König wie alle anderen.

Marcus Metellus tritt auf Marcus:

Was ist denn hier los? Seid ihr die Fürsten, die bei Herodes waren? 1. Weiser: Ja, wieso? Marcus: Herodes treibt ein falsches Spiel. Ihr solltet zu ihm zurückkommen, nicht wahr? 2. Weiser: Woher weißt du das? Marcus: Egal. Überlegt es euch besser. Und ihr – eine Krippe! Ein Kind! Ist es – das Kind? Große Freude für alle Völker? Der – Sohn Gottes? 73 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

3. Weiser: Siehst du das nicht? Marcus: Nein. Aber das Kind ist in Gefahr. Flieht, so schnell ihr könnt, nach Syrien, nach Ägypten, ins Zweistromland, nur fort von hier. Josef: Warum? Marcus: Herodes. Er duldet keinen König neben sich. Maria: Warum hilfst du uns? Marcus: Wenn euer Kind der Sohn Gottes ist – dann sollten wir ihn jetzt retten, dass er uns danach helfen kann. Zwei meiner Männer bringen euch ungesehen aus dem Ort raus. Alles andere muss Gott selbst tun. V. Basilika des Statthalters

Marcus Metellus tritt ein Marcus: Ave, Prokonsul Quirinius! Quirinius: Ave, Marcus Metellus! Was hast du zu berichten? Marcus: Prokonsul, eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte zuerst. Herodes war in Bethlehem, es ist unbeschreiblich. Dafür sollte er in der Unterwelt höllische Qualen leiden. Und die gute: wir haben das Kind mit seinen Eltern retten können. Quirinius: Du hast das Kind gesehen? Marcus: Ja, ein Kind halt, ein Neugeborenes, wie alle Kinder eben. Quirinius: Und? Was meinst du? Marcus: Ich weiß nicht. Mir geht das mit der Freude für alle Völker nicht aus dem Kopf. Das wäre etwas anderes als das Reich eines Friedenskaisers. Nicht mehr Völker zu besiegen, um ihnen dann Frieden anzubieten. Ich muss noch nachdenken. Quirinius: Wir werden abwarten müssen. Schreib trotzdem einen Bericht. Für uns und unsere Familien und Freunde. Nicht für Rom. Obwohl – ich habe den Eindruck, dass Rom noch von ihm hören wird. Marcus: Prokonsul! (geht ab mit „Ave“-Handbewegung)

LIED „Der Sohn des Vaters, Gott von Art“ (EG 23, 5–7)

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PREDIGT mit Lk 2,1–3 „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.“ Liebe Gemeinde, mitten in der Geschichte, die wir als Weltgeschichte kennen, fängt Gottes Geschichte an. Das war schon immer so und wird so bleiben. Unsere Kalender bestimmen nicht, wo und wann Gott handelt, im Gegenteil, Gott bestimmt unsere Kalender und Zeitabläufe. Wir zählen sogar die Jahre nach dem Ereignis, was wir dieser Tage feiern: die Geburt Christi. Schon immer hat sich Gott mit seinen großen Taten in Erinnerung gebracht, wenn die Mächtigen meinten, sie würden Geschichte schreiben. Der Kaiser also hat das Sagen, ja? Der Kaiser erlässt ein Gebot, eine Anordnung, der Folge geleistet werden muss? Der Kaiser schickt Maria und Josef nach Bethlehem? Alles richtig und alles falsch. Durch die Volkszählung sind Maria und Josef am richtigen Ort. Durch die Volkszählung fängt das Leben Jesu Christi in Armut an, in Unsicherheit, auf der Flucht sozusagen. Ganz und gar nicht königlich. Und auch alles andere ordnet sich dem unter, was in der Schrift angelegt ist und was dem Willen Gottes entspricht. Auch, dass in Syrien alles seinen Lauf nimmt, wie es eben das Spiel schildert. Da sitzt einer der wirklich großen Statthalter, der ehemalige Konsul und jetzige Prokonsul Publius Sulpicius Quirinius, längst so etwas wie der Sonderbotschafter Roms in dieser unruhigen Gegend. Zahlreiche Ehreninschriften in dieser Gegend zeigen, dass man ihn – auch als Römer und damit Gegner – geschätzt hat. So können wir ihn uns auch als vertraut mit den Bräuchen vorstellen, auch vertraut mit der Heiligen Schrift, wenn nicht selbst, dann wenigstens durch seine guten Kontakte – und ihm wird so ein Verbrechen wie der Kindermord in Bethlehem abscheulich gewesen sein. Quirinius ist eine Figur, die am Beginn der Weihnachtsgeschichte auftaucht, um dann schnell wieder abzutauchen. Solche Römer wie er tauchen auch sonst im Evangelium auf, nicht ohne das Staunen des Lesers. Der Hauptmann von Kapernaum, der Jesus um die Heilung seines Knechtes bittet. Der Hauptmann am Kreuz, der beeindruckt 75 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

von Jesu Sterben ist. Und später in der Apostelgeschichte wird Petrus zu einem Römer geschickt, den er sonst nicht mal grüßen würde. Gott verändert Grenzen. Und er sucht seine Leute auch hinter den Uniformen, den Rüstungen, den Feinden. Quirinius ist nicht Pilatus. Pilatus wird später Schuld auf sich laden, weil er als Römer den für ihn bequemeren Weg geht, Jesus hinrichten zu lassen, damit er, Pilatus, weniger Ärger hat. Quirinius steht in unserem erfundenen Spiel als Mann da, der noch Hoffnung hat, dass Gott eingreift, wem auch immer zum Trotz. Dass er unsere Geschichte nutzt, in unserer Geschichte nicht nur Weltgeschichte, sondern auch Heilsgeschichte zu schreiben. Amen.

LIED „Freut euch, ihr lieben Christen“ (EG 540, 1–4) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist der Herr, Heiland, so haben Dich die Engel genannt, ein Titel, den auch die Römer verstanden hätten. Du kommst in Deine Welt, nicht als König wie alle anderen, sondern als der Herr aller Herren. Es ist Deine Welt, es ist Deine Geschichte, wir loben Dich, dass wir zu Dir gehören und dass wir auch Teil Deiner Geschichte sind. Begleite alle, die zu Dir gehören, heile, stärke, segne Du. Amen. VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Also liebt Gott die arge Welt – Weihnachtsspiel an vier Sonn- oder Feiertagen

I. Die Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED „Es ist ein Ros’ entsprungen“ (EG 30, 1–3) EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ (EG 27, 1–6) GEBET Herr Jesus Christus, Du kommst mitten in die Welt, in Deine Welt, ein König in das Land der Könige und Regenten, die Dich nicht erwarten, im Gegenteil. Als Kind erwarten wir Dich gerne, aber als Herr bleibst Du uns auch fremd. Deine Geschichte zeichnet sich aber ein in unsere Geschichte, in der Lebensgeschichte wie der Geschichte unserer Herrn. Aber – Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG LK 1,5–7 GLAUBENSBEKENNTNIS LIED „Gelobet seist du, Jesu Christ“ (EG 23, 1–4)

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SPIELZENE: DIE ANKÜNDIGUNG DER GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS Priestervorhof im Tempel. Samuel, Judas, Jonathan und Zacharias sind zusammen. Später Engel Gabriel. Samuel: Na, Zacharias, immer noch im Amt? Zacharias: Aber immer. Solange mich meine alten Füße tragen, werde ich doch wohl meinen Dienst tun. Judas: Wir sind auch stolz auf dich. Du hast nie einen Tag gefehlt. Von allen Priestern bist du der Zuverlässigste. Samuel: Schade, dass du das nicht an deine Nachkommen weitergeben kannst. (Schluckt) Oh, das hätte ich besser nicht sagen sollen. Zacharias: Schon gut, Samuel. Wir haben uns damit abgefunden, Elisabeth und ich. Wir hätten ja gerne ein Kind gehabt, aber wenn Gott nicht will – (macht eine schulterzuckende Geste) Judas: (zu Samuel) Denk in Zukunft mal darüber nach, was du sagst. Das mit den Kindern ist ein wunder Punkt bei den beiden. (zu Zacharias) Wollen wir jetzt losen? Zacharias: Gerne. Ruft Jonathan, er ist der Jüngste, der soll die Lose verteilen. Jonathan: (kommt durch die Tür) Schon da. Auf einem Papyrusstreifen ist ein Kreuz, wer das zieht, der wird heute das Räucheropfer darbringen. Judas: Musste es unbedingt ein Kreuz sein? Also, was ich hier heute mit euch erlebe … Jonathan: Sei still, Judas, Lose ziehen ist eine heilige Handlung. Der Wille Gottes bestimmt, wer opfert. Judas: Ja, ja, schon gut.

(Jeder zieht ein Los) Zacharias: Ich habe das Kreuz gezogen. Merkwürdig, ich wusste heute früh schon, dass ich heute dran bin. Nun, dann lasst uns die Opfer vorbreiten. Judas: Wir gehen hinaus.

(Zacharias ist nun alleine, geht zum Altar, betet. Auftritt Engel Gabriel) Gabriel:

Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört worden. Deine Frau Elisabeth wird einen Sohn bekommen. Du wirst ihn Johannes nennen.

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Zacharias: Was? Wer bist du? Wie kommst du hier hinein? Was – was bedeutet das? Gabriel: Du wirst viel Freude an deinem Sohn haben. Johannes wird er heißen. Viele werden sich an seiner Geburt freuen, nicht nur du und deine Frau. Zacharias: Ich – einen Sohn … Gabriel: Er wird groß sein vor dem Herrn, der Herr selbst hat ihn auserwählt. Du sollst ihm keinen Wein zu trinken geben, auch kein anderes starkes Getränk. Der Herr ist von Anfang an bei ihm – schon im Mutterleibe. Zacharias: Ich – wir bekommen einen Sohn … Gabriel: Ja, dieser Sohn wird viele deines Volkes zu Gott bekehren. Sie werden sich ihm wieder zuwenden. Wie Elia wird er handeln, in seinem Geist und mit seiner Kraft. Zacharias: Wie Elia? Gabriel: Ja. Die Herzen der Väter werden zu den Kindern bekehrt, die Ungehorsamen werden nicht mehr ungehorsam bleiben. Er wird dem Herrn ein Volk schaffen, was sich ihm zuwendet. Zacharias: Wie die großen Propheten der Vergangenheit … Und das – das alles fängt mit meinem Sohn wieder an? Gabriel: Mit deinem Sohn geht es weiter. Zacharias: Ich bekomme einen Sohn … Ich, das heißt, wir … nun, nein, das geht doch nicht … nicht mehr … Du Bote Gottes, du kommst zu spät. Mein Volk ist nicht mehr das, was es einmal war – und ich auch nicht. Ich bin alt, zu alt, fürchte ich, und meine Frau ist auch zu alt, um Kinder zu bekommen. Woran sollte ich das erkennen, dass Du von Gott kommst? Gabriel: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht. Ich bin gesandt, dir das zu sagen. Ich bin gesandt, mit dir zu reden. Siehe, du wirst stumm bleiben von jetzt an – bis zu dem Tag, wo das alles so eintrifft, wie ich es gesagt habe – weil du mir nicht geglaubt hast. Gott tut, was er sagt. (Gabriel geht) Zacharias: (will etwas sagen, merkt, dass er nicht mehr reden kann. Das verblüfft ihn. Er schaut dem Engel nach, sieht ihn aber nicht mehr, er fasst sich an die Kehle, versucht, zu sprechen, zu schreien, merkt, dass das nicht mehr geht und setzt sich zu Füßen des Altars, schüttelt den Kopf )

(nach einiger Zeit steckt Jonathan seinen Kopf zur Türe herein)

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Jonathan: Zacharias, wo bleibst du? Alle warten auf dich! Ist was? Zacharias: (mit weitaufgerissenen Augen, versucht zu reden, zu flüstern, es geht nicht) Jonathan: (zu den anderen hinter der Türe) Kommt schnell, hier ist was passiert! (Samuel und Judas stürmen hinein) Samuel: Was ist los? Judas: Ist er krank? Jonathan: Er – er sieht so verändert aus. Judas: Stützt ihm die Hände zum Segen! Ach nein, er kann nicht sprechen … Samuel: Was sagen wir denn den Leuten? Die werden fragen, ob der Gottesdienst weitergeht oder nicht. Jonathan: (zu Samuel) Geh du hinaus zu den Leuten, wir kommen hier schon klar. Judas: Er sieht so aus, als ob er ein Gespenst gesehen hätte. Zacharias: (nickt heftig, schüttelt danach ebenso heftig den Kopf ) Judas: Also kein Gespenst. Aber du hast etwas gesehen, nicht wahr? Zacharias: (nickt heftig) Judas: (zögerlich) Hier – am Altar? Zacharias: (nickt) Judas: Ein – Bote Gottes? Zacharias: (nickt) Judas: O Zacharias – ein Engel? Du hast einen Engel gesehen? O du Gesegneter des Herrn, du hast einen Engel gesehen! Zacharias: (nickt, wehrt aber mit den Händen ab) Judas: Er hat dir etwas Schlimmes gesagt? Zacharias: (nickt heftig, schüttelt danach ebenso heftig den Kopf, springt auf, will wieder reden, merkt, dass er es nicht mehr kann) Judas: O Zacharias, was ist nur mit dir geschehen? Die Begegnung war gewaltig, was? Zacharias: (nickt) Jonathan: Nun red schon, was war denn los? Judas: Du merkst doch selbst, dass er nicht mehr reden kann. Bleibst du für immer stumm? Zacharias: (schüttelt den Kopf ) Jonathan: Kannst du schreiben? Zacharias: (nickt) Jonathan: (sucht die Papyrusschnipsel, gibt sie Zacharias) Schreibe mal auf, was passiert ist. Zacharias: (nimmt den Papyrusstreifen, schreibt ein paar Worte darauf, was eben drauf geht, gibt sie Judas) 80 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Judas: Zacharias: Judas: Zacharias: Judas: Zacharias: Judas: Zacharias: Judas: Zacharias: Judas: Zacharias: Jonathan: Zacharias: Jonathan: Zacharias: Jonathan: Zacharias: Jonathan:

Kind – Johannes – Elia – Volk Gottes. Versteh’ ich nicht. Ein Kind, was Johannes heißt? (nickt) Ich kenne aber kein Kind, was Johannes heißt. (zeigt nach oben und dann auf sich) Ein Kind – du bekommst – ihr bekommt ein Kind, was Johannes heißt? (nickt heftig) Das ist ja wie in der Bibel! Und warum Elia? (markiert einen großen Mann mit mächtigen Gesten) Er wird ein Prophet wie Elia? (nickt) Und Volk Gottes? Lass mich überlegen – er wird für unser Volk sein wie Elia zu seiner Zeit? (nickt anerkennend) Und warum bist du stumm? (schaut beschämt auf den Boden, wischt eine Träne aus dem Auge) (nach einer Weile) Du konntest es nicht glauben, stimmt’s? Ich könnte es auch nicht glauben. Wirst du wieder sprechen können? (nickt) Und wann wird das sein? (weist auf den Zettel, tut so, als würde er ein Baby im Arm halten) Oh, verstehe, wenn das Kind geboren ist.

(Samuel kommt herein) Samuel:

Die Leute wollen Zacharias sehen, die glauben mir nicht, dass er noch am Leben ist. Jonathan: Na gut, dann gehen wir mit ihm hinaus. Aber den Gottesdienst zu Ende bringen wie sonst kann er nicht. Aber vielleicht wird das sein Sohn ja irgendwann machen können. Samuel: Was sagst du da?

(diese Frage beendet das Spiel – vielleicht ziehen sich die Akteure erst während der ersten Sätze der Predigt still zurück) PREDIGT mit Lk 1,5–25 Liebe Gemeinde, wer jetzt gedacht hat: das habe ich noch nie gehört – kann sein. Das geht im allgemeinen Weihnachtstrubel unter, aber 81 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

ohne diese Geschichte gäbe es kein Weihnachten. Es wäre so, als würden sie eine Krippe aufstellen, aber sofort ein Tuch darüber decken. Diese Geschichte gehört zur Weihnachtsgeschichte wie das Amen in der Kirche, wie die Zusage Gottes zu seinen Menschen, ein „Amen“, ein so-ist-es an seine Menschen. Und weil wir nun vier Wochen Zeit haben, uns auf Weihnachten vorzubereiten, tun wir das in einer sonst nicht üblichen Weise und zeigen ihnen nicht nur ein Weihnachtsspiel, sondern gleich vier, verteilt auf die vier Adventssonntage. Und da gibt es unglaubliche Weihnachtsgeschichten. Geschichten, die den Rahmen sprengen. Und so geht es heute direkt los. Zacharias, der alte Priester, verheiratet mit einer alten Frau, kinderlos. Ausgerechnet die beiden werden ein Kind bekommen. Warum gehört das in die Weihnachtsgeschichte? Weil die Weihnachtsgeschichte nicht mit Weihnachten zu Ende ist, sondern erst richtig anfängt. Typisch für uns, wir möchten gerne mit der Weihnachtsgeschichte aufhören, da können wir gut mit Jesus umgehen, da hat er noch nichts gesagt und getan, das überlassen wir lieber uns. Wo Jesus aber den Mund aufmacht, da sind wir gefordert, Stellung zu beziehen. Und da kriegen manche den Mund nicht mehr auf. Zacharias auch nicht mehr. Ihm hat es nicht nur die Sprache verschlagen, er ist stumm, weil er selbst zum Zeichen wird. Dass er nicht geglaubt hat – und ehrlich, wir hätten es auch nicht. Vielleicht kennen wir auch Paare, die sich nichts mehr wünschten als ein Kind, denen jeder Kinderwagen ein Stich ins Herz gibt, die Weihnachten am liebsten an einem anderen Ort feiern, weil da doch auch wieder ein Kind gefeiert wird. Und nun sagt ihm der Engel, dass sein Gebet erhört worden ist – sie bekommen ein Kind. Zacharias ist ganz aus dem Häuschen. Aber dann schaut er wieder auf sich, auf seine Frau, und dann kann er es doch nicht glauben. So passiert das immer wieder. Petrus ist auch ein Beispiel. Jesus, der ihm auf dem Wasser entgegenkommt, lässt ihn auch aufs Wasser treten, Petrus tut das, aber er geht unter, als er die Wellen mehr im Blick hat als seinen Herrn. Zacharias blickt auch wieder auf seine eigenen Möglichkeiten. Und die sind – so denkt er – als alter Mensch dann doch wieder begrenzt. Diese Weihnachtsgeschichte ist eine Weihnachtsgeschichte für die Älteren. Gott tut noch unglaubliche Dinge. Und eins davon ist, Glauben zu wecken. Auch, wenn alles wieder ver82 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

loren scheint. Auch, wenn wir dachten: das ist es, jetzt haben wir’s – und dann zerrinnt es zwischen den Fingern. Wie bei Zacharias. Der hat das große Los gezogen – und dann denkt er: ach nein, zu früh gefreut. Gott gibt eine weitere Chance. Zacharias wird anderen zum Zeichen. Und wird schweigen, neun Monate lang. Damit er wieder das Hören lernt. Vertrauen lernt. Glauben lernt. Und dann, endlich, sein Kind im Arm halten kann. Und mit dem Kind und an dem Namen des Kindes lernen soll: Gott ist gnädig. Das heißt Johannes. Gott ist gnädig. Als das Kind endlich da ist – vor Weihnachten, versteht sich! – da soll Zacharias ihm den Namen geben, und zur allgemeinen Verwunderung nennt er ihn auch Johannes. Wie es der Engel sagte. Und dann – dann kann er wieder reden. Und es sprudelt nur so aus ihm heraus. Nicht, was er schon immer mal sagen wollte. Sondern was er Gott zu danken und zu loben hat. Nehmen Sie bitte Ihr Gesangbuch zur Hand und loben Sie mit (EG 768), Sie sind nicht die Ersten und werden nicht die Letzten sein, unsere Kirche hat diesen Lobgesang seit alters frühmorgens gebetet:

EG 768 Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten –, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserem Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehn, dass du seinen Weg bereitest, 83 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Amen.

LIED „Nun komm, der Heiden Heiland“ (EG 4, 1–5) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du kommst zu uns und lässt uns nicht allein. Aber Du kommst auch nicht allein in Deine Welt. Vorläufer und Nachfolger begleiten Dich. Wie bei uns. Wir denken dankbar an diejenigen, die uns von Dir weitergesagt haben und gehören selber zu denen, die von Deiner Treue singen und sagen. Und wir sind dankbar für alle, an denen wir sehen und erleben, wie Du zu uns Menschen kommst, dass aus dem Unglauben Glauben wird, dass aus Gleichgültigen Männer und Frauen werden, die uns wieder zur Nachfolge rufen, die uns freundlich begegnen, weil Du menschenfreundlich bist. Segne uns in dieser Adventszeit, richte unsere Gedanken und unsere Füße auf den Weg des Friedens. Amen.

VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Also liebt Gott die arge Welt – Weihnachtsspiel an vier Sonn- oder Feiertagen

II. Die Ankündigung der Geburt Jesu GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Ihr Kinderlein kommet“ (EG 43, 1–4) GEBET Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, wir versuchen Dich als Kind zu halten, dabei sprengst Du die Grenzen Deiner Krippe und mischst Dich in unser Leben ein, es auf Dich hin zu verändern. Herr, schenke uns den Blick dafür, dass Weihnachten bei uns anfangen will, arbeiten will, weil Du mit uns etwas vorhast, was gut für uns ist. Auf Dich verlassen wir uns und beten Dich schon als den an, der auch ungefragt kommt. Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Lk 1,26–38 GLAUBENSBEKENNTNIS LIED „Also liebt Gott die arge Welt“ (EG 51, 1–3)

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SPIELSZENE: DIE ANKÜNDIGUNG DER GEBURT JESU Haus der Maria. Küche vielleicht, jedenfalls mitten bei der Arbeit Maria: Engel: Maria: Engel: Maria: Engel:

Maria: Engel:

Maria: Engel:

Maria:

(deckt das Geschirr auf ) (betritt den Raum im Rücken der Maria, so dass sie ihn nicht sieht) Sei gegrüßt, junge Frau. Gott steht auf deiner Seite! Gott ist mit dir! (dreht sich erschrocken um) Huch! Wer bist du? Fürchte dich nicht, Maria, im Gegenteil, freu dich! Gott hat mit dir Großes vor. Ich verstehe nicht … Maria, du wirst schwanger werden und du wirst einen Sohn bekommen. Du wirst ihn Jesus nennen. Und dieser Sohn wird unvergleichlich sein, Sohn Gottes wird man ihn nennen. Gott selbst wird ihn als König in der Linie Davids einsetzen. So werden ihn die Menschen nennen: Sohn Davids. Er wird König sein in Ewigkeit, seine Herrschaft wird kein Ende haben. Ich einen Sohn? Schwanger? Nein, nein, so geht das nicht. Ich bin nicht schwanger. Ich habe einen Verlobten, Josef, aber wir zwei, nein, nein … Hör zu, Maria: wie die Wolke das Heiligtum deiner Vorfahren in der Wüste erfüllte, dass die Herrlichkeit Gottes alles ausfüllte, so wird auch die Kraft Gottes Dich erfüllen. Der Sohn, dem du das Leben schenkst, wird deshalb Gottes Sohn sein. Das kann ich kaum glauben … Du kennst doch Elisabeth, deine Verwandte? Weißt Du, dass sie schwanger ist – in ihrem Alter? Alle hätten das für unmöglich gehalten. Aber das Kind wird bald kommen. Für Gott ist nichts unmöglich. Gut. Ich gehöre Gott ganz. Dann soll er tun, was Du gesagt hast.

PREDIGT mit Lk 1,30f.33 „Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben. und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.

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Liebe Gemeinde, ein Stück aus der Vorgeschichte des Weihnachtsfestes. Maria, eine Frau, die ein hartes Stück von Gottes Gnade tragen soll, unverheiratet schwanger, ein Skandal. Aber ihr Sohn soll König sein über Israel – und das ohne Ende. Es fallen eine Menge Namen in diesen wenigen Versen. Der Engel hat keinen – doch, aber außerhalb der Verse. Gabriel. Gibt’s noch heute. Zwar mehr Gabrieles als Gabriels, aber immerhin. Und dann: Maria. Haben wir auch häufiger. Am Ende fällt der Name Jakob – und dazwischen: Jesus. Es ist ja nicht so, dass der Name kein Programm wäre. Wie es hier überhaupt von Namensbedeutungen nur so knirscht. Gabriel, der Engel, heißt übersetzt: Gottes Stärke. Gottes Stärke besucht Maria, die dem Meer Entsprossene, aus dem Meer Gestiegene – wie soll man sich das vorstellen? Ihr Sohn soll Nachkömmling des Nachkömmlings sein – denn Jakob heißt Nachkömmling. Alles recht eigenartig. Von daher kann Maria gespannt sein, was der Engel ihrem Sohn für einen Namen mitgibt. Oft passiert das ja nicht, dass Gott einem Ungeborenen schon einen Namen gibt und das den Eltern ausrichten lässt6. Der erste ist Isaak, Sohn des Abraham, des kinderlosen alten Mannes, der den Gedanken an eigene Kinder längst aufgegeben hat. Und ausgerechnet er soll Stammvater eines neuen Geschlechtes werden. Da kann nur Gott eingreifen. Der nächste ist Salomo , Sohn des Königs David, sein Nachfolger auf dem Thron. Und der dritte ist der König in derselben Linie, der das korrupte Reich wieder auf Vordermann bringen soll: der König Josia. Und nun zu dem Neugeborenen: der soll Jesus heißen. Daran ist zunächst gar nicht so viel Besonderes. Jesus – wir haben uns ja daran gewöhnt, diesen griechisch/römischen Namen zu verwenden – heißt auf hebräisch „Jeschua“ und hat erst einmal viel mit dem Namen zu tun, den wir mit den eingestürzten Mauern von Jericho verbinden: Josua. Und wenn man das übersetzt, kommt schlicht heraus: Gott hilft. Gott rettet. Gott erlöst. Aha. Auch so ein Programm-Name. Es wäre ja mal interessant, festzustellen, wie viel von uns so einen ProgrammNamen tragen. Und was sich unsere Eltern dabei gedacht 6

(Hermann L. Strack) – Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch Bd. I, München 101994, 63.

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haben – selber haben wir uns unsere Namen ja nicht gegeben. Höchstens unsere Spitznamen eingebrockt. Gott hilft, Gott rettet, Gott erlöst, heißt Jesus. Wem hilft er denn? Warum denn? Und – muss das sein? Und wie. Stellen sie sich mal vor, wir (oder unsere erlauchten Vorfahren) hätten sich nicht diesen komischen Begriff „Weihnacht“ einfallen lassen. Geweihte Nacht. Oder Nacht der Weihe. Klingt alles etwas heidnisch-germanisch, ist es auch, soll es wohl auch. Wenn es von Anfang an ein Christusfest war, ein Jesus-Fest, dann wäre sogar klar, warum wir das feiern müssen – und nicht, warum wir es trotzdem feiern. Trotz aller Entleerung. Trotz aller Lieder, die uns vorgedüdelt werden und mit denen wir herzlich wenig verbinden. Trotz allem Schmu, der uns gestohlen bleiben kann, weil er nicht mit Jesus zu tun hat, dafür aber viel mit Licht, viel mit Tannenbaum, viel mit Winter und so weiter. Das Schlimmste an Weihnachten ist, dass man es ganz ohne Jesus feiern kann. Dann muss man allerdings einen neuen Sinn dafür finden. Weihnachten, das Fest der Liebe. Au weia. Wenn die ganze Familie wieder mal zusammen ist. Bis es wieder kracht und man sich daran erinnert, wie schön es eigentlich ohne bestimmte Familienmitglieder war und warum man das ganze Jahr über ohne auskommt. Weihnachten, das Fest der Geschenke. Toll, wieder dasselbe. Kann die sich nicht mal merken, dass sie mir letztes Jahr genau dasselbe geschenkt hat? Weiß der denn nicht mehr, dass ich Pralinen nicht mag? Oder: Weihnachten, das Fest der Besinnung. Glaub ich nicht, denn dann wäre ja mancher endlich mal zur Besinnung gekommen. Nein, geht alles nicht. Weihnachten ist das Gotthilft-Fest. Das Gott-rettet-Fest. Das Gott-erlöst-Fest. Weihnachten ist das Jesus-Fest. Und wenn ich mir so ansehe, was wir da alles draus gemacht haben, dann denke ich, dass es an der Zeit ist, wirklich darum zu bitten: Gott hilf! Herr hilf! Gott, rettet mich vor Weihnachten. Gott, erlöse uns von Weihnachten! Gott setzt alles daran, dass mit dieser Geburt etwas in Gang gesetzt wird, was einmalig ist auf dieser Welt. So, wie sich Millionen Eltern vor uns schon Gedanken gemacht haben: was wird unser Kind mal werden? Wie sieht sein Leben aus? Wie nennen wir unser Kind? Wollen wir damit was Bestimmtes sagen? Muss es ein frommer Name sein? Muss es derselbe Name sein wie der von unseren Freunden? Muss das Kind wie seine Patentante heißen? Das hat sich bei 88 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Gott längst erledigt. Er nimmt Maria diese Frage schon vorher ab. Weil er mit diesem Kind etwas vorhat. Etwas Besonderes. Na ja, das wollen wir auch. Und wenn nicht als Eltern, dann bestimmt als deren Kinder. Ganz schön viel Wirbel um dieses Kind. Ein Kind, was die Mächtigen der Welt schon bei seiner Geburt so ernst nehmen, dass sie es am liebsten töten lassen würden. Und noch bevor irgendjemand etwas weiß, was mit diesem Kind wird, weiß Maria schon: das ist Gottes Sohn. ER wird helfen. Er wird erlösen. Er wird heilen. Er wird retten. Schöne Verheißung, schöne Voraussage über diesem Kind. Daran klammert sich nicht nur Maria. Daran klammern wir uns auch. Und feiern dieses Fest als Jesus-Fest. Weil wir jetzt schon wissen, dass Jesus sich daran gehalten hat. Er kam, um zu retten. Um zu erlösen. Und zu helfen. Vergesst nie, dass es ein Kind war. Und vergesst nie, dass es damit nicht zu Ende war. Oder ist. Vielleicht wissen das die Kinder besser als die anderen. Jesus Christus, der Helfer. Amen.

FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du ermunterst uns zum Singen und Spielen über deinem Kommen. Du schenkst uns die Freude ins Herz, die sogar Wurzeln schlägt, weil Deine Liebe in unserer Welt Wurzeln geschlagen hat. Weil Du gekommen bist. Herr, darüber dürfen wir nicht stumm werden. Darüber müssen wir fröhlich werden. Schenke uns die Freude, die diese Tage überdauert, die Freude, weiter von Dir zu singen und zu spielen, weiter von Dir weiterzugeben, allen, die Dich brauchen, uns allen, gegenseitig. Und auch unseren Kranken, in den Krankenhäusern und zuhause, das sind die, denen wir täglich begegnen, das sind unsere Familien. Herr, sei und bleibe Du bei uns, zeige Deiner friedlosen Welt, dass Du der Frieden bist. Amen.

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Also liebt Gott die arge Welt – Weihnachtsspiel an vier Sonn- oder Feiertagen

III. Verwirrte Schriftgelehrte GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED „Es ist ein Ros’ entsprungen“ (EG 30, 1–3) EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ (EG 27, 1–6) GEBET Herr Jesus Christus, Du kommst mitten in die Welt, in Deine Welt, ein König in das Land der Könige und Regenten, die Dich nicht erwarten, im Gegenteil. Als Kind erwarten wir Dich gerne, aber als Herr bleibst Du uns auch fremd. Deine Geschichte zeichnet sich aber ein in unsere Geschichte, in der Lebensgeschichte wie der Geschichte unserer Herrn. Aber – Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Mi 5,1–4a GLAUBENSBEKENNTNIS

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PREDIGT mit Mi 5,1–4a Liebe Gemeinde, in vielen Krippenspielen, die sich um die Geburt Christi drehen, kommt der König Herodes vor, den die drei Weisen aus dem Morgenland befragen, wo denn nun der neugeborene König sein soll, dessen Stern sie gesehen haben. Herodes ist absolut schockiert: ein neuer König? Dann ist die Zeit des alten Königs um, seine Zeit also. Aber Herodes wäre nicht Herodes der Große – wie man ihn später genannt hat – wenn er das nicht überprüfen würde. Im Matthäusevangelium heißt es nun: „er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte.“ Alle Schriftgelehrte und alle Hohenpriester. Und er forscht nach, ob die was wissen, was er nicht weiß – vor allem, wo denn der neugeborene König geboren werden soll. Denn dass es nicht bei ihm im Palast ist, ist ihm schon klar. Und sie sagen ihm: in Bethlehem wird er geboren und sie führen sogar einen Beleg aus der Bibel an, damals eben aus dem Alten Testament, um die Frage nach dem „wo“ zu beantworten. Du fragst, wo? Das können wir dir schon sagen: „Und du, Bethlehem im jüdischen Lands, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.“ Herodes gibt sich damit zufrieden. Das hätte er nicht tun sollen. Denn die Schriftgelehrten wussten ganz genau, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Wenn sie Herodes gesagt hätten. Was alles da steht – er hätte sie nicht mehr lebend aus dem Palast gelassen. Und nur gut, dass Herodes nicht selber nachgelesen hat. Was hätte er denn da alles gelesen? Er hätte in einen Spiegel geschaut, der dem Volk Israel schon vor Jahrhunderten vorgehalten worden war. Korrupte Könige wurden da angeklagt und ihnen gesagt, dass ihre Zeit abgelaufen ist. Nach den korrupten Herrschern kommt ein ganz anderer – und das ist für jede Regierung ein Zitterspiel, zu wissen, dass andere in den Startlöchern sitzen – und kommen! Was haben denn die Schriftgelehrten gelesen? „Du aber, Bethlehem, Efrata, klein, um unter Judas Sippen bestehen zu können, aus dir wird mir der hervorgehen, der in Israel Herrscher wird, und sein Hervorgehen ist von alters her bestimmt. Darum wird er die Sippen Judas preisgeben bis zu 91 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

der Zeit, wenn die geboren hat, die ein Kind zur Welt bringen soll. Und der Rest der Brüder des Herrschers wird umkehren zu den Israeliten. Und er wird hintreten und Hirte sein in der Kraft des Herrn, und in der Erhabenheit des Namens des Herrn, seines Gottes. So werden sie wohnen bleiben; denn nun wird er groß bis an die Enden der Erde. Und er wird der Friede sein.“7 Wir können uns vorstellen, wie die hohen Herren hinter verschlossenen Türen redeten, als die Anfrage kam und sie dies gelesen hatten. Wie gewohnt diplomatisch eröffnet der Hohepriester die Runde: SPIELSZENE: VERWIRRTE SCHRIFTGELEHRTE Kleiner Raum im Palast des Königs Herodes. Im Nabenraum wartet Herodes. Ein oder zwei Hohepriester sind anwesend, im Text steht zwei, die Rolle lässt sich aufteilen. Sechs Schriftgelehrte. Aus dem Off Herodes der Große. Das können wir ihm nicht sagen. Und selbst wenn – wichtig ist nicht, was man sagt, sondern wie man’s sagt. 1. Schriftgelehrter: Schwierig, schwierig, in der Tat. Hoherpriester:

(Pause) 2. Schriftgelehrter: Wie wäre es, wenn wir ihm nicht alles sagen? Herodes wird bestimmt nicht nachschauen. Wir sagen ihm nur, dass beim Propheten Micha etwas von dem, hm, Fürst steht, der in Bethlehem geboren wird. Er hat ja auch nur nach dem „wo“ gefragt. Bitte – das können wir ihm ja sagen! Hoherpriester: (missmutig) Er hat doch gefragt, wo der Christus geboren werden soll. Er muss doch wissen, dass der Christus ein Herrscher ist!

7

Textwiedergabe zum Teil nach Horst Seebaß, Herrscherverheißungen im Alten Testament (BThSt 19), Neukirchen-Vluyn 1992, 43, zum Teil nach Franz Delitzsch, Messianische Weissagungen in geschichtlicher Folge, Leipzig 1890, Nachdruck Gießen 1992, 112ff und frei paraphrasiert, um bei flüchtigem, einmaligen Hören verstehen zu können.

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2. Schriftgelehrter: Muss er das wissen? Vielleicht sagen wir ihm nur etwas davon, dass es ein Hirte sein soll. Dann beruhigt er sich bestimmt. Von Hirten erwartet er nichts Außergewöhnliches. 3. Schriftgelehrter: Stimmt. Die Hirten sind gewöhnliches Volk, eher dumm, verhasst, nicht sehr geachtet, Herumtreiber, die sich vor anständiger Arbeit drücken. 4. Schriftgelehrter: Andererseits war auch König David ein Hirte. 3. Schriftgelehrter: Die Zeiten sind lange vorbei. 5. Schriftgelehrter: Augenblick mal, ja? Herodes ist doch nicht dumm! So etwas weiß er. Immer, wenn es darum geht, auf wessen Thron er sitzt, führt er den Namen Davids im Mund. Hoherpriester: Überlegt euch lieber, was wir jetzt sagen. Wer von uns sagt ihm ins Gesicht: jetzt ist ein neuer König geboren worden, der dich ablösen wird – und es ist keiner aus deiner Familie! Wir werden von Herodes und seiner Familie regiert! 2. Schriftgelehrter: Ach, Herodes! Provinzkönig von Roms Gnaden. Da steckt die Macht! Und ich habe den Eindruck, dass es unser verehrter Hoherpriester nicht mit den Leuten verderben will, statt seine eigenen Landsleute zu unterstützen, die weder Herodes noch Rom anerkennen! Hoherpriester: Soll das jetzt eine politische Debatte werden? Wir waren uns doch einig, dass wir uns nicht in die Politik einmischen wollen und – 6. Schriftgelehrter: Zu spät! Das hier (tippt auf die Schriftrolle) ist politisch! Könnt ihr euch einen Herrscher vorstellen, der nicht regiert? Einen Hirten, der nicht weidet? Der seine Schafe vor die Hunde gehen lässt? Der zusieht, wenn mit seinem Land, seinem Volk, seinen Brüdern alles den Bach runtergeht? O nein, Freunde. Hier steht „… der in Israel Herrscher wird.“ Ob uns das passt oder nicht. Träumt euch nur einen Hirten zurecht, der sanft säuselnd über den Schafen schwebt. Ich komme aus einem Dorf voller Schafzüchter. In der Stadt wisst ihr nichts davon, was das heißt.

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Hoherpriester:

Und? Was sollen wir Herodes sagen? Dass ein Herr kommt, der ihn vom Thron wegfegen wird? 6. Schriftgelehrter: Ich weiß nicht, ob er ihn wegfegen wird. Die drei Männer da draußen, die von weit her kommen, sprechen ja von einem neugeborenen König. Der kann ja noch nicht alt sein. Im Gegensatz zu Herodes. Ich weiß nicht, was da läuft. Aber ich ahne, was Micha, der Prophet, gesehen hat. (sich genüsslich zurücklehnend) Und was wäre Hoherpriester: das? 6. Schriftgelehrter: Zwei Dinge verstehe ich noch nicht. Kommt der Herrscher sofort? Oder müssen wir auf ihn warten? Ist er etwa das Kind? Hat die schon geboren, die gebären soll? Das einfachste wäre, wenn jetzt diese Zeit ist, und der Herrscher geboren wird – auch wenn er erst später herrschen wird. Warten wir einfach ab und sehen wir gut hin, ob da in zwanzig, dreißig Jahren einer auftritt, wie ein Hirte, der sammelt, was zerstreut ist, der im Namen und auf Befehl Gottes handelt, an dem Gott zu erkennen sein wird, in dem, was er ist und in dem, was er tut. Wichtig wird sein, dass dieses Kind, dieser Mann das tun wird – er und nicht ein König in Jerusalem oder ein Kaiser in Rom. Und ich bin gespannt, ob dann Jerusalem oder Rom eingreifen werden, denn was er tut, wird sie herausfordern. Aber am wichtigsten ist mir, dass er der Friede sein wird. Einer, der Frieden bringt. Endgültigen Frieden. Nicht: der Friede wird kommen – sondern: er wird der Friede sein. Alles hat ein Ende vom Getriebenwerden und dem unsicheren Wohnen. Gott handelt wieder. Gottes Geschichte geht weiter. Und wenn ihr hört, dass in Bethlehem etwas geschehen ist, dann habt ihr die Bestätigung. Der, auf den wir gewartet haben, ist endlich gekommen.

(Pause) 2. Schriftgelehrter: Wenn das wahr wäre … 94 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Hoherpriester:

Am Ende auch noch Friede auf Erden oder was? Das ist zu schön, um wahr zu sein. Verehrte Kollegen, ich schätze ja, was unser junger Freund da gesagt hat. Vielleicht an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit. Aber für unseren Herodes – zu gewagt. Stellt euch vor, wir würden sagen, der von Gott Gesandte ist jetzt geboren – würde dann noch einer auf uns hören wollen? Nein, ich schließe mich dem Vorschlag von vorhin an. Wir sagen Herodes, dass Bethlehem der richtige Ort ist und dass, sagen wir, ein Fürst, kein Herrscher, kein König von dort kommen soll. Damit wird er sich zufrieden geben. Müssen. Das andere wäre einfach zu gefährlich. Ein Kind, das auf Gottes Veranlassung geboren wird. Womöglich kommt noch einer auf die Idee, es wäre Gottes Sohn! Nun – wer kommt mit?

(Herodes erhebt sich und geht mit dem 1., dem 3., 4. und 5. Schriftgelehrten aus dem Bild. Im „off“ hört man folgenden kleinen Dialog) Hoherpriester: Herodes: Hoherpriester: Herodes: Hoherpriester: Herodes: Hoherpriester:

Majestät, wir haben im Propheten Micha nachgelesen, dass der Fürst aus Bethlehem kommen wird. Aus Bethlehem? Jawohl, Majestät. Geht es ein bisschen genauer? Die heiligen Schriften sind manchmal ein wenig undeutlich, Majestät … Du musst es ja wissen. Bethlehem. Erinnert mich an was. Aber ist gut, ihr könnt euch zurückziehen. Macht aber die Tür zu. Wir danken euch, Majestät.

(Hoherpriester und Schriftgelehrte gehen durch den Raum, in dem die beiden Schriftgelehrten noch sitzen und verlassen auch diesen Raum) 2. Schriftgelehrter: (nachdem die Leute außer Hörweite sind) Was machst du jetzt, wo er dich so abgekanzelt hat? 6. Schriftgelehrter: Oh, ich gehe und suche mir einen Esel. Dann schließe ich mich den Männern mit den Kame95 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

len an. Ich will doch sehen, was sich da in Bethlehem getan hat. 2. Schriftgelehrter: Du willst tatsächlich hin? 6. Schriftgelehrter: Na klar. Hast du gehört? Die Männer haben ein so helles Licht am Himmel gesehen wie noch nie. Ein Stern. Hier bei uns. Weißt du noch, wie es in der Bileam-Geschichte heißt: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen.“ Wir wissen doch, dass Gott einmal seinen Retter senden wird. Und wir wissen, dass er in Bethlehem geboren wird. Vielleicht werde ich nicht viel sehen, vielleicht nur ein Kind. Aber ich will wissen, wer das ist und beobachten, wer daraus wird. Was er tut und wie er handelt. Und wenn er der Friede ist – dann soll er auch mein Friede sein. 2. Schriftgelehrter: Ich komme mit. Weißt du, wo ich auch einen Esel herbekommen kann?

(beide ab) Die Weihnachtsgeschichte hat Zündstoff, keine Frage. Und wir begreifen, warum. Da kommt der lebendige Gott in unsere Welt, und sie haben alle Angst, von den Mächtigen, beispielsweise Herodes bis hin zu den mächtigen Kirchenführern, wenn das Wort mal erlaubt ist, beispielsweise der Hohepriester. Weihnachten erzieht dazu, die Wahrheit zu sagen. Ja, da kommt ein Kind, mehr nicht, aber es jagt den Großen Angst ein. Ja, da kommt ein Kind, aber es ist der Sohn Gottes. Und die einen würden ihn nicht mal erkennen, wenn er vor ihnen stünde. Aber die anderen, die machen sich auf den Weg. Auf einem Esel vielleicht, auch das bevorzugte Reittier derer, die nicht mit Macht kommen. Auf einem Esel wird Jesus Christus später in Jerusalem einreiten, auch als der Ohn-Mächtige, der aber als einziger die Macht hat. Mehr als Könige und schriftgelehrte Besserwisser. Auf diesen König kommt es an, ob er als kleines Kind in der Krippe liegt oder auf dem Weg zu uns ist. Amen.

LIED „Gelobet seist du, Jesu Christ“ (EG 23, 1–4)

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FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, wir täuschen uns, wenn wir nur klein von Dir denken. Wir täuschen uns und andere, wenn wir so tun, Du wärst ewig ein Kind geblieben. Wir täuschen uns, wenn wir so handeln, als hätten wir nur ein Kind hinter uns. Es ist kein Glaube, nur an das Kind zu denken, es ist Unglaube, den Mann dahinter nicht sehen zu wollen. Nimm uns mit auf Deinen Weg. Und lass auch diejenigen nicht im Schatten des Todes sitzen, die nicht sehen wollen, wer Du bist. Lass Dein Angesicht leuchten, lass Dein Licht leuchten, jetzt, wo es in der Fülle der Lichter verschwimmt. Und lass es auch in den Menschen hell werden, die Dir nicht mehr glauben wollen. Du veränderst. Du hilfst. Du machst heil. Dafür bist Du gekommen. Amen. VATERUNSER SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Also liebt Gott die arge Welt – Weihnachtsspiel an vier Sonn- oder Feiertagen

IV. Ratlose Weise GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED „O König aller Ehren“ (EG 71, 1–3) EINGANGSVOTUM Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. ABKÜNDIGUNGEN LIED „Auf, Seele, auf und säume nicht“ (EG 73, 1–6) GEBET Herr Jesus Christus, Du kommst mitten in die Welt, in Deine Welt, als König unter Einflussreiche und Mächtige. Aber Du kommst in Ohnmacht, als Kind, mit dem die Mächtigen umgehen wollen, wie sie wollen. Du teilst unser Geschick, angreifbar und verletzbar zu sein. Aber – Du lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. LESUNG Mt 2,9–12 GLAUBENSBEKENNTNIS LIED „O Bethlehem, du kleine Stadt“ (EG 55, 1–3)

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SPIELSZENE: RATLOSE WEISE Das Problem der Szene ist, dass üblicherweise der „Ritt“ der Weisen ausfällt und immer nur die Aufenthalte im Stall bzw. im Palast Eingang in die Krippenspiele finden. Möglich wäre ein auch ein Schattenspiel hinter einer weißer Decke oder ein reines Hör-spiel (es ist ja Nacht) mit „Einblenden“ des Sterns an entsprechender Stelle. 1. Weiser: Ich glaube, wir sind jetzt außer Hörweite. Was haltet ihr von Herodes? 2. Weiser: Ich weiß es nicht. 3. Weiser: Das Ganze ging mir auch zu schnell. 1. Weiser: Ich war überrascht, dass das Kind nicht im Palast geboren ist. 2. Weiser: Ja, aber wo denn sonst? Schon die Stellung der Planeten, ein künftiger König der Juden – wo sollte er anders geboren werden wenn nicht im Königshaus in Jerusalem? 1. Weiser: Aber dass er völlig unwissend war? 2. Weiser: Der Stallknecht war fassungslos, als ich ihm sagte, wir suchen einen neugeborenen König. 3. Weiser: Sie haben alle Angst vor ihm! 2. Weiser: Ja, keine Ehrfurcht, sondern Angst. 1. Weiser: Nennt man ihn nicht „Herodes den Großen“? 2. Weiser: Ja, wegen seines unglaublichen Tempelbaus. 3. Weiser: Und trotzdem liebt ihn das Volk nicht. Sie haben Angst vor ihm. 2. Weiser: Wenn er einen Sohn hätte, der müsste gegen den Schatten eines großen Vaters ankämpfen. Seine Leute würden ihn nicht lieben. 1. Weiser: Ich denke, er hat Söhne! 2. Weiser: Hat er ja auch, aber die scheinen unsichtbar zu sein, er hat keinen hereingerufen. 1. Weiser: Wie er uns zuerst beschimpft hat – ich hätte Lust gehabt, diesen Ort auf der Stelle zu verlassen. 2. Weiser: Ich auch. Doch – ich glaube, er hatte keine Ahnung, was vorging. 3. Weiser: Mit den Gelehrten der Schrift hat er sich lange unterhalten. Schade, dass wir nicht mitreden durften. 2. Weiser: Ja, aber hast du bemerkt, wie der Gelehrte aussah, der das Wort aus den heiligen Schriften vortrug? Auch er hatte Angst. 1. Weiser: Und danach war Herodes wie verwandelt. 2. Weiser: Ja, ich habe ihn nicht wiedererkannt. 99 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

1. Weiser: Wie ein Chamäleon – ich wusste bloß nicht, welches seine wahre Seite ist. Er wirkte so – echt. 3. Weiser: Das war mir auch aufgefallen. Er hat uns beschworen, dass wir wiederkommen und ihm berichten. 2. Weiser: Aber er könnte doch selbst hin reiten. 1. Weiser: Was – er? Ein König? Dafür hat er doch seine Leute. 2. Weiser: Ob die wissen dürfen, was er sucht? Immerhin geht es um einen neugeborenen König. 3. Weiser: Er könnte einen seiner Söhne hinschicken. 2. Weiser: Und dann? Ob der den neuen nicht gleich umbringen würde? 1. Weiser: Ob das Herodes nicht sowieso tut? 2. Weiser: Ich will ja nicht alles schwarz malen – aber weiß einer von euch, wo Bethlehem liegt? Vorhin war es ja alles ganz gut, da leuchtete der Stern, aber jetzt? Es ist eine mondlose Nacht, die paar Sternchen zeigen einem nicht viel. 1. Weiser: Du hast recht. Sollten wir nicht absteigen und die Nacht verstreichen lassen? 3. Weiser: Also, wenn ich Herodes wäre, ich würde meine Leute ausschicken, die diese Gegend kennen, die vor uns da sind und das Kind umbringen. 2. Weiser: Ob er das tut? 1. Weiser: Ich fürchte ja. 2. Weiser: Was machen wir dann? 3. Weiser: Beten. Weiterziehen. Zurückgehen, irgendwen fragen. 1. Weiser: Jetzt? Mitten in der Nacht? (spielt einen Dialog mit verteilten Rollen) „Verzeihung, wir sind drei ausländische Gelehrte und wollen nach Bethlehem?“ – „Ja, liebe Herren, warum tut ihr das denn nicht bei Tage? Seid ihr Spione?“ – „Nein, wir sind Sterndeuter und suchen einen neugeborenen König!“ – „Ja, da solltet ihr bei Herodes vorbei!“ – „Von dem kommen wir gerade, wir haben den Eindruck, er will den neugeborenen König umbringen!“ – Was glaubst du, was wir für eine Figur abgeben! Nein, wir können nicht auf Hilfe hoffen. Freunde, ich fürchte, wir können nichts tun.

(kurze Pause, der 3. Weise zeigt – wenn es gespielt wird – plötzlich aufgeregt in eine Richtung) 3. Weiser: 2. Weiser: 1. Weiser: 3. Weiser:

Da!! Was? Wo? Dahinten?

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2. Weiser: Hinter uns? 1. Weiser: Ja! Der Stern! Wir sind in die falsche Richtung geritten. Da ist der Stern. 2. Weiser: Wisst ihr, was das bedeutet? 1. Weiser: Wir sind gerettet! 3. Weiser: Wir wissen wieder, wo es lang geht. Wir werden vor Herodes da sein. Freunde, es geht weiter!

LIED „Stern über Bethlehem“ (EG 546, 1–4) PREDIGT mit Mt 2,7–12 „Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr‘s findet, so sagt mir‘s wieder, dass auch ich komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. Und Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg wieder in ihr Land.“ Liebe Gemeinde, rat-lose Weise, Sterndeuter, die ihre Lage nicht deuten können – was ist da los? Was haben die Weisen wohl gedacht, als sie in den Palast kamen – und feststellen mussten, dass das nicht der richtige Ort war? Und wer ist Herodes, Herodes der Große? Kann man ihm trauen? Nein, bestimmt nicht. Wenn es einen neuen König gibt, dann hat der alte abgewirtschaftet. Und niemand ist so zornig wie einer, der schon angezählt ist. Warum haben sie ihm auch alles erzählt? Sind die so gutgläubig, die Herren aus dem Osten, aus dem Morgenland, wie wir es nennen, weil da die Sonne zuerst aufgeht – jedenfalls eher als bei uns? Ihnen ist ein Licht aufgegangen, und jetzt denken sie, ein Irrlicht muss das gewesen sein, der Weg war falsch, es gibt keinen neuen König, jedenfalls nicht hier. Aber in Bethlehem. Bethlehem. Wieso?

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Weil das nicht in den Sternen steht, sondern in der Bibel, in der Heiligen Schrift. Das hat nichts mit Würfeln, Karten legen und Sternstellungen zu tun. Da sind die Würfel schon andernorts gefallen, eine Karte ist dann nur als Landkarte zu gebrauchen und der Stern – ja, der erscheint dann auch wieder. Als sie endlich auf dem richtigen Weg sind. Und da brauchten sie nur den Stern, sondern die Weisung aus der Bibel. Die hätten alle. Die Schriftgelehrten, Herodes, die Weisen – aber nur die Weisen machen sich auf. Nur sie machen sich auf den Weg, das neugeborene Kind zu suchen. Den neugeborenen König. Endlich sehen sie den Stern wieder. Und gehen weiter. Und finden das Kind. Und Maria, seine Mutter. Von Josef steht nichts da, sei’s drum, die Väter nehmen es gelassen. Die Weisen fallen nieder. Sie beten Jesus Christus an. Da brauchen sie keine Sterne mehr. Da wissen sie: das ist der Richtige. Gold, ein königliches Geschenk. Weihrauch, ein göttliches Geschenk. Eine Prise Weihrauch ins Feuer, das ist in der alten Zeit die Art, wie man einen Gott anbetet und ihm opfert. Und Myrrhe – das ist das seltsame Geschenk, zum Salben, zum Begräbnis, kostbar und seinen Schatten weit voraus werfend. Aber damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Die Weisen sind nicht nur vor Herodes da, sie werden ihm auch nicht wieder begegnen. Gott hat dafür gesorgt. Er erscheint ihnen im Traum. Macht einen großen Bogen um Herodes. Sie ziehen auf einem anderen Weg wieder in ihr Land. Herodes soll es nicht erfahren. Das Kind wird geschützt, die Familie auch – und ebenso die Weisen. Was sie sich dabei gedacht haben, was später kam, ob sie Jesus je wieder begegnet sind, darüber sind viel spekulierende Bücher geschrieben und Filme gedreht worden. Ganz nett, wenn’s gut gemacht ist. Diese erste Begegnung ist nicht ohne Folgen. Im Gegensatz zu Herodes, der in Jesus nur einen unbequemen Anwärter auf seinen Thron sieht, erkennen die Weisen: das ist Gottes Sohn. Sie beten ihn an. Und damit sind sie die ersten, die aus welchen Ländern auch immer zu Jesus Christus finden, „Heiden“, wie das die Bibel nennt. Menschen, die von Haus aus nicht dazugehören. Aber in Jesus Christus den finden, den sie gesucht haben, auf dessen Spur Gott sie gebracht hat – und sei es durch so etwas Unmögliches, Unglaubliches, Mehrdeutiges wie einen Stern. Amen.

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LIED „Die Weisen aus dem Morgenland“ (EG 553, 1–4) FÜRBITTENGEBET Herr Jesus Christus, Du bist zu uns gekommen. Als einer von uns, als einer von denen, die eben nichts zu sagen haben, die oft genug an dem verzweifeln, was um sie herum geschieht. Du kommst zu uns, in unser Leben. Du kommst in unsere Familien, in alle Sorgen, in alles Ungewisse, gehst mit uns durch die Tücken des Alltags wie des Berufes. Du kennst auch alle, die krank sind, die sich heute nicht freuen können. Du weißt, was ihnen auf der Seele liegt, auch die Sorge für ihre Angehörigen, wo sie auch sind, in den Krankenhäusern, in den Pflegeheimen oder weit weg. Und Du kommst in unsere Freude – mit Deiner Freude. Du kommst, mit uns zu feiern. Du bist der Grund, warum wir feiern und uns freuen. Du bist der Herr, der nicht groß bleiben wollte, sondern klein wurde, ein Kind wie so viele, ein Armer wie so viele, einer, der unser Leben teilen will. Du vergisst uns nicht. Schenke uns die Dankbarkeit, das auch nicht zu vergessen – und auch die vielen nicht, für die Du auch gekommen bist. Amen.

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Überraschung in Camp David

Vorbemerkung: Seit mehr als 20 Jahren reizt mich der Gedanke, ein Stück zu schreiben, das eine einheitliche Zeit und entsprechenden Raum und Handlung voraussetzt (die sogenannten „Aristotelischen Forderungen“ – auf Neudeutsch heißt das „in Echtzeit“). Zudem sollten (ausschließlich) die „Großen“ ran, was im Kreise der Familienväter auch konkret Gestalt annahm. Gedacht ist an folgendes Szenario: (= Vorhang, span. Wand o.ä.) Theke und zwei quadratische Tische (in der Kirche steht ja auch meist ein Weihnachtsbaum an Heilig Abend …)

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Vorhang (= Off)

The k

Vorhang (= Off) Tisch

und an das – aus ersten Bemerkungen zu folgernden – Festhalten an einem Ort, noch dazu dem ungastlichen Ort des Gasthofes, der „Herberge“, die keinen Raum für die Geburt Jesu bot. Ein Wirtshausschild kennzeichnet diesen Raum als „Camp David“ (wieder ein Anachronismus, aber ein bezeichnender!).

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Die Handlung wird im Wesentlichen von vier Personen getragen, um einerseits dem knappen Raum Rechnung zu tragen, andererseits die Möglichkeit zu haben, wesentliche Teile der Handlung „im Off“ spielen zu lassen, um sie dann berichten zu lassen – und damit eben ein beachtliches Element des Evangeliums (mündlicher Bericht auf dem Hintergrund der Augenzeugen) schon in dieser Geschichte zu haben. Personen – Charaktere J.J.

angepasst, skeptisch. Mag keine Römer, gehört aber nicht zu den politischen Umstürzlern. Nebeneffekte der Volkszählung sind ihm schlimmer als die Volkszählung selbst. Was soll’s, er selbst wohnt mit Frau Sara am Ort, er stammt von dort, er muss nicht aufbrechen. Versucht, seinen Ärger zu ersäufen. Zaghaften Ansätzen göttlichen Eingreifens begegnet er mit Skepsis.

Ben

Kneipenwirt des „Camp David“, auf Ausgleich bedacht. Hat Verständnis für Zeloten, aber nicht in seiner Kneipe. Bewundert seine Frau Rebekka („Becky“) für Dinge, die er selbst nicht versteht. Hilfsbereit, vermittelnd, bemüht.

Simson

Hitzkopf wie der Richter gleichen Namens. Einzelgänger mit Römerhass. Kennt sich in der Schrift aus und ist wie verwandelt, als er vom Feld zurückkommt.

Gilead

Zelot, aber geheim. Bürgerlich Hirte wie Simson. Weitblickend, auf seine Chance wartend.

Rebekka

Sagt nicht viel, aber wir erfahren über sie sehr viel. Hilfsbereit mit großem Interesse an der Verwandtschaft und an dem Handeln Gottes.

Maria

Ganz die werdende Mutter.

P.S.:

Nur Nebenrollen für die Frauen? Weit gefehlt, eher Rücksicht auf die Doppelbelastung. Und: wie würden sie sich in der Kneipenumgebung wohl fühlen? Na also. Und wer kommt bei alledem am besten weg? Na also. Schließlich: beide Frauenrollen lassen sich aus dem „Off“ von einer Frau sprechen.

Noch ein P.S. zu den verwendeten Namen: SIMSON, wie der langhaarige Richter, vertritt den Typus des leicht cholerischen Beteiligten an diesem Spiel, was sich auf die Rollenbesetzung nicht auswirken soll. MARIA ist urbiblisch. GILEAD ist ein Stammesname, die amerikanische Abkürzung „Gilli“ möge man mir verzeihen. Ebenso trifft es REBEKKA, wenn

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sie respektlos „Becky“ genannt wird. Bleiben BEN und J.J. Bei J.J. wähle ich die Abkürzung eines Namens, der ausgeschrieben vielleicht „Juda Ben Jakob“, „Juda, Sohn des Jakob“ hätte lauten können. Aber was J.J. im Spiel recht ist, andere Namen zu verkürzen, sollte ihm selbst billig sein. BEN heißt ja einfach „Sohn“ oder „Sohn des“ (in Ben-Jamin, Sohn des Glücks, lebt das ja direkt fort!). Ich wollte ihn als Kneipenwirt „Sohn des Starkgetränks“ nennen (Ben-Schekar), was aber zu lang wäre. Also einfach BEN. *****

GLOCKENGELÄUTE ORGELVORSPIEL LIED (event. Duett) „Der Heiland ist geboren“ (EG 49) BEGRÜSSUNG ABKÜNDIGUNGEN Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Unsere Hilfe steht im Namen des HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat. EINGANGSVOTUM LIED „Kommet, ihr Hirten“ (EG 48, 1–3) GEBET Allmächtiger, ewiger Gott und Vater, arm bist du geworden. Keinen Reichtum, keine Macht werden wir finden bei dem Kind in der Krippe, im Stall. Aber wir wissen, du bist arm geworden, um unsere Leben zu teilen. Aber du willst uns nicht lassen, so wie Du uns vorgefunden hast, sondern deinen Reichtum willst du uns schenken. Glaube, Hoffnung und Liebe. Herr, wir bitten dich fülle unsere leeren Hände und Herzen mit deinen Gaben. Amen. LESUNG Jes 9,1–6 MUSIKALISCHES ZWISCHENSPIEL

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LESUNG Lk 2,1–20 WEIHNACHTSSPIEL: ÜBERRASCHUNG IN CAMP DAVID Abends in „Camp David“. Hinter der Theke Ben, davor J.J., trinkend. Am Nebentisch Simson und Gilead, teils wild gestikulierend, teils erhitzt, aber gedämpft redend. J.J.: Ben: J.J.: Ben: J.J.: Ben:

(zu Ben) Noch einen Becher voll! Meinst du nicht, dass du genug hast? Ich könnte baden in dem Zeug. Ich geh’ heut’ sowieso nicht mehr nach hause. Solltest du aber. Ich habe kein Zimmer mehr für dich frei. Und ich zuhause auch nicht. Sara hat sogar die Rumpelkammer für die Verwandtschaft geräumt. Du bist bestimmt der einzige, der an der Volkszählung verdient. (verlegen) Na ja, als einziges Gasthaus in Bethlehem …

(am Nebentisch eskaliert der bislang unverständliche Dialog) – Simson: Gilead: Simson: Gilead: Simson:

Ben: Simson: Gilead: Simson: Gilead:

Draufhauen, sag ich, draufhauen! Bist du verrückt oder was? Rom hat seine Spione überall! Trotzdem draufhauen! Wird Zeit, dass einer die Römer verjagt! Aber nicht mit Wein im Hirn! Wenn du wieder klar bist (verschwörerisch), dann nehme ich dich nächste Woche mal mit nach Jerusalem – Ach was, dummes Zeug! Wir müssen handeln. Rom ist geschwächt. Überall, auch in jedem Kaff hier sind ein paar Leute. Wenn wir schnell genug handeln, haben wir sie vor Wochenende – (macht Handbewegung für „Kopf ab“ am Hals) (beeilt sich) So, die Herren, noch zwei Becher und (betont) friedlichen Abend! Dass ich nicht lache. (trink schluckweise und philosophiert) Friedlich. – Friede. – Pax Augusta. – Friede des Augustus, erhabener Gottkaiser – (zeitgleich mit den letzten Worten Gileads) Verflucht sein Name! – in Babylon. Friede auf Erden. Friede seinem vollen Bauch. Friede seiner Asche. 107 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

(mit Angstschweiß) Aber, aber, meine Herren. Wenn dieser Laden hier dicht macht, wo wollt ihr dann noch euren Rotwein trinken? Genießt den Abend … (nach hinten rufend) Rebekka? – – – Be-cky? – – – Noch was warmes Leckeres an Tisch zwei! Rebekka: (glockenhell, aus dem Off ) Ja-ha, gla-heich! J.J.: (nach Pause, eigentlich zu sich selbst) Was für Menschenmengen. Und alles meine Verwandtschaft. Wer bitte? Onkel Gad? Sehr angenehm. Tante Rahel? Meine Tante Rahel? Tatsächlich? Ach, aus Kapernaum! Kein besonders frommes Pflaster, was? Vetter Andreas? Immer noch auf gutem Fuß mit seinen Römerfreunden? Großtante Lea? (tut, als hätte sie es nicht gehört, wiederholt) Großtan-te-Le-a? Nur auf Beerdigungen und Volkszählungen, was? Ben: (stellt einen Becher hin, etwas nervös) Hier, auf Kosten des Hauses. Und schwafel etwas leiser, ja? Großtante Lea schläft oben (zeigt hin) und hört besser als wir beide. Sie hatte reserviert, da wusste ich noch nicht mal was von der Zählung! (Holt das „Warme“ für Tisch zwei aus dem „Off“ und bringt es Gilead und Simson) J.J.: Hoffentlich zahlt sie. Sonst bleibt es an mir hängen. Ben:

(es klopft) Kundschaft! (Geht zum Vorhang, betrachtet die, die davor im „Off“ stehen) Na, was wollt ihr denn hier um diese Zeit?! Maria: (bedrückt, eher tiefe Stimme, im Off ) Habt ihr noch was frei? Ich weiß, es ist spät, und sonst gibt es auch nichts, aber wir brauchen diese Nacht dringend einen warmen Platz! Ben: Puh! An Hochschwangere hat Rom bei diesem Zirkus wohl nicht gedacht, was? Bedaure, kein Zimmer frei. Ich müsste höchstens Großtante Lea aus ihrem – nein, wohl nicht. Aber – (überlegt, plötzliche Idee, Fingerschnippen oder ähnlich) – im Stall! Warm ist der. Hinten, am Ende des Weges, immer dem Geruch nach. (In andere Richtung:) Becky? Bringst du nachher mal warmes Wasser und ein paar Tücher in den Stall? Rebekka: (im Off ) Waaas?? Ben:

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Ben: Maria: Ben:

Erklär’ ich dir später! (Zu Maria ins Off:) Geht schnell, Brot ist auch noch da, vielleicht für später! Danke! (Ab.) Schon gut! (Geht wieder an die Theke) Wieder ein Kind, was in Bethlehem geboren wird …

(Gilead und Simson haben den letzten Satz gehört, verstummen, blicken sich an) Gilead: Simson:

Gilead: Simson: Ben:

Gilead: Simson:

(beschwichtigend) Denk es nicht einmal! Und warum nicht? Dir ist es ja doch auch eingefallen! (Ironisch-verzückt rezitierend, bei Kernworten auch mit Zeigefinger auf Tischplatte unterstützend) „Und du, Bethlehem, Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir wird mir der kommen, der in Israel – Herr sei …“ Ja, ja, später mal, irgendwann vielleicht, in kommenden Zeiten … Wer von uns will denn mit den Zeloten dafür sorgen, dass – (in höchster Eile, aber mit gebietender Autorität) Schsch. Ruhe! Nicht hier! Im übrigen ist es Zeit für euch! Löst eure Tagesschicht auf dem Feld ab! Unter freiem Himmel kommt ihr auf andere Gedanken. Hast recht. (Steht auf ) Ab aufs Feld! (ebenfalls aufgestanden) Schalom!

(die beiden gehen) J.J.: Ben: J.J.:

Schalom, Simson. Dein vorlauter Schnabel wird dich noch mal ans Kreuz bringen. Ruhe jetzt! (Geht kurz ins Off ) (trinkt zwischendurch immer wieder mal einen Schluck. Selbstgespräch mit viel Ruhe, Gähnen, Ironie und Zynismus, nur gelegentlich aufbrausend) Ja, ja, Grabesruhe. „Alles, was ich hier so peile, ist die blanke Langeweile.“ – „Nichts gewesen außer Spesen, bleibt mir nur der Platz am Tresen“ hab ich irgendwo gelesen. Nichts los hier am Ende der Welt. Bethlehem ist Vergangenheit. Große – Vergangenheit. Glorreiche – Vergangenheit. David? Oh ja, schon gehört. König, oder? (Zieht die Luft deutlich hörbar durch die Nase ein) Davidisches Großreich. Ließ sich an einem Tag nicht durchreiten. Heute etwas geschrumpft. Aber David? (Nickt anerkennend) Keiner 109 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ben:

J.J.: Ben:

J.J.: Ben: J.J.: Ben:

wie er – aber groß ist seine Sippe. (Unmerklich mehr und mehr zum Publikum gedreht) Der ganze Haufen ist heute hier und lässt sich zählen. (Schüttelt den Kopf ) Unvorstellbar viele Königsnachkommen, die nichts mehr von ihrem Glück wissen wollen. Zufälle gibt’s … Alles vorbei. Israel vorbei. Gott vorbei. Zusagen vorbei. Hier zählt Rom. Hier zahlt Rom. Rom zahlt Leute, Rom zählt Leute, Steuern, Leichen. Ende der Vorstellung. Vorhang fällt. (irgendwann im Monolog zurückgekommen) Lass das Becky nicht hören. Die ist ganz hibbelig. Die behauptet das Gegenteil. Seitdem Großtante Elisabeth Mutter geworden ist, rechnet sie fest mit einer neuen Zeit. Was, die alte Elisabeth hat ein Kind? Wusstest du das nicht? Macht doch seit Monaten die Runde. Johannes heißt er. Becky hat ihn selbst auf dem Arm gehabt. Soll ganz für Gott da sein, der Kleine. Keine Rasur, kein Alkohol. Dann wird er hier kein Stammgast! (unbeeindruckt) Und dem Herrn soll er vorausgehen. Wem – Gott? Keine Ahnung, vielleicht. Aber die Frauen machen da ein Staatsgeheimnis draus. Hat was mit einem anderen Kind zu tun.

(die beiden schauen sich vielsagend nickend an)

J.J.: Ben: J.J.:

Genaues weiß ich nicht. Simson hat da ja (zeigt auf dessen Tisch) auch was zu gesagt. Ich weiß nicht so recht. Zu schön, um wahr zu sein. Vielleicht gibt es ja doch noch Wunder. Zeichen und Wunder, ja, hat Becky auch gesagt. Das Kind ist ein Zeichen, ein Wunder. Vielleicht ist die Zeit ja reif für Großes. Wäre ja was. Ob außer Becky noch einer drauf wartet? – Stell dir vor, Gott handelt, und keiner merkt es?! Stell dir vor, Gott handelt hier am Ende der Welt – und keiner weiß was davon?

(Tumult draußen) Hey, was ist da los?

(Gilead und Simson stürmen herein)

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Gilead und Simson: (durcheinander) Das glaubt ihr nicht – das gibt’s nicht – da fallt ihr um! Ben: Setzt euch erst mal, was ist denn los? Simson: Verrückt ist das, total! Gilead: Ich glaub, ich spinne! J.J.: Gilli, was ist denn? So kenn’ ich dich gar nicht! Gilead: Hier! Mann! In Bethlehem! Das ist zu viel! Simson: Wir waren da, bei dir (zeigt auf Ben) im Stall! Gilead: Wir waren gerade auf dem Feld, da kam ein Engel. Simson: Einer? Hunderte! J.J.: Wie sahen sie aus? Simson: Unwichtig! Alles war hell, klar, gewaltig! Gilead: Mann, was sind wir zusammengezuckt! Simson: „Fürchtet euch nicht!“, sagte einer, „kein Grund zur Furcht, es geht um eine Riesenfreude, die allen Völkern gilt!“ Ben: Allen Völkern? Auch den Römern?

(Simson und Gilead schauen sich überrascht an) Gilead:

Simson:

Gilead: Ben: Simson: J.J.: Gilead: J.J.:

(schulterzuckend) Bestimmt auch denen. Hört mal weiter: „Euch ist heute der Retter geboren.“ Das klingt mir noch so im Ohr: „Euch ist heute der Retter geboren, der Christus, der Herr in der Stadt Davids.“ Hört ihr? Bethlehem! Hier, heute! Und dann sagte er: „Daran sollt ihr ihn erkennen: ihr werdet das Kind in Windeln gewickelt finden, in einer Krippe!“ Na, da fiel uns doch die Frau von vorhin ein. Maria heißt sie. Und Josef – ihr wisst schon, der Josef – der saß dabei. Und in der Krippe, ganz korrekt, das Kind. Jesus heißt er. Die waren ganz verdutzt, als wir reinkamen. Und jetzt müssen wir los, das allen erzählen. Noch diese Nacht. Das muss Becky hören. Die weiß es schon, sie ist noch im Stall. Mal Ruhe, Freunde. Der Reihe nach. Ihr glaubt also, am Himmel eine Erscheinung gesehen zu haben – Willst du eins aufs Auge oder was? Wir wissen, was wir gesehen und gehört haben. Demgegenüber bist du hier praktisch gar nicht vorhanden. (zuckte zurück) Halblang, Gilli. Der Engel oder so etwas hat doch was von Freude gesagt.

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Simson: J.J.: Gilead:

Ben: Simson:

Ben: Gilead:

Große Freude, Mann. Für alle Völker, uns ist der Retter geboren, Christus, in der Stadt Davids. Und an seinem Zeichen haben wir ihn gefunden. Ein Kind habt ihr gefunden. Verstehst du nicht? Ein Anfang, aber der Christus ist da. Geh da runter und schau ihn dir an, schau, ob ich recht habe, überzeug dich selbst. Das ist Gottes Sohn, wart’s nur ab! Ich wüsste mal gerne, wie das zur großen Freude der Völker wird. Bei dir muss immer alles erst fertig sein, bevor du dich freust. Wenn deine Becky dir sagt: „Komm, Ben, ruh dich aus, ich bring dir was zu essen und zu trinken“ – musst du dann erst faul rumliegen und platzen, bist du dich freust, oder reichen die freundlichen Worte deiner Frau? Große Freude für alle, das waren seine Worte. Schon, aber wenn’s bloß Worte bleiben? Mann, bist du schwerfällig! In deinem Stall liegt das Kind. Geh doch hin und sieh selbst. Glaubst du, dass Gott halbe Sachen macht? Sein Retter wird schon noch groß, verlass dich drauf. Und jetzt müssen wir zu den anderen, damit die auch kommen und hören und sehen, dass ihnen Hören und Sehen vergeht. Kommt mit!

(Alle verlassen die Bühne und gehen ins Off ) LIED „Hört der Engel helle Lieder“ (EG 54, 1–3) PREDIGT mit Jes 35,3–6 „Macht die erschlafften Hände wieder stark, die zitternden Knie wieder fest! Ruft den verzagten Herzen zu: »Fasst wieder Mut! Habt keine Angst! Dort kommt euer Gott! Er selber kommt, er will euch befreien; er übt Vergeltung an euren Feinden.« Dann können die Blinden wieder sehen und die Tauben wieder hören. Dann springt der Gelähmte wie ein Hirsch und der Stumme jubelt vor Freude.“ Liebe Gemeinde, diese Worte des Propheten Jesaja würde ich am liebsten den beiden Zweiflern zurufen, die die Botschaft der beiden Hirten nur voller Skepsis hören können. Die auch selber noch nicht, wie die beiden Hirten, beim Kind im Stall waren. 112 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ben, der Kneipenwirt – gespielt von Kevin – ist hin- und hergerissen. Seine Frau Rebecca, die von Conny ihre Stimme geliehen bekam, erwartet große Dinge. Denn Elisabeth, die solange ungewollt kinderlos war, hat in hohem Alter noch ein Kind bekommen, Johannes den Täufer. Für ihn, für Ben, den Kneipenwirt, ist das natürlich „Frauenkram“. „Die Frauen machen da ein Staatsgeheimnis draus.“ Er selbst bleibt unbeeindruckt. „Ein Kind? Ich wüsste mal gerne, wie das zur großen Freude für die Völker wird.“ Und auch der andere, der Mann am Tresen, der von meinem Mann gespielt wurde, ist nicht so einfach zu überzeugen. „Ein Kind habt ihr gefunden.“ Ein Kind, was will das schon heißen, so viele Kinder werden täglich geboren … Da ist das Kind, das Maria zur Welt bringt – ihre Stimme kam übrigens von Alexandra – scheinbar nur eines wie jedes andere auch. Ja, alle Zweifler und Skeptiker sind heute Abend in bester Gesellschaft und sicher gibt es auch unter uns genügend, die zwar Kerzen anzünden und „Stille Nacht“ singen, die sich aber genauso wenig – wie die beiden in dem Stück – vorstellen können, dass das Heil der Welt und das Licht für die Völker von einem Kind, in einer Krippe herkommen soll. Aber, wie sagte doch der Herr am Tresen noch: „Stell dir vor, Gott handelt, und keiner merkt es? Stell dir vor, Gott handelt hier am Ende der Welt – und keiner weiß was davon?“ Und ich möchte ergänzen: Stell dir vor, Gott käme als Mensch in diese Welt. Und stell dir vor, er käme so wie alle Menschen auf die Welt kommen, ganz klein, ganz rot, ganz knautschig und – ganz hilflos. Das wäre kaum zu glauben – genau, wie der Hirte, den Christine gespielt hat, gesagt hat: „Das glaubt ihr nicht, das gibt’s nicht, da fallt ihr um. … Verrückt ist das, total!“ Unfassbar, aber wahr. Im Berufsleben gibt es kaum ein größeres Kompliment als das, dass einer sein Handwerk von der Picke auf gelernt hat. Das einer selbst die allereinfachsten und auch die unangenehmen und schmutzigen Tätigkeiten nicht gescheut hat und wirklich alles in seinem Metier kennt. Und andererseits ist kaum ein Urteil z.B. über einen Politiker vernichtender als das, dass er sich von der Basis entfernt hat, von den Sorgen und Nöten der einfachen Menschen. Dass Macht und Geld ihn verändert und korrumpiert haben. (Und weil sie das weiß, löscht eine Politikerin dann schnell Fotos von sich, die sie bei einem Hummeressen zeigen.)

113 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Weihnachten dagegen ist das Fest des Staunens darüber, dass Gott in seiner Liebe so weit geht, ein Leben als Mensch zu führen. Menschliches Leben sozusagen „von der Pike auf“, also von Geburt an kennen zu lernen. Während wir Menschen im Guten wie im Schlechten einen Drang zum Höheren haben, ist es bei Gott umgekehrt. Ihn, den Höchsten, zieht es in die Tiefe. Ihn, den mächtigen Schöpfer, hält es nicht im Himmel. Denn, wo wir eine Sehnsucht nach dem sozialen Aufstieg, der Gesellschaft der Reichen und Schönen haben, hat er eine Schwäche für das Schwache und wählt den Weg nach unten. „Seht, da ist euer Gott.“ Da in der Krippe! Das Kind im Stall! „Seht, da ist euer Gott.“ So ist er zu euch gekommen. Wenn euch einer versteht, dann er. Meist ist es ja so, dass wir uns am besten von denen verstanden fühlen, die das Gleiche wie wir erlebt haben. Die junge Mutter merkt die gleichen Freuden, Fragen und Sorgen bei den anderen Frauen in der Krabbelgruppe. Der Tumorpatient merkt Verständnis bei seinem Zimmernachbarn in der Klinik, der die gleiche Angst durchlebt hat. „Seht, da ist euer Gott, ihm könnt ihr vertrauen!“ Hier in dem Kind ist er da. Wenn Sie so wollen „ganz nahe dran an der Basis“, an den Sorgen und Nöten der kleinen Leute, weil er selber als einer von ihnen geboren wurde. Deswegen sieht man so wenig. Eben nur ein Kind. Keine Macht, keine Umwälzung der Verhältnisse, die wir uns von Gott erhofft hätten. Aber Gilead, der Hirte, den Jens gespielt hat, bringt es genau auf den Punkt: „Glaubst du das Gott halbe Sachen macht? Sein Retter wird schon noch groß, verlass dich drauf!“ Und er verweist damit auf die Zukunft des Kindes, und wir hören die Worte des Propheten Jesaja dabei wieder mit: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken.“ Nicht nur beobachtend, sondern auch helfend, heilend, wird Jesus als Wanderprediger auftreten. Und es werden genau diese Zeichen und Wunder geschehen, die andere aufhorchen lassen: Er ist mehr als ein Mensch. Wer ihm begegnet, begegnet Gott. „Seht, da ist euer Gott.“ Da wo er immer besonders fern scheint, bei den Kranken, Schwachen, den Armen und Leidenden, da ist er seit Weihnachten besonders nahe. Und er 114 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

gibt nicht nur etwas, sondern er kommt selbst, schenkt sich selbst, in seinem Sohn. „Stärket die müden Hände und macht fest die wankenden Knie!“ Der Prophet Jesaja wusste genau wovon er redete. Krisenzeiten gibt es immer in jedem Leben. Dieser Zuspruch des Propheten lag für die Menschen, zu denen er sprach, in ferner Zukunft. Für uns heute ist es ganz anders und doch ähnlich, fast umgekehrt. Für uns heute liegt sowohl die Botschaft des Jesaja genauso wie das Kommen Jesu in ferner Vergangenheit. Es ist so lange her. – So lange wie für den Mann am Tresen die alten Verheißungen: „Bethlehem ist Vergangenheit. … Glorreiche Vergangenheit. David. O ja … alles vorbei. Israel vorbei. Gott vorbei. Zusagen vorbei.“ Und dann kam doch alles ganz anders. Nichts war vorbei, nichts Vergangenheit – denn im Stall nebenan wurde das Kind geboren. Von daher können wir alle diesen Zuspruch des Propheten wirklich gebrauchen, denn müde, verzagt und abgehetzt sind wir fast alle. Viele kennen diese Müdigkeit, die sich nicht mir ein paar Stunden Schlaf und einer starken Tasse Kaffee beseitigen lässt. Die Müdigkeit, die mit Mutlosigkeit einhergeht, die sich dann auch schwer tut Weihnachten zu feiern. „Saget den verzagten Herzen: ,Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! – – – Er ist da, in dem Kind‘ “. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

SINGKREIS Freue dich, Welt FÜRBITTENGEBET Herr, Jesus Christus, wir danken dir, dass du unser irdisches Leben geteilt hast – mit allen Höhen und Tiefen. Wenn einer weiß, was es heißt als Mensch zu leben, dann du. Bewahre uns davor, die Geschichte, die wir gehört haben, von dem Kind in der Krippe und den Hirten auf dem Felde, als stimmungsvolles Märchen zu verfälschen. Lass uns deine Liebe darin erkennen und begreifen, dass dir kein Opfer zu groß war, uns zu suchen und dich an unsere Seite zu stellen.

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Herr, weil du unser Leben wirklich geteilt hast, kannst du auch unsere Sorgen verstehen: die Sorgen um die Zukunft, Sorgen um die Familie, Sorgen um den Arbeitsplatz, Sorgen um die Gesundheit. Herr, erbarme dich über unsere Sorgen und sorge du für uns. Wir bitten dich für alle Kranken, zu Hause und im Krankenhaus, um Linderung und Heilung, die die Trennung von der Welt der Gesunden jetzt als besonders schmerzlich empfinden. Herr, gib uns die richtigen Worte für sie und lass es auch in allen Herzen Weihnachten werden. Gemeinsam beten wir: Vater unser im Himmel …

LIED „O du fröhliche“ (EG 44, 1–3) SEGEN ORGELNACHSPIEL

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Bibelstellenregister

Jes 9, 1-6 Jes 35, 3-6

106 112ff

Mi 5, 1-4 Mi 5, 1-4a

28.35.42.51 15.91ff

Mt 1, 18-25 Mt 1, 18-20 Mt 2, 1-12 Mt 2, 2f Mt 2, 2 Mt 2, 7-12 Mt 2, 9-12

60 66ff 48f 48 19f.32f 101f 98

Lk 1, 5-7 Lk 1, 5-25 Lk 1, 26-38 Lk 1, 30f.33 Lk 2, 1-20 Lk 2, 1-3 Lk 2, 10 Lk 2, 10b Lk 2, 11 Lk 2, 20

77 81ff 85 86ff 48f.107 69.75f 40f 57f 25f 13f

117 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Gesangbuchregister

Die Nummern beziehen sich auf das Evangelische Gesangbuch (EG), Ausgabe Rheinland-Westfalen-Lippe. Da die Lieder, sofern sie nicht dem nummerngleichen Stammteil angehören, durch den Anfang der Strophen nachgewiesen sind, lassen sie sich in anderen Gesangbuchausgaben leicht finden. 1 2 4 9 10 11 12 13 17 19 23 24 27 30 43

20.21.33.60 21.60 53.84 28 15.51 42.51 9 49 21 35 69.74.77.96 30.38 69.77.90 69.77.90 40.48.66.68.85

44 48 49 51 52 54 55 71 73 428 540 544 546 553 768

116 29.44.54.106 106 85 19.57.59 26.54.112 98 98 98 14 76 17.24.25.45 15.23.45.56.101 103 83f

„Die Könige aus dem Morgenland“ „Hört der Engel helle Lieder“ (andere Version) „In der Nacht von Bethlehem“ „Vor langer Zeit in Bethlehem“ (Mary’s Boy child) „Was soll das bedeuten“ „Wer klopfet an“ „Wir sind ja nur Hirten“

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12 32 13 47 9.28 29 12

Hans Freudenberg

Christnacht feiern 15 (be)sinnliche Gottesdienste

Vandenhoeck & Ruprecht

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Inhalt

Vorwort

7

15 Gottesdienste

1 Weihnachtsnüsse knacken 11 2 Bilder gegen das Vergessen 18 3 In Windeln gewickelt 28 4 Himmlische Düfte 35 5 Engel – Unterwegs in Gottes Namen 41 6 Stallgeflüster – Eselgedanken zu Weihnachten

49

7 Ein Strohhalm als Zeichen 57 8 Hirtenträume

63

9 Neues Leben aus alter Wurzel 73 10 Drei Könige unter einem guten Stern 82 11 Wenn der Stacheldraht Christrosen trägt 88 12 Das Gewand des Königs 97 13 Es ist ein Ros entsprungen 104 14 Weihnachts-Kyrie

113

15 Licht und Schatten 119

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Vorwort

Als im Weihnachtsgottesdienst das Lukasevangelium gelesen wurde, hörte ich einen Jungen seufzen: „O Mann, die Geschichte kenn ich schon!“ Ich habe gelacht und gesagt: „Weißt du, du wirst sie jedes Jahr wieder hören am Heiligen Abend. Aber du wirst sie anders hören, weil du dich änderst und die Welt sich ändert.“ Margot Käßmann, Der Himmel öffnet uns die Tür, Freiburg i.B. 2009

Alle Jahre wieder will sich die alte Botschaft von der Menschwerdung Gottes neu vernehmbar machen, kommen Besucher in die Christmette, die häufig nicht den traditionellen Sonntags-Gottesdienst-Christen zuzurechnen sind, haben diese eher atypischen Gäste hohe und zugleich diffuse Erwartungen, die zwischen dem Wunsch nach traditionellem (Lied-)Gut und Innovativem, nach (Be-)Sinnlichem, behutsam Experimentellem und Alltagsbezug oszillieren.

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Die nachstehenden Entwürfe basieren auf Gottesdiensten, die ich während vieler Jahre mit meiner Heimatgemeinde in der Christnacht gefeiert habe. Gemeinsame Merkmale der Modelle sind: eine vereinfachte Liturgie Variantenreichtum einerseits und Wiedererkennbarkeit in den Abläufen andererseits das Moment der Verfremdung, um das Geschehen der Heiligen Nacht immer wieder neu zu hören der meditative Charakter der Verkündigung die häufige Einbeziehung von Symbolen 7 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

■ die Berücksichtigung von Texten, die nicht durch Instrumentalsierung in jeder Weihnachtsreklame stumpf geworden sind ■ die Offenheit für Varianten und den Transfer in andere Verwendungssituationen. Die Vorschläge sind eher Bausteine als ein „Fertighaus“, sind darum an vielen Stellen bewusst offen gehalten und erfordern eine situations- und adressatenspezifische Modifikation, die nur mit Blick auf die eigene Gemeinde geleistet werden kann. Alle Jahre wieder stehen wir vor der großartigen Aufgabe, die gottesdienstliche Gemeinde zum Staunen darüber einzuladen, wie sich der Himmel der Heiligen Nacht über einer gequälten Erde öffnet und in ihr Gottes neue Welt aufscheint. Hans Freudenberg

8 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

15 GOTTESDIENSTE

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1

WEIHNACHTSNÜSSE KNACKEN

Krippe in einer Amethystdruse © Gregor Telgmann (Figuren aus Sterlingsilber, Unikat)

❱ MATERIAL / VORBEREITUNGEN ❰

Sie brauchen: Nüsse zum Verschenken an alle Gottesdienstbesucher; das Bild zur Projektion (als Download auf www.v-r.de bei der Anzeige dieses Titels) per Beamer oder Overhead-Farbfolie.

11 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musik Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 39,1–2

Lesung 1

Lukas 2,1–7

Lied

EG 39,3–4

Lesung 2

Lukas 2,8–14

Lied

EG 39,5–6

Lesung 3

Lukas 2,15–20

Lied

EG 39,7

Meditation

→ T2 mit Nuss und Bildprojektion

Lied

EG 40,1.2.5

Gebet

z. B. mit T3

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 44,1–3

Segen

z. B. mit T4

Nachspiel

Alle Gäste erhalten Nüsse

12 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Als die Zeit erfüllt war  – so heißt es im Galaterbrief  – sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau … damit wir die Kindschaft empfingen. Liebe Gemeinde, es ist wieder so weit: Wir begehen dieses unbegreifliche Wunder: Gott wird ein kleines Kind, damit wir wissen, dass wir in seinen Augen groß und kostbar sind.



T2: Meditation mit Nuss

P. hält gut sichtbar eine Nuss hoch Liebe Gemeinde, Weihnachten ohne Nüsse und Mandeln? Eigentlich undenkbar, oder? Solange ich zurückdenken kann, selbst in den kärglichen Kriegszeiten, gehörten Nüsse zum Fest. Früher hingen Nüsse vergoldet als Schmuck am Weihnachtsbaum. Manchmal liegen sie in einer Schale und warten darauf, geknackt zu werden. P. nimmt unterschiedliche Nüsse in die Hand und betrachtet sie Wie unterschiedlich sie aussehen und sich anfühlen: ■ glatt, rund und ebenmäßig – die Haselnuss, ■ rau, kantig und steinhart – die Paranuss, ■ mit tiefen Furchen  – wie das Gesicht eines alten Menschen, reich an Jahren, reich an Erfahrung: die Walnuss. Aber eigentlich kommt es gar nicht auf die Schale an, sondern auf den Kern im Innern, auf das Geheimnis, das die Nuss unter ihrer Schale birgt, süß oder herzhaft. Köstlich, nahrhaft und wohlschmeckend ist die Frucht. 13 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Vorsichtig muss man vorgehen, um an den Kern der Nuss zu gelangen, ohne ihn zu verletzen. P. knackt behutsam eine Nuss, hält sichtbar den Kern zwischen Daumen und Zeigefinger Der Kern ist Träger verborgenen Lebens  – unter harter Schale ist das Wesentliche, von außen unsichtbar, verborgen. Zwischenmusik Nüsse gehören zur Weihnachtszeit. Und: Eine Nuss ist mehr als eine Nuss. Sie ist ein aussagekräftiges Symbol, das über sich hinausweist. Die Nuss: Zeichen für das Wesentliche, für das Innere, den Kern, der in der Schale verborgen liegt. Weihnachten  – Fest der Menschwerdung, der Fleischwerdung Gottes. Das heißt: Der Kern lässt sich in eine Schale fassen, wird äußerlich so hart oder weich, so rau oder glatt und so verletzlich wie wir. Was für ein Gott! Auf Hoheit und „dreimal heilig“ verzichtet er, verzichtet, um das zu werden, was auch wir werden sollen: Mensch. Um uns nah zu sein und uns zu retten. Weihnachten: Gott wird Mensch, klein und unscheinbar wird Gott, ein Mensch und leicht zu übersehen,  – vergleichbar mit der unscheinbaren Nuss, die Kostbares birgt. Wer dem Mensch werdenden Gott begegnen will, das Geheimnis seiner Menschenfreundlichkeit entdecken will, 14 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

der muss sich bücken, muss Nüsse knacken, um zum Kern des göttlichen Geheimnisses vorzudringen. Dieses Kind der Niedrigkeit bricht die harte Schale auf, die Herzen und Verhältnisse hart macht: den harten Panzer der Lieblosigkeit, des Unfriedens, des Rechthabenwollens. Im Kern seiner Geburt ist das Programm seines Lebens schon angelegt, eine Lebens- und Liebesbotschaft, die unsere engen, harten Grenzen sprengt. Zwischenmusik; Beginn der Bildprojektion Die Kunst des Mittelalters hat die Bilder von Nuss und Schale und Kern schon sehr früh ikonografisch auf Christus bezogen: auf seine Geburt ebenso wie auf den wiederkommenden Christus. Und jedes Mal liegt sein Geheimnis vor der Welt verborgen. Nur in der persönlichen Begegnung wird er erkannt, kann er wirken. Und dann für einen heiligen Herzschlag oder Augenblick. Wem das geschieht, der nimmt von da an die Gewissheit mit: In der harten Schale unserer Welt ist ein wunderbarer Kern zu finden: Jesus Christus. Zumeist sind diese „Nuss“-Bilder des Mittelalters (man sagt dazu: Mandorla) als Miniaturen angelegt. Die Plastik, die wir hier sehen, hat der Kamener Künstler und Goldschmied Gregor Telgmann in Aufnahme dieser mittelalterlichen Tradition geschaffen: Sie sehen hier den Mensch gewordenen Gott als filigrane Goldschmiedearbeit, hineinkomponiert in eine Steindruse. Ich empfinde diese „Nuss aus Stein“ wie eine Metapher für Schutz und Eingehüllt-Sein, für Arche und bergen15 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

den Ort, für Zuwendung zueinander und verbindende Harmonie, für Hören und Sehen, für Konzentration und Achtsamkeit. Vielleicht werden einige sagen: Das ist doch nur eine verlogene Familienidylle; der Friede ist trügerisch! Doch das Bild der Arche lässt mich an meine eigenen Ängste und Sehnsüchte denken  – hier haben sie ihren Raum! Das „Fürchtet euch nicht“ (Lukas 2,10) gilt auch hier und jetzt. Das verbindende Ineinander in Gregor Telgmanns Weihnachtsplastik ist transparent auf das hin, was in unserer Welt auseinandersprengt, was ohne Ort, was un-ordentlich ist. Ordnung ist eine göttliche Kategorie, ist ein sehnsuchtsvolles Geschenk und ein Versprechen. Das göttliche Kind stiftet damals und stiftet heute Gottes verbindende, Leben schaffende Menschenfreundlichkeit in diese heillose Welt hinein. „Jedes Mal, wenn einer dem anderen Liebe schenkt, wenn die Not des Unglücklichen gemildert wird, steigt Gott herab vom Himmel und bringt das Licht: Dann ist Weihnachten“, heißt es in einem Lied aus Tahiti. Alles in der Arbeit des Goldschmieds ist auf das Kind hin orientiert: der Blick der Mutter, der Blick und Gestus des Vaters, die Diagonale, die alle drei verbindet. In ihm, auf den alles zuläuft, in ihm, der neue Maßstäbe der Menschlichkeit setzt, in ihm ist das Leben. Amen.

16 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T3: Gebet

Ach, Herr, wenn wir das könnten: uns nicht an Ruhm und Macht, Geld und Ehre klammern, Loslassen. Wenn wir das könnten in unserem Alltag, in unserem privaten Miteinander. Wenn sie das könnten, unsere Großen: Menschen, die sich an Ämter klammern, die die Betroffenen ihnen längst aberkennen. Menschen, die sich an Posten klammern, für die längst andere an der Reihe wären. Wir sind so gern wichtig, lieber Gott. Ob wir von dir nicht lernen können? Gib uns von deiner Kraft, von deinem Mut – und dann – Herr, du bist groß –: von deiner Liebe und Demut! Amen.



T4: Segen

Geht als Beschenkte und Gesegnete in diese Heilige Nacht. Geht mit der Gewissheit: Hoffen macht jung, Hoffen macht reich, im Hoffen kann alles geschehen, und wer hofft, darf alles erwarten. Amen.

17 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2

BILDER GEGEN DAS VERGESSEN

Weihnachtskrippe der kath. Gemeinde St. Michael in Göttingen, © Markus Eidt

❱ MATERIAL / VORBEREITUNGEN ❰

Sie brauchen drei Fotos zur Projektion: zum Beispiel aus der Krippe von St. Michael Göttingen, s. www.v-r.de bei der Anzeige des Titels. 18 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Gitarren-Ensemble Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 36,1–6

Lesung

Lukas 2,1–20

Lied

EG 37,1–4

Predigtgedanken

→ T2 mit drei Bildern (Projektion)

Lied

EG 16,1–3.5

Gebet

z. B. mit T3

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 44,1–3

Segen

z. B. mit T4

Nachspiel

19 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Herzlich willkommen zur Feier der Heiligen Nacht! Singend und hörend, betend und musizierend soll lebendig werden, was diese Nacht von allen anderen Nächten unterscheidet. Gitarren begleiten uns durch diese Nacht. Sie können laute und leise Töne anstimmen, fröhlich, geradezu schmissig, aber auch nachdenklich und besinnlich. Euch und Sie alle stimme ich mit Gedanken von Brigitte Messerschmidt in unseren Gottesdienst ein: Wir suchen – und wissen oft nicht, was. Wir warten – und wissen oft nicht, auf wen. Wir feiern – und wissen oft nicht, warum. Wir hören – und verstehen oft nichts. In Gottes Namen feiern wir diesen Gottesdienst, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.



T2: Predigtgedanken

Liebe Gemeinde: Fragen Sie Kinder, fragen Sie Jugendliche nach dem schönsten Fest des Jahres – ich bin sicher: 90 % werden ohne langes Nachdenken sagen: „Das ist Weihnachten!“ Für diese herausragende Einschätzung gibt es viele plausible Gründe: Die Lichtsymbolik in dunkler Zeit, schenken und beschenkt werden, die vielen verlockenden weihnacht20 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

lichen Düfte, das Gemütvolle dieses sehr traditionsgesättigten Festes, Weihnachten als Familienfest. Besonders bei Älteren kommt hinzu: die Erinnerung. Es ist ja so: Feste verdichten und aktualisieren Erinnerungen. Auch Weihnachten tut das. Tut das sogar in besonderem Maß. Und welche Erinnerungen und Ursprungsinhalte verbinden bereits Kinder und Jugendliche mit Weihnachten? Eine Umfrage aus diesen Tagen unter 6- bis 12- Jährigen zum Sinn des Weihnachtsfestes fällt ernüchternd aus: 39 % der Befragten hatten keine Ahnung, warum Weihnachten eigentlich gefeiert wird (in den Neuen Bundesländern: 54 %, in Westdeutschland: 36 %). Unter den Vermutungen, die geäußert wurden, waren solche wie: „dass Winter ist“ oder: „Da ist der Weihnachtsmann gestorben.“ 15 % waren immerhin auf der richtigen Spur und vermuteten: „Das hat wohl mit Jesus zu tun.“ Eine Legende aus dem chassidischen Judentum kann vielleicht Trost spenden gegen die Melancholie säkularer Vergesslichkeit: Wenn der Baalschem (der Begründer des Chassidismus zu Beginn des 18. Jahrhunderts) etwas Schwieriges zu erledigen hatte, so ging er an eine bestimmte Stelle im Walde, zündete ein Feuer an und sprach Gebete  – und alles geschah, wie er es sich vorgenommen hatte. Wenn eine Generation später der Maggid von Meseritz dasselbe zu tun hatte, ging er an jene Stelle im Walde und 21 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

sagte: „Das Feuer können wir nicht mehr machen, aber die Gebete können wir sprechen“  – und alles ging nach seinem Willen. Wieder eine Generation später sollte Rabbi Mosche Leib aus Sassow jene Tat vollbringen. Auch er ging in den Wald und sagte: „Wir können kein Feuer mehr anzünden und wir kennen auch die geheimen Meditationen nicht mehr, die das Gebet beleben; aber wir kennen den Ort im Walde, wo all das hingehört, und das muss genügen.“– Und es genügte. Als aber wieder eine Generation später Rabbi Israel von Rischin jene Tat zu vollbringen hatte, da setzte er sich in seinem Schloss auf einen goldenen Stuhl und sagte: „Wir können kein Feuer mehr machen, wir können keine Gebete sprechen, wir kennen auch den Ort nicht mehr, aber wir können die Geschichte davon erzählen.“ Und – so fügt der Erzähler hinzu – seine Erzählung hatte dieselbe Wirkung wie die Taten der drei anderen.“ Ich verstehe die Geschichte  – auch im Blick auf Weihnachten – so: Einkleidungen und Attribute können wechseln, entfallen, in Vergessenheit geraten; die Ursprungsgeschichte jedoch ist nicht tot  – trotz des Verlustes an Bibel- und Brauchtumswissen und des Verdampfens religiöser Traditionen. Das geheime Leben auch in der Weihnachtsgeschichte, die „Glut unter der Asche“, kann heute oder übermorgen in dir oder mir neu aufblühen. In einer Zeit verlöschender Träume und unruhiger Herzen ist Weihnachten als not-wendende Erinnerungswerkstatt unverzichtbar zu installieren. 22 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Was könnte der Inhalt dieser „Erinnerungswerkstatt Weihnachten“ sein? Von welchem „geheimen Leben“ kann diese „Heilige Nacht“ einer traumverlorenen Welt erzählen? Ich versuche eine Antwort in drei Bildern: Bild 1

In einem Kind kommt Gott zur Welt – schreiend und lachend, niesend und strampelnd, in einem Kind  – jenem Wunder an Leben, das nicht überbietbar ist. In einem Kind kommt Gott zur Welt, ängstlich, schutzbedürftig, träumend. In einem Kind kommt Gott zur Welt – Platzhalter für das Geheimnis der Welt, neues Leben in die Welt tragend, wie nur ein Kind Zeichen des Neuanfangs sein kann, die Kostbarkeit des Neuanfangs auch für uns. Bild 2

Die vorweihnachtliche Zeit stand und steht nicht unter dem Vorzeichen entspannter Ruhe und Besinnlichkeit  – viele Menschen sind gehetzt, unruhig, kommen nicht zu sich selbst und zum Kern des Festes. Die Lichter in unseren Städten, Geschäften und Siedlungen sind viel zu hell  – das Dunkel wird künstlich aufgehellt und weggegleißt; die verkaufsfördernde Hintergrundmusik  – viel zu laut und klischeehaft. Ein neueres Lied kleidet in Worte und Noten, was uns – auch im Sinne der Erinnerungswerkstatt  – dem Geheimnis von Weihnachten näher bringen und unseren aufgescheuchten Seelen gut tun könnte:

23 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Zeit für Ruhe Text: Gerhard Krombusch, Musik: Ludger Edelkötter © Impulse Musikverlag, Drensteinfurt

Zeit für Ruhe, Zeit für Stille, Atem holen und nicht hetzen, unser Schweigen nicht verletzen. Lasst uns in die Stille hören. Das Gotteskind in Bethlehems Stall lädt uns ein, lädt immer wieder ein, seit 2000 Jahren: Kommt herein, leise und behutsam, so wie Kinder, die ein Geheimnis entdecken: 24 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

leise, um den Atem des Kindes zu spüren und den eigenen staunenden Herzschlag obendrein.

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Leise, damit du das neue Lied vernehmen kannst, das das Gotteskind in eine streitbare, angstbesetzte, lärmende Welt hineinträgt, das Lied, das davon singt, dass das Leben, jedes Leben gut und kostbar ist und Göttliches in sich trägt dass Gott das Leben, jedes Leben, liebt dass nicht die Macher auf der Überholspur des Lebens, sondern die Sanftmütigen letztlich gewinnen (Matthäus 5) dass in Gottes neuer Welt alle Tränen abgewischt werden sollen (Offenbarung 21). Leise Töne sind das, die da in der Weihnachtsnacht anklingen und leicht überhört werden können: „Viele Laute sind ganz leise, singen alle ihre Weise. Leise Laute sind so schön, dürfen nicht verloren gehen.“

Bild 3

Das Gotteskind in Bethlehems Stall verbindet, was sonst in Spannung zueinander steht: Hirten und Könige, Menschen und Tiere, Vergangenheit und Gegenwart. Und in allem: Himmel und Erde. Lassen Sie sich von dem Kind im Stall gewinnen, in Ihren Familien, in Ihrer Nachbarschaft, in Ihrer Umgebung Spannungen abzubauen, Versöhnung zu suchen und Brücken zu schlagen. Weihnachten darf nicht in Vergessenheit geraten, um unserer selbst Willen darf es das nicht.

25 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Selbst wenn sich nur dieses eine Erinnerungsbild in unsere Seelen einbrennen würde, dass schon einmal – vor 2000 Jahren – der Himmel aufgegangen ist, in jener Nacht aller Nächte der Himmel die Erde berührte und Gott zur Welt kam – in einem Kind … ach, das wäre ja mehr als genug! Genug, um die Sehnsucht zu nähren, neue Träume zu träumen und Hoffnung zu haben, vielleicht so, wie wir es hier in einem Gedicht von Carola Moosbach entfaltet finden: Advent vielleicht

Das wäre schön auf etwas hoffen können was das Leben lichter macht und leichter das Herz das gebrochene ängstliche und dann den Mut haben die Türen weit aufzumachen und die Ohren und die Augen und auch den Mund nicht länger verschließen das wäre schön wenn am Horizont Schiffe auftauchten eins nach dem anderen beladen mit Hoffnungsbrot bis an den Rand das mehr wird immer mehr durch Teilen das wäre schön wenn Gott nicht aufhörte zu träumen in uns vom vollen Leben einer Zukunft für alle und wenn dann der Himmel aufreißen würde ganz plötzlich neue Wege sich auftun hinter dem Horizont das wäre schön Carola Moosbach Lobet die Eine. Schweige- und Schreigebete, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2000 Rechte bei der Autorin

26 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ich wünsche uns, dass Gott in uns träumt und aus dem Traum der Nacht immer wieder die Erkenntnis des Tages wird. Ich wünsche uns offene Augen und ein empfindsames Herz – für die neuen Wege, die sich hinter dem Horizont auftun und die bei dem Kind im Stall ihren Ausgang nehmen – in dieser Heiligen Nacht. Amen.



T3: Gebet

Herr, die Kleinen liegen dir am Herzen, die Arglosen, die Sanftmütigen, die, die sich nicht wehren. So sehr liegen sie dir am Herzen, dass du wie sie geworden bist: Arglos, wehrlos, Kind in der Krippe. Mach, dass wir lernen, dich so zu sehen, dich so zu lieben, dich so anzubeten: den Herrn, der ohne Machtgehabe kommt. Gib uns von deiner Liebe und Gnade, gib uns, von Herzen demütig zu sein. Amen.



T4: Segen

Und Gott, der Herr, segne dich; Er komme neu zur Welt in dir. Sein Licht mache dein Leben hell Und seine Kraft sei in dir mächtig, auf dass du wachsen mögest in wahres Menschsein hinein. Amen.

27 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

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IN WINDELN GEWICKELT

Jesus in Windeln. Auf einem Sarkophag, Ende des 4. Jh.; Mantua Kathedrale

❱ MATERIAL / VORBEREITUNGEN ❰

Aus Baumwollwindeln Windelstücke schneiden (ca. 10 cm mal 10 cm), grün färben – für jeden Gottesdienstbesucher am Eingang bereithalten; Bild zur Projektion: www.v-r.de.

28 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 48,1–3

Lesung

Lukas 2,6–12 entsprechend T2

Lied

EG 27,1–6

Ansprache

→ T3 evtl. mit Projektion

Lied

EG 24,1–2.5.11

Lobgesang

T4

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 16,3

Segen Nachspiel

29 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Herzlich heiße ich Sie zur Heiligen Nacht in unserer Kirche willkommen. Heute Nacht ist es wieder so weit: Gott setzt seinen Fuß auf die Erde. Als Mensch gibt er sich uns zu erkennen, als kleines Kind in einer Krippe. Und mit diesem Kind fällt Licht in die finstere Welt, Licht, das sichtbar wird in einem dunklen Stall. Wenn das Oben so zum Unten wird und das Unten zum Oben  – dann geschehen wohl Wunder. Dann kommen himmlische Engel zur Erde und ganz irdische Hirten werden zu Hoffnungsträgern. Und der Mutter des Kindes – das könnte doch sein – ist selbst der Geruch, der aus den groben Windeln steigt, so lieb und so heilig wie Weihrauch.



T2: Zur Lesung aus Lk 2

Wir hören Ausschnitte aus der Weihnachtsgeschichte, wie der Evangelist Lukas sie aufgeschrieben hat. Jeder kennt sie – seit den Tagen der Kindheit –: die Geschichte von der wundersamen Geburt des Kindes, von Maria und Josef und Gott, von Engeln und Hirten. Weder ihr Alter noch ihr Bekanntheitsgrad sprechen dagegen, diese Geschichte auch heute wieder zu hören. Auch bekannte Geschichten bergen immer noch Geheimnisse, auch alte Geschichten können überraschend jung und aktuell sein. 30 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Da wird erzählt, wie sich Josef mit seiner schwangeren Braut Maria im Zuge der verordneten Steuerschätzung auf den Weg nach Bethlehem macht, in die Stadt seines Vorfahrens David: Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. (Lk 2,6–7) Hirten sind die ersten Zeugen und Weihnachtsgäste. Hirten, die auch die Nacht bei ihren Herden verbringen. Sie, die sonst nichts so leicht erschrecken kann, „fürchteten sich sehr“, als der Engel zu ihnen trat und „die Klarheit des Herrn“ um sie leuchtete: Und der Engel des Herrn sprach zu ihnen: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ (Lk 2,10–12)



T3: Ansprache

Liebe Weihnachtsgemeinde! Wenn Könige und Gotteskinder geboren werden, sind starke Zeichen gefragt: Die Welt hält den Atem an, Feuerwerke werden abgebrannt, das Fernsehen überträgt live. Das Baby trägt schon die Zeichen der Macht. Die Mächtigen der Welt schicken Depeschen.

31 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Wenn Könige geboren werden  – das gibt einen großen Bahnhof. Zwischenmusik Und Jesus? Wo sind die Zeichen der Macht bei seiner Geburt? „Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt …“  – Vielleicht nehmen Sie jetzt das Stück Windel in die Hand, das wir Ihnen beim Ankommen geschenkt haben. Was für ein merkwürdiges Zeichen der Weihnacht! Windeln sind anrüchig: Urin und Stuhl nehmen sie auf; und alltäglich sind sie, ganz gewöhnlich; Millionen von Babys trugen und tragen sie! Kein Duft stinkt gegen sie an. Auch in der Umgangssprache sind Windeln nichts sonderlich Positives: Jemand ist schief gewickelt. Oder ein gewalttätiger Zeitgenosse schlägt sein Opfer „windelweich“. Windeln – was für ein merkwürdiges Zeichen der Weihnacht! Zwischenmusik „Und das habt zum Zeichen …“ – Zeichen müssen eindeutig sein, wenn sie verstanden werden sollen. Für die Hirten sind die Windeln offensichtlich eindeutige Zeichen. Windeln sind etwas Handfestes und Nützliches. Hirten kennen Windeln aus ihren Familien, raue, löchrige Lappen. Windeln stehen fürs Einhüllen und Kuscheln, für Geborgenheit und Schutz. Windeln erinnern an einen Kokon … 32 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Zwischenmusik „Und das habt zum Zeichen …“  – Windeln, so begreife ich mit den Hirten, sind das authentische Zeichen für den Mensch gewordenen Gott. Den Gott, der menschliche Züge annimmt, die Züge eines Windelträgers, eines Kleinkinds. Wie jeder Mensch, arm oder reich, hoch stehend oder niedrig, trägt Gott Windeln  – lässt sich wickeln  – angewiesen auf sorgende, helfende, liebende Hände. Ausgeliefert, wenn wir so wollen. Mir so sehr ähnlich … Mit den Hirten begreife ich: Die Windel und ihr Inhalt – mein persönliches Weihnachtsgeschenk! Windeln kann man übrigens auch als Taschentücher benutzen und damit Tränen abwischen – eigene und fremde. Windeln und Krippe sind die Zeichen einer ganz besonderen Macht – der Macht der freiwilligen Ohnmacht Gottes. Oder soll ich sagen: der Liebe? Lasst uns immer wieder nach Bethlehem aufbrechen, wo Gottes Sehnsucht nach uns begann und unsere Sehnsucht ihr Echo findet. Amen.



T4: Lobgesang zu Weihnachten

Wir loben dich, Gott, weil du dir aus Macht nichts machst und deine Ohnmacht die Mächtigen beschämt; weil Krippe und Stall deine Wohnung werden und du denen nahe bist, die wie du ohne Haus und Ansehen sind; weil du verbindest, was getrennt ist, und heilst, was unheil ist; 33 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

weil du tröstest, was traurig ist, und ins Licht stellst, was im Dunkeln wohnt; weil du geworden bist, was wir sind – Mensch. Lass uns dich bei den Menschen suchen und finden, deren Hoffnung klein und deren Misstrauen groß ist, die vor den Trümmern ihrer Häuser und ihres Lebens stehen. Sie und uns lass Frieden und Versöhnung finden in dem Zeichen, das du deiner Welt geschenkt hast.

34 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

4

HIMMLISCHE DÜFTE

❱ MATERIAL / VORBEREITUNGEN ❰

Etwa eineinhalb Stunden vor Gottesdienstbeginn werden an verschiedenen Stellen des Gottesdienstraums Duftkerzen, Weihrauch, Duftlämpchen entzündet. Falls für die musikalische Einstimmung und für die Zwischenmusiken keine Instrumentalisten zur Verfügung stehen, können Tonträger mit meditativer Musik Verwendung finden. 35 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 9,1 und 3–4

Ansprache in vier Teilen

mit T2 und Lied „Steh auf, Nordwind“

Lied

EG 37,1.2.4

Gebet

T3

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 37, 6.7.9

Segen Nachspiel

36 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Wie duftet es hier! So mag es bei Ihnen zu Hause geduftet haben, beim Lebkuchenbacken oder in den Adventsfeierstunden. Nach Zimt und Mandeln, nach Nelken und Kardamom. Wie duftet es hier! So mag es geduftet haben, als Maria schwanger durch den Dornwald ging – und aus den Dornen wuchsen Rosen. Wie duftet es hier! So mag es geduftet haben, später in den Tagen der Weihnacht, als die Weisen aus dem Morgenland kamen und ihre Gaben darboten. Weihrauch darunter. Wir feiern gern mit allen Sinnen – und so werden heute Nacht einmal ganz besonders die Riechorgane angesprochen. Ich möchte Ihnen eine Duftspur legen und mit auf den Weg geben – und hoffe, dass Sie lange daran denken.



T2: Ansprache in vier Teilen

Ein Korb mit Gewürzen steht auf der Kanzel. Pfarrer / Pfarrerin hebt das eine oder andere Döschen hoch. Düfte, Aromen, Gewürze haben Menschen schon immer fasziniert. Die Harze und Hölzer, die den Alltag umhüllen und verwandeln, sind wie Grüße aus einer anderen Welt. Was haben Sie in der Nase, wenn Sie hören: Orient, Basar, Marrakesch, Istanbul … ? Die Welt der Weisen aus dem Morgenland. Sie werden kommen, auch dieses Jahr  … nächste Woche spätestens hören wir wieder von ihnen und ihren Gaben. 37 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Zwischenmusik Einstweilen aber riecht die Weihnachtsgeschichte noch weniger lieblich. Wir haben in dem elenden Stall mit einer Mischung aus fettiger Wolle, Schaf- und Ziegendung, Stroh und Heu zu rechnen. Dazu die Körpergerüche der Hirten (allzu oft baden die wohl nicht), ihrer Kleider mit den Aromen von Lagerfeuer, Asche und Staub. Und dann die Geburt. So selten wird sie erwähnt: Es müssen wohl Wehen dabei gewesen sein und dann auch Schweiß und Blut und Schmerzen. Zwischenmusik In diese ländliche Welt der ganz irdischen Umstände bricht die Welt der himmlischen Düfte ein. Weihrauch und Myrrhe, die kostbaren Gaben, die die Heiligen Männer dem Heiland der Welt in den Futtertrog legen  – sie sind nicht nur Huldigungsgeschenke für den Arme-LeuteKönig. Für die Alten repräsentierte der Duft von Weihrauch und Myrrhe den Himmel auf Erden, sind diese beiden Düfte Sendboten einer anderen, besseren Welt. Weihrauch: Öliges kostbares Harz aus der Rinde des Boswellia-Baumes gewonnen; über die Weihrauchstraße aus Arabien und Ostafrika von Karawanen in wochenlangem Transport herangetragen; seit Jahrtausenden in Tempeln und auf Altären verbrannt, Gebete und Opfer begleitend, anregend und erhebend; geeignet, Gott zu versöhnen. Atembeschwerden lindernd und Wunden heilend, vielleicht auch die, die uns kürzlich zugefügt wurden?

38 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Myrrhe: Gleichfalls ein Harz, wohlriechend, dem BalsamBaum abgewonnen; weißlich bis rot sind seine Körner. Gefragtes Parfum, gebraucht im Tempel- und Totenkult. Hilfreich bei Erkältung – auch gegen die Kälte in unserer Welt? Schmerz lindernd (vgl. Mk 15,23), erquickend und reinigend. Lied Steh auf, Nordwind Text und Musik: Ingeborg Schwiebert

Der himmlische Duft  – Himmelstau  – und der Geruch des irdischen Lebens … 39 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Weihrauch und Myrrhe: zwei wunderbare Düfte, nicht etwa „Opium fürs Volk“, wie Karl Marx meinen würde, nicht narkotisierend und vertröstend, sondern aufrüttelnd, weckend zu neuem Mut und neuer Lebensfreude, Künder einer neuen, Sinn stiftenden Lebensdimension. Weihrauch und Myrrhe – Boten der Ewigkeit, Ahnungen des großen Geheimnisses Gottes. Weihrauch und Myrrhe – zwei wunderbare Düfte, die sich unseren „Duftmarken“ (Was bringt mir das? Was kostet das? Was bringt mich auf den Spitzenplatz?) entgegenstellen. Gott wird Mensch – Leben ist und lebt von Liebe, Leben gründet sich nicht in uns selbst, sondern lebt von Voraussetzungen, die wir nicht gelegt haben. Weihrauch und Myrrhe  – zwei wunderbare Düfte, des Himmels, des Paradieses. Gott bringt uns über unsere Sinne zur Besinnung. Mach’s wie Gott – werde Mensch. Mit himmlischen Düften mischt sich Gott in unseren Alltag. Amen.



T3: Gebet

Herr, du füllst unser Leben mit deiner Güte. Mit deinem Geist. Mit deiner Gegenwart. Schaffe dir Raum in uns, damit wir dich einlassen in unser Leben, in unseren Alltag – mit allen Sinnen: hörend und sehend, riechend und schmeckend und fühlend. Mit all unseren Sinnen, Herr, bring uns zur Besinnung. Amen. 40 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

5

ENGEL – UNTERWEGS IN GOTTES NAMEN

Engel aus Sterlingsilber mit Blattgold © Stephanie Telgmann (Unikat)

❱ MATERIAL / VORBEREITUNGEN ❰

Das Engelbild soll im Gottesdienst projiziert werden (auffindbar unter www.v-r.de als Download bei der Anzeige des Titels). Auch als Handzettel zum Mitnehmen ist es gut geeignet. 41 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 25,1–3 und 6

Wechselpsalm

T2 (nach Psalm 91)

Ansprache

mit T3

Lied

EG 40,1 und 3

Gebet

T4

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 40,5

Segen Nachspiel

42 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Herzlich willkommen zur Feier der Heiligen Nacht! Herzlich willkommen zum Singen und Loben, zum Entdecken und Staunen über das, was in dieser Nacht geschah und immer wieder neu unter uns geschieht. Engel, diese Symbole der Nähe und Fürsorge Gottes, begleiten uns in diese(r) Nacht. Die Sehnsucht nach Engeln ist groß, die Sehnsucht nach Begleitung und Stärkung, nach Hellem und Wunderbaren in einer Welt, die Schatten wirft und oft vergeblich auf Wunder hofft. Engel, diese leichtfüßigen Grenzgänger zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und seiner Welt, sind Leitmotive in den Liedern und Texten dieses Gottesdienstes – in der Predigt wie in den Gebeten und Segenswünschen. Gottes Engel begleite uns durch diese Heilige Nacht, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.



T2: Wechselpsalm

Pfarrer/in

Es wird dir nichts Böses geschehen und dich wird nichts plagen. Du wirst dich nicht verletzen und deinen Fuß nicht an Steinen wundstoßen, die im Weg liegen.

43 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Gemeinde

Denn Gott wird dich beschützen mit den Flügeln seiner Engel. Pfarrrer/in

Unter ihre Flügel kannst du flüchten, wenn das Grauen der Nacht dich verfolgt; und unter ihre Fittiche dich bergen, wenn die Pfeile des Tages dich jagen. Gemeinde

Denn Gott wird dich beschützen mit den Flügeln seiner Engel. Pfarrrer/in

Gott hat seinen Engeln ans Herz gelegt, dass sie dich behüten, dich umgeben und nie mehr verlassen auf deinen Lebenswegen. Gemeinde

Denn Gott wird dich beschützen mit den Flügeln seiner Engel. Pfarrrer/in

Und wenn es sein muss, tragen sie dich auf ihren Händen in den Zeiten, die für dich nicht zu ertragen sind. Gemeinde

Denn Gott wird dich beschützen mit den Flügeln seiner Engel.

44 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Pfarrrer/in

Wenn deine Schritte müde geworden sind und dein Kopf ist schwer, dann helfen seine Engel dir wieder auf und du wirst sehen, wie leicht dein Leben wieder werden kann.



T3: Ansprache

■ ■ ■ ■ ■

Weihnachtszeit ist Engelzeit. Allgegenwärtig sind diese himmlischen Boten auf Einkaufstüten und als Festreklame in Ton gebrannt und Holz geschnitzt die Auslagen der Schaufenster zierend in Liedern und auf Postkarten in keinem Krippenspiel dürfen sie fehlen, diese Zwischenwesen zwischen Geist und Kuscheltier. Weihnachtszeit ist Engelzeit. Dieser Engelboom in säkularen, nüchternen Zeiten ist schon merkwürdig. Ist der Himmel nicht längst leer? „Es gibt keine Engel mehr, aber sie sehen nett aus“ – diese Kinderäußerung zeigt den Zwiespalt: Der Verstand wehrt sich gegen jene himmlischen Wesen, auf die das Gefühl nicht verzichten will. Engel sind auch Menschen willkommen, für die der Himmel eigentlich schon lange leer ist.

Zwischenmusik

45 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588





■ ■

Weihnachtszeit ist Engelzeit – auch und besonders in den biblischen Weihnachtsgeschichten und ihrem Umfeld. Sechsmal kommen hier Engel ins Spiel als Grenzgänger zwischen Himmel und Erde: Zweimal werden Engel im Vorfeld von Weihnachten zu Boten Gottes für gute Nachrichten, zu Kündern „guter Hoffnung“: Die Geburt des Johannes (Lk 1,8 ff.) und die Geburt des Jesuskindes, des Messias, (Lk 1,26 ff.) sagen sie den überraschten Eltern an. Ein Engel trägt die Botschaft von der Geburt des Gotteskindes und Erlösers hinaus zu den Hirten auf Bethlehems Felder (Lk 2,8 ff.). Ein himmlischer Engelchor stimmt das erste Weihnachtsoratorium an: „Ehre sei Gott in der Höhe!“ (Lk 2,13 ff.) Engel retten durch Traumbilder Beziehungen und Leben, behüten auf lebensgefährlichen Wegen: Den verunsicherten Josef bringt ein Engel dazu, seine schwangere Braut nicht zu verlassen (Mt 1,18 ff.); ein Engel drängt die junge Familie zur Flucht nach Ägypten (Mt 2,13 ff.), sodass das Jesuskind den Häschern des Herodes entkommt. Sechsmal werden Engel in Verbindung mit Weihnachten zu Mittlern froher, Leben stiftender und Leben erhaltender Botschaften, Mittler von schönen Bescherungen. Kein Wort verliert die Bibel über das Aussehen der Engel, ihre Gestalt, ihre Kleidung, ihre Flügel … Wichtig ist allein die Botschaft und was sie bewirkt. Ihre Botschaft ist ihr Erkennungszeichen.

Diese Botschaft ■ öffnet den Himmel und die Herzen ■ setzt in Bewegung 46 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

■ veranlasst Menschen, ihrem Traum vom besseren Leben zu folgen ■ macht Mut, an Wunder zu glauben ■ hebt Grenzen auf zwischen Himmel und Erde. Zwischenmusik Weihnachtszeit ist Engelzeit! Manchmal kommen diese „Streetworker“ Gottes ganz unverhofft und anonym daher – nicht nur als Weihnachtsengel. Wenn Sie an das zu Ende gehende Jahr denken, fallen Ihnen gewiss Menschen und Situationen ein, bei denen wohl Engel ihre Finger im Spiel hatten. ■ In eine dunkle Stunde hinein hat ein Freund, eine Freundin Sie angerufen, Ihnen eine Mail geschickt, Sie getröstet. Da kehrte das „Fürchtet euch nicht!“ der Weihnachtsnacht als Echo in Ihr verwundetes Herz zurück. ■ Oder erinnern Sie sich an eine atemberaubende Situation im Straßenverkehr? Nur einen winzigen Moment waren Ihre Gedanken woanders – Gott sei Dank: Es hat nicht gekracht! ■ Wie viele Menschen waren in diesem Jahr für Sie da, haben Ihnen geholfen, es gut mit Ihnen gemeint! Wie viele gute Engel haben Ihren Weg gekreuzt! Engel können mitten unter uns und in uns sein – in ganz alltäglichen Situationen und an ganz alltäglichen Orten. Die Rückkehr der Engel in unsere(r) Zeit ist Ausdruck einer tiefen Sehnsucht nach Geborgenheit, nach Heil und Heilung, die nicht aus uns selbst kommt, nach neuen Möglichkeiten, die erschöpftem, ausgebranntem Leben neuen Atem einhauchen. Jeder ahnt es und Weihnachten belegt es: Wir leben von Voraussetzungen, die wir nicht gelegt haben, und von guten Worten, die wir uns nicht selbst sagen und ausdenken können: 47 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

„Ich verkündige euch große Freude … Euch ist heute der Heiland geboren, der Heil-Macher, der Friedensbringer … Christus, der Herr … in Windeln … in Davids Stadt!“ Lass dich von dem Weihnachtsengel hineinnehmen in die „Leichtigkeit des Seins“, die auch dir Flügel verleiht. Lass dir vom Engel der Heiligen Nacht sagen, dass sich für dich der Himmel öffnet und Gottes Liebe für dich Mensch wird, anfassbar wird in einem Kind, in Windeln, in einer Höhle. Lass dir vom Weihnachtsengel sagen: Dein Leben und unser aller Leben ist „von guten Mächten wunderbar geborgen“! Amen.



T4: Fürbitten

Herr, wir lieben deine Engel! Wir hätten sie so gern um uns, immer, hier und überall. Herr, dabei vergessen wir: Es ist auch an uns, Engel zu sein – für alle deine Geschöpfe. Herr, gib uns Mut und Geist zur Achtsamkeit, zur Nächstenliebe und zu tätiger Hilfe. Herr, gib uns Kraft und Fantasie. Gib uns Augen und Ohren und ein offenes Herz zur rechten Zeit. Ach, Herr: Gib uns Flügel! Amen.

48 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

6

STALLGEFLÜSTER – ESELGEDANKEN ZU WEIHNACHTEN

Weihnachtskrippe der kath. Gemeinde St. Michael in Göttingen, © Markus Eidt

❱ VORBEREITUNGEN ❰

Die Krippenfiguren im Altarraum werden so umarrangiert, dass der Esel unmittelbar an der Krippe steht und nicht durch andere Figuren verdeckt wird. Auch eindrucksvoll: eine Eselhandpuppe besorgen und einsetzen! Die aktuellen Anspielungen beziehen sich auf den 11. September 2001 – und können (leider) immer wieder durch aktuellen Schrecken ersetzt werden.

49 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung, z. B. Flöten Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 7,1–4

Lesung

Lukas 2,1–20 (z. B. nach Jörg Zink, Womit wir leben können)

Lied

EG 27,1–3 und 6

Ansprache

mit T2

Lied

EG 40,1 und 3

Gebet

T3

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 36,1–5 und 9

Segen Nachspiel

50 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Ich habe einen Traum von hellem Licht, nicht zu grell, von sanften Händen, nicht zu fest, von Freiheit, nicht einsam, vom Heimkommen, immer wieder zum Christkind in der Weihnachtsnacht. Mit diesem Traum möchte ich Sie in unsere Feier zur Heiligen Nacht einstimmen. Wechselvoll-widersprüchliche Gefühle bestimmen unsere Gedanken. Noch mag die Anspannung vorweihnachtlicher Vorbereitungen andauern; noch lastet der Schmerz über die Friedlosigkeit des vergangenen Jahres auf uns. Was uns unruhig macht, möge Eingang finden in den Frieden dieser Heiligen Nacht. Der menschenfreundliche, Frieden stiftende Gott lädt uns ein auf den Weg nach Bethlehem, lädt uns ein zu Schritten des Friedens, Schritten der Hoffnung, Schritten, die den Hunger nach Leben und unsere Sehnsucht nach Ruhe stillen. In Gottes Namen feiern wir diesen Gottesdienst, im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

51 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T2: Ansprache

Liebe Gemeinde, mancherlei Akteure bevölkern den Weihnachtsstall, menschliches und tierisches Personal ist da versammelt. Zeigen der verschiedenen Krippenfiguren ■ Da ist das Kind, in Lumpen gewickelt, ins Arme-LeuteMilieu entbunden ■ Maria, die junge jüdische Mutter ■ Josef, der Mann im Schatten ■ Die Hirten, raue Gesellen von den Rändern der Gesellschaft. Ein merkwürdiges und widersprüchliches Ensemble verkehrter Verhältnisse ist das! Dazu noch Ochs und Esel, die gleichsam die gesamte Kreatur repräsentieren. Eher zufällig stehen sie mit der Krippe in Verbindung. Die Evangelisten erwähnen sie nicht. Zwei Stellen aus dem Alten Testament verdanken Ochs und Esel ihre Einbindung in die Weihnachtsgeschichte: Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt’s nicht, und mein Volk versteht’s nicht (Jesaja 1,3). Zwischen zwei Tieren wirst du erkannt (Habakuk 3,2, nach der griechischen Übersetzung, der Septuaginta). Die Kirchenväter seit Origines haben beide Stellen auf die Geburt des Gotteskindes gedeutet; seit dem 4.  Jahrhundert begegnet das Motiv in der christlichen Kunst. 52 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

(Sie fragen nach den Drei Weisen oder sogenannten Königen aus dem Morgenland? Ja, die sind aus einem anderen Evangelium, dem des Matthäus, mit in den Weihnachtsstall gekommen!) Musik; von nun an spricht der „Esel“. Esel: Vor gut einem Jahr bin ich, der Esel, mit Josef, meinem Herrn, und Maria, seiner hochschwangeren Verlobten, im Norden, in Galiläa, aufgebrochen. Lang und beschwerlich war die Reise übers Gebirge nach Bethlehem. Ich bin sehr stolz, dass ich solch kostbare Fracht tragen durfte: das werdende Kind. Vorsichtig, ganz vorsichtig setzte ich meine Hufe und wich den steilen Böschungen aus. Wenn ich müde wurde, redete Josef mir gut zu. „Halt aus, kleiner Esel“, ermunterte er mich und zeigte auf Marias schwangeren Bauch. Endlich erreichten wir die Davidsstadt. Doch niemand wollte uns haben! Verschlossene Türen und verschlossene Menschen, wohin wir uns auch wandten. „Kein Raum in der Herberge!“, hieß es überall. Und dann ging alles ganz schnell. Josef fand zum Glück einen alten, baufälligen Stall. Gerade noch kann er für Maria ein Strohlager richten  – da setzt die Geburt ein. Und ein winziges Menschlein liegt – erst in Josefs, dann in Marias Armen! Dann liegt es zwischen mir und dem Ochsen. Ein Menschlein. Und sie sagen: Gott selbst. Ein menschliches, ein göttliches Kind. Ein Wunder allemal! Mit unserem Atem hüllen wir es ein wie in einem Schutzraum, wie im Leib der Mutter, wie in einem Kokon. Hauch des Lebens, al53 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

les verwandelnd, auch das Hässliche, Harte, Kalte. In der Kälte der Nacht dieser Welt wärmen wir das Gotteskind mit unserem Atem – und spüren doch: Dieses Kind wärmt uns. Wärme und Licht wirft es in unsere Kälte und Dunkelheit. Hier wird die Rolle verlassen. Es folgt ein Kommentar: Welch ein Kontrast! Auf der einen Seite der Stall, Gleichnis für das Unbehauste aller Zeiten. Auch unserer Tage. Auf der anderen Seite die Glitzerwelt unserer Städte, Villen, Hochhäuser. Und als wie verletzlich, wie zerbrechlich sie sich immer wieder erweist! Menschen wie Maria und Josef sind unterwegs – in *Manhattan und Afghanistan, in Afrika und Arabien, in IsraelPalästina, Japan und Kalifornien*, Menschen, von Hunger, Natur, Gewalt bedroht, von der Welt teils bejammert, teils vergessen … Auf der anderen Seite das Menschen- und das Gotteskind: Aus einfachen Verhältnissen in die Welt geboren, geboren für die Stiefkinder des Glücks, für die Armen, für die, die am Rande stehen, für die, die verloren sind. Auch für ihn, den kleinen Esel. Und für seinen Freund, den Ochs. Musik; dann spricht wieder der Esel. Ich sehe Hirten in den Stall drängen, zerlumpte Kerle mit strengem Geruch. (Ich habe einen Riecher für den Schweiß armer Leute!) Ich denke: Ihre Armseligkeit stinkt zum Himmel. Ihre Armseligkeit und ihren schlechten Ruf tragen sie zum Kind im Stall. 54 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ich sehe, wie das Kind, das ja selbst die Zeichen und den Geruch der Armseligkeit am Leib trägt, die wettergegerbten Gesichter der Männer hell macht und ihre harten Herzen erweicht. Sie knien nieder, sie, die sonst vor nichts und niemandem so leicht in die Knie gehen. Sie knien vor diesem Kind, von dem ihnen gesagt ist: Der Heiland, der Retter, König der Könige soll es sein! Die Hirten drängen sich zu dem Kind, weil sie schon jetzt die Einladung hören, die der erwachsene Jesus später verkündigt: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken. Kommt her zu mir, ihr Großen und ihr Kleinen, ihr Vornehmen und Reichen und ihr, die ihr kein Geld und keine Geltung bei den Menschen habt. Kommt her, ihr Gehetzten, kommt her, ihr Trägen, ihr Fröhlichen, ihr Traurigen. Ihr alle: Kommt zu mir! Mein Joch ist leicht. Für jeden, der mir traut! Mit meinen langen Lauschern vernehme ich die leisen, tiefen Seufzer der Menschen und aller Kreatur. Ich ahne: Lasten bemessen sich nicht nur nach Pfund und Kilogramm; Lasten werden nicht nur in Säcken und Körben bewegt. Auch Sorgen sind Lasten, auch Gedanken sind Lasten. Manchmal wiegen sie wohl schwerer als all die Lasten, die Menschen einem wie mir tagein, tagaus auf den Rücken laden. Ich, der Esel, bin ans Lasten Tragen gewöhnt. Ladet mir ruhig auf, was euch beschwert, eure Sorgen, eure dunklen Erinnerungen, alles, was trennt und entzweit, was kaputt macht und krumm. Wisst ihr, was ich damit mache? Ich 55 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

trage es zum Kind. Bei ihm ist gut aufgehoben, was euch und mich so seufzen lässt. Hier endet die Rolle; hier spricht der Prediger / die Predigerin. Für Tiere und Menschen, für die ganze Schöpfung: eine schöne Bescherung! Und der Friede Gottes …



T3: Gebet

Herr, lieber Vater, der du Mensch, der du Kind geworden bist. Du hast dich in unsere Hände gegeben, damit wir, was uns beschwert, vertrauensvoll in deine Hände legen können. Herr, lieber Vater, wir vertrauen dir an: die heimatlosen und Vertriebenen dieser Tage. Erbarme dich. Herr, unser Schöpfer, wir vertrauen dir an: die Opfer von Gewalt und sinnloser Zerstörung, die Opfer von Naturkatastrophen und menschengemachten. Erbarme dich. Herr, liebes Christkind in der Krippe, wir vertrauen dir an: alle, die zerbrochenen Herzens sind, und auch unsere eigenen Sorgen, unseren Kummer, unsere Ängste. Erbarme dich. Gib Frieden, Herr, gib gegenseitiges Erbarmen. Herr, gib Hoffnung. Amen.

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7

EIN STROHHALM ALS ZEICHEN

❱ VORBEREITUNG ❰

Am Eingang werden Strohhalme ausgeteilt. Während der Predigt sollen sie in der Hand gehalten, am Ende können sie mit nach Hause genommen werden.

57 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musik Begrüßung

mit T1

Lied

EG 36,1–3 und 6

Ansprache

mit T2

Lied

EG 43,2–4

Gebet

z. B. mit T3

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 37,1.2 und 7

Segen Verabschiedung

T4

Nachspiel

58 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Herzlich willkommen, alle miteinander, hier in der Kirche, in dieser besonderen Nacht! Sie halten sich alle an einem Strohhalm fest (jedenfalls haben Sie den am Eingang bekommen). Was das für ein Zeichen ist und was Sie dazu zu erwarten haben, darum soll es in diesem Gottesdienst gehen. Sie dürfen gespannt sein  – aber auch entspannt: Sie müssen ja nichts leisten. Sie werden ja beschenkt!



T2: Ansprache

Weihnachten ist eine Zeit voller Zeichen, voller Symbole und Bilder. Gott wird Mensch – damit wir uns das auch richtig sinnlich vorstellen können, bekommen wir erzählt: von einer Krippe, von Windeln, vom Licht und vom Stern, wir holen uns immergrüne Zweige und Bäume ins Haus, entzünden Kerzen, hängen Herzen und Engel und Kugeln und Sterne auf. Manches davon ist schon Tradition in Ihren Familien, ganz selbstverständlich. Gehört eben dazu. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit einmal auf ein sehr wenig beachtetes Zeichen lenken: auf den Strohhalm, den Sie am Eingang bekommen haben. Dieser Strohhalm erzählt mir seine Geschichte, seine Weihnachtsgeschichte. Bei den Hirten, die da in der Weihnachtsnacht in den Blick geraten, fallen die Samen der Weihnachtsbotschaft, die Himmelsboten ausstreuen, auf fruchtbaren Boden. Dieser Boden, das sind Sehnsüchte, Verletzungen, Enttäuschungen, betrogene, doch nie ganz erloschene Hoffnungen. 59 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Auf diesen Sehnsuchtsboden fallen die Samen der Weihnachtsbotschaft: große Freude  – allem Volk  – euch ist heute der Heiland geboren – das Kind in Windeln – Friede auf Erden … Die Hoffnung auf Einlösung ihrer Sehnsüchte macht den Hirten Beine, lässt ihrer Erwartung Flügel wachsen. Sie gehen und sehen und staunen, diese Männer in ihren drecksteifen, streng riechenden Hirtenmänteln, Männer mit schwieligen Händen und schwieligen Herzen. Für uns geboren  – Friede soll werden … im Namen dieses Kindes. – Gottes. Flötenmusik Mit dem Besuch im Stall ist für die Hirten das Thema „Weihnachten“ noch lange nicht abgehakt. Es geht erst richtig los! Auf dem Weg zurück zu den Herden ist Zeit zum Reden und zum staunenden, nachdenkenden Schweigen. Einer von ihnen, ich nenne ihn Simeon, verbindet seine Weihnachtsgedanken mit dem Strohhalm in seiner Hand. Ganz fest hält er ihn in seiner rauen Hirtenhand. „Was verbirgst du in deiner Hand?“, will ein anderer wissen. „Einen Strohhalm“, sagt Simeon leise. „Einen Strohhalm aus der Krippe, in der das Kind liegt.“ „Ein Strohhalm!?“ Die anderen lachen. „Wirf ihn weg! Was ist ein Strohhalm denn schon wert?“ „Dieser hier ist heilig“, sagt Simeon. „Der Heiland hat darauf gelegen.“ „Und überhaupt“, fährt Simeon fort. „Ist dieser Strohhalm nicht wie wir? Wertlos, sagen die Menschen. Aber Gott, Gott kann damit was anfangen!“ 60 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Flötenmusik Die anderen Hirten sind nachdenklich geworden. Nach längerem Schweigen murmelt einer der Älteren Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja, Trostworte für die Verbannten in Babylon: „Ich werde meinen Boten zu euch schicken, meinen Knecht, den ich lieb habe. Er soll die Wahrheit unter die Völker hinaustragen. Er wird nicht schreien noch rufen … Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen! … Er wird die Wahrheit hinaustragen, damit Gerechtigkeit auf der Erde geschieht“ (nach Jesaja 42,1–3). Flötenmusik Simeon, der Hirte mit dem Strohhalm, fährt fort: „Der auf Stroh geboren wird, der wird kein Strohfeuer entfachen. Der auf Stroh geboren wird, der drischt kein leeres Stroh. Der ist nicht als Strohmann unterwegs und der benutzt auch niemanden als Strohmann. Der auf Stroh geboren wird, ist eine große, starke Hoffnung … Wie ein Halm, das Korn in sich birgt, ist er, und wie Korn, das zu Brot gebacken wird, zum Brot des Lebens, zum Brot der Gemeinschaft zwischen Starken und Schwachen, Alten und Jungen, Fremden und Freunden. Der Strohhalm trägt Hoffnung und Leben in sich und die Verheißung: Gottes Liebe ist nicht kleinzukriegen.“ Amen. Und der Friede Gottes … Flötenmusik

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T3: Gebet

Herr, du machst es uns nicht leicht, deine Herrlichkeit zu entdecken. Du kleidest sie in Niedrigkeit, du bettest sie nicht auf Rosen. Nein, auf Stroh. Herr, du machst es uns leicht, uns dir zu nähern, uns in unserer Niedrigkeit. Du kommst uns entgegen. Du nimmst uns so, wie wir sind. Du siehst unsere Dürftigkeit an, unsere Bedürftigkeit auch. Und du begegnest ihr mit Fülle. Herr, du gibst uns Zeichen. Lass uns verstehen: So wie du sollen wir anderen entgegengehen. Ihre Not sehen. Ihre Not lindern. Wenn du unser aller Vater bist, so sind alle, die uns begegnen, unsere Geschwister. Lass uns Liebe üben, Herr, denn du hast uns zuerst geliebt! Amen.



T4: Verabschiedung

Sie können den Strohhalm, der Sie in diesem Gottesdienst zur Krippe und von der Krippe ins Leben begleitet hat, nun liegenlassen. Oder mitnehmen. Vielleicht legen Sie ihn unter den Weihnachtsbaum, mitten zwischen die Geschenke. Oder Sie stecken ihn zu seinen Brüdern – in einen Strohstern. Oder verwenden ihn als Lesezeichen – vielleicht bei Jesaja 42? Verschenken können Sie ihn natürlich auch. Aber dann müssen Sie ihn erklären: als Strohhalm, an den man sich in schwierigen Situationen klammern und von dem man sich zusagen lassen kann: Gottes Liebe ist nicht kleinzukriegen! 62 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

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HIRTENTRÄUME

❱ VORBEREITUNG ❰

Sieben Bilder (Hirtenträume) zur Projektion vorbereiten – als Download auffindbar unter www.v.r.de bei der Anzeige dieses Buches.

63 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 27,1–3 und 6

Meditation mit sieben Bildern

T2

Gebet

T3

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 40,1.2.5

Segen Nachspiel

64 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden zusammen weiden und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder … (Jesaja 11,6 und 7) Mit diesem Traum um Wolf und Lamm begrüße ich Sie zur Feier der Heiligen Nacht. Wolf und Lamm, Versöhnung des Unversöhnlichen, harmonisches Miteinander des Starken mit dem Schwachen – das scheint uns ein sehr realitätsferner Traum! Wie sagen wir es doch so nüchtern: „Träume sind Schäume“ und „Träume zerplatzen wie Seifenblasen“. „Träum weiter“, sagte der Mathelehrer, wenn nicht wie aus der Pistole geschossen die erwartete Antwort kam. Träumer  – eine Beleidigung? Traum  – eine Disqualifizierung? Träume haben ihr Recht, liebe Gemeinde. Ohne Traum keine Verwandlung, keine Veränderung der Gegenwart, keine Hoffnung. Ich möchte Sie heute zum Träumen verführen, zu einem Träumen, das der Realität nicht untreu wird und das doch den sogenannten Realitäten nicht das letzte Wort überlässt.

65 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T2: Meditation

Lassen Sie sich hineinnehmen in einen Traum, den Traum eines Hirten …

Hirte bin ich wie mein Vater und der Vater meines Vaters. Wie sie ziehe ich nach uraltem Brauch mit Stab und Flöte, mit Hirtentasche und Herde zwischen Wüste und Kulturland hin und her. Jahrein, jahraus die gleichen Abläufe: unterwegs sein ohne Ende, scheren, melken, sorgen. Verletzungen heilen, Leben zur Welt bringen, Verirrte suchen. In der Nacht, wenn die Schafe sicher im Pferch sind, lasse ich die Gedanken wandern, ist unter dem weiten Sternenzelt auch für mich einmal Zeit zum Träumen.

In solchen Nächten berühren sich die Bilder des Tages mit den Träumen der Väter; so träumte einst Jesaja: Es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren 66 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. (Jesaja 35,6–7)

Und so träumte er auch: Die Wüste, die Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und wird blühen wie die Lilien. Sie wird blühen und jubeln in aller Lust und Freude. Die Herrlichkeit des Libanon ist ihr gegeben, die Pracht von Karmel und Scharon. (Jesaja 35,1–2)

Und Jesaja hörte Gottes Wort und sagte es weiter: Ich will in der Wüste wachsen lassen Zedern, Akazien, Myrten und Ölbäume; ich will in der Steppe pflanzen miteinander Zypressen, Buchsbaum und Kiefern, damit man zugleich sehe und erkenne und merke und verstehe: Des Herrn Hand hat dies getan, und der Heilige Israels hat es geschaffen. (Jesaja 41,19–20)

67 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ob Jesaja auch ein Hirte war? Denn er träumte von Gott, wie Hirten eben träumen. Er träumte von Gott, dem großen Hirten: Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinem Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen. (Jesaja 40,11) Zwischenmusik

Und so träume ich: Es kann geschehen – gegen alles vernünftige Dafürhalten – es kann geschehen, dass Stacheln Blüten tragen. Es kann geschehen – gegen alle Skepsis –, dass ein Harter weich wird. Dass Gegner sich versöhnen. Es kann geschehen  – gegen jede Erfahrung, dass das geknickte Pflänzchen überlebt und dass das verlorene Lamm gefunden wird. Unversehrt trage ich es zurück. 68 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Es kann geschehen – gegen die Gesetze der Natur –, dass die Zeit eine Nachtlang still steht und die Welt den Atem anhält. Und dass auf einem Hirtenfeld zwischen Schafen die Stimmen der Engel ihr Lied singen: „Ehre sei Gott! Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren!“ Und das ist nun das Wunderbarste: Es ist ja geschehen! Ich habe es erlebt. In dieser Nacht, in dieser wunderbaren Nacht – ich war dabei! Hell wurde es und die Engel sangen. Sie sagten uns: „Fürchtet euch nicht. Vertraut. Brecht auf. In einem Stall, in allem Elend, da wird sich euch ein Wunder zeigen. Träumt, träumt weiter. Und erst müsst ihr sehen …“

Wir machten uns – noch im Dunkel der Nacht – auf den Weg, hier einem Hinweis folgend, dort einer Spur nachgehend. Am Rande Bethlehems fanden wir in einer Grotte das Kind. Es lag, in Windeln gewickelt, in einer Futterkrippe. Wir wunderten uns. So klein? So zerbrechlich? Aber das ist ja der Traum, das ist ja das Wunder: Im Kleinen wächst es, im ganz Unscheinbaren liegt die Hoffnung. Und dann: im Glanz der Liebe. Der Retter ist geboren, der Heiland … Wer uns Hirten Retter und Heiland sein will, der muss bei uns Wohnung neh69 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

men. Das Kind – ein Hirtenkönig. Der Stall – Gottes Ort auf Seiten der Verlorenen. So wird der Traum Wahrheit. Welch eine Nacht! Welch ein Erwachen! Ach, es ist wahrlich der Himmel auf Erden! Zwischenmusik

Jahre sind vergangen seit jener Nacht, in der uns Hirten ein König geboren wurde. Ob unser Leben sich verändert hat? Träumen wir seither rückwärts anstatt voran? Vordergründig ist vieles gleich geblieben. Und doch ist alles  – um dieser einen Erfahrung willen  – anders geworden: Das Kind im Trog hat uns unsere Würde zurückgegeben. Ein Leben lang haben wir darum gekämpft. Ein Leben lang sind wir um sie betrogen worden. Das Gotteskind hat uns Rechtlosen und Habenichtsen (und unseren Schwestern und Brüdern in kommenden Generationen) die Würde wiedergegeben, auch in unwürdigen Verhältnissen Menschen zu sein, Ebenbilder Gottes. Diesem Gott sind wir begegnet, wo wir ihn brauchten: in der Armut eines Stalles, in einem ohnmächtigen Kind. 70 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ich glaube, wir werden noch oft aus Kälte und Ohnmacht, aus Leid und Not dorthin zurückkehren, um unsere Träume von Gottes neuer Welt immer neu zu entfachen. Seit jener Nacht von Bethlehem hat unser Träumen eine Mitte: Gottes Mensch gewordene Liebe, Liebe mit Hand und Fuß, mit Haut und Haar. Seither hat unser Träumen ein Ziel. Der Seher Johannes – auch er ein Träumer  – kleidet es in die Zusage Christi: „Siehe, ich mache alles neu!“ (Offenbarung 21,5) Zwischen Vergangenheit und Zukunft  – also jetzt (!)  – werden die Träume von Gottes neuer Welt manchmal ein Stück wahr, lassen sich Menschen von dem Gotteskind, das selbst zum Spielball der Mächtigen wurde, neue Hoffnungen zuspielen, werden Träume von einem neuen Leben, von einem neuen Anfang wahr. Musik



T3: Gebet

Herr, lieber Gott, Vater Jesu Christi, lass uns träumen, nicht zu groß und nicht zu klein. Sondern fantasievoll und ernst. Lass uns träumen, dass nicht alles bleibt, wie es ist. Dass es sich wandeln kann, dass wir etwas ändern können, dass du deinen Segen gibst. Herr, unser Vater im Himmel, lass uns hoffen. Und lass uns handeln, wie wir hoffen. Nicht, als müssten wir alles selbst schaffen, aber getrost und mutig – mit dem Blick auf dich und auf Krippe und Kreuz. 71 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ach, Herr, lass uns glauben, Dir glauben. Dein Reich ist im Wachsen und der Wunder sind noch viele. Wenn wir sie nur sehen, wenn wir sie hoffen und wenn wir ihnen Raum geben. Das gebe uns dein Kind. Unser Herr Jesus Christus. Amen.

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9

NEUES LEBEN AUS ALTER WURZEL

Die Blume aus dem toten Stamm © Rottenburger Kunstverlag Ver Sacrum; www.versacrum.de

❱ VORBEREITUNG ❰

Es empfiehlt sich, für den Gottesdienst einen Wurzelstock zu besorgen und diesen – zum Teil mit Erde bedeckt – für alle sichtbar auf dem Altar abzulegen. In den oberen Teil der Wurzel wird ein Loch gebohrt (ca. 0,5 cm). Da hinein 73 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

kommt während des Gottesdienstes ein grünender Zweig (der auch schon verborgen bereit liegen soll). Alternativ: Das Bild „Die Blume aus dem toten Stamm“ von Sieger Köder kann als Leitmedium Verwendung finden: Jeder Gottesdienstbesucher erhält eine Bildkarte (Bezug: Rottenburger Kunstverlag Ver Sacrum, 72108 Rottenburg, Tel. 07422-3011; [email protected]). Das Lied „Wer Gottes Wort hört“ kann mit wechselnden Stimmen gesungen werden: Gruppe 1: Anfang bis: „wie ein Baum“; Gr. 2: Wdh; Alle: „Geborgenheit“ bis „zieht“.

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❱ VERLAUF ❰

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

Mitte

Lied Meditation; zwischen Teil 2 und 3: Lied Lied Gebet

T1 T2: Wer Gottes Wort hört T3 (mit Wurzelstock) EG 7,3 EG 30,1–3 T4

Ausgang

Vaterunser Lied

Segen

EG (in den Anhängen): Schalom Ben-Chorim: Freunde, dass der Mandelzweig T5

Nachspiel

75 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Glücklich der Mensch, der sich Gott entgegensehnt! Glücklich der Mensch, der ihn von ganzem Herzen sucht und über seine Weisungen nachsinnt Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, kräftig und fruchtbar und wunderschön anzusehen. Die Vögel finden Ruhe in seiner Krone … (nach Psalm 1 und Lukas 13,19) Liebe Gemeinde, mit diesem schönen Bild begrüße ich Sie herzlich zu unserem Christnachtgottesdienst: Stark wie ein Baum, singen Kinder in der Grundschule, möchte ich werden … Die Bibel weist uns darauf hin: Ja, das sollt ihr. Ihr braucht dazu Gottes Wort und Gottes Segen. Trachtet danach …

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T2: Wer Gottes Wort hört … Text: Ulrich Walter, Musik aus Israel © bei den Urhebern

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T3: Meditation

Ich habe einen Wurzelstock auf den Altar gelegt. Knorrig ist er und schon sehr alt. Wie abgestorben liegt er da, leblos und tot. Er hat bessere Jahre gesehen, der Wurzelstock, Tage und Jahre, in denen er seine Bestimmung als Wurzel erfüllte: Urwüchsige Kraft lebte in dem Holz, eingewurzelt in fruchtbares Erdreich verlieh es dem Baum festen Halt. Eingewurzelt in fruchtbares Erdreich gab die Wurzel dem Baum Festigkeit und Nahrung. Was leben und sich entfalten will, muss Wurzeln schlagen, muss in der Tiefe verwurzelt sein, muss eins sein mit den Quellgründen des Lebens. Bei Bäumen ist das nicht anders als bei den Menschen. Dieser Wurzelstock gibt keinem Baum mehr Halt und Festigkeit und Nahrung. Ich entdecke Parallelen zu unserem Leben, zu unserer Zeit: Wie viel Hoffnung und Leben ist auch bei uns und in uns in diesem Jahr erloschen, abgestorben, unter die Räder gekommen. Wie viele Wurzeln sind gekappt, wie viele Quellgründe sind versiegt: * Beispiele einfügen * Bleibt von unserem Lebensbaum nur Tod und Vergessen? Bleiben von dem Wald der Menschheitsgeschichte am Ende nur tote Strünke übrig, nur Reste einer starken Vergangenheit? Flöten / Zwischenspiel

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Auch zu Zeiten des Propheten Jesaja fühlen sich die Menschen in Israel wie sterbende Bäume, wie Bäume mit gekappter Wurzel – ohne Zukunft und Hoffnung. Das einst so prachtvolle Reich ihres Königs David ist zerteilt und zerfallen. Er, der Spross Isais – nur noch eine Erinnerung; sein Reich  – nur noch ein Rest. Auch dieser Rest ist gefährdet und bedroht – bald werden mächtige Feinde Jerusalem belagern. In diese düstere, todesfinstere Stimmung hinein zeichnet der Prophet ein Bild: Aus dem verbliebenen Wurzelstock wird ein junger Trieb hervorbrechen und ein frischer Zweig aus der alten Wurzel Isais wird neues Leben gebären. (nach Jesaja 11,1–2) Dieser Neuanfang mit einem „zweiten David“, mit einem messianischen, das heißt von Gott gesalbten Herrscher, wird im Zeichen von Demut, Glaube und Gerechtigkeit stehen. Elende und Hilflose werden zu ihrem Recht kommen. Und so kann Friede werden. Liedstrophe: O Erd, schlag aus (EG 7,3) Während der Liedstrophe wird der grüne Zweig sichtbar in das vorgebohrte Loch gesteckt und, wenn möglich, mit einer Lichtquelle angestrahlt. Ich möchte mich in dieser Heiligen Nacht – und für ein Leben jenseits der Heiligen Nacht – von dem Hoffnungsbild Jesajas anstecken lassen: Das prophetische Bild vom blühenden Leben aus dunklem Grund verweist mich auf das Gotteskind in Bethlehems 79 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Stall. So wie aus dem Baumstumpf neue Triebe hervorbrechen, so schenkt Gott in dem Kind von Bethlehem neues Leben gegen den Tod, neue Hoffnung gegen alle Angst. In diesem Kind – ja, in jedem Kind – artikuliert sich Gottes nicht versiegender Lebenswille: ■ gegen alles, was dem Leben nach dem Leben trachtet ■ gegen alles, was keimendes Leben zerstören und Wurzeln abtöten will. Dieses Kind, das Ebenbild des Gottes, von dem gilt: Er liebt das Leben, nicht den Tod. Das Leben in seiner Fülle. Als Erwachsener wird Jesus denen neues Leben schenken, deren Leben bisher verkümmert und scheinbar nutzlos war: den Hirten und Kranken, den Frauen, den Zöllnern, den Kindern. Jeder und jedem gilt seine liebende Hingabe  – nicht, weil sie es verdienen oder gemäß ihrer Leistung –, sondern weil sie Kinder Gottes sind. Der Wurzelspross aus Davids Stamm ist für uns zur guten, tragenden Wurzel geworden, zur „Wurzel Jesse“. Wo wir in diesem Kind der Liebe und der Sehnsucht Wurzeln schlagen, kann neue Hoffnung gedeihen. Gottes neue Welt kommt – im Stall und in der Krippe erblickt sie das Licht der Welt. Amen.



T4: Gebet

Der du das Kleine liebst, Herr, und das Unscheinbare, der du das geknickte Rohr nicht abbrichst und den glimmenden Docht nicht auslöschst: 80 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Herr, du gibst Hoffnung, die stärker ist als alle Vernunft – wir bitten dich: Gibt Hoffnung denen, die zerbrochenen Herzens sind, gib Hoffnung denen, die müde sind und traurig und die manchmal aufgeben wollen. Gib Hoffnung, Herr: Du liebst das Leben, nicht den Tod! Amen.



T5: Segen

Geht mit der Gewissheit, dass die Wurzel aus Davids Stamm uns trägt – in dieser Nacht und in allen Nächten und Tagen, die noch kommen werden. Geht mit der Gewissheit, dass Jesus die Wurzel ist, aus der wir leben, das Zeichen unserer Hoffnung. Geht mit der Gewissheit, dass überall auf dieser Erde Weihnachten werden kann, wo wir Gottes Liebe und Frieden, Gottes Freude und Hoffnung an andere weiterschenken. Der Herr segne euch …

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10

DREI KÖNIGE UNTER EINEM GUTEN STERN

❱ VORBEMERKUNG UND VORBEREITUNG ❰

Textgrundlage dieses Entwurfs ist Matthäus 2,1–12, die Perikope mit den „Weisen aus dem Morgenland“. Insgesamt viermal wird da ein Stern erwähnt (Verse 2.7.9.11), einmal ist von einem Traum die Rede (Vers 12); eine Verbindung von Stern und Traum  – wie im Steinrelief des Gislebertus, s. o. – kennt der erste Evangelist jedoch nicht. Da der Stern im Kontext der matthäischen Weihnachtsgeschichte eine Leitmotiv-Funktion hat, habe ich mich entschlossen, den „Traum der Magier“ vor Vers 9 anzusiedeln, also als eine Episode auf dem Weg nach Bethlehem. Vorzubereiten: das Bild zur Projektion (www.v-r.de). 82 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lesung

Mt 2,1–12

Lied

EG 16,1–3

Bildbetrachtung

T2

Lied

EG 70,1 und 4

Gebet

T3

Ausgang

Vaterunser Lied Segen Nachspiel

83 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Herzlich willkommen heute Nacht! In dieser besonderen Nacht! Ich habe auch etwas Besonderes mitgebracht: Eine Steinskulptur aus Frankreich soll uns zum Nachdenken bringen, zur Besinnung. Hier kann das Bild schon gezeigt werden. Es bleibt dann stehen zur Ansprache / Bildmeditation. Die Skulptur trägt den Titel „Der Traum der Könige“. Ein berühmter Steinmetz, der Meister Gislebertus, hat sie als Figurenkapitell für die romanische Kathedrale Saint Lazare in Burgund um die Mitte des 12.  Jahrhunderts geschaffen. Viele Legenden ersetzen unser lückenhaftes Wissen um die geheimnisvollen Männer aus dem Osten. Sind Gelehrte gemeint, die über geheimes Wissen verfügten? Oder Astrologen, die aus dem Lauf der Gestirne menschliches Schicksal zu lesen und Verheißungen zu entnehmen wussten? Oder gar Könige, die sich auf die Suche nach dem neugeborenen Friedenskönig gemacht haben sollen? Für das Verständnis der steinernen Predigt des Gislebertus im französischen Burgund sind diese Fragen unerheblich. Hören wir die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus, die der frühmittelalterliche Meister als Vorlage benutzt: (Mt 2,2–12).

84 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T2: Bildbetrachtung

Zwei Drittel des Bildes nehmen die hohen Herren ein, die unter einer kostbaren, aufwändig verzierten Decke stecken. Kronen als königliche Attribute schmücken noch in der Nacht ihre müden Häupter. (Als Nachthauben ließe sich Bequemeres denken!) Wie Vögel, die in bitterer Winterkälte Wärme und Nähe suchen, haben sie sich dicht aneinander gekuschelt. Die lange, anstrengende Reise hat sie in tiefen Schlaf sinken lassen. Die heiligen Männer sind nicht allein. Ein Engel schwebt ganz leise zu den königlichen Pilgern. Behutsam berührt sein rechter Zeigefinger die Hand des obersten Schläfers. In der Schnittstelle der Diagonalen, im Zentrum des Bildes, begegnen sich Himmel und Erde. Die zarte Berührungsgeste öffnet dem Träumer die Augen, lädt ihn – mit der zum Himmel weisenden Linken – ein, die Blickrichtung um 180 Grad zu wenden. Dort ist zu sehen, was die träumenden Schläfer ohne fremde Hilfe nicht zu schauen vermögen: ein Stern wie eine nächtliche Himmelsblume, ein Stern als Orientierungspunkt und Maßstab auf dem Weg, ein Stern als Symbol für ihr eigentliches Ziel. Zum Stall wird er die königlichen Männer geleiten und sie später, wenn sie wieder ostwärts ziehen, „auf einem anderen Weg heim in ihr Land“ und in ihren Alltag zu führen. Zwischenmusik oder Gesang: Stern über Bethlehem Und wo komme ich in dem Figurenkapitell des mittelalterlichen Meisters vor? Wo ist mein Platz in der Weihnachtsgeschichte des Matthäus? 85 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ich wünsche mir manchmal so einen Engel, ■ der mich unaufdringlich und sanft berührt ■ der mich aufweckt aus dem Schlaf der Sicherheit und Gleichgültigkeit ■ der mir Dinge und Ereignisse erschließt, die ich selbst nicht sehe ■ der mir Brücken baut, Brücken zwischen Gott und Mensch, zwischen Himmel und Erde. Ein solcher Engel, nach dem ich mich sehne, braucht keine Flügel zu haben. Manchmal können Menschen zu Engeln und Menschen einander zu Engeln werden. Überlegen Sie einmal: Wen habe ich in diesem Jahr als „Engel“ erfahren? Wem durfte ich „zum Engel werden“? Dann und wann sind Engel und Menschen nicht zu unterscheiden. Vielleicht sind wir oft nur halbe Engel, Engel mit nur einem Flügel. Ein neapolitanischer Schriftsteller macht uns da Mut: „Wir sind Engel mit nur einem Flügel. Um fliegen zu können, müssen wir einander umarmen.“ Und ich wünsche mir auch einen Stern als Zeichen, ■ das meinem Leben eine neue Richtung gibt ■ das meine Schritte von den Pfaden des Todes auf den Weg des Lebens lenkt ■ das mich lehrt, dass nicht „oben“, sondern „unten“ (da, wo er hinscheint) das wahre Glück zu finden ist. Das Weihnachtsbild des Gislebertus mit seiner naiven Deutung des Weihnachtsgeschehens ist unser Glück. Lesen wir es so: Wir sind Königinnen und Könige unter einem guten Stern. Amen.

86 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T3: Gebet

Herr des Himmels: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? – So fragte vor vielen, vielen hundert Jahren schon ein Beter. Herr, unser Schöpfer: Du hast uns wenig geringer gemacht als dich in deiner Herrlichkeit, stellte derselbe Beter staunend fest. Zu Weihnachten stehen wir vor dem Wunder: Der Mensch in seiner Verletzlichkeit, in seiner Endlichkeit – als Kind in der Krippe trägt er dein Angesicht. Herr, lehre uns staunend und dankbar das Wunder annehmen, dass du uns so unendlich lieb hast. Lass uns von deiner Liebe weitergeben, in diesen weihnachtlichen Tagen und in all den Alltagen unseres Lebens … Amen.

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11

WENN DER STACHELDRAHT CHRISTROSEN TRÄGT

❱ VORBEREITUNG UND VORBEMERKUNG ❰

Ein Leucht-Globus wird mit Stacheldraht umwickelt und deutlich sichtbar aufgestellt. Christrosen liegen bereit, die während der Meditation dann den Stacheldraht überwinden werden. Der Entwurf verarbeitet Eindrücke aus dem Jahr 1989, dem Jahr der Wende und der Öffnung und des Mauerfalls. Das war eine einzigartige Situation – die Erfahrung jedoch, dass Grenzen und Mauern fallen (mögen), ist vielen historischen und sozialen Konstellationen gemein. Insofern lade ich Sie ein, dem Duktus dieses Entwurfs zu folgen und entsprechende Anpassungen und Aktualisierungen selbst einzutragen. Stacheldraht als Metapher für Trennung, Abgrenzung und Gewalt ist und bleibt bedrückende Realität. 88 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Ausgang

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 23,1–7

Meditation in drei Teilen mit Zwischenmusik

T2

Lied

T3: Da berühren sich …

Gebet

T4

Vaterunser Segen Nachspiel

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T1 Begrüßung

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende … Mit dieser herrlichen Prophezeiung aus dem neunten Kapitel des Jesaja-Buches begrüße ich Sie und kann mir gut vorstellen, dass Sie diese Worte heute Nacht intensiver und befreiter hören als so manches Mal zuvor. Nicht nur, dass wir diese Prophezeiungen auf Christus beziehen, auf die Ankunft des Christkinds in unsere Welt; heute und hier wage ich auch einen Bezug auf aktuelle Ereignisse: Die Tyrannen dieser Welt haben sich beugen müssen – nicht der Gewalt, sondern der Macht der Hoffnung und der Liebe zum Leben. Machtlose verändern das Angesicht der Erde. Mit dem machtlosen Kind in der Krippe ist dies ein für alle Mal unsere Hoffnung geworden. Wo Gott in Gestalt eines Kindes die Erde berührt, da beginnt sie zu blühen. Das ist das Thema von Weihnachten und das ist das Thema dieser Christmette. Gott segne uns und er segne diese Heilige Nacht!

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T2: Meditation

Globus in den Mittelpunkt rücken I a: Eine alte jüdische Legende erzählt: Am sechsten Tag hielt Gott inne. Staunend schaute er auf das, was schon geworden war: Licht  – Himmel und Erde  – Länder und Meere  – Bäume und Kräuter  – Gestirne  – Fische, Vögel und die Landtiere. Nur Menschen fehlten noch in diesem Kosmos. Gott überlegte lange. Sollte er Menschen schaffen – Menschen gleichsam als Krönung der Schöpfung? Gott zögerte. Wie würden sich Menschen in diese wundervolle Ordnung einfügen? Und mit welchen Eigenschaften sollte er sie ausstatten? Bevor er eine Entscheidung traf, beriet sich der Schöpfer mit seinen drei liebsten Töchtern: der Weisheit, der Gerechtigkeit und der barmherzigen Liebe. Als Erste nahm Weisheit das Wort: „Vater“, sagte sie, „wenn du mich fragst – ich rate dir ab! Schaffe den Menschen nicht! Er wird den Verstand, mit dem du ihn begabst, verlieren! Sich selbst überschätzend wird er deine gute, schöne Erde zerstören  – und am Ende sich selbst! Deine gute Schöpfung darf nicht der Dummheit der Menschen zum Opfer fallen!“ Und Gott schwieg lange und auch ein wenig betrübt. Meditative Zwischenmusik I b: Mir fallen Belege und Beispiele ein, die dieser Weisheit recht geben: Aus Dummheit und Angst und Misstrauen 91 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

bauen Menschen Grenzen und Zäune und Mauern, die trennen, was zusammengehört und sich ergänzen will (alternativ: Aus Dummheit und Selbstsucht, gierig und unbedacht, legen Menschen deiner Schöpfung Ketten an und knebeln deine Erde). Der Stacheldraht, den ich hier symbolisch um die Erde gelegt habe, steht für Hass und Trennung, für Unfrieden und Krieg, für Ausbeutung, Unterdrückung, Gewalt und Tod. Und wenn dann ein Wunder geschieht, wie zum Beispiel *…*! Das hat mit Weihnachten zu tun, liebe Gemeinde, damit, dass die Liebe sich Bahn bricht. Wir sind dankbar für solche Wunder und dennoch sind wir uns bewusst: Stacheldraht gibt’s noch, übelster Sorte, an vielen Brennpunkten dieser Welt, z. B. * … *, im Großen wie im Kleinen. Stacheldraht ist der Stachel im verletzlichen Fleisch des Lebens und der Liebe. Meditative Zwischenmusik II a: Zurück zur Legende: Nach der Weisheit kam Gottes zweite Tochter zu Wort, Gerechtigkeit. Sie sagte: „Auch ich rate dir dringend ab, Vater! Du weißt, was gerecht ist, denn du bist es selbst. Du weißt aber auch, wie leicht Recht in Unrecht umschlagen kann. Ich fürchte: Die Menschen werden sehr schnell deine Gerechtigkeit mit Füßen treten. Hass und Verleumdung werden deinen großartigen Planeten in eine Hölle des Unrechts und in eine Mördergrube verwandeln.“ Und Gott schwieg. Meditative Zwischenmusik

92 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

II b: Ach, sie hat ja so recht! Ich denke an die Nachrichtensendungen, gestern und vorgestern und letzte Woche, *…* – Gerechtigkeit ist käuflich geworden, ist zur Karikatur geworden, zu einer Spottgestalt ihrer selbst. Stacheldraht als Symbol des Rechts des Stärkeren, des Reicheren – was würde Jesaja dazu sagen, was sagt Gott? Ich lege bisweilen die Zeitung beiseite und lese bei Jesaja nach: Er träumt so mutig, träumt, dass die Wölfe und die Lämmer miteinander ruhen … Meditative Zwischenmusik III a: Da trat die dritte Tochter vor, Barmherzige Liebe. Sie sprach so: „Vater, meine Schwestern haben recht: Was sie befürchten, wird vermutlich eintreten. Und doch rate ich dir: Geh das Wagnis ein und schaffe den Menschen! Du wirst ihn  – als einzige Kreatur  – mit Freiheit und Liebe begaben. Zwar kann Freiheit missbraucht werden und Liebe ist verletzlich. Aber Liebe und Freiheit begründen die Würde des Menschen und deines Schöpfungswerkes. Ich will mich dann zu den Menschen aufmachen und will sie im Gebrauch von Liebe und Freiheit unterweisen. Ich werde sie so lieben, wie sie sind. Dann erst wird deine Schöpfung vollendet sein. Die Liebe ist die Krönung all dessen, was du geschaffen hast. Ich gehe zu den Menschen, auch wenn es mich mein Leben kostet.“ Nach diesen Worten schloss Gott seine Tochter, barmherzige Liebe, in seine Arme und küsste sie – und schuf den Menschen. Jubelnde Musik III b: Eine alte jüdische Legende, wie gesagt. Zugleich eine Weihnachtsgeschichte, finde ich. Denn sie verweist 93 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

auf den Weg des Erlösers zu den Menschen. „Lass mich gehen und deine Liebe zu den Menschen bringen …“  – Lass mich zu den Menschen gehen, heute, in dieser Weihnachtsnacht. In einer groben Futterkrippe, in einer Viehhöhle wird der Kernsatz der Legende eingelöst: „Liebe ist die Krönung dessen, was du geschaffen hast!“ Weihnachten wird das Un-Mögliche möglich: In diesem kleinen hilflosen Bündel Leben finden Hirten – Gott! Die Natur bildet (zumindest in unseren Breiten) das Weihnachtswunder in einem erstaunlichen Symbol ab: Mitten im Winter – während die übrige Natur ihren Winterschlaf hält – blüht sie auf: die Christrose! Eine Christrose wird hochgehalten Das Unmögliche wird möglich: Die Welt bekommt ein neues Gesicht. Wo Gottes Liebe die Erde berührt, da beginnt sie zu blühen. Christrosen werden auf den Stacheldraht des Globus geheftet Wir stecken Blüten von Christrosen in den Stacheldraht, der den Globus einschnürt. Trotz Stacheldraht, trotz Kälte und Tod in dieser Welt kann neues Leben aufblühen. Wo Gottes Liebe die Erde berührt, da wird das Leben neu, blühen Blumen mitten im Winter. Weihnachten wird als unmöglich Geglaubtes doch wahr! Die Blüten machen uns Mut: Stiftet Frieden, wo Streit das Leben vergiftet! Schenkt Freude, wo Traurigkeit die Hoffnung erstickt! Taut mit brennender Liebe das Eis der erkalteten Beziehungen und des Hasses hinweg. 94 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Evtl. die Schlussworte der dritten Tochter noch einmal sprechen Alle Liebe ruft nach Antwort, alle Liebe ruft nach Gegenliebe. Nur mit unserer Liebe kann Gottes Liebe vergolten werden. Weihnachten wird das Unmögliche möglich. Gottes Liebe berührt in einem Kind die Erde und die Welt bekommt ein neues Gesicht. Amen.



T3: Lied: Da berühren sich Himmel und Erde Text: Thomas Laubach, Melodie: Christoph Lehmann, aus: gib der Hoffnung ein Gesicht, 1989 © tdv Verlag Düsseldorf

2. Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde … 95 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

3. Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde …



T4: Gebet

Herr, wir danken dir, dass du dich von Liebe leiten lässt, auch wenn es dich manchmal reut, uns Menschen geschaffen zu haben mit unserer Selbstsucht und Engherzigkeit: Du hältst zu uns, du lässt uns nicht im Stich. Du hast uns ein Kind in die Krippe gelegt, einen Sohn hast du uns geschenkt, einen Wunder-Rat, einen Gott-hilft, einen Gott-bei-den-Menschen! Mit seiner Liebe möge er uns entzünden, immer wieder neu. Und heute, in der Heiligen Nacht: Erlöse uns, Herr, von unserer Sünde. Befreie uns von unserem Stacheldraht. Und mit uns deine ganze Schöpfung. Wie du es längst getan hast – auch heute, auch hier. Amen.

96 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

12

DAS GEWAND DES KÖNIGS

© Franz Eckert

❱ VORBEREITUNG ❰

■ ■ ■ ■

Die Erzählung des Eingangsmärchens sollte durch vier verschiedene Tücher unterstützt werden, die sich der / die Erzählende an den entsprechenden Stellen umlegt: Rotes Tuch: Prachtgewand Blaues Tuch: Gelehrtenmantel Tuch mit Sternen: Zaubermantel Einfaches Leinentuch: Mantel des Königs 97 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Es ist wünschenswert, dass mehrere SprecherInnen das Märchen vortragen, anschließend dann der Liturg die Kommentierung.

❱ VERLAUF ❰

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 56, 1 ff. oder 14, 1 und 2

Lesung

Jesaja 11

Mitte

Zwischenmusik Ansprache in drei Teilen mit Sprecherwechsel und zwei Zwischenmusiken

T2

Lied

EG 27,3

Gebet

T3

Ausgang

Vaterunser Lied

EG 27,5 und 6

Segen Nachspiel

98 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Herzlich willkommen zur Christmette hier in der *…*. Miteinander wollen wir hören und singen, feiern und teilen, was in der Heiligen Nacht geschah und immer neu geschieht: Gott wird Mensch! Wir feiern dieses Weihnachtsfest und sind dankbar, dass * (aktuelle Beispiele für ermutigende Nachrichten einfügen) * Wir feiern dieses Weihnachtsfest und sind bestürzt, dass * (aktuelles Beispiel für eine Schreckensnachricht einfügen) *. Weihnachten eignet sich nicht zur idyllischen Verzeichnung, damals nicht und heute nicht. Gottes Menschwerdung ereignet sich hinein in eine zerrissene, brennende Welt. Tag und Nacht, Licht und Schatten sind aufeinander bezogen. Im Namen des Mensch werdenden Gottes feiern wir diesen Gottesdienst  – im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.



T2: Ansprache

Es war einmal ein König, der war sehr gut zu seinen Leuten. Für alle hatte er stets ein offenes Ohr und ein weites Herz. Besonders liebte er die Armen, die Schwachen und die Kinder. Eine Frage brannte ihm schon lange auf der Seele: Wer sollte einmal sein Nachfolger werden? Wer würde dieses hohe Amt wirklich gut und überzeugend ausfüllen und sich als König aller Untertanen erweisen können? Der 99 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Beste sollte sein Nachfolger sein! Doch wer war der Beste und wie sollte er ihn finden? Der König dachte lange nach; dann hatte er eine Idee: Er lud die jungen Männer seines Landes ins Schloss ein. Im Thronsaal hatte er mehrere goldene Schreine aufstellen lassen. In jedem der Schreine lag ein anderes Kleid. Die jungen Männer sollten nun herausfinden, welches von diesen Kleidern das Lieblingskleid des Königs sei. Und derjenige, der es herausfand, sollte der Nachfolger werden. Im ersten Schrein lag ein prächtiger Mantel (rotes Tuch umlegen!), aus kostbarem Garn gewebt und mit wertvollen Stickereien und Perlen besetzt. Sein Träger würde Hoheit und Würde ausstrahlen. Souverän und Ehrfurcht gebietend würde er darin durch die königlichen Gemächer schreiten und Hof halten. Respekt würde man ihm entgegenbringen, sich ihm unterwürfig nähern und auch die einfachen Leute würden beeindruckt sein. Es schien ganz offensichtlich: Dieser Mantel und kein anderer musste des Königs liebstes Kleid sein! Im zweiten Schrein lag ein Gelehrtenmantel (blaues Tuch umlegen), ein Gewand, wie es die studierten Leute und Professoren trugen. Es schien ganz offensichtlich: Dieser Mantel stand einem König gut! Klug sein, fremde Formeln und Texte erschließen, den Geheimnissen und Bauplänen des Lebens und der Welt auf der Spur sein, allseits geachtet und geehrt  – das ziemte sich für einen König! Den Dingen auf den Grund gehen in einer Welt des Banalen, an Problemlösungen arbeiten, wo sich Probleme zu Bergen türmen – der Gelehrtenmantel musste einem guten König lieb sein! 100 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Der dritte Schrein barg einen Mantel, wie Zauberer ihn tragen (Tuch mit Sternen umlegen), Zauberer, die die Welt für einen Augenblick verwandeln, Hässliches schön scheinen lassen, Mangel in Überfluss wenden, Eisen zu Gold machen. Zauberer, die einen Hauch von Mystik und Geheimnis über eine Welt zu legen vermögen, der das Staunen fremd geworden ist. Der Zaubermantel  – es schien ganz offensichtlich: Er wäre eine gute Wahl für einen König! Doch in der Ecke stand noch ein Schrein. Auch er enthielt ein Kleid (altes Leinentuch umlegen). Und dieses Kleid unterschied sich grundlegend von den zuvor Genannten. Es war ein einfaches Leinenkleid, wie es die Bauern und einfachen Leute dieses Landes zu tragen pflegten, ein Kleid mit Flicken drauf und Löchern drin. Da war es ganz offensichtlich: Dies war niemals des Königs liebstes Gewand! Einen König, der sich so armselig kleidete, würde niemand erkennen, geschweige denn anerkennen! Und doch war dieses unansehnliche Arme-Leute-Kleid das Lieblingskleid des Königs, und wer unter den jungen Männern seines Landes es wählte, der wurde zum Nachfolger im Geist des alten Königs ernannt. Wie schon gesagt: Der König hatte die Armen, die Schwachen und die Kinder in sein Herz geschlossen. Ihnen wollte er nah sein, nicht fern, und so kleidete er sich wie sie. Damit gab er den Leuten das Gefühl: Der König ist unter uns! Und das Gleiche wünschte er sich von seinem Nachfolger, damit sein Land mit allen seinen Bewohnern auch nach ihm in guten Händen sein durfte. Zwischenmusik

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Dieses Märchen erzählt mit seinen Worten die Weihnachtsgeschichte, die Geschichte von Jesus, die Geschichte des Messiaskönigs, der in unheiliger Umgebung im Stall geboren wird, Gott, der Mensch wird und die Leute spüren lässt: „Der König ist unter uns!“ Fischer werden es sagen und Zöllner, Krüppel und Lahme werden es sagen, Frauen und Kinder werden es sagen: „Der Himmelskönig ist unter uns.“ Und die Hirten in der Nacht werden einander zuwispern: „Seht, ein Kind in Windeln – unser Heiland und Herrscher!“ Der Himmelskönig wird Mensch, ein kleiner Mensch, in dem Gott ganz klein anfängt auf dieser Erde. Dieser König blendet nicht durch den Glanz seiner Pracht und nicht durch die Brillanz seiner Weisheit. Bruder will er sein, Mensch unter Menschen. Die Armen, die Schwachen, die Kinder schließt er besonders in sein Herz. Er will nah sein, nicht fern. Nicht König Herodes, sondern die kleinen Leute in ihren Arme-Leute-Kitteln beginnen, das Geheimnis Gottes, das Geheimnis dieser Nacht zu begreifen: „Der Himmelskönig ist unter uns.“ Er trägt das Gewand der Armen und Kleinen, hockt sich zu ihnen auf ihren Straßen und an ihren Zäunen. Überall, wo eine(r) arm ist und klein und schwach – wie er –, begegnen wir ihm. Zwischenmusik Auf viele Arten verkleidet begegnet er uns, begegnen wir dem Mensch gewordenen Gott: ■ Er begegnet uns in den Hungrigen und Durstigen, in den nach Leben Hungernden und nach Sinn Dürstenden und manchmal in den verdrängten Themen unserer Lebensgeschichte. 102 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

■ Er zeigt sich in Erfahrungen, die mir das Leben aufzwingt, in Trennung, Abschied und Schmerz, und lässt mich ahnen, dass ich nicht allein bin, sondern von einer unsichtbaren Kraft gehalten werde. ■ Er kann uns nahe sein in den Tränen des Glücks und in den Seufzern der Verzweiflung. ■ Wir können ihn spüren in Momenten der Stille, die mich inmitten allen Lärms durchatmen und nach dem fragen lässt, was mein Leben trägt und hält. ■ Viel zu selten sehen wir ihn in den filigranen Wundern der Schöpfung, die die Geheimnisse des Schöpfers und der Schöpfung spiegeln. Der König ist unter uns – in wechselnden Einkleidungen, nicht immer leicht auszumachen unter den grellen Lichtern des weihnachtlichen Schlosses. Du wirst ihm begegnen, vielleicht noch heute Nacht. Amen.



T3: Gebet

Lieber Gott, der du ein Herz für die Kleinen hast: Sei bei uns heute Nacht und später in unseren Häusern. Lass uns in dein Herz schauen und steck uns an mit deiner Liebe. Dass wir nicht auf das sehen, was außen ist und äußerlich, sondern nach innen, auf das Wesentliche. Dass wir Nähe schenken und Heil stiften, anstatt uns selbst zu erhöhen und zu feiern. Dass wir dankbar sind für alle deine Gaben. Vor allem aber: für dein Kommen in die Welt. Der König ist unter uns: Lass uns das von Herzen feiern! Amen. 103 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

13

ES IST EIN ROS ENTSPRUNGEN

Kath. Urfassung

Ev. Umdichtung

Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt, ist Marie, die Reine, die uns das Blümlein bracht. Aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren und blieb die reine Magd.

Das Röslein, das ich meine, davon Jesaja sagt, hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd. Aus Gottes ewgem Rat hat sie ein Kind geboren wohl zu der halben Nacht.

❱ VORBEREITUNG ❰

Die Gottesdienstbesucher erhalten ein Gottesdienstblatt: Abbildung „Rose“ sowie beide Versionen der zweiten Strophe von „Es ist ein Ros entsprungen“ (katholisch / evangelisch; s. o.). Auf dem Altar steht ein Strauß Rosen; evtl. ist die Kirche auch sonst entsprechend geschmückt. Schalen mit Rosenblättern zum Herumreichen stehen bereit. Ein Bild / Bilder – Maria mit Rose – ist / sind zur Projektion vorbereitet (www.v-r.de). 104 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Mitte

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 30,1

Lesung

→ T2

Zwischenmusik

Maria durch ein Dornwald ging

Ansprache im Dialog; Bildprojektion und Aktion

→ T3

Lied

EG 30,1–3

Gebet

T4

Ausgang

Vaterunser Segen Lied

EG 44

Nachspiel

105 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Ein Klosterbruder fand in der Heiligen Nacht im tief verschneiten Wald eine Rose, eine blühende Rose. Voller Freude und staunend über das Rosenwunder grub er die Rose aus. Behutsam trug er sie ins Kloster. Er pflanzte die Rose in einen Topf und stellte den Topf vor dem Marienaltar der Klosterkirche ab. Liebe Gemeinde, mit dieser schönen Weihnachtslegende begrüße ich Sie heute Nacht hier bei uns in der Kirche. Auch wir haben Rosen auf dem Altar und Maria – ja, die steht dort, an der Krippe (zeigen). Rose, Maria, Weihnacht  – auf wunderbare Weise gehört dies wohl zusammen. In der „Legenda aurea“, dem populärsten Volksbuch des Mittelalters, lesen wir es so: In der Weihenacht blühen die Rosen, verwandelt sich der Winterwald in einen Garten voller Blumen und spendet ein Brunnen Öl statt Wasser … Sinnliche Ausdrücke dafür, dass heute Nacht der Himmel die Erde berührt, dass wir heute Nacht eine besondere Erfahrung machen können – heute Nacht, hier in unserer Kirche …



T2: Lesung

Maria durch ein Dornwald ging, Kyrie-eleis Maria durch ein Dornwald ging, der hat in sieb’n Jahrn kein Laub getragen. Jesus und Maria 106 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Was trug Maria unterm Herzen? Kyrie-eleis Ein kleines Kindlein ohne Schmerzen, das trug Maria unter ihrem Herzen. Jesus und Maria. Da hab’n die Dornen Rosen getragen, Kyrie-eleis als das Kindlein durch den Wald getragen, da hab’n die Dornen Rosen getragen. Jesus und Maria



T3: Ansprache

Sprecher/in 1: Die Rose (eine Rose hochhalten) gilt als „Königin der Blumen“. Rosen sind von betörender Schönheit, Rosen duften, Rosen erreichen ein hohes Alter – und: Rosen haben Dornen! Sprecher/in 2: Im antiken Rom war die Rose der Venus, der Göttin der Liebe, gewidmet. Die Rose galt als Symbol himmlischer Vollkommenheit und Reinheit, von Leben und Tod, von Schönheit und Begierde – aber auch: als Sinnbild der Verschwiegenheit. Sprecher/in 1: Die Rose – Symbol der Venus! Was für die Liebesgöttin gut war, konnte für Maria, „die reine Magd“, nicht abträglich sein. Und so wurde – im Zuge der Christianisierung – die Rosensymbolik von der Venus auf die Gottesmut-ter Maria übertragen. Sprecher/in 2: Seit dem frühen Mittelalter wird in Bildern und Liedern die Rose zum Attribut der Maria … 107 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Meditative Zwischenmusik / Bilder zeigen Sprecher/in 1: Eine solche Motivübertragung verarbeitet auch unser Lied „Es ist ein Ros entsprungen“. Das dem Lied zugrundeliegende Bild in Jesaja 11 weiß jedoch nichts von einer Rose: Sprecher/in 2 (liest aus Jesaja 11): „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn … Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften … Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern …Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter (Verse 1 bis 8 i.A.). Sprecher/in 1: Also: Wo das Lied von einer „Rose“ singt, spricht der Prophet von einem „Reis“. Ein Reis ist ein Zweig, ein junger Trieb. Er wird wunderbarerweise aus einer (totgeglaubten) Wurzel eines Olivenbaumes / einer Eiche (gemäß Jesaja 6,13) hervorbrechen und neu ausschlagen. Für Jesaja war das in einer ausweglosen Zeit ein Hoffnungsbild und wurde auf die messianische Zeit gedeutet. Sprecher/in 2: Was die frühen Christen auf Jesus bezogen  – Jesus sei der neue Trieb aus Isais und Davids Stamm  – das wird durch den Motivwechsel vom Reis zur Rose zum Marien-Symbol und das Lied wird zum Marienlied. Sprecher/in 1: Oh ja, das sehen wir vor allem in der zweiten Strophe von „Es ist ein Ros entsprungen“  – Sie können es auf Ihren Gottesdienstblättern nachlesen: „Das Röslein, das ich meine, … ist Marie die Reine“ – so sin108 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

gen es unsere katholischen Geschwister, sicherlich auch heute Nacht. Der evangelische Komponist Michael Praetorius wiederum (auch das auf dem Gottesdienstblatt nachzulesen) stellt durch Umdichtung der zweiten Strophe den ursprünglichen Motivzusammengang wieder her: Das Röslein, das ich meine … hat uns gebracht alleine Marie, die reine Magd … Nicht Maria also, sondern Jesus ist die Rose bzw. das Reis, und Maria ist die Mittlerin. Sie bringt ihn uns, bringt ihn zur Welt. Musikalisches Zwischenspiel Sprecher/in 2 (liest noch einmal aus Jes 11): „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn.“ Sprecher/in 1: Auch in unserem Leben gibt es solche gekappten Bäume im Sinne abgestorbener Hoffnungen, erloschener Träume und enttäuschter Erwartungen, gibt es Brüche und Häutungen – im persönlichen und familiären Bereich, im beruflichen Umfeld, im Verhältnis zu Freunden, in unserem Glauben. Sprecher/in 2: Hoffnungen – abgestorben … Träume – erloschen … Brüche …? Halten wir inne und besinnen uns … Welche Erinnerungen steigen auf, Erinnerungen an Zeiten, in denen die Rose nicht blühte … Meditative Musik; Zeit zum persönlichen Nachdenken

109 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Sprecher/in 1: Aber auch und vor allem das andere: Wo hat sich neues Leben eingestellt, eine neue Hoffnung Gestalt gewonnen ? Welche Erinnerungen steigen auf an Zeiten, in denen die Rosen neue Knospen bekamen und duftend zur Blüte gelangten? Meditative Musik; Schalen mit Rosenblättern werden durch die Reihen gereicht. Sprecher/in 2: Ich erinnere mich an eine Klagewand auf einem der früheren Kirchentage. Dort stand  – mit Filzstift hingeworfen  – folgender Satz: „Auf der Suche nach Leben bin ich gestorben.“ Ich weiß nichts über die Schreiberin dieser Zeilen – nur ihren Namen: Melanie. Ich weiß nicht, welche Erfahrung Melanie diesen Satz hat schreiben lassen „Auf der Suche nach Leben bin ich gestorben“ … – eine gescheiterte Beziehung, eine Sucht, ein Unfall  …? Jedenfalls blieb Melanies Satz auf der Kirchentagswand nicht ohne Echo. Ein anderes Mädchen mit Namen Elke schrieb dazu: „Manchmal muss man erst sterben, um wieder zu leben. Und dass du so fühlst, zeigt, dass du noch lebendig bist.“ Sprecher/in 1: Manchmal müssen wir Träume begraben und erste Entwürfe zerreißen, um Raum für neue Hoffnungen zu gewinnen. Ohne solche Hoffnungen und Hoffnungsbilder, wie sie auch Jesaja und unser Lied formulieren, verkümmert menschliches Leben, ist es ohne Sinn und Perspektive. Leben hat Sinn, jedes Leben hat Sinn, auch das beschädigte und verletzte und schon einmal gestorbene. Auch in den Weihnachtsgeschichten der Evangelisten begegnen uns Bilder und Symbole, die der Sehnsucht nach einem 110 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

neuen Anfang, nach dem Wunder gelingenden Lebens, nach Heimat und Geborgenheit Ausdruck geben, auch wenn es da nicht Rosen sind, die aus dem Winterwald hervorbrechen. Das Gotteskind, das den Gottesfrieden in die zerrissene Menschenwelt trägt, die Hirten, mit denen auch unserem Leben eine neue Qualität zugesprochen wird, die nicht auf die alten Muster der Lebensgeschichte festlegt, sondern neue Anfänge ermöglicht, der Stern als Metapher des Lichts, das in der Finsternis scheint und die Zeit neu qualifiziert, das Wunder der Jungfrauengeburt, das nicht im Sinne einer biologischen Festlegung zu verstehen ist … Wer meint, sich damit abfinden zu müssen, dass das Wunder, auch das Weihnachtswunder, in seinem Leben auf sich warten lässt, dem und der sei mit Hilde Domin geraten: „Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.“ Sprecher/in 2: Wir feiern Weihnachten, weil Jesus der neue, lebendige Zweig aus den Wurzeln und Glaubenserfahrungen der Väter und Mütter ist. Er, der Hoffnungsträger, schenkt uns, den Erschöpften, immer wieder neuen Atem, lässt unsere Sehnsucht aufblühen, unsere Sehnsucht nach Leben und Liebe und der Möglichkeit immer neuer Anfänge. Sprecher/in 1: Mit dieser Hoffnung können wir gegen alle Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit Leben gestalten und Welten verändern. Amen.

111 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T4: Gebet

Herr, unser Gott, du hast die Dornen geschaffen und die Rosen. Du schenkst die Hoffnung und die Erfüllung. Du begleitest durch Täler und Schluchten, tief hinab. Und dann wieder hinauf bis auf die Spitzen der Berge. Du kennst das Leid und das Glück, den Schmerz und die Angst, die Erleichterung, das Aufleben nach Schwerem. In Christus bist du Mensch geworden und erträgst, was Menschen ertragen müssen. Und so vertrauen wir uns dir an mit unseren Hoffnungen und Ängsten, in Traurigkeit und Freude, wir schließen die Augen und schließen ein in unser Gebet, die wir lieben und die es brauchen. Und wir schließen mit der Bitte: Dein Wille geschehe. Amen.

112 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

14

WEIHNACHTS-KYRIE

❱ VORBEREITUNG ❰

Vorlage des Bildes „Geburt Jesu“ von Sieger Köder (Rosenberger Altar) besorgen und auf OH-Folie kopieren. OHProjektor und weiße Projektionsfläche. Schablone zum partiellen Abdecken des Bildes in drei Stufen: a) nur die Mitte, b) Mitte und unten, c) Totale. Gegebenenfalls Karten mit dem Bildmotiv als Gabe zum Mitnehmen. 113 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung Lied

Mitte

Lesung

z. B. mit T1 EG 27,1 bis 3 und 6 Galater 4,4–7

Musik Bildmeditation in drei Teilen

mit T2

Musik Gebet

T3

Ausgang

Vaterunser Segen Lied

EG 16,1 bis 3 und 5

Nachspiel

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T1: Begrüßung

Mit Worten Jochen Kleppers begrüße ich Sie herzlich, mit Worten, die zugleich das Thema dieser Heiligen Nacht angeben: Die Welt ist heut voll Freudenhall. Du aber liegst im armen Stall. Dein Urteilsspruch ist längst gefällt, das Kreuz ist dir schon aufgestellt. Kyrie eleison! Die Welt liegt heut im Freudenlicht. Dein aber harret das Gericht. Dein Elend wendet keiner ab. Vor deiner Krippe gähnt das Grab. Kyrie eleison! Die Welt ist heut an Liedern reich. Dich aber bettet keiner weich und singt dich ein zu lindem Schlaf. Wir häuften auf dich unsere Straf’! Kyrie eleison! EG 50, 2–4



T2: Bildmeditation

Projektion des Bildes, nur der Mittelteil ist aufgedeckt Vieles ist uns vertraut an diesem Bild weihnachtlicher Idylle des Malermönchs Sieger Köder: Maria, in leuchtendes, himmlisches Blau gehüllt. Das Kind im nächtlichen 115 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Stall – offen und erwartungsvoll wendet es sich dem Betrachter zu, mit einer Geste (linke Hand), die Zärtlichkeit und Einladung zugleich ausdrückt. Ein Hirtenmädchen vervollständigt das Dreieck: Voller Andacht faltet es anbetend die Hände. Es repräsentiert die kleinen Leute – die Kinder und die späteren Weggefährten Jesu, die Fischer und Zöllner, die Tagelöhner und die Kranken. Eine idyllische Szene  – millionenmal gemalt, geschnitzt, beschrieben, besungen  – Weihnachten, ein Ereignis, das immer ein wenig Gefahr läuft, verkitscht, missdeutet, missbraucht zu werden für sentimentale Gefühle. Vielleicht sollten wir nicht zu hart urteilen. Vielleicht brauchen wir ja in einer Welt der Fakten und der Falken und des Zweckrationalen ab und zu das Gefühlvolle, das Anrührende und Idyllische von Stall und Krippe, von Kind und Windeln und guten Hirten als Gegengewicht. Zwischenmusik; den unteren Teil des Bildes mit aufdecken Aus dem unteren Bildrand wächst als Frucht der Wurzel Jesse König David heraus. In königlichem Purpur, im Gebetsmantel, hält er Ausschau nach dem Spross aus seinem Geschlecht. Ewigen Bestand hat Gott seinem Thron verheißen. David trägt den Krippenthron des soeben geborenen Königs der Juden. Die Seitenwand der Krippe nennt den Hoheitstitel des Kindes: INRI: Jesus Nazarenus Rex Judaeorum, d. h. „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Diese Inschrift wird Herodes einst dem Gekreuzigten beigeben. 116 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Weiße Christrosen schmücken die Wurzel Jesse. Christrosen sind eine der wenigen Blumen, die auch im Winter blühen. Doch in Sieger Köders Bild sind sie mehr als ein weihnachtli-ches Accessoire. Die Fünfzahl weist voraus auf die fünf Wundmale des Gekreuzigten. Bereits die Geburt des messianischen Kindes steht also im Zeichen der kommenden Passion. Im Weihnachtsoratorium hat J. S. Bach darum dem Adventslied „Wie soll ich dich empfangen“ die Melodie des Passionsliedes „O Haupt voll Blut und Wunden“ unterlegt. Zwischenmusik; das ganze Bild zeigen Oben bzw. über Maria: mit unnatürlich verdrehtem Kopf, schlafend und träumend  – Josef, der Mann im Hintergrund. Schlafend und träumend: ■ von einer erneuerten, menschlicheren und gerechteren Welt, wo Wölfe bei den Lämmern wohnen und Löwen friedlich Stroh fressen; ■ im Konflikt zwischen nagendem Zweifel und vertrauender Liebe; ■ von Albträumen geplagt, weil dem Kind von Herodes tödliche Gefahr droht; ■ im Traum schon sehend den Weg ins Leben, den der Engel ihm weist. Zwischenmusik Stämmige Balken tragen das Stalldach. Bei genauerem Hinsehen verwandeln sich die Hölzer in die drei Kreuze der Passion. Ikonografisch bedeutet das: Über der Krippe 117 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

zeigen sich bereits die Schatten des Kreuzes  – das eine ist nicht ohne das andere zu haben und zu feiern! Weihnachten und Karfreitag liegen näher beieinander, als uns manchmal lieb ist. Das göttliche Kind lädt uns mit ausgebreiteten Armen ein: Kommt, ihr nach Brot und Leben Hungernden, ihr Weinenden, ihr Gehetzten und Ausgebrannten: Macht’s wie Gott – werdet Mensch! Amen.



T4: Gebet

Vater im Himmel, dein Sohn kam auf die Welt mit ausgebreiteten Armen, freundlich und vertrauensvoll. Er kam, uns zu sagen: Wir seien bei dir in guten Händen. Doch er war nicht in guten Händen bei uns. Wir ließen ihn leiden und sterben. Wir, Herr, nicht du. Dann hing er da – am Kreuz und wieder freundlich und mit ausgebreiteten Armen. Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid – so lädt er uns ein, noch immer. Herr, lass uns dem Kind in der Krippe glauben: seiner Botschaft, seiner Liebe. Und lass uns an ihm lernen, die Wehrlosigkeit und achten und zu schätzen – in jedem unserer Brüder und Schwestern und Mitgeschöpfe. Du bist der Herr des Lebens, Herr. Amen.

118 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

15

LICHT UND SCHATTEN

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❱ VORBEREITUNG ❰

Die Osterkerze steht gut zugänglich beim Taufstein. Für jeden Gottesdienstbesucher wird ein Teelicht im Glas bereitgehalten.

119 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

❱ VERLAUF ❰

Eingang

Musikalische Einstimmung Begrüßung

z. B. mit T1

Lied

EG 16,1

Gebet

T2

Mitte

Musik Meditation (zwei Teile, dazwischen Musik und die Kerzenaktion

→ T3

Lied

EG 16,3 bis 5

Gebet

T4

Ausgang

Vaterunser Segen Lied

EG 44

Nachspiel

120 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588



T1: Begrüßung

Es ist still geworden – in uns und draußen auf den Straßen. Nur wenige sind noch unterwegs. Die Heilige Nacht hat begonnen. Äußerlich unterscheidet sie sich in nichts von anderen Nächten. Und wie jede Nacht ist sie ein Gleichnis für die Welt, in der wir leben, für das Dunkel der Angst, für die Verborgenheit der Zukunft, auch für die Schatten des Todes. Und doch ist diese Nacht so einzigartig und ganz anders als jede andere Nacht: Gottes Licht scheint in die Finsternis, ließ und lässt es hell werden für alle, „die da wohnen im finsteren Land“. Unzählige waren und sind aufgebrochen zur großen Weihnachtsprozession. Sie führt dahin, wo das Kind zu finden und zu preisen ist. Wir sind heute Nacht Teil dieser Wanderung zum Stall. In die Nacht der Welt hineingeboren, will das Kind in der Krippe die Dunkelheit unseres Lebens hell machen.



T2: Gebet

Gott, in dunkler Nacht bist du erschienen, bist Mensch geworden in deinem Sohn, um Licht in unsere Dunkelheit zu tragen. Scheide die Dämmerung vom Licht in unseren Herzen in unseren Familien in unserer Stadt 121 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

in unserem Land in unserer Welt. Scheide das Licht von der Finsternis, wie du es tatest, als deine Schöpfung noch jung war. Amen.



T3: Meditation

Weihnachtszeit ist Lichterzeit. Lichter schmücken Straßen und Marktplätze, Tannen und Schaufenster. Allüberall leuchten und glitzern Sterne und Ketten, Engel und Glocken. Millionen von LED-Lampen schreiben immer raffiniertere Botschaften in den vorweihnachtlichen Himmel. Wahr ist: Licht kann eine Stadt, ein Dorf verzaubern, Licht kann Sicherheit vermitteln und Orientierung erleichtern. Licht ist und schenkt Leben. Wahr ist aber auch: Licht kann blenden und aus-blenden; zu „laut“, zu kalt, zu grell sind heute oft die Weihnachtslichter, um noch Dunkles zu erhellen. Die Allgegenwart von Licht in unseren Breiten macht Dunkelheit fast zu einer virtuellen Erfahrung. Die vielen Lichter überdecken und kaschieren häufig das „Dunkle“ der Welt, ohne es wirklich grundlegend und von innen her in verändernde Hoffnung ummünzen zu können. *Aktuelle Beispiele für „Dunkelheit“, für dunkle Ereignisse / Erfahrungen / Schatten aus dem Erfahrungsbereich der Gottesdienstbesucher / der Stadt / der Welt … einbringen / thematisieren* 122 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Die Heilige Nacht steht im Kontext des Unheiligen, des Dunklen, des Kranken einer vernarbten und verschorften Welt. Johannes sagt es so: „Das Licht scheint in der Finsternis“ (Joh 1, 5). Wer also das Geheimnis der Weihnachtsbotschaft erfassen bzw. erahnen will  – Gottes Licht scheint in der Finsternis, Licht, das Leben schafft – muss zuvor die Finsternis wahrnehmen und sie zulassen, Finsternis ohne Hellefilter, Finsternis ohne Lichtnarkose, Finsternis ohne Lichtschimmer. Musik Aktion (1)

Nach entsprechender Ankündigung und Bezug auf das zuvor Gesagte Licht herunterdimmen bzw. löschen, um Dunkelheit sinnlich wahrnehmen zu können Musik  Aktion (2)

Licht (Osterkerze o. ä.) von außen in die Kirche zum Altar tragen; dazu Lesung: Jes 9,1 –6 (parallel zum Hereintragen des Lichtes)

Alternative: Statt der Jesajalesung von verschiedenen Stellen des Gottesdienstraumes und von verschiedenen Sprechern mehrere Lichttexte (Bibel und Lieder) im Sinne einer Textcollage rezitieren lassen: z. B. Jes 60,1; Joh 1,5; 8,12; EG 33,1; 37,3; 40; 56; 537 … 123 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Musik Deutendes Gebet

Herr, Licht ist Leben. Licht ermöglicht erst Leben. Du bist Licht, du bist Leben. Von dir empfangen wir es. Indem wir Licht in die dunkle Kirche hereintragen, können wir ahnend – wie in einem Spiegel – abbilden, dass wir Licht und Leben nicht selber machen, sondern es von dir empfangen. Du beschenkst uns. Dein Licht scheint in der Finsternis, in der Finsternis unserer Zweifel, unserer Unzufriedenheit, unserer Missgunst, unserer Habgier, unserer Fragen … Lass dein Licht in uns und durch uns leuchten. Amen. Musik Aktion (3)

Licht empfangen und weitergeben: Durch Helfer/innen wird Licht von der Osterkerze auf dem Altar zu den Bänken getragen, wo das eingangs erhaltene Teelicht angezündet und das Licht weitergegeben wird. Die Kerze ist mir leises, doch aussagekräftiges Symbol für das Geheimnis der Menschwerdung Gottes: Das Licht der Kerze leuchtet, leuchtet in der Finsternis. Da ist kein Meer von Lichtern, die die Nacht zum Tag machen, kein kaltes Neonlicht, das die Künstlichkeit des Künstlichen nur noch unterstreicht. Das Licht bleibt Licht in der Finsternis. Wo sein Licht leuchtet – leise und leicht zu übersehen –, da ereignet sich immer ein Stück Lichtung der Welt. 124 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Das Licht der Kerze ist mir auch aussagekräftiges Symbol für das Geheimnis der Menschwerdung Gottes: Die Kerze leuchtet, wärmt, wirft und akzentuiert Schatten, indem sie sich verzehrt. Nur indem sie sich verwandelt und selbst abnimmt, vermag sie Licht und Wärme zu spenden. Ich weiß von einem, da war es ähnlich: Er behielt nichts für sich, er verschenkte, was er hatte  – und wurde doch nicht ärmer. Er wurde und wird für andere zum Leuchtfeuer und Signal in der Nacht, zum Licht, das erkaltete Asche zu neuem Leben entfacht. Dieser Schein trügt nicht. Er verströmt so viel menschliche Wärme und Nähe – und wird doch nicht kalt darüber. Sein Licht scheint in der Finsternis.



T4: Gebet

Vater des Kindes im Stall. Du kommst zu uns inmitten der Nacht und lässt es in uns Weihnachten werden. Manchmal fällt es uns schwer, unter all den Irrlichtern dein Licht zu erspähen. Lass uns ein Licht, lass uns dein Licht aufgehen, das Licht einer neuen Welt, das Licht einer neuen Zeit. Lass uns das Licht deiner Liebe wider- und weitergeben, mach uns zu Transparenten deiner Liebe. Amen

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T5: Segen und Sendung

Christus hat ein Beispiel gestiftet. Der Kerze gleich hat er Licht und Wärme an andere weitergegeben. Tut’s ihm gleich! Nehmt die Kerze mit. Sie sagt euch: Gott wird Mensch in Jesus  – Gott ist mitten unter uns  – auch inmitten der Nacht. Verschenkt die Kerze, verschenkt Gottes Liebe. Der Herr segne euch …

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Stephan Goldschmidt (Hg.)

Weihnachtsworte Geschichten und Gedanken für Andacht und Predigt

mit Beiträgen von Stephan Goldschmidt Klaus von Mering Thomas Hirsch-Hüffell Eckard Siggelkow Karin Ulrich-Eschemann Hans Freudenberg Siegfried Macht Charlotte Scheller Heinz Behrends Judith Augustin Max Koranyi Harald Apel und Käthe von Gierke

Vandenhoeck & Ruprecht

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Inhalt

Einleitung 9

Zur Einstimmung Predigt mit Titus 5 13 Von Stephan Goldschmidt Aufhänger von A bis Z 20 Von Klaus v. Mering Besinnlich und Befremdlich 46 Von Thomas Hirsch-Hüffell

Advent Vorfreude mit Ringelnatz 58 Von Eckard Siggelkow Predigt zum Advent 61 Von Karin Ulrich-Eschemann Meditation: Türen im Advent 66 Von Hans Freudenberg Rollenspiel: Ochs und Esel 69 Von Thomas Hirsch-Hüffell

5 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Weihnachten Kein Krippenspiel 74 Von Siegfried Macht Predigt mit Rafik Schami 76 Von Charlotte Scheller Aufhänger von 1 bis 10 81 Von Heinz Behrends Sternschnuppen 90 Von Judith Augustin

Gedichte Engel, das heißt Bote 92 Von Siegfried Macht Sage 93 Von Siegfried Macht Kinderfreund (ein Haiku) 95 Von Siegfried Macht

Märchen Warum die Engel Halleluja singen 96 Von Siegfried Macht Das wertvollste Geschenk  97 Von Siegfried Macht

6 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Erzählungen Eine andere Weihnachtsgeschichte 98 Von Eckard Siggelkow Weihnachten mit Paul Auster 101 Von Eckard Siggelkow Weihnachten mit Theodor Storm 104 Von Eckard Siggelkow Vom König, der Gott sehen wollte 107 Nach Leo N. Tolstoi

Meditationen Weihnachtsstufen 109 Von Hans Freudenberg Ich träume vom Frieden 112 Von Hans Freudenberg Ein Wunder ist geschehen 116 Von Hans Freudenberg »In das Dunkel fällt Licht« 119 Von Stephan Goldschmidt Meditation zu Psalm 96 120 Von Stephan Goldschmidt Meditation zu Psalm 98 121 Von Stephan Goldschmidt Stille Nacht 122 Von Max Koranyi

7 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Geschichten für Kinder Immer Weihnachten 129 Von Harald Apel Mit anderen Augen – eine tierische Weihnachtsgeschichte 136 Von Charlotte Scheller Das Krippenspiel 141 Von Stephan Goldschmidt

Gebete Tages- und Lobgebete 146 Von Stephan Goldschmidt Fürbittgebete 149 Von Stephan Goldschmidt

Ausklang Die Krippe im Koffer. Christnacht-Predigt zu 2 Samuel 7,1–14  152 Von Charlotte Scheller

8 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Einleitung

Weihnachten ist ein besonderes Fest. An Weihnachten feiert die Christenheit die Liebe Gottes, die in der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem greifbar wird. Weihnachten ist damit mehr als ein Geburtstagsfest und mehr als das Andenken an ein vergangenes Ereignis. An Weihnachten erinnern sich Christinnen und Christen an das Wunder, dass Gott nicht im Himmel bleibt, sondern als kleines und verletzliches Kind zu uns Menschen kommt. Dieses Wunder, dass Gott nicht fern ist, gilt es immer wieder zu vergegenwärtigen und in das Hier und Jetzt zu übertragen. Darum ist es gut, dass das Kirchenjahr mit der Weihnachtszeit regelmäßig daran erinnert. So lässt sich Jahr für Jahr wieder neu feiern, dass Gott als Mensch zu uns kommt und uns nicht allein lässt mit unserer inneren oder äußeren Not. Weihnachten verknüpft auf eigentümliche Weise die Vergangenheit mit der Gegenwart. Die Weihnachtszeit ist voll von Erinnerungen, die vergegenwärtigt werden. Zunächst erinnert Weihnachten als eines der zentralen christlichen Hochfeste an die Geburt Jesu im Stall von Bethlehem. Weihnachten ist aber auch immer verknüpft mit persönlich erlebten Erinnerungen oder mit vertrauten literarischen Stücken, einer Erzählung, einem Ausschnitt aus einem Roman, einem Gedicht oder einem Lied. Frühere Weihnachtsfeste und die Menschen, mit denen sie gefeiert wurden, werden wieder lebendig. Darum ist Weihnachten bei aller Freude für manche auch mit schwermütigen Gedanken und Gefühlen verbunden. 9 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Und schließlich feiern wir an Weihnachten das Wunder des Lebens. An der Geburt Jesu zeigt sich exemplarisch, dass jeder Mensch auf eine einzigartige Weise zur Welt gekommen ist. Zur Botschaft von Weihnachten gehört deshalb auch, dass jeder Mensch unabhängig von Stand oder Herkunft ein einzigartiges Gottesgeschenk ist. Die Geburt Jesu im Stall und die Flucht vor dem Kinder mordenden Herodes halten vor Augen, dass jedes Kind zu achten und vor Gefahren zu bewahren ist. Vielleicht kann Weihnachten in der postmodernen Volkskirche deshalb so intensiv gefeiert werden wie kein anderes christliches Fest, weil es anknüpfungsfähig ist an solche Urerfahrungen des Lebens. An Weihnachten gelingt es, theologische Aussagen und die aktuelle Lebenswirklichkeit miteinander in existenzieller und zugleich emotionaler Weise aufs Engste zu verknüpfen. Und dies geschieht meist, indem wir uns Geschichten erzählen. Schon das Weihnachtsevangelium und die Erzählung von der Flucht nach Ägypten schildern das Wunder der Weihnacht in der Form von Erzählungen. Weihnachten braucht also Geschichten, Lieder und Gedichte, die auf elementare Weise den theologischen Topos der Menschwerdung Gottes greifbar werden lassen. Für Pfarrerinnen und Pfarrer und alle, die in der Weihnachtszeit die Aufgabe haben, die Weihnachtsbotschaft zu verkündigen, ist Weihnachten eine besondere Herausforderung. Die Erwartungen der Gemeinden sind in dieser Zeit besonders hoch. Die Botschaft von der Geburt im Stall von Bethlehem soll jedes Jahr wieder neu und lebensnah verkündet werden. An Weihnachten gilt es, die richtigen Worte zu finden, die gut vorbereitet sein wollen. Die Andachten im Altersheim, im Frauenkreis und bei den Senioren, der Kindergottesdienst und nicht zuletzt die Weihnachtspredigten 10 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

brauchen eine Handvoll guter, frischer Ideen. Wer auf Weihnachten gut vorbereitet sein will, sucht jedes Jahr Geschichten, neue Gedanken und Texte, die noch nicht allzu vertraut und verbraucht sind. Diese Sammlung aus der Feder unterschiedlicher Autorinnen und Autoren bietet Anregungen, Geschichten, Meditationen, Lieder und Gedichte, die dazu anleiten, von Weihnachten zu erzählen. Sie helfen, Bethlehem ganz nah heranzuholen, in den Horizont der eigenen Gemeinde und der vielen, die vielleicht sonst nicht kommen. Außerdem finden sich ein Rollenspiel und liturgische Stücke für den Heiligen Abend sowie anregende Predigten. Allen, die aus der Schatzkiste ihrer Gemeindepraxis eine Idee oder eine Geschichte, ein Gedicht oder ein Lied, eine Predigt oder eine sonstige Anregung zur Verfügung gestellt haben, sei herzlich gedankt. Sie haben dazu beigetragen, dass mit diesem Buch eine bemerkenswert vielfältige Sammlung entstanden ist, die Pfarrerinnen und Pfarrern hilft, sich auf die Weihnachtszeit vorzubereiten. Hannover im Juli 2013 Stephan Goldschmidt

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Zur Einstimmung 

Predigt mit Titus 5

Von Stephan Goldschmidt

Einleitung Gestern konnten wir den Heiligen Abend begehen – die meisten von uns im Kreise der Familie. Denn Weihnachten feiern viele unter uns gern traditionell, am liebsten mit der ganzen Familie, dem geschmückten und hell erleuchteten Tannenbaum, mit einem guten Essen und natürlich mit Geschenken. Weihnachten soll schön sein, so wie wir es aus den Kinder­ tagen in Erinnerung haben. »Weihnachten ist aber nicht nur schön«, sagte mir eine Schülerin, »es ist auch traurig.« Ich finde diese Aussage bemerkenswert. Weihnachten ist nicht nur schön, sondern besitzt auch Aspekte, die uns traurig stimmen. Weihnachten hat eben eine ganz besondere Atmosphäre und unsere Gefühle beschreiben eine breite Skala von Freude bis hin zu einer melancholischen oder sogar traurigen Stimmung. Und immer wieder stellt sich das Gefühl der Enttäuschung ein. Freude und Hochgefühl, aber auch Traurigkeit  – all das gehört zu Weihnachten heute wie vor 2000 Jahren. Bei der Geburt Jesu ist auch nicht alles eitel Sonnenschein. Der karge Stall steht im Kontrast zur Freude über das neugeborene Kind. Auch im heutigen Predigttext aus Titus 3 werden neben den freudigen Seiten zwischen den Zeilen auch die ernsten Aspekte der Weihnacht angesprochen: 13 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit – durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im heiligen Geist, den er über uns reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unsern Heiland, damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden, Erben des ewigen Lebens würden nach unserer Hoffnung.

1. »Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig …«  – Posi­ tiver kann man die Weihnachtsbotschaft nicht fassen. Gottes Freundlichkeit und seine Menschenliebe, die an Weihnachten in besonderer Weise zum Ausdruck kommen, werden vom Schreiber des Titusbriefes in den Vordergrund gestellt. Seine Liebe kommt zu uns in dem Kind, das im Stall von Bethlehem geboren wird. Er ist für uns deshalb kein ferner Gott, der uns fremd bleibt, sondern der nahe Gott, der unser Bestes will und den wir deshalb besonders in der Weihnachtszeit oft Heiland nennen. Mit dem altertümlichen Wort Heiland bezeichnen wir Gott, wie er uns in der Gestalt Jesu nahe kommt und uns in ihm das Heil schenkt. Man muss bei diesem Wort an die Verkündigung der Engel denken  – »Euch ist heute der Heiland geboren!« – oder an manche Advents- und Weihnachtslieder. Mit Heiland ist gemeint, dass Gott um unsere Zerbrechlichkeit weiß und das Zerbrochene heil machen will. Heil werden können die verletzte Seele ebenso wie der geschundene Körper oder der überspannte Geist. Das Heil, das Gott uns schen14 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

ken will und weshalb wir Weihnachten feiern, gilt dem ganzen Menschen. Gerade an Weihnachten lässt sich dieses Heil spüren. Es tut unserer Seele gut, wenn der Weihnachtsbaum leuchtet und wir Weihnachtslieder singen. Auch für Körper und Geist hält Weihnachten viele Freuden bereit. Manchmal tragen auch die Geschenke zum Heil bei und helfen, die Sprachlosigkeit in einer Familie oder einer Partnerschaft zu überwinden. Ich will nicht in die an Weihnachten so beliebte, aber doch oberflächliche Klage einstimmen, dass die Geschenke den Sinn der Weihnacht in den Hintergrund rücken. Denn die Geschenke drücken oft mehr aus, als man auf den ersten Blick zu erkennen meint. Sie sind ein Ausdruck der Liebe der Eltern zu ihren Kindern, der Partner oder Freunde und letztlich für die Zuwendung Gottes zu einem jeden von uns. Und indem wir anderen etwas schenken, drücken wir unsere Sehnsucht nach Heil aus. Wir wünschen uns, dass unsere Welt im Großen und im Kleinen heil wird, wenigstens an Weihnachten. Wir wollen uns gern besondere Mühe geben, dass in diesen Tagen Friede herrscht in den Familien. Wenigstens am Heiligen Abend soll die Partnerschaft oder die Beziehung zwischen den Generationen in der Familie voller Harmonie sein. Und dort, wo dies nicht gelingt, wo in Familien oder Beziehungen Spannungen aufgebrochen sind, da ver­suchen wir mit einem schönen Geschenk, den Riss wenigstens für einige Stunden zu heilen. In alledem zeigt sich unsere Sehnsucht nach einem Heil, das den Heiligen Abend überdauert. Wegen dieser Sehnsucht zieht es uns jedes Jahr zu Weihnachten in die Kirche. Möchten wir doch gerade an Weihnachten etwas von dem Heil aus der Weihnachtsgeschichte hören: »Euch ist heute der Heiland geboren.« 15 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2. »Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig …« – Treffender kann man unsere Gefühle an Weihnachten nicht beschreiben als mit dem kleinen Wort selig. Selig-Sein gehört wie die Rede vom Heil zu Weihnachten, wie die jauchzenden Engel und die Idylle rund um die Krippe, die wir uns in unserer romantisierenden Vorstellung geschaffen haben. Zu Weihnachten gehört die Seligkeit und deshalb haben wir schon seit Generationen die Geschichte von Maria und Josef mit dem Kind zu einer selig-süßen Szene umgeformt. Als ich früher mit Konfirmandinnen und Konfirmanden die Weihnachtsgeschichte besprochen habe, waren sie meist erstaunt, wie kurz und knapp die Geburt Jesu von Lukas beschrieben wird. Und vor allem waren sie erstaunt, dass die Geburt Jesu sich gar nicht in einer wohlig-warmen Atmosphäre ereignete. Über Generationen hinweg ist die Weihnachts­geschichte ausgeschmückt worden bis dahin, dass die unwirtlichen Verhältnisse romantisch unterlegt wurde. Das kommt nicht von ungefähr. Denn zu Weihnachten, dem Fest der Freude, passt eine selig-süße Geburtsszene auf den ersten Blick besser als eine realistische. Weihnachten soll schön sein, selbst wenn es in ärmlichen Verhältnissen stattfindet. Auch Maria und Josef sollen es – zumindest in unserer Vorstellung – nicht schlecht haben. Ihre Freude an dem neugeborenen Kind soll ganzheitlich sein und auch den Ort der Geburt erleuchten und erwärmen.

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3. »Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig …«  – Kürzer kann man nicht aussagen, was Jesus Christus für uns bedeutet. In ihm, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, ist die Freundlichkeit Gottes für alle sichtbar geworden. Gott liebt uns Menschen so sehr, dass er als Mensch in diese Welt kommt, unser Heiland wird und uns die Seligkeit schenkt. Was uns Jesus Christus bedeutet, ist in meinem liebsten Weihnachtslied bildlich ausgedrückt: »Lobt Gott, ihr Christen alle gleich …, der heut schließt auf sein Himmelreich.« Damit ist gemeint, dass uns Gott an Weihnachten so nahe kommt, dass die Schranken zwischen Himmel und Erde aufgehoben sind. Gott ist nun nicht mehr fern im Himmel. Er ist uns ganz nahe, näher als wir uns selbst sein können. Was die Geburt Jesu für uns bedeutet, ist im gleichen Lied in einer anderen Strophe ausgedrückt: »Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis, der Cherub steht nicht mehr dafür …« Auch hier wird mit einer starken und bildhaften Sprache die Kernbotschaft der Weihnacht beschrieben: Jesus Christus hebt die Entfremdung auf, die nach der alten Erzählung von der Vertreibung aus dem Paradies unsere Beziehung zu Gott belastet. Nach mythischer Vorstellung war die Rückkehr ins Paradies ausgeschlossen. Der Eingang an den Ort der träumenden Unschuld wurde von den Cherubim, von wehrhaften Engeln, bewacht. Weihnachten bedeutet, dass die Engel den Weg wieder freigegeben haben und die Rückkehr ins Paradies seither möglich ist.

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4. »Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig …«  – Deutlicher kann man nicht benennen, was uns an Weihnachten trotzdem immer noch fehlt. Denn trotz allem ist unser Leben nicht so heil, wie wir es uns gerade an Weihnachten wünschen. In manchen Familien muss die Enttäuschung überspielt werden, damit es nicht zum Streit kommt. Und auch die Seligkeit ist häufig nur ein Wunschtraum, dass sich doch wieder dieses selige Gefühl einstellen möge, das uns früher – zumindest in unserer Erinnerung  – gefangen genommen hat. Und die Bedeutung Christi, der uns den Himmel aufgeschlossen hat, scheint auch an Weihnachten manchmal ganz fern zu sein, zugedeckt von Zweifeln und Fragen oder den Sorgen des Alltags. Zur Weihnacht gehört eben auch dieser Aspekt, der uns traurig sein lässt. Und auch diese Seite ist im Titusbrief zu finden. Wenn Gott durch sein Kommen uns und unsere Welt heil machen will, dann bedeutet das doch, dass vieles noch nicht heil ist und in der Welt noch manches zerbrochen ist. Und auch die Seligkeit, die uns der an Weihnachten in die Welt gekommene Gott schenken will, deutet auf Trauer und Leid hin. Seligkeit und Selig-Sein haben schließlich etwas mit der jenseitigen Welt zu tun. »Gott hab ihn selig«, wird in manchen Gegenden gesagt, wenn von einem Verstorbenen die Rede ist. Dass Jesus Christus für uns zum Heiland geworden ist und dem Glaubenden die Seligkeit verheißt, hängt auf geheimnisvolle Weise mit seinem Leiden und Sterben zusammen. Er ist für uns am Kreuz zum Heiland geworden und hat für uns dort die Seligkeit erworben. Seine Geburt in einem un­ wirtlichen Stall deutet dieses Schicksal bereits an. Die Krippe 18 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

ist schon ein erster Hinweis auf seinen Kreuzestod. Insofern sind bei der Geburt Jesu Freude und Traurigkeit miteinander verbunden.

Schluss Weihnachten bedeutet also nicht, dass alles gut geworden ist für unsere Welt im Großen und im Kleinen. Aber Weihnachten heißt, dass wir eine Hoffnung haben. Die Welt muss nicht so kalt und dunkel bleiben, wie wir sie oft erleben. Wir dürfen hoffen, dass Gott, der in der Geburt Jesu in die Welt gekommen ist, diese Welt immer mehr zum Guten verändert. Trotz allem, was uns bedrücken mag, trotz Einsamkeit und Leid ist Gott mitten unter uns und will heil machen, was zerbrochen ist. Amen.

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Zur Einstimmung 

Aufhänger von A bis Z Von Klaus v. Mering

A

So stand’s kürzlich in der Zeitung: »Keine Weihnachtspost vom Finanzamt.« Die staatliche Finanzverwaltung hat, einem alten Brauch folgend, auch für dieses Jahr den Weihnachtsfrieden verkündet. Am 17. Dezember begann in der niedersächsischen Steuerverwaltung die Schonzeit, damit den Steuerzahlern die Festtage nicht ver­dorben werden. Bis nach Neujahr sollen keine unangenehmen Briefe vom Finanzamt kommen. Und der Bund der Steuer­zahler setzt noch eins drauf und hat die Städte, Gemeinden und Landkreise aufgefordert, »es der Finanzverwaltung gleichzutun und in der Zeit bis Neujahr keine belastenden Verwaltungsakte, Gebühren-, Steuer- und Beitragsbescheide mit Nachforderungen den Bürgern zuzustellen.«

B

Im Bericht der Hubschraubermannschaft, die über dem weiten Katastrophengebiet gekreist und pausenlos Versorgungsgüter abgeworfen hatte, hieß es: »Eine Landung durften wir einfach nicht wagen. Die fast verhungerten und von Elend gezeichneten Menschen hätten unsere Vögel gestürmt.«  – Warum macht Gott es  – um Himmels willen  – anders? 20 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

C

»Wir alle, die wir diese menschlich gesehen so ausweglose Zeit durchleben, tragen die Sehnsucht nach einem gött­ lichen Zeichen in uns. Wir schauen bewegten Herzens danach aus, ob irgendwo ein greifbarer Sinn sichtbar würde, in dem sich doch noch  – allen Augenschein zum Trotz  – die Spur eines göttlichen Weltregimentes zeigte. Wir sehnen uns, irgendeinem Menschen zu begegnen, in dem die Gegenwart des sonst so unsichtbaren Gottes spürbar wäre; wir suchen nach irgendeinem plausiblen Gedanken, der uns helfen könnte, das Rätsel unseres Weltgeschehens doch noch zu deuten und im Licht der Ewigkeit zu verstehen. So warten wir alle auf ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft, an dem sich ab­lesen ließe, dass dennoch eine große Gnade, und nicht das ver­steinerte Antlitz der Sphinx über der Welt steht.«1

D E

»Jetzt unpassende Geschenke bei eBay verkaufen!« – Mit dieser freundlichen Einladung präsentierte sich der Internet-Markt einen Tag nach Weihnachten 2006 … 

Predigtanfang Liebe Festgemeinde: Warum eigentlich hatten die ersten VW-Käfer-Modelle Trittbretter unter den Türen? Gewiss erinnern Sie sich: Diese halbkreisförmigen Blechkisten mit dem Heckmotor und den kleinen, anfangs noch zweigeteilten Rückfenstern, die hatten Trittbretter unter den Türen. 1 Helmut Thielicke, Das Gebet, das die Welt umspannt. Reden zum Vaterunser, Stuttgart 1940 usw., 162.

21 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Warum?  – Diese Frage haben Sie jetzt nicht erwartet, hier in der Christvesper am Heiligen Abend, oder? Sondern die Weihnachtsgeschichte, die von den Hirten und den Engeln und von der Krippe und Maria und Josef  – die haben Sie erwartet. Und doch hängt das eine mit dem anderen auf eine merkwürdige Weise zusammen. Von manchen Dingen kann man nur erzählen, um sie zu verstehen. Erklären kann man sie nicht. Wir erzählen aus unserem Leben, wir erklären es nicht. Wir erzählen von unserer ersten großen Liebe, von unserer Hochzeit, der Geburt unseres Kindes, wir erklären sie nicht. Die Funktion eines neuen Flaschenöffners, die kann man und muss man erklären. Weihnachten kann man nicht erklären, von Weihnachten kann man nur erzählen. Und wenn es richtig geschieht, dann kommen wir darin vor … Predigtschluss Ach ja, ich bin Ihnen ja noch die Antwort auf die Frage schuldig, warum die VW-Käfer ursprünglich Trittbretter hatten. Um’s kurz zu machen: Dafür gibt es keine Erklärung, die waren völlig nutzlos. Bis zur Erfindung dieses Autos beherrschte ein anderes Fahrzeug unsere Straßen, das brauchte Trittbretter. Die Pferdekutsche, die hatte so große Räder, da musste man hinaufsteigen. Der neue Käfer war viel niedriger. Leute mit kurzen Beinen konnten sogar leichter einsteigen als solche mit langen. Aber die Trittbretter blieben, ohne Sinn und Verstand, einfach aus Gewohnheit. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, meinten die Konstrukteure. Haben sie recht? Weihnachten jedenfalls ist zwar ein Fest mit schönen alten Traditionen, aber nichts für Gewohnheitstiere. Denn Gott kommt als hilfloses Kind zu uns. Er verändert alles.

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F

Im Herbst 2012 machte eine neue Comic-Version der Weihnachtsgeschichte die Runde. Eine kirchliche Initiative in Hamburg hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben und gewonnen hat eine Bildgeschichte von Helmut Steinbach: Er malt und erzählt die Weihnachtsgeschichte so, dass er sie sich Gott beim Backen von Weihnachtsplätzchen ausdenken lässt. Man sieht einen fröhlichen alten Mann in rot-weiß karierter Schürze, wie er sich an einem großen Küchentisch beim Backen entspannt. Wie kann ich bloß auch den Menschen zu mehr Besinnung und Hoffnung verhelfen?, überlegt er. Dabei fällt ihm unversehens ein Ei herunter. Seine spontane Erkenntnis: Gewalt ist keine Lösung, also keine zweite Sintflut, wie er kurz in Erwägung gezogen hatte. Nein, Gewalt ist keine Lösung. Liebe muss auf die Erde, mein Sohn muss auf die Erde. Und zur Seite ruft er: »Michael, sei ein Engel, wisch das hier weg.« Alles weitere entwickelt sich parallel zu den einzelnen Schritten des Teiganrührens und des Backvorgangs, sehr einfühlsam und amüsant erzählt. Er habe sich noch nie so intensiv mit einem Bibeltext beschäftigt, erklärt der Autor  – na bitte. Ich will Ihnen hier nicht alles erzählen. Schauen Sie selbst nach: http://www.comic-kirche.de/preistraeger-comicwettbewerb/1-preistraeger-der-plan.

G

Zu Weihnachten steht das Kind in der Mitte, das Kind, in dem Gott zu uns Menschen kommt. Alles andere gehört zum Drumherum. Aber auch das Drumherum will bedacht sein – eben deshalb, damit die Mitte die Mitte bleibt. Ein Bild braucht einen 23 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Rahmen. Der Rahmen ist nicht das Wichtigste, er ist nicht Teil des Bildes. Er sorgt dafür, dass das Bild in der Mitte bleibt. Aber deshalb darf man den Rahmen auch nicht einfach gedankenlos zerstören. Zu leicht geht dabei auch das Bild kaputt, das, was die Mitte ausmacht. Nehmen wir als Beispiel das Geld. In vielen Weihnachtspredigten wird über das Geld geschimpft. Eigentlich ginge es doch um die Besinnlichkeit oder wie das dann immer genannt wird. Und die Zuhörer ärgern sich über solche Predigten. Denn sie wollen gerade zu Weihnachten nicht über das Geld nachdenken, das sie gerade zu Weihnachten in aller Regel reichlich ausgegeben haben. »Über Geld spricht man nicht«, sagt eine Redensart. Und die stillschweigende Ergänzung lautet: »Geld hat man.« Die Bibel redet vom Geld zu Weihnachten. Sie erzählt, dass Jesus im Zuge einer Steuererhebung in Bethlehem geboren wurde und dass sich so die Verheißungen der Propheten erfüllte. Geld gehört also im Sinne der Bibel zum wichtigen Rahmen des Weihnachtsevangeliums. Wie denken und reden wir heute angemessen vom Geld? Und damit angemessen von Weihnachten? Ich habe in Langeoog einmal die fällige Kollekte für »Brot für die Welt« damit auf Trab bringen wollen, dass ich sagte: »Wenn jeder so viel in die Kollekte tue, wie er für seinen Weihnachtsbaum – nur für den Weihnachtsbaum, nicht für all das andere! – ausgegeben hat, dann dürfte eine angemessene Summe zusammen kommen.« Das Ergebnis war deutlich schlechter als in allen anderen Jahren.

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H

Das Lied »Jesus ist geboren in Bethlehem und überall«2 spricht nicht von den Zeichen, die der Engel den Hirten im Weihnachtsevangelium nennt. Ich habe mir darum die Freiheit genommen, das Lied um einige Strophen zu erweitern, in denen heute erlebbare Zeichen genannt werden: Das Kind wird euch ganz nahe sein in eurer Alltagswelt; denn Kinder haben, was ihr schätzt, um kargen Lohn erstellt. Jesus ist geboren in Bethlehem und überall … Die Nacht im Stall ist Not und Angst, kein freundliches Idyll. Er kommt zu dir in dunkler Haut und bittet um Asyl. Jesus ist geboren in Bethlehem und überall … Er stirbt am Kreuz und lebt für uns, enttäuscht dein Bild vom Glück. Bring in den Stall, was dich besitzt, und nimm von dort zurück: Jesus ist geboren …  Er bricht sich dir und wird durch dich zum Brot für alle Welt. Als Keim des Friedens hat sich Gott ein Flüchtlingskind erwählt. Jesus ist geboren …

2 Text: Friedrich Karl Barth / Peter Horst; Musik: Fritz Baltruweit.

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I

In Jütland, so las ich dieser Tage, gibt es eine Kirche, da verharren die Gemeindeglieder beim Betreten kurz an der Eingangstür, wenden sich nach links und machen, Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen, eine Verbeugung, ganz selbstverständlich. Der Gast von auswärts wundert sich; denn da ist nichts als eine weißgetünchte Wand. Auf Nach­fragen erfährt er: Früher, vor vielen, vielen Jahren, stand vor dieser Wand eine Marienfigur. Ihr galt dieses Zeichen der Verehrung. Später ist sie irgendwann verschwunden, niemand weiß mehr genau, unter welchen Umständen. Aber der Brauch des Verneigens ist geblieben … 

J

»Es war ja ganz schön. Aber es war so gar nichts drin, was einem einen kalten Schauer den Rücken runterjagt«, hat ein junger Mann letztes Jahr nach der Christvesper gesagt. Nicht hier, irgendwo anders, aber das spielt ja keine Rolle. Wichtig und typisch scheint mir diese Erwartung – eines jungen Mannes von 21 Jahren, nicht irgendeiner rührseligen alten Dame! Wahrscheinlich kommt er an normalen Sonntagen gar nicht auf die Idee, in die Kirche zu gehen, der junge Mann, weil ihm die Bibel und die kirchliche Tradition fremd sind und er ohnehin immer anderes zu tun hat am Sonntag­ vormittag. Aber heute, da möchte er erleben, dass ihm ein kalter Schauer den Rücken runterjagt. – Das hat wohl etwas mit dem Kind zu tun, überlege ich: mit dem Kind in der Krippe und mit dem Kind in uns.

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K

Hören wir die Beschreibung [über die römischen »Volkszählungen«] des Römers Laktanz, der weniger zurückhaltend ist [als Lukas]: »Die Steuerbeamten erschienen allerorts und brachten alles in Aufruhr. Die Äcker wurden Scholle für Scholle vermessen; jeder Weinstock und Obstbaum wurde gezählt, jedes Stück Vieh registriert, die Kopfzahl der Menschen wurde notiert. In den Städten wurde die Bevölkerung zusammengetrieben, alle Marktplätze waren verstopft von herdenweise aufmarschierenden Familien. Überall hörte man das Schreien derer, die mit Folter und Stockschlägen verhört wurden; man spielte Söhne gegen Väter aus, die Frauen gegen ihre Ehemänner. Wenn alles vergeblich durchprobiert war, folterte man die Steuerpflichtigen, bis sie gegen sich selbst aussagten. Und wenn der Schmerz gesiegt hatte, schrieb man steuerpflichtigen Besitz auf, der gar nicht existierte. Es gab keine Rücksichtnahme auf Alter und Gesundheitszustand« (De Mortibus Persecutorum 23,1 ff.).3

L

In der vorweihnachtlichen Reklame wird schon seit langem ein erstaunlicher Geschmack entwickelt. Ein Prachtexemplar dieser Gattung, eine Zigarettenreklame, entdeckte ich in einem Nachrichtenmagazin: Oben ein Bild, auf dem ein feister Weihnachtsmann genüsslich zwei zigarettenrauchende Weihnachtsengel in weißen Nachthemden, mit weißen Schwanenflügeln und selbstverständlich nach der letzten Haarmode frisiert an sich drückt. Und darunter der

3 Aus: Helmut Gollwitzer/ Pinchas Lapide, Ein Flüchtlingskind – Auslegungen zu Lukas 2, Kaiser Traktate 63, München 1981, 16.

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markige Text: »Das wird ein herzhaftes, naturechtes Weihnachtsfest ohne Filter, wird das, echt.« Man muss vielleicht erst den Schreck über den barbarischen Umgang mit unsern Weihnachtsbildern überwinden, um nach und nach zu entdecken, dass hier im Grunde ein faszinierender Gedanke zum Ausdruck kommt: ein Weihnachtsfest ohne ­ ilter. Filter. Naturecht. Herzhaft. Weihnachten ohne F Ich habe jüngst Weihnachten am Golf gefeiert, in einem sehr selbstbewusst muslimischen Land, in dem Kirchen keine Kirchen sein dürfen und keine Glocken läuten. In dem die Weihnachtstage Arbeitstage sind, in dem es keine Weihnachtsbäume gibt und am Heiligen Abend 30 Grad Hitze herrschen. In einer Stadt, die von einem mörderischen Auto­verkehr bestimmt ist, so dass jeder jedes Mal froh ist, wenn er sein Ziel unbeschadet erreicht hat. Man glaubt gar nicht, wie schwer es da ist, Weihnachten zu feiern mit Menschen, die alle tief im Innern von einer weißen Weihnacht in einer lichtgeschmückten Kirche träumen. Weihnachten ohne Filter!

M

Beim Anblick des Weihnachtsbaums muss ich immer wieder an eine Geschichte denken, die ich in Oldenburg erlebt habe im Winter 1977. Damals führte mich mein täglicher Weg von der Wohnung in mein Büro im Oberkirchenrat am Gefängnis vorbei, das zur Straße hin durch eine hohe Mauer gesichert ist. Eines Tages – es war in der Woche zwischen dem zweiten und dritten Advent  – entdeckte ich im Gefängnishof einen Weihnachtsbaum, eine Tanne, mit elektrischen Kerzen besteckt, wie sie in dieser Zeit vor vielen öffentlichen und privaten Gebäuden steht. 28 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Dass ich sie entdeckte, war eigentlich ein Zufall. Es gab nämlich nur eine einzige Stelle, von der aus man über die hohe Gefängnismauer schauen konnte, da nämlich, wo der Bürgersteig wegen der Rollstuhlauffahrt zu einem gegenübergelegenen Verwaltungsgebäude vor einiger Zeit erhöht worden war. Ein Geräusch aus dem Innern des Gefängnisses, eine Autohupe von der jenseits gelegenen Straße – irgendetwas musste mich veranlasst haben, gerade in diesem Moment den Kopf zu wenden – und da stand der Baum, dicht an der Mauer, direkt unter den Zellenfenstern, im unmittelbaren Blickfeld der Wachstube neben der großen Toreinfahrt. Durch dieses Tor hätte man ihn auch sehen können, aber das war natürlich, wie es sich für ein Gefängnis gehört, immer geschlossen. Mein erster Gedanke war: Merkwürdig, dass du das erst heute entdeckt hast! Alles sprach dafür, dass ich fast zwei Wochen lang, manchmal mehrmals täglich, hier vorbei­ gegangen war, ohne den Baum zu sehen. Zumindest im Dunkeln hätte mich doch der Lichtschein aufmerksam machen müssen. Aber dann wurde mir klar, warum das nicht geschehen war. Schuld hatten die Scheinwerfer, riesige Lampen mit tausendfacher Wattstärke, die täglich vom Einbruch der Dunkelheit an bis zum nächsten Morgen die ganze Front des Gebäudes mit den Zellenfenstern taghell erleuchteten. Aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Klar, dass da ein paar Weihnachtsbaumkerzen nichts ausrichten konnten. Spüren Sie die Hintergründigkeit dieser Szene? Mit dem wirklichen Inhalt von Weihnachten ist es doch oft genauso wie mit diesem Tannenbaum. Wir haben so viele grelle Lampen und hohe Mauern darum aufgerichtet, dass wir das eigentliche Zentrum des Festes oft genug gar nicht mehr wahrnehmen können … 29 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Aber die Geschichte von dem Weihnachtsbaum geht noch weiter: Beim näheren Hinsehen fiel mir nämlich auf: Man hatte den Baum nur auf der einen Seite mit Kerzen geschmückt, auf der Seite, die der Straße und dem Dienstraum der Vollzugsbeamten zugewendet war. Dass die Gefangenen, wenn sie aus ihren Zellenfenstern schauten, nur die kahle Seite zu sehen bekamen, daran hatte offenbar keiner gedacht. Ich will nicht unterstellen, dass das böse Absicht war. Ich denke im Gegenteil: Die Leute, die den Baum aufgestellt hatten, wollten sich selbst daran erinnern, dass jetzt Weihnachtszeit ist und dass man das vielleicht auch im Umgang mit den Gefangenen merken sollte. Aber sie hatten eben doch nur an sich gedacht. Ich frage mich: Ist der Lichterbaum, den wir mit diesem Gottesdienst und mit unseren Feiern zu Hause, bildlich gesprochen, aufstellen, womöglich auch nur auf der uns zugewandten Seite erleuchtet? Und wer schaut heute Abend ins Dunkle? Aber – ich sage bewusst: Gott sei Dank! – die Geschichte vom Weihnachtsbaum im Gefängnishof ist auch damit noch nicht zu Ende gewesen. Ich habe an den nächsten Tagen natürlich öfter hingeschaut, teils ärgerlich, teils nachdenklich. Und auf einmal, kurz vor Weihnachten, gab’s eine Überraschung: Gleichmäßig leuchteten die Kerzen nach allen Seiten. Irgendjemand hatte sie umgesteckt. Da habe ich mich zuerst sehr geschämt. Offenbar hat ein anderer Zaungast, der sich wie ich geärgert hat über die Lieblosigkeit dieses Baumes, die Courage besessen, die Beamten auf ihren Fehler aufmerksam zu machen. Oder es war einem von ihnen selber aufgefallen. Jedenfalls: Ich hatte nichts getan …

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N

Weihnachten beginnt oben, ganz oben. »Vom Himmel hoch« kommt der Engel, der den Hirten verkündet: Euch ist heute der Heiland, der Retter geborgen. Und die Sterndeuter, die Weisen aus dem Morgenland, entdecken den neuen Stern, der sie in Bewegung setzt, natürlich oben am Himmel – wo sonst? Aber die Bewegung, die das auslöst, vollzieht sich beide Mal auf der Erde. Und damit in den kleinen Schritten, die uns als Menschen möglich sind. Das ist es, was wir zu Weihnachten feiern: Dass sich Gott entschlossen hat von oben her einzugreifen, um sein Heil durchzusetzen. Von oben nach ganz unten, das ist so irritierend. Dass die Veränderungen von oben kommen, ist ja etwas, was sich eigentlich gut in unser Denken fügt. »Die da oben« müssten es machen: den Frieden; die Rettung des Klimas; die Überwindung der weiten Kluft zwischen arm und reich. »Die da oben, die müssten endlich …« – und dann entsteht in der Regel eine kleine Pause und es folgt vielleicht noch: » … was machen«. Denn was genau, das wissen wir auch nicht, das müssen die doch wissen, die da oben. So gesehen passt Weihnachten gut ins Bild. Vielleicht ist es deshalb ein so populäres Fest geworden bei uns. Aber wir müssen aufpassen, wir Christen, dass dabei nicht alles falsch wird. Es ist noch nicht so lange her, da hat die Welt einen gefeiert, der von oben kam. Ganz von oben. Und wir mussten gar nichts machen. Wir konnten einfach staunend zugucken. Das war ein Fest! So haben wir’s gern. Und die Jubelchöre der Medien auf der ganzen Welt sangen dazu ihr gloria in excelsis. Am 14.10.2012 sprang der Österreicher Felix Baumgartner über Roswell / New Mexico aus seinem Ballon in der Strato­sphäre und stürzte sich auf die Erde. Eine Woche später schrieb der »Stern«: »Vor allem war es der Triumph eines österreichischen Dickschädels, der bewiesen hat, was möglich 31 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

ist, wenn man bedingungslos an sich glaubt und sich weigert, Grenzen zu akzeptieren (Nr. 48 – 18.1012 S. 36). Gott hat sich auch geweigert, Grenzen zu akzeptieren, dachte ich, als ich das las. Und doch war bei ihm alles ganz anders. Eine einzige Kleinigkeit macht das in bezeichnender Weise deutlich: An der Krippe des Jesuskindes stand ein gemächlich wiederkäuender Ochse, wie jedes Kind weiß und hunderte Bilder es zeigen. Bei Felix Baumgartner war es ein roter Bulle, Redbull, der die Geschichte begleitete. Sage keiner, das sei ein Zufall. Der da am 14. Oktober vom Himmel auf die Erde kam, wollte sich selbst beweisen, dass er der Größte ist. Heute kommt einer zu uns auf unsere Erde, der ganz klein sein will, um die zu befreien, die sich entweder selbst klein machen oder von anderen klein gemacht werden. Durch Glauben und Liebe befreien. Unseren Glauben und unsere Liebe.

O

Jede Geburt bedeutet für die unmittelbar Beteiligten eine Krise, im Grunde geht es immer um Leben und Tod, wenn ein Kind geboren wird. Die Entscheidung Gottes, seinen Sohn als Kind der Jüdin Mirjam geboren werden zu lassen, war schon damals in Bethlehem eine Sache auf Leben und Tod. Die Begleitumstände der Geburt, die an­ gebliche Volkszählung, die nur der Eintreibung von Kriegssteuern diente, war in Wirklichkeit eine schrecklich brutale Angelegenheit, wie wir aus zeitgenössischen Quellen wissen. Am Karfreitag wurde das dann vor aller Welt offenbar. Insofern zeugt die uralte Sitte der Künstler, die Krippe oder den Stall in Bethlehem so zu malen, dass sie an dieser oder jener Stelle für das Kreuz auf Golgatha durchsichtig werden, von einem tiefen Verstehen der Weihnachtsgeschichte. 32 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Das mindert unsere Weihnachtsfreude nicht. Denn die dem Kind von Anfang mitgegebene Lebensgefahr will ausdrücken: Hier geht’s tatsächlich ums Ganze. In der Weihnachtsgeschichte des Matthäus wird das ausgemalt: Der beleidigte und eifersüchtig um seine Macht bangende König Herodes schickt alsbald seine Soldaten los, um alle Neugeborenen in Bethlehem umbringen zu lassen. Und Jesus entgeht diesem Inferno nur, weil die Eltern, durch einen Traum gewarnt, noch rechtzeitig die Grenze nach Ägypten überschreiten. Jesus, ein Asylant, ein Migrantenkind. Und die Ägypter haben damals nicht »Wirtschaftsflüchtlinge« gemurmelt und die Familie auf die nächste Kamelkarawane nach Jerusalem gesetzt. Dabei klang das doch gewiss nicht besonders überzeugend: ein mittelloser Zimmermann aus Galilea, dessen Sohn der König Herodes als Konkurrenten fürchtet und ihm nach dem Leben trachtet. »Ausgerechnet dein Sohn«, hätten sie spotten können; »auf den hat Herodes auch gerade gewartet!« Aber so haben sie nicht geredet, die Ägypter. Sie haben Josef und die Seinen bei sich aufgenommen, Wirtschaftsflüchtlinge hin oder her. Ich weiß gar nicht, woher bestimmte Christen bei uns die Unverfrorenheit nehmen, zu behaupten, mit Politik habe das Evangelium nichts zu tun. Es hatte von Anfang an mit Politik zu tun, das zeigt auch der Volkszählungsbefehl in der Weihnachtsgeschichte des Lukas.

P

Der bekannte marxistische Philosoph Ernst Bloch hat einmal gesagt: Der christliche Glauben lebt vom »Geheimnis der Kleinheit. Daher wird das Kind in der Krippe so wichtig zusammen mit der Niedrigkeit der Umstände im abseitigen Stall. Das Unerwartete, den Erlöser als 33 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

hilfloses Kind zu finden, teilt sich der christlichen Liebe dauernd mit. So sieht sie das Hilflose als bedeutend, das auf der Erde Verworfene als berufen an. Daher hat sie in keinem bisherigen moralischen Glauben bis jetzt ihresgleichen.«4 Entsprechend fällt das Zeichen aus, das den Hirten in der Weihnachtsgeschichte gegeben wird: »Und das habt zum Zeichen«, sagt der Engel, »ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.« »Windeln brauchen wir«, kommentiert der Professor für Neues Testament, Gerd Theißen, diesen Satz der Weihnachtsgeschichte trocken, »für Säuglinge wie für Greise aus bekannten Gründen. Wenn die Gottheit in Windeln gewickelt war, dann liegt über der Pflege aller Menschen am Anfang ihres Lebens und an deren Ende das Licht der Liebe Gottes!« Wir können nicht zulassen, dass die Probleme, wie man unter heutigen Verhältnissen Beruf und Familie mit kleinen Kindern unter einen Hut bringen soll, allein von den jungen Eltern bewältigt werden müssen. Und wir können ebenso wenig zu­ lassen, dass die Frage, wie lange ein menschliches Leben lebenswert ist, vom Geld entschieden wird.

Q

Das Lied »Das muss ein Engel gewesen sein«5 erzählt von Engelgeschichten in der Bibel. Natürlich auch von der Weihnachtsgeschichte. Aber mir kommt dabei zu kurz, was diese Engelgeschichten mit uns machen. Deshalb habe ich dem Lied ein paar Strophen hinzugefügt:

4 Zit. bei Roman Roessler, Predigtstudien III,1 1986, 53. 5 Musik: Lele und Detlev Jöcker; Text: Rolf Krenzer.

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Weinende Kinder in Armut und Not. Sie schreien nach Wasser, nach Liebe und Brot. Und plötzlich sind sie da: Offene Herzen, so viele Engel von fern und nah. Offene Herzen, so viele Engel von fern und nah. Hände wie deine, wie du sein Gesicht. Wie kannst du denn sagen: Ich? Ich kann das nicht? Du bist Gott nicht zu klein! Du kannst ein Engel, wirklich, ein Engel für andre sein. Du kannst ein Engel, wirklich, ein Engel für andre sein.

R

Weihnachten erzählt vom Heil von oben, ganz unten, ein Heil, das um sich greift, indem etwas kaputtgeht. Bethlehem, Beth-Lehem heißt auf Hebräisch Haus des Brotes. Brothausen, würden wir sagen. Brot sah damals ungefähr so aus wie Fladenbrot heute. Man zerbrach es und verteilte es unter die am Tisch Versammelten. Das Abendmahl, das wir heute feiern, lebt von dieser Geste des Zerbrechens. Der in Bethlehem geboren ist, nimmt später kurz vor seinem Tod am Kreuz das Brot, bricht es durch und sagt: »Das ist mein Leib. So werde ich morgen zerbrochen werden. Aber wie dieses Brot nur so zu jedem von Euch kommt, wenn ich es zerbreche, so muss auch ich zerbrochen werden, um bei jedem von euch zu sein, um euch Gottes Heil zu bringen, jedem ganz persönlich.« Und dann, als er den Kelch in die Hand nimmt, setzt er noch eins drauf: »Trinkt nun alle aus diesem meinem Kelch«, sagt er, »er ist der Bund in meinem Blut.« Meine Konfirmanden brauchte ich, wenn ich ihnen das Abendmahl erklärte, nicht lange zu schubsen, bis sie darauf kamen: Was machen siegreiche Teams beim Sport? Sie füllen den gewonnenen 35 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

­ okal und trinken nacheinander daraus. So hat Jesus schon P vor seinem Tod seine Jünger eingeladen, mit ihm den Sieg zu feiern, den er am Kreuz über Tod und Teufel erringen wird. »Solches tut zu meinem Gedächtnis«, heißt es in den Abendmahlsworten. Heute stehen wir am Anfang dieser Geschichte. Sie erzählt davon, auf Grund welcher gewalttätigen Macht Jesus in Bethlehem, in Brothausen, geboren wurde. Die Gewalttätigkeit ist sein Begleiter geblieben bis zu dem Hügel bei Jerusalem, den man Schädel nannte, Golgatha. Aber eben so schenkt Gott uns das Heil, gebrochen, weil es in dieser Welt kein ungebro­ eben gibt. chenes L

S

In diesem Jahr feiere ich zum ersten Mal in meinem langen Pastorenleben Weihnachten an Orten, in denen die Wüste und die Weisen aus dem Morgenland sozusagen vor der Tür liegen. Deshalb legt es sich nahe, über den Weg dieser Männer nachzudenken statt über die Hirten und zu überlegen, inwiefern er für unser Christsein zeichenhaft ist. Ich denke an die große Hitze, die sie täglich begleitete. Die lähmt, die macht müde, die ist, längst ehe man es bemerkt, lebensgefährlich. Ich denke an die Sandstürme, die klar markierte Wege in kürzester Zeit unsichtbar machen und jede Orientierung verhindern. Ich denke an die in der Hitze flimmernde Luft und die berühmte Fata Morgana. Bei einem klugen Mann las ich den Satz: »Eine Fata Morgana spiegelt – so gewiss sie selbst wirklich ist – die wirkliche Wirklichkeit nur vor. Sie ist kein Hirngespinst unserer Fantasie, aber doch nur ein Vorbote von dem, was noch fern ist.« Sie ist also, wenn ich das richtig verstehe, eine sichtbar gewordene Hoffnung.

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Nichts Reales, was man anfassen und in dem man sich einrichten kann, aber doch auch nicht nur Lug und Trug. Ein brauchbares Bild für Vertrauen? Ich weiß es nicht, ich habe noch keine Fata Morgana erlebt. Aber ich halte es für denkbar, dass die Weisen aus dem Morgenland auch von solchen Bildern bestärkt wurden auf ihrem langen, müh­samen Weg.

T

Die Stimmen der Anbetung Wir suchen dich nicht. Wir finden dich nicht. Du suchst und Du findest uns, Ewiges Licht. Wir lieben Dich wenig, Wir dienen Dir schlecht, Du liebst und Du dienst uns, Ewiger Knecht. Wir eifern in Unserm Am selbstischen Ort, Du mußt um uns eifern, Ewiges Wort. Wir können Dich, Kind In der Krippe, nicht fassen. Wir können die Botschaft nur Wahr sein lassen.

Albrecht Goes6

6 In: Ders., Lichtschatten du. Gedichte aus fünfzig Jahren. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a. M., 1978, 198.

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U

(Das ist) schwer … für die Predigerin und den Prediger, die aus den weihnachtlichen Zutaten alle Jahre wieder ein neues Menü zaubern möchten, das Abwechslung bietet und doch immer dieselben Geschmacksnerven bedienen soll …. Das neu geborene Gottes- und Jesuskind ist ganz wehrlos … Es ist einfach da, darf einen Gottesdienst lang bestaunt und besungen werden und muss noch nicht mal mit nach Hause genommen werden.

Martina Reister-Ulrichs7

V

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind …  – Es tut ihr doppelt weh, dass er gerade diesen Vers gewählt hat, um seinem Spott Ausdruck zu geben. Wie oft hat sie ihm dieses Lied vorgesungen, damals, und welches Glücksgefühl, als der Kleine die ersten Töne mitlallte. Später war es zur festen Einrichtung geworden: das gemeinsame Singen an den Adventssonntagen, mit Transparenten und Kerzenlicht, dem Kranz und den Kalendern, an denen jeden Tag ein Fenster geöffnet wurde. Er hatte das Gedicht aufgesagt, das er in der Schule gelernt hatte, und sie eine Geschichte vorgelesen von Kindern, die sich Weihnachten nicht leisten konnten und dann doch beschenkt wurden. Und heute schreibt er: »Gott, das ist doch nur eine sentimentale Schnulze, Feierlichkeit aus geriebenen Pfefferkuchen und Teepunsch, die alle Jahre wieder verordnete und genüss-

7 In Predigtstudien 2005/06 IV, 1, 48 f.

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lich geschlürfte Infantilität einer unmündigen Gesellschaft. Gott, das ist Gestrigkeit par excellence!« Sie spürt hinter den starken Worten die Wut, die verletzen will. Aber sie hört auch die leise Stimme der Angst und die Hoffnung, sie möge diesen Schlägen standhalten. Nein, nicht sie, sondern das, was sie ihm hat weitergeben wollen in all den Jahren, diese unbeirrbare Zuversicht, dass alles ein Ziel hat, diese zähe Entschlossenheit, dem Mög­ lichen einen ebenso großen Wahrheitsgrad zuzugestehen wie dem Faktischen, diesen  – ja diesen Gott, der die Erde nicht »alle Jahre wieder« berührt wie der Gummiball den Boden, bis seine Elastizität verbraucht ist, sondern der auf dieser Erde Raum greift, wo es der eine nicht mehr und der andere noch nicht vermutet, der Türen öffnet, die verschlossen schienen, und Licht macht, wo Finsternis regiert. Vielleicht waren ihre Feiern nicht transparent genug für diese andere Wirklichkeit. Vielleicht konnte er in dem, was sie als Symbol gemeint hatte, nur die Idylle sehen. Sie muss es ihm schreiben, sagt sie sich, sie muss aussprechen, was sie nur an­ zudeuten wagte: Gott, das ist Zukunft par excellence!

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  Vermischte Funde aus dem Internet:8

MMDie Kirche Roms hat durch die Einführung des

Weihnachtsfestes das Christentum gerettet. (Paul Anton de Lagarde)  MM Fatal, dass so viele Leute nur Weihnachten feiern, weil so viele Leute Weihnachten feiern. (Kurt Tucholsky, Kleine Reise) 8 Das große Z, die Recherchedatenbank für Aphorismen, Zitate usw. © 1992–2013 Manfred Pauls.

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MMBei der Knappheit an Fett, Seife und Lichtern ist in diesem Jahre eine freiwillige Einschränkung im Gebrauch von Weihnachtskerzen dringend geboten. Am schönsten wäre es, wenn jedem Weihnachtsbaum nur eine Kerze aufgesteckt würde. (Vossische Zeitung, 7.12.1916) MMSchafft Weihnachten ab  – Joseph hat alles zugegeben! (Wandspruch aus Deutschland)

X

»Probieren wir das Ungewöhnliche zu einer Zeit, die immer gewöhnlicher wird«, sagt Werner zu seiner Frau Susann in einem Krippenspiel. Ein nicht ganz gewöhnliches Krippenspiel  – Sie ahnen richtig. Auf jeden Fall ein Krippenspiel, bei dem auch Erwachsene nicht nur freundlichgeduldige Zuschauer bleiben. Josef, eigentlich Zimmermann, hatte einen Job bei der Post angenommen – »Wer macht heute schon noch das, was er gelernt hat?«, erklärt er den Wechsel. Klar! Arbeitslosigkeit, das sagt man nicht gern … Inzwischen ist er allerdings wieder arbeitslos, die Postfiliale wurde geschlossen … Der Autor des Krippenspiels kennt sich offenbar aus mit unseren Realitäten. In seiner Verzweiflung ist der arbeitslose Josef in das leer stehende Haus von Dr. Sakul eingebrochen. Er weiß sich nicht anders zu helfen. Maria, seine Frau, ist hochschwanger, aber sie haben kein Dach über dem Kopf. Die Wohnung wurde ihnen kurzfristig gekündigt. Eigenbedarf. Dass das Haus von Dr. Sakul leer steht, hat Josef an seinem letzten Tag als Postbote mitgekriegt. Ein Brief war nicht ordentlich verschlossen und fiel heraus. ­ atakira Darin bestätigte der Hotelmanager des Inselhotels R einem Dr. Sakul in der hiesigen Mehelhtebstraße Nummer 1, 40 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

dass das gewünschte Appartement vom 22.12. bis 3.1. für zwei Personen verbindlich gebucht sei. Postbote Josef hat das als einen Wink des Himmels verstanden. Ein kurzer Schlag gegen die kleine Fensterscheibe der Hintertür in der Mehelhtebstraße Nummer 1.  Es war ganz einfach. Nun steht Josef im dunklen Flur und will sich gerade zur Haustür vortasten, um Maria, die frierend draußen Schmiere steht, hereinzulassen, da begegnet ihm Werner. Josef hält Werner in seiner Verwirrung für einen Kollegen, der auch eine warme Stube sucht wie er. Die Hausbesitzer sind ja weit weg, im Hotel Ratakira, weiß er. Kurz entschlossen beginnt Josef, sich mit dem vermeintlichen Konkurrenten zu verbünden. Ein amüsanter Ganovendialog schließt sich an. Der Zuschauer ahnt zwar, dass da was nicht stimmt, vor allem, als wenig später auch Werners Frau Susann auftaucht. Aber beide lassen Josef in seinem Glauben und geben so auch dem Zuschauer keine Chance, sich über den wirklichen Sachverhalt klar zu werden. Erst nach und nach wird erkennbar: Dr. Werner Sakul und seine Frau haben den Urlaub auf der Südseeinsel gar nicht angetreten. Sie haben ihn vielmehr als Finte benutzt, um ungestört von lästigen Verwandten und Freunden zu Hause bei Kerzenschimmer ihre Zweisamkeit zu genießen. Eine teure Finte, gewiss, aber Geld spielt keine Rolle im Hause Sakul. Umso überraschender für die beiden diese Wende durch Maria und Josef, zwei Menschen, die da ganz anders dran sind als die Sakuls. Im Lauf der Verhandlungen beginnen bei Maria die Wehen und das Kind wird geboren, in Susanns Bett … Am Schluss sitzen Werner und Susann auf ihrem Sofa im Wohnzimmer – und wundern sich. »Es ist verrückt. Wir sind verrückt.« sagt Susann. »Das glaubt uns kein Mensch. Ich glaube es selber 41 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

kaum. Da schläft diese Frau mit ihrem Kind in meinem Bett!« Und Werner korrigiert: »In unserem Bett!« Die Geburt des Kindes hat alles verrückt. Die Armen, die nicht zahlen können, haben ein Bett. Und die Reichen, die sich mit Zahlen ihr Glück kaufen wollten, wundern sich. Ist das alles? Ja, das ist alles. Ein Kind ist geboren. Mehr nicht? Nein, mehr nicht. Das ist Weihnachten. Allerdings: Eine Kleinigkeit folgt noch bei der Weihnachtsfeier im Hause Sakul. Aber die verrate ich nicht. Darauf müssen Sie selbst kommen. Mein Vorschlag: Sie setzen sich nachher zu Hause zusammen und denken sich einen möglichen Schluss aus für diese Geschichte von Maria und Josef im Hause Sakul. Man kann daraus ein richtiges Spiel machen, ein Weihnachtsspiel für die ganze Familie: Wer erfindet den besten Schluss? Den besten Schluss für beide: Für Susann und Werner. Und für Josef und Maria. Jede(r) Mitspieler schreibt seine Ideen auf. Und dann wird diskutiert und bewertet. Wenn’s gut läuft, werden Sie damit heute Abend nicht fertig. Die Originalgeschichte lautet übrigens »Gebrochenes Glas – fast ein Weihnachtskrimi«, von Uwe Teich.9 Aber vielleicht können Sie es ja besser …

Y

»Ich habe wohl dutzend Male über diesen Text zu predigen versucht (Lk 2, die Weihnachtsgeschichte). Dabei kann man gar nicht ernsthaft »über ihn« predi-

9 Gebrochenes Glas  – fast ein Weihnachtskrimi, von Uwe Teich. In: Krippenspiele. 12 Weihnachtsspiele aus der Praxis. Boris Michael Gruhl (Hg.). Leipzig 2005 S. 25–47.

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gen. Meine einfache Bauerngemeinde in Oberschlesien hat das wohl geahnt. Sie ließ am Heiligen Abend ihren Pastor nur diese Geschichte vorlesen, langsam und auch in drei Abschnitten, kein Wort darüber hinaus. Natürlich auch, weil die Kirche kalt und dunkel war und das Vieh auf die Fütterung wartete. Man kann die Geschichte nur nacherzählen oder kann über die eine oder andere Gestalt nachdenken und sie in die Welt stellen, in der wir leben … Alle Maße werden verändert. Du brauchst nur an diese Geschichte zu rühren und du berührst den starken Strom der Freiheit der Kinder Gottes, nichts von Idylle. Genau genommen: Revolution. Und das mit diesen Bildern: Maria mit dem Kinde, die erschrockenen Männer auf dem Felde, das Blöken der Schafe – und ein ferner Kaiser, der schläft und nicht weiß, dass dies Kind sein Kaiserreich zerbrechen wird. Und Licht, viel Licht, unbeschreibliches Licht.« Heinrich Albertz10

Z

Diesmal bin ich beim Lesen des Weihnachtsevangelium an dem Satz hängen geblieben: »Und das habt zum Zeichen.« Nicht bei: »große Freude, die allem Volk widerfahren wird.« Das drängt sich ja schnell in den Vordergrund, weil Freude schön ist und das Miese und Traurige vergessen macht. Und wer will das schon zu Weihnachten, das Traurige und das Miese? »Fröhliche Weihnachten« wünschen wir uns.

10 In: Kleines Weihnachtsbrevier, Wilhelm Horkel (Hg.), ev. Buchhilfe 2000.

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Ich bin diesmal auch nicht hängen geblieben bei: »Friede auf Erden«. Das ist mir oft passiert in meinen Weihnachts­ predigten, nicht selten zum Missfallen meiner Zuhörer … Beinahe wäre ich bei Augustus und Quirinius und ihrem Steuergesetz hängen geblieben: Es begab sich zu der Zeit, als ein Gebot von »Standard and Poors« ausging, dass alle Welt geschätzt würde …  Aber nein, das alles nicht. Meine Gedanken machten sich stattdessen fest an dem scheinbar nebensächlichen Sätzchen »und das habt zum Zeichen«. Vielleicht lag es daran, dass ich kurz vor Weihnachten einen Rundbrief eines alten Freundes und Kollegen erhielt, der die PastorInnen und ihre Gemeinden bat, darüber nachzudenken, ob sie an ihrem Ort zu Weihnachten nicht auch einen speziellen Gottesdienst für Trauernde halten wollten. Und als Beleg, dass das Sinn machen könnte, zitierte er eine Pastorin, die solche Gottesdienste schon seit mehreren Jahren an Heilig Abend anbietet: »Es kommen Menschen, die sich vor der ungebrochenen Fröhlichkeit unserer normalen Christvespern fürchten, ist ihre Erfahrung. Die wollen kein Weihnachten mit Lametta und Krippenspiel. Die wollen weinen dürfen.« Und eine Mutter, die vor einigen Jahren ihren Jüngsten mit 13 Jahren an Leukämie verloren hat, sagt, sie fühle sich geradezu belästigt von der Fröhlichkeit, die auch manche Pastoren in den Kirchen so pausbäckig proklamierten. Sie ginge deshalb Weihnachten nicht mehr zur Kirche. Nur manchmal bliebe sie auf ihrem einsamen Spaziergang unter den erleuchteten Kirchenfenstern stehen, wenn da tröstliche Musik herausklänge. Das hat in mir weiter gearbeitet. Und als ich dann zur Vorbereitung dieser Predigt wieder die Weihnachtsgeschichte las, bin ich spontan an den Worten »und das habt zum Zeichen« 44 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

hängen geblieben. Wie oft hat jene Mutter während der dreijährigen Krankengeschichte ihres Jungen nach einem Zeichen Ausschau gehalten? Nach einem Nachlassen des Fiebers, einem Wiederaufleben des Appetits oder einem ermutigenden Befund bei der Blutanalyse?

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Zur Einstimmung 

Besinnlich und Befremdlich

Von Thomas Hirsch-Hüffell

Die heilige Familie Jesus hat sie erlebt, Frau Schneider-Lützgendorf auch; und wer keine hatte, sucht sich eine: Familie. Man stammt immer aus einer, auch wenn man sie verflucht oder in einer weiterzu­ leben vermeidet. Und was mit den eigenen Kindern und PartnerInnen gelingt, beruht oft auf dem, was zu Haus gelang. Dies und mehr wird wach, wenn man die heilige Familie anschaut, so traulich und so wunderbar arm, wie sie da hockt und steht und liegt. Wie es der Staat verlangt, ziehen sie tagelang hochschwanger zu Fuß umher. Keine Spur der Empörung (»Ich lasse mich nicht erfassen!«), keine Atteste. Niemand meldet sich krank. Man tut, was alle tun – eine also mit Gott unter dem Herzen. Aber folgen sie nur der Staatsräson? Oder spürt man der Geschichte ab, dass eine andere Macht dahintersteckt, die aus verstreuten Regierungsdekreten eine göttliche Fügung strickt? Wir sehen Leute, die einfach folgen: Maria schon, als alles losging mit dem ungebetenen Engel im Zimmer; Josef mit seiner Mischung aus Wut und Anstand gegenüber der Frau, die schwanger ist, aber nicht von ihm. Sie folgen – nicht willenlos, aber doch wie Millionen kleiner Leute, die tun, was angesagt ist. Und durch dieses Tun schimmert der göttlich-gute Wille, hier etwas himmlisch Freiwilliges mitten im Getriebe 46 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

der menschlichen Notwendigkeiten zu tun. Anzukommen und unter denen aufzugehen, die er einst entworfen hat. Vielleicht strahlt die Weihnachtsgeschichte immer noch, weil sich nun in der Folge aus widersinnigen Einzelheiten »Heil« reimt: Eine Frau, die ein Kind bekommt von einem, den sie nicht erwählt hat und – wenigstens für kurze Zeit – selig werden wird nach ihrem kopfschüttelndem »Ja«. Er, Josef, der sie gewählt hat, aber adoptieren muss, den er nicht gezeugt hat. Und dann dieses verkorkste Ambiente der Geburt – jedem Notarzt ein Angang. Aber wäre es nicht etwas, wenn sich auch bei uns die bisweilen verdrehten Verhältnisse der Familie mit ihren Verwerfungen und Zufälligkeiten schließlich zu einem guten Sinn fügten – wenigstens im Rückblick? Wenn ein verquerer Start sich als Anfang von etwas letztlich Gutem erweisen würde – was wollte man mehr? Wie viele warten darauf ein Leben lang. Die Krippe mit ihren Menschen und Tieren, diese fast absurde Szene, erzählt auch davon, was passieren kann, wenn man einfach im besten Sinne gläubig weitergeht und abwartet, bis endlich die Engel singen und sagen, wofür all die Mühe gut war. Es kommt der Punkt, wo dies klarer wird – vorausgesetzt, man wähnt hinter dem Hin und Her der biografischen Wendungen eine gute göttliche Hand. Gehen wir doch ruhig hin zur Krippe – vielleicht dämmert es uns. Neben dem gereimt Disparaten dieser Szene fällt auch die Armut auf. Was wäre Weihnachten ohne die Geschichten, die zu Weihnachten und ohne Geld spielen? Sie zeigen das von Begehrlichkeiten bereinigte Leben und das unschuldig-reine Empfangen. Der heiligen Familie fehlen die modernen Wahlmöglichkeiten. Kein Telefon, keine Bankkarte, keine Krankenkasse. Niemand von uns möchte gern so niederkommen. Aber wir blicken hier in ein Land, das wir Abgesicherten nicht 47 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

mehr kennen: Unbedarftheit in seiner heiligsten Form. Nicht ahnen, was der Komfort bereithielte, wenn es ihn gäbe. Gerade das hat man doch gern, weil es wirkt wie »ganz früher«, als wir alle noch aus dem Fluss tranken. Wie sie es sich da im Stall gemütlich machen und wie sie nichts brauchen als sich selbst. Wie sie sich genügen. Also schauen wir der heiligen Familie vielleicht deshalb so gern zu, weil sie nichts braucht als ihr eigenes Leben. Sie sorgt sich nicht um Babybrei-Gläschen und Fernsehzeiten, sondern sie ist einfach da. Insofern ist die Krippen-Darstellung in ihrer Einfachheit eine Ikone für das selbstvergessene Leben. Sie ist es wirklich. Der Film ist an der Stelle angehalten, wo nichts anderes zu sehen ist als das, was viele immer ersehnen: Heimat im Da-Sein, von Anfang an. Und das mitten unter Menschen, die man sich gar nicht selbst gewählt hat, an einem Ort, der vielleicht gar nicht anmutig ist – und wo es doch nach Heimat riecht. So ausgesetzt und so geborgen zugleich zu sein, das wäre gutes Leben mitten im Leben. So möchte man auf die Welt kommen und so möchte man einmal gehen. Und was ist an dem armen Dasein göttlich? Dass es so menschlich ist. Man merkt doch: So rein im Leben steht nur, wer in Gott wohnt. Und dann fügen sich zu diesem Kindchen eine Menge einfacher Gesten und Handlungen, durch die der Himmel scheint. Leute bringen Wolle oder desinfizierende Gewürze. Wichtiger noch: Sie kommen selbst hin zur Krippe. Sie sind da, weil sie das göttliche Dasein anzieht. Und wie diese treten wir nun auch zur Krippe. Zum Beispiel: MMFamilie F., deren vier Kinder in vier Jahren kamen, deren Vater schon zweimal weggelaufen ist (wie Josef es auch zu tun vorhatte) – und wiederkam, deren Mutter mit 29 aussieht wie andere mit 50 und die nachts mit dem Asthma des Jüngsten kämpft. 48 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

MMHerr K. mit seiner verwöhnten Enkelin, der er durch Fürsorge erstatten will, was er seiner Tochter schuldig blieb.

MMFrau A., die all ihre sechs Enkel vergrätzt hat – bis auf einen, der unverdrossen kommt und fragt, ob sie ihm vorliest. Und sie tut es. MMDas kinderlose Ehepaar G., das immer Kinder wollte und zusah, wie andere welche kriegten, die keine wollten. MMEhepaar O., dessen Kinder groß sind, gesund, erfolgreich und weit weg. MMFamilie P., wo er schielt und sie schielt und man denkt, die beiden hätten einander im Leben nie gesehen, aber sie sind zusammengeblieben und bei den Kindern, und es ist gut geworden. MMUnd Svenja, siebenjährig, die immer allein zur Kirche kommt mit ihren großen Augen voller Tränen. Gehen wir also hin und schauen, wie das wahre Leben seinen Anfang nimmt, singen und beten oder lassen singen und ­beten.

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Der Türgriff vom Stall Die Hände vom Wirt kenne ich. Er hat harte Hände, Hornhaut vom Zäune Setzen und all der Knochenarbeit. An dem Abend, als es geschah, war er auch kurz da. Ich hab es an seinem Griff gemerkt: Er ist es und er will sehen, was passiert ist. Eigentlich hat ja alles mit dieser kleinen Frauenhand an­ gefangen. Die war so kalt. Sie hat mich kurz angefasst; dann kam eine Männerhand dazu und half die Tür aufstoßen. Diese wärmere Männerhand hat mich festgehalten, als die beiden in den Stall geguckt haben und seufzten. Ich habe mich gefragt: »Was wollen die hier?« Ich hab die Stimme vom Wirt gehört, aber der ist dann weggegangen. Der Mann hat gesagt: »Naja, nun sind wir halt hier. Was Besseres finden wir um die Zeit nicht.« Sie hat immer nur geseufzt. Und ich habe mich schon gefragt, ob die immer so sind. Er ist dann dauernd raus und rein, hat den Esel geholt, das Gepäck, eine Lunte fürs Licht und was zu essen. Seine Hände habe ich mir gemerkt, die konnten zugreifen. Sie nannte ihn Josef. Und sie: Sie hab ich auch nicht vergessen. Ihre Hand war so weich. Hat sich ganz zart um mich gelegt. Und war so kalt. Müde und doch irgendwie aufgeladen. Als hätte sie viel hinter, aber noch mehr vor sich.

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Das sind so Ahnungen. Als Türgriff weiß man das nie genau. Man sieht ja nichts. Aber wenn man sich nicht auf seine Gefühle verließe, wo käme man hin? Man wird halt von vielen angegriffen und da lernt man die Unterschiede. Als ich das Geschrei hörte, war mir klar, was sie mitgebracht hatte. Ich sage euch, das war besonders. Ich habe schon gehört, wie die Kuh ihr Junges kriegt. Aber das hier, das war anders. Ich sage euch, das war, als wenn alles stillsteht. Sie hat gestöhnt und geschrien. Er hat auch gestöhnt und gezogen, ist raus­gelaufen und wusste wohl nicht, ob besser raus- oder reingehen. Und ich dachte an ihre Hand und wusste: Die hat Kraft. Als er wieder reinkam, war’s still. Und er ist hin zu ihr und hat geweint und gelacht. Und es kamen Geräusche zu mir, die waren so schön, wie ich sie noch nicht gehört habe. »Schau mal«, hat er gesagt. Immer nur das. Sie hat gar nichts gesagt. Und dann kamen andere Hände. Klopfen an der Tür, starkes Klopfen. Das hat überhaupt noch nie einer getan: anklopfen. Ich weiß gar nicht, warum die alle kamen. Die müssen die drei Leute gekannt haben. Aber woher sie wussten, dass die hier sind – ich weiß es nicht. Aber als sie mich dann anfassten und die Tür aufmachten, da waren sie sich sicher, das merkte man. Als sie reinkamen, wurde es ganz still. Es hat überhaupt niemand gesprochen. Sie haben was ausgepackt und hingestellt. Dann weiter Schweigen. Als wenn die Zeit steht.

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Ehrfürchtig haben sie mich angefasst. Wie wenn man in ein Zimmer kommt, in dem noch keiner war. Schöne Hände hatten die drei. Ohne Narben. Schlossen sich um mich wie ein Siegel. Und kamen von weit her. Dann war Lärm, Hundegeschrei und Getrappel. Tiefe Stimmen, Rufe und schüchterne Hände. Die gehen nicht rein, ohne dass man sie bittet, dachte ich. Und so war’s auch. Fast jeder von ihnen fragte: »Darf ich?« Ich ging von Hand zu Hand, so zwanzigmal, fast ohne Unterbrechung. Feuchte, trockene und ruhige Hände. Dann war ich allein. Und wieder diese Ruhe. Ich meine, die Tiere sagen ja auch nichts. Aber das war eine andere Art von Stille-Sein. So was hat’s in dem Stall noch nie gegeben. Wo man keine Fragen hat. Sonst hat man doch immer Fragen: »Wer ist das?« Und: »Warum ich?« Und: »Was soll das?« Und: »Was soll werden?« – An dem Abend: keine Fragen. Nur Hände, die reinwollten und wussten: Hier sind wir richtig.

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Simeon Herr Simeon ist über siebzig. Er schaut ab sieben Uhr morgens aus seinem kleinen Fenster. Er kann nicht lange schlafen, eigentlich gar nicht mehr. Wenn es nicht so kalt draußen ist, legt er sich zum Rausgucken ein Kissen auf die Fensterbank, damit er sich die Ellenbogen nicht aufscheuert. Die Müllmänner von drüben grölen, wenn sie ihn sehen und grüßen um halb acht. Schulkinder schnattern den Gehweg herunter. Eins zeigt mit dem Finger nach oben – einen Moment lang blicken alle …  – kichern und wackeln weiter, etwas lauter jetzt. Kurz vor neun klingelt das Telefon  – verwählt. Dann bringt Frau Schneider-Lützgendorf sein Brötchen und die Marmelade. Orange mit Ingwer. Seit elf Jahren. Für die muss sie länger fahren, das gibt’s nicht gegenüber. Aber sie tut’s gern. Der Alte ist freundlich und er hat ein Gesicht wie einer, der herumgekommen ist in der Welt. Falten vom Sturm und in den Augen der Abendsegen, der sich übers Land senkt. Gehen kann er nicht mehr allein, höchstens mal mit dem Gehwägelchen zehn Minuten vorm Haus, wenn jemand hilft. An Deck war das anders. Da ist er die Masten hoch und konnte oben schweben, während die Gischt übers Schiff ging. Mittags klingelt es an der Tür. Wohl auch verwählt. Herr Simeon beugt sich aus dem Fenster. Er hat niemanden kommen sehen. Im Eingang steht aber eine junge Frau. Sie klingelt bei ihm. Er schleicht zur Tür, drückt den Summer, sie steigt die Treppe hoch, steht da. Dunkle Augen hat sie – wie er. Als sie nach sechs Stunden in die Abenddämmerung geht, weiß er alles. Nach 24 Jahren weiß er, dass seine Tochter lebt. 53 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Sie war gegangen mit vierzehn. Mit irgendeinem Typen. Vater war wie immer zur See. Mutter hatte wochenlang geweint. Sie wird nie mehr erfahren, wo ihre Tochter ist. Oder vielleicht guckt sie auch von oben zu und ist schon lange im Bilde. Wer weiß? Aber er weiß nun Bescheid. Sie hat ihn gesucht und gefunden. Herr Simeon am Fenster … – wonach hat er eigentlich geschaut all die Jahre auf der Fensterbrüstung? Nun sitzt er anders da und guckt. Jetzt kann kommen, was will …

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Kati Es wird Weihnachten und man muss gucken, was man mit Oma macht. Sie liegt im Heim für demente Leute, und wenn der Pflegedienst aus dem Zimmer ist, wird sie an die Decke starren. Das geht schon fast ein Jahr so. Es wird nun das erste Weihnachten in diesem neuen Zustand sein. Kati hat zuerst gar nicht gewusst, wie es um Oma steht. Mit allerlei Ausreden hat Mama Katis Aufmerksamkeit immer von Oma weggelenkt. Mehr durch Zufall hat Kati was gemerkt. Mama hat sich versprochen. »Ich geh noch zu Oma ins Pflegeheim« – da war es heraus. Kati ist noch klein, aber sie ist helle im Kopf, sie kapiert das Aufregende an diesem Versprecher. ›Wieso Oma Heim?‹ fragt sie. »Ach nix«, sagt Mama. »Aber du hast es gesagt!« Kati kommt also am Heiligabend zum ersten Mal mit zu Oma ins Heim. Sie hat es sich ertrotzt. Mama hat ein schlechtes Gewissen, weil sie Kati so lange von Oma ferngehalten hat. Aber es ist nun mal nicht einfach: Fast den ganzen Tag liegt die alte Frau im Bett, ihr Gesicht gleicht dem einer Hexe, sie schimpft viel und bringt alles durcheinander. »Oma ist ein bisschen verrückt«, warnt Mama auf dem Weg. »Oft erkennt sie mich nicht. Sie sabbert. Und sie sieht auch nicht schön aus, bisschen wie eine Hexe.« Kati ist still und hört aufmerksam hin, ihr Blick ist klar und entschlossen. Mama stellt sich so ans Bett, dass Kati nicht gleich alles sieht. Aber sie ist flink, läuft ums Bett herum, schiebt umständlich einen Stuhl an die Seite der mumienhaften Gestalt, klettert darauf und betrachtet ohne den Anflug eines Schreckens die hexenähnliche Maske. Die Alte öffnet die Augen, blickt die Tochter an, dann die Kleine, noch mal her und hin, und grunzt. Schließt die Augen, 55 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

öffnet sie gleich wieder und starrt Kati an. Keine von beiden will sprechen, Katis Hand reibt auf der Decke hin und her. Sie blicken sich unverwandt ins Innere und nur der Wellensittich in der Ecke merkt, wie lange sie einander schon kennen. »Ich koch mal einen Tee«, sagt Mama und zündet eine mitgebrachte Kerze an. Kati steht immer noch auf dem Stuhl. »Willst du Schokopudding, Kati?«, fragt sie. »Ich hab welchen mitgenommen.« »Ja.« Kein Seitenblick, nur Oma angucken. Die öffnet wieder die Augen, schaut und zwinkert. Kati macht es nach. Die Faltenmaske verzieht sich. »Oma, kannst du auch reden?«. Oma reagiert nicht. »Oma!« Oma zuckt. Der Pudding wird hereingetragen. Kati sitzt jetzt auf Omas Bett und sieht sich satt. Mama verkneift sich die Anweisungen, die ihr in den Sinn schießen. Sie ist verwundert über die Stimmung im Zimmer. Als wäre es nie anders gewesen, als dass Kati und Oma zusammen sind. Kati löffelt Pudding. Kati schaut Oma an. Kati löffelt. Als Mama draußen ist, fragt sie was: »Oma, willst du auch Pudding?« Oma guckt. Kati robbt ans Kopfende, kniet neben Omas Ohr, stützt eine Hand auf und führt mit der anderen den Löffel mit Pudding an Omas Mund. Sie öffnet ihn sofort und schluckt. »Hmm«, macht Kati und schiebt den nächsten Löffel nach. Oma schluckt. Ihre Hände tasten auf der Bettdecke umher, die Rechte erreicht die Puddingschüssel, greift hinein und wühlt. Und eh Kati begreift, hat Oma den Pudding zum Gesicht geführt. Kati tut nichts. »Hmm«, sagt sie. »Hmm«, sagt auch Oma und verteilt Pudding über ihr Gesicht. Dann winkt sie der Kleinen, sie soll näher kommen. Als sie in Griffnähe ist, verstreicht sie auch ihr Pudding übers Gesicht. Kati kichert. Es kitzelt. Es tropft. Sie greift in 56 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

die Schüssel, holt mehr warmen Pudding heraus und legt ihn auf Omas Stirn. Oma verzieht das Gesicht zu einem Grinsen. Mit dem Löffel füllt Kati Omas Mund, die schluckt, ohne zu husten, und es kommen glucksende Laute aus ihr, sie lacht offenbar. Kati lacht auch. Oma hat jetzt die Augen weit offen und leckt sich die Lippen. Kati desgleichen. So schauen sie einander an und ahmen wechselweise Grimassen nach. Und die Bettdecke wippt immer mehr über dem stillen Gelächter. Kati quietscht vor Vergnügen. Nun kommt Mama. Sie hat gehört, dass was passiert ist. Sie steht im Türrahmen, kriegt den Mund nicht zu und alles, was eine erziehungsbewusste Mutter sagen müsste, ist sehr unwichtig. Sie weint ohne alle Hemmung los. Sie greift in die Schüssel, stopft sich Pudding in den Mund, Kati lädt nach, schiebt ihr auch gleich die ganze Hand hinein, Oma gluckst, alles voll Schoko – die Welt versinkt im Wohllaut. Sie legen sich beide zu Oma mitten in die Soße, eine zur Linken, eine zur Rechten. Mama weint immer noch und es ist gut. Kati streichelt abwechselnd Mama und Oma. So liegen sie da am Heiligen Nachmittag, schockierend verrückt – selig verdreckt. Und die Engel singen – ja, was? Na, was sie immer singen: »Fürchtet euch nicht!«

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Advent 

Vorfreude mit Ringelnatz

Von Eckard Siggelkow

Wie es sein soll Ein Kind – von einem Schiefertafelschwämmchen Umhüpft – rennt froh durch mein Gemüt. Bald ist Weihnacht! – Wenn der Christbaum blüht, Dann blüht er Flämmchen. Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt Uns mild. – Es werden Lieder, Düfte, fächeln. – Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt, Wird dann noch gütig lächeln. Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes Alle unfeindlich sind – einmal im Jahr! – Uns alle Kinder fühlen eines Baumes. Wie es sein soll, wie’s allen einmal war. Joachim Ringelnatz11

Ob ich mich fühlen werde als »Kind eines Baumes«, steht noch dahin, aber es wollen und mir wünschen, das tue ich. Und 11 In: ders., Weihnachten. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Ute Maack, Frankfurt a. M. / Leipzig 1983.

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weil dem so ist, werde ich wieder einen großen Baum aufstellen, mit roten Kugeln und goldenen Kerzen und anderem Glitzerkram, damit er »Flämmchen blüht«. Denn die Flämmchen »heizen« und erfüllen die Wohnung mit »Wärme«, die » milde« stimmt. Ich habe dieses Gedicht durch Zufall in der Zeitung entdeckt. Es hat mir gefallen, weil es Weihnachten in einer Weise anspricht, die ohne die üblichen Stereotypen und Sentimenta­ litäten auskommt. Weihnachten als Fest der Erinnerung, in der die Kindheit herüberleuchtet wie ein Paradies. In der »Vorfreude auf Weihnachten« rennt ein Kind  – »von einem SchiefertafelSchwämmchen umhüpft« – »froh durch mein Gemüt.« »Bald ist Weihnacht!« Und »Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt«, darf darauf hoffen, dass er »doch gütig lächeln« wird. Dabei wissen wir nur zu genau, dass Weihnachten – beladen mit all den Wünschen und Träumen von Freude, Nähe und Innigkeit – allzu leicht daneben geht … Und doch ist er immer wieder da, der melancholische Wunsch, etwas zu spüren von kindlicher Freude, die ich nicht missen möchte – und sei es bei denen, die zu uns gehören und bei uns sind: »Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.« Denn dafür ist dieses Fest ja da – für die ungestillte Sehnsucht und die unerfüllbaren Wünsche, um sie daran festzumachen, als seien sie erfüllbar  – irgendwann einmal …  Oder wie die Erinnerung an die Geschichte zu Weihnacht uns sagt, schon längst erfüllt: »Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.« Natürlich hat Ringelnatz gewusst, der Dichter spöttischer Verse und des Kuttel Daddeldu, als den ich ihn bislang nur kannte, dass es zu keiner Zeit war, »wie es sein soll« und »al59 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

len einmal war«. Ich hätte seinen Namen wohl auch nie mit diesem Gedicht in Verbindung gebracht, wenn er nicht über den Zeilen zu lesen gestanden hätte. Aber wenn selbst er sich wünscht, der Skeptiker und nüchterne Realist, dass es das geben möge, – »einmal im Jahr!« – dann darf es sich jeder wünschen – sei er nun gläubig oder nicht.

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Advent 

Predigt zum Advent

Von Karin Ulrich-Eschemann

Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten Priester und Leviten von Jerusalem, dass sie ihn fragten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn. Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin’s nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann, dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? Er sprach: Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat. Johannes 1,19–23

Liebe Gemeinde, es dauert nicht mehr lange. Dann werden wir sie wieder hören, die uns so vertraute Weihnachtsgeschichte, und von der Geburt des Kindes Jesus singen. Alles dreht sich um ihn – und da werden sie alle an der Krippe stehen, die uns längst vertrauten Personen und die Tiere und beten das Kind an. Heute, am letzten Sonntag vor dem Heiligen Abend, geht es in unserem Predigttext um Johannes den Täufer, der in der Wüste predigt und die zu ihm kommenden Menschen tauft 61 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

zur Vergebung der Sünden. Ist Johannes ein Prophet? Welche Botschaft hat er? Hat er nicht auch einen Platz an der Krippe verdient? Er, der auf Christus hinweist. Wegbereiter Jesus wird er gern genannt. Vielleicht stellen wir ihn nicht ganz so nah an die Krippe wie die anderen … Vielleicht hinter Josef? Diese Frage ist mir bei der Predigtvorbereitung nicht mehr aus dem Kopf gegangen und ich werde sie am Schluss der Predigt noch einmal stellen: Sollte Johannes der Täufer einen Platz an der Krippe haben? Johannes der Täufer ist eine sperrige Gestalt. Im Matthäusevangelium wird er so beschrieben: Er lebte in der Wüste, hatte ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden, er aß Heuschrecken und wilden Honig. Ist er der erwartete Messias? Welche Botschaft bringt er, ist es eine schlechte oder gute? Nun, es ist eine gute Botschaft: Haltet euch bereit, Christus, der Messias ist nahe. Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe. Die Geschichte Johannes des Täufers ist tief verwickelt mit der Geschichte Jesu. Lukas verschränkt die Geburtsgeschichten des Johannes und Jesu: Zuerst wird dem alten Priester Zacharias ein spätes Kind verkündigt, dann der jungen Maria ein voreheliches. Zacharias soll sein Kind Johannes nennen; das der Maria soll Jesus heißen. Johannes wird zuerst ge­boren und sein Vater singt Gott ein Loblied. Dann wird Jesus geboren, nachdem Maria ebenso ein Loblied gesungen hat auf Gott. Später werden sich die beiden treffen: Als Johannes am Jordan tauft und Jesus sich anschickt, seinen Auftrag zu erfüllen. Ein Vers aus der Botschaft, die der Engel Zacharias verkündigt, lautet: »Du wirst Freude und Wonne haben und viele werden sich über seine Geburt freuen. Denn er wird groß sein 62 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

vor dem Herrn, Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken und wird schon von Mutterleib an erfüllt werden mit dem heiligen Geist.« Wer ist der Bußprediger in der Wüste, zu dem viele Juden hinströmen? »Bist du der Messias, auf den wir warten? Bist du ein Prophet? Hast du eine gute Nachricht für uns oder eine schlechte?« Hier lässt das Johannesevangelium Johannes direkt antworten. Johannes stellt sich den Fragern, er weicht ihnen nicht aus. Er antwortet. – Oder antwortet er doch nicht? Seine Antwort ist eingebettet in den berühmten Johannesprolog, der so beginnt »Und das Wort ward Fleisch, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort: Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. Der kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten.« Im Johannesevangelium finden wir keine ­Geburtsgeschichte Jesu. Die werden wir am Heiligabend hören, so wie Lukas sie erzählt: die Geburt von Jesus Christus, im Leib seiner Mutter geworden und für uns alle geboren, so wie wir alle geboren worden sind. Hören wir hier jetzt die Antwort des Johannes auf die Frage »Wer bist du?«: »Ich bin nicht der Christus, der Messias, der Erlöser, auf den die Menschen warten. Ich bin auch nicht der Prophet, nicht Elia, den man als Vorläufer des Messias erwartet hat.« »Wer bist du aber denn? Gern möchte man Johannes auf die Sprünge helfen, dass er klar und deutlich sagt, wer er ist. Sei es, dass er sagt, dass er der Sohn von Zacharias und Elisabeth ist. Zögert er nicht doch mit einer klaren Antwort, wenn er an dieser Stelle ein Prophetenwort aus dem Alten Testament aufnimmt: »Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn! Wie der Prophet Jesaja sagt.« 63 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Nein, er zögert nicht mit seiner Antwort. Mehr kann er nicht sagen, weil nicht er es ist, auf den sie warten, aber er kündigt ihn an und fordert die, die ihm zuhören auf, bereit zu sein für den von Gott gesandten kommenden Herrn. Johannes steht zwischen den Zeiten, so hat man Johannes theologisch gerne platziert. Er weist auf den kommenden Herrn und hält zugleich die Verbindung rückwärts bis hin zu den Propheten. Eine schillernde Figur, gewiss, aber er hat eine klare Aufgabe von Gott bekommen. Die Stimme eines Predigers in der Wüste. »Ich komme mir vor wie ein Prediger in der Wüste«, sagen wir manchmal und meinen damit, dass alle Ermahnung und Warnung für die Katz ist. Niemand, der Ermahnung folgt. Alles Reden ist vergeblich. Das biblische Bild hat Eingang gefunden in unsere Alltagssprache. Für Johannes trifft das allerdings nicht zu, dass seine Worte ohne Erfolg sind. Die Menschen kommen zu ihm hinaus und lassen sich taufen und hören seine Worte. Dennoch: Johannes zeigt auf Jesus: Dieser ist es, den Gott euch gesandt hat. Das ist die gute Botschaft! Ich, Johannes, bin nicht so wichtig, aber meine Botschaft ist wichtig. Und diese Botschaft ist neu, aber sie ist bereits vorgezeichnet in der Schrift. Erinnern wir das Bild des Isenheimer Altars, auf dem Johannes mit einem Finger auf den Gekreuzigten zeigt, in der anderen Hand hält er die Schrift. Dieser ist es, von dem die Schrift, das Alte Testament, spricht. Johannes an der Krippe? Ein Johannes, der auf das Kind in der Krippe zeigt, in der Hand die Schrift! Stellen wir ihn auf die linke Seite der Krippe und die anderen, die kommen, um Jesus anzubeten, die Hirten und die Weisen, auf die rechte Seite. Das Kind in der Krippe mit den Seinen: den Juden und den Heiden. Jesus in der Mitte der Zeit. 64 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ich habe ein wenig in der Geschichte der Krippendarstellungen geforscht und dabei herausgefunden, dass in den frühen ersten Darstellungen nur das Kind in der Krippe existierte; dann kamen Ochs und Esel hinzu. Sie finden wir nicht bei Lukas, aber sie erinnern an das prophetische Wort Jesajas (1,3): »Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn: aber Israel kennt’s nicht und Israel versteht’s nicht.« Zeitlich später hinzu kommt Maria, wesentlich später dann Josef, die Hirten mit den Schafen, der Verkündigungsengel und die Könige, die nach der biblischen Tradition eigentlich die Weisen sind. Kein Johannes! Als ich vor ein paar Tagen mit meinem Mann über den Weihnachtsmarkt ging, haben wir, wohl eher aus Spaß, bei den Krippen nach Johannes gesucht. Wer weiß?, dachten wir. Wir sollten ihn, wenn wir zu Hause oder morgen in der Kirche die Krippe anschauen, wenigstens in Gedanken und in der Fantasie hinzutun, denn er gehört zur Geschichte des Kindes in der Krippe. Erst recht dann, wenn wir die prophe­ tischen Verheißungen hören. Ich möchte zum Schluss noch einmal das Wort des Propheten durch den Mund des Johannes hören und nachsprechen: »Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«

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Advent 

Meditation: Türen im Advent Von Hans Freudenberg

Mancherlei Türen begleiten unsere Tage: Haus- und Zimmertüren, Keller- und Garagentüren, Türen als Tore oder Portale an Burgen, an Schlössern, an Kirchen. Türen können aus Holz oder Glas sein, aus Stahl, aus Bronze oder Papier. Türen sind nützlich: Sie schützen vor Kälte und Staub, vor Regen und Wind, vor Lärm und ungebetenen Gästen. Türen sind Sinnbilder des Durch- und Übergangs, stehen zwischen drinnen und draußen, Leben und Tod, profan und sakral, Diesseits und Jenseits, Licht und Finsternis, Himmel und Hölle, gestern und morgen, Wirklichkeit und Traum. Türen sind zweideutig: Geöffnete Türen laden ein, geschlossene Türen sperren aus, weisen ab. Die Ambivalenz des Türsymbols kennt auch die Bibel: Abweisend: verschlossen bleibt die Tür den »törichten« Jungfrauen (Mt 25,10, vgl. Lk 13,23–25). Einladend: »Tor des Himmels« nennt Jakob den Ort, an dem er im Traum die Himmelsleiter mit den Engeln schaut (1 Mose 28,17). 66 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Der alte Hymnus zum Einzug der Bundeslade (Symbol der Gegenwart Gottes) in den Jerusalemer Tempel fordert auf: »Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe«(Ps 24). Der feierlich in den Tempel Einziehende ist Jahwe, der Gott Israels. Als Schöpfer und Herr der Welt sprengt er, sprengt seine Herrlichkeit alle einengenden Maße. Darum müssen die Tore »weit« und die Türen »hoch« gemacht werden. Die christliche Gemeinde deutet die Aussage später christologisch um: Gottes Advent zur Welt ereignet sich in Gestalt des königlichen Krippenkindes in Bethlehems Stall. Die Gewissheit, dass Himmel und Erde sich berühren, sich Gott den Menschen zuwendet, verdichtet sich im Symbol der (wieder) offenen Tür. Viele Advents- und Weihnachtslieder greifen diese Metapher auf: MM»Macht hoch die Tür, die Tor macht weit«(EG 1), das Lied, das Ps 24 verarbeitet und zugleich Leitmotiv des ganzen Gesangbuches ist; MM»O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für« (EG 7, im Kontext von Jes 64,1); MM»Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis; der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis« (EG 27,6 im Kontext von 1 Mose 3,24) Das Bild der offenen Tür ist ein Bild der Sehnsucht und der Erwartung, die in Jesus Gestalt gewinnt: »Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich eingeht, der wird gerettet werden …« (Joh 10,9). Kirchenportale nehmen die Selbstaussage Jesu auf und deuten sie architektonisch. Dass Christus die Tür 67 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

ist, wird von den mittelalterlichen Künstlern plastisch-figürlich im Symbol des Lammes oder des Weltenrichters im Tympanon oberhalb der Kirchentüren dargestellt. Wer die Tür durchschreitet, dem öffnet sich schon jetzt ein Stück die Tür zum Himmel auf Erden, die Kirchentür verweist auf die Tür des himmlischen Jerusalems. Sehnsucht und Erwartung bestimmen auch Bräuche der vorweihnachtlichen Zeit: MMDer Adventskalender mit seinen 24 Türchen und deren süßer Inhalt dämpft bei Kindern die vorweihnachtliche Ungeduld und »versüßt« die Zeit des Wartens. MMIn manchen Gemeinden wird folgender (ursprünglich in der Schweiz beheimateter) Brauch »Offene Türen im Advent« gepflegt: In der Adventszeit öffnen an ausgewählten Abenden Familien ihre Haus-(Garagen-, Garten-) Türen. Für etwa eine Stunde beherbergen sie ihre kleinen und großen Gäste. Lieder, Musik, kleine Geschichten, Glühwein und Kinderpunsch, Gebäck, Winterschmuck, Krippen­ figuren stimmen auf Advent und Weihnachten ein, lassen andere an dem teilhaben, was den Gastgebern im Blick auf das kommende Fest wichtig ist. Weihnachten bietet eine gute Gelegenheit, die eigene eingerostete Herzenstür aufzuschließen und Türen zu Mitmenschen wieder zu öffnen, wo sich dumpfes Schweigen über die Beziehungen gelegt hat – in der Familie, in der Nachbarschaft, im Bekanntenkreis.

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Advent 

Rollenspiel: Ochs und Esel Von Thomas Hirsch-Hüffell

Die Handelnden

MMElly-Esel: ein quirliger Charakter MMRonny-Ochse: ruhig und bedächtig MMIn der Gemeinde sitzen »Eingeweihte«, die bei Bedarf passende Stichwörter rufen. Ey Ronny! Was ist? Guck doch mal! Hast du schon wieder einen fliegenden Regenwurm gesehen? Elly-Esel: Ach Ronny, du glaubst mir nie. Ronny-Ochs: Na, was ist? Da sind lauter Kinder in der Nähe. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Okay, okay … (gelangweilt) Elly-Esel: Nix »Okay« (macht Ronny nach)! Da sind Leute gekommen! Ronny-Ochs: Okay. Elly-Esel: Oh Mann, du schwerfälliger Ochse! Ronny-Ochs: Okay, hier bin ich, Ronny, es sind neue Leute im Dorf/in der KirElly-Esel: che, und das schon seit einer Weile. Ronny-Ochs: Okay. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Elly-Esel: Ronny-Ochs:

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Elly-Esel: Und die wollen in die Hauptstadt. Ronny-Ochs: Okay. Ich hab gehört, dass sie sich zählen lassen. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Okay. Elly-Esel: Ronny! Ronny-Ochs: Ja? Elly-Ochs: Weißt du, was das soll? Ronny-Ochs: (denkt nach): Nee. Schweigen Elly-Esel: Ronny! Ronny-Ochs: Ja? Ich glaub, es passiert bald was. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Hmm. (Pause)  Wieder fliegende Regenwürmer? Ronny, es sind so viele Leute unterwegs! Und Elly-Esel: wir stehen hier im Stall. Ronny-Ochs: Okay. Elly-Esel: Du mit deinem »Oooo-kääää« machst mich noch wahnsinnig. Es sind jede Menge Leute unterwegs und am Himmel steht ein Stern, der ist so hell wie der Mond. Ronny-Ochs: Okay. Und die Leute finden keinen Platz in der Elly-Esel: Kneipe nebenan. Ronny-Ochs: Okay. Elly-Esel: Der Wirt war heute schon da und hat unseren Stall gezeigt. Ob sie da schlafen wollen. Ronny-Ochs: Häää? Was soll das denn? (Ronny zeigt Nerven.) Ja! Und die haben sich alles angeguckt, sind Elly-Esel: aber wieder raus. 70 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ronny-Ochs: Elly-Esel: Ronny-Ochs: Elly-Esel:

Und wieso weiß ich nichts davon? Weil du geschlafen hast. Okay … Tja, wenn man pennt, kriegt man eben nicht alles mit. Ronny-Ochs: Können ja nicht alle so aufgedreht sein wie du. Ich weiß eben, was läuft. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Okay. (Pause) Und was? Elly-Esel: Na, dass der Gasthof keine Betten mehr hat. Alles überfüllt. Ronny-Ochs: Ja, und? Ich sag dir, da läuft was. Die Leute kommen Elly-Esel: schon massenhaft in die Kirche – hast du gesehen, wie viele da sind? Ronny-Ochs: Ja, sind viele. Haben auch gesungen. Die kommen wegen irgendwas. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Okay. Wahrscheinlich gibt’s was zu Fressen. Elly-Esel: Nee, Ronny, das hängt mit dem Stern zu­ sammen. Ronny-Ochs: Okay. Elly-Esel: Ich kann die ja mal fragen. Ronny-Ochs: Okay. (an Gemeinde) Hallo? Elly-Esel: Gemeinde: Hallo! Elly-Esel: (lauter) Halloo! Gemeinde: (lauter) Halloo Elly-Esel: (noch lauter) Halloooo! (noch lauter) Halloooo. Gemeinde: Elly-Esel: Seid ihr viele? Gemeinde: JAA! 71 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Elly-Esel: Gemeinde: Elly-Esel:

Warum seid ihr hier? [Advent, Weihnachten, Gottesdienst …] (zu Ronny-Ochs) Hast du gehört? Sie sind wegen Adfent hier. Ronny-Ochs: Okay. Was ist Adfent? Elly-Esel: Ronny-Ochs: Weiß ich doch nicht. Elly-Esel: (an Gemeinde) Hallooo? Gemeinde: Hallooo! Elly-Esel: Was ist Adfent? Gemeinde: [verschiedene Antworten; u. a.: Christkind] Elly-Esel: (an Ronny) Ronny! Ronny-Ochs: Ja. Elly-Esel: Sie sagen: »Kristkind«. Ronny-Ochs: Okay. Sag doch nicht immer »okay«! Elly-Esel: Ronny-Ochs: Okay. Du verstehst das doch auch nicht. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Nee. Gibt’s bald Fressen? Elly-Esel: (an Gemeinde) Hallooo! Gemeinde: Hallooo! Elly-Esel: Was ist ein Kristkind? Gemeinde: [Verschiedenes, u. a.: Gott kommt auf die Welt.] Elly-Esel: Ronny! Ronny-Ochs: Hmm? Elly-Esel: Weißt du, was sie gesagt haben? Ronny-Ochs: Ja. (langsam nachkauend): »Gott kommt auf die Welt.« Elly-Esel: Mensch, Ronny, Du hörst ja alles. Ronny-Ochs: (im Ton des »okay«) Ja-a. Elly-Esel: Und? Was soll das? 72 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Ronny-Ochs: Elly-Esel:

Vielleicht kriegen dann alle ihr Fressen. Ronny, du denkst auch immer nur an das eine. Ronny-Ochs: Klar. Wenn das Kristkind Fressen für alle bringt, find ich das okay. Elly-Esel: (macht Ronny nach) Okay. Ronny-Ochs: Sag doch nicht immer okay! Ich hab’s doch grad das erste Mal probiert. Elly-Esel: Ronny-Ochs: Bringt das Kristkind noch was? Elly: (an Gemeinde) Hallooo! Gemeinde: Hallooo! Elly: (an Gemeinde)  Bringt das Kristkind noch was? [Verschiedenes, u. a. Frieden] Gemeinde: Elly: (an Ronny) Hörst du? Ronny-Ochs: Ja. (denkt nach) Frieden hab ich schon. Elly-Esel: Ach, Ronny, die meinen das noch anders. Ronny-Ochs: Okay. Und wohin kommt das Kristkind? Elly: (an Gemeinde) Hallooo Gemeinde: Hallooo! Elly: (an Gemeinde) Wohin kommt das Kristkind? [Auf die Erde! / Zu euch in den Stall!] Gemeinde: Elly-Esel: (aufgeregt) Hast du gehört, Ronny?!! Ronny-Ochs: (empört und laut) Erst wollen sie hier die Leute schlafen lassen, dann noch ein K ­ ristkind abwerfen. Das ist unser Stall!

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Weihnachten 

Kein Krippenspiel

Von Siegfried Macht

Und inmitten des himmlischen Heeres stand ein Engel, der sprach zu den Hirten auf dem Feld: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, und das Volk, das in der Finsternis wandelt, sieht ein großes Licht … Da sahen zwei der Hirten auf ihre heruntergebrannte Fackel, nahmen sie mit sich und gingen, den Heiland zu suchen. Und inmitten des himmlischen Heeres sprach der Engel zu den Hirten auf dem Feld: Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Retter geboren, der wird die Hungernden speisen … Das hörten zwei Hirten, die noch ein halbes Brot hatten für die kommende Woche, und sie gingen und suchten den Retter. Und inmitten des himmlischen Heeres sprach der Engel zu den Hirten auf dem Feld: 74 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Herr geboren, welcher der Christus ist, der wird die Frierenden wärmen. Da gingen zwei Hirten, die sich des Nachts eine einzige Decke teilen mussten und suchten den Christus. Und die Engel auf dem Felde riefen ihnen nach: »Fürchtet euch nicht!« Da fanden die Hirten das Kind ohne Decke und seine Eltern hungernd im dunklen Stall.

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Weihnachten 

Predigt mit Rafik Schami

Von Charlotte Scheller

Die Predigt stellt die Geschichte »Wie sehe ich aus, fragte Gott« von Rafik Schami und Sandra Beer, 2011, der Weihnachts­ geschichte Lk 2 gegenüber. Die Geschöpfe und Wunder der Natur geben Anhaltspunkte darüber, wer und wie Gott für uns ist. In der Geburt des Kindes hat der Schöpfer sich als Mensch zu erkennen gegeben und sich – eine deutliche Akzentverschiebung gegenüber Schamis Bilderbuch  – trotz unserer Grenzen und Mängel klar zu seinen Menschen bekannt. »Eines Tages«, so beginnt eine Erzählung des Dichters Rafik Schami, »wollte Gott wissen, wie die Wesen seiner Schöpfung ihn sahen. Er, der alles erschaffen hatte, die Sonne und die anderen Sterne, die Erde und die anderen Planeten, wusste nicht genau, was seine Geschöpfe über ihn dachten. Und so kam Gott auf die Erde, unsichtbar wie ein Gedanke und neugierig wie ein Kind.« Zart sind die Illustrationen in dem Buch. Wenige silberblaue Striche. Nur Andeutungen der Formen all der Geschöpfe, denen Gott begegnet. Die Bilder lassen Raum für die Phantasie des Betrachters. »Wie sieht Gott aus?«, fragt Gott eine Wolke. »Er ist unsichtbar und doch immer da (…). Er bewegt mich, wohin er will. Manchmal bringt er mich dorthin, wo ich am liebsten sein möchte, als hätte er meine Gedanken 76 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

gelesen, und wenn er wütend ist, wirbelt er mich durch den Himmel, dass ich nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist.« Gott weiß auch in diesem Moment, wohin die Wolke will, zu den durstigen Feldern nämlich. Er pustet sie dorthin und sieht »bald darauf erleichtert ihre Freudentränen«. »Wie sieht Gott aus?« Einen Schmetterling befragt der Schöpfer. Einen Fisch und eine Blume, eine Schildkröte, sogar ein Atom. Eine Maus und den Regenbogen. In jedem Geschöpf, in jedem Stück Natur spiegelt sich etwas von Gottes Wesen. Unergründlich sei Gott, so erfährt er, wie die Tiefen der Ozeane. Tröstend wie die wärmende Sonne am Ende des Winters. Ein genialer Bildhauer. Ein vollkommener Dirigent. Ein guter Zuhörer, der gerne lacht. Unsichtbar und notwendig wie Luft und Liebe und Herzschlag. Der größte Lehrer. Ein Zauberer. »Gott bewunderte die zarten Worte«, erzählt Schami. Mit Achtung begegnet der Allmächtige den Erdenwesen und mit Liebe. Er bläst sie an. Streichelt sie. Atmet ihren Duft. Lächelt. Redet mit ihnen in ihrer je eigenen Sprache. Wie sieht Gott aus? Nur Andeutungen sind alle Worte und Bilder, die uns von Gott erzählen. Von seinem mäch­ tigen Wort, das alles ins Leben gerufen hat. Von seiner Weisheit und Gerechtigkeit. Von seiner Kraft und seiner Herr­ lichkeit. In Schamis Erzählung verlässt Gott die Erde wieder. Aber vorher will er noch die Krone der Schöpfung befragen. In einer kleinen Stadt sieht er zwei Kinder. »Wie sieht Gott aus?«, fragt er, und das Mädchen wundert sich, was für Gedanken ihm da in den Kopf kommen. Gott, sagt sie, sei »bestimmt ein allmächtiges Kind, das mit den Sternen und Planeten spielt, weil sie seine Murmeln sind. Manchmal streichelt er sie sanft, so dass sie rund und glänzend werden wie meine Murmeln 77 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

hier, wie unsere Erde. Manchmal aber spielt er auch grob mit ihnen und nicht selten vergisst er sie sogar, lässt sie liegen und rennt hinter einem Schmetterling her … Ja, ich bin sicher, er kann nur ein Kind sein.« Gott  – ein allmächtiges Kind. Sterne und Planeten sind seine Spielbälle. Manchmal gestreichelt, dann wieder grob angefasst und nicht selten vergessen. Und wir Menschen? Wenn es einen Gott gibt, sagt der Mann, der seine Frau verloren hat, allzu früh, dann verstehe ich ihn nicht. Er ist ungerecht. Handelt willkürlich. Gibt uns nicht das, was wir verdienen. Nimmt uns das Liebste und lässt uns allein. Wenn es einen Gott gibt, sagt die Studentin und Greenpeace-Aktivistin, dann muss er grausam sein. Er lässt zu, dass wir die Erde zerstören. Dass Tiere und Menschen unschuldig leiden. Dass die einen gut leben und die anderen, die im Elend, übersehen werden und vergessen. In Schamis Buch besucht Gott schließlich einen Mann. Denn, so überlegt er, »wenn der Mensch als Kind so viel Weisheit im Herzen trägt, welch ein göttliches Wesen wird dann später aus ihm?« Er begegnet einem Meister der Malerei in seinem Atelier. »Wie sieht Gott aus?« Der Maler arbeitet an einem Selbstportrait. Hin und her wandert sein Blick zwischen Spiegel und Leinwand. »Das ist Gott«, sagt er, ganz verliebt in sein leuchtendes Selbstbildnis. Kopfschüttelnd verlässt Gott die Erde und fragt sich, »ob er beim Menschen nicht irgendetwas falsch gemacht« habe. Das Bild aber, die feine Zeichnung, die Andeutung  – an dieser Stelle fehlt sie. Wie sieht Gott aus? In der Bibel wird eine andere Geschichte erzählt.

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(Hier kann Lk 2,8–14 gelesen werden, wenn nicht an früherer Stelle im Gottesdienst geschehen.) In einem Kind, lesen wir bei Lukas, kommt Gott zur Welt. Nicht in einem, das Murmeln spielt mit den Planeten. Sondern in einem Neugeborenen. Hilflos, schutzbedürftig, in Windeln gewickelt wie jedes Menschenkind, in schwierige Verhältnisse hineingeboren und schon bald mit seinen Eltern auf der Flucht vor einem machtgierigen Herrscher. Von diesem Kind singen die Engel, dass es den Frieden bringe. Dass es der Retter sei. Dass es allen Menschen große Freude bringe. Hirten und Könige machen sich auf den Weg, um das Kind zu sehen. Denen, die draußen leben, unter freiem Himmel und am Rande der Gesellschaft, will Gott nahe sein. Und denen, die Macht haben und für viele Verantwortung tragen. In vielen Farben ist das Krippenbild gemalt worden. Weil sich Menschen an allen Orten und zu jeder Zeit in ihm wiedergefunden haben. Weil Gott sich wiederfindet in jedem Menschenkind, unabhängig von seiner Farbe, seiner Herkunft, seinen Lebensumständen. Und wie geht die Geschichte weiter? Das Kind in der Krippe, Jesus, wächst heran. Er entzieht sich nicht. Er bleibt auf der Erde. Bringt den Menschen Gottes Wort. Ist selber Gottes Wort, wenn er Kranken die Hände auflegt. Sünder freispricht von ihrer Last. Trauernden zuhört. Mit Außen­seitern feiert. Wenn er jede Gewalt ablehnt und schließlich, von Gott und den Menschen verlassen, stirbt. Wenn er am Ostermorgen seinen Freunden als Auferstandener begegnet. Gott geht nicht zurück in die ferne Unendlichkeit. Er bleibt bei seinen Menschen. Der unbegreifliche Gott hat sich festgelegt. Er zeigt sich uns in Jesus Christus. In dem Kind in der 79 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Krippe. Und in dem Mann am Kreuz. Er verlässt uns nicht. Ob uns das Leben nun richtig herumwirbelt, dass wir nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Oder ob uns Gottes Atem da hinbläst, wo wir hinwollen. Immer ist er bei uns. Das können wir ruhig weitersagen.

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Weihnachten 

Aufhänger von 1 bis 10 Von Heinz Behrends

1 Es soll alles so sein wie immer »Wir müssen unbedingt mit unserem Jungen reden«, sagt er zu ihr. Sie sind auf dem falschen Gleis. »Er hat alle Chancen gehabt nach dem Abitur, dann Jahre gebraucht, seinen Berufswunsch zu finden. Jetzt ist er 31 und in einem Job, in dem nicht mehr als 181 100 € verdient.«  – »Musst du immer über ihn meckern? Er merkt genau, dass du seine Arbeit nicht magst.«- »Ja, wenn er glücklich darin wäre, ist er aber nicht.«  – »Er wird schon noch weiterkommen. Du bist immer ein Pessimist!« – »Pessimist? Realist bin ich. Ein Mensch muss heute darauf eingerichtet sein, dass er eine Familie notfalls auch alleinerziehend ernähren kann.« – »Ich will nichts davon hören!« –»Unser Junge muss sich zehn Stunden am Tag abmühen, er bekommt dafür keinen gerechten Lohn. Er kann mehr. Und glaubst du, dass die Zeiten einfacher werden? Die Einkommen werden nicht steigen, aber die Kosten für private Alterssicherung und im Krankheitsfall werden steigen. Was glaubst du, wie das in zwanzig Jahren aussehen wird! Wir müssen mit ihm reden.« – »Ja, meinetwegen, aber nicht Weihnachten.« »Weihnachten ist das Fest der Liebe und des Friedens«, brummelt er in sich hinein. »Wann denn sonst als Weihnachten über die Zukunft reden?« 81 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2 Der Ursprung des Seins ist Bewegung Unterwegs sein ist schön. Er ist gern unterwegs. Seit zwei Tagen schlendert er durch Paris. Er lässt sich Zeit, stürzt nicht gleich auf jedes Ziel. Er schnuppert in den Antiquariaten und stöbert in den alten Büchern. Da hält ihn ein Satz gefangen. »Der Ursprung des Daseins ist die Bewegung.« Er schaut auf den Umschlag. Er hat ein Buch über alte arabische Weisheit in der Hand. Der Ursprung des Daseins ist die Bewegung. Er fängt zu denken an. Reisen heißt im Arabischen safar, ach ja Safari … Er liest sich fest. Sihaya heißt mehr als reisen, es ist eine Pilgerreise. Eine gute Reise ist immer eine Pilgerreise. Seine Französisch-Kenntnis lassen ihn sich an einen alten Spruch erinnern: »Durchreise die Welt, um zu meditieren und dich Gott zu nähern.« Der da so sinnierend durch die große Stadt und ihre Buchläden zieht, ist der bedeutende holländische Schriftsteller Kees Nootebohm. Er ist ein Mann, der – in seinen Büchern immer unterwegs – in die tiefen Einsichten des Lebens schaut und dafür eine ungewöhnlich schöne Sprache findet. Der Ursprung des Daseins ist die Bewegung.  – Durchreise die Welt, um zu meditieren und dich Gott zu nähern. Nicht das Reisen in seinen unruhigen jungen Jahren ist gemeint, möglichst viel auf einmal sehen und erleben, sich Ziele setzen und erreichen. Mit vierzig plötzlich merken, dass alles entschieden ist, und in sich zusammen sinken oder ausflippen. Am Ende dann alles wie ein Mosaik mit seinen Bruchstücken zusammensetzen. Nein, sondern: sich Zeit nehmen, nichts Besonderes wollen, schlendern, schauen, ruhen. Diese Art von Bewegung, so wie sie diese Nacht uns bietet. Einmal einfach nur sitzen. Ein 82 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

elementares Bedürfnis. Mancher kehrt in diesen Tagen nach einer kleinen Lebensreise in die Fremde wieder nach Hause, um dann wieder aufzubrechen – aufzubrechen zu Maria, der Nachdenklichen, nach Bethlehem?

3 Geheimnis der Wiederkehr »Wir haben hier keine bleibende Stadt.« Das ist eines der Bilder in der Bibel für diesen Gedanken. Wir können nie bleiben, wo wir sind. Wir brauchen Heimat, ein Zuhause, und möchten uns doch bewegen und weiterziehen. In einem Film, der vor Jahren lief, kommt das eindrucksvoll zur Geltung. »Nomaden der Lüfte« heißt er. Da hat ein Filmteam mit speziellen Kameras den Weg der Zugvögel mit verfolgt. Man fliegt als Zuschauer quasi mit ihnen von der Sahara über Wüste, Meere, Kontinent bis zur Arktis. Man sieht ihre Anstrengung und ihre große Freiheit. Ihr Ziel ist, dort oben im Norden ihre Eier zu legen, auszubrüten und zurückzukehren. Ziel ist Leben zu schaffen. In dem Film wird nur ein Satz gesagt: »Das Geheimnis der Wiederkehr.« Wo ist einmal unser Ziel, wohin kehren wir hin oder zurück? Im Psalm 23 ist das Ziel mit dem vertrauten Bild des Vaterhauses beschrieben. »Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.« Wir bewegen uns äußerlich wie die Zugvögel in dem Film oder an dem Ort, an dem wir leben, wenn wir uns von Geburt an immer auf Neues einstellen müssen. Und kehren wieder. Wir suchen ein Zuhause. »Driving home for Christmas«, heißt ein romantisches Weihnachtslied im Country-Stil. Ich frage mich: Warum ist das so ein Evergreen?

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4 Bedürfnis spüren und Leid tragen Martin Buber erzählt in einer Weisheit aus den Chassidim von einem Bauern, der mit anderen Bauern in der Schenke saß. Er schwieg lange, sie hatten schon einiges getrunken, als er seinen Nachbarn fragt: »Sag du, liebst du mich oder liebst du mich nicht?« Jener antwortete: »Ich liebe dich sehr.« »Du sagst, ich liebe dich, und weißt doch nicht, was mir fehlt. Liebtest du mich in Wahrheit, du würdest es wissen.« Und dann schwieg er wieder. Ich aber verstand, schreibt Buber: Das ist die Liebe zu den Menschen, ihr Bedürfen zu spüren und ihr Leid zu tragen. Seht, welch eine Liebe hat uns Gott erwiesen!

5 Dauerversorgt im Disneyland »Wir leben wie Kinder dauerversorgt in einem planetarischen Disneyland«, schreibt der Kulturkritiker Pascal Bruckner in seinem Buch »Krankheit der Moderne«. Der schrumpfende Mensch, schreibt er, das infantile Lebewesen, das die Privilegien des Kindes mit ins Erwachsenenalter hinüberretten will. »Be yourself« ist das Motto. Sei für immer das, was du bist. Unterdrücke keinerlei Triebe, denn dein Verlangen ist durch nicht zu übertreffen. Alle haben Pflichten, nur du nicht.« Ich frage mich: Ist Gott deshalb Kind geworden?

6 Wer niemals in seinem Herzen Trauer gespürt, ist kein Mensch Selma Lagerlöff erzählt von dieser Erfahrung in ihrer Geschichte von Jan in Skrolykke, dem schon etwas älteren Jung84 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

gesellen, der nun endlich geheiratet hat – man muss doch jemanden haben, der einem das Essen macht und für saubere Wäsche sorgt – und dann sieht es auch danach aus, dass dabei ein Kind herauskommen wird. Ja, das war nun nicht ganz der Sinn der Sache, meint Jan. Das Kind ist das Projekt seiner Frau. Ein Mund mehr, der satt werden wollte. Und viel Geschrei und Lärm. Jan weiß, dass Kinder hungrig sind und Lärm machen. Und jetzt sitzt er draußen im Holzschuppen, während im Hause die Geburt stattfindet. Mürrisch und verdrießlich sitzt er da draußen, von der Hebamme und den anderen Frauen fortgeschickt, in der Dunkelheit des Schuppens und wartet. Schließlich kommen sie aus dem Haus und holen ihn. »Es ist ein Mädchen.« Na. Ein hässliches, gerötetes, runzeliges Gesicht kann er sehen. Da legt die Hebamme das kleine Bündel in seine Arme. Und Jan trifft der Schlag. Das Herz in seiner Brust beginnt zu hämmern, wie es nie zuvor gehämmert hat. Erschrocken bittet er die Hebamme nachzufühlen. Glaubt sie, dass er krank ist? Die Hebamme schlägt besorgt vor, dass sie das Kind wieder nimmt, aber es kann keine Rede davon sein, dass Jan das Mädchen wieder weggibt. Und da begreift die Hebamme, wie es um Jan steht. »Hast du niemals jemanden so lieb gehabt, dass du um ihret­willen Herzklopfen gehabt hast?«, fragt sie. »Nee«, antwortet Jan. Und auf einmal begreift auch er sowohl, was eben jetzt geschieht, als auch, was bisher mit ihm los war. »Denn wer niemals in seinem Herzen etwas von Trauer oder Freude gemerkt hat, der kann wohl nicht als ein richtiger Mensch gelten.«

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7 Großes Leid und Stille Nacht Joseph Mohr wurde am 11.  Dezember 1792 um 12 Uhr in Salzburg geboren, um 16 Uhr im Dom getauft. Der Scharfrichter war sein Pate, ließ sich aber vertreten. Nicht ganz klar, in welcher Beziehung er zur Mutter stand. Josephs Vater war jedenfalls bei der Geburt schon über alle Berge, fahnenflüchtig als Soldat, ward nie wieder gesehen. Seine Mutter gebar später weitere drei Kinder, alle von verschiedenen Vätern. Sie hat sich mit ihren Kindern in Salzburg durchgeschlagen. Wir wissen nicht, womit. Die Truppen Napoleons hatten die ganze Stadt auf den Kopf gestellt. In einer Urkunde wird sie der Hure­rei beschuldigt. Es ist die Sehnsucht, die später den 24-jährigen Joseph als jungen Hilfspfarrer nach dem »trauten hochheiligen Paar« schauen lässt. Je schlechter es mir geht, desto tiefer die Sehnsucht. Und die Urbilder bekommen ihre Bedeutung: Familie. Freude am Kind. Mohr hat sich aus dem Schlamassel der Familie lösen können, weil kirchliche Schulen sich seiner annahmen, sein musikalisches Talent förderten. Es war der Domchorvikar Hiernle in Salzburg, der ihn ermutigte und als väterlicher Freund ins Leben brachte, sodass er als Hilfspfarrer in Mariapfarr an der Salzach landete und dort 1816 sein Lied schrieb, zwei Jähre später in Oberndorf Hilfs­ pfarrer wurde, wo Franz Gruber sein Organist war. Und es zur schlichten Begegnung zweier bescheidener Männer mit späterer Welt-Bedeutung kam. Trautes hochheiliges Paar. Wir wissen zu gut, dass es keine heile Familie gibt. Aber die heilige Familie. Weil sie sich zu Gott gehörig fühlt. Und von Gott durch alle Gefährdungen des Lebens geführt wird. Er ist den einfachen Menschen so nahe, wie die Weihnachts-geschichte es vermittelt. Joseph 86 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Mohr liebte die Nähe zu den einfachen Menschen. In der Kneipe trifft man sie. Dort schaut man ihnen aufs Maul. So hat er es gemacht. Sein Bischof hat ihn deshalb immer wieder versetzt. Achtmal in elf Jahren, bis er in Hinterseer und Wag­ rain Ruhe fand. Als einfacher Mann ist er auch gestorben. Mehr als sein Gewand hat er nicht hinterlassen. Sein Grab in Wagrain war lange unbekannt. Gruber dagegen ist ein reiches Leben geschenkt. Mit seinen drei Frauen, die er alle zu Grabe tragen musste, hat er zwölf Kinder. Fast dreißig Jahre ist er zuletzt Lehrer und Organist in Hallein bei Salzburg. Er hat den Text von »Stille Nacht« groß gemacht. Die Stille und die Freude. Die Rettung zu Musik gemacht.

8 Gott im d-moll Klavierkonzert Die Welt, die das Heil in Bethlehem nicht erkennt, sucht immer noch eigene Wege, die Sehnsucht nach Ganzheit zu erfüllen. MMDer Erlebnis-Zwang. Event. Wenn ich diese Tage Menschen frage, was sie sich wünschen, dann antworten sie: Ruhe. Einfach nur mal sitzen. Gott sei Dank eine Gegenkraft gegen den Erlebnis-Zwang! MMDer Harmonie-Zwang. Alles muss gut sein. Das Wort Sünde kennt man da nicht. Abgründe im Menschen darf es nicht geben. Positiv denken, heißt es. Die Harmoniker kommen oft im Gewand des Dialogs daher. Bloß keine Position beziehen. Dialog als Ausdruck von Feigheit. Du darfst leben wie du willst, damit ich mich nicht von dir anfragen lassen muss. Die Suche nach Ganzheit, nach Heil ist eine Suche nach Gott. Die Theologin Dorothee Sölle wird immer wieder von Journa87 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

listen gefragt, welches Gottesbild sie eigentlich hat. »Mal dieses, mal jenes«, antwortet sie. »Vater oder Mutter oder Morgenglanz der Ewigkeit oder d-moll-Klavierkonzert. Es kommt darauf an, wo ich Gott treffe.«

9 Maria

MMMaria, eine Kämpferin. Sie kündigt den Gewaltherren ihr Ende an, den Hochmütigen ihren Fall.

MMUnd sie ist eine Nachdenkliche. »Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.« Kampf und Kontemplation. Das macht selbstbewusst. Später hat man in einer Kirche mit unverheirateten Priestern die Jungfrauschaft Marias mehr hervorgehoben, in einer männerdominierten Kirche die Mutter Maria. Ich mag die Selbstbewusste, Kämpferin und Beterin zugleich. Im Bild gesprochen die wahre Königin. Vorbild im Glauben. Deshalb kann sie auch trösten. »When I find myself in times of trouble«, singen die Beatles in ihrem Marien-Lied. Trösten heißt im Hebräischen natam, »ich bin da.« Trost im Indogermanischen kommt von treu. Gewinne innere Festigkeit. Das Englische leitet davon das Wort »trust« ab. Vertrauen. Wenn du jemanden tröstest, dann gewinnt er Festigkeit und neues Vertrauen. Für mich ist Maria der Inbegriff für Trost und Treue.

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10 Gottes Mutter und Pop-Ikone Haben Sie letzte Zeit etwas von Madonna gehört? Ich meine nicht die Gottes Mutter. Ich meine Madonna, die Pop-Ikone. Die erfolgreichste Pop-Sängerin aller Zeiten. Madonna L ­ ouise Ciccone heißt sie als Kind einer amerikanischen Familie mit italienischen Wurzeln. Seit sie Erfolg hat, nur noch Madonna. Sie spielt in allem auf die Maria der Bibel an. »Like  a virgin« heißt ihr erster Song. Ihre erste Tochter nennt sie Maria Lourdes, den Sohn Rocco, Fels, Petrus. Dann fängt sie an, Kinder aus Malawi zu adoptieren. David heißt der erste, Mercy, Gnade das zweite. Ihr dritter Mann Richie hat die Nase voll von der Adoptiererei und zieht einige Häuser weiter. Sie zeigt mit über fünfzig Jahren ihre ganze Fitness bei ihren Konzerten auf der Bühne und verliebt sich in einen 28 Jahre jüngeren Brasilianer. Wie heißt er? Jesus Luz. Sie spielt mit der Anspielung auf Maria, der Jungfrau und der Mutter. Kurzer Lederrock, Beine zeigen. Einblick ins Dekolleté. Bühnenbild mit Kreuz. Celebration heißt eine spätere CD. Sie zelebriert eine Mischung aus Sex und Religion mit guter Musik. Sie vermischt das Heilige mit dem Kommerz. Mitten in einer von Vernunft und Weltlichkeit geprägten modernen Welt wächst die Sehnsucht nach Geheimnis und Geborgenheit. Die Gefühle wissen sich aufgehoben bei Maria, der Gottesmutter. Schon bei den Beatles deutete sich das an. Sie zeigen sich als seriöse Verehrer der Maria. »When I find myself in times of trouble, mother Mary comes to me … » – Wenn ich Sorgen habe, kommt Mutter Maria zu mir und spricht Worte der Weisheit: Let it be. Lass es gut sein.«

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Weihnachten 

Sternschnuppen Von Judith Augustin

Eigentlich wollte ich nicht lange bleiben. Und jetzt ist es schon kurz nach Mitternacht. Ich schließe meine Wohnungstür auf. »Schön, einfach nur schön«, höre ich mich murmeln. »Nett. Spannend.« Ich sehe mich Schlüssel und Schuhe von mir werfen. Klick, zu ist die Tür. Beine hoch aufs Sofa. Dabei wollte ich nur wie jedes Jahr kurz eine Tüte Kekse vom Adventsfest vorbeibringen. So aus Anstand und Sitte. Dann haben wir uns festgeschnackt. Und … ja: Glücklich bin ich jetzt: »Wie geht es dir, was macht das Leben? Erzähle mir von da draußen. 90 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Wie ist es in diesen Tagen? Heute Kaffee mit ein wenig Zimt, ja?« … Und am Ende dieses »Gott behüte dich – Er segne dich in dieser Heiligen Nacht. Uns ist heute der Heiland geboren!« Und ich denke bei mir: Sie hat mir die Sterne vom Himmel geholt: Erst mit dem Zimt im Kaffee und dann mit ihren guten Worten – wie Sternschnuppen direkt ins Herz. Vom Himmel hoch, da komm ich her …

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Gedichte 

Engel, das heißt Bote Von Siegfried Macht

engel das heißt bote wer wird gehn für gott? menschen unter menschen leiden not und spott engel das heißt bote ist dem menschen bang geht für ihn ein andrer gottes arm ist lang engel das heißt bote wer wird gehn für gott mensch sein unter menschen leiden not und spott engel das heißt bote macht sich keiner auf kommt der himmel selber nimmt den tod in kauf

92 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Gedichte 

Sage Von Siegfried Macht

Der Ort und der Tag sind Kulissen, aus Raum und Zeit fällt ein Kind. Sage, sage und schreibe: Aus Raum und Zeit fällt ein Kind. Das Loch in der Wand eines Felsens, es wird zu Krippe und Stall. Sage, sage und schreibe: Es wird zu Krippe und Stall. Aus rauhestem Volk wilde Männer, als Hirten sehen wir sie. Sage, sage und schreibe: Als Hirten sehen wir sie. Der Himmel selbst nimmt Gestalt an, die Nacht erhellt sich und spricht. Sage, sage und schreibe: Die Nacht erhellt sich und spricht. Dies Kind ist nicht einem geboren, dies Kind ist der Menschen Sohn. Sage, sage und schreibe: Dies Kind ist der Menschen-Sohn.

93 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Und über ihm steht ein Zeichen, ein Stern besonderer Art. Sage, sage und schreibe: Ein Stern besonderer Art. Denn bald wird er viele verändern; die sagen und schreiben das Stück von ihrer großen Veränderung zur Geburt des ganz Andren zurück.

94 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Gedichte 

Kinderfreund (ein Haiku)

Von Siegfried Macht

Betreten der GrünFläche verboten. Eltern haften für ihre Kinder…

Weiß fällt zur Nacht der Himmel auf Grün und Schild und – haftet.

95 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Märchen 

Warum die Engel Halleluja singen Von Siegfried Macht

Lange bevor die Sonne und der Mond, die Erde und die Sterne geschaffen wurden, waren bei Gott die Engel. Und weil viele der Engel gar nicht so recht wussten, was sie die ganze lange Ewigkeit tun sollten, versammelten sie sich eines Tages um den Herrn des Himmels und baten ihn, dass er sich doch etwas von ihnen wünschen solle. Der aber, als hätte er nur darauf gewartet, sprach: »Rückt alle ein wenig mehr zusammen, aber so, dass jeder jedem am nächsten steht.« Also rückten sie alle einander näher, aber – oh weh: Kaum rückte der eine seinem rechten Nachbarn näher, war er vom linken nur umso weiter entfernt. Und rückte er auf diesen zu, so musste er jenen allein lassen. Nachdem sie so eine Weile ratlos hin und hergegangen waren und in einem großen weiten Kreis um den Herrgott standen, da endlich sprach Gabriel: »Nicht nach rechts oder links lasst uns gehen, sondern noch weiter auf den Herrn zu, soweit es irgend geht, so kommen wir auch einander näher, dass es näher nicht geht.« Und – gesagt, getan – fanden sich alle zum engsten Kreis und singen seitdem ihr »Gelobt sei Gott«. Nicht etwa, weil Gott des Lobes bedürfte wie ein König, der eitel ihn zu rühmen auf die Tagesordnung setzt  – nein, sondern weil sie nirgendwie anders alle einander so nahe kamen wie im Zugehen auf Gott. 96 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Märchen 

Das wertvollste Geschenk Von Siegfried Macht

Einst hörte der König, dass vor den Toren seiner Stadt ein weiser Mann leben solle, der große Dinge täte. Dem schickte er einen kostbaren Edelstein und ließ ihm sagen: »Es heißt, Gott hätte dich reich bedacht; so wird es dir ein Leichtes sein, meinen Knecht reicher beschenkt zu mir, deinem König, zurückzusenden, als ich ihn zu dir sandte.« Der Knecht kam zurück, mit leeren Händen – aber sprach ein Gebet, das der Weise ihn gelehrt hatte. Zornig schickte der König abermals Knechte hinaus und ließ den Weisen vor sich rufen: »Habe ich dir nicht meinen größten Schatz gesandt – und du speist mich ab mit leerem Geschwätz?« Der aber sprach: »Entscheide selbst, was wertvoller ist: Du hast mir etwas geschickt, das ich behüten muss – ich aber sandte dir etwas, das dich behüten wird.«

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Erzählungen 

Eine andere Weihnachtsgeschichte Von Eckard Siggelkow

Die Geschichte spielt in den 1980er Jahren im englischen Kohlerevier. Es herrscht Streik. Die Bergleute und Grubenarbeiter stehen in einem erbitterten Kampf gegen die beabsichtigte Schließung von Minen. Sie bekommen die geballte Macht des englischen Staates zu spüren. Es herrscht Krieg auf den Straßen. Die Schlachten zwischen den Bergleuten, den Polizisten und Soldaten werden mit äußerster Härte geführt: Wasserwerfer und Gummiknüppel auf der einen, Latten und Steine auf der anderen Seite. Es geht ums Überleben. Der jüngste Sohn einer Bergmannsfamilie wird zum Box­ unterricht geschickt. Seine Mutter ist gestorben und er soll rechtzeitig lernen, sich durchzusetzen und seine Fäusten einzusetzen. Auszuteilen statt einzustecken. So wie die Männer, die vor den Werkstoren Wache stehen und dafür sorgen, dass niemand hineingelangt. Aber der Junge kann nicht. So sehr er sich auch bemüht, er steckt ein statt auszuteilen. Er spürt zutiefst, dass Boxen kein Sport für ihn ist. Er fühlt sich zum Ballettunterricht hingezogen, der auf der anderen Seite der Turnhalle hinter einen Trennwand erteilt wird. Er zieht die Boxhandschuhe aus und nimmt am Ballettunterricht teil. Niemand, der es merkt. Er will tanzen lernen, wenn es sein muss, barfuß – auch ohne Ballettschuhe. Sein Vater und sein Bruder kriegen das nicht mit. Sie wären außer sich. 98 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Der Junge fällt der Tanzlehrerin auf. Sie erkennt sein Talent und ist davon so beeindruckt, dass sie ihm Einzelunterricht geben will. Sie fasst sich ein Herz, sucht den Vater zu Hause auf. Sie erklärt ihm, was für eine ungewöhnliche Begabung in dem Jungen steckt. Der wirft sie kurzerhand hinaus. Als der Junge nach Hause kommt, kriegt er die Wut und den Zorn des Vaters und des älteren Bruders zu spüren. Der Streik treibt seinem Höhepunkt entgegen, sie kämpfen ums Überleben, obwohl sie kaum noch etwas zum Leben haben – und der Junge hat nichts anderes im Kopf als Tanzen. Kurz vor Weihnachten fängt es an zu schneien. Es ist ungewöhnlich kalt, sie haben nichts, womit sie heizen könnten. An Weihnachten geht der Vater nach draußen und zerhackt auf dem Hof das Klavier, das ihm von seiner Frau geblieben ist: Wenigstens zu Weihnachten soll es warm sein in der Stube. Geschenke gibt es nicht. Als er sieht, wie im Kamin die Tasten des Klaviers brennen, bricht die ganze Verzweiflung über ihre Lage aus ihm heraus. Mit zusammengepressten Lippen vermag er gerade noch ein »Frohes Fest« herauszubringen, dann bricht er zusammen. Bald danach erwischt der Vater den Jungen in der Turnhalle beim Tanzen. Er kann es nicht fassen, geht auf den Jungen zu. Der weiß sich nicht anders zu helfen und beginnt zu tanzen. Seine ganze Leidenschaft und Sehnsucht legt in die Schritte und Sprünge. Da geschieht etwas Unglaubliches: Der Vater bleibt stehen und schaut dem Jungen mit steigender Anteilnahme zu. Er beginnt zu ahnen, was da in seinem Jungen steckt. Aber woher soll er das Geld für den Unterricht nehmen, damit der Junge eine Chance hat, bei der Tanzakademie in London aufgenommen zu werden? – Er wird zum Streikbrecher, und nimmt als einer von wenigen die Arbeit in der Grube auf. 99 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Aus Liebe zu seinem Sohn fällt er seinen Kollegen und seinem älteren Sohn in den Rücken. Er verrät auch seine eigene Überzeugung. Als er vom älteren Sohn auf dem Gelände der Mine gestellt wird, bricht er noch einmal zusammen. Unter Tränen vermag er ihn zu überzeugen, dass der Junge Tänzer werden muss, wenn sie nicht an ihm schuldig werden wollen. Sie geben das Letzte, was sie haben, auch den Schmuck der Mutter. Der Streik geht verloren. Vater und Sohn fahren wieder in die Grube ohne Aussicht, dass ihnen ihre Arbeit bleiben wird. Sie haben keine Perspektive. Der Junge schafft den Sprung an die Akademie. Als er seinen ersten großen Auftritt an der Oper in London hat, sitzen Vater und Bruder und die wenigen Freunde, die geblieben sind, im Publikum. Szenen aus dem Film »Billy Elliot – I will dance«. Ein Film über die Faszination des Tanzes, der Empfindungen und Gefühle freisetzt. Weihnachten kommt darin kaum vor, außer in der einen Szene am Weihnachtstag. Aber wenn zwei Menschen alles drangeben, um einen anderen aus Einsicht und Liebe zum Leben verhelfen, dann hat das eine Menge mit Weinachten zu tun.

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Erzählungen 

Weihnachten mit Paul Auster

Von Eckard Siggelkow

Er ist Schriftsteller. Aber seit dem Tod seiner Frau ist ihm nichts Rechtes mehr gelungen. Ein paar Tage vor Weihnachten erhält er von der New York Times das Angebot, eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben. Er sucht nach einem Thema, aber ihm fällt nichts ein. Verzweifelt erzählt er seinem Freund, dem Besitzer eines kleinen Tabakladens davon. Der erinnert sich an eine merkwürdige Begebenheit. Vor einigen Jahren hatte er vergeblich versucht, einem Ladendieb seine Beute abzujagen. Bei der wilden Verfolgungsjagd rutschte dem Dieb die Brieftasche samt Führerschein mit Adresse und einigen Fotos aus der Tasche. Beim Betrachten wird klar, dass der Dieb im benachbarten Armutsviertel aufwächst – einer der Jugendlichen, die durch solche Diebereien ihr Leben bestreiten. In einem Anflug von Nachsicht legte er die Brieftasche beiseite und vergaß sie mit der Zeit. Zufällig fällt sie ihm an einem Weihnachtstag wieder in die Hände. Da er nichts anderes vorhat, macht er sich auf den Weg, um sie dem Besitzer zurückzubringen. Die Adresse führt ihn in ein heruntergekommenes Viertel. Er verläuft sich beinahe. Schließlich steht er vor dem richtigen Haus. Er klingelt an der Wohnungstür. Nichts rührt sich. Er will schon gehen, da öffnet sich doch noch die Tür. Vor ihm steht eine alte Frau, die ihn überschwänglich begrüßt. Sie hält ihn 101 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

für ihren Neffen, der versprochen hatte, sie Weihnachten zu besuchen. Er will sie auf die Verwechselung aufmerksam machen, da bemerkt er, dass sie blind ist. Er zögert, dann lässt er sich, einer spontanen Eingebung folgend, auf die Verwechselung ein. Überglücklich schließt sie ihn in die Arme und muss erkennen, dass er nicht ihr Neffe ist. Erschrocken hält sie inne – dann schiebt sie aufkommende Ängstlichkeit beiseite und tut so, als habe sie die Verwechselung nicht bemerkt. Sie bittet ihn ins Wohnzimmer, wo sie ein Gespräch beginnen. Er lügt das Blaue vom Himmel herunter, um ihr weiszumachen, wie gut es ihm geht. Erfreut geht sie darauf ein: Sie habe schon immer gewusst, dass er es einmal zu etwas bringen wird. Weil sie nichts Rechtes zu essen im Hause hat, besorgt er zu Mittag ein Hähnchen und einen kleinen Eimer Kartoffelsalat. Sie hat ein paar Flaschen Rotwein im Schrank versteckt. So kriegen sie ein kleines Festmahl zustande. Über dem Wein werden sie lustig und beschwingt, es kommt richtig fröhliche Stimmung auf. Als er auf die Toilette muss, verschlägt es ihm die Sprache. In einem Regal hoch an der Wand sind ganze Stapel funkel­ nagelneuer Fotoapparate aufgereiht. Das Bad dient dem Neffen augenscheinlich als Zwischenlager für sein Diebesgut. Als er wieder ins Wohnzimmer kommt, liegt die alte Frau selig schnarchend auf dem Sofa und schläft ihren Schwips aus. Er wäscht noch das Geschirr ab. Dann macht er sich auf den Heimweg. Die Brieftasche mit dem Führerschein lässt er im Tausch gegen einen Fotoapparat zurück. Eine Geschichte in der Geschichte. Paul Auster, der Schriftsteller, hat sie »Auggie Wrengs Weihnachtsgeschichte« genannt. Gemessen an unseren (deutschen) Vorstellungen ist 102 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

darin wenig vorhanden, was für uns zu Weihnachten gehört (abgesehen vom Kartoffelsalat). Gemessen an dem, was Weihnachten ausmacht, ist allerdings alles vorhanden, wie der Schriftsteller seinem Freund bescheinigt, bevor er daran geht, die Geschichte für die Zeitung zu Weihnachten aufzuschreiben: »Du hast sie glücklich gemacht.«

103 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Erzählungen 

Weihnachten mit Theodor Storm

Von Eckard Siggelkow

Weihnachtslied Vom Himmel in die tiefsten Klüfte Ein milder Stern herniederlacht; Vom Tannenwalde steigen Düfte Und hauchen durch die Winterlüfte, Und kerzenhelle wird die Nacht. Mir ist das Herz so froh erschrocken, Das ist die liebe Weihnachtszeit! Ich höre fernher Kirchenglocken Mich lieblich heimatlich verlocken In märchenstille Herrlichkeit. Ein frommer Zauber hält mich wieder, Anbetend, staunend muß ich stehn; Es sinkt auf meine Augenlider Ein goldner Kindertraum hernieder, Ich fühl’s, ein Wunder ist geschehn. Theodor Storm12

12 In: ders., Gedichte. Gesammelte Werke in sechs Bänden, Band 1, hg. von Gottfried Honnefelder, Frankfurt a. M. 1983.

104 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Es ist ein anderes Weihnachten, als wir es aller Orten finden, wo Lichterketten die Straßen beleuchten, der Duft von Glühweinständen und Bratwurstbuden durch die Weihnachtsmärkte zieht und Jingle Bells und White Christmas aus den Lautsprechern ertönt. Im Gedicht lacht ein »milder Stern« statt LED-Illumination hernieder, vom »Tannenwald steigen Düfte und hauchen durch die Winterlüfte«: Das ist die »liebe Weihnachtszeit«, die Theodor Storms Herz »so froh erschrocken« macht. Dass in diesem Weihnachtslied keine Rede von der Geburt Christi ist, muss uns nicht wundern: Storm war kein gläubiger Christ. Sein aufgeklärter Verstand stand ihm im Wege, was er zeitlebens beklagte. So ist es nicht ganz verwunderlich, dass ihn besonders zu Weihnachten die tiefe Sehnsucht nach einer feierlich-religiösen Welt umtrieb: Zwar hört er nur von »fernher« das Läuten der Kirchenglocken«, doch ist ihr »Verlocken« stark genug, dass ein »frommer Zauber« ihn gefangen hält und ein »goldner Kindertraum« sich wundersam erfüllt. Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Triffst du nur das Zauberwort. So dichtete Joseph v. Eichendorff. Die Romantiker waren überzeugt, dass die Dinge der Welt ein Geheimnis umschließen, dessen Wesen sich jedem offenbart, der »anbetend,« »träumend« und »staunend« verharrt. Clemens Brentano dichtete den ernüchternden Reim darauf: »Kömmt dann Wahrheit mutternackt gelaufen, rennt den Traum sie schmerzlich über Haufen.« – Ein Verständnis von Welt, das sich lieber an Zahlen und Fakten als an Träume und Zauberworte hält. 105 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Wo befinden Sie sich – heute, hier? Lassen Sie sich zur Weihnachtszeit »heimatlich verlocken« – wenn auch nicht gerade in »märchenstille Herrlichkeit«, so doch von jenen alten Geschichten, die der Zauber von menschlicher Wärme, Liebe und Verständnis erfüllt?

106 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Erzählungen 

Vom König, der Gott sehen wollte

Nach Leo N. Tolstoi

In einem fernen Land lebte einmal ein König. Der König wurde alt und sehr traurig. Er wollte gar nichts mehr tun. »Seht«, sagte er, »in meinem Leben habe ich alles erlebt, was man erleben kann. Ich habe viel gesehen, gehört und erfahren. Nur eins habe ich nicht gesehen in meinem ganzen Leben: Gott habe ich nicht gesehen. Ihn möchte ich noch sehen, bevor ich sterbe.« Deshalb befahl der König allen mächtigen Leuten, den Weisen und Priestern: »Zeigt mir Gott! Ihr habt dafür drei Tage Zeit. Wenn ihr es nicht schafft, werdet ihr schwer bestraft!« Alle Bewohner des königlichen Palastes waren sehr traurig. Sie warteten auf ihren Tod. Genau nach drei Tagen rief der König alle vor sich. Aber keiner öffnete den Mund. Der König war sehr zornig. Er wollte das Todesurteil aussprechen. Da kam ein Hirte vom Feld heim. Er hatte den Befehl des Königs gehört und sagte: »Erlaube mir König, deinen Wunsch zu erfüllen!« »Gut«, sagte der König, »aber denk daran, es geht um deinen Kopf!« Der Hirte führte den König auf einen freien Platz und zeigte ihm die Sonne. »Sieh in die Sonne«, sagt er. Der König hob seine Augen und wollte hineinsehen. »Ich werde ja ganz geblendet, willst du mich umbringen?«, fragt der König. »Aber König«, sagte der Hirte, »das ist doch nur ein kleines Ding 107 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

der Schöpfung. Wie ein kleiner Funke eines großen Feuers. Gott ist noch viel größer. Wie willst du mit deinen schwachen Augen Gott sehen? Suche ihn mit anderen Augen!« Das gefiel dem König. Er fragte den Hirten: »Was war vor Gott?« Der Hirt dachte nach und sagte dann: »Fang an zu zählen!« Der König begann: »Eins, zwei, drei …« »Nein, nein«, unterbrach ihn der Hirte, »nicht so. Fange mit dem an, was vor eins kommt!« »Wie kann ich das denn? Vor ›eins‹ gibt es doch nichts.« – »Sehr klug gesprochen«, sagt der Hirte. Auch vor Gott gibt es nichts.« Diese Antwort gefiel dem König noch besser. »Ich werde dich reich beschenken, wenn du mir noch eine dritte Frage beantworten kannst: Was macht Gott?« Der Hirte merkte, dass das Herz des Königs weich geworden war. »Gut«, sagte er, »auch darauf will ich dir antworten.« Nur um eins bitte ich dich: »Lass uns für eine kurze Zeit die Kleider tauschen.« Der König legte die Zeichen seiner Königswürde ab und kleidete damit den Hirten. Er selber zog dessen kaputte und schmutzige Kleider an und hängte sich die Hirtentasche um. Der Hirt setzte sich auf den Thron, nahm das Zepter und zeigte damit auf die Stufen des Throns. Dort stand der König mit seiner Hirtentasche. »Siehst du, das macht Gott! … In Jesus Christus wurde der große Gott selber ein Mensch. Er stieg von seinem Thron herab und kam als kleines Kind in einem Stall zur Welt. Ja, er nahm für uns sogar den Tod auf sich, den Verbrechertod am Kreuz.« Der Hirte zog wieder seine eigene Kleidung an. Der König stand lange da und dachte nach. Die letzten Worte des Hirten gingen durch seinen Kopf. Plötzlich aber wurde er froh und sagte: »Jetzt sehe ich Gott.«

108 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Meditationen 

Weihnachtsstufen

Von Hans Freudenberg

Das Stichwort »Stufen« löst viele Bilder aus. »Stufen« lässt denken an Treppenstufen, Stufen aus Stein, Holz, Eisen, Beton, Stufenpyramiden im alten Ägypten und Stufentempel der Inkas, die Stufen des Altars; an Stufenbarren und Stufenheck, Rangstufen und Stufen geistiger Entwicklung; an Stufen zum Erfolg und an die Stufen des Lebens. Das Bild der Stufen transportiert Erfahrungen und Empfindungen: Leben ist Aufbruch, Leben ist Bewegung; Leben verläuft nicht gradlinig, auch nicht auf einer Ebene, sondern vollzieht sich in Stufen. Stufen geben eine Bewegung vor, die im Wesentlichen von unten nach oben, auf ein Ziel hin, verläuft. Vordergründig betrachtet kann sich der Eindruck ergeben, dass Stufen (fast) immer nach oben führen; dass der der am Ende belohnt wird, der sich ordentlich anstrengt (auch mal – wo’s sein muss, die Ellenbogen einsetzt) – durch den unglaublichen Blick vom Gipfel ins Tal, den Mehrwert auf dem Konto, einen beachtlichen Karrieresprung – Leistung muss sich wieder lohnen! Aber was ist mit denen, die auf der Strecke bleiben? Für die die Luft dünn wird? Die beim Wettlauf nach oben und in ihrer Selbstausbeutung krank werden und zerbrechen? Gibt es da eine Verbindung zu Weihnachten und zur Botschaft der Bibel? Gewiss, viele biblische Biografien und ih109 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

rer Wirkungsgeschichte erzählen von eindrucksvollen, mutigen Aufbrüchen zu neuen, meist unbekannten Zielen, z. B. von Abraham, der den lebenswichtigen Schutz- und Rechtsrahmen aufgibt und ins Ungewisse aufbricht; Jesus, der auf den Straßen Galiläas die Nähe von Menschen sucht, die auf der Stufenleiter ganz unten stehen, mühselig und beladen die meisten; oder Franz von Assisi, der aus alten Strukturen ausbricht, um ein freies Leben zu gewinnen, frei für sich und frei für andere. Sie alle brechen auf und aus – ohne Blaupause für eine erfolgreiche Lebensreise, aber unter Gottes Geist und Geleit. Was die biblischen und nachbiblischen Biografien unter der Überschrift »der mitgehende Gott« erzählen, stellt die Weihnachtsgeschichte unter das Thema »der Mensch werdende Gott«: »Das Wort ward Fleisch«, Gott wurde Mensch; er wohnte unter uns, er wurde uns ein Nachbar. Viele unserer Advents- und Weihnachtslieder stimmen staunend das Lob über den Gott an, der Mensch wird, der die Stufen herabsteigt, der die Himmelshallen gegen Stall und Futterkiste eintauscht. Seit der Nacht von Bethlehem sollen nie mehr Stufen, auch keine »Leistungsstufen der Frömmigkeit« den Weg zum Himmel verstellen. Ich nenne fünf Liedbeispiele, die das Kommen Gottes besingen. Keines verwendet das Wort »Stufe«, aber alle betonen das Kommen bzw. Herabkommen Gottes: MM»Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit« (EG 1); MM»O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf…« (EG 7, 1); MM»Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt? O komm, ach komm vom höchsten Saal, komm, tröst uns hier im Jammertal« (EG 7, 4). 110 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

MM»Seht, die gute Zeit ist nah, Gott kommt auf die Erde, kommt und ist für alle da, kommt, dass Friede werde« (EG 18, 1); MM»Heute geht aus seiner Kammer Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer« (EG 36, 2). Weihnachten kehrt die Stufenbewegung um: Die Stufen verlaufen von nun an in umgekehrter Richtung: von oben nach unten – uns entgegen. Ort der Begegnung ist ein Viehstall, ein Ort ohne hinderliche Stufen und Schwellen  – Jeder ist hier willkommen. Dazu passt eine kleine talmudische Erzählung: Ein Schüler kam einst zu einem Rabbi und fragte: »Früher gab es Menschen, die Gott von Angesicht zu Angesicht geschaut haben. Warum gibt es sie heute nicht mehr?« Darauf antwortete der Rabbi: »Weil sich niemand mehr so tief bücken will.« MMLiterarische Kontexte: Hermann Hesse, Stufen (Gedicht aus dem Jahr 1941) MMKünstlerische Kontexte: Bronze-Plastik von Luise KöttGärtner »Stufen zum Erfolg«

111 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Meditationen 

Ich träume vom Frieden Von Hans Freudenberg

Wir leben in Frieden – Gott sei Dank! Seit bald siebzig Jahren leben wir in Frieden. Die Älteren unter uns kennen die Schrecken des Krieges, der Bombennächte, der Sirenen noch aus eigenem Erleben; die Bilder der Verstümmelten, der brennenden Häuser, der Flucht sind bei ihnen als dunkle Schatten immer präsent. Dankbar sind wir für so viele Jahre ohne Krieg. Doch während wir in Frieden leben, ist in anderen Teilen unserer Welt kein Friede. Kriege toben in … (aktuelle Beispiele einfügen) und verursachen unsagbares Leid, besonders unter denen, die ihn nie gewollt haben und ihm schutzlos ausgeliefert sind – Frauen und Kinder. Und auch da, wo die Waffen schweigen, ist Friede noch lange nicht in Sicht. Vor einigen Jahren erschien ein Buch mit dem Titel »Ich träume vom Frieden. Bilder vom Krieg, von Kindern aus dem ehemaligen Jugoslawien.«13 Dieses UNICEF-Buch hat mich sehr angerührt mit seinen Albtraum- und Sehnsuchtsbildern traumatisierter und verletzter Kinder  – beschädigt an ihren kleinen Körpern und an ihren Seelen. Einer, Alexander, bei der Explosion eines Molotow-Cocktails schwer verbrannt, flüstert, von Schmerzen geschwächt: »Wenn ich meine Augen schließe, träume ich vom Frieden« (ebd., 7). 13 UNICEF (Hg.), München 1994.

112 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Da ist es, das Thema »Sehnsucht nach Frieden«  – das Thema unendlich vieler Kinder, denen die Zukunft gestohlen wurde, das Thema so vieler Erwachsener, denen die Bilder fehlen, um ihren Kindern und Enkeln den Frieden auszumalen. »Friede« ist nicht nur in unserer Welt ein Sehnsuchts- und Schlüsselwort; »Friede« ist auch ein biblischer Zentralbegriff: MM»Friede auf Erden« verheißt der Engel den Hirten auf Bethlehems Feldern in der Weihnachtsnacht; MM»Friede« ist Inhalt des Grußes »Friede sei mit dir!« wie des Abschieds- und Segenswunsches »Gehe hin in Frieden!« MMVon Gott wird gesagt, dass er ein »Gott des Friedens« sei (1Kor 14,33), der den »Frieden wie einen Strom ausbreiten« (Jes 66,12) und durch den der Messias »unsere Füße auf den Weg des Friedens« (Lk 1,79) lenken wird. Wie aber ist der biblische Begriff »Friede« inhaltlich gefüllt? Das alttestamentlich-hebräische Wort ist »schalom«: »Schalom sei mit dir!«; »Gehe hin in Schalom!« »Schalom« ist in seinem Bedeutungsspektrum viel weiter gefasst als unser Wort »Friede«. Seine Grundbedeutung ist: ganz / vollständig / wohlbehalten / gesund / heil. Wo also von »Schalom« die Rede ist, ist das alles mitgemeint: Ganzheit, Harmonie, Wohlergehen und Glück, vor Gefahren geschützt sein, umfriedet sein – und: im Bund mit Gott leben. Schalom war und ist immer wieder gefährdet, gefährdet durch Menschen, durch ihren Neid, durch Hass, durch Ausbeutung anderer oder der guten Schöpfung, durch den alten und ewigen Wunsch nach Gottgleichheit. Als der Friede in Israels Geschichte endgültig dahin ist, verdichtet sich der ­Schalom-Gedanke zu utopischen Bildern einer ganz neuen universalen Qualität: 113 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Schwerter sollen zu Pflügen und Spieße zu Rebmessern umgegegossen werden (Jes 2,4; Mi 4,3), Wolf und Lamm friedlich nebeneinander weiden, d. h. auch die Kreatur ist in diesen zukünftigen Frieden einbezogen (Jes 11,6 ff.). Die Botschaft des Evangeliums löst die messianischen shalom-Verheißungen ein und stellt sie unter das Leitmotiv »Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens« (Lk 2,14). In der Weihnachtsgeschichte des Lukas kreuzen sich zwei grundverschiedene Verständnisse von Frieden: Auf der einen Seite steht der »Friede« des Kaisers Augustus: Befehle, Soldaten, Steuern, Listen, Obdachlose sind die Attribute, mit denen dieser »Friede« beschrieben wird. Diese »Pax Romana« lebt von Gewalt (vor allem gegen Schwache), übt Herrschaft rücksichtlos aus. Sie raubt Hoffnung, bringt Elend und Tränen. In diese zerrissene Welt tritt Gottes Friede, tritt die »Pax Christi« ein: Statt des Palastes ein Stall, statt des Kaisers ein Kind, statt Macht Ohnmacht, statt der Würdenträger des Reiches die Hirten, statt des Machtzentrums Rom die abgelegene Provinz Judäa. Die Welt wird auf den Kopf gestellt und alle Maßstäbe werden verändert: »Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen erfüllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen« (Lk 1,52 f.). Dieser neue, andere Friede richtet die auf, die unter der »Pax Romana« alter und neuer Ausprägung leiden: die Hirten (und die, die auch heute ohne Ansehen und Namen sind), die Lahmen (und die bei uns durch Angst und Verlust Gelähmten), die Blinden (und die von allerlei Illusionen Geblendeten). Der Friede, der von Gott kommt, hat Wagnis- und Verheißungscharakter: Die kriegsmüde Welt kann neu werden und die sehnsuchtsvollen Träume von Kriegskindern beflügeln. Roberto, 10 Jahre, aus Pula träumt: 114 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Wenn ich Präsident wäre, wären die Panzer Spielhäuser für Kinder. Bonbonschachteln würden vom Himmel fallen. Die Granaten würden Luftballons verschießen. Aus den Gewehren würden Blumen wachsen. Alle Kinder der Welt würden in Frieden schlafen, ungestört von Alarmsirenen und Schießereien. Die Flüchtlinge würden in ihre Dörfer zurückkehren. Und wir würden einen neuen Anfang machen.«14 Biblische Kontexte: Jes 11 / Micha 4 Liturgische Kontexte: F. K. Barth / H.-J. Netz, Wolf und Lamm, in: Unkraut Leben, Peter Janssens Musik Verlag, Telgte

14 A. a. O., 72.

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Meditationen 

Ein Wunder ist geschehen Von Hans Freudenberg

»Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder.« Albert Einstein

Das ist wohl wahr: Es gibt Realisten, die sich nur der Macht des Faktischen, des Berechen- und Planbaren verpflichtet fühlen und Wunder als der menschlichen Erfahrung und den Naturgsetzen widersprechend in den Bereich des Vor-Rationalen und Un-Vernünftigen verbannen. Da ist kein Platz für Wunder- und Geistheiler, für Unerklärliches und für Totenauferweckungen. Der Realist, der bei einem Verkehrsunfall nicht zu Tode kommt, sagt vielleicht: »Glück gehabt!« Und es gibt Idealisten. Der Idealist macht vielleicht dieselbe Erfahrung wie der Realist, aber er deutet sie anders. Der glücklich überstandene Verkehrsunfall lässt ihn möglicherweise sagen: »Gott sei Dank!« In dieser Perspektive kann vieles als Wunder gedeutet werden: MMder erste Schrei eines Neugeborenen, MMder Blütenstand einer Sonnenblume, MMdie Stimmigkeit von Momenten der Liebe, MMder Nebel des Orion am abendlichen Sternenhimmel, MMdie unglaubliche Komplexität des menschlichen Gehirns … 116 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Wunder in diesem Sinne sind Momente der Ganzheit und des beglückenden Heilseins in einer zerrissenen Welt, Bilder und Erfahrungen, die über das Alltägliche und Banale hinaus­weisen. Wunder hat hier mit Staunen zu tun, mit Verdichtungen unserer Existenz; solche »Momente der Einigung mit dem Leben« (Fulbert Steffensky) wirken ihrerseits Wunder; sie tun Geist und Leib gut. Und was hat das mit Advent und Weihnachten zu tun? Wo ist die Schnittmenge zwischen Wunder und Weihnachten? Frühere Generationen haben sich das Weihnachtswunder ganz realistisch und konkret ausgemalt. Die »Legenda aurea«, die »goldene Legende«, das vielleicht populärste religiöse Volksbuch des Mittelalters (1255 bis 1279), erzählt von Rosen, die in der Heiligen Nacht blühen, von einem Wald, der wunderbarerweise zum Lustgarten wird, von Öl, das statt Wasser in der Christnacht aus einem römischen Brunnen fließt. Solche Bilder wollen zeigen: Die Menschwerdung Gottes kann alles verwandeln, die ganze Schöpfung wird in das Weihnachtswunder hinein­genommen. Die frommen Legenden des Mittelalters sind uns fremd geworden. Kehren wir zu den Quellen zurück, zu den Weihnachtsgeschichten nach Lukas und Matthäus, so entdecken wir aber auch dort Bilder und Symbole – Bilder und Symbole freilich, die das Wunder der Menschwerdung in einem anderen Ton deuten als die Legenden des 13.  Jahrhunderts; vielleicht lässt sich sagen: ernster und systematischer. Da begegnen uns Bilder und Symbole, die der Sehnsucht nach einem neuen Anfang, nach dem Wunder gelingenden Lebens, nach Heimat und Geborgenheit im Kontext harter Fakten Ausdruck verleihen: 117 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

MMDa ist das Gotteskind, das den Gottesfrieden in die zerrissene Menschenwelt trägt, Gegenentwurf zu dem brüchigen Herrschaftsfrieden des Kaisers – Es ist ein Wunder! MMDa sind die Hirten, mit denen auch unserem Leben eine neue Qualität zugesprochen wird: »Du bist nicht festgelegt auf deine Vergangenheit, auf die Verletzungen deiner Lebensgeschichte, auf die alten Muster…, die dich immer wieder am Leben hindern«.15 Weil Gott mit dir neu beginnt, kannst auch du neu werden und neu anfangen. – Es ist ein Wunder! MMDa ist der Stern, Metapher des Lichts, das in der und in die Finsternis scheint und die Zeit neu qualifiziert. – Es ist ein Wunder! MMDa ist das Wunder der Jungfrauengeburt, auch dies ein Wunder jenseits aller biologischen Engführung. Diese und andere Bilder der Sehnsucht setzen uns auf die Spur der Hoffnung, die unser Leben weitet, die uns der harten Realität ins Auge sehen lässt, ohne daran zerbrechen zu müssen. Denen, die meinen, sich damit abfinden zu müssen, dass das Wunder, auch das Weihnachts-Wunder, in seinem, in ihrem Leben noch auf sich warten lässt, sei zu Achtsamkeit geraten und, mit Hubertus Halbfas: zum Sehen mit dem »dritten Auge«.16

15 Anselm Grün, Weihnachten  – Einen neuen Anfang feiern, Freiburg 1999 (3. Auflage), 79. 16 Hubertus Halbfas, Das dritte Auge. Religionspädagogische Anstöße, München 1982 (8. Auflage).

118 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Meditationen 

»In das Dunkel fällt Licht«

Von Stephan Goldschmidt

Durch die Dunkelheit sind wir hierhergekommen. Es ist dunkel wie in jeder Nacht, und doch ist diese Nacht nicht wie die anderen Nächte. Diese Nacht ist eine besondere. In dieser Nacht hat sich der Himmel geöffnet, Gott ist Mensch geworden. Deshalb nennen wir sie heilige Nacht. Gott erscheint auf Erden. Ein Kind, geboren in einem Stall. In das Dunkel fällt das Licht. Gott ist Mensch geworden. Das feiern wir heute. Im Namen Gottes, in dem das Leben wohnt, im Namen Jesu Christi, der Mensch geworden ist, und im Namen des Heiligen Geistes, der uns Hoffnung und Lebensfreude schenkt.

119 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Meditationen 

Meditation zu Psalm 96 Von Stephan Goldschmidt

Singt dem Herrn ein neues Lied, singt ihm zur Ehre vor aller Welt! Lobsinget seinem Namen und freut euch an seinem Heil, das er uns hat widerfahren lassen und mit dem er den ganzen Erdkreis beschenkt. Tag für Tag lasst uns seinen Namen rühmen, denn Gott ist groß und erhaben, voll Güte und Erbarmen. Lasst uns zur Stätte gehen, an der Gott wohnt und uns versammeln in seinen Vorhöfen. Lasst uns ihm singen und Dank opfern. Singt dem Herrn ein neues Lied, singt ihm zur Ehre vor aller Welt!

120 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Meditationen 

Meditation zu Psalm 98 Von Stephan Goldschmidt

Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. Er lässt Frieden einziehen, wo Streit regiert und Gerechtigkeit, wo Unrecht herrscht. Gott ist treu und steht zu seiner Verheißung gegenüber seinem Volk. Alle Welt soll das Heil sehen, das Gott tut. Darum jauchzet dem Herren, rühmt und lobt ihn, spielt ihm mit Harfen, und lasst vor ihm die Posaunen erklingen. Der Erdkreis stimme sein Lied an, ihm zum Lobe: Das Meer und die Ströme sollen zu seiner Ehre brausen, die Bäume und Pflanzen sich vor ihm neigen. Denn der Herr kommt, um dem Erdkreis zu erheben und ihn wieder aufzurichten mit Gerechtigkeit. Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.

121 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Meditationen 

Stille Nacht Von Max Koranyi

Stille Nacht, heilige Nacht! Alles schläft, einsam wacht Nur das traute, hochheilige Paar. Holder Knabe im lockigen Haar, Schlaf in himmlischer Ruh, Schlaf in himmlischer Ruh. Es ist eine Geschichte, die aus der Not geboren wurde. Und deshalb passt sie auch so gut zu Weihnachten. Diesem Geburtstag eines Kindes in dunkler, notvoller Nacht. Auch das Jahr 1816 nannten sie das Jahr ohne Sommer. Ungewöhnlich kalt ist es. Selbst im Juni schneit es hinunter bis ins Flachland. In Mitteleuropa fallen die Ernten aus. Millionen leiden an Hunger. Und dann ist es noch die Zeit, in der der ganze Kontinent unter den Folgen der napoleonischen Kriege zu leiden hat. Finstere, schwere Jahre. Wie zur Zeit des Kaisers Augustus. Wo alle Welt geschätzt wurde, damit sie für ihn zahlen konnten. Aber sind es nicht oft gerade die dunklen Stunden, die die Sehnsucht nach Licht und Besserung besonders stark aufleuchten lassen? Und sind es nicht gerade die Armen, diese Marias und Josefs der Welt, die dazu besonders prädestiniert sind? 122 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

In der Kärglichkeit des Dorfes Mariapfarr, südlich von Salzburg, schreibt im Dezember desselben Jahres der Hilfspriester Joseph Mohr, 23 Jahre alt, unehelicher Sohn eines Soldaten und einer Strickerin, getrieben eben von jener unstillbaren Sehnsucht nach Segen, ein Gedicht. Er nennt es »Stille Nacht, heilige Nacht«. Dann legt er es in die Schublade des Schreibtisches, der als einziges Möbelstück neben dem Bett in seiner Stube steht. Anschließend geht er ins Wirtshaus und macht sich damit, wie so oft, bei seinem vorgesetzten Pfarrer unbeliebt. Der es missbilligt, dass Mohr ständig die Nähe der einfachen Leute sucht, Gitarre spielt und dazu deutsche Volksweisen singt, statt die lateinischen Messliturgien zu studieren. Stille Nacht, heilige Nacht! Gottes Sohn! O wie lacht Lieb aus deinem göttlichen Mund. Da uns schlägt die rettende Stund.’ Christ, in deiner Geburt, Christ, in deiner Geburt. Joseph Mohr wird zwangsversetzt. Später übrigens noch weitere sieben Mal. Ein gescheiterter Geistlicher. Die einzige Konstante in seinem rastlosen Leben blieb das angeborene, schwere Lungenleiden. Im Jahr der Märzrevolution 1848 stirbt er. Unbekannt. Aber da sind wir jetzt noch nicht. Gott sei Dank. Denn eine Sternstunde der Menschheit steht bevor. Als Folge des Sterns über dem Stall von Bethlehem. In Oberndorf, dem nächsten Versetzungsort, siebzehn Kilometer nördlich von Salzburg, begegnen sich zwei Menschen, die Weltgeschichte schreiben werden. Ausgerechnet am Heiligabend des Jahres 1818 versagt die Orgel der Pfarrkirche 123 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Sankt Nikolaus ihren Dienst. Es klingt banal, aber die Geburtsstunde des berühmtesten Liedes der Welt ist auf einen kaputten Blasebalg zurückzuführen. Zweieinhalb Milliarden Menschen werden in späteren Zeiten in aller Welt das singen, was jetzt entsteht. Dabei gibt es nur zwei Milliarden Christen in der Welt. Das aber versteht man erst, wenn man alle sechs Strophen des Liedes kennt: Die zutiefst menschlichste aller Sehnsüchte nach Frieden und Glück. Stille Nacht, heilige Nacht! Die der Welt Heil gebracht, Aus des Himmels goldenen Höh’n Uns der Gnade Fülle lässt seh’n Jesus in Menschengestalt! Jesus in Menschengestalt! Schon vor über hundert Jahren wurde diese Strophe unterschlagen. Mit der Begründung, das wäre doch alles für die einfachen Leute theologisch viel zu kompliziert. Aber das stimmt so nicht. Im ganzen Liedtext kommen keine spezifisch religiösen Elemente vor. Und die für einen Katholiken wichtige Marienverehrung fehlt ganz. Die Verse-Streicher ahnten wohl eher, dass sich hier ein Aufstand anbahnte, der weit über Napoleon, Freiheitskriege und Revolutionen hinausging: Gott verlässt seine goldenen Höhen, um unter uns im Krippenstall Mensch zu werden. Das roch nach Freiheit und Gleichheit für alle Geschöpfe. Und musste deshalb gestrichen werden. Zurück aber zur kaputten Orgel. Eines war für Joseph Mohr völlig klar bei all seiner Eigenart und Unzuverlässigkeit – am wichtigsten Kirch-Tag im ganzen Jahr sollte es für seine Gemeinde keine Musik geben? Keine hoffnungsfrohe Erbauung in bitterer, schwerer Zeit für ausgelaugte, überarbeitete, hun124 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

gernde Menschen? Da erinnert er sich. An seine Verse von vor zwei Jahren. »Stille, Nacht, heilige Nacht«. Könnte daraus nicht ein Lied zumindest mit Gitarrenbegleitung entstehen? Mit diesen Gedanken im Kopf und dem Papier in der Hand eilt er zum Haus des Organisten von Oberndorf, Franz Xaver Gruber. Ein begabter Musiker. Bevor dieser 1863 stirbt, bekommt er in Ansätzen noch mit, was für Auswirkungen die Zusammenarbeit der beiden für die Welt haben wird. Auch wenn er später noch 70 Kompositionen, Messen, Choräle und Kantaten schreibt, sein Meisterwerk bleibt die Vertonung von »Stille Nacht«. Von ihm selber wissen wir, wie alles tatsächlich war, denn 1854 hat er auf Bitten des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., der das Lied besonders liebte, die Entstehungs­ geschichte aufgeschrieben: »Authentische Veranlassung zur Composition des Weihnachtsliedes, ›Stille Nacht, Heilige Nacht‹.« Stille Nacht, heilige Nacht! Wo sich heut alle Macht Väterlicher Liebe ergoss Und als Bruder huldvoll umschloss Jesus die Völker der Welt! Jesus die Völker der Welt! Joseph Mohr und Franz Xaver Gruber sahen sie jetzt vor sich: die Glieder ihrer Gemeinde, Arbeiter, Bauern, Schiffer, armselig gekleidet, sehnsüchtig hoffend auf ein anderes Leben; so verbunden mit allen leidenden Geschwistern auf Erden. Etwas wie eine Vorahnung auf die »Internationale«. Verständlich, dass deshalb auch sehr rasch die vierte Strophe gestrichen wurde. Vertrug sich doch das Bild von Jesus 125 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

als dem Bruder aller Menschen und Völker schon mal gar nicht mit Preußens Herrschaftsansprüchen und den imperialen Großmachtträumen des späteren Deutschen Reiches. Zensur eines Textes, die heute noch wirkt. 1900, während industrieller schwerer Umwälzungen, ließ diese Missachtung der wahren Lebenssituation dem Dichter Boleslaw Strzelewicz so lange keine Ruhe, bis er die »Stille Nacht der Arbeiter und Arbeiterinnen« verfasst hatte. Darin heißt es u. a.: »Stille Nacht, traurige Nacht, rings umher Lichterpracht! In der Hütte nur Elend und Not, kalt und öde, kein Licht und kein Brot, schläft die Armut auf Stroh, Schläft die Armut auf Stroh. / Stille Nacht, traurige Nacht, hast du Brot mitgebracht?, fragen hungrige Kinderlein. Seufzend spricht der Vater: Nein. Bin noch arbeitslos. Bin noch arbeitslos.« Diese Molltöne des Lebens gab es auch bei den Christmettbesuchern 1818 zuhauf. Die Bäcker mussten das Brot mit Sägemehl strecken. Säuglinge starben reihenweise. Nein, Mohr und Gruber riefen nicht zu sozialen Umsturz auf. Aber sie beriefen sich auf den großen Abstieg des Herrn aller Herren zu den Kleinen im Stall. Erfolg war noch nie ein Name Gottes, wohl aber Gnade, Liebe, und Trost. Die Melodie musste deshalb in Dur sein. Mohr singt die Tenorstimme, Gruber den Bass. Begleitet nur durch Mohrs Gitar­renspiel. Stille Nacht, heilige Nacht! Lange schon uns bedacht, als der Herr vom Grimme befreit, in der Väter urgrauer Zeit aller Welt Schonung verhieß aller Welt Schonung verhieß.

126 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Schonung, statt Grimm, das sollten die Christmettbesucher erfahren. Schon bei den ersten Akkorden ist die Gemeinde beseelt. Neben Bauern und Arbeitern sind es vor allem SalzachSchiffer, verarmtes Volk. Bei der Schlusszeile stimmen alle mit ein: »Jesus, der Retter, ist da.« Auch für sie. Auch für uns. Und dann? Dann gerät das Lied zunächst in Vergessenheit. Erst 1832 führt es der Orgelbauer ­Mauracher in Leipzig im Rahmen eines Tiroler Liederabends wieder auf. Dann war der Siegeszug nicht mehr zu stoppen. Die Sänger­ familie Strasser bringt es auf Jahrmärkte in Österreich, Schweiz und Deutschland. Auswanderer in die USA nehmen es in die Neue Welt mit, wo es 1839 zum ersten Mal in der New Yorker Trinity Church erklingt. Heute ist es in 350 Sprachen und Dialekte übersetzt. Sechs Strophen für die Ewigkeit, sechs Strophen über Jesu Kommen für alle – und für die Armen im Stall an vorderster Front. Keine Komposition von Bach oder Beethoven kennen so viele Menschen, keine von Mozart, keine von den Rolling Stones, Michael Jackson oder Robbie Williams. Stille Nacht, heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht, Durch der Engel Halleluja Tönt es laut von fern und nah: Christ, der Retter ist da, Christ, der Retter ist da! Im Original stand noch: Jesus, der Retter ist da. Der Mensch Jesus an der Seite derjenigen, die ihn zuerst zu sehen bekamen: Hirten – und mit ihnen die Schiffer, die Bauern, die Arbeiter, die Obdachlosen. Stille Nacht, heilige Nacht, das spürten sie damals vor fast 200 Jahren in Oberndorf als Erste: Jesus, der Retter, ist da. 127 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Denn die Armen haben einen besonderen Riecher dafür. Der arme Hilfsgeistliche, der gebeugte Stallbesucher, der sehnsuchtsvolle Mensch in aller Welt. Schließen wir uns selber nur ja nicht davon aus. Denn wer von uns wäre in dieser stillen Nacht nicht ebenso bedürftig nach »Liebe aus göttlichem Mund«, nach dem staunenden Sehen der »Gnaden Fülle«  – vor allem anderen aber nach dem »Retter« der ganzen Welt, der wirklich und wahrhaftig »da ist«?

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Geschichten für Kinder  Immer Weihnachten Von Harald Apel

Erst als es richtig dunkel ist, gehen sie los. Ihre Taschen­ lampen haben neue Batterien. Ihre Eltern glauben, sie seien bei einer Veranstaltung in der Schule. Entschlossen gehen Conny Wumpel, Fredi Zeschke und Piet Hammerlich in Richtung Stadtausgang. Vorbei an den bekannten Häusern, die jetzt noch ganz dicht beieinander stehen und meist große Schaufenster haben. Nach einer Weile kommen die Häuser mit mehr Platz und kleineren Fenstern. Sie haben Gärten, einen kleinen vorn und einen großen hinten. Aus der Stadt heraus wird der Abstand der Häuser immer größer, auch der Abstand der Straßenlaternen. Irgendwann verliert sich die Stadt im Wald. Vorher jedoch kommt ihr letztes Haus. Es ist ein kleines altes Haus. Bis vor drei Wochen winkte hier die Stadt mit kleinen Lichtern in den Wald. Der Abschied von der Stadt und der Beginn des Waldes waren mit dem bewohnten Haus nicht so trostlos. Ab jetzt blieb es auch hier abends finster. Kein Licht mehr in den Fenstern und nur manchmal winkt tagsüber mit dem Wind eine graue Gardine durch eine zerbrochene Fensterscheibe. Die Schritte der drei Jungen sind jetzt leiser und sanfter, dann kann man sie kaum noch hören. Wie Katzen umschleichen die Jungen das verlassene Haus. Vorsicht und Angst lassen sie stiller sein als sonst. Sie wünschen sich insgeheim, 129 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

dass es wenigstens hell wäre oder ein Älterer mit dabei. Doch sie haben es sich alles genau überlegt, helles Licht und ein­ geweihte Eltern würden die ganze Sache, ihre Sache unmöglich machen. Also nehmen sie die Dunkelheit, die Ausrede und auch das, was damit zusammenhängt, in Kauf. Sie haben es versprochen, und sie werden es auch halten. Dieser Entschluss ist stärker als ihre Angst. Und ihre Vorsicht hat einen guten Grund. Trotz der Gefahr sind sie auch stolz, weil sie wissen, hier können nur sie etwas tun, was wichtig, was gut und zugleich hilfreich ist. Jetzt betasten zwei Lichtkegel wie Pfoten Fenster und Türen des alten Gemäuers. Noch wissen die Freunde nicht, wo sie in das dunkle Haus unauffällig einsteigen können. Zwar hatten sie zuvor dieses Haus oft betreten. Aber zu jener Zeit war es hell und nicht so un­ endlich verlassen und einsam. Da wohnte hier noch ein alter Mann mit weißem Bart und schlurfte durch seine Zimmer. Jetzt aber, ohne Bewohner, stand das Haus leer und unheimlich da. Es war ein Haus ohne Hüter, ohne Leben, ein Ort, der nicht mehr in die Stadt und noch nicht in den Wald gehörte. Jenen alten Bewohner des Hauses hatte wohl kaum jemand aus der Stadt richtig gekannt. Jedenfalls konnte sich keiner der Jungs erinnern, hier jemals anderen Besuch gesehen zu haben. So viel sie wussten, waren sie die einzigen Gäste des alten Mannes. Jener Mann mit dem weißen Bart war auf sonderbare Weise bekannt und unbekannt zugleich. Obwohl jeder in der Stadt die Eigenart des wunderlichen Alten kannte, so kannte ihn doch keiner über seine Wunderlichkeit hinaus. Die Leute hatten ihn belächelt, den Kopf geschüttelt und dann hatten sie es einfach hingenommen, dass jener verwirrte Opa sommers wie winters Weihnachtssterne, Tannenzweige und Schneewatte in 130 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

seine Fenster stellte, dass er scheinbar immer Weihnachten feierte. Spöttisch nannten ihn einige den Ganzjahresweihnachtsmann. Andere erzählten, sie hätten ihn in milden Sommer­nächten in seiner Stube um einen Weihnachtsbaum gehen sehen. Alle, die hier öfter vorübergingen, hatten mehr als einmal aus dem Haus Weihnachtslieder zu den ungewöhnlichsten Tages- und Jahreszeiten gehört. Jedenfalls glaubten die Leute der kleinen Stadt, mit diesen wunderlichen Geschichten alles oder wenigstens genug von jenem alten Mann erfahren zu haben. Aber vielleicht wäre er ihnen ein Stück näher ans Herz gerückt, wenn sie ein bisschen mehr über ihn gewusst hätten, so wie Conny, Fredi und Piet. Angestrengt suchen die drei jetzt nach einem Einstieg ins Haus. Inzwischen haben sie im Lichtkegel eine nur angelehnte Kellertür entdeckt. Doch wartet jeder der Jungen, dass ein anderer sagt: »Also ich geh jetzt rein!«, und er dann bloß hinterhergehen braucht. Aber dann stößt Piet die Tür mit dem Fuß ganz auf. Er und Fredi gehen gleichzeitig hindurch. Conny bleibt ihnen ganz dicht auf den Fersen. Jetzt bloß nicht die anderen verlieren. So denken sie alle. Und wenn einer vorschlagen würde, sich gegenseitig anzufassen, es würde wohl kaum ein Widerspruch kommen. Aber zu der einen Angst kommt oft eine zweite hinzu – und für Jungs ist die dann die größere, nämlich die Angst, sich mit seiner Angst lächerlich zu machen. Kennengelernt hatten Conny, Fredi und Piet den wunderlichen alten Mann, als sie einmal aus dem Wald vom Höhlenbau nach Hause gegangen waren. Conny, der immer eine freche Lippe riskierte, hatte dem alten Mann, der eigentlich Gerd Milbrat hieß, »Frohe Weihnacht!« zugerufen und das, obwohl es erst Anfang September war. Der hatte versonnen und mehr 131 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

zu sich selbst geantwortet: »Nein, nicht nur frohe, sondern auch traurige Weihnacht!« Für einen, der es das ganze Jahr Weihnachten sein ließ, war das doch eine sehr merkwürdige Antwort. Es war Piet Hammerlich, der sofort gefragt hatte: »Wieso auch ›traurige‹ Weihnacht, wenn bei Ihnen doch das ganze Jahr Weihnachten ist?« Da hatte der Alte die Jungen herangewinkt. Und wenig später saßen sie im letzten Haus der Stadt und hörten die folgende Geschichte: Es war vor dreieinhalb Jahren. Die Frau des Herrn Milbrat war damals sehr krank und die Ärzte hatten ihr nur noch wenig Zeit zum Leben gegeben. Aber immer wieder hatte sie ihm versichert: »Bis Weihnachten bleibe ich bei dir.« Und dann zu Weihnachten, als der Baum geschmückt war und die Weihnachtslieder aus dem Radio zu hören waren und ein ganz stiller Friede in dem alten Haus war, da hatte sie gesagt: »Jetzt ist es Weihnachten und ich kann gehen. Gott ist auf die Erde gekommen, und ich gehe zu Gott! Fürchte dich nicht!« Genau in der Heiligen Nacht war sie gestorben. Sie hatte bis dahin ausgehalten, weil sie von ihrem Mann friedlich und nicht ohne Hoffnung Abschied nehmen wollte. Trotzdem wurde Herr Milbrat immer wieder von seiner Traurigkeit eingeholt. »Wenn man das ganze Leben zusammen gewesen ist, dann ist das Zurückbleiben und das Alleinsein besonders schmerzlich«, hatte er den Jungen erklärt und weitererzählt. »Ja und dann kam das erste Frühjahr danach. Immer wieder habe ich gedacht, gleich muss sie doch vom Garten wieder hereinkommen, so wie all die Frühjahre zuvor. Aber sie kam nicht mehr. Sie war ja für immer gegangen. Damals habe ich in meiner Traurigkeit diesen Weg gefunden. Ich habe meine liebe Hilde mit Weihnachten wieder in meine Nähe geholt. Alles habe ich wie am letzten Abend gemacht. Ja, ich habe den Heiligen Abend einfach wiederholt, um das Tröstliche ihrer 132 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Worte wieder zu hören. So deutlich, als wäre sie noch da, habe ich sie gehört. Sie hat gesagt: »Fürchte dich nicht!« Und ihr werdet es nicht glauben. Ja, es hat geholfen. Es hat geholfen, im Frühling und später im Sommer und dann auch im Herbst.« Als ob man einen Vorhang beiseiteschob, konnten die Jungen plötzlich das so Unverständliche begreifen. Conny war in diesem Augenblick ganz rot geworden und hatte gestottert: »Entschuldigung wegen des ›Frohe Weihnachten‹ vorhin.« »Ist schon gut, Junge«, hatte Herr Milbrat erwidert. »Du konntest es ja nicht ahnen und für mich war es gut, dass ich mich endlich mal erklären konnte. In meinem Alter, müsst ihr wissen, passiert es schnell mal, dass einen die Leute für verrückt erklären.« Nachdem er das so offen gesagt hatte, versuchten die Jungen seinen Augen auszuweichen. Genau das hatten sie gedacht. Dabei war Herr Milbrat nur richtig, richtig traurig. »Wir können ja öfter einmal vorbeikommen«, hatte Piet darauf vorgeschlagen, und Herr Milbrat hatte geantwortet: »Das wäre mir sehr recht!« Von da an waren die Jungen oft im letzten Haus der Stadt zu Gast. Seit dieser Zeit waren Weihnachtslieder weniger häufig zu hören und der erleuchtete Weihnachtsbaum wurde kaum noch gesehen. Aber dann an einem Nachmittag war Conny Wumpel aufgeregt zu den anderen gelaufen und hatte gerufen: »Er ist weg! Das Haus steht leer!« Sofort waren alle drei damals zu seinem Haus gerannt und hatten erschrocken festgestellt, dass das Haus wohl für längere Zeit verlassen wurde. Die Rollläden waren heruntergelassen. Die Gartenpforte, die immer aufstand für die Jungs, auch wenn Herr Milbrat mal unterwegs war, war abgeschlossen. Natürlich hatten die drei überall herumgefragt. Piets Eltern hatten die Vermutung geäußert, dass der Alte möglicherweise in ein Heim eingewiesen worden sei. Denn schließlich, so meinten sie, wäre es in dem 133 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Alter und so allein nicht leicht, ein Haus, einen Garten und sich selber in Ordnung zu halten. Letztlich hatte Piet beim Arzt nachgefragt, und der hatte genau das bestätigt, was seine Eltern vermutet hatten. Das Weitere war dann nicht mehr besonders schwer. Im Gemeindeamt hatten sie unter dem Vorwand, dass sie Herrn Milbrat etwas zurückgeben müssten, den Namen des Pflegeheimes erfahren, in dem er jetzt lebte. So hatten sie sich an einem Nachmittag aufgemacht und ihren alten Freund besucht. Natürlich gab es ein großes Wiedersehen mit Umarmungen und alten Geschichten. Doch als die Jungs sich anschickten, wieder nach Hause zu fahren, hatte der alte Mann geseufzt: »Schade, hier ist nur einmal im Jahr Weihnachten. Am Tag, als ich mein Haus verließ, konnte ich auf die Schnelle kaum etwas von meinen Weihnachtssachen mitnehmen. Und ihr wisst ja, wie sehr ich sie manchmal brauche.« Die Jungen hatten verstanden und wussten sofort, was sie zu tun hatten. Piet Hammerlich hatte geistesgegenwärtig nach dem Haustürschlüssel gefragt. Als Herr Milbrat antwortete, der liege schon beim Makler, weil das Haus doch verkauft werden sollte, hatten sie zuerst die Stirn kraus gezogen. Aber dann sahen sie sich verständnisvoll an, denn sie hatten alle denselben Gedanken. Gewiss, es war eine nicht ganz ungefährliche und vielleicht sogar verbotene Sache, aber das wollten sie für Herrn Milbrat tun und zwar so schnell wie möglich. Inzwischen sind die Jungs mit ihren Taschenlampen im Wohnzimmer angekommen. Ein bisschen ist es wie eine Rückkehr. Ihnen ist recht traurig zumute. »Wir sollten hier oben die Taschenlampen ausmachen. Man könnte uns von draußen sehen«, sagt Conny Wumpel und dann setzen sie sich so, wie sie damals bei ihrer ersten Begegnung mit Herrn Milbrat gesessen hatten. Obwohl es ganz still ist, hören sie 134 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

ihn von seiner Frau und Weihnachten erzählen. Als könne er die Gedanken der anderen hören, steht Fredi leise auf, geht zu dem alten Plattenspieler und legt die bereitstehende Weihnachtsplatte auf. Erst als das letzte Lied verklungen ist, stehen die Jungs auf und packen die Platten, den Plattenspieler, einen künstlichen Weihnachtsbaum und die Weihnachtskugeln in den mitgebrachten Koffer. Am nächsten Samstag ist Weihnachten nicht mehr weit, denn Conny Wumpel, Fredi Zeschke und Piet Hammerlich reisen mit einem ziemlich großen Koffer in die Kreisstadt, wo sie im Altersheim schon sehnsüchtig erwartet werden. Aus: Harald Apel, Erzähl, dass ich es glauben kann, © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

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Geschichten für Kinder 

Mit anderen Augen – eine tierische Weihnachtsgeschichte Von Charlotte Scheller*

Zum Vorlesen für Kinder ab dem Grundschulalter und Erwachsene (in beiden Zielgruppen erprobt), Vorlesedauer ca. 20 Minuten Da war ich also in dem Stall. Es war warm und roch süß nach Milch und Heu. Ich wurde müde. Aber ich konnte mich nicht schlafen legen. Im Stall war eine Katze. Ich mag Katzen! Wenn eine um die Ecke kommt, bunt, schwarz oder getigert, kann kein Hirte mich halten. Ich muss hinterher. Die Katze muss weg. Auf den nächsten Baum. Oder meinetwegen in ein Brunnenloch. In dem Stall war es anders. Ein neugeborenes Menschenkind lag da im Futtertrog und schaute mich an. Ich wollte mich umdrehen, die Katze anspringen, aber es ging nicht. Die Kinderaugen machten, dass mein Hinterteil am Boden klebte. Mir wurde klar: Der Kleine in dem Futtertrog ist ein großer Hirte. Ein Bestimmer. Ich werde ihm gehorchen. Leg dich hin, sagten seine Augen zu mir. Die Katze streckte sich auf einem Stoffhaufen aus. »Komm her«, miaute sie. »Auf dem Mantel ist noch Platz.« Unglaublich: Ich, wolfsgefährlicher Hütehund, Trost der Lämmer, Schrecken aller Katzen, lege mich neben 136 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

eine grau gestreifte Mäusejägerin! »Ich heiße Lou«, schnurrt sie. »Struppi«, brumme ich. So wurden wir Freunde. Einmal, als ich wieder durch die Stalltür schlüpfen wollte, sprang Lou hinter einem Busch hervor. Sie landete in meinem Nacken und hielt sich mit den Krallen in meinem Fell fest. »Achtung«, fauchte sie mir ins Ohr. »Hoher Besuch. Du kannst jetzt nicht in den Stall.« Auf leisen Pfoten schlichen wir an die Tür und spähten hinein. Lous Schwanz zuckte. Das Menschenkind schlief. Die Mutter saß aufrecht auf ihrem Strohlager. Der Vater stand mitten im Stall. »Wir danken euch«, sagte er und kratzte sich am Bart. Sicher hatte er Läuse wie unsere Hirten. »Wir danken euch sehr!« Mit wem redete der Zweibeiner-Vater? Es roch anders als sonst im Stall. Nach schweren Kleidern, wie Kaufleute sie tragen. Nach Kamelschweiß, Sattelfett und Wüstensand. Drei Männer waren da. »Die kommen von weit her«, flüsterte ich. Groß wie Zedernbäume wären die Turbanträger ge­wesen, wenn sie nicht auf dem Boden gekniet hätten. Niederknien, das bedeutet bei Menschen: Ich ergebe mich. Die Besucher gehorchten dem Kind. Der vorderste krabbelte wieder auf die Füße. Er gab dem Kindsvater ein kleines Säckchen. Ich konnte riechen, was darin war. Ein gelbes Harz. Es wird auf dem Markt verkauft. Weihrauch. Wenn man es anzündet, qualmt es. Der Rauch vertreibt die schlechte Luft. Er schützt vor Krankheiten, vor bösen Gedanken und tollwütigen Fleder­ mäusen. Der Vater nahm das Weihrauchsäckchen. Dann trat der nächste vor. Er hatte einen kleinen Tontopf. Ich schnupperte: Myrrhensalbe. Wird von unseren Hirten benutzt. Hilft gegen Flöhe und macht das Fell der Schafe glänzend. Auch der dritte Herr hatte ein Geschenk für das Kind. Es roch nicht. Aber es glitzerte im Schein der kleinen Öllampe. Münzen. 137 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Die Hirten bekommen manchmal welche, wenn sie ein Schaffell verkaufen oder einen Berg Wolle. Kleine runde harte Dinger. Die schmecken nach nichts und machen die Zweibeiner richtig froh. »Gold!«, rief der Vater des Kindes. »Wie gütig von euch!« Die drei verbeugten sich vor dem Kind. Ihre Turbane berührten fast die Späne auf dem Boden. Dann gingen sie rückwärts zur Tür. Auf Zweibeinisch heißt das: Du bist unser König. Niemals würden wir dir den Rücken zeigen. Wir sind deine Diener. Lou und ich hatten uns hinter eine Mauer verzogen, als die Männer aus dem Stall kamen. »Es wird bald dunkel«, sagte der, der das Gold gegeben hatte. Kaspar nannten sie ihn. »Zu dumm«, sagte der mit dem Weihrauch, Melchior, »heute schaffen wir es nicht mehr nach Jerusalem. Wir müssen doch zu König Herodes und ihm sagen, wo er den neugeborenen König finden kann. Er will ihn auch anbeten.« – »Morgen ist auch noch ein Tag«, sagte Balthasar, der Myrrhen-Mensch. »Lasst uns hier übernachten, in Bethlehem.« Als Melchior »Herodes« sagte, hatte ich leise geknurrt. Meine Freundin Lou zischte und ließ ihre Krallen sehen. »Du verrätst uns!« – »Hast du nicht gehört? Die wollen zu Herodes!«  – »Na und?« Lou streckte sich und gähnte. »Was dagegen?« – »Herodes ist doch der König in Jerusalem. Meine Hirten sind wütend auf ihn. Er hat seine Soldaten nach Bethlehem geschickt. Er könnte dem Kind in der Krippe was tun, sagen die Hirten. Weil es ein König ist, hat er Angst um seinen Thron. Er will selber König bleiben. Für immer und ewig.« – »Mist!«, fauchte die Katze. »Die Drei sind schon losgegangen. Sie werden das Königskind verraten.«  – »Hinterher!« Ich sprang auf. Eine Verfolgungsjagd, das würde ein Spaß! Später hockten wir im Gastzimmer vor dem Kamin. Zwischen den Rucksäcken der drei Herren. Die waren ins Wirts138 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

haus gegangen. Morgen wollten sie zu Herodes. Was tun, um sie aufzuhalten? »Wir klauen ihre Münzen«, schlug ich vor. »Dann haben sie kein Geld mehr und müssen geradewegs nach Hause reiten.«  – »Wir zerkratzen ihre Gesichter.« Lou hieb mit der Tatze in die Luft. »Dann können sie nichts sehen und finden nicht nach Jerusalem.« – »Wir zerkauen ihre Sandalen und zerreißen ihre Kleider.« Ich schmatzte. »Dann lässt man sie nicht rein in den goldenen Thronsaal.« Wir schmiedeten Pläne, bis das Feuer abgebrannt war. Dann stupste ich Lou an. »Du sagst ja gar nichts mehr!« Die Katze schnarchte leise, das Näschen auf der Schwanzspitze. Ich rollte mich ebenfalls zusammen. Lous Fell wärmte meinen Rücken. Ein Knarren weckte mich. Ich sah mich um. Die Männer lagen auf ihren Matten, ohne Turbane, und atmeten ruhig. Ha-püh, atmete Kaspar. Pitsch-hih, pustete Melchior. Pfftipuh, schnaufte Balthasar. Es knarrte wieder. Die Tür ging einen Spaltbreit auf. Ein Wesen trat ein. Wie ein Mensch, nur ohne Geruch. Durchsichtig und hell. Wie das Licht, das mittags über die Berge kam. Oder das Leuchten, das in der Heiligen Nacht am Himmel war. Mit der Schnauze schubste ich Lou, aber sie war schon wach. Wir hielten den Atem an. Der Engel ging zu dem Bett. Er streckte die Hand aus und berührte die Männer an der Schulter. Sie fuhren hoch. Blinzelten erschrocken durch die Hände vor ihren Augen. »Fürchtet euch nicht«, sagte der Engel. »Ihr habt den neugeborenen König gesehen. Geht nicht wieder in das Schloss von Herodes.« Ich knurrte. Lou schlug mir mit der Tatze aufs Maul. Der Engel hob eine Augenbraue. »Geht nicht mehr zu Herodes«, sagte er noch mal. »Geht zurück in eure Heimat. Auf dem kürzesten Weg. Zu Hause erzählt allen: Ein neuer König ist geboren. Jesus, der Herr für uns alle!« Dann war er verschwunden. 139 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Die drei Königskind-Besucher plumpsten zurück auf ihre Matten und schliefen weiter. Lou und ich schlichen hinaus. Als die Sonne aufging, sahen wir die Männer wieder. Am Brunnen, mit ihren Kamelen. »Es war ein Traum«, sagte Melchior. »Es war ein Engel«, sagte Balthasar. »Es war ein Engel im Traum«, sagte Kaspar. »Was er gesagt hat, wird getan. Schluss, basta, aus!« Sie gaben ihren Tieren zu trinken. Diesen eingebildeten Grasfressern. Die sprachen natürlich kein Wort mit uns. Kamele reden nur mit ihresgleichen. »Dem Höchsten sei Dank«, sagte das eine und glotzte in Richtung Osten, einen Mäusesprung über mich und Lou hinweg. »Nun geht es nach Hause!« – »Genau. Ohne Umwege«,, murmelte das zweite Höckertier, das Maul voller Olivenblätter. Das dritte klapperte mit den Augenlidern. »Noch einen Tag im Hof des Palastes hätte ich nicht überstanden.« Wir sahen den Dreien nach, wie sie auf ihren Kamelen davonschaukelten. Dann rannten wir zum Stall. »Wo ist Maria?«, kläffte ich. »Und Josef?«, maunzte Lou. »Wo ist das Kind?« Der Ochse hob seinen Kopf aus dem Futtertrog. »Heute Morgen abgereist«, sagte er. »Richtung Ägypten. Der Esel ist mitgegangen.« Ich war ein kleines bisschen traurig. Eins meiner Schnurrhaare hing herunter. Aber die anderen standen fröhlich ab. Denn ich war auch glücklich. Ich hatte den neu­ geborenen König gesehen. Jesus, den Herrn. Und ich hatte eine Freundin gewonnen. »Los«, bellte ich, »lass uns Fangen spielen!« * Mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Alle Rechte vorbehalten.

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Geschichten für Kinder 

Das Krippenspiel Von Stephan Goldschmidt

Anna hatte dem Heiligen Abend schon seit Tagen entgegen­ gefiebert. Als neulich in der Schule die Lehrerin alle in der Klasse gefragt hatte, worauf sie sich an Weihnachten freuen, hatte sie nach einigem Nachdenken geantwortet: »Ich freue mich auf das Krippenspiel, auf das Singen der Weihnachtslieder, auf den erleuchteten Weihnachtsbaum und natürlich auch auf die Bescherung.« All das zusammen war für Anna Weihnachten. Sie konnte sich an keinen Heiligen Abend erinnern, der nicht mit dem Besuch des Krippenspiels begonnen hatte. Zweimal hatte sie sogar bei einem Krippenspiel mit­ gespielt. Endlich war der 24. Dezember gekommen. Mit Papa und ihrem Bruder Christian hatte Anna am Morgen den Weihnachtsbaum geschmückt. Sie hatte rote Äpfel und Strohsterne an die Zweige gehängt. Christian hatte die Bienenwachskerzen auf die Kerzenhalter gesteckt und mit Papa zusammen an den Zweigen befestigt. Und dann hatten die Kinder die Krippe aufgebaut mit den Figuren von Maria und Josef und dem Kind, den Hirten mit ihren Schafen und den Königen. Am Ende hatten sie schließlich die Geschenke unter den Baum gelegt. Anna hatte dabei einige Geschenke gesehen, auf denen ihr Name stand. Sie ahnte schon, was in dem großen Karton sein 141 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

würde. Aber bei anderen Geschenken, vor allem bei einem kleinen, das sich ganz weich anfühlte, wusste sie auch nach langem Überlegen nicht, was darin sein könnte. Sie hob es auf und hielt es lange in den Händen. Könnte sie nicht dieses kleine Geschenk schon jetzt öffnen? »Bitte, bitte, darf ich nicht wenigstens ein Geschenk aufmachen?«, fragte sie ihre Eltern. Doch die sagten: »Jetzt noch nicht, Anna. Warte noch bis nach dem Krippenspiel. Es dauert doch nicht mehr lange.« Doch für Anna wollte die Zeit bis zum Abend einfach nicht vergehen. Sie spielte mit den Krippenfiguren, stellte die drei Könige auf das Fensterbrett. Die hatten ja noch einen weiten Weg bis zur Krippe. Auch die Hirten und die Schafe gruppierte sie neu. Dazwischen fragte sie immer wieder: »Wie lange dauert es noch?« Die Erwartung auf den Abend ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder ging sie zum Weihnachtsbaum und sah nach ihren Geschenken. Die Zeit schien kaum zu vergehen und je länger Anna wartete, desto mehr fieberte sie dem Abend entgegen. Schließlich setzte sich Mama zu ihr auf das Sofa und legte ihr den Arm um die Schulter. »Du bist aber heiß«, sagte sie und legte ihr die Hand auf die Stirn. »Du fieberst ja richtig.« Und tatsächlich, Anna hatte Fieber. Vielleicht war die Erwartung so groß gewesen, dass sie davon am Ende Fieber bekommen hatte. Sie musste sich hinlegen und Mama deckte sie gut zu. Was sollte nun aus dem Heiligen Abend werden? In die Kirche würde Anna heute wohl nicht mehr gehen können. Sollte der Weihnachtsabend ohne ein Krippenspiel beginnen? Traurig lag Anna auf dem Sofa, die erste Träne rann über ihr Gesicht. Sie hatte sich doch so auf den Abend gefreut, auf den Weg zur Kirche mit Mama, Papa und ihrem Bruder. Sie wollte das Krippenspiel sehen und die wunderbare Stimmung in der Kirche miterleben. Aber es ging nicht. Anna musste 142 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

diesmal zu Hause bleiben. »Ihr geht heute ohne uns in die Kirche«, entschied Mama. »Ich bleibe mit Anna hier.« Der Heilige Abend begann in diesem Jahr für Anna anders als sonst. Ohne Gottesdienst. Mit ihrer Mama wartete sie und wartete. Draußen war es längst dunkel geworden. So lang wie in diesem Jahr war Anna das Warten auf den Weihnachtsabend noch nie vorgekommen. Immer wieder nahm sie das kleine, geheimnisvolle Geschenk in die Hände, das sich so weich anfühlte. Endlich kamen Papa und Christian aus der Kirche zurück. Sie wollten von dem Krippenspiel erzählen, das sie gesehen hatten. Aber Anna mochte nicht zuhören. Die Kerzen am Weihnachtsbaum sollten angezündet werden. Der Heilige Abend sollte beginnen. Nachdem die Kerzen brannten, sagte Papa: »Lasst uns erst mal die Weihnachtsgeschichte lesen und ein paar Weihnachtslieder singen, bevor wir die ersten Geschenke öffnen.« Aber Anna quengelte: »Darf ich nicht wenigstens das kleine Geschenk aufmachen?« »Na gut«, sagte Mama, »aber nur das eine Geschenk.« Anna strahlte. Sie nahm sich das kleine, weiche Geschenk, auf dem ihr Name stand, und öffnete es. Es war das kleine Schäfchen, das sie vor einigen Wochen in der Stadt gesehen hatte und unbedingt haben wollte. Voll Freude nahm sie es in die Hand und drückte es an sich. Dann las Papa die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor: »Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.« Anna hörte die vertrauten Worte. Als Papa zu Maria und Josef kam, die sich nach Bethlehem aufmachten, hatte sie eine Idee: »Wir spielen das Krippenspiel mit unseren Krippenfiguren!« Sofort waren alle Feuer und Flamme: »Wir spielen unser eigenes Krippenspiel hier im Wohnzimmer!« Der Stall und 143 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

die Krippe wurden auf eine Seite des Teppichs gestellt. Und als Maria und Josef zusammen mit einem Esel auf der anderen Seite bereitstanden, musste Papa das Weihnachtsevan­gelium noch einmal von vorn lesen. Anna bewegte die Figur der Maria zusammen mit dem Esel und Christian kümmerte sich um Josef. Langsam ging es in Richtung Bethlehem, während Papa vorlas: »Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa … damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.« Die Figuren hatten kaum die Hälfte des zur Bühne gewordenen Teppichs erreicht, da erklangen die Worte: »Und als die dort waren, kam die Zeit dass sie gebären sollte.« Nun mussten die beiden Kinder aber springen, um die heilige Familie auch rechtzeitig am Ort des Geschehens zu platzieren. Papa machte eine kleine Pause und so konnte das Jesuskind in Bethlehem noch rechtzeitig in die Krippe gelegt werden. Aber schon wieder hieß es für die Kinder, sich zu beeilen. Denn die Hirten, von denen nun die Rede war, mussten sich rühren und um ihre Schafe kümmern, als es von ihnen hieß, dass sie des Nachts ihre Herde hüteten. Als dann der Engel auftrat, um den Hirten die frohe Kunde zu bringen, dass ihnen heute der Heiland geboren sei, da hatten die Kinder Glück, dass im Bücherregal eine Engelsfigur stand. Denn so viele Figuren auch zur Krippe gehörten, ein Engel war nicht dabei. Anna nahm den Engel vom Regal und half ihm, den Hirten zu verkündigen: »Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids.« Doch schon waren wieder die Hirten am Zug und wurden von den Kinderhänden gen Bethlehem gebracht, zusammen mit dem Schaf, das Anna gerade erst ausgepackt hatte und das sie nun zusam144 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

men mit den Hirten dem neugeborenen Kind als erstes Geschenk brachte. Am Ende der Weihnachtsgeschichte sagte Anna stolz: »Nun haben wir unser eigenes Krippenspiel gehabt.« Und weil es allen gut gefallen hatte, wurde es noch einmal wiederholt. Denn einen Heiligen Abend ohne ein Krippenspiel kann sich Anna einfach nicht vorstellen.

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Gebete 

Tages- und Lobgebete Von Stephan Goldschmidt

1 Wie die Hirten und die Weisen so leite uns, Gott, dass wir dein Weihnachten finden: dein Wunder in unserer Armut. Lass uns nicht stehen bleiben, nicht aufgeben, bis uns dein Licht erleuchtet, dein Geheimnis uns anrührt, deine Liebe uns umfängt. Gott, du bist in unsere Welt gekommen in deinem Sohn Jesus Christus. Dafür danken wir dir und loben dich.

2 Heiliger Gott, wir kommen heute an diesem Weihnachtsabend zu dir, so wie wir sind: müde und zugleich aufgeregt, ungeduldig und voller Erwartung. In froher Erwartung lieber Gäste oder allein für uns. Wir kommen zu dir auf der Suche nach dem Zauber der Weihnacht, nach seiner Bedeutung und seinem Sinn. 146 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Wir bitten dich: Lass es Weihnachten werden in unseren Herzen, in unseren Familien und Häusern. Lass uns den Weg zur Krippe finden, zu dem Kind, in dem du uns nahe kommst, in dem du uns deine Liebe schenkst, in dem du uns erlöst und befreist.

3 Herr Jesus Christus, du bist das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet. Du bist in unsere Welt gekommen, um die Finsternis zu vertreiben. Wir bitten dich: Erleuchte unser ganzes Wesen mit deiner Gnade, dass wir dich, unseren Heiland, in deinem Wort und in den Zeichen deiner Liebe erkennen. Hilf uns, dass wir uns in der Dunkelheit dieser Welt an dich halten, der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit.

4 Barmherziger Gott, du bist uns durch die Geburt deines Sohnes nahe gekommen, wir dürfen deine Liebe schmecken und sehen, sie wird uns greifbar in dem Kind in der Krippe. Lass deinen Sohn auch in unseren Herzen immer wieder neu geboren werden, dass er auch für uns zum Heiland werde, zum Erlöser, der uns von der Last unseres Lebens befreit: 147 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

von zurückliegender Schuld, von dem Leid des Alters, von Krankheit und Tod. Komm uns nun nahe in dieser Stunde, damit deine Liebe für uns greifbar wird und wir mit ganzem Herzen dein Lob singen.

5 Dich loben möchte ich, Gott. Dich loben kann ich, Gott. Denn deine Liebe macht es mir leicht, deine Liebe zu sehen, und zu schmecken und zu fühlen. Dich preise ich, Gott. Denn deine Liebe war so groß, dass sie sich klein machen konnte, dass sie arm, nackt und bloß werden konnte. Deine Liebe war so groß, dass sie menschlich zu uns Menschen kommen konnte. Dich loben will ich, Gott, für deine Liebe, die so groß war, dass sie klein werden konnte, klein genug für mich, so dass ich sie mir gefallen lassen kann, ohne beschämt zu werden. Dich lobe ich Gott, für das Kind in der Krippe, das mich lachen macht trotz der Trostlosigkeit meines Herzens und meiner Welt. Für das Kind in der Krippe lobe ich dich, das mich staunen macht, dass auch ich wieder Kind sein darf, dass ich wieder neu anfangen kann, damit überall deine Liebe zu lachen und zu leuchten beginnt. Gott, dich lobe ich in alle Zeit und Ewigkeit. 148 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Gebete 

Fürbittgebete Von Stephan Goldschmidt

1 Lass es Weihnachten werden, Herr unser Gott, in unseren Gedanken und Gefühlen, dass wir hinter den geschmückten Straßen und Geschäften dein Kommen in diese Welt entdecken und uns dafür bereit machen. Lass es Weihnachten werden für die Benachteiligten in unserer Welt, denen so viele Möglichkeiten genommen sind. Lass uns erkennen, dass du Mensch geworden bist, uns von den Mächten der Unterdrückung zu erlösen. Lass es Weihnachten werden für die, die hungern müssen, die nur schweren Herzens Weihnachten feiern können, die Mangel leiden und sich nach Gerechtigkeit sehnen. Lass uns erkennen, dass du gekommen bist, die Niedrigen zu erhöhen und aufzurichten. Lass es Weihnachten werden für unsere Welt, die unter dem Streit und dem Krieg leidet und ächzt. Lass Frieden einziehen, wo der Hass regiert damit alle Menschen ohne Angst leben können. Lass es Weihnachten werden für die ganze Welt, für unsere Nächsten und für uns selbst. 149 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

2 Heiliger Gott, wir machen uns heute wieder auf die Suche nach der wahren Weihnacht, nach dem Licht, das von der Krippe ausgeht. Wir danken dir, dass du uns in deinem Sohn begegnen willst, der nicht in einem Palast geboren wurde, sondern in einem armseligen Stall. Hilf uns, den Weg zu ihm zu finden. Lass uns in dem Kind in der Krippe dich erkennen, der du auch zu uns kommst, damit wir aufleben und innerlich froh werden. Hilf auch den Einsamen und Kranken, den Trauernden und Leidenden den Weg zum Kind in der Krippe finden, dass sie dort aufgerichtet und getröstet werden. Zeige auch denen den Weg in den Stall von Bethlehem, die sich auf den heutigen Abend nicht freuen können, zu denen, die heute kein einziges Geschenk bekommen. Und weise auch den Fröhlichen und Glücklichen den Weg zur Krippe, damit das Licht deines Sohnes auch bei ihnen leuchtet. Lass das Licht der Weihnacht alle Dunkelheit durchdringen und alle Finsternis erhellen, damit sich die Weihnachtsfreude in uns und aller Welt ausbreite.

3 Gott, deine Engel kamen in der heiligen Nacht zu den Hirten und haben sie froh gemacht. Du schenkst dein Licht her denen, die im Elend leben, 150 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

erfüllst ihr Leben mit dem Glanz deines Heils. So komm und bleibe mit deinem Licht auch bei uns und bei allen, für die wir dich bitten: Komm zu denen, die in diesen Tagen krank und einsam sind, die sich bedroht fühlen oder Sorgen haben. Komm zu denen, die in diesen Tagen um einen geliebten Menschen trauern und sich mitten in dieser Freudenzeit nicht freuen können. Komm zu denen, die nicht miteinander zurechtkommen in ihren Familien, an ihren Arbeitsstellen, in ihrer Nachbarschaft. Komm zu denen, die hungern müssen nach dem zum Leben Notwendigen, nach Arbeit, nach Anerkennung, nach einer Wohnung und dem bergenden Gefühl, zu Hause zu sein. Komm zu denen, die in Angst leben vor Krieg und Gewalt, die in unerträglichen Verhältnissen ihr Leben fristen, die in Schrecken und Trauer versinken. Komm zu denen, die sich in Hass verrannt haben, die brutal und menschenverachtend ihre Ziele verfolgen, die gewissenlos zum Krieg und Terror aufrufen. Du Gott des Friedens, erbarme dich über deine Welt, sende Boten des Heils in die Dunkelheit, und mach auch uns zu Helfern deines Friedens.

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Ausklang 

Die Krippe im Koffer.

Christnacht-Predigt zu 2 Samuel 7,1–14 Von Charlotte Scheller

In einer Krippenausstellung hat mich eine Darstellung aus Polen besonders berührt. Die Krippe ist klein, mit beweg­ lichen Figuren, aus weichem Holz geschnitten, etwa daumenlang, in einfacher Weise bemalt. Kaum größer als eine Zigarrenkiste ist der Stall, zum Betrachter hin geöffnet wie ein winziger Klappaltar. Darüber ein Giebel wie bei einem Haus. Von der Spitze aus verläuft eine Linie in der Rückwand senkrecht nach unten. Sie kreuzt sich mit der Decke des Stalls. Unter diesem Kreuz liegt das Kind in der Futterkrippe. Darüber gebeugt stehen Maria und Josef. Rechts und links von ihnen, grob geschnitzt, Ochse und Esel. Im rechten Türflügel drei Männer. Weiße Kragen über den Mänteln, glänzende Kronen auf den Köpfen, Gold in den Händen. Die Könige. Sie verbeugen sich vor dem Kind. In der linken Tür eine einzelne Gestalt. Weißes Gewand. Goldene Schwingen. Ein Engel. Er hat einen Arm erhoben, senkrecht, über die Wände des Stalls hinaus. Die Gesichter sind zur Mitte hin gerichtet, zum Kind. Sie leuchten. Eine ruhige Freude geht von der Szene aus. Maria und Josef und das Kind. Der Engel auf der einen Seite zeigt: Die Freude 152 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

kommt von Gott. Die Könige auf der anderen Seite sagen: Die Freude umfasst die ganze Welt. Der Stall lässt sich zu einem Kästchen zusammenklappen, alle Figuren passen hinein. Die Unterkunft der Familie kann jederzeit abgebrochen werden. Die Freude ist vorübergehend. Der die Krippe geschaffen hat, hat die Flucht im Blick und das Kreuz. Aus einer anderen Welt kommt der Friede, den ich beim Anschauen verspüre. In dieser Welt, in meinem Alltag hat er keinen Bestand. Vielleicht, denke ich, hat einer die Krippe mitgeschleppt auf seinem Lebensweg und sie von Zeit zu Zeit aufgeklappt. Ob er sich hat öffnen können für die Freude über die Geburt des Kindes? Gott ist Mensch geworden. Die Nachricht hat Bestand. Sie hat sich in der Welt ausgebreitet und die Zeiten überdauert. Die, die von Christus erzählen, sehen in seiner Geburt Gottes alte Verheißung erfüllt. Er ist das Licht, von dem einst die Propheten gesprochen haben. Er ist der Spross aus dem Stamm Isais, auf dem Gottes Geist ruht. In Bethlehem ge­boren. Ein Nachkomme Davids. Ein neuer, ein ganz anderer König. – Hören wir, wie Gott dem David diesen Nachkommen ankündigt: Als nun der König in seinem Hause saß und der Herr ihm Ruhe gegeben hatte vor allen seinen Feinden umher, sprach er zu dem Propheten Nathan: Sieh doch, ich wohne in einem Zedernhause, und die Lade Gottes wohnt unter Zeltdecken. Nathan sprach zu dem König: Wohlan, alles, was in deinem Herzen ist, das tu, denn der Herr ist mit dir. In der Nacht aber kam das Wort des Herrn zu Nathan: Geh hin und sage zu meinem Knecht David: So spricht der Herr: Solltest du mir ein Haus bauen, dass ich darin wohne? Habe ich doch in keinem Hause gewohnt seit dem Tag, da ich die Israeliten aus Ägypten führte, bis auf diesen Tag, sondern ich bin umhergezogen in einem Zelt als Wohnung. 153 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Darum sollst du nun so zu meinem Knechte David sagen: So spricht der Herr Zebaoth: Ich habe dich genommen von den Schafhürden, damit du Fürst über mein Volk Israel sein sollst, und bin mit dir gewesen, wo du hingegangen bist, und habe alle deine Feinde vor dir ausgerottet; und ich will dir einen großen Namen machen gleich dem Namen der Großen auf Erden. Und der Herr verkündigt dir, dass der Herr dir ein Haus bauen will. Wenn nun deine Zeit um ist und du dich zu deinen Vätern schlafen legst, will ich dir einen Nachkommen erwecken, der von deinem Leibe kommen wird; dem will ich sein Königtum bestätigen. Der soll meinem Namen ein Haus bauen, und ich will seinen Königsthron bestätigen ewiglich. Ich will sein Vater sein und er soll mein Sohn sein. (2 Sam 7,1-14 i.A.) Etwas völlig anderes als ein Stall ist das Haus, das David für Gott bauen will. Der große König ist auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn angelangt. Gott hat ihm Ruhe vor seinen Feinden geschenkt, Frieden und Wohlstand. David bewohnt einen Palast aus edelsten Hölzern. Aber Gott wohnt immer noch unter Zeltdecken. In einem Zelt steht die Bundeslade, der Schrein, in dem Gottes heilige Gegenwart angebetet wird. David wünscht sich einen angemessenen Ort zum Beten. Ein Haus, das der Kraft und der Herrlichkeit Gottes entspricht und in dem er sich der Nähe Gottes sicher ist. Mit seinem Ratgeber Nathan hat er seinen Plan besprochen. Der hat ihn gut geheißen. Aber in der Nacht redet Gott mit Nathan. »Geh hin und sage meinem Knecht David: Solltest du mir ein Haus bauen, dass ich darin wohne?« Der Schöpfer und Erlöser entscheidet selbst, wo er Wohnung nehmen will, so wie er es auch in der Vergangenheit getan hat. Er ist seinem Volk nahe gewesen auf der langen Wanderung durch die Wüste. Er ist David nahe 154 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

gewesen, als er von der Schafweide geholt und zum König gesalbt wurde. Durch die ganze Geschichte hindurch hat Israel, hat David das erfahren: Gott ist mit uns. Tag und Nacht. In der Wolke. Im Feuerschein. Auf der grünen Weide und im finstern Tal. Aber festlegen, eingrenzen auf einen Ort, lässt sich der Allmächtige nicht. Was als Zurechtweisung begonnen hat, endet in einer Verheißung: »Der Herr will dir ein Haus bauen.« Aus Davids Haus, aus seiner Familie werden noch mehr Könige hervorgehen. Sein Sohn Salomo soll dem Namen des Herrn ein Haus bauen, weil Gott es so will, einen Ort, an dem sie sich miteinander an seine Treue erinnern und seinen Namen, »Ich werde bei euch sein«, preisen können. Aus Davids Haus wird schließlich der Retter hervorgehen, dessen Königsthron Bestand hat für alle Zeiten. Gottes Sohn. Damit kommen wir zurück zur Krippe. Nicht in einem Palast ist der Retter geboren. Da haben ihn die Weisen vergeblich gesucht. Sie finden ihn im Stall. In einer Not-Unterkunft. Und doch haben die Christen die alten Weissagungen auf ihn bezogen. Das ist er, der verheißene König. Da in dem Stall! Was Gott dem David gesagt hat, gilt nun allen Menschen. Auch mir. Auch dem, bei dem sich trotz aller Vorbereitungen diesmal die Weihnachtsfreude nicht einstellen will. Solltest du mir ein Haus bauen? Gott selbst sorgt dafür, dass er bei dir wohnen kann! Ich seh mir die Krippe noch einmal an in dem Kästchen. Maria und Josef und das Kind. Die Könige. Der Engel. Die leuchtenden Gesichter. Die Freude ist vorübergehend. Der Friede hält nicht an. Die heilige Familie muss weiterziehen. Auch mein Lebenshaus ist provisorisch. Palast oder Stall?

155 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Die Sehnsucht nach Glauben bleibt. Nach einem prächtigen Tempel, der die anderen von der Macht Gottes überzeugt. Und mich selbst. Oft sehe ich nicht, wie Gott wirkt in meinem Leben. Wie schön wäre es, wenn es einen festen Platz gäbe, an dem er sicher anzutreffen ist! Eine Bundeslade. Einen Tempel. Eine Krippe zum Immer-bei-mir-Tragen. Einmal, am Ende, werden wir ihn sehen. »Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen«, so beschreibt der Seher Johannes die Gegenwart des Allmächtigen am Ende der Zeit. Dann wird die ganze Welt erkennen, dass Gott der Herr ist. Einstweilen begegnet er uns in dem Kind in der Krippe. Denn darauf hat er sich festgelegt, dass er in Jesus zu finden ist. In dem neugeborenen Kind. In dem Mann am Kreuz. In dem auferstandenen Herrn. Auch wenn ich nicht so ein aufklappbares Krippen­kästchen habe, kann ich das Bild von seiner Geburt in mir tragen und es immer wieder anschauen und abwarten, was sich widerspiegelt in mir von seinem Licht.

156 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630587 — ISBN E-Book: 9783647630588

Drei Bände der Dienst am Wort-Reihe zum Thema »Symbole« im Gottesdienst

Stephan Goldschmidt

Dienst am Wort Sonderausgabe Symbole Gottesdienste mit Symbolen / Gottesdienste mit Symbolen II / Kasualgottesdienste mit Symbolen 2014. 436 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-63057-0 Auch als eBook erhältlich. Format(e) und weitere Infos siehe www.v-r.de

Diese Sonderausgabe bietet die drei Bände »Gottesdienste mit Symbolen«, »Gottesdienste mit Symbolen II« und »Kasualgottesdienste mit Symbolen« von Stephan Goldschmidt in einer thematischen Zusammenstellung. In der Praxis erprobte Gottesdienstentwürfe mit Symbolen können auch kirchenferne Menschen wieder neu ansprechen und erreichen. Kasualgottesdienste stehen immer im Kontext von individuellen Lebensgeschichten und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Viele Menschen, die sich weit von Kirche und Glauben entfernt haben, kommen durch Kasualien wieder in Berührung mit beidem.

www.v-r.de

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Die Sonderausgabe zum Thema »Jugendliche und Konfirmation« Gabriele Persch / Max Koranyi

Dienst am Wort Sonderausgabe Jugendliche und Konfirmation Gottesdienste mit Jugendlichen / Gottesdienste zur Konfirmation / Gottesdienste rund um die Konfirmation 2014. 346 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-63056-3 Auch als eBook erhältlich. Format(e) und weitere Infos siehe www.v-r.de

Diese Sonderausgabe bietet die drei Bände »Gottesdienste mit Jugendlichen«, »Gottesdienste zur Konfirmation« und »Gottesdienste rund um die Konfirmation« in einer thematischen Zusammenstellung. »Jugendgottesdienste« befassen sich mit Themen aus dem Konfirmandenunterricht und richten sich nicht nur an Jugendliche, sondern an alle Gemeindemitglieder. Die Vorschläge von Max Koranyi haben ein Symbol, einen Dialog oder eine Geschichte zum Thema, das die Jugendlichen gerne in Erinnerung behalten. Er stellt außerdem Entwürfe zu verschiedenen Gottesdienstformen vor, die sich unterstützend und ergänzend auf die große Feier der Jugendlichen beziehen.

www.v-r.de

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