210 55 10MB
German Pages 42 [48] Year 1937
Die Weisheit des Predigers Salomo von
Walther Zimmerli Zürich
Berlin Verlag von Alfred Töpelmann !93 6
Aus der Welt der Religion Forschungen und Berichte, unter Mitwirkung von H e i n r i c h F r i c k und R u d o l f O t t o herausgegeben von E r i c h F a s c h e r und G u s t a v M e n s c h i n g Biblische Reihe, Heft
n
Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Printed In Germany
Jeder Mensch, der im Kampfe mit den Mächten der Wirklichkeit sein Leben geformt hat, wird unser Interesse verdienen. Weil die Wirklichkeit, die uns begegnet, zu allen Zeiten dieselbe gewesen ist, werden wir immer auch ein wenig unser eigenes Leben in solch einem Kampfe erkennen. Wir haben vielleicht anderes auf unseren Weg mitbekommen. Aber das Leben, das uns heute begegnet, ist im tiefsten Grunde dasselbe, das den Menschen vor Tausenden von Jahren begegnet ist. Jener anonyme Weise im 3. vorchristlichen Jahrhundert 1 ), der unter dem durchsichtigen Pseudonym eines Davidssohnes Kohelet, mit dem er wohl Salomo, den reichsten und weisesten König seines Volkes meinen dürfte 2 ), seine Lebensweisheit niederschreibt, ist dem wirklichen Leben begegnet. Dieses Mannes Fragen, Überlegen und Entscheiden mag darum wohl für eine Stunde unser Interesse gewinnen 3 ). Eines jeden Menschen Weg wird von dem Erbe ausgehen, das er von Vorfahren und Lehrern mitbekommen hat. Durch die Begegnung mit der Wirklichkeit hindurch wird sich ihm dieses Erbe ausreifen und gestalten zu seinem eigenen Besitz. ! ) Zu dieser Datierung vgl. Hertzberg: Der Prediger (KAT) 1932, S. 22ff. Podechard: L'ecclésiaste, 1912, S. 119—122. Galling, ThR 1934. 357. — Ansetzung um 200 Volz SchrAT2 III 2 Hiob und Weisheit, S. 233. 2 ) Die Überschrift 1, 1 wird, auch wenn sie nicht von Kohelet selber stammen sollte, den Sinn der nur in den beiden ersten Kapiteln des Buches aufrecht erhaltenen Fiktion treffen. 3 ) Antrittsvorlesung, in etwas verkürzter Form gehalten am 25. Januar 1936 an der Universität Zürich. — Die Ausführungen gehören eng mit dem Aufsatz in ZAW 1933 S. 177 ff. (Zur Struktur der alttestamentlichen Weisheit) zusammen und versuchen die dort angedeuteten Linien für Kohelet zum Gesamtbild auszuziehen. 1*
4 Kohelet bekommt ein reiches, in jahrhunderte-, ja jahrtausendealter Tradition gebildetes Erbe mit auf den Weg. ». . . Kohelet war ein Weiser, er lehrte . . . das Volk Erkenntnis, er wog ab und prüfte, er formte viele Sprüche«, sagt ein Schüler in dem ersten Nachtrag, der des Kohelet Eigenworten zugefügt ist 1 ). Wir erkennen in diesen Worten einen klar umrissenen Menschentyp: Den Weisen. — Man wußte längst, daß der Typus des Königs, des Priesters seine alte Vorgeschichte hat, die weiter hinter die israeütische Geschichte zurückreicht. Man weiß heute, daß auch der Typus des Weisen seine Vorgeschichte hat 2). Aus Ägypten und aus Mesopotamien, den beiden großen Brennpunkten altorientalischer Kultur, lernen wir ihn kennen. — Der Weise ist Vertreter einer bestimmten Bildungsschicht stark internationaler Prägung. Es ist der höhere Beamte, der durch seine Stellung angewiesen ist auf größere Weite des Blickes, der wohl auch als sprachen- und schriftkundiger Mann in die Dienste eines fremden Königs geht. Am ägyptischen Hofe begegnen uns mehrfach solche ausländischen Schreiber, wir dürfen da auch an die Gestalt Josephs, des Wesirs am Hofe des Pharao erinnern. Der Schreiber Davids ist, wie sein Name nahelegt, ein Babylonier gewesen 3), derjenige Hiskias ein Aramäer 4). — Die SchreiberWeisen sind Männer der Praxis. Die ägyptische Streitschrift des Papyrus Anastasi I. 5), welche den wohl von Anfang an als literarisches Kunstwerk verfaßten Federkrieg zweier Schreiber enthält, gewährt uns deutlichen Einblick in das 12 9. Vgl. Greßmann: Israels SpruchWeisheit im Zusammenhang der Weltliteratur, 1926. — W. Baumgartner: Israelitische und altorientalische Weisheit, 1933. — Ders.: Die israelitische Weisheitsliteratur. ThR 1933, 259 ff. Hier weitere Literaturangaben. s ) KBhS» (KEhtf) 1. Reg. 4 3; 1. Chron. 18 16; vgl. tn!> 2. Sam. 20 25. 4 ) n33S> ( K » t f ) 2. Reg. 18 18.26. (37; 19 2, Jes. 2215; 36s.il.22; 37 2). s ) A. Erman: Die Literatur der Ägypter, 1923, S. 270ff. 2)
5 Pflichtenheft eines solchen Weisen: Er soll es verstehen die Ausgrabung eines Teiches zu organisieren, Rampen für die Hochbeförderung von Blöcken beim Pyramidenbau zu erstellen und die Zahl der dazu nötigen Ziegel zu errechnen. Den Transport eines Obelisken muß er berechnen, er muß die fremden Länder und ihre Städte kennen, muß reisegewandt sein usw. — Wir vermögen aber auch die geistige Haltung dieser weisen Schreiber zu erkennen. Die in ihren Kreisen erwachsenen Lehrschriften x ) geben uns wertvolle Aufschlüsse. Da sucht der alte Wesir, oder gar der alte König selber dem Sohn die Gesetze der Welt klarzumachen und belehrt ihn über sein Verhalten in den mancherlei Lebenslagen. Wie hat er sich am Hof zu benehmen, wie im Hause des Angesehenen, wie gegen den Bittsteller, gegen die Frau ? Es ist eine ausgesprochen praktisch orientierte Lebensklugheit. Auch wo stärker religiöse Töne laut werden und gelegentlich edle Anweisungen ein warmherzigeres Empfinden verraten 2 ), bleibt der Orientierungspunkt immer des Menschen Verhalten. Wie werde ich des Lebens am besten Herr? Das ist die Frage, welche den Weisen zutiefst beschäftigt. Die meisten Lehren sind getragen von dem zuversichtlichen Glauben: Es ist möglich, klug und vorsichtig die bösen Klippen des Lebens zu umfahren, wenn einer nur recht willig auf die von Vater und Vorvätern stammenden, ehrwürdigen, durchs Alter geheiligten und bewährten Regeln hört 3 ). — Es ist nicht verwunderlich, daß dieser Lebensklugheit leicht ein starkes Selbstbewußtsein eignet, das den ^ Erman, I.e. 86fl. 242ff. 294fi. — R. Anthes: Lebensregeln und Lebensweisheit der alten Ägypter (AO 32, 2) 1933. 2 ) Bes. in der babylonischen Weisheit, vgl. Greßmann AOT2 291 ff. — Meißner: Babylonien und Assyrien II (1925), S. 420ff. 3 ) Erman, 1. c. S. 97: »Ein Sohn, der gehört hat, ist ein Horusdiener. Es geht ihm gut, nachdem er gehört hat. Wenn er alt geworden ist und die Ehrwürdigkeit erreicht hat, so redet er ebenso zu seinen Kindern und erneuert die Lehre seines Vaters«. Vgl. den ganzen Schluß der Lehre des Ptahhotep S. 96—98.
6 verachtet, der des Lebens nicht Herr zu werden vermag und sich in den Nöten der Welt abplagt Aus diesen Zusammenhängen heraus, gliedhaft mit ihrer Umwelt verbunden, wächst auch die Weisheit Israels. Vielleicht fragt sich einer: Wie ist es möglich, daß diese altorientalische Weisheit, die in Ägypten und Babylon auf polytheistischem Mutterboden wächst, unbesehen in das streng monotheistische Israel einströmen kann? Ein kurzer Blick auf die ägyptischen und mesopotamischen Weisheitslehren und -Sprüche beantwortet uns die Frage. Der internationale Charakter dieses Bildungsgutes erweist sich gerade in dem starken Zurücktreten aller nationalen Eigentümlichkeiten. Das Götterpantheon verschwindet weitgehend hinter »der Gottheit«, die wohl in Ägypten gelegentlich noch Re oder Thot, in Babylon Schamasch heißen mag, die aber meist nur in ihren allgemeinen Zügen von Bedeutung ist. Eine bloße Änderung des Gottesnamens konnte hier in den meisten Fällen jedes Hindernis für die Übernahme nach Israel beseitigen 2 ). Die Normalform atlicher Weisheit haben wir in den Proverbien vor uns. Wir erkennen hier die schon berührten Züge, die der ganzen Weisheit des alten Orients eigen sind: Eine nüchtern-praktische Haltung, die des erfahrbaren Lebens Herr werden will, nicht nur einer hinter den Dingen liegenden gedanklichen Wirklichkeit. Die nicht in Glaubens-, sondern in Erfahrungssätzen redet. In ihrer Form 8 ) zeigen besonders die älteren Spruchsammlungen innerhalb Proverbien eine bemerkenswerte formelle Zucht. Es sind durchgehend einzeilige Sprüche, zum großen Teil im Metrum des Doppeldreiers, zuweilen Pap. Anastasi I.; das Lob des Schreiberstandes in der Lehre des Duauf. Erman 1. c. S. 101 ff. Vgl. 246—252. 2 ) Vgl. zu dieser Übernahme nach Israel vor allem J. Fichtner: Die altorientalische Weisheit in ihrer israelitisch-jüdischen Ausprägung (BZAW 62), 1933.3 ) Dazu vgl. ZAW 1933, 183 ff.
7
auch im Doppelvierer gefaßt. In den jüngeren Sammlungen lockert sich die Form auf. Doch verrät auch ein Vergleich der dritten Sammlung mit ihrer durch Erman und Greßmann nachgewiesenen ägyptischen V o r l a g e d e n Willen zur strengeren Zucht und Prägnanz der Rede. Der formellen Entstraffung und Auflockerung der Weisheitssprüche geht parallel eine innere Verschiebung. Während die alten Sammlungen fast ausschließlich allgemeine Erfahrungsregeln in der Form einer Aussage enthielten, zeigen die Sprüche der jüngeren Sammlungen in' steigendem Maße die Neigung zur Paraenese. Die im Leben erkannte Erfahrungsregel gibt den Stoff zu einer Mahnung. In den alten Sammlungen blieb es dem Hörer überlassen, sich die Folgerung selber zu ziehen, die jüngeren Sprüche sprechen die Folgerung ausdrücklich aus. Die alten Sprüche stellten fest: »Werseinen Stock spart, haßt seinen Sohn, wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn bald 2 )«. Die jüngere Form mahnt direkt: »Erspare dem Knaben die Zucht nicht; schlägst du ihn mit dem Stock, so stirbt er nicht. Wohl schlägst du ihn mit dem Stock, dafür wirst du sein Leben vom Tode erretten« 3 ). — Paraenese hat immer die Neigung zur Breite, das merken wir schon an diesem kurzen Vergleich. So kleidet sich denn die Lehre der Weisheit in der jüngsten Sammlung des Proverbienbuches4) in das Gewand breiter, predigtartiger Ermahnung. Es ist eine Aufgabe, die der Erledigung noch harrt, einmal den Beitrag der Weisheit zur Paraenese und Predigt — zunächst einmal im AT — darzustellen 5 ). — In der eben skizzierten Entwicklung des Spruches erkennen wir wieder die zwei Grundrichtungen der Weisheit: Sie will dem Weltlauf seine Gesetze ablauschen —sie will lehren, mahnen, erSBA 1924 S. 86ff. — ZAW 1924, 272fi. 13 24. 3 ) 23 13 f. «) 1—9. 5 ) In diesem Zusammenhang wird auch die, soweit ich sehe, bisher noch nicht behandelte Frage: Deuteronomium und Weisheit einmal zur Sprache gebracht werden müssen. 2)
8 ziehen. Dasselbe, was auch die ägyptischen Lehren wollen. Die Verwandtschaft israelitischer und altorientalischer Weisheit reicht bis tief in die innere Haltung hinein. Darüber dürfen uns äußere Unterschiede nicht hinwegtäuschen. In Ägypten trafen wir die standesmäßige Beschränkung der Weisheit auf die höheren Kreise der Beamten, des Königshauses. In Israel fehlt diese Schranke. Die israelitische Weisheit ist demokratischer. Die leichtere Zugänglichkeit der Schrift in Israel mag mit daran schuld sein. Schreiben und Lesen ist hier nicht so ausschließliches Standesvorrecht wie in Ägypten, wo die Erlernung der Hieroglyphenschrift lange Schulung benötigte. Wir müssen auch auf die demokratischere Haltung Israels, die in der Königszeit immer wieder durchbricht, hinweisen. So fällt die äußere Standesschranke der Weisheit. Der israelitische Weise sieht äußerlich anders aus, als der ägyptische. In ihrer tiefsten Fragestellung aber ist die israelitische Weisheit der ägyptischen gleich. Es ist für das Verständnis des Kohelet wichtig, daß wir den Standort dieser Fragestellung scharf erkennen 1 ). Ausgangsort der Weisheit ist der natürliche Lebenswille des Menschen, der nun an die Welt herantritt mit der Frage: Was bietet mir das Leben ? Es ist der Mensch, der hier noch gänzlich frei, von keiner Seite her mit Beschlag belegt, seine Frage an das Leben stellt. — Es ist immer wieder aufgefallen, daß in den Proverbien das von Jahwe erwählte Bundesvolk Israel, dessen Glied der Weise ist, und das sonst im AT meist den natürlichen Rahmen für den Glauben des Einzelnen bildet, gar keine Erwähnung findet. Es ist hier eben wirklich jede vorausliegende Bindung abgelehnt, der Mensch tritt unbeschwert, autonom an das Leben heran und mustert es unter der doppelten Frage: Wie sichere ich mich vor seinen Gefahren? und: Wie schaffe ich mir einen höheren Grad eigener Befriedigung im Leben? Wer in dieser Weise sein Leben »satt« zu machen versteht, das ist der Weise. ! ) ZAW 1933, 177ff.
9 Mit diesem Wort: Sattwerden dürften wir die innerste Absicht des Weisen getroffen haben. Es ist kein titanisches Greifen nach den Sternen, ist im Grunde ein recht bürgerliches Ideal, das uns in den Proverbien nach seinen verschiedenen Seiten hin deutlich wird. Zum körperlichen Sattsein x ) 2 gehört die volle Scheune ), der Besitz3). Zum Sattwerden eines Menschen gehört es auch, ein schönes Alter zu erreichen 4) — die Patriarchengestalten der Genesis, welche »alt und lebenssatt sterben«5), sind in mehr als einem Zuge nach dem Ideal des Weisen gezeichnet. Friede 6) und Ruhe 7), Ehre unter den Mitmenschen 8), eine reiche Nachkommenschaft 9) und ein guter Name über das Grab hinaus 10 ), das vervollständigt das Wunschbild des Weisen. Das ist »Leben« u ) , wie es sich der Weise wünscht. Der Weise glaubt an die Erreichbarkeit dieses Wunschbildes. Wer den Schlüssel zum Getriebe der Welt gefunden, wer Einsicht in die Gesetze ihres Ablaufs bekommen hat, wird als kluger Steuermann den rechten Kurs zu steuern wissen. Und das eben ist das Vorrecht des Weisen, daß er die mancherlei Regeln des Weltlaufes zu erkennen und in seinem Handeln zu beachten versteht. — Wer nicht arbeitet, bringt es zu nichts. Also: Arbeite! 12 ) Wer sich zu hitzig mit Worten in einen Streit mischt, bekommt selber die Schläge zu spüren. Darum: Sei vorsichtig mit deinen Worten! 13) Wer sich einem anderen als Bürge zur Verfügung *) 13 25 Der Gerechte hat zu essen, bis er satt ist, aber der Bauch der Gottlosen muß Mangel leiden. V g l . 1 2 l l . l 4 ; 1820; 19,23; 2013; 28 18 ( = 12, 11). Indirekt auch 610; 30 22. — S. u. noch S. 10 Anm. 3. — Auch das Geschick des Bösen kann als ein Sattwerden beschrieben werden, satt freilich mit Bösem. 1 31; 14 14. 2 3 ) 310. ) 3 ie; 818; 1015 ( = 1811) u. ö. 5 *) 32; 1681; 20 29b u. ö. ) Gen. 2 5 s ; 36 29. «) Olbtf 32. 17. 8 ') ¡Tfetf 17 l. ) TQ3 335; 1533; 1812; 29 23. Btf 221. 10 ») 17e. ) 107. 11 ) Vgl. ZAW 1933, 198 ff. " ) 6 6 ff. 10 4 f. u. ö. Vgl. Meißner, I.e. 424. « ) 1019; 161; 186; 20s, Meißner I.e. 421.
10 stellt, hängt schließlich selber. Darum: Hüte dich, Bürge zu sein! Wer zu oft einen Freund besucht, wird ihm schließlich lästig. Darum: Sei zurückhaltend mit deinen Besuchen! 2) Der Weise erkennt, daß eine der großen Regeln eines klüglichen Lebens heißt: Vorsicht, Zurückhaltung. Mr|8év óyocv 3 ). Der Weise erkennt aber noch tiefere Schichten des Lebens. Vorsichtig, schlau kann auch ein Schurke sein. Ein Weiser wird aber nie ein Schurke; denn er erkennt, daß in der Welt das Böse doch immer wieder seine gerechte Strafe bekommt. Es ist ein fundamentaler Satz der Welterkenntnis des Weisen, der in Israel im Vergleich mit anderer alt orientalischer Weisheit besonders konsequent durchgehalten wird, daß das Böse sich schließlich mit Bösem, das Gute mit Gutem bezahlt. Alles Böse und Übermütige erfährt schließlich, was ihm gehört. Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Hochmut kommt vor dem Fall. So lesen wir im Spruchbuch 4). Aber auch an Gott geht die Welterkenntnis des Weisen nicht vorbei. In steigendem Maße findet in den Proverbien der Gedanke an Gott seine Stelle. Besonders die jüngste Spruchsammlung 6 ) ist durchwärmt von einer lebendigen 2 !) 6 iff.; I i i s ; 1718. ) 25i7. 3 ) Diese Mäßigung und Zurückhaltung leitet im Grunde auch schon das Sattheitsstreben des Weisen. Auch das Verlangen nach Sattheit darf nicht übertrieben werden zur nimmersatten Gier. Es sind unheimliche und die Harmonie des »Normalen« störende Dinge, welche nicht satt werden können: Die Scheol, das unfruchtbare Weib, die nach Wasser dürstende Erde, das Feuer 30 16; 27 2oa. — Es wird schon die Grenze der Durchschnittsweisheit sichtbar, die dann Kohelet überschreitet, wenn einmal festgestellt wird, daß jeder Mensch in seinem Auge (und dem dahinter wartenden Verlangen) etwas Unersättliches in sich trägt (27, 20b). S. u. S. 15 Anm. 1. Das bricht aber nur ganz vereinzelt auf. Im Allgemeinen muß die Weisheit nicht warnen vor dem Nicht-Sattwerden-Können, sondern vor den bösen Folgen der Übersättigung, leiblich (25 16), wie geistig (30 9). — Mit der gleichen Mahnung zum Maßhalten muß natürlich auch das Streben nach Reichtum korrigiert werden 234; 28 20 u. ö., am stärksten 308. 4
) 26 27; 11 2.
6
) 1—9, bes. cap. 3.
11 Frömmigkeit. Gott ist der große Herr der Welt, seine Gedanken sind höher als der Menschen Gedanken, aber sein Handeln in der Welt geschieht nach den klaren Gesetzen gerechter Vergeltung. Das wird der Weise erkennen. Und wird darum erkennen, daß »Gottesfurcht der Weisheit Anfang« 1 ), d. h. erste und wichtigste Regel ist. Wer fromm ist — das ist in der Weisheitssprache der Sinn von Gottesfurcht — der wird »Leben«, d. h. volle Sättigung und Lebenserfüllung erreichen 2 ). So sieht die optimistische Weltschau des Weisen aus. Er weiß: Das Weltgeschehen folgt in seinem Ablauf ganz bestimmten Gesetzen. Die Welt ist Ordnung, KÖcrpos, auch Gott hält sich an diese Gesetze und sprengt sie nicht. Er ist Krönung und Garant dieser Ordnung, deren inneres Gefüge der Beobachtung des Weisen zugänglich ist. Der Weise kann den Schlüssel zur Weltgesetzlichkeit finden. Vom Toren weiß er sich unterschieden durch seinen Blick auf das Ende, den Ausgang der Dinge in der Welt. Der Tor läßt sich mit der Dirne ein, ergibt sich maßlos dem Wein, stürzt sich in den Streit, während der Weise in alledem das Ende überlegt und auch seinem Schüler einschärft, allenthalben das Ende zu bedenken 8 ). Nur des weisen Handelns Ende ist ein gutes Ende. Wir haben mit all dem Gesagten die Normalform israelitischer Weisheit umrissen. Klug, rechtschaffen, mit frommer Scheu vor Gott, aber in guter Zuversicht, daß er das Leben meistern und sein menschliches Verlangen zu sättigen vermag, scharf und verachtungsvoll sich abgrenzend vom Toren, der solche Einsicht nicht hat — das ist die Gestalt des israelitischen Weisen. !) 1T; 910. 2 ) Nicht anders in Babylon. »Gottesfurcht erzeugt Wohlergehen, Opfer verlängert das Leben und Gebet löst Sünde«. Meißner, 1. c. 422. — Die stärkere Betonung des Kultus ist Kennzeichen der babylonischen Weisheit. 3 ) 54.11; 2332; 26s.
12
Kohelet war ein Weiser. Wir haben uns über das Erbe, das Kohelet von der Weisheit auf den Weg bekommen hat, Klarheit zu verschaffen gesucht. Wenn wir nun an seine eigenen Worte herantreten, so verrät uns schon eine flüchtige Durchsicht derselben, daß Kohelet in der Tat sichtbar dieses Erbe mit sich trägt. Da begegnen uns unter seinen Worten des öfteren die kurzen Sentenzen, wie wir sie von den Proverbien her kennen. Kurze, knappe Sprüche, die nicht nur in ihrer Form, sondern auch im Inhalt stark an die Proverbien gemahnen. Auch bei Kohelet lesen wir etwa, um nur ein Beispiel anzuführen: »Wer eine Grube gräbt, fällt hinein« 1 ). Diese Wahrnehmung hat schon Anlaß gegeben zu Quellenscheidungen. Man hat geglaubt, diese landläufige Weisheit aus Kohelet ausscheiden und einem späteren Bearbeiter zuschreiben zu müssen 2 ). Sicher zu Unrecht. Kohelet trägt eben noch ganz unbefangen einen Teil des Gutes mit sich, aus dem er herausgewachsen ist. Wichtiger aber ist die Feststellung, daß Kohelet auch die Haltung, mit der er an das Leben herantritt, aus der Weisheit, von der er herkommt, übernommen hat. Auch er tritt an das Leben heran mit dem Anspruch: Wie kann ich am Leben satt werden 3) ? Es ist auch hier die gleiche Fragestellung, die von des Menschen natürlichem Lebenswillen ausgeht und nach seiner Erfüllung fragt. Nur daß nun Kohelet mit dieser Frage ins Nichts hinausstößt. Daß ihm an dieser Frage all die zufriedene, beruhigte Antwort der Normalweisheit in Trümmer zerbricht. Was die Weisheit geglaubt hatte beantworten zu können, bleibt ihm 10 8. — Vgl. etwa noch 7 l l ; 1012. — Die Sprüche stehen in größerer Häufung in den capp. 7. 10 f., treten aber auch vereinzelt in den anderen capp. auf, etwa 115.18. — S. dazu noch unten S. 23 f. 2 ) C. Siegfried: Prediger und Hoheslied übersetzt und erklärt (Nowack H K II 3, 2) 1898 sammelt die »Glossatoren«, die sich »auf dem Gebiete der allgemeinen Spruchweisheit bewegen«, in seiner Schicht Q 5 (S. 12). 3 ) ans 1 ? pnrv na 13 (3 9) vgl. ZAW 1933. 178.
13 Frage ohne Antwort. Genügen, Befriedigung im Leben? »Eitel Eitelkeit, sprach der Prediger, alles ist eitel« 1 ). Dieses Wort, das die Eigenworte des Predigers zu Anfang und Schluß umrahmt, bekennt das restlose Zusammenbrechen seines Suchens. »Was hat der Mensch von all seiner Mühe, mit der er sich abmüht unter der Sonne« 2) ? Mit dieser resignierten Frage, welche die negative Antwort schon in sich trägt, setzt Kohelet zu seinen eigentlichen Ausführungen an. Und dieser Ton verliert sich nicht durch all die Kapitel seines Buches hindurch. Immer wieder tritt diese Nichtigkeitsaussage: »Alles ist eitel und Haschen nach Wind«3) dazwischen, unvermutet auch an Stellen, wo man X
) 1 2; 12 8. Übersetzung von W. Vischer: Der Prediger Salomo 1926. Ich glaube, daß diese Worte vom Prediger selber seinem Buche als einrahmendes Leitwort beigegeben worden sind (gegen Galling ZAW 1932 S. 279, der nur I 2 dem Kohelet beläßt, diese Aussage aber in den Zusammenhang des ersten Spruches — 1 2 — l l — einbezieht). Zum Auftreten der »Nichtigkeitsaussage« s. die übernächste Anmerkung. 2 ) 13. 3 ) Die Nichtigkeitsaussage taucht in einer erstaunlichen Fülle von Formulierungen auf. Das zeigt uns, wie lebendig sie in die Rede des Kohelet hineingehört, wie er getrieben ist, sie in immer neuer Wendung zu sagen. — Wir treffen sie in der totalen (alles ist eitel), gewichtigsten Formulierung zu Anfang und Schluß ( I 2 ; 12s s. o.). In I 1 4 ; 2 11 (17) ist sie erweitert durch das dem Kohelet eigentümliche: Haschen nach Wind (rrn n y n i San San i[iensfretyeit. 1932. ROT. 1,20 19. R. S r . H e r t e l , Gfyriftentum un6 Sejualetbii. (Eine fluseinanöerfe^ung mit ©egenwartsfragen. 1932. ROT. 1,60 20. R. © t t o , ©ottljeit unö ©Ortzeiten 6er Arier. 1932. ROT. 4,50; geb. Ritt. 5,80 21. ©. I t t e n f ä i n g , 3ur OTetap^y(if öes 3 ^ - ©ne religionsgefcfji^tlt^e Unterfud^ung über 6as perfonale BeTOujjtfein. 1934. Ritt. 3,80 22. (¡. K a r s , K a l l e r un6 Kircf¡e. Sismarás grunöfatjüc^e ©nftellung 3U öen Kirnen tD%enö 6es Kulturfampfes. 1934. ROT. 2,40 23. g r . tDeinrid), Die Ciebe im Bu66^ismus un6 im G^riftentum. 1935. ROT. 5,— 24. R. ® t t o , Die Katf¡a4Ipanifóa&. 1936. ROT. 3,80 25. aua, E r l a n g e n , Slbolf K ö b c t I « , unb
©eotg
non
2ö«f)rung,