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German Pages 964 [956] Year 2013
Hans-Werner Goetz Die Wahrnehmung anderer Religionen Band 1
Hans-Werner Goetz
Die Wahrnehmung anderer Religionen und christlich-abendländisches Selbstverständnis im frühen und hohen Mittelalter (5.–12. Jahrhundert) Band 1
Akademie Verlag
Gedruckt mit einem Druckkostenzuschuss aus Mitteln des ERC Advanced Grant 229464.
Einbandkonzept: hauser lacour Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2013 Akademie Verlag GmbH www.degruyter.de/akademie Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN eISBN
978-3-05-005937-2 978-3-05-005939-6
Inhaltsverzeichnis
BAND 1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI
Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe 1. Religion und Religionen im Mittelalter . . . . . . . . . . 2. Thema und Zielsetzung dieser Studie . . . . . . . . . . . 3. Zum Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum methodischen Vorgehen und zur Struktur der Studie
. . . .
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1 7 13 22
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31
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59
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63 71
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71 84 92
Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden 1. Was sind Heiden? Begrifflichkeit und Abgrenzungen . . . . . 2. Einstellungen der Christen gegenüber Heiden und christliches Heidenbild im Spiegel von Heidenmission und Christianisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Bekehrung der Heiden als christlicher Missionsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Heidenbild und Missionsmethoden . . . . . . . . . . . . . (1) Vorgehen und Beweisziele der Missionare: Beweise göttlicher Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) „Tatmission“: Zerstörung heidnischer Kultstätten . . . (3) Wunder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) „Mission von oben“: Weltlicher Beistand und Gewaltanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Für und Wider die Zwangsbekehrung . . . . . . . . . .
. . 94 . . 102
VI
Inhaltsverzeichnis
c. Gefahren und (Miß-)Erfolge der Mission . . . . . . . . . . d. Christen und Heiden im göttlichen Heilsplan . . . . . . . . e. Heiden in der Heilsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden . . . . a. Volk oder Religion? Ethnische und religiöse Charakterisierungen im Widerstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Stereotypes Heidenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kennzeichen des Heidentums als Religion . . . . . . . . . (1) Götzenkult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Heiligtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Opferkulte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Magie und Zauber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Losorakel und Wahrsagung . . . . . . . . . . . . . . . (6) Tänze, Reigen und dämonische Gesänge . . . . . . . . (7) Bestattungssitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Aberglaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) Aufzählungen heidnischer Sitten . . . . . . . . . . . . d. Abwertende Allegorien: das Heidentum als Teufelsdienst . e. Kulturelle Abwertung: Heiden als Barbaren . . . . . . . . f. Ansätze zu einem differenzierteren Heidenbild? . . . . . . 4. Positives Heidenbild? Heiden als Vorbilder . . . . . . . . . . 5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken: Die Reaktion der Kirche . . . . . . . . 6. Fazit: Das Heidenbild des frühen und hohen Mittelalters . . . 7. Religiöser Gegensatz – kulturelle Nähe: Zur Ähnlichkeit der Vorstellungen bei Christen und Heiden . . . . . . . . . . . . 8. „Clash of religions“ – „clash of civilizations“? . . . . . . . .
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106 113 123 127
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128 135 144 146 150 152 154 155 156 158 159 160 164 168 179 187
. . 203 . . 217 . . 220 . . 226
Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam 1. Historischer Hintergrund und Forschungsstand . . . . . . . . . . 2. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Wahrnehmung der Sarazenen in friedlichen und kriegerischen Kontakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ethnisch-politische Wahrnehmung: Die Sarazenen als Volk . . b. Friedliche Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kriegerische Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . d. Religiöse Abwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Einordnung in Gottes Heilsplan . . . . . . . . . . . . . . . . .
233 251 262 262 265 274 284 288
VII
Inhaltsverzeichnis
4. Religiöse Wahrnehmung und Kennzeichnung: Das abendländische Wissen über die Anfänge, die Ausbreitung und die weitere Geschichte des Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Das Wissen über Mohammed und die Anfänge des Islam b. Das Wissen über die Ausbreitung des Islam und die islamischen Herrschaften . . . . . . . . . . . . . . . . c. Die Eroberung Spaniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Wissen über die Religion: Die Wahrnehmung des Islam als Glaubensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Religiöse Einordnung der Muslime: Heiden oder Häretiker? a. Monotheisten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Sarazenen als Heiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Sarazenen als Häretiker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Häretiker oder Heiden? Die Position und Argumentation des Petrus Venerabilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bilanz: Das Islambild und die Islambildforschung . . . . .
. . . 293 . . . 293 . . . 316 . . . 330 . . . . .
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338 352 352 357 377
. . . 380 . . . 395
BAND 2 Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden 1. Einleitung: Probleme, Perspektiven, Forschungsstand . . . . . . 2. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, sozial oder religiös? . 4. Judenfeinde – Judenfreunde? Das Verhältnis von Christen und Juden im Spiegel des Judenbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Religiöse Wahrnehmung: Wissen über den jüdischen Glauben . 6. Bewertung und Abschätzung: antijüdische Einstellungen und Anschuldigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Grundzüge antijüdischer Polemik . . . . . . . . . . . . . b. Die Polemik ausgewählter Autoren des 6. bis 12. Jahrhunderts c. Die sogenannten Religionsgespräche des 12. Jahrhunderts . . 7. Religiöse Einordnung: weder Heiden noch Häretiker, aber Ungläubige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Das Verhältnis von Judentum und Christentum . . . . . . . b. Die Juden im göttlichen Geschichtsplan . . . . . . . . . . . c. Juden und Heiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Juden und Muslime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Juden und Häretiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 411 . 423 . 428 . 441 . 459 . 466 . 466 476 . 506 . . . . . .
520 520 525 532 544 547
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f. Juden als Ungläubige und Teufelssöhne . . . . . . . . . . . . . 551 8. Judenbild und Judenverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 9. Fazit: Das christliche Judenbild zwischen Apologetik und Koexistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564
Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung 1. Zur Erforschung der Häresien und ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Was ist Häresie? Einige patristische und frühmittelalterliche Grundlagen und Herangehensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . a. Die Häresielisten Augustins und Isidors von Sevilla . . . . . . b. Die Morallehre Salvians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Das exegetische Häresieverständnis: Die „Moralia in Iob“ Gregors des Großen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Das Glaubensbekenntnis Gregors von Tours . . . . . . . . . . 3. Attribute und Allegorien als Mittel der Kennzeichnung von Häretikern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Attribute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Allegorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kennzeichnung der Häretiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Falscher Glaube und falsche Lehre . . . . . . . . . . . . . . . b. Falsches Verhalten und übler Charakter . . . . . . . . . . . . 5. Wer ist Häretiker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ab- und Ausgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Häresie als streitsüchtige Verteidigung falscher Lehren und bewußte Gegnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Hochmittelalterliche Ausweitung des Häresiebegriffs . . . . . . d. Häretisches Selbstverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Verhältnis zur Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Reaktion der Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ausgrenzung und Ausschluß der Häretiker aus der Gemeinschaft b. Toleranz und Wiedereingliederung . . . . . . . . . . . . . . . 8. Folgerungen und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ursprung und Funktion der Häresien im Heilsplan . . . . . . b. Ausschluß vom Heil als Schicksal der Häretiker . . . . . . . . c. Beziehung der Häretiker zum Teufel . . . . . . . . . . . . . . . d. Nähe zu anderen Gruppen, vor allem zu Heiden . . . . . . . . 9. Schlußfolgerungen: Häresie und Unglaube . . . . . . . . . . . .
573 585 585 589 590 595 600 600 605 610 610 620 625 625 635 638 648 649 651 651 656 659 659 663 665 667 671
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums 1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand . . . . . . . . . 2. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, politisch oder religiös? 4. Religiöse Wahrnehmung: Wissen über die Religion . . . . . . . . (1) Bilderstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Filioque-Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kontroversen um die Eucharistie . . . . . . . . . . . . . . . (4) Priesterehe und andere Kontroversen um den Klerus . . . . . (5) Religiöse Bräuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Kontroversen um den Vorrang des Papsttums . . . . . . . . . 5. Bewertung und Abschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Religiöse Einordnung: Christen? Häretiker? Ungläubige? . . . . . 7. Fazit: Die Griechen zwischen Orthodoxie und Häresie . . . . . .
677 690 691 705 711 714 730 740 744 749 752 755 767
Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung: Wahrnehmung anderer Religionen und christliches Selbstverständnis 1. Unterschiedliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalte religiöser Wahrnehmung und Wissen von anderen Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterschiede zwischen den anderen Religionen in christlicher Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vergleichende Bewertung und Einschätzung . . . . . . . . . . . 6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen . . . . . . . a. Grundlegende Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Teufelsdienst und ewige Verdammnis . . . . . . . . . . . . . c. Gemeinsame Abgrenzung von Kirche und Christentum . . . d. Bekehrbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Christliches Selbstverständnis: Heilsbewußtsein und Intoleranz?
. 773 . 776 . 781 . . . . . . . .
788 797 802 802 808 814 823 824
Verzeichnisse 1. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 2. Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834 3. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862
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Inhaltsverzeichnis
Register 1. Register der mittelalterlichen Autoren und anonymen Schriften . 914 2. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925 3. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 936
Vorwort
Die vorliegende Studie ist das vorläufige Resultat eines dreijährigen ERC Advanced Grant-Projekts, das in der Einleitung noch näher vorgestellt wird. Sie wäre ohne diese Förderung weder in dieser Form möglich noch (wahrscheinlich) überhaupt entstanden. Einen entsprechend großen Anteil an den hier zur Diskussion gestellten Projektergebnissen haben die Wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen des ERC-Projekts, Anna Aurast und Claudia Valenzuela sowie, jeweils zeitweise, Kerstin Zech, Bele Freudenberg und Norman Bade, ebenso wie die, jeweils zeitweise, im Projekt beschäftigten Studentischen Hilfskräfte Anne Molls, Yvonne Breski, Michael Kuhn und Maximilian Zilken. Außerhalb der Projektfinanzierung waren im Laufe der Zeit viele weitere Hilfskräfte bei der Quellensuche und der Überprüfung der Zitate beteiligt. Dafür danke ich Konstantin Bauer, Ann-Mailin Behm, Johanne Hoffmann, Mats Homann, Friederike Jänner, Mirjam Kaune, Natalia Lasarenko, Justus Ledig, Manuela Lohs, Anne-Lena Meyer, Julia Reymers (die auch das Quellen- und Literaturverzeichnis erstellt hat), Nils Schliehe, Leonie Schulz, Anabelle Spallek, Frederic Strohm und Katharina Wenzel. Ihnen allen sei daher auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Für das geduldige und gewissenhafte Erstellen immer neuer Korrekturversionen danke ich herzlich Matthias Söhn. Mein Dank gilt ebenso dem Akademie Verlag, vorab Herrn Dr. Heiko Hartmann und Herrn Manfred Karras, für die Aufnahme des Bandes in ihr Verlagsprogramm und die wie immer reibungslose und unbürokratische Zusammenarbeit. Der Band wurde mit einem Druckkostenzuschuß aus den Projektgeldern des ERC finanziert. Angefügt seien noch einige Erläuterungen zur formalen Gestaltung. Wie meine anderen Monographien, so ist auch diese Studie in bewährter, gewachsener Rechtschreibung verfaßt. Den meisten Lesern dürfte das immer noch weniger gewöhnungsbedürftig sein als umgekehrt. Die Quellenbelege sind der Einfachheit halber nach der ersten Nennung ohne Querverweise nur mit Kapitel und Seite zitiert; die zugrunde gelegte Edition kann leicht dem Quel-
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Vorwort
lenverzeichnis entnommen werden. Bei schwerer zugänglichen neueren Editionen wird zusätzlich noch eine gängige weitere angeführt. Die Zitate folgen im Wortlaut der jeweils maßgeblichen (erstgenannten) Edition, sind in Rechtschreibung (Großschreibung von Namen; i statt j in Migne-Zitaten) jedoch unkommentiert dem Lateinischen angepaßt und vereinheitlicht. Gleiches gilt für die Kommasetzung, die zum besseren Satzverständnis (stillschweigend) dem deutschen Sprachgebrauch angenähert wurde. Auf benutzte, gängige Übersetzungen (wie die Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe und andere zweisprachige Editionen) habe ich nicht eigens hingewiesen; auch sie sind, sofern nicht ohnehin selbst erstellt, sämtlich überprüft und gegebenenfalls (stillschweigend) angepaßt. Die Forschungsliteratur ist in jedem Kapitel bei der ersten Nennung vollständig zitiert; die im folgenden verwendeten Kurztitel lassen sich ebenfalls leicht anhand des Literaturverzeichnisses entschlüsseln, das, der leichteren Übersicht halber, nach den Kapiteln, also den einzelnen Religionen, gegliedert ist. Eine Arbeit über die zeitgenössische Wahrnehmung orientiert sich zwangsläufig an den Quellenaussagen, die deshalb bewußt im Zentrum stehen. Manche Passagen geraten dadurch zu einer – sachlich geordneten – Aneinanderreihung und Paraphrasierung mittelalterlicher Ansichten, die manchmal ermüdend wirken mögen, aber gerade dazu dienen sollen, die Vielfalt ebenso wie die Kohärenz der Anschauungen zu dokumentieren. Eine gebündelte Beschränkung auf wenige Beispiele hätte das nicht vermocht. Ein so breiter, auf einer Vielzahl von Quellenäußerungen beruhender Überblick, wie er hier geboten wird, kann zudem weder auf die Literatur zu den einzelnen Quellen noch auf sämtliche Forschungsäußerungen zu den einzelnen Aussagen und Belegen eingehen, sondern muß sich, neben wenigen Arbeiten zur allgemeinen Einordnung, auf die einschlägige Forschung zur Wahrnehmung der anderen Religionen und wenige Äußerungen zu bestimmten Quellenstellen beschränken. Nicht alles zur Kenntnis Genommene ist daher zitiert, manches gewiß auch übersehen worden. Ich danke allen Autoren, deren Arbeiten mir, ob in Übereinstimmung oder Abgrenzung, weitergeholfen haben oder auf die ich zur näheren Beschäftigung verweisen konnte, und entschuldige mich bei allen, die sich, ob bewußt oder zu Unrecht, an entsprechenden Stellen nicht zitiert sehen. Bei der ohnehin schon umfangreichen Darstellung war stets das größere Ziel im Auge zu behalten: der Vergleich der christlichen Wahrnehmung anderer Religionen. Hamburg, im März 2013 (im asiatischen Jahr der Schlange, die in diesem abendlandzentrierten Buch allerdings überhaupt keine Rolle spielt)
Einleitung
Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
1. Religion und Religionen im Mittelalter Das Verhältnis der Religionen zueinander 1 und deren Verständnis und Selbstverständnis ist in der heutigen Gesellschaft ebenso wie in der Wissenschaft wieder zu einem zentralen Thema geworden. Das resultiert einerseits aus einer erneuten Beachtung dieses – strukturgeschichtlich und lebensweltlich längere Zeit eher verdrängten – Aspektes samt seiner sozialen und politischen Implikationen und seiner Einordnung in kulturwissenschaftliche Fragerichtungen, andererseits sowohl aus den Erfordernissen einer multikulturellen Gesellschaft als auch aus daraus und heutigen globalen Verflechtungen erwachsenen religiösen Konfrontationen, bis hin zu der viel diskutierten These eines „clash of civilizations“2 als eines „clash of religions“. Die politische Bedeutung der Religion ist bekannt und vielfältig nachweisbar, nicht nur in 1
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Religion ist in diesem Sinn selbstverständlich als (allgemeine) Bezeichnung für Glaubensgemeinschaften verwendet und keineswegs ein inadäquater Begriff, wie Matthias M. Tischler, Discovering Islam as a Historical Phenomenon: The Case of the Latin Historiography of the Iberian Peninsula, 8th to 13th Century, in: Quaderns de la Mediterrània 16, 2011, S. 153–161, hier S. 153 Anm. 1, unserem Projekt, noch ohne Kenntnis von dessen Ergebnissen allein aus der kurzen Absichtserklärung auf der Homepage heraus, vorwirft. Daß Glaube und Religion sich historisch wandeln, ist ein geschichtswissenschaftlicher Gemeinplatz. Daß wir „Religion“ und „Glaubenslehren“ voneinander trennen wollen (so ebd.), entbehrt jeder Grundlage. Zum heutigen Religionsbegriff und seiner Problematik vgl. kurzgefaßt Arnold Angenendt, Religion, in: Gert Melville/Martial Staub (Hg.), Enzyklopädie des Mittelalters. Bd. 1, Darmstadt 2008, S. 323–325. Vgl. Samuel P. Huntington, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, New York 1996 (dt. Der Kampf der Kulturen. The Clash of Civilizations. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München-Wien 1996 [61997]). Das Werk hat vielfach Widerspruch gefunden. Vgl. dazu Kapitel 1.8, unten S. 226ff.
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
älteren Zeiten.3 Das ist nicht nur Grund genug, das Thema auch in geschichtswissenschaftlicher Perspektive in vergangenen Zeiten, sondern mit dem Mittelalter zudem in einer Epoche zu betrachten, die, jedenfalls nach Ausweis unserer überwiegend klerikal-monastischen Quellen, weithin von religiösen Phänomenen bestimmt war und oft geradezu als „Zeitalter des Glaubens“ bezeichnet wird.4 In traditioneller Sicht teilt sich die (damals bekannte) mittelalterliche Welt geographisch in drei große Kulturkreise, die zugleich drei verschiedene Religionen repräsentieren, in sich jedoch jeweils keineswegs auch politische Einheiten darstellen: den lateinisch-abendländischen (katholischen) Kulturkreis, der seit jeher im Zentrum des hiesigen Interesses stand, den griechisch-orthodoxen Kulturkreis (Byzanz) in Südosteuropa und Vorderasien und den islamisch-arabischen Kulturkreis rund um das südliche Mittelmeer unter Einschluß des größten Teils Spaniens, wobei katholisches und orthodoxes Christentum sich, trotz mancherlei Spannungen und Abgrenzungen, allerdings noch enger verbunden fühlten mochten. Byzanz und Islam, traditionell Gegenstand eigener Wissenschaften (Byzantinistik und Islamwissenschaft), werden erst in jüngerer Zeit auch von der Geschichtswissenschaft stärker in ihren wechselseitigen Verflechtungen wahrgenommen. Daneben wirkte als weitere monotheistische Religion das seit der Zerstörung Jerusalems durch Titus und Vespasian im Jahre 71 n. Chr. in der Diaspora über die ganze damalige Welt verteilte, wenngleich auf bestimmte Regionen und vor allem auf den städtischen Lebenskreis konzentrierte Judentum. Sind katholisches und orthodoxes Christentum sowie der Islam, 3
4
Zur Religion als Machtfaktor über die Zeiten und Kulturen hinweg (mit deutlichem Schwerpunkt auf der Zeitgeschichte) vgl. zuletzt Bernd Oberdorfer/Peter Waldmann (Hg.), Machtfaktor Religion. Formen religiöser Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft, Köln-Weimar-Wien 2012. Zur „Macht der Religion“ in Spätantike und Frühmittelalter vgl. Andrew Cain/Noel Lenski (Hg.), The Power of Religion in Late Antiquity, Farnham-Burlington 2009. Vgl. Will Durant, The Story of Civilization. The Age of Faith, New York 1950 (dt. Das Zeitalter des Glaubens. Eine Kulturgeschichte des christlichen, islamischen und jüdischen Mittelalters von Konstantin bis Dante [325–1300], Berlin-München 1952 [ND. 1966]); Peter Dinzelbacher, Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum. Bd. 1: Altertum und Frühmittelalter, Paderborn-München-WienZürich 2011, S. 11. Im jüngsten Überblick über die Entwicklung vom Imperium Romanum zu den Nachfolgereichen spricht Peter Sarris, Empires of Faith. The Fall of Rome to the Rise of Islam, 500–700, Oxford 2011, nicht zufällig bereits in dieser Zeit im Titel von den „Reichen des Glaubens“.
1. Religion und Religionen im Mittelalter
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unbeschadet mancher Beziehungen und Kontakte, „Grenzstreitigkeiten“ und Konkurrenzen in den Randzonen, als geographisch und politisch mehr oder weniger klar abgrenzbare Kulturkreise erkennbar, so bildet das Judentum im gesamten Mittelalter eine in Koexistenz mit den drei Mehrheitsreligionen lebende, religiöse Minderheit. Dadurch ist von vornherein ein unterschiedliches Verhältnis gegeben, das neben religiösen und kulturellen Berührungen einerseits und politisch-diplomatischen Beziehungen andererseits nicht zuletzt von sozialen Aspekten des – teils friedlichen, teils von Gewalt geprägten – Zusammenlebens geprägt ist. Nicht unbeträchtliche christliche (und jüdische) Minderheiten lebten wiederum in der islamischen Welt, doch liegt dieser Aspekt weitgehend außerhalb des Gegenstandes dieser Studie. Diese vier großen Religionen, die das Mittelalter weithin bestimmen, sind allesamt monotheistisch. Die (zwangsläufige) Entwicklung des Mittelalters zum Monotheismus und die Beziehungen zwischen den Religionen hat Michael Borgolte vor einigen Jahren zum Thema einer großen, vergleichenden Studie gemacht, der ersten dieser Art.5 Borgolte hat hier zu Recht darauf hingewiesen, daß Europa im Mittelalter auch in religiöser Hinsicht nie eine Einheit war.6 Verschiedene Religionen bestanden nebeneinander. Freilich geht der Fokus hier zum einen nach wie vor von – einem gegenüber dem Mittelalter nun allerdings aus der Perspektive unserer Zeit stark erweiterten – Europa aus (und es ist nur eine Frage der Zeit, wann in heute zunehmend globaler Perspektive7 auch die übrige – nicht mehr monotheistische! – Welt, 5
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Michael Borgolte, Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes. 300 bis 1400 n. Chr. (Siedler Geschichte Europas), München 2006. Das gängige Bild einer europäischen Einheitskultur des christlichen Abendlandes stellt auch Christoph Auffarth, Pluralismus, Religion und Mittelalter. Das Mittelalter als Teil der europäischen Religionsgeschichte, in: Ders. (Hg.), Religiöser Pluralismus im Mittelalter? Besichtigung einer Epoche der europäischen Religionsgeschichte (Religionen in der pluralen Welt. Religionswissenschaftliche Studien 1), Berlin 2007, S. 11–23, in Frage. Vgl. jetzt, zeitlich übergreifend, Christoph Bultmann/Jörg Rüpke/ Sabine Schmolinsky (Hg.), Religionen in Nachbarschaft. Pluralismus als Markenzeichen der europäischen Religionsgeschichte (Vorlesungen des Interdisziplinären Forums Religion der Universität Erfurt 8), Münster 2012. „Pluralismus“ als Nebeneinander schließt eine klare Dominanz der jeweiligen Mehrheitsreligion allerdings nicht aus. Trotz der religiösen „Uneinheitlichkeit“ war das abendländische Mittelalter klar katholisch-christlich bestimmt. Nicht zufällig sind in jüngster Zeit wieder mehrere „Weltgeschichten“ erschienen oder im Erscheinen begriffen.
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
vor allem Asien, in den vergleichenden Blick genommen wird).8 Zum andern vernachlässigt diese ansonsten wegweisende Studie von ihrer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive her „eine“ weitere, freilich nur aus christlicher Sicht einheitliche Religion: das polytheistische Heidentum, das im Mittelalter nicht nur in vielen Gebieten noch lange virulent war, sondern die christlich-mittelalterliche Gesellschaft auch durch sein Weiterwirken unter der christlichen Oberfläche geprägt hat. Es ist zwar richtig, daß der Monotheismus sich durchgesetzt hat, ja daß sich seit dem Beginn der Christianisierung Europas „kein Aggressor mehr auf dem Kontinent festsetzen [konnte], der nicht entweder christlich oder muslimisch war oder wurde.“ 9 Dennoch scheint mir mit solchem Urteil die aktuelle Kraft des Heidentums im frühen und teilweise noch im hohen Mittelalter unterbelichtet. Der Prozeß der Christianisierung verlief allenfalls im Rückblick geradlinig.10 Dabei waren Nützlichkeit und Realpolitik mindestens ebenso ausschlaggebend wie der Missionsbefehl Christi: „Die Christianisierung Europas im Mittelalter ist ein differenziert zu betrachtender Prozeß, bei dem ganz unterschiedliche Motive eine Rolle spielten.“11 Wenn man jenseits theologischer Überzeugungen über-
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Vgl. Michael Borgolte, Mittelalter in der größeren Welt. Eine europäische Kultur in globaler Perspektive, in: HZ 295, 2012, S. 35–61. So Michael Borgolte, Ein einziger Gott für Europa. Was die Ankunft von Judentum, Christentum und Islam für Europas Geschichte bedeutete, in: Winfried Eberhard/Christian Lübke (Hg.), Die Vielfalt Europas. Identitäten und Räume. Beiträge einer internationalen Konferenz, Leipzig, 6. bis 9. Juni 2007, Leipzig 2009, S. 581–590, hier S. 582. Daß die polytheistischen Religionen bereits um die Jahrtausendwende letztlich unhaltbar geworden waren, betont Michael Borgolte, „Europa ein christliches Land“. Religion als Weltstifterin im Mittelalter?, in: ZfG 48, 2000, S. 1061–1077, auch wenn es zu dieser Zeit noch starke heidnische Relikte gab. So Lutz E. von Padberg, Die Christianisierung Europas im Mittelalter (Reclams Universalbibliothek 17015 Geschichte), Stuttgart 1998, S. 12. Bereits in der Spätantike und in den römischen Nachfolgereichen waren die Bekehrungsmotive sehr vielfältig. Vgl. dazu ausführlich Daniel König, Bekehrungsmotive. Untersuchungen zum Christianisierungsprozess im römischen Westreich und seinen romanisch-germanischen Nachfolgern (4.–8. Jahrhundert) (Historische Studien 493), Husum 2008. Zu spätantiken Konversionen vgl. Kenneth Mills/Anthony Grafton (Hg.), Conversion in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Seeing and Believing (Studies in Comparative History. Essays from the Shelby Cullom Davis Center for Historical Studies), Rochester 2003. Zur Wahrnehmung und Politisierung der Mission seitens der Autoren vgl. Patrick Geary, Die Bedeutung von Religion und Bekehrung im frühen Mit-
1. Religion und Religionen im Mittelalter
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haupt allgemeine Gründe für den (allmählichen) Sieg des Christentums angeben kann, dann liegen sie aus geschichtswissenschaftlicher Sicht zunächst in der – gerade auch für die Herrschaft interessanten – gemeinsamen Religion (gegenüber einer ethnisch-kulturellen Auffächerung des Heidentums) und dann in der Akkulturation zunächst der „Barbarenreiche“ an die bereits christlich geprägte römische Welt und später der noch heidnischen Randgebiete Europas an die christlich geprägte Kultur der großen abendländischen Mächte.12 Bedeutete Christianisierung zunächst zugleich Romanisierung13 – die schon durch die antike Schulbildung bewirkt wurde14 –, so traten doch zugleich neue Elemente hinzu, die zu einer Art „Paganisierung“ des Christentums und zu einer Verschmelzung, einem Synkretismus, von Christlichem und Heidnischem führten und eine spezifische Ausprägung des frühmittelalterlichen Christentums bewirkten,15 auch wenn die These einer
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telalter, in: Dieter Geuenich (Hg.), Die Franken und die Alemannen bis zur „Schlacht bei Zülpich“ (Erg.-Bde. zum RGA 19), Berlin 1998, S. 438–450. Vgl. Arnold Angenendt, Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400–900 (Christentum und Gesellschaft), Stuttgart-Berlin-Köln 1990, S. 420ff. Vgl. Theodor Schieffer, in: Handbuch der Europäischen Geschichte. Bd. 1, Stuttgart 1976, S. 81. Wenn Paul Veyne, Quand notre monde est devenu chrétien (312–394), Paris 2007 (dt. Als unsere Welt christlich wurde [312–394]. Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht, München 2008) in seiner nicht unumstrittenen Studie letztlich – historisch zu Recht – zeigen will, daß die Christianisierung des Imperium Romanum zwischen Konstantin und Theodosius nicht im Christentum angelegt, sondern Ergebnis einer Genese war (so im Kapitel 11, S. 249–268), so betrachtet er andererseits doch den Beitrag Konstantins als Meisterleistung (Kapitel 1, S. 9–33) und das Christentum als Meisterwerk (Kapitel 2, S. 35–65). Konstantin habe das Christentum aber nicht aus Glaubens-, sondern aus Prestigegründen angenommen (Kapitel 5, S. 117–139), unter den Nachfolgern war es keineswegs schon gesichert (Kapitel 7/8, S. 159–197). Zum Verhältnis von Christentum und antiker paganer Bildung vgl. ausführlich Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung (Studien und Texte zu Antike und Christentum 41), Tübingen 2007. Zur Bedeutung, aber auch zur christlichen Abwandlung des paganen Bildungskanons vgl. Christoph Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie, Tübingen 2007, besonders S. 43–109. Wenn Paul Veyne, Quand notre monde est devenu chrétien (Kapitel 3, S. 67–91) Christentum und Heidentum als Gegensätze gegeneinanderstellt, negiert er die Synkretismuseffekte. Daß das Heidentum nichts anzubieten habe (so ebd. S. 89f.), wird man angesichts des langen Christianisierungsprozesses so sicher nicht behaupten können.
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
„Germanisierung“ des Christentums überzogen und unzeitgemäß ist16 und man sicher nur auf einer sehr abstrakten Ebene von einem „latenten Sieg des Heidentums“ sprechen kann.17 Weit wichtiger erscheint es mir, gerade in solcher Verschmelzung die spezifisch frühmittelalterliche Religiosität und die spezifisch frühmittelalterliche religiöse Vorstellungswelt zu erfassen. Mit katholischem und orthodoxem Christentum, Judentum, Islam und Heidentum wird die frühmittelalterliche Welt also von mindestens fünf Religionen geprägt (wobei „das“ Heidentum sich seinerseits in eine Vielzahl unterschiedlicher Kulte ausdifferenziert). Hinzu kommt, daß nicht erst die Reformation zu einer konfessionellen Glaubensspaltung innerhalb des Christentums geführt hat. Schon katholisches und orthodoxes Christentum lassen sich durchaus ebenfalls als zwei „Konfessionen“ begreifen (wenn man sich endlich einmal davon löst, die in der Moderne festgestampften Begriffe als für das Mittelalter unbrauchbar zu erklären). Darüber hinaus aber gab es innerhalb des Christentums von Anfang an immer wieder abweichende Glaubenslehren, die – aus katholischer Sicht als „Häresien“ betrachtet – zumindest teilweise große regionale und längerfristige Erfolge feiern konnten und die katholischen Autoren oft genug zur Widerlegung der häretischen und zur Rechtfertigung und Schärfung der eigenen Lehre provoziert haben. Auch sie müssen daher in eine vergleichende Betrachtung der Religionen einbezogen werden. Ähnliches gilt im übrigen für den Islam, wo Sunniten und Schiiten nur die beiden wichtigsten, bereits in die Frühzeit des Islam zurückgehenden Glaubensrichtungen bilden, und auch im Judentum hat es stets verschiedene Strömungen gegeben.
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Vgl. James C. Russell, The Germanization of Early Medieval Christianity. A sociohistorical approach to religious transformation, New York 1994. Anders bereits Theodor Schieffer im Handbuch der europäischen Geschichte. Bd. 1, S. 505: „Eine Germanisierung des Christentums, die an Tiefe und Weite mit seiner voraufgegangenen Hellenisierung und Romanisierung vergleichbar wäre, hat es nicht gegeben.“ So Ramsay MacMullen, Christianity and Paganism in the Fourth to Eighth Centuries, New Haven, Conn. 1997. Trotz aller gewaltsamen Bekehrungsversuche und Verfolgungen der Heiden, so lautet die These, führten Aberglaube und – mangels eigener Traditionen – die Übernahme von Zeremonien, Symbolen, Terminologie, Mythen und Anspielungen zu einer Assimilation des Heidentums an die christliche Lehre.
2. Thema und Zielsetzung dieser Studie
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2. Thema und Zielsetzung dieser Studie Mit Heiden und (polytheistischem) Heidentum, Muslimen und Islam, Juden und Judentum, Häretikern und Häresien, Orthodoxen und griechisch-orthodoxem Christentum werden alle Religionen, die damals im Blick waren, erfaßt (wobei innere Differenzierungen vor allem bei Heiden und Häretikern natürlich eine Rolle spielen, von den katholischen Christen zumindest im ersten Fall aber kaum reflektiert werden). Mit diesen fünf Religionen (oder Religionskreisen) ist zugleich der Rahmen dieser Studie abgesteckt, die aus einem drei Jahre lang vom European Research Council im Rahmen der „Advanced Grants“ geförderten Projekt hervorgegangen ist. Inhaltlich und methodisch geht es darin nicht um diese Religionen selbst, sondern um die religiösen Vorstellungen der abendländischen Christen und um deren Wahrnehmung der (und zwar aller) anderen Religionen. Ziel des Projekts und dieser Studie ist daher weder (religionswissenschaftlich) ein Vergleich der Religionen und ihrer Glaubensinhalte, sondern der christlichen Vorstellungen von den und des Verständnisses (und Mißverständnisses) der anderen Glaubensrichtungen, noch geht es (kirchengeschichtlich) um die Analyse von Kult und Frömmigkeit, sondern um deren vorstellungsgeschichtliche Grundlage, noch ist (sozialgeschichtlich) eine Analyse des Verhältnisses der Träger verschiedener Religionen zueinander und ihrer politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Beziehungen angezielt; Zielrichtung ist mit der Wahrnehmung vielmehr die Aufarbeitung der mentalen Grundlagen und Hintergründe sozialer Beziehungen. Der Ansatz geht von der Voraussetzung aus, daß die Vorstellungen der Menschen nicht nur einen wesentlichen Teil der Lebenswelt und der Geschichte und somit auch einen höchst bedeutsamen Untersuchungsgegenstand der Geschichtswissenschaft bilden,18 daß sie zudem ganz entscheidend 18
Vgl. dazu Hans-Werner Goetz, „Vorstellungsgeschichte“: Menschliche Vorstellungen und Meinungen als Dimension der Vergangenheit. Bemerkungen zu einem jüngeren Arbeitsfeld der Geschichtswissenschaft als Beitrag zu einer Methodik der Quellenauswertung, in: AKG 61, 1979 (erschienen 1982) S. 253–271 (wieder abgedruckt in: Ders., Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, hg. v. Anna Aurast, Simon Elling, Bele Freudenberg, Anja Lutz und Steffen Patzold, Bochum 2007, S. 3–17). Die zuletzt genannte Aufsatzsammlung bietet ein Spektrum konkreter vorstellungsgeschichtlicher Studien, wobei die religiösen Wahrnehmungen in meinen früheren Arbeiten noch weitgehend ausgeklammert geblieben sind. Eine Zusammenfassung
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
Struktur, Darstellung, Tendenz, Horizont und Weltbild unserer Quellen bestimmen, die ohne die Berücksichtigung der Vorstellungswelt des Autors und seiner Zeit niemals angemessen ausgewertet werden können, und daß ihre Erfassung daher auch eine – weit über die „Tendenz“ einer Quelle hinausgehende – Voraussetzung jeder quellenkritischen Arbeit ist, sondern daß sie darüber hinaus das gesamte Denken, Deuten, Fühlen, Verhalten und Handeln der Menschen prägen oder jedenfalls maßgeblich beeinflussen, also ihrerseits auf die (früher fast ausschließlich behandelte) „faktische“ Ebene zurückwirken. Der geschichtswissenschaftlichen Erforschung mittelalterlicher Vorstellungen, der sich der Autor seit langem widmet,19 kommt in einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Geschichtswissenschaft daher ein immer bedeutsamer werdender Stellenwert zu. Sie gewährt wichtige Einblicke in Denken, Empfinden und Glauben der Menschen in deren eigener Perspektive und Selbstsicht, in ihre Lebenswelt und ihr darauf basierendes Handeln. Bei der Erforschung vergangener Epochen wie des Mittelalters wird dieser Ansatz um so wichtiger, als (nur) er uns einen Zugang in das Innere einer uns fremd gewordenen Welt bietet. Mit der „Wahrnehmung“ ist zugleich der gesamte Bereich nicht nur des quellenkritisch seit dem Historismus zentralen Verhältnisses zwischen Darstellung (Quelle) und tatsächlichem Geschehen bzw. tatsächlichen Zuständen, sondern mehr noch das heute heftig diskutierte Verhältnis zwischen Text und Inhalt (der sogenannte „linguistic turn“) einerseits und zwischen Erinnerung und mangelndem (verfälschenden) Erinnerungsvermögen andererseits berührt,20 das sich in der Frage nach den hinter der Darstellung wirksamen und darin einfließenden Vorstellungen auflöst,21 aber, aus geschichtswissenschaftlich-geisteswissenschaftlicher Perspektive, wohl auch ihrerseits einen Beitrag zu der heute zentral
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des Ansatzes im Hinblick auf religiöse Vorstellungswelten jetzt bei Dems., Gott und die Welt. Religiöse Vorstellungswelten des frühen und hohen Mittelalters. Teil I, Band 1: Das Gottesbild (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 13/1), Berlin 2011, S. 15–41. Vgl. die in Anm. 18 genannte Aufsatzsammlung Goetz, Vorstellungsgeschichte. Vgl. Johannes Fried, Der Schleier der Erinnerung. Grundzüge einer historischen Memorik, München 2004. Vgl. Hans-Werner Goetz, Wahrnehmungs- und Deutungsmuster als methodisches Problem der Geschichtswissenschaft, in: Hartmut Bleumer/Steffen Patzold (Hg.), Wahrnehmungs- und Deutungsmuster im europäischen Mittelalter (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 8, 2003), S. 23–33 (wiederabgedruckt in Ders., Vorstellungsgeschichte S. 19–29).
2. Thema und Zielsetzung dieser Studie
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gewordenen, naturwissenschaftlichen Gehirnforschung zu leisten vermag. Die vorstellungsgeschichtliche Herangehensweise an das Thema ordnet sich daher in unserer Zeit angemessene, anthropologische und kulturwissenschaftliche Fragestellungen und Ansätze ein. Sie ist gewissermaßen geschichtswissenschaftliche „Grundlagenforschung“. Mit der Vorstellungswelt des Mittelalters erfassen wir eine zwar im Kern „ideengeschichtliche“, tatsächlich aber umfassende Perspektive auf diese Epoche.22 Mit der religiösen Vorstellungswelt aber erfassen wir die zentrale Perspektive einer weithin religiös geprägten Gesellschaft in einer Epoche, in der im Abendland das Christentum vorherrschend gewesen ist und Glaubenselemente das Leben und Denken der Menschen durchgreifend bestimmt haben. In der überwiegend kirchlichen Literatur dieses Zeitalters wird letztlich alles unter einer (auch) religiösen Perspektive betrachtet. Das resultiert zwar aus der Tatsache, daß die mittelalterlichen, lateinischen Quellen in aller Regel von Mönchen und Klerikern oder aber von Autoren verfaßt wurden, die die gleiche Schulbildung durchlaufen hatten. Gleichzeitig ist die mittelalterliche Gesellschaft und Kultur jedoch von einem spezifisch zeitgemäßen Glaubensverständnis geprägt, das nicht unbeträchtlich von vor- und außerchristlichen oder jedenfalls außerkirchlichen ebenso wie von nichtreligiös-weltlichen Elementen beeinflußt ist. Das gilt gleichermaßen für kirchliche und weltliche, wissenschaftliche und volkstümliche Perspektiven: Die mittelalterliche Religiosität ist ausgesprochen epochenspezifisch ausgeprägt und muß daher geschichtswissenschaftlich gerade in ihrer Spezifik
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Ich verzichte an dieser Stelle auf eine genauere Abgrenzung einer „Vorstellungsgeschichte“ zu anderen, parallelen Ansätzen und verweise dazu auf die in Anm. 18 genannten Arbeiten. Hier mag der Hinweis genügen, daß es dabei gegenüber einer Ideen- und Geistesgeschichte im traditionellen Sinn um eine breite Berücksichtigung intellektueller Niveaus (und nicht nur um die „großen Denker“) und gegenüber einer Mentalitätsgeschichte nicht (nur) um die „strukturelle Essenz“ mittelalterlichen Denkens, Verhaltens und Empfindens der mittelalterlichen Menschen oder einzelner sozialer Gruppen, sondern um die zunächst durchaus individuellen, teils bewußten, teils unbewußten menschlichen Gedankengänge geht, die alles Denken und Handeln prägen. Im Vergleich der Autoren, aber auch in ihren der Argumentation unbewußt zugrunde liegenden Manifestationen sind auch sie überindividuell „zeitgemäß“. Gegenüber einer „Diskursanalyse“ berücksichtigt der vorstellungsgeschichtliche Ansatz zwar ebenfalls die Dichte der Äußerungen (énoncés), ordnet das geschichtswissenschaftlich aber in den jeweiligen quellenkundlichen und historischen Kontext ein.
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
analysiert werden.23 „Latin Christendom represented a new way of being a Christian community.“24 Solche Bedingungen wirken selbstverständlich auch auf die Wahrnehmung der anderen Religionen zurück, die einen wichtigen Teil der (religiösen) Vorstellungswelt bildet. Ziel dieser Arbeit ist daher eine umfassende Analyse der zeitspezifischen Wahrnehmung anderer Religionen und ihrer Träger oder Anhänger durch christlich-abendländische („katholische“) Autoren des frühen und hohen Mittelalters vom 6. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts (mit Rückblicken auf patristische Grundlagen, aber nur vereinzelten kurzen Vorblicken auf die weitere Entwicklung). Diese Perspektive schließt sowohl (vorstellungsgeschichtlich) die Vorstellungen von den anderen Religionen als auch (mentalitätsgeschichtlich) die Einstellungen ihnen gegenüber ein. Die Wahrnehmung der „Anderen“ ist darüber hinaus nicht nur stets Reflex auf das
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Vorab und parallel zu dieser Studie ist daher im Rahmen eines DFG-Forschungsjahres eine korrespondierende Arbeit über die früh- und hochmittelalterliche religiöse Vorstellungswelt entstanden, die zugleich als Folie für die hier gewonnenen Ergebnisse zu dienen vermag: Goetz, Gott und die Welt Teil I, Band 1: Gottesbild; Teil I, Band 2: Die materielle Schöpfung: Kosmos und Heilsgeschehen (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 13/2), Berlin 2012 (in absehbarer Zeit wird ein dritter Teilband über die Vorstellungen von Engeln, Teufeln und Menschen folgen; Teil II wird später das konkrete religiöse Verständnis einzelner Aspekte wie Sündenund Bußvorstellungen, Todes- und Jenseits-, Heiligkeits- und Wundervorstellungen behandeln). Das Projekt kann darüber hinaus auf den Ergebnissen eines abgeschlossenen, interdisziplinären DFG-Projekts „Wahrnehmungs- und Deutungsmuster im europäischen Mittelalter“ mit drei Schwerpunkten aufbauen, das zusammen mit Bruno Reudenbach, Steffen Patzold und Hartmut Bleumer mit den thematischen Schwerpunkten Vergangenheits-, Fremdheits- und Realitätswahrnehmung betrieben wurde und auf die vorliegende Studie zurückwirkt: Die Wahrnehmung der Vergangenheit ist wichtig für die historische Perspektive; die Wahrnehmung der Fremdheit integriert die Wahrnehmung fremder Religionen in einen größeren Rahmen und schärft den Blick für das eigene Selbstverständnis der mittelalterlichen Autoren; die Wahrnehmung von Realität und Idealität enthüllt die Verklärungen, an denen das Andere (und das Eigene) gleichermaßen gemessen werden. Zu Ergebnissen dieses Projekts vgl. Hartmut Bleumer/Hans-Werner Goetz/Steffen Patzold/Bruno Reudenbach (Hg.), Zwischen Wort und Bild. Wahrnehmungen und Deutungen im Mittelalter, Köln-Weimar-Wien 2010. So John H. van Engen, Conclusion: Christendom, c. 1000, in: Thomas F.X. Noble/ Julia M.H. Smith (Hg.), unter Mitarbeit von Roberta A. Baranowski, The Cambridge History of Christianity. Bd. 3: Early Medieval Christianities, c. 600-c. 1100, Cambridge 2008, S. 625–643, hier S. 643.
2. Thema und Zielsetzung dieser Studie
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„Eigene“,25 sondern ist überhaupt Aussage über sich selbst, da das Andere an den eigenen Kriterien gemessen wird: Es gibt keine Fremdwahrnehmung ohne Rekurs auf das Eigene. Mit der Wahrnehmung anderer Religionen erhalten wir folglich keine genauere Kenntnis über diese Glaubensrichtungen (auch wenn deren Berücksichtigung durchaus zu vertieften Einsichten führen kann), um so mehr aber über das religiöse Selbstverständnis und die Sichtweisen der abendländischen Christen, in deren (gesamtes) Weltbild sich die Wahrnehmung anderer Religionen einfügt. Die Analyse der christlichen Wahrnehmung anderer Religionen ist daher ein wichtiger Beitrag zur religiösen Vorstellungswelt, zum Verständnis von Religion und Glauben an sich und zum religiösen Selbstverständnis. Der weite räumliche, zeitliche und thematische Horizont der Studie, die die Wahrnehmung aller Religionen auf der Grundlage einer Vielzahl von Quellen vergleichend betrachtet, verspricht in mehrfacher Hinsicht grundlegende Erkenntnisse: – Die Betrachtung verschiedener Religionen bei bestimmten Autoren leistet einen Beitrag zu deren jeweiliger Vorstellungswelt und legt sowohl das Spektrum als auch die Nuancen in der Wahrnehmung der anderen Religionen offen. – Die Analyse der christlichen Wahrnehmung anderer Religionen läßt Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowohl in den Vorstellungen von den einzelnen Religionen als auch zwischen diesen und dem christlichen Selbstverständnis erkennen. Ein wichtiger Aspekt ist daher die Frage, wie eng verbunden die anderen Religionen im Vergleich zur eigenen gerade durch die Abgrenzung vom katholischen Christentum gesehen wurden oder wieweit und in welcher Weise zwischen ihnen, nicht zuletzt auch zwischen polytheistischen und anderen monotheistischen Religionen, also Judentum und Islam, differenziert wurde, ob beispielsweise das Judentum infolge der gemeinsamen alttestamentlichen Glaubensgrundlage dem Christentum als enger verwandt angesehen wurde als andere Religionen, und schließlich, wieweit Häresien und griechisch-orthodoxes Christentum überhaupt als christlich galten. Daher ist sowohl nach Unterschieden wie nach Gemeinsamkeiten zu fragen.
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Vgl. dazu, auf das Thema der Fremdheit bezogen, die Ausführungen von Volker Scior, Das Eigene und das Fremde. Identität und Fremdheit in den Chroniken Adams von Bremen, Helmolds von Bosau und Arnolds von Lübeck (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 4), Berlin 2002, S. 9–28, mit Aufarbeitung der soziologischen Literatur.
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
– Der Vergleich mittelalterlicher Autoren aus dem gesamten Abendland gewährt Einblicke in regionale Unterschiede bei gleichzeitiger Feststellung gemeinsamer abendländischer Überzeugungen. Dabei spielt bei dieser Thematik die Unterscheidung von Kontakt- und Fernzonen eine besondere Rolle. – Der Vergleich von Autoren des 5. bis 12. Jahrhunderts erfaßt Entwicklungen bei der Wahrnehmung anderer Religionen. – Die Berücksichtigung einer Vielzahl von Quellen unterschiedlicher Gattungen läßt gattungsbedingte Differenzierungen und Tendenzen erkennen, potentiell aber auch zwischen der Wahrnehmung von Laien, Mönchen und Klerikern oder sogar zwischen verschiedenen Mönchsrichtungen differenzieren, aber natürlich auch individuelle Eigenarten der einzelnen Autoren betrachten, wobei selbstverständlich der jeweilige Kontext und die Intentionen zu berücksichtigen sind. Zusammengefaßt beruht das Projekt auf vier grundlegenden Annahmen: Es erfaßt mit der Vorstellungswelt und menschlichen Wahrnehmung erstens einen wesentlichen, mit der religiösen Vorstellungswelt und der Wahrnehmung des Glaubens zweitens den für das abendländische Mittelalter zentralen Bereich der mittelalterlichen Lebenswelt, mit der Wahrnehmung anderer Religionen drittens den ganzen religiösen „Kosmos“ dieser Epoche, da sich mit dem Blick auf das Fremde wesentlich das eigene Selbst enthüllt. Mit der religiösen Vorstellungswelt des abendländischen Mittelalters und der Wahrnehmung anderer Religionen wird viertens aber auch ein für die heutige Gesellschaft und Wissenschaft wichtiges Thema behandelt, das unser Wissen und unsere Einstellungen durch die geschichtswissenschaftliche Perspektive maßgeblich erweitern kann, gerade weil dem Verhältnis der Religionen in einer globalen Welt wieder ein zentraler Stellenwert zukommt. Man muß hier nur an Samuel Huntingtons (gewiß überzogene und heftig diskutierte) These eines „clash of civilizations“26 und an die Probleme der Koexistenz verschiedener Religionen in einer Gesellschaft erinnern, die auch die gegenwärtige Gesellschaft prägen, in verschiedenen Formen letztlich aber in allen Jahrhunderten und gerade auch im Mittelalter zu beobachten sind.27 Die 26 27
Huntington, Clash of civilizations. Vgl. etwa zum Islam: Cristianos y musulmanes en la Península Ibérica: la guerra, la frontera y la convivencia. XI congreso de estudios medievales (León, del 23 al 26 de octubre de 2007), Ávila 2009; Klaus Herbers/Nikolas Jaspert (Hg.), Integration – Segregation – Vertreibung. Religiöse Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel (7.–17. Jahrhundert) (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 8), Münster 2011.
3. Zum Forschungsstand
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Erforschung der Wahrnehmung anderer Religionen eröffnet die mentalen Hintergründe dieses (wechselseitigen) Verhältnisses und erschließt – epochenspezifisch – das jeweilige Verständnis des anderen ebenso wie des eigenen Glaubens. Sie leistet mit der historischen Analyse zugleich aber einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Gegenwart: im Hinblick auf das wieder aktuell gewordene Thema der Religiosität ebenso wie durch die Wahrnehmungsperspektive einer geistigen Auseinandersetzung mit anderen Religionen. Die historische Analyse erlaubt hier, neben Einblicken in die mittelalterlichen Ursprünge religiösen Denkens und religiöser Mentalitäten, im Kontrast mit der Gegenwart eine bessere Einschätzung der heutigen Gesellschaft durch die Bereitstellung alternativer Vergleichsmodelle, die ihrerseits die historischen Hintergründe berücksichtigen und daher die möglichen Gründe solcher Wahrnehmungen offenlegen. Eine Analyse der mittelalterlichen Wahrnehmung anderer Religionen schärft unser Verständnis daher sowohl auf der Ebene der Vergangenheit (mittelalterliche Vorstellungen) als auch auf der Ebene der Gegenwart (Vergleich mit unseren Vorstellungen). Sie gewährt wertvolle Einblicke in das menschliche Denken an sich, in das mittelalterliche Verständnis von Religion als solcher wie auch des eigenen (katholischen) Glaubens, in das Verständnis anderer Religionen und in die christlichen Einstellungen ihnen gegenüber.
3. Zum Forschungsstand Da der Forschungsstand zur Wahrnehmung der einzelnen Religionen in den jeweiligen Kapiteln noch genauer zu behandeln ist, mögen hier einige generelle und vergleichende Bemerkungen genügen. Gut aufgearbeitet sind – als Hintergrund dieser Studie – einerseits Aspekte der Religionen selbst und des Verhältnisses zwischen Christen und den Angehörigen anderer Religionen28 sowie der alles andere als geradlinig verlaufende Prozeß der Christianisierung Europas andererseits.29 Der Forschungsstand zur Wahrnehmung ande28 29
Näheres dazu in den jeweiligen Kapiteln. Vgl. Cristianizzazione ed organizzazione ecclesiastica delle campagne nell’alto medioevo: espansione e resistenze (SSCI 28), Spoleto 1982; Pierre Riché (Hg.), La christianisation des pays entre Loire et Rhin (IVe–VIIe siècle), Paris 1993; Richard Fletcher, The Conversion of Europe. From Paganism to Christianity 371–1386 AD, London 1997; Carol M. Cusack, Conversion among the Germanic Peoples (Cassell Religious Studies), London 1998; Guyda Armstrong/Ian N. Wood (Hg.), Christianiz-
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
rer Religionen im engeren Sinn ist hingegen als insgesamt sehr unterschiedlich und nur in einzelnen Fällen als gut zu bewerten, in anderen Bereichen hingegen noch gänzlich unbefriedigend. – Die Wahrnehmung der Heiden und polytheistischen Religionen ist, von einzelnen Aufsätzen30 und Beobachtungen abgesehen, nur bei einzelnen Autoren im Sinne einer religiösen Fremdheit berücksichtigt,31 ansonsten jedoch
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ing Peoples and Converting Individuals (International Medieval Research 7), Turnhout 2000; von Padberg, Christianisierung Europas; Ders., Christianisierung im Mittelalter, Darmstadt 2006; Ders., Die Inszenierung religiöser Konfrontationen: Theorie und Praxis der Missionspredigt im frühen Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 51), Stuttgart 2003. Zu den (heiligen) Missionaren: Ian Wood, The Missionary Life. Saints and the Evangelisation of Europe 400–1050 (The Medieval World), Harlow u.a. 2001. Vgl. vor allem Lutz E. von Padberg, Christen und Heiden: Zur Sicht des Heidentums in ausgewählter angelsächsischer und fränkischer Überlieferung des 7. und 8. Jahrhunderts, in: Hagen Keller/Nikolaus Staubach (Hg.), Iconologia sacra: Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas. Festschrift für Karl Hauck zum 75. Geburtstag (Arbeiten zur Mittelalterforschung 23), Berlin-New York 1994, S. 291–312. Ferner: Steffen Patzold, Wahrnehmen und Wissen. Christen und ‚Heiden‘ an den Grenzen des Frankenreichs im 8. und 9. Jahrhundert, in: Bleumer/Patzold (Hg.), Wahrnehmungs- und Deutungsmuster S. 83– 106, sowie James Palmer, Defining paganism in the Carolingian world, in: EME 15, 2007, S. 402–425. Wichtige Aspekte bietet auch Andreas Mohr, Das Wissen über die Anderen. Zur Darstellung fremder Völker in den fränkischen Quellen der Karolingerzeit, Münster 2005, dem es zwar um die Aussagen der Geschichtsschreiber über die Völker, nicht über die Religionen geht, die jedoch ebenfalls immer wieder zur Sprache kommen, etwa S. 119–133 zum Wissen über pagane Fremde. Vgl. beispielsweise Scior, Das Eigene (jeweils in den Kapiteln über die „Fremdzuschreibungen“ der behandelten Autoren): Adam von Bremen (S. 89–134), Helmold von Bosau (S. 195–218), Arnold von Lübeck (S. 281–327); David Fraesdorff, Der barbarische Norden. Vorstellungen und Fremdheitskategorien bei Rimbert, Thietmar von Merseburg, Adam von Bremen und Helmold von Bosau (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 5), Berlin 2005, S. 201ff. (zu Rimbert), zu Thietmar von Merseburg (S. 226ff.), Adam von Bremen (S. 252ff.) und Helmold (S. 319ff.). Die ausgezeichnete Regionalstudie von Nora Berend, At the Gate of Christendom. Jews, Muslims and ‚Pagans‘ in Medieval Hungary, c. 1000–c. 1300 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought), Cambridge 2001, S. 190–223, enthält neben Kapiteln über den Rechtsstatus und die gesellschaftliche Stellung und Konflikte auch einen Abschnitt über ungarisch-christliche Wahrnehmungen, vor allem gegenüber den Kumanen (S. 190–223).
3. Zum Forschungsstand
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eher kurz und pauschal abgehandelt.32 Im Blickfeld der Forschung stehen hier ansonsten vornehmlich Fragen nach den heidnischen Religionen an sich und ihrem Weiterwirken einerseits und vor allem nach Mission und Christianisierung andererseits. Das „Heidenbild“ wird dabei zwangsläufig immer wieder gestreift, ist aber noch nicht systematisch aufgearbeitet worden. – Die Wahrnehmung der Juden ist demgegenüber weit besser erforscht, wenngleich auch hier – neben religionswissenschaftlichen und judaistischen Studien – begreiflicherweise weit mehr Aspekte des Zusammenlebens von Christen und Juden, der Stellung der Juden in der christlichen Gesellschaft und der Judenverfolgungen im Mittelalter im Blickfeld der Forschung gestanden haben, die mit der christlichen Judenfeindschaft jedoch wichtige Aspekte auch des Judenbildes berücksichtigt hat. Eine ganze Reihe von Arbeiten, unter anderem von Bernard Blumenkranz, Gilbert Dahan, Robert Chazan, Anna Sapir Abulafia, Wolfram Drews oder Johannes Heil,33 bietet hier eine wichtige Grundlage weiterer Untersuchungen. Der breite Überblick von Heinz Schreckenberg führt in die Inhalte der judenfeindlichen Schriften und Äußerungen im Mittelalter ein.34 Alle diese Studien beschrän-
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Vgl. etwa, durchaus treffend, Angenendt, Frühmittelalter S. 427–430, oder Lutz E. von Padberg, Mission und Christianisierung. Formen und Folgen bei Angelsachsen und Franken im 7. und 8. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 32–41. Bernhard Blumenkranz, Juifs et chrétiens dans le monde occidental 430–1096 (École Pratique des Hautes Études. Sixième Section : Sciences économiques et sociales. Études juives 2), Paris-Den Haag 1960; Gilbert Dahan, La polémique Chrétienne contre le Judaïsme au moyen âge, Paris 1991 (engl. The Christian Polemic against the Jews in the Middle Ages, Notre Dame, Indiana 1998); Ders., Les intellectuels Chrétiens et les Juifs au Moyen Âge, Paris 1999; Robert Chazan, Medieval Stereotypes and Modern Antisemitism, Berkeley-Los Angeles-London 1997; Anna Sapir Abulafia, Christians and Jews in dispute. Disputational literature and the rise of anti-Judaism in the West, c. 1000–1150 (Collected Studies Series 621), Aldershot 1998; Dies., Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance, London-New York 1995; Wolfram Drews, Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla. Studien zum Traktat De fide catholica contra Iudaeos (Berliner Hist. Studien 34), Berlin 2001; Johannes Heil, Kompilation oder Konstruktion? Die Juden in den Pauluskommentaren des 9. Jahrhunderts (Forschungen zur Geschichte der Juden A6), Hannover 1998. Heinz Schreckenberg, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (1.–11. Jh.) (Europäische Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie 172), 4. überarb. u. erg. Aufl. Frankfurt/M. u.a. 1999 (11982); Ders., Die christlichen Adversus Judaeos-Texte (11.–13. Jh.). Mit einer Ikonographie
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
ken sich aber auf bestimmte Zeiten, Schriften oder Aspekte, so daß auch hier ein umfassender Überblick über das christliche Judenbild des früheren Mittelalters insgesamt fehlt. Erst in jüngerer Zeit wird auch die umgekehrte Perspektive, das jüdische Christenbild, stärker beachtet.35 – Am weitaus besten ist die Wahrnehmung des Islam bearbeitet. Hier haben Norman Daniel, Richard Southern und Marie-Thérèse d’Alverny die ersten Grundlagen bereits in den 1960er Jahren gelegt.36 Seither sind ihre Ergebnisse durch gründliche, wenngleich oft zeitlich oder räumlich begrenzte Studien erweitert worden, vor allem von Philippe Sénac, Benjamin Kedar, Ekkehard Rotter, Katherine Scarfe Beckett und John Tolan.37 Sie werden ergänzt durch Studien zum abendländischen Mohammedbild. Gerade die umfassendsten Arbeiten (wie Tolan) konzentrieren sich allerdings auf die – zugegebenermaßen differenziertesten und daher interessantesten – Quellen aus den Gebieten islamisch-christlichen Zusammenlebens im Westen (Spanien) und Osten (Vorderer Orient), während die Dissertation Rotters, der als einziger sämtliche Äußerungen, und gerade auch die der Fernzonen, berücksichtigt, bereits mit dem 8. Jahrhundert endet und die Arbeit Katherine
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des Judenthemas bis zum 4. Laterankonzil (Europäische Hochschulschriften: Reihe 23, Theologie: 335), 2., veränd. Aufl., Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1991. Vgl. die nicht unumstrittene Arbeit von Israel Yuval, Zwei Völker in deinem Leib. Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur 4), Göttingen 2007 (engl. Univ. of California 2006). Norman Daniel, Islam and the West. The Making of an Image, Edinburgh 31966 (11960); Richard William Southern, Western Views of Islam in the Middle Ages, Cambridge, Mass. 1962 (dt. Das Islambild des Mittelalters, Stuttgart u.a. 1981); Marie-Thérèse d’Alverny, La connaissance de l’Islam en Occident du IXe au milieu du XIIe siècle, in: L’occidente e l’Islam nell’alto medioevo (Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo 12), Spoleto 1965, S. 577–602 (abgedr. in: Dies., La connaissance de l’Islam dans l’Occident médiéval [CS 445], Aldershot 1994). Philippe Sénac, L’Occident médiéval face à l’Islam. L’image de l’autre, Paris 1983; Benjamin Z. Kedar, Crusade and Mission: European Approaches toward the Muslims, Princeton 1984; Ekkehart Rotter, Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter, Berlin-New York 1986; Katherine Scarfe Beckett, Anglo-Saxon Perceptions of the Islamic World (Cambridge Studies in Anglo-Saxon England 33), Cambridge 2003; John V. Tolan, Saracens. Islam in the Medieval European Imagination, New York 2002, S. 21–39; Ders., Sons of Ishmael. Muslims through European Eyes in the Middle Ages, Gainsville u.a. 2008.
3. Zum Forschungsstand
17
Beckets sich auf Britannien beschränkt. Andere Studien setzen erst mit den Kreuzzügen ein oder behandeln, vor allem in den Beiträgen verschiedener Sammelbände, nur einzelne Aspekte. Eine umfassende Untersuchung der Wahrnehmung im gesamten Abendland fehlt daher selbst für diesen, zweifellos am gründlichsten erforschten Bereich. – Am wenigsten ist bisher seltsamerweise die Wahrnehmung der anderen christlichen Religionen in den Blick genommen worden. Trotz umfangreicher Forschungen zu mittelalterlichen Häresien an sich und speziell zu den großen Häresien, vor allem zu Katharern und Waldensern, fehlte bis vor kurzem jeder Versuch einer Analyse der Wahrnehmung der Häresien als solcher (und wird auch in den häresiegeschichtlichen Arbeiten, bis auf den zentralen Aspekt der kirchlichen Reaktion und auf den Häresiebegriff der Kanonistik, kaum gestreift).38 Erst 2009 erschien mit der Arbeit von Alessia Trivellone eine einschlägige Studie zur Wahrnehmung der Häresien, die sich jedoch ausschließlich auf die ikonographischen Bezüge konzentriert.39 – Das Gleiche gilt gegenüber dem griechisch-orthodoxen Glauben. Während es zu Byzanz selbst unzählige Arbeiten gibt und auch das Verhältnis zwischen Byzanz und dem Abendland seit den Pionierarbeiten Franz Dölgers und Werner Ohnsorges immer wieder gründlich untersucht wurde, geriet ansonsten allenfalls das allgemeine Griechenbild in das Blickfeld.40 Die 38
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Eine Ausnahme bildet der allerdings auf das hohe Mittelalter beschränkte Sammelband von Willem Lourdaux/Daniel Verhelst (Hg.), The Concept of Heresy in the Middle Ages (11th–13th C.). Proceedings of the International Conference Louvain May 13–16, 1973 (Mediaevalia Lovaniensia Series I Studia 4), Leuven-Den Haag 1976. Alessia Trivellone, L’hérétique imaginé. Hétérodoxie et iconographie dans l’Occident médiéval de l’époque carolingienne à l’Inquisition (Collection d’études médiévales de Nice 10), Turnhout 2009. Vgl. etwa Fred Haenssler, Byzanz und Byzantiner. Ihr Bild im Spiegel der Überlieferung der germanischen Reiche im früheren Mittelalter, Diss. Bern 1960; Martin George Arbagi, Byzantium in Latin Eyes: 800–1204, Diss. Rutgers University, New Brunswick, N.J. 1969 (University Microfils 70–10,041, Ann Arbor, Michigan 1970); Bunna Ebels-Hoving, Byzantium in Westerse Ogen 1096–1204, Diss. Groningen, Assen 1971; Michael Rentschler, Liutprand von Cremona. Eine Studie zum ostwestlichen Kulturgefälle im Mittelalter (Frankfurter Wissenschaftliche Beiträge. Kulturwissenschaftliche Reihe 14), Frankfurt/M. 1981; Ders., Griechische Kultur und Byzanz im Urteil westlicher Autoren des 10. Jahrhunderts, in: Saeculum 29, 1978, S. 324–355; Ders., Griechische Kultur und Byzanz im Urteil westlicher Autoren des 11. Jahrhunderts, in: Saeculum 31, 1980, S. 112–156.
18
Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
religiösen Aspekte werden hier bestenfalls gestreift, oder sie beschränken sich ganz auf die kirchenpolitische Auseinanderentwicklung einerseits 41 und dogmatische Streitigkeiten (vor allem den Bilderstreit) andererseits. Die Wahrnehmung der orthodoxen Religion ist hier daher erstmals zu erarbeiten. „Wenn man Christentum, Judentum und Heidentum je für sich behandelt, so droht eines aus dem Blick zu geraten: Die verschiedenen Religionen interagierten fortwährend miteinander, so sehr sie sich voneinander abzugrenzen suchten.“ 42 Diese Maxime Hartmut Leppins gilt selbstverständlich auch für vorstellungsgeschichtliche Studien, ist doch zu untersuchen, wie sich die Religionen in der Wahrnehmung der Christen voneinander abgrenzten. Weist schon der Forschungsstand zur Wahrnehmung einzelner Religionen – ganz im Gegensatz zu wertvollen Forschungen zum Verhältnis zwischen Christen und Andersgläubigen oder, in jüngerer Zeit, zu Kulturkontakten und zum Kulturtransfer,43 zur Integration oder Desintegration der Kulturen,44
41
42 43
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Vgl. etwa Axel Bayer, Spaltung der Christenheit. Das sogenannte Morgenländische Schisma von 1054 (Beihefte zum AKG 53), Köln-Weimar-Wien 2002. So Hartmut Leppin, Das Erbe der Antike (bsr 1980), München 2010, S. 211. Vgl. Mark D. Meyerson/Edward D. English (Hg.), Christians, Muslims and Jews in Medieval and Early Modern Spain. Interaction and Cultural Change (Notre Dame Conferences in Medieval Studies 8), Notre Dame 2000; Richard F. Gyug, Medieval Cultures in Contact (Fordham Series in Medieval Studies), New York 2003; Nicolas Prouteau (Hg.), Chrétiens et musulmans en Méditerranée médiévale (VIIIe –XIIIe siècle): échanges et contracts (Civilisation médiévale 15), Poitiers 2003; Benjamin Z. Kedar, Franks, Muslims and Oriental Christians in the Latin Levant. Studies in Frontier Acculturation (Variorum CS868), Aldershot 2006; L.H. Hollengreen (Hg.), Translatio or the Transmission of Culture in the Middle Ages and the Renaissance. Modes and Messages (Arizona Studies in the Middle Ages and Renaissance), Turnhout 2008; Gundula Grebner/Johannes Fried (Hg.), Kulturtransfer und Hofgesellschaft im Mittelalter. Wissenskultur am sizilianischen und kastilischen Hof im 13. Jahrhundert (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel 15), Berlin 2008; Stamatios Gerogiorgakis/Roland Scheel/Dittmar Schorkowitz, Kulturtransfer vergleichend betrachtet, in: Borgolte/Dücker/Müllerburg/Schneidmüller (Hg.), Integration und Desintegration der Kulturen S. 385–466. Überwiegend neuzeitlich: Lothar Gall/Dietmar Willoweit (Hg.), Judaism, Christianity, and Islam in the Course of History. Exchange and Conflicts (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 82), München 2011. Vgl. Michael Borgolte/Julia Dücker/Marcel Müllerburg/Bernd Schneidmüller (Hg.), Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter (Europa im Mittelalter 18), Berlin 2011.
3. Zum Forschungsstand
19
zur „kulturellen Diversität“ 45 und „Hybridität“,46 aber auch zur Position des kanonischen Rechts 47 – große Lücken und manche Defizite auf, so fehlen umfassende und vor allem (nach gleichen Kriterien) vergleichende Studien völlig. Nur zu einzelnen Autoren gibt es Ansätze dazu, die immerhin belegen, wie fruchtbar eine solche Perspektive sein kann. So hat Dominique Iogna-Prat die cluniazensischen Ansichten und Einstellungen gegenüber Häretikern, Juden und Muslimen analysiert,48 und Michael Frassetto stellt mit Blick auf Ademar von Chabannes fest: „Ademar thus has a well-defined understanding of pagans, Jews, and Muslims. His view of the latter two was shaped by the developing stereotypical view that would come to dominate among medieval Westerners.“49 Amos Funkenstein hat kurz die religiöse Polemik von Juden, Christen und Muslimen über weite Zeiträume hinweg 45
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Vgl. zum Spätmittelalter: Margit Mersch/Ulrike Ritzerfeld (Hg.), Lateinisch-griechisch-arabische Begegnungen. Kulturelle Diversität im Mittelmeerraum des Spätmittelalters (Europa im Mittelalter 15), Berlin 2009. Vgl. Michael Borgolte/Bernd Schneidmüller (Hg.), Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa. Vorträge und Workshops einer internationalen Frühlingsschule (Europa im Mittelalter 16), Berlin 2010. Vgl. Hans-Jürgen Becker, Die Stellung des kanonischen Rechts zu den Andersgläubigen: Heiden, Juden und Ketzer, in: Ludger Grenzmann/Thomas Haye/Nikolaus Henkel/Thomas Kaufmann (Hg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. I. Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien (Heiden, Barbaren, Juden) (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, n.F. 4. Berichte über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters), Berlin-New York 2009, S. 101–123; Alexander Patschovsky, Feindbilder der Kirche: Juden und Christen im Vergleich (11.–13. Jahrhundert), in: Alfred Haverkamp (Hg.), Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge (Vorträge und Forschungen 47), Sigmaringen 1999, S. 327–357. Dominique Iogna-Prat, Ordonner et exclure. Cluny et la société chrétienne face à l’hérésie, au judaïsme et à l’islam, 1000–1150 (Collection historique), Paris 1998 (ND. 2003), bietet neben einem ausgezeichneten Einblick in das christliche Gedankengut Clunys im dritten Teil eine Analyse der Vorstellungen des Petrus Venerabilis gegenüber Andersgläubigen, die aber kaum als repräsentativ für „die christliche Gesellschaft“ gelten dürfen. Vgl. die Diskussion dieses Buches durch David Nirenberg, Isabelle Cochelin, Lucy K. Pick und die Entgegnung von Dominique IognaPrat in: EME 13, 2005, S. 387–418. Michael Frassetto, Pagans, Heretics, Saracens, and Jews in the Sermons of Ademar of Chabannes, in: Ders. (Hg.), Heresy and the Persecuting Society in the Middle Ages. Essays on the Work of R. I. Moore (Studies in the History of Christian Traditions 129), Leiden 2006, S. 73–91, hier S. 80.
20
Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
vergleichend betrachtet.50 Weitere Arbeiten ließen sich nennen. Sie alle beschränken sich aber auf einzelne Facetten oder bestimmte Autoren. Eine vergleichende Untersuchung verschiedener Religionen ist ein völliges Desiderat des bisherigen Forschungsstandes. Kennzeichnend und neu an der hier verfolgten Projektarbeit, aus der der vorliegende Band hervorgegangen ist, ist daher erstens die stringent vorstellungsgeschichtliche Perspektive der Wahrnehmung anderer Religionen im früheren Mittelalter, die das Thema aus einem anderen Blickwinkel beleuchtet, und zwar zweitens in einer Epoche, die bisher in dieser Hinsicht eher vernachlässigt wurde. Neu ist drittens, letztlich durchweg, die systematische Aufarbeitung und Analyse der Wahrnehmung aller anderen Religionen, und hier besonders der Heiden, Häretiker und orthodoxen Christen, während der bisherige Kenntnisstand zur Wahrnehmung von Juden und Muslimen immerhin deutlich erweitert und vertieft werden konnte. Gänzlich neu ist schließlich vor allem die vergleichende Betrachtung der Wahrnehmung der anderen Religionen, die bislang fast durchweg einzeln51 oder aber auf andere vergleichende Aspekte als auf die religiöse Wahrnehmung hin betrachtet wurden.52 Auf der Grundlage gleicher Fragestellungen im gesamten Projekt sollte ein solcher Vergleich unmittelbar und nach gleichen Kriterien möglich werden. 50
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Amos Funkenstein, Juden, Christen und Muslime. Religiöse Polemik im Mittelalter, in: Wolfgang Beck (Hg.), Die Juden in der europäischen Geschichte, München 1992, S. 33–49. Einen Überblick über neuzeitliche Positionen zur Religion gibt Horst Althaus, „Heiden“, „Juden“, „Christen“. Positionen und Kontroversen von Hobbes bis Carl Schmitt, Würzburg 2007, der, ohne klare Fragestellung, allerdings Autor für Autor vorgeht und kein vergleichendes Resümee zieht. Einige neuere Arbeiten vergleichen bestimmte thematische Aspekte oder historische Entwicklungen (nicht aber die religiöse Wahrnehmung). Vgl. beispielsweise Michael Borgolte (Hg.), Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne. Auf der Suche nach ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden in religiösen Grundlagen, praktischen Zwecken und historischen Transformationen (Stiftungsgeschichten 4), Berlin 2005; Wolfram Drews, Die Karolinger und die Abbasiden von Bagdad. Legitimationsstrategien frühmittelalterlicher Herrscherdynastien im transkulturellen Vergleich (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 12), Berlin 2003; Jenny Rahel Oesterle, Kalifat und Königtum. Herrschaftsrepräsentation der Fatimiden, Ottonen und frühen Salier an religiösen Hochfesten (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Studien zur Geschichte, Literatur und Kunst), Darmstadt 2009; spätmittelalterlich: Katherine L. Jansen/Miri Rubin (Hg.), Charisma and Religious Authority. Jewish, Christian, and Muslim Preaching, 1200–1500 (Europa sacra 4), Turnhout 2010.
3. Zum Forschungsstand
21
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts dürfen sich in dieser Form daher sowohl im Hinblick auf den umfassenden Überblick und Vergleich als auch auf die Analyse einzelner Religionen als Pionierarbeit betrachten (mit allen Vor- und Nachteilen, die einer solchen Untersuchung, auch im Hinblick auf eine Verbindung von Überblickswerk und wissenschaftlicher Studie, anhaften), deren Ergebnisse ebenso selbstverständlich noch durch weitere und detaillierte Arbeiten zu erweitern und zu verfeinern und somit gegebenenfalls auch zu modifizieren sind. Die angezielte Breite dieser Untersuchung erfordert zudem eine exemplarische Auswahl der Belege und kann nicht auf deren vollständiger Sichtung beruhen. Der Blick auf die Wahrnehmung der anderen Religionen beleuchtet (lediglich) die abendländisch-christlichen Vorstellungen und das mittelalterlich-christliche Selbstverständnis. Im Vergleich von Fremd- und Selbstverständnis eröffnen sich aber wichtige Horizonte des religiösen Denkens im früheren Mittelalter schlechthin. Eine umfassende Analyse der Christen in der Wahrnehmung der anderen, nicht-christlichen bzw. nicht-katholischen Religionen steht noch aus.53 Ein globaler Vergleich 53
Die Wahrnehmung des Christentums in der islamischen Historiographie wird von Daniel König und anderen in den Forschungsprojekten „Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Euromediterraneum (500–1500) und „FranceMed: La France et la Méditerranée. Espace de transferts culturels“ untersucht, die allerdings nicht primär auf die religiöse Wahrnehmung, sondern auf die islamische Wahrnehmung des christlichen Abendlandes und seiner historischen Herausbildung und die gegenseitige Wahrnehmung der jeweils anderen Kultur bezogen sind. Vgl. bislang Daniel König, Muslim Perceptions of ‚Latin Christianity‘. Methodological Reflections and a Reevaluation, in: Comparativ. Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Gesellschaftsforschung 20, 2010, S. 18–42; Ders., The Christianisation of Europe as Seen by Medieval Arab-Islamic Historiographers, in: The Medieval History Journal 12, 2010, S. 431–472; Ders., Arabic-Islamic Historiographers on the Emergence of Latin-Christian Europe, in: Walter Pohl/Clemens Gantner/Richard Payne (Hg.), Visions of Community. The West, Byzantium and the Islamic World, 300–1100, Farnham 2012, S. 427–446. Einen Vergleich islamischer und christlicher Quellen in Spanien nimmt Matthias Maser, „Islamische Welt“ und „christliche Welt“ im Spiegel arabischer und lateinischer Quellen aus dem mittelalterlichen Spanien. Konditionen der Wahrnehmung zwischen Topos und Beobachtung, in: Cristiani, ebrei, musulmani nell’Occidente medievale (= Rivista di storia del cristianesimo 2007/1), S. 7–28, vor, konzentriert sich dabei aber mehr auf die ethnographischen als auf die religiösen Aspekte, die er als Topoi betrachtet. Die wechselseitige Wahrnehmung von Juden und Christen im Mittelalter berührt die Arbeit von Yuval, Zwei Völker in deinem Leib, dem es allerdings eher formal um den Nachweis geht, daß man sich gegenseitig zur Kenntnis genommen und beeinflußt hat, und der die Art und Inhalte dieser Wahrnehmung eher streift.
22
Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
aber kann, auf der Grundlage jeweiliger Arbeiten wie dieser, letztlich nur in enger, interdisziplinärer Zusammenarbeit geleistet werden und bleibt eine Aufgabe der Zukunft. Erst ein solcher Vergleich wird offenlegen können, wieweit es sich hier um spezifisch „christliche“ oder „abendländische“ oder aber um zeitgemäß mittelalterliche, den eigenen Religionskreis überschreitende Überzeugungen handelt.
4. Zum methodischen Vorgehen und zur Struktur der Studie Mit dem konsequent vorstellungsgeschichtlichen Ansatz, der auf das Selbstverständnis des abendländischen Christentums im frühen und hohen Mittelalter abzielt, wird die Vorstellungswelt der Menschen gleichsam „von innen“ her erfaßt. Dabei wird das methodische Vorgehen von vier Leitgedanken bestimmt: Erstens sollten wichtige Quellen und Autoren einzeln behandelt werden, um die Wahrnehmung der Religionen sowohl in die Intentionen als auch in die Vorstellungswelt und Darstellungsweise des jeweiligen Verfassers und die Funktionen ihrer Schriften einordnen und die spezifische Wahrnehmung anderer Religionen in Gemeinsamkeiten und Unterschieden erfassen zu können. Es versteht sich von selbst, daß ein solches Vorgehen nur an einer begrenzten Anzahl repräsentativ ausgewählter Quellen möglich ist. Ergebnisse dieses Vorgehens finden sich in verschiedenen Aufsätzen der Projektteilnehmer/innen in den am Ende dieses Abschnitts genannten Publikationen. Im Vergleich dieser Quellen werden dann potentiell – in grundlegender Einstellung wie in kleinen Nuancen – individuelle, genre- und erzählbedingte, zeitliche, regionale und gruppenspezifische oder institutionell geprägte Unterschiede und Entwicklungen ebenso wie Gemeinsamkeiten und Stereotypen in der Wahrnehmung erkennbar. Mittels einer eigens für die Bedürfnisse des Projekts angefertigten Datenbank,54 in die alle einschlägigen Belege ausgewählter Quellen nach geordneten Datenfeldern eingegeben und kommentiert wurden, können die einzelnen Aussagen miteinander verglichen und die qualitativen Analysen durch quantitative ergänzt werden, die einen
54
Für die Erstellung und Begleitung der Datenbank sei Frank Rettberg von der Firma Bubitek in Hamburg herzlich gedankt.
4. Zum methodischen Vorgehen und zur Struktur der Studie
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Einblick auch in die Häufigkeit bestimmter Äußerungen und Wahrnehmungsmuster erlauben. Zur erheblichen Erweiterung und Abrundung dieser insgesamt zwangsläufig beschränkten Quellenbasis55 wurden die intensiv analysierten Quellen durch weitere, eher verstreute Äußerungen aus einer Vielzahl weiterer Schriften ergänzt. Dabei konnten nicht zuletzt Quellen in die Untersuchung einbezogen werden, welche die religiösen Wahrnehmungen der Autoren nur sporadisch erkennen lassen. Eine elektronische Suche nach den einschlägigen Begriffen in den vorhandenen elektronischen Datenbanken (Patrologia Latina Database, dMGH, Library of Latin Texts) hat diese Arbeit wesentlich erleichtert. Zweitens sollten die einzelnen Religionen zunächst für sich ausgewertet werden, um spezifische Eigenheiten in den Einstellungen gegenüber den verschiedenen Glaubensrichtungen erkennbar zu machen.56 Im anschließenden Vergleich werden dann Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wahrnehmung verschiedener Religionen wie auch, vor allem im Vergleich mit dem Selbstverständnis der eigenen (christlichen) Religion, Grundstrukturen des mittelalterlich-christlichen, religiösen Denkens schlechthin sichtbar. Insgesamt bieten sich somit Einblicke in wichtige Aspekte der religiösen Vorstellungswelt des abendländischen Mittelalters. Ein einigermaßen repräsentatives Ergebnis verlangt drittens die Einbeziehung eines breiten Spektrums von nach Gattung, Raum, Zeit und institutionellem Hintergrund unterschiedener Quellen. Bei der zwangsläufig zu treffenden Auswahl war deshalb neben einer repräsentativen zeitlichen und räumlichen Streuung der behandelten Quellen zum einen darauf zu achten, daß neben einschlägigen und besonders ergiebigen Schriften, die der Wahrnehmung anderer Religionen von ihrer Absicht her besondere Aufmerksamkeit widmen – und mit diesen hat sich die bisherige Forschung hauptsächlich befaßt –, gerade auch „normale“ Schriften einbezogen wurden, deren Wahrnehmung der anderen Religionen gar nicht im Zentrum des Interesses der Autoren steht, sondern eher beiläufig in die Darstellung einfließt (und damit eine Art unterbewußter Vorstellung widerspiegelt). Zum andern wurde Wert auf ein breites Spektrum unterschiedlicher Quellenarten gelegt. Hier standen zwangsläufig theologische Traktate, historiographische und hagiographische Schriften sowie bibelexegetische Kommentare im Vordergrund,
55 56
Insgesamt wurden im Projekt rund 90 Quellen auf diese Weise ausgewertet. Im Projekt war deshalb allen Beteiligten die Bearbeitung der Wahrnehmung einer bestimmten Religion zugeordnet.
24
Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
wurden aber durch ausgewählte andere Schriften unterschiedlichster Art ergänzt: weltliche und kirchliche Rechtsquellen, Briefe, Urkunden, Reiseberichte, Predigten, wissenschaftlich-didaktisches Schrifttum, aber auch weltliche und geistliche Dichtungen sowie Bildquellen, die sich für die frühen Jahrhunderte allerdings als weniger ergiebig erweisen. Der vierte Leitgedanke bezieht sich auf den Inhalt. Um ein Gesamtbild der Wahrnehmung anderer Religionen zu erhalten und deren Stellenwert abschätzen zu können, mußten nicht nur möglichst alle Aspekte untersucht, sondern neben den unmittelbaren Reflexionen über den Glauben und der Polemik gegenüber Andersgläubigen sowie „Religionsgesprächen“ mit ihnen auch der – oft nicht religiöse – Kontext und die verschiedenen Kontaktbereiche zwischen Christen und Nichtchristen in der christlichen Wahrnehmung berücksichtigt werden: kulturelle und religiöse Kontakte, Kulturaustausch von und nach außen wie auch in koexistenten Gesellschaften, Mission, politisch-diplomatische Beziehungen, feindliche Auseinandersetzungen. Ein nicht unbeträchtliches „Problem“ besteht nämlich darin, daß Nachrichten über heidnische Völker (die nicht explizit als Heiden bezeichnet werden) oder über Sarazenen und Griechen und selbst über Juden oft jeder religiösen Anspielung entbehren oder die religiöse Dimension nur vage andeuten. Dieser Sachverhalt ist bereits in sich aussagekräftig, doch er erlaubt natürlich kaum detaillierte Beobachtungen zur Wahrnehmung der Religion(en). Um einen stringenten Vergleich zu gewährleisten, wurden die Quellen(äußerungen) nach bestimmten, insgesamt umfassenden Leitfragen ausgewertet, die sowohl auf den Kontext, die Bezeichnungen und die wahrgenommenen Inhalte der Religionen als auch auf deren Verständnis und Bewertung abzielen und die es im Vergleich erlauben, die Spezifika in der Wahrnehmung der jeweils anderen Religion sowie der Religion an sich wie auch die Unterschiede zwischen christlichem und nichtchristlichem Glauben in christlich-mittelalterlicher Wahrnehmung oder zwischen der mittelalterlichen und der heutigen religiösen Vorstellungswelt zu analysieren (wobei jede Einzelstelle selbstverständlich nur zu einigen wenigen Fragen Antworten erlaubt und darüber hinaus quellenspezifische Beobachtungen zugelassen werden müssen), nämlich: 1. Narrativ-literarischer und historischer Kontext: In welchen Zusammenhängen werden Religionen und deren Mitglieder erwähnt? Weshalb werden sie erwähnt? 2. Terminologie: Wie werden die Religionen und ihre Mitglieder bezeichnet? Wie werden sie beschrieben? Welche Bedeutungen tragen die Bezeichnungen?
4. Zum methodischen Vorgehen und zur Struktur der Studie
25
3. Inhalte: Was wird über die anderen Religionen berichtet? Was ist mit diesen Berichten direkt oder indirekt impliziert? Welche Bedeutung liegt den Vorstellungen zugrunde? 4. Wissen und Verständnis: Was wissen die Christen über die anderen Religionen? Welche Bedeutung messen sie den Aussagen bei? Welches Verständnis bringen sie den anderen Religionen entgegen bzw. wie weit verstehen sie diese überhaupt? Gibt es Mißverständnisse oder Mißdeutungen, und wie begründen sie sich? 5. Bewertungen: Welches Urteil liegt den religiösen Bemerkungen zugrunde? Wie werden die anderen Religionen insgesamt bewertet? Was sind die Bewertungskriterien? 6. Vergleich: Welches sind die spezifischen Wahrnehmungen und Einstellungen gegenüber den einzelnen Religionen? Welche Gemeinsamkeiten weist die Wahrnehmung der anderen Religionen auf ? Welches sind aus christlicher Sicht die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zwischen den anderen Religionen? Gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung von Heiden und Monotheisten? zwischen Judentum und Islam? zwischen diesen und den christlichen Häresien? 7. Einordnung der anderen Religionen und ihr Verhältnis zum Christentum: Wie werden die Religionen klassifiziert? Was sind die Hauptunterschiede zwischen der christlichen und den anderen Religionen in der Sicht der mittelalterlichen, christlichen Autoren? Welches sind die mentalen Hintergründe und Gründe für religiöse Konflikte? Welches sind die (oder mögliche) Folgen der Konfrontationen? Welche Folgerungen ergeben sich daraus für das christliche Selbstverständnis? 8. Strukturen: Welche Funktion der Religion an sich ergibt sich aus den Beobachtungen? Was ist typisch für Berichte über Religionen? Welche Bedeutung kommt den religiösen Wahrnehmungen im Rahmen der gesamten Vorstellungswelt zu? 9. Vergleich der mittelalterlichen mit der heutigen Religionswahrnehmung: Welches sind die spezifischen mittelalterlichen Vorstellungen? Was unterscheidet sie von heutigen Religionsvorstellungen? Die Fragen 1–5 lassen sich auf den Einzelbeleg beziehen (vor einer vergleichenden Untersuchung), die Fragen 6 und 7 ergeben sich im wesentlichen erst aus einem Vergleich der Einzelbelege. Die Fragen 8 und 9 wären vor einer hinreichenden Beantwortung noch auf weitere Vorstudien angewiesen.
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe
In dieser Studie werden die wesentlichen Merkmale der Wahrnehmung anderer Religionen zunächst religionsspezifisch dargelegt, bevor ein abschließender Vergleich Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausstellt, die gestellten Fragen systematisch zu beantworten sucht und die Wahrnehmung der anderen Religionen in das religiöse Selbstverständnis der abendländischen Christen einordnet. Dieser breite Rahmen verlangt zwangsläufig eine Beschränkung auf die genannten Fragen wie auch auf exemplarische Belege und kann auch nicht annähernd den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, doch wurde zumindest die Repräsentativität der Beispiele angestrebt. Trotz der vorhandenen Vorarbeiten, der breiten Materialgrundlage und der systematischen Projektarbeit und Quellenauswertung sind mit den Projektergebnissen keineswegs alle Fragen geklärt, so daß dieses Buch auch zu weiterer Arbeit aufrufen möchte. Interessant wäre auch eine Weiterführung für das Spätmittelalter.57 Noch in der Frühen Neuzeit ist die Wahrnehmung fremder Religionen „im christlichen Europa selbstverständlich theologisch programmiert“.58 Da diese Studie sich ganz auf die Wahrnehmung seitens der katholischen Christen beschränkt, wäre auf dieser Grundlage darüber hinaus ein Vergleich mit der Sichtweise der anderen wünschenswert: Wie nimmt man dort, vor allem im Judentum und Islam, die Christen, wie die anderen Religionen wahr? 59 Abgesehen von einzelnen Vorarbeiten60 bleibt das ein wichtiges Desiderat. Projektpublikationen: Teilergebnisse des Projekts sind in verschiedenen Publikationen dokumentiert, auf die im folgenden kurz hingewiesen sei: außer der vorliegenden Monographie in zwei gemeinsamen Sammelbänden und einer Reihe von Aufsätzen, darunter auch den publizierten Vorträgen auf dem IMC in Leeds 2011: Anna Aurast/Hans-Werner Goetz (Hg.), Die Wahrnehmung anderer Religionen im früheren Mittelalter: Terminologische Probleme und methodische Ansätze (Hamburger 57
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Vgl. dazu Grenzmann/Haye/Henkel/Kaufmann (Hg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen. So Wolfgang Reinhard, Christliche Wahrnehmung fremder Religionen und Fremdwahrnehmung des Christentums in der frühen Neuzeit, in: ebd. S. 51–72, hier S. 51. Die heidnische Wahrnehmung ist von der Quellenlage her nicht oder nur indirekt aus den christlichen Quellen zu erfassen. Von häretischer Seite liegen im Früh- und Hochmittelalter ebenfalls nur wenige Zeugnisse vor, die sich vor allem auf einzelne Glaubenssätze konzentrieren. Vgl. oben Anm. 53.
4. Zum methodischen Vorgehen und zur Struktur der Studie
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geisteswissenschaftliche Studien zu Religion und Gesellschaft 1), Münster 2012 (Lit Verlag). Der Band enthält folgende Aufsätze: – Einleitung: Das Forschungsprojekt “The Perception of Other Religions” und die Zielsetzung dieses Bandes, S. 3–13 – Kerstin Zech, Heidenvorstellung und Heidendarstellung. Begrifflichkeit und ihre Deutung im Kontext von Bedas ‚Historia Ecclesiastica‘, S. 15–45 – Hans-Werner Goetz, Was wird im frühen Mittelalter unter „Häresie“ verstanden? Zur Häresiewahrnehmung des Hrabanus Maurus, S. 47–88 – Norman Bade, Vorstellungen vom Islam und den Sarazenen in der ‚Vita Hludowici imperatoris‘ und den ‚Annales Bertiniani‘. Möglichkeiten und Grenzen einer terminologischen Untersuchung, S. 89–119 – Claudia Valenzuela, „Ritu Mamentiano“. Auf der Suche nach den christlichen Wahrnehmungen vom Islam in der frühmittelalterlichen Historiographie Nordspaniens, S. 121–168 – Anna Aurast, Verwandte Feinde. Christliche Vorstellungen von Juden und ihrer Religion in ausgewählten erzählenden und Rechtszeugnissen des frühen Mittelalters, S. 129–206. Christian perception and knowledge of other religions in the Early Middle Ages, in: Millenium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends nach Chr. 10, 2013, S. 275–384: – Introduction, S. 275–280 – Bele Freudenberg/Hans-Werner Goetz, The Christian perception of heathens in the Early Middle Ages, S. 281–292 – Norman Bade, Muslims in the Christian World Order. Comprehension and Knowledge of the Saracens in two Universal Histories of the Carolingian Empire, S. 293–310 – Claudia Valenzuela, ‘The Faith of the Saracens’. Some Remarks on the Perception of Islam in the Hagiography from the North of the Iberian Peninsula, S. 311– 330 – Anna Aurast, What did Christian Authors Know about Jews and Judaism? Some Remarks Based on Early Medieval Evidence, S. 331–348 – Bele Freudenberg, ‘Unus grex et unum ovile?’ The Papacy’s Comprehension of the Greek-Orthodox Religion in the Eighth Century, S. 349–372 – Hans-Werner Goetz, What is Heretic in Christian Heresies? The Perspective of Medieval Catholic Authors, S. 373–384. Norman Bade/Bele Freudenberg (Hg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern. Die christlich-abendländischen Vorstellungen von Andersgläubigen im Früh- und Hochmittelalter in vergleichender Perspektive, Bochum 2013:
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Einleitung: Die Wahrnehmung anderer Religionen als Forschungsaufgabe – Norman Bade/Bele Freudenberg, Einleitung, S. 7–12 – Norman Bade, Stereotype Vorstellungen? Die christlich-abendländische Wahrnehmung der Sarazenen im Spiegel der französischen Historiographie zu Beginn des 11. Jahrhunderts, S. 13–53 – Claudia Valenzuela, Die Sarazenen als religiöse Feinde? Vielstimmigkeit und ambivalente Vorstellungen am Beispiel ausgewählter Schriften des 12. Jahrhunderts aus dem Norden der Iberischen Halbinsel, S. 55–85 – Anna Aurast, ... ex Judaeo conversus, sed praecordialiter fidelis erat. Wie wurden Juden und ihre Religion in 12. Jahrhundert wahrgenommen? Eine Betrachtung der Werke Guiberts von Nogent und einiger seiner abendländischer Zeitgenossen, S. 87–108 – Hans-Werner Goetz, Die Wahrnehmung der Heiden in den Viten Ottos von Bamberg, S. 109–129 – Hans-Werner Goetz, Wandel des Häresiebegriffs im Zeitalter der Kirchenreform? Eine Betrachtung der Streitschriften Humberts von Silva Candida und Gottfrieds von Vendôme, S. 131–152 – Bele Freudenberg, Dialog und Konflikt. Trennende und verbindende Elemente in der Wahrnehmung der griechischen Religion in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Das Beispiel des Anselm von Havelberg, S. 153–189.
Weitere Aufsätze im thematischen Zusammenhang des Projekts: Hans-Werner Goetz, Sarazenen als „Fremde“? Anmerkungen zum Islambild in der abendländischen Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, in: Lawrence I. Conrad (Hg.), Studien zur Geschichte und Kultur des islamischen Orients (= Festschrift Gernot Rotter) (Studien zur Geschichte und Kultur des islamischen Orients. Beihefte zur Zeitschrift „Der Islam“, n.F. 24), Berlin-New York 2009, S. 39–66 Ders., Häresie – was ist das? Die Wahrnehmung von Häretikern im früheren Mittelalter, in: Marc Föcking/Hans-Werner Goetz (Hg.), Ungläubige, Teufelsdiener, Abtrünnige … Der Umgang mit Andersgläubigen in Geschichte und Gegenwart (Hamburger geisteswissenschaftliche Studien zu Religion und Gesellschaft 3), Münster 2013, S. 35–57 Ders., La compétition entre catholiques et ariens en Gaule: les entretiens religieux („Religionsgespräche“) de Grégoire de Tours, in: François Bougard/Régine Le Jan/ Thomas Lienhard (Hg.), Agôn. La compétition (Ve–XIIe siècle), (Haut Moyen Âge 17), Turnhout 2012, S. 183–198 Ders., Christians and Pagans in the Period of Mission: similar concepts in a religious confrontation, in: Sigbjørn Sønnesyn/Leidulf Melve (Hg.), The Creation of Medieval Northern Europe. Christianisation, Social Transformations, and Historiography. Essays in Honour of Sverre Bagge, Oslo 2012, S. 29–43 Ders., Discourses on Purity in Western Christendom in the Early and High Middle Ages, in: Nikolaus Jaspert/Matthias Bley (Hg.), Discourses of Purity in Transcultural Perspective (300–1600) (im Druck)
4. Zum methodischen Vorgehen und zur Struktur der Studie
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Ders., La lutte des dieux. Remarques sur l’argumentation et les concepts des missionnaires au Haut Moyen Âge, in: Philippe Depreux/François Bougard/Régine Le Jan (Hg.), Compétition et sacré au haut Moyen Âge: entre médiation et exclusion (Haut Moyen Âge) (im Druck). Ders., Die christlich-abendländische Wahrnehmung anderer Religionen im frühen und hohen Mittelalter. Methodische und vergleichende Aspekte (Wolfgang Stammler Gastprofessur – Vorträge – 23), Berlin-New York 2013 Ders., Heiden aus Schicksal – Heiden aus Schuld? Zum Heidenbegriff in frühmittelalterlichen Missionskontexten, in: Mittellateinisches Jahrbuch 49, 2013 (im Druck) Weitere Aufsätze sind in Vorbereitung. Im fortgeschrittenen Stadium befindet sich außerdem die Dissertation von Norman Bade über die Wahrnehmung der Sarazenen in der Historiographie des 9. bis 11. Jahrhunderts.
Kapitel 1
Die Wahrnehmung der Heiden
1. Was sind Heiden? Begrifflichkeit und Abgrenzungen Das Heidenbild des christlichen Mittelalters ist – ganz im Gegensatz zur gut erforschten Christianisierung – in diesem Rahmen zwangsläufig immer wieder angesprochen, bislang aber nicht wirklich umfassend untersucht wurden.1 Schon die Frage einer Definition von „Heiden“ stößt auf komplexe Sachverhalte.2 „Heiden“ sind in der christlichen Vorstellung zunächst (unter1
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Wirklich einschlägig, neben Aufsätzen zu einzelnen Autoren, allein: Lutz E. von Padberg, Christen und Heiden: Zur Sicht des Heidentums in ausgewählter angelsächsischer und fränkischer Überlieferung des 7. und 8. Jahrhunderts, in: Hagen Keller/ Nikolaus Staubach (Hg.), Iconologia sacra: Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas. Festschrift für Karl Hauck zum 75. Geburtstag (Arbeiten zur Mittelalterforschung 23), Berlin-New York 1994, S. 291–312; kurz auch Ders., Mission und Christianisierung. Formen und Folgen bei Angelsachsen und Franken im 7. und 8. Jahrhundert, Stuttgart 1995, S. 32–41, sowie Arnold Angenendt, Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900, StuttgartBerlin-Köln 1990, S. 427–430. Vgl. auch James T. Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World, 690–900 (Studies in the Early Middle Ages 19), Turnhout 2009, S. 113–144 („Paganisms and Otherness“), dem es hier aber ebenfalls nicht unmittelbar um die Inhalte des Heidenbildes, sondern um die Beschreibungen der Vitenberichte und die Rhetorik der Heidendarstellung geht. Die Wahrnehmung der Religion kommt auch bei Andreas Mohr, Das Wissen über die Anderen. Zur Darstellung fremder Völker in den fränkischen Quellen der Karolingerzeit, Münster 2005, immer wieder zur Sprache (vor allem S. 119–133), dem es zunächst aber um die Wahrnehmung fremder Völker geht. Die zahlreichen Arbeiten zur Mission und zur Christianisierung Europas (vgl. die Bibliographie) behandeln fast durchweg die Bekehrung der einzelnen Völker des Frühund/oder Hochmittelalters und gehen kaum näher auf das Heidenbild ein. Hans-Dietrich Kahl, Heidenfrage und Slawenfrage im deutschen Mittelalter. Ausgewählte Studien 1953–2008, Leiden-Boston 2011, S. XXIIIf., macht darauf aufmerksam, daß es nicht nur eine „Judenfrage“, sondern auch eine „Heidenfrage“ gibt.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
schiedslos) alle Nichtchristen (mit Ausnahme der Juden).3 „Alles, was nicht Judentum oder Christentum ist, was nicht den Offenbarungscharakter dieser Religionen hat, ist Heidentum,“ schreibt Rainer Christoph Schwinges.4 Im engeren Sinn wird „Heiden“ hingegen vornehmlich auf polytheistische Religionen bezogen,5 und dieser Abgrenzung der Heiden nicht nur von den Christen, sondern auch von anderen monotheistischen Religionen trägt auch die moderne Forschung Rechnung, die zunehmend zurückhaltender in der Anwendung des Heidenbegriffs geworden ist. Im Hinblick auf die mittelalterliche Vorstellungswelt ist dieser Sachverhalt jedoch noch genauer zu prüfen und zumindest für den Islam höchst fraglich.6 „Christen“ und „Heiden“ werden jedenfalls an unzähligen Stellen einander gegenübergestellt, die Christen fühlen sich, vor allem im Blick auf die Zeit des Frühchristentums, von den Heiden verfolgt.7 3
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Zur modernen Sicht vgl. Gerhard Rosenkranz, Heidentum – was ist das? in: Theo Sundermeier (Hg.), Fides pro mundi vita: Missionstheologie heute. Hans-Werner Gensichen zum 65. Geburtstag (Missionswissenschaftliche Forschungen 14), Gütersloh 1980, S. 69–78: Auch Heiden sind Geschöpfe, handeln aber gegen Gott. Durch Abgrenzung ist das Christentum gezwungen, seine Glaubensinhalte kritisch zu überdenken. Rainer Christoph Schwinges, Wider Heiden und Dämonen – Mission im Mittelalter, in: Hubert Herkommer/Rainer Christoph Schwinges (Hg.), Engel, Teufel und Dämonen. Einblicke in die Geisterwelt des Mittelalters, Basel 2006, S. 9–32, hier S. 10. Vgl. auch Bernadette Filotas, Pagan Survivals, Superstitions and Popular Cultures in Early Medieval Pastoral Literature (Studies and Texts 151), Toronto 2005, S. 12ff.: „Heidentum“ und „Aberglaube“ sind moderne Konzepte, Heidentum beschreibt nicht „a coherent set of beliefs“, umfaßt aber alle, die nicht Christen waren außer Juden und Muslimen, aber manchmal auch diese. Vgl. James Palmer, Defining Paganism in the Carolingian world, in: EME 15, 2007, S. 402–425, der (S. 404f.) – zu Recht, aber längst akzeptiert – für eine differenziertere Sicht des Heidentums plädiert (S. 410). Für das christliche Heidenbild des Mittelalters ist hingegen gerade die nicht-differenzierende Sichtweise kennzeichnend. Zu den Unterschieden zwischen Gentil- und Universalreligion vgl. Hans-Dietrich Kahl, Die ersten Jahrhunderte des missionsgeschichtlichen Mittelalters. Bausteine für eine Phänomenologie bis ca. 1050, in: Knut Schäferdiek (Hg.), Kirchengeschichte als Missionsgeschichte. Bd. II/1: Die Kirche des früheren Mittelalters, München 1978, S. 11–76 (abgedr. in: Ders., Heidenfrage S. 271–342, hier S. 287–297). Vgl. dazu das die Kapitel 2.6.b über den Islam, unten S. 357 ff., aber auch Kapitel 4.8.d über Häresien, unten S. 667 ff. Vgl. noch im späten 6. Jahrhundert Gregor von Tours, Historiae 1,48, ed. Bruno Krusch und Wilhelm Levison, MGH SSrM 1,1, Hannover 1937/1951, S. 33f., zu den
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Anders als im Judentum bezieht sich die Kennzeichnung als Heide zwar ausschließlich auf die Religion (und löst sich damit – weitgehend, wenngleich nicht vollständig – von der gleichzeitig ethnischen Zuordnung jüdisch-alttestamentlicher Vorstellungen), doch zeigt zum einen der für Heiden verwendete Begriff gentiles (und dann sogar gentes), daß auch solche Vorstellungen zumindest anfangs (und begrifflich) noch eine Rolle spielen.8 Noch im Neuen Testament zeigt die Wendung „Juden und Heiden“ an, daß gentiles alle Nichtjuden und Nichtchristen zusammenfaßt (z.B. Act 14,5; Gal 2,14). Paulus brandmarkt ihre Opfer als Dämonenverehrung (1. Kor 10,20), Petrus wirft ihnen Ausschweifungen, Trunkenheit, Gelage und Götzenverehrung vor (1. Petr 4,2–4). Dabei haben die Evangelisten eine durchaus unterschiedliche Vorstellung von der Einbeziehung der Heiden in das Christentum.9 Gerade im Hinblick auf die Herkunft der frühen Christen wird aber auch zwischen „Heiden(christen)“ und „Juden(christen)“ differenziert. Gentilitas, eigentlich „Heidentum“, kann sich in dieser Hinsicht daher auch auf die zum Christentum bekehrten Heiden des Frühchristentums, eben die „Heidenchristen“ im Gegensatz zu den „Judenchristen“, beziehen. Das wirkt gelegentlich auch im Mittelalter fort. Mehrfach zielt „Heiden“ beispielsweise in Hrabanus Maurus’ Zusammenstellung biblischer Allegorien auf die Heidenchristen bzw. die bekehrten Heiden. Hraban drückt damit (indirekt) wohl zugleich aus, daß Heiden – im Gegensatz zu Juden – bekehrbar sind.10 In diesem Sinne unterstreicht später auch Rupert von Deutz, daß die Heiden, die er in der durch Christus vom Blutfluß geheilten Frau symbolisiert sieht, anders als zur Zeit des Volkes Israel, durch Christus
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Verfolgungen in Tours in römischer Zeit, als die Christen ihren Gottesdienst nur heimlich feiern konnten. Zur religiös geprägten Begrifflichkeit in der karolingischen Annalistik vgl. Mohr, Wissen über die Anderen S. 84f. Vgl. dazu Boris Repschinski SJ, Die Heidenmission in den synoptischen Evangelien, in: Zeitschrift für katholische Theologie 130, 2008, S. 423– 444: Während Matthäus die Heiden eher als Außenseiter begreift (und der Mission damit Grenzen setzt), werden die Heidenchristen bei Markus zu einem zentralen Bestandteil der christlichen Gemeinde. Lukas unterscheidet strikter zwischen juden- und heidenchristlichen Gemeinden. Alle suchen zwar die Heidenmission bereits im irdischen Leben Christi zu verankern. Bei Matthäus ist das aber erst ein Auftrag des auferstandenen Christus. Hrabanus Maurus, Allegoriae in universam sacram scripturam, Migne PL 112, Sp. 872 C (zu Babylon); Sp. 881 D (zu campus); Sp. 912 C (zum Dromedar); Sp. 924 C (zu fera); Sp. 949 BC (zu harundo); Sp. 982f. (zu latera: quod ex Iudeis et gentibus una Ecclesia consistit); Sp. 1053f. (zu signaculum).
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zum Heil geführt würden,11 und ganz ähnlich deutet Honorius Augustodunensis Sunamitis, eine Dienerin Davids (1. Reg 1f.), die in den gregorianischen Gesängen symbolisch zur Umkehr aufgefordert wird, als die Heiden, die in alter Zeit von dem Tyrannen im Götzendienst gefangen waren, nun aber vom Irrtum ihres Unglaubens abgekehrt, durch die Taufe von der Götzenverehrung zum wahren Glauben und durch Buße und gute Werke von ihrem schlechten Leben bekehrt worden sind.12 (Hier liegen zugleich Ansätze zur Heidenmission.) Die mittelalterlichen Autoren definieren Heidentum selten genauer, sondern verwenden die einschlägigen Begriffe eher unreflektiert, aber doch im Sinne einer in ihren Augen offenbar eindeutig religiösen Kennzeichnung. Was sie unter „Heiden“ genauer verstanden haben, ist im Verlauf dieses Kapitels also erst aus dem jeweiligen Kontext herauszuarbeiten. Zur Bezeichnung von Heiden werden verschiedene Begriffe verwendet.13 Besonders 11
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Vgl. Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius. In Genesim 7,42, ed. Rhaban Haacke, CCM 21, Turnhout 1971, S. 478f.: Recte ergo in illa euangelica electione, qua legitur mulier a duodenni fluxu sanguinis sanata et puella duodennis resuscitata, illud diuinum a patribus animaduersum est, quia quando mulier coepit infirmari, tunc illa puella nata est et quando mulier sanata est tunc puella mortua est, in typum uidelicet gentilitatis et synagogae, quia quando gentes in idololatria fluere coeperunt, tunc in istis patribus Abraham, Isaac et Iacob synagoga nata est, et quando gentilitas per fidem christi sanata tunc synagoga prae inuidia et infidelitate mortua est; Ders., Commentaria in evangelium sancti Iohannis 7, ed. Rhaban Haacke, CCL 9, Turnhout 1969, S. 406f.: Quid sibi uult hoc? Videlicet quia tunc synagoga in Abraham, Isaac et Iacob nata est, quando gentilitas in idololatriam defluere incipiebat et ecce gentilitate ab eiusdem idololatriae fluxu sanata per fidem Christi retro accedendo et fimbriam uestimenti eius tangendo, id est post ascensionem eius in eum credendo, gentilitate, inquam, per fidem sanata emoritur in infidelitate synagoga prae inuidia. Honorius Augustodunensis, Expositio in Cantica canticorum 3,7, Migne PL 172, Sp. 462 AB: Revertere, revertere, Sunamitis, revertere, revertere, ut intueamur te. Sunamitis quod dicitur captiva, fuit gentilitas a tyranno captivata in idololatria, haec reversa est ab errore infidelitatis, ad verum regem Christum per fidem, reversa est de sordibus idololatriae per baptismum, reversa est de mala vita, per poenitentiam, reversa est de ritu gentili per bona opera. Hanc intuitae sunt filiae Sion, id est Ecclesiae de Iudaeis conversae, in studio sanctae conversationis fervere, et imitatae sunt eam. Zur Begrifflichkeit Gregors des Großen, der mehrere Begriffe für die Heiden verwendet, vgl. Robert A. Markus, Gregory the Great’s Pagans, in: Richard Gameson/Henrietta Leyser (Hg.), Belief and Culture in the Middle Ages: Studies presented to Henry Mayr-Harting, Oxford 2001, S. 23–34. Als infideles und impii waren Gregors Heiden vor allem ungläubig und gottlos.
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bei den Kirchenvätern der Spätantike, aber von hier aus noch bis ins 12. Jahrhundert hinein und darüber hinaus, begegnet als (latinisierte) griechische Entsprechung für gentiles der Begriff ethnici: Ethnicus, das ist gentilis, schreibt Augustin. „Gentilis aber ist derjenige, der nicht an Christus glaubt.“14 Das wäre eine sehr weite Definition. Besonders im frühesten Mittelalter wird als weiterer, von fanum als dem heidnischen Heiligtum abgeleiteter Begriff außerdem fanatici für Heiden verwendet.15 Vereinzelt wird dieser Terminus aber auch später noch gebraucht.16 Demgegenüber bezieht sich profanus, ein 14
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Augustinus, Sermones de vetere testamento. Sermo 17, ed. Cyrill Lambot, CCL 41, Turnhout 1961, S. 242: ethnicus gentilis est. Gentilis ille est qui in Christum non credit. Zur Gleichsetzung beider Begriffe im Mittelalter vgl. etwa Nikolaus I., ep. 99, ed. Ernst Perels, MGH Epp. 6, Berlin 1925, S. 578: ethnicus, id est gentilis; Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 2,5, ed. Bengt Löfstedt, CCM 174, Turnhout 2000, S. 170; Burchard von Worms, Decretum 11,2, Migne PL 140, Sp. 857 C: sicut ethnicus et publicanus, id est gentilis atque paganus; Honorius Augustodunensis, De offendiculo 37, MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 50: ethnici, id est pagani. Ein ausgiebigerer Gebrauch des Begriffs ethnici bleibt im Mittelalter aber auf bestimmte Autoren beschränkt (etwa Hieronymus, Sedulius Scotus, Hrabanus Maurus, Rupert von Deutz, Aelred von Rievaulx, Ordericus Vitalis, Andreas von St. Viktor, Petrus Abaelardus, Petrus Cantor, Petrus Venerabilis sowie in besonderem Ausmaß Philipp von Harvengt). Der Begriff wird auch in den Kreuzzugsquellen wieder aufgegriffen, etwa Historia de expeditione Frederici I 7, ed. Anton Chroust, MGH SSrG n.s. 5, Berlin 1928, S. 65; ebd. 14, S. 67. Besonders beliebt ist die vielfach wiederholte Formel sicut ethnici et publicani nach Mt 5,46f. Vgl. etwa Gregor von Tours, Historiae 1,31, S. 24: Senatores vero vel reliqui meliores loci fanaticis erant tunc cultibus obligati; ebd. 1,33, S. 25: relictisque fanaticis sordibus ac baptismo consecratus; ebd. 2,10, S. 58: Sed haec generatio fanaticis semper cultibus visa est obsequium praebuisse; ebd. 2,27, S. 72: Eo tempore multae aeclesiae a Chlodovecho exercitu depraedatae sunt, quia erat ille adhuc fanaticis erroribus involutus; Fredegar, Chronicon 3,9, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 2, Hannover 1888, S. 95: Haec generacio fanaticis usibus culta est; ebd. 3,15, S. 98: Chlodoveus, eo quod esset fanatecus, ecclesias depretare permisit; Liber historiae Francorum 6, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 2, Hannover 1888, S. 247: Erant enim tunc Franci pagani atque fanatici, adorantes idola et simulacra et non Deum caeli ac terrae, qui creavit eos. Aldhelm von Malmesbury bzw. Sherborne (Scireburnensis), Prosa de uirginitate 36, ed. Scott Gwara, CCL 124A, Turnhout 2001, S. 515, spricht von fanatica superstitio. Vgl. Ademar von Chabannes, Chronicon 1,5, ed. Pascale Bourgain, CCM 129, Turnhout 1999, S. 22 (wörtlich aus dem Liber Historiae Francorum; vgl. Anm. 15); Chronicon Ebersheimense 2, ed. Ludwig Weiland, MGH SS 23, Hannover 1874, S. 432: Cum enim pagus Alsatiensis primitus ab exercitu Trebete possessus fuisset et excultus, ipse cultores fanatici et idolatre fanum culture deorum suorum et in ipso aram Diane et
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ebenfalls von fanum abgeleiteter und gleichsam das vor oder außerhalb des heiligen Bezirks Liegende bezeichnender Begriff, eigentlich auf das Weltliche, vom Göttlichen Abgesetzte und damit eher Nichtreligiöse17 – profanare bedeutet letztlich, etwas durch Verweltlichung entweihen18 –, wird dann aber auch auf das Heidnische übertragen19 bzw., besser ausgedrückt, kann es sich
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Mercurii construxerunt et ludis zenicis dedicaverunt; Gesta episcoporum Cameracensium 1,6, ed. Ludwig C. Bethmann, MGH SS 7, Hannover 1846, S. 405: Porro memoratus princeps fanaticis adhuc tenebatur erroribus involutus; Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius. In Genesim 5,15, S. 348: Etenim quisquis uexillum crucis erigit et nomen Christi praedicat sicque legitime certans fanaticum errorem siue haereticam barbariem expugnat; Rupert verwendet den Begriff insgesamt sogar 13mal, bleibt damit in seiner Zeit aber eine Ausnahme; vgl. später noch Andreas von St. Viktor, Super duodecim prophetas. In Sophoniam 1, v. 4, ed. Franciscus Anastasius Van Liere und Mark-Allan Zier, CCM 53G, Turnhout 2007, S. 256: Vnde ydolorum sacerdotes non sacerdotes set edituos et fanaticos uocat; Gerhoh von Reichersberg, Commentarius in psalmos. In Ps. 64, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 481: fanaticorum spurcicias deorum. Vgl. noch Cassiodor, Expositio psalmorum. Ps. 88,40, ed. Mark Adriaen, CCL 98, Turnhout 1958, S. 816: Profanum dictum est irreligiosum, quod porro a fano, id est a templi reuerentia pellebatur; danach Isidor von Sevilla, Etymologiae sive Origines 10,224, ed. Wallace Martin Lindsay (Oxford Classical Texts), Oxford 1911 (ND 2008), S. 418: Profanus, quasi porro a fano; Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius. In Leviticum 2,8, ed. Rhaban Haacke, CCM 22, Turnhout 1972, S. 864: ‚Ut habeatis,‘ inquit, ‚scientiam discernendi inter sanctum et profanum.‘ Im Investiturstreit wird profanus in diesem Sinn wieder aufgegriffen, um die weltliche Sphäre von der geistlichen abzutrennen. Nicht zufällig wird profanus sehr häufig in den ‚Libelli de lite‘ gebraucht; dem „Profanen“ fehlt hier die rechte Weihe. So beispielsweise Paschasius Radbertus, Expositio in lamentationes Hieremiae 1, ed. Beda Paulus, CCM 85, Turnhout 1988, S. 40: Misit quidem manum et abstulit omnia uasa decoris et profanauit sanctuarium Dei Sancta sanctorumque prostituit deiecit ac polluit; Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum 2,13, ed. André Crépin, Michael Lapidge, Pierre Monat und Philippe Robin, SC 489–491, Paris 2005, S. 366. Nicht zuletzt in Kreuzzugsberichten wird Christliches immer wieder von den heidnischen Muslimen entweiht. Vgl. schon Cyprianus, De bono patientiae 4, ed. Claudio Moreschini, CCL 3A, Turnhout 1976, S. 119: profana templa; Ambrosius, ep. 10,72,2, ed. Michaela Zelzer, Wien 1982, CSEL 82,3, S. 12: Postremo si non ista, consensum saltem aliquem non debet colendis idolis et profanis caerimoniarum cultibus exhibere; Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini) 3,26, ed. Ann Freeman unter Mitwirkung von Paul Meyfaert, MGH Conc. 2, Suppl. 1, Hannover 1998, S. 464: Legimus etiam infidelibus ac profanis quibusque regibus quaedam archana per somnia demonstrata; Thietmar von
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auf Heiden oder überhaupt auf Nichtchristen oder Nichtkatholiken (einschließlich der Häretiker) beziehen,20 wird in diesem Sinn im Mittelalter aber nur noch von wenigen Autoren häufiger benutzt. Gerade dieser Zusammenhang zwischen der Abhebung vom Göttlichen einerseits und vom Christlichen andererseits macht anscheinend den Sinngehalt dieses Begriffs aus, der zumeist in diesem (verschwommenen) Sinn verwendet wird. Das bedürfte aber noch einer näheren Untersuchung. Als ein weiterer Begriff kann sich schließlich infideles als Bezeichnung für die Ungläubigen schlechthin in der gesamten, hier behandelten Zeit auch unmittelbar auf Heiden beziehen,21 ist letztlich aber ebenfalls eine übergreifende Bezeich-
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Merseburg, Chronicon 7,17, ed. Robert Holtzmann, MGH SSrG n.s. 9, Berlin 1935, S. 418: profanorum turba Liuticiorum. Eindeutig im Sinn von Heiden und Götzendienst wird profanus mehrfach wieder in den Viten Ottos von Bamberg gebraucht. In Kreuzzugsberichten, etwa bei Albert von Aachen oder Wilhelm von Tyrus, sind profani oft die Muslime. Vgl. Augustinus, Contra Iulianum opus imperfectum 3,144, ed. Michaela Zelzer, CSEL 85/1, Wien 1974, S. 450: quam nullo distaret fides uestra a manicheorum profanitate. Vgl. auch hereticae profanationis bei Hugo von Flavigny, Chronicon 1, ed. Georg H. Pertz, MGH SS 8, Hannover 1848, S. 320. Von haeretica profanatio spricht auch Beda Venerabilis, De temporum ratione 1,66, ed. Charles William Jones, CCL 123 B, Turnhout 1977, S. 521. Ich nenne nur einige, durch die Parallele zu Heiden eindeutige Beispiele: Crisconius Africanus, Breviarium canonicum 296, Migne PL 88, Sp. 940 D: et precantur ut infidelibus donetur fides, ut idololatrae ab impietatis suae liberentur erroribus; Willibald, Vita Bonifatii 8, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrG 57, Hannover/Leipzig 1905, S. 52: infidelium sospites sed indevoti hospites adgrediunt terram ac paganos eis e diverso obbiantes ingenti strage prostraverunt; Alkuin, ep. 93 (unten Anm. 431); Vita Rimberti 1, ed. Georg Waitz, MGH SSrG 55, Hannover 1884, S. 81: qualiter serenissimus pater suus Karolus cognomento Magnus gentem Saxonum eotenus infidelem ad fidem Christi converterit; Johannes VIII., Registrum, ep. 36, ed. Erich Caspar, MGH Epp. 7, Berlin 1928, S. 36: pre˛cipue ut accelerans nobis subveniat et sine mora contra perfidos paganos et infideles succurrat; Hrabanus Maurus, Homilia 17. In die Dominica Paschae, Migne PL 110, Sp. 34 D: In eo quippe quod Christus mortuus est, mors nostra destructa est; et quod ipse resurrexit, nobis resurgendi facultatem tribuit, nosque transire fecit de infidelitate ad fidem catholicam, de idololatria ad unius Dei cultum, de peccato ad iustitiam, de errore ad veritatem, de discordia ad pacem, de servis inutilibus et diaboli servitio mancipatis in numerum filiorum Dei, de exsilio ad patriam, de poena ad coronam; Haymo von Auxerre, Expositio in Pauli epistolas. Epistola I ad Corinthios 14, Migne PL 117, Sp. 590 D: et intrent infideles sive pagani; Ders., Commentaria in Isaiam 2,12, Migne PL 116, Sp. 785 A: et derelictis idolis, invocent nomen eius, et cuncta opera eius prædicent infidelibus et incredulis; Vita Mathildae reginae posterior 2, ed. Bernd
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nung für alle, die nicht den (wahren) Glauben (fides) haben und folglich nicht Christen sind. Die beiden wichtigsten Bezeichnungen für das Heidentum aber bleiben, durchaus genreabhängig, auch im Mittelalter pagani (vor allem in der Geschichtsschreibung) und gentiles (überwiegend in theologischen Schriften),22 die auch substantiviert (und damit zumindest ansatzweise abstrahiert) werden (gentilitas, paganitas, paganismus). Nach Isidor von Sevilla, dem es um etymologische Erklärungen geht – und Hrabanus Maurus greift das im 9. Jahrhundert nahezu wörtlich auf –, ist gentiles eine Übersetzung des griechischen ethnici (eqnikoi), das sich seinerseits von ethnos ableitet. Dennoch
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Schütte, MGH SSrG 66, Hannover 1994, S. 149: Iam tum desiderabat ecclesias reedificare, quas prius destruxerat in infidelitate, et, ubi constituerat ydola, hic iam sanctorum collocavit oratoria; Manegold von Lautenbach, Liber ad Gebehardum 32, ed. Kuno Francke, MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 368 (aus Augustin!): Et notandum, quod gravius homines asserit scismate quam idolatria vel infidelitate vulnerari; Gesta episcoporum Cameracensium 1,6, S. 405: Haec christianissima regina regem cotidie blandiebatur, suadens ab idolatriae cultura ad unius veri Dei cultum converti, ut per mulierem fidelem salvaretur vir infidelis; Hugo von Lyon, ep. 18 (an Ivo), Migne PL 157, Sp. 521 BC: Perpendat igitur vestra discretio utrum infidelis aut idololatra, donec ab infidelitate vel idololatria resipiscat, in episcopum canonice possit aut debeat eligi vel consecrari; Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg (Vita Ottonis Babenbergensis) 2,6, ed. Jürgen Petersohn, MGH SSrG 71, Hannover 1999, S. 88: pagani vero, ut impii et infideles, vehementer abnuere; Herbord von Michelsberg, Dialogus de vita et operibus Ottonis Babenbergensis episcopi 2,17, ed. Jan Wikarjak und Kazimierz Liman, MPH s.n. 7,3, Warschau 1974, S. 91 (ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SSrG 33, Hannover 1868, S. 67f.): omnes veteres et profanas supersticiones suas et gentiles observancias penitus abiciebant; Hugo von St. Viktor, De archa Noe (morali) 3,5 (unten Anm. 43); Hermannus Iudaeus, Opusculum de conversione sua. Epistola Hermanni, ed. Gerlinde Niemeyer, MGH QGG 4, Weimar 1963, S. 69: Non enim ea facilitate conversus sum, qua multos sepe infideles sive Iudeos sive paganos ad fidem catholicam repentina et inopinata mutatione converti videmus. In der POR-Datenbank stehen insgesamt 306 Belege für pagani 152 Belege für gentiles gegenüber. In der LLT (Library of Latin Texts) stehen 3660 Belege für gentiles 1289 Belege für pagani gegenüber, im Migne (Patrologia Latina Database/PLD) 9836 Belege für gentiles gegenüber 4593 Belegen für pagani. Die Scriptores-Abteilung der dMGH hingegen zählt insgesamt 1270 gentiles- gegenüber 3271 paganiBelegen. Noch deutlicher schlägt das historiographische Pendel zugunsten der pagani aus, wenn man, ungeachtet der Doppelzählungen in alten und neueren Editionen, nur die historiographischen Quellen im engeren Sinn (die Reihen SS, SSrM, SSrL und SSrG) auswertet; hier stehen 956 gentiles-Belege 2852 pagani-Belegen gegenüber.
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bezieht Isidor dieses ethnisch verstandene Heidentum bereits ganz auf den Glauben und stellt seine etymologische Deutung mit der Anspielung auf Götzen und Sünden folglich in einen religiösen Kontext: „Heiden (gentiles) sind diejenigen, die ohne Gesetz [d.h. ohne die religiöse Ordnung des Alten und Neuen Testaments] sind und die noch nicht geglaubt haben. Denn sie heißen gentiles, weil sie noch so sind, wie sie geboren wurden, also wie sie sich im Fleisch unter der Sünde erniedrigen, indem sie nämlich Götzenbildern dienen und noch nicht neu erzeugt sind.“23
Für Isidor ist Heidentum damit gewissermaßen die Ursprungsreligion derer, die noch nichts von Gott und den göttlichen Gesetzen wissen, sondern statt dessen Götzen verehren. Gleichwohl ist es Sünde. Hingegen deutet der zweite wichtige Heidenbegriff, paganus, an, daß man Heidentum zumindest anfangs mit der Landbevölkerung in Verbindung gebracht hat, die, wie gentiles, Götzen verehrt: „Heiden (pagani),“ schreiben Isidor und – danach – Hrabanus Maurus, „werden nach den Gauen (pagi) der Athener so benannt, wo ihr Ursprung liegt. Denn dort errichteten die Heiden (gentiles) an ländlichen Stätten und in Gauen ihre Haine und Götzenbilder, und von solchem Ursprung leitet sich der Begriff pagani ab.“ 24
(Haymo von Auxerre folgert später aus dieser Definition, daß die Heiden dem Gottesstaat fremd sind.25) In dem Begriff spiegelt sich, anders als Isidor es wahrhaben will, tatsächlich weniger das attische Landvolk als vielmehr die Tatsache wider, daß das frühe Christentum weitgehend städtisch geprägt war und die Landbevölkerung am längsten in den alten Traditionen verharrte.26 Von der bäuerlichen Bevölkerung wird deshalb auch später noch 23
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Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,10,2, S. 327: Gentiles sunt qui sine lege sunt, et nondum crediderunt. Dicti autem gentiles, quia ita sunt ut fuerunt geniti, id est, sicut in carne descenderunt sub peccato, scilicet idolis seruientes et necdum regenerati. Danach Hrabanus Maurus, De rerum naturis 15,5, Migne PL 111, Sp. 426 A. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,10,1, S. 327: Pagani ex pagis Atheniensium dicti, ubi exorti sunt. Ibi enim in locis agrestibus et pagis gentiles lucos idola que statuerunt, et a tali initio uocabulum pagani sortiti sunt. Danach Hrabanus Maurus, De rerum naturis 15,5, Sp. 425f. Haymo von Auxerre, Commentaria in Cantica canticorum 7, Migne PL 117, Sp. 348 C: Nemo nescit paganos a villa dictos, quia pagov Graece, villa dicitur Latine. Inde pagani dicti, quia longe sunt a civitate Dei. Zwar ist die etymologische Herkunft von der Landbevölkerung umstritten (vgl. bereits Berthold Altaner, Paganus. Eine bedeutungsgeschichtliche Studie, in: ZKG 58, 1939, S. 130–141), der Bedeutungswandel zum Heiden (seit dem 4. Jahrhundert) ist jedoch offensichtlich.
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behauptet, sie lebe more gentilium.27 Im späten 8. Jahrhundert stellen die „Libri Carolini“, über Isidors Definition hinausgehend, richtig fest, daß es Heiden, die Göttern Opfer brachten, bereits gegeben habe, bevor sie nach den attischen Gauen pagani genannt wurden, und das Heidentum tatsächlich bis in die Zeit der Patriarchen, Abel, Noah und Abraham, zurückreiche.28 Eine klare Unterscheidung der Begriffe läßt sich hingegen kaum feststellen.29 Die verbreitete Meinung, gentiles bezeichne die „Heiden aus Schicksal“, pagani hingegen die „Heiden aus Schuld“,30 ist daher nicht haltbar. Beide Begriffe (wie auch profani und fanatici) werden vielmehr völlig parallel und unterschiedslos verwendet. Schon Isidor erklärt in seinen Erläuterungen nicht nur den einen Begriff durch den anderen, sondern schreibt gerade den (angeblichen) „Schicksalsheiden“ (gentiles) mit der Sündhaftigkeit ihres
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Vgl. etwa Vita Walarici abb. Leuconaensis 22, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 4, Hannover-Leipzig 1902, S. 168f.: Et iuxta ripam ipsius fluminis stips erat magnus diversis imaginibus figuratus atque ibi in terram magna virtute immissus, qui nimio cultu more gentilium a rusticis colebatur. Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini) 4,18, S. 534: Non enim illi offerebant Deo sacrificia pagana, sed mysteriis plena, quia necdum a pagis Atheniensium pagani nuncupabantur, quando iam ab illis Deo sacrificium offerebatur, et, ut ita dixerim, necdum Athenarum urbs condita erat nec Cecrops offerendorum sacrificiorum institutiones et ararum erectiones et de˛monum appellationes gentilibus tradiderat, cum iam Abel et Noe et Abraham Deo sacrificia optulerant. Daß fanaticus mit paganus identisch ist, bezeugt der Wortlaut bei Hinkmar von Reims, Vita Remigii episcopi 11, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 3, Hannover 1896, S. 292: Erant autem, sicut et rex illorum, fanatici et pagani. Vgl. auch Liber historiae Francorum 6 (oben Anm. 15); Ademar von Chabannes, Chronicon 1,5 (oben Anm. 16): Erant enim tunc Franci pagani atque fanatici. Vgl. Hans-Werner Gensichen, Art. Heidentum I: Biblisch/Kirchen-missionsgeschichtlich, in: TRE 14, 1985, S. 590–601, hier S. 593; Hans-Dietrich Kahl, Compellere intrare. Die Wendenpolitik Bruns von Querfurt im Lichte hochmittelalterlichen Missions- und Völkerrechts, in: Helmut Beumann (Hg.), Heidenmission und Kreuzzugsgedanke in der deutschen Ostpolitik des Mittelalters (Wege der Forschung 7), Darmstadt 21973, S. 177–274, hier S. 208 (zuerst 1955; abgedr. in Ders., Heidenfrage S. 483–564). Vgl. auch Schwinges, Wider Heiden und Dämonen S. 12f., mit Verweis auf Isidor, dessen Text ein schuldhaftes Verhalten der pagani jedoch nicht zu entnehmen ist. Vgl. zu dieser Frage Hans-Werner Goetz, Heiden aus Schicksal – Heiden aus Schuld? Zum Heidenbegriff in frühmittelalterlichen Missionskontexten, in: Mittellateinisches Jahrbuch (2013, im Druck).
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Glaubens eine Schuld zu,31 und auch Orosius bezieht seine gleich noch näher zu besprechende Charakterisierung der Heiden auf beide Begriffe (die folglich dieselbe Gruppe bezeichnen).32 Die Synonymität zeigt sich außerdem daran, daß ethnici wahllos teils mit gentiles, teils mit pagani gleichgesetzt werden.33 Chlodwig war der Vita Leonardi zufolge secundum morem gentilium […] paganus, bevor er durch Remigius von Reims zum Christentum bekehrt und Christ wurde.34 Wenn Gregor von Tours den Arianer Agila rügt, weil er das Heidentum toleriert, so benutzt er beide Begriffe ebenfalls völlig synonym: „Wie ich sehe, offenbarst du dich zugleich als Verteidiger der Heiden (gentiles) und Anwalt der Ketzer, denn du befleckst nicht allein die Lehre der Kirche, sondern lehrst auch den Unflat der Heiden (pagani) verehren.“35
Da die Bewohner von Sussex, so berichtet Stephanus, immer noch Heiden (gentiles) waren, ging Wilfried von York zu diesen pagani.36 Deutlicher als durch diesen Bezug auf dieselbe Gruppe läßt sich die Synonymität beider Begriffe kaum ausdrücken. Ähnliches begegnet noch öfter: Bonifatius habe, wie sein Biograph Willibald schreibt, paganico repulso ritu et erraneo gentilitatis more destructo, in Friesland leidenschaftlich das Wort Gottes gepredigt und Kirchen errichtet.37 Der Hausmeier Karlmann befahl bei der Verkündi31 32
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Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,10,1 (oben Anm. 24). Orosius, Historiae adversus paganos 1 prol. 9, ed. Carl Zangemeister, CSEL 5, Wien 1882, S. 3: pagani uocantur siue gentiles. Vgl. die Belege in Anm. 14. Vgl. Regino von Prüm, De synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis 2,408, ed. Friedrich G. A. Wasserschleben, Leipzig 1840 (ND Graz 1964), S. 370 (in einem Brief des Hrabanus Maurus an den Bischof Heribald von Auxerre): sicut ethnicus, id est gentilis atque paganus. Vita Leonardi confessoris Nobiliacensis 1, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 3, Hannover 1896, S. 396: Ipse autem rex Clodoveus in primordio suae aetatis secundum morem gentilium fuit paganus, sed per praedicationem sancti Remigii Remensium archiepiscopi ad fidem Christi conversus, factus est christianus. Gregor von Tours, Historiae 5,43, S. 252: ‚Ut video, et gentilium defensorem et hereticorum adsertorem te esse manifestas, cum et eclesiastica dogmata maculas et paganorum spurcitias praedicas adorari.‘ Stephanus, Vita Wilfridi I. episcopi Eboracensis 41, ed. Walter Levison, MGH SSrM 6, Hannover/Leipzig 1913, S. 233f.: Tunc vero gentis nostrae quaedam provincia gentilis usque ad illud tempus perseverans vixit, quae pro rupium multitudine et silvarum densitate aliis provinciis inexpugnabilis restitit, et ad illos paganos in Suthsexun. Willibald, Vita Bonifatii 8, S. 47. Vgl. ebd. 6, S. 27: errorum deposito horrore a malivola gentilitatis superstitione retraxit. […] Hessorum populum paganicis adhuc ritibus
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gung der Beschlüsse der fränkischen Synoden von 742 und 743, „daß das Gottesvolk keine paganiae ausführte, sondern allem Unflat der gentilitas abschwor“.38 Obwohl die gesamte gentilitas ihren Irrtum wegen eines Wunders aufgeben müßte, so schreibt noch im 11. Jahrhundert ganz ähnlich Adam von Bremen, wirkte der Dänenbischof Poppo ein zweites Wunder, um ihren paganismus zu beseitigen.39 Ein solcher, paralleler Gebrauch der Begriffe begegnet allenthalben.40 Für Humbert von Silva Candida sind sogar gerade pagani vergleichsweise ohne Schuld,41 da sie, anders als Aposta-
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oberrantem; ebd. S. 31: omni abiecta gentilitatis profanatione […]. qui prisco paganorum vocabulo appellatur robor Iobis. Bonifatius, ep. 56, ed. Michael Tangl, MGH Epp. sel. 1, Berlin 1916, S. 100: Decrevimus, […] ut populus Dei paganias non faciat, sed ut omnes spurcitias gentilitatis abiciat et respuat. Zu Nachrichten über heidnische Riten im Bonifatiuskreis vgl. jetzt Gerald Krutzler, Kult und Tabu. Wahrnehmungen der Germania bei Bonifatius (Anthropologie des Mittelalters 2), Wien-Berlin-Münster 2011, dem es, entgegen dem Untertitel, aber nicht um die Wahrnehmung, sondern wieder um die Glaubwürdigkeit der Nachrichten geht. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,35, ed. Bernhard Schmeidler, MGH SSrG 2, Hannover-Leipzig 31917, S. 96. Vgl. ebd. 1,36, S. 38f.: per quos et verbum Dei gentiles audirent […], ad ecclesias inter ipsos paganos longe constitutas […] adeundas. Vgl. auch ebd. 1,21, S. 27: Bischof Gaudbert wurde zelo gentilium aus Schweden vertrieben, während Herigar potentia miraculorum et exhortatione doctrinae multa paganorum milia salvaret. Zu Adams „missionary Christian identity“ vgl. Ildar H. Garipzanov, Christianity and Paganism in Adam of Bremen’s Narrative, in: Ders. (Hg.), Historical Narratives and Christian Identity on a European Periphery. Early History Writing in Northern, East-Central, and Eastern Europe (c. 1070–1200) (Medieval Texts and Cultures of Northern Europe 26), Turnhout 2011, S. 13–29. Hier nur noch einige wenige Belege: Epistolae variae 1, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 4, Berlin 1895, S. 496 (pagani atque gentiles); Aldhelm von Malmesbury bzw. Sherborne (Scireburnensis), Prosa de virginitate 56, S. 727: cum etiam gentiles gentilibus et paganis pagani quasi ridiculosum subsannantis gannaturae opprobrium legantur improperasse; Vita Birini 17, ed. Rosalind C. Love, Three Eleventh-Century AngloLatin saints‘ lives. Vita S. Birini, Vita et miracula S. Kenelmi and Vita S. Rumwoldi (Oxford Medieval Texts), Oxford 1996, S. 34: et quo amplius gentilitatis insaniam feruere cognouit […]. […] cum omnes ibidem paganissimis obuolutos erroribus inueniret. Dieselbe Gruppe meinen mit beiden Begriffen auch die Gesta Treverorum 19, ed. Georg Waitz, MGH SS 8, Hannover 1848, S. 154: Dum enim veram fidem instantius gentilibus praedicaret, accensis in iram paganis, capite caesus est. Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 1,20, ed. Friedrich Thaner, MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 134: ac per hoc convincitur sine Deo et peior pagano, quia hic
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ten, den christlichen Glauben nicht kennen. Das beweist endgültig die Unhaltbarkeit der verbreiteten These. Die Abgrenzung vom Christentum wird nun nicht nur, mit Isidor, etymologisch und historisch, sondern auch inhaltlich begriffen. Schon lange vor Isidor beginnt beispielsweise Orosius seine einflußreichen „Historiae adversum paganos“ mit den Worten, Augustin habe ihn beauftragt, „gegen die lügenhafte Verworfenheit derer zu schreiben, die, dem ‚Gottesstaat‘ fremd, wegen der ‚Compitalia‘-Feiern in ländlichen Bezirken und Dörfern pagani oder gentiles genannt werden, weil sie allein auf Irdisches bedacht sind; obgleich sie nach dem Zukünftigen nicht fragen, das Vergangene aber entweder vergessen haben oder nicht kennen, beschimpfen sie dennoch die Gegenwart, als ob sie allein deswegen über das gewohnte Maß hinaus stark gefährdet sei, weil an Christus geglaubt und Gott verehrt wird, die Götzenbilder aber weniger Verehrung finden.“42
Damit unterscheidet schon Orosius, wie später Isidor, zwar beide Begriffe von der Etymologie und Bedeutung her, verwendet sie jedoch ebenfalls gleichbedeutend. Orosius hat hier die römischen Kulte der Spätantike und besonders die noch virulenten Staatskulte in Rom selbst im Blick. Auch für ihn ist Götzendienst Kennzeichen der Heiden, doch sieht er entscheidende Unterschiede zum Christentum darüber hinaus in der Diesseitsorientierung und im mangelnden Glauben an die ewige Seligkeit (mit Auswirkungen auf die Denk- und Lebensweise).43 Damit sind ihm Heiden gleichermaßen ver-
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infidelis simul est et apostata, cum paganus, quamvis sit infidelis, tamen christianae fidei vel conversationis, quam numquam habuit, nequeat recte dici aut haberi apostata. Orosius, Historiae adversus paganos 1 prol. 9, S. 3: Praeceperas mihi, uti aduersus uaniloquam prauitatem eorum, qui alieni a ciuitate Dei ex locorum agrestium conpitis et pagis pagani uocantur siue gentiles quia terra sapiunt, qui cum futura non quaerant, praeterita autem aut obliuiscantur aut nesciant, praesentia tamen tempora ueluti malis extra solitum infestatissima ob hoc solum quod creditur Christus et colitur Deus, idola autem minus coluntur, infamant. Vgl. auch Bonifatius, ep. 21 (Brief Gregors III.), S. 36: ut a diabolica fraude liberati mereamini adoptionis filiis aggregari et ut ab aeterna damnatione liberati vitam habeatis aeternam; Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 4,16, ed. Ludwig Bethmann und Georg Waitz, MGH SSrLang 1, Hannover 1878, S. 121: Ariulfus vero, cum adhuc esset gentilis, ita respondit: ‚Et potest fieri, ut homo mortuus aliquot viventi auxilium praestet?‘ Später Thietmar von Merseburg, Chronicon 1,14, S. 20: et ut quidam gentiles opinantur, in futuro non habens hoc offitium, quod in hoc seculo; Manegold von Lautenbach, Liber contra Wolfelmum 18, ed. Wilfried Hartmann, MGH QGG 8, Weimar 1972, S. 84: infidelis ignorat, qui effectum operatur salutis; Hugo von St. Viktor, De archa Noe morali 3,5, ed. Patrice Sicard, CCM 176, Turnhout 2001, S. 59: Infi-
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werflich. Für Gregor von Tours unterscheiden sich die Christen von den Heiden durch die Gnade und die Werke, das Licht (statt der Dunkelheit) und die bewußte Abkehr von Götzendienst, Wahrsagung und Losorakel.44 Heiden, so lehrt später Lupus von Ferrières, würden alles mit körperlichen Verlockungen lösen, Christen hingegen mit geistlichen Liedern und himmlischen Hymnen.45 Einfacher noch und weiter verbreitet ist eine andere, bei Isidor bereits angedeutete Abgrenzung und Definition der Heiden, denen nämlich (noch) jede Kenntnis von Gott fehlt, wie es deutlich Papst Gregor II. in einem Brief an Bonifatius ausdrückt.46 Sobal (der Herrscher Syriens), so interpretiert auch Haymo von Auxerre 2. Reg 8 in seinem Kommentar zu Psalm 69, „bekehrte sich vom Götzendienst Joabs, das heißt: des Gottesfeindes und Heidenvolkes, weil man dort keinerlei Kenntnis von Gott hatte“.47 Auch für Petrus Damiani sind Heiden gottlos, weil sie Götzen dienen und den göttlichen Kult nicht kennen.48 Ihnen gehe es allein um die sichtbaren Götter,
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deles sunt gentes que ignorant Deum, que non credunt euangelio Christi, qui preter hanc uitam qua temporaliter hic uiuitur aliam uitam nullam esse arbitrantur. Hingegen gesteht Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,7, S. 134, auch Heiden den Glauben an ein ewiges Leben zu, wenn er einen heidnischen Richter sagen läßt: ‚Si uis perennis uitae felicitate perfrui, diis magnis sacrificare ne differas.‘ Ähnliches gilt für Bischof Daniel von Winchester (Bonifatius, ep. 23, unten Anm. 346). Gregor von Tours, Liber in gloria martyrum 40, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 1,2, Hannover 1885, S. 63f.: Sicut enim filios Abraham non carnalis nativitas sed fides facit, ita et christianos veros non solum nominis gratia, sed opera praestat. Per hoc enim nomen inluminantur tenebrae, serpentes fugiunt, idolatria prosternuntur, cessat hariolus, tabescit sortilegus, cultores daemonum propelluntur. Lupus von Ferrières, ep. Add. 9, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 6, Berlin 1925, S. 123: non nos corporalibus illecebris resolventes, ut faciebant pagani, verum canticis spiritalibus ymnisque caelestibus in Christo tripudiantes, ut christiani. Bonifatius, ep. 17, S. 30 (unten Anm. 136): qui necdum cognitionem Dei habentes. Haymo von Auxerre, Commentarius in Psalmos. In Psalmum 59. Titulus, Migne PL 116, Sp. 394 AB: Sobal namque vana vetustas interpretatur, et convertit ad fidem suam ab idololatria Ioab, id est inimicum suum, scilicet gentilem populum, quia nullam cognitionem de Deo habebant, et percussit, id est commovit de infidelitate ad fidem. Vgl. auch Vita Sollemnis ep. Carnoteni 10 (unten Anm. 77). Petrus Damiani, ep. 126, ed. Kurt Reindel, MGH Epp. der deutschen Kaiserzeit 4,3, München 1989, S. 420: Et gentilis quidem populus impius erat, quia ydolis serviens pietatem divini cultus ignorabat. Als „gottlos und ungläubig“ (ut impii et infideles) bezeichnet sie auch die Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 2,6 (oben Anm. 21).
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nicht um die Barmherzigkeit des Schöpfers.49 Fehlende Gotteskenntnis, die Verehrung falscher Götter und die Anwendung böser Künste im Dienst des Teufels sind noch für Gerhoh von Reichersberg Kennzeichen des Heidentums,50 die unten noch genauer zu betrachten sind. Folglich haben Heiden auch keine Kenntnis der Bibel (Isidors „Gesetz“).51 Homo gentilis, homo sine lege, faßt folgerichtig kurz und bündig Gregor der Große zusammen.52 Nach Bonifatius folgen sie deshalb dem, was die Natur als Gesetz bereitstellt bzw. folgen sie von Natur aus dem, was Gesetz ist.53 Das bedeutet aber, daß sie in der Wahrnehmung der Christen eigentlich gar keine feste Glaubensregel, sondern nur ein natürliches Gefühl für das Richtige haben. Sie haben weder Gesetz noch Propheten, Apostel oder andere Lehrer, die sie ins himmlische Vaterland einladen, meint Haymo von Auxerre; folglich fehle ihnen jede geistliche Lehre (deshalb seien sie arm).54 Ohne Gesetz und Gotteskenntnis, so Anselm von Laon, aber verhar-
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Petrus Damiani, ep. 113, Bd. 4,3, S. 293: Per id vero quod dicitur contentus vani, gentilitas designatur, quae contenta visibilibus ydolis non curabant reverti ad misericordiam creatoris. Gerhoh von Reichersberg, De quarta vigilia noctis 6, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 505: Nam quia pagani Deum verum ignorantes a diis falsis et per malas artes temporalia querunt, recte illis conferuntur qui per diaboli servicium, quale est latrocinium, furtum, periurium ceteraque maleficia mammone serviunt, cum per talia volunt fieri divites et hoc modo apostolo teste incidunt in laqueum diaboli et desideria multa nocivia, quae mergunt homines in interitum. Vgl. Paulus Diaconus, Historia Romana (Excerpta Vaticana), ep., ed. Hermann Droysen, MGH AA 2, Berlin 1879, S. 379: quia quasi homo gentilis nullam commemorationem fecit de divina historia. Gregor der Große, Moralia in Iob praef. 2, ed. Mark Adriaen, CCL 143, Turnhout 1979, S. 11. Zu Gregors Verhältnis zu den Heiden vgl. Robert A. Markus, Gregory the Great and His World, Cambridge 1997, S. 80ff. Bonifatius, ep. 73 (an König Aethelbald), S. 150f.: Cum ergo gentiles, qui Deum nesciunt et legem non habent iuxta dictum apostoli, naturaliter ea que˛ legis sunt faciunt et ostendunt opus legis scriptum in cordibus suis. Haymo von Auxerre, Commentaria in Isaiam 2,41, Sp. 918 B: Gentiles appellantur egeni et pauperes, quia non habebant legem et prophetas nec apostolos neque aliquem doctorem, qui eos ad gaudia patriae coelestis invitaret et qui eis panem spiritualem porrigeret. Egeni gentiles et pauperes quaerunt aquas, id est doctrinam spiritualem, a suis philosophis et non sunt in illis doctrinae spirituales.
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ren sie bis zum Ende der Zeiten in Blindheit.55 Für Haymo von Auxerre sind ihre Augen blind für die Erkenntnis des Schöpfers und ihre Ohren taub für das Gotteswort, bis sie bekehrt werden;56 für Altfrid waren die heidnischen Friesen zur Zeit Radbods entsprechend noch „im Irrtum des Unglaubens erblindet“.57 Heiden sind gleichsam nicht „erleuchtet“. Gregor der Große und Odo von Cluny vergleichen sie deshalb mit dem Norden, der keine Sonne kennt. Christus erlitt von den Juden die Bosheit, von den Heiden aber die Macht der römischen Autorität: Was Judäa aus Neid forderte, hat der römische Richter kraft seiner Vollmacht vollzogen.58 Von der religiösen „Gesetzeslosigkeit“ wiederum führt der Weg schnell zu mangelnder Bildung und rechtlosem Verhalten. Heiden sind dem Gottesstaat entfremdet und der feinen Bildung ledig, schreibt Beda.59 Sie sind auf vierfache Weise von Gott entfernt, so meint im 12. Jahrhundert Hildebert von Le Mans, weil sie eher Geschöpfe als den Schöpfer verehren und Kreaturen statt dem Schöpfer dienen, weil sie die Ungerechtigkeit lieben und sich
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Anselm von Laon, Enarrationes in evangelium Matthaei 14, Migne PL 162, Sp. 1381 C: Et ideo dicunt: Desertus est locus, quia gentilitas sine lege est, sine aliqua Dei cognitione, et ideo iam hora praeteriit, quia usque ad finem saeculi in caecitate perstiterunt. Vgl. Haymo von Auxerre, Commentaria in Isaiam 2,35, Sp. 895 A: Oculi enim gentilium, qui obcaecati erant ad cognoscendum Creatorem suum, praedicatione apostolorum illuminati sunt. Similiter et aures eorum quae ad audiendum verbum Dei apertae minime fuerant, praedicantibus apostolis auditum meruerunt recipere. Vgl. auch Radulfus Ardens, Homiliae 2,27, Migne PL 155, Sp. 2039 A: Erat autem tunc gentilis populus surdus ad intelligendum Dei verbum. Altfrid, Vita Liudgeri 1,1, ed. Wilhelm Diekamp, Die Vitae sancti Liudgeri (Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster 4), Münster 1881, S. 7: Set quia gens illa eo tempore in errore infidelitatis erat excaecata, multa multi iniusta a rege crudeli et ab eius ministris fuerant perpessi. Gregor der Große, Moralia in Iob 27,27, CCL 143 B, S. 1371f.: Gentiles autem quia nullam scientiam supernae cognitionis attigerant, uelut sine sole frigidi sub Aquilone remanebant. […] Ac si aperte diceretur: A Iudaeis surgit malitia persequens et a gentilibus potestas premens. […] dum quod Iudaea ex inuidia petiit, hoc gentilis iudex ex Romana auctoritate perpetrauit. Danach Odo von Cluny, Moralium in Iob 27,37, Migne PL 133, Sp. 424 A. Beda Venerabilis, Expositio in Marci evangelium 4,15, ed. David Hurst, CCL 120, Turnhout 1960, S. 629: unde paganos appellamus eos quos a ciuitate Dei alienos et quasi urbanae conuersationis esse uidemus expertes. Der Satz wurde immer wieder aufgegriffen; wörtlich auch Ders., Homilia 3,53, Migne PL 94, Sp. 405 A; Smaragd von St. Mihiel, Collectiones, Migne PL 102, Sp. 188 A.
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selbst hassen – sie müssen sich nämlich hassen, wenn sie die Ungerechtigkeit lieben – und weil sie sich damit selbst töten.60 Daß daneben noch ganz andere Kriterien wirksam werden konnten, zeigt Petrus Crassus, wenn er die Habgier zum Kennzeichen der Heiden macht.61 Ihre Unkenntnis entschuldigt die Heiden in gewisser Weise, aber doch nicht ganz. Anders als von Häretikern, die die gleichen Gesetze, Apostel und Propheten haben, so meint im 5. Jahrhundert Salvian von Marseille, kann das göttliche Gesetz von den Heiden nicht eine Einhaltung von Geboten verlangen, die sie gar nicht kennen.62 Für den Apostel Paulus, so differenziert sieben Jahrhunderte später Peter Abaelard, scheinen sie deshalb einerseits nahezu entschuldbar, weil sie es ohne das Gesetz (Gottes) nicht besser wissen (können); andererseits ist Gotteskenntnis für ihn allerdings auch nach dem Naturgesetz möglich, wie die vormosaische Geschichte lehrt.63 Deshalb gehen Heiden ebenfalls zugrunde, nicht weil sie das gött-
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Hildebert von Le Mans, Sermones 16, Migne PL 171, Sp. 642f.: Gentilitas enim recesserat a Deo quatuor modis quibus debet omnis fidelis Deo adhaerere, quibus Scriptura praecipit ut quisquis Deum diligat plusquam se, et seipsum diligat, et carnem suam, et proximum suum sicut seipsum. Gentilitas his quatuor modis a Deo recesserat; quia gentiles magis venerabantur creaturas quam Creatorem; serviebant creaturae, et non Creatori. Seipsos odibant, quia qui diligit iniquitatem, odit animam suam. Primum non diligebant, quia transgrediebantur quod praeceptum est, scilicet: ‚Quod tibi non vis fieri, alteri ne feceris‘ (Tob 4,16). Carnem suam odio habebant, quia seipsos interficiebant. Petrus Crassus, Defensio Heinrici IV 7, ed. Ludwig von Heinemann, MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 448: De te autem scriptum est ita: ‚Superatur homo ab avaritia‘, quando propter cupiditatem munerum membris diaboli impendit reverentiam honoris; cum hoc facit, fit idolorum cultor. Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 5,2,5, ed. Georges Lagarrigue, SC 220, Paris 1975, S. 314; ed. Karl Halm, MGH AA 1,1, Berlin 1877, S. 56: Potest enim quispiam dicere: ‚Etiamsi a paganis lex diuina non exigat, ut mandata faciant, quae non sciunt, certe ab haereticis exigit, qui sciunt. Eadem enim etiam illos legere, quae nos legimus, eosdem apud illos prophetas Dei, eosdem apostolos, eosdem euangelistas esse, ac per hoc aut non minus ab illis legem neglegi quam a nobis, aut etiam multo magis, quia cum eadem legant scripta quae nostri, multo faciunt deteriora quam nostri.‘ Petrus Abaelardus, Commentaria in epistolam Pauli ad Romanos 1,1, ed. Eligius M. Buytaert, CCM 11, Turnhout 1969, S. 67: Nunc maxime ac specialiter in gentiles inuehitur qui iuxta rationes suas minus reprehensibiles uidebantur ac pene excusabiles, quod Deo uero non seruierant quem sine lege scripta, ut aiebant, cognoscere non ualebant. Quam quidem excusationem manifeste retundit, ostendens etiam sine scripto
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
liche Gesetz (das sie nicht kennen) wissentlich übertreten haben, sondern weil sie auch gegen das Naturgesetz verstoßen haben.64 Auch wenn die Heiden weder Gesetz noch Propheten haben, meint deshalb auch Herveus von Déols (Bourgdieu) im 12. Jahrhundert, können sie durch den Anblick der sichtbaren Schöpfung dennoch zum Verständnis des unsichtbaren Gottes gelangen; deshalb sind auch sie nicht entschuldbar, denn sie kennen zwar nicht die Wahrheit, sind aber undankbar gegenüber deren Offenbarung.65 Sie sind in dem Maße Lastern ergeben, wie sie die Kenntnis des Schöpfergottes ignorieren, glaubt schon Gregor der Große.66 Die Abgrenzung der Heiden von den Christen erfolgt insgesamt also auf verschiedene Weise und ist den Autoren in einem Maße bewußt, daß beide Religionen oft einander ausschließend gegenübergestellt werden: Chlodwig war nach dem schon oben zitierten Beispiel der Vita Leonardi67 so lange Heide, bis er Christ wurde, wie es auch an vielen anderen Stellen heißt: Heiden sind Heiden bis zu ihrer Bekehrung.68 Für Beda Venerabilis ist Heiden-
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a gentibus per naturalem legem Deum antea notum fuisse, ipso eis de se ipso per rationem quam dederat, hoc est legem naturalem, ac per uisibilia sua opera notitiam conferente. Ebd. 1,2, S. 83: dicens: ‚Quicumque peccaverunt sine lege‘, scilicet scripta, sicuti gentiles, id est eam non habentes qua instruerentur, peribunt quidem, id est damnabuntur, sed ‚sine lege peribunt‘, id est nullam ex transgressione legis scriptae poenam incurrent sed ex transgressione naturalis legis tantum. An anderer Stelle deutet Abaelard die Fürsten als gentiles a disciplina legis alieni et a civitate Dei remoti et more ferarum indomiti (Sermones ad virgines Paraclitenses 9, Migne PL 178, Sp. 456 D). Herveus Burgidolensis (Bourgdieu), Expositio in epistolam ad Romanos 1, Migne PL 181, Sp. 611 A: Sic enim et gentiles, quamvis legem aut prophetas non haberent, cognoverunt Deum, per visibilem scilicet creaturam pervenientes ad intelligentiam invisibilis Creatoris. […] Ebd. Sp. 611 BC: Ita ut et gentiles qui Scripturas divinas non habebant, sint inexcusabiles, quoniam non fuerunt veritatis ignari, sed ipsi veritati quae se illis revelaverat, exstiterunt ingrati. Gregor der Große, Moralia in Iob 1,1, CCL 143, S. 25: Gentilitas autem eo obligata uitiis exstitit quo cognitionem sui conditoris ignorauit. Dicatur itaque ubi habitauerit ut hoc eius laudibus proficiat, quod bonus inter malos fuit. Neque enim ualde laudabile est bonum esse cum bonis sed bonum esse cum malis (danach wörtlich Odo von Cluny, Moralium in Iob 1,1, Sp. 109 D). Vita Leonardi 1 (oben Anm. 34). Vgl. Hugo von Flavigny, Chronicon 1, S. 326, zu derselben Episode: Deinde Childericus filius Merovei, expulso Egidio duce Romanorum de regno atque interfecto regnum invadit anno ab inc. Dom. 466, et regnavit a. 24, qui genuit filium ex Basina Torin-
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tum der alte, Christentum der neue Kult.69 Einen grundlegenden Wandel durch die Christianisierung hält Adam von Bremen ganz am Ende seiner Chronik gleichnisartig fest: Die wildesten Völker der Dänen, Norweger und Schweden, die früher nur barbarisch krächzen konnten, so meint er, wüßten jetzt das Halleluja zum Lobe Gottes zu singen. Die Seeräuber (populus piraticus), die einst alle Gegenden Frankreichs und Deutschlands verwüstet hätten, begnügten sich jetzt mit ihren Gegenden, und Kirchen seien an die Stelle der Altäre der Götzen getreten.70 Das Christentum hat in Skandinavien
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gorum regina nomine Clodoveum, virum bellicosissimum et potentissimum, in primis gentilem, postea christianum; Helmold von Bosau, Chronicon 1,15, ed. Bernhard Schmeidler, MGH SSrG 32, Hannover 31937, S. 31: Haroldus autem, ut supradictum est, primum quidem gentilis, deinde magni patris Unni doctrina ad fidem Christi conversus, tanta se erga Dominum devocione exercuit, ut non surrexerit similis ei inter omnes reges Danorum, qui tantam aquilonis latitudinem ad fidem divinae cognicionis traxerit et omnem terram ecclesiis et sacerdotibus fecerit esse insignem; Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris (e Chronicon Suevico universale), ed. Harry Bresslau, MGH SSrG 61, Hannover-Leipzig 1915, S. 102: Stephanus Ungariorum rex bonae memoriae obiit, qui se ipsum cum tota gente sua ad fidem Christi ex gentili errore convertit; pro quo Petrus regnavit; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum Schol. 37 (38), S. 112: Chnut filius Suein regis abiecto nomine gentilitatis in baptismo Lambertus nomen accepit; Vitae Audomari, Bertini, Winnoci 10, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrM 5, Hannover-Leipzig 1910, S. 759: Erat enim quidam vir potens Adrowaldus nomine in diviciis huius seculi vanis valde dives, quem beatus Audomarus de errore gentilitatis ad fidem convertit catholicam quemque cum omni sua baptizavit familia; Annales Hildesheimenses a. 960, ed. Georg Waitz, MGH SSrG 8, Hannover 1878, S. 21f., zu einer Gesandtschaft der Russen an den Hof Ottos des Großen: Venerunt legati Rusciae gentis ad regem Ottonem, et deprecati sunt eum, ut aliquem suorum episcoporum transmitteret, qui eis ostenderet viam veritatis; et professi sunt se velle recedere a paganico ritu et accipere religionem christianitatis; et ille consensit deprecationi eorum et transmisit Adalbertum episcopum fide catholicum; illique per omnia mentiti sunt, sicut postea eventus rei probavit; Hrabanus Maurus, Enarrationes in librum Numerorum 2,24, Migne PL 108, Sp. 706 D: Multi itaque ex gentilitate conversi, praedicatores sunt facti, et eidem gentilitati venienti ad fidem Redemptoris mysteria tradiderunt. Zahlreiche weitere Beispiele ließen sich anführen. Sie belegen deutlich die Alternative, Heide oder Christ zu sein. Christ wird man durch Bekehrung. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 5,10, S. 60: auerterent illum a diis suis, et ad nouam Christianae fidei religionem transferrent, sicque paulatim omnis eorum prouincia ueterem cogeretur noua mutare culturam. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,44, S. 280: Ecce illa ferocissima Danorum sive Nortmannorum aut Sueonum natio, quae iuxta verba
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demnach einen dreifachen Wandel bewirkt und nicht nur die Heiden zu Christen, sondern auch die Barbaren zu Menschen und die Seeräuber zu Staatsmännern gemacht.71 Klar stellt Papst Nikolaus I. den religiösen Gegensatz heraus (wobei er die Geschichtlichkeit der Christenbekehrung bereits ganz vernachlässigen kann): Heiden haben einen anderen Glauben, sie sind die Feinde Christi und Gegner der Wahrheit, während Christen die Gnade Gottes besitzen, einen einzigen, bereits von den Vätern ererbten Glauben haben (!), Christus dienen und die Wahrheit verehren.72 Christentum und Heidentum werden hier quasi als alternative Gegensätze verstanden: Man ist entweder Heide oder Christ und kann jedenfalls nicht beides gleichzeitig sein. Bekehrte Heiden sind für Isidor daher keine Heiden (gentiles) mehr, wie auch bekehrte Juden nicht mehr Juden genannt werden dürfen.73 In einer weithin christianisierten Gesellschaft konnte deshalb der Eindruck entstehen, daß der Heidenbegriff
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beati Gregorii ‚nihil aliud scivit nisi barbarum frendere, iam dudum novit in Dei laudibus alleluia resonare‘ (nach Gregor, Moralia in lob 27,11 zu den Angelsachsen). Ecce populus ille pyraticus, a quo totas olim Galliarum et Germaniae provintias legimus depopulatas, suis nunc finibus contentus est […]. Ecce patria illa horribilis […], deposito iam naturali furore predicatores veritatis ubique certatim admittit, destructisque demonum aris ecclesiae passim eriguntur, et nomen Christi communi ab omnibus effertur preconio. Nimirum ‚haec‘ est ‚mutacio dexterae Excelsi‘, et tam velociter currit sermo omnipotentis Dei, ut ‚a solis ortu et occasu, ab aquilone et mari‘ laudabile sit nomen Domini, ‚et omnis lingua confiteatur, quia dominus Iesus Christus in gloria est Dei patris‘, cum spiritu sancto vivens et regnans per omnia secula seculorum. Den Gegensatz zwischen Heiden und Christen bei Adam hebt zu Recht Garipzanov, Christianity and Paganism, hervor. Diese und andere Stellen relativieren allerdings seine These, daß Adam die aus dem immer noch anhaltenden Nebeneinander erwachsenden Gefahren hervorheben will (oder gar apokalyptisch ausdeutet). Insgesamt geht es Adam um den Erfolg der Christianisierung und den Anspruch des Erzbistums Hamburg auf Skandinavien. Nikolaus I., ep. 88, S. 480: Et vere de istis nulla fit ultio, qui pagani sunt, qui alterius fidei sunt, qui inimici Christi sunt, qui veritatis ministris iugiter adversantur; et nobis, qui per gratiam Dei Christiani sumus, qui ex parentibus Christianis existimus atque catholicis, qui unius eiusdemque fidei dogmata credimus, qui servi Christi vocamur, qui veritatis cultores quantum possumus esse desideramus, minae praetenduntur, terrores promittuntur, etiam et nonnullae molestiae irrogantur. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,10,4, S. 327: Post fidem autem non debere uocari gentes siue gentiles eos qui ex gentibus credunt; sicut post fidem dici iam non potest Iudaeus, testante Paulo Apostolo et dicente iam Christianis: ‚Quoniam cum gentes essetis‘ (1. Kor 12,2), hoc est, infideles. Vgl. aber unten Kapitel 3, S. 446f.
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nur noch für Heiden außerhalb des Reichs angewandt wurde, wie Carine van Rhijn für die Zeit Karls des Großen festzustellen glaubt.74 Wie wir noch sehen werden, ist das aber eine nachrangige Differenzierung. In den Augen der Zeitgenossen macht die Abgrenzung vom Christentum schlechthin zum Heiden, innerhalb wie außerhalb des Reichs. Wann und wodurch aber wurde man Christ, wann und wodurch legte man das Heidentum ab? Dogmatisch gesehen, ist Christ derjenige, der in der rechten Weise an Gott und die Trinität, also einschließlich der Gottessohnschaft Christi (oder sogar an ein bestimmtes, katholisches Trinitätsverständnis) glaubt. Die mittelalterlichen Vorstellungen sind hier jedoch – zusätzlich – „formaler“, indem sie den entscheidenden Schritt zum Christentum in den Akt der Taufe legen, die folglich ein klares Abgrenzungskriterium bildet und als unabdingbare Voraussetzung des ewigen Heils gilt: Ohne Bekehrung zum Christentum gibt es keinerlei Erlösung.75 Heiden (wie auch Juden) sind jedoch nicht getauft76 (noch haben sie Gotteskenntnis): Wer noch nicht durch die Taufe erleuchtet ist, ist „blind, taub und stumm nach Art der Heiden, deren Geburt noch nicht durch die Gnade der Taufe erleuchtet ist“, meint der Autor der Vita des Bischofs Sollemnis von Chartres.77 „Du sollst diejenigen, die noch im heidnischen Irrtum leben, einladen, den Glauben Christi anzunehmen, und die durch Taufe und Bekenntnis des wahren Glau74
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Carine van Rhijn, Waren er heidenen in het Karolingische rijk?, in: Madoc 17, 2003, S. 14–20, zusammenfassend S. 19f. Vgl. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 1,4, S. 49: quia non aliter nisi christiani esse putantur, gentes illae praedicatione salvandae sunt. Allerdings berichtet Helmold von Bosau, Chronicon 1,8, S. 20, daß Harald Blauzahn zum Getreuen Christi bekehrt wurde und das Christentum öffentlich ausübte, obwohl er selbst noch nicht das Sakrament der Taufe empfangen hatte: filium autem Haroldum convertit et fidelem Christo perfecit, ita ut Christianitatem, quam pater eius semper odio habuit, ipse servari publice permiserit, quamvis ipsemet baptismi sacramentum nondum perceperit. Vgl. Otto von Freising, Chronica 4,18, ed. Adolf Hofmeister, MGH SSrG 45, Hannover-Leipzig 1912, S. 206: Quare, quamvis Deo tanquam omnipotenti Iudeum vel gentilem vel non baptizatum sine effusione sanguinis, ut dictum est, vel attestatione propria possibile sit salvare, mihi tamen hoc credere erit inpossibile. Vgl. Vita Sollemnis ep. Carnoteni 10, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrM 7, Hannover-Leipzig 1920, S. 319: Magnam ergo vobis referam questionem. Homo ille a nativitate caecus, surdus et mutus forma gentilium erat, quorum nativitas necdum inluminata fuerat baptismi gratia, nec auribus audierat antea praedicante propheta nec verbo loquebatur de Deo, quia nondum erat fides ad credendum instructa.
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bens bereits Eingeführten in Lehre und Mahnung bestärken,“ so beginnt, mit der Unterscheidung beider Gruppen, Hrabanus Maurus seine Schrift ‚De ecclesiastica disciplina‘ in Erinnerung an eine Mahnung eines Bischofs Reginbald.78 Erst die Taufe schafft den Christen und macht ihn heilsfähig; ohne Taufe kann es nach mittelalterlicher Auffassung kein ewiges Leben geben.79 Deshalb konnte Papst Agapit den Dänenkönig Harald Blauzahn nach seiner Taufe de salute gentium beglückwünschen.80 Erst die Taufe, so Arnold Angenendt, macht barbarische Heiden zu wirklichen Menschen.81 „Ein Nichtchrist zählte im Grunde nicht als voller Mensch; nur dem Christen stehen die Menschenrechte zu, darunter auch der Schutz vor der Sklaverei,“ schreibt Jacques Le Goff.82 Heiden waren daher (wenngleich wider Wissens) sündig und konnten nur durch die Taufe von ihren Sünden befreit werden. Die Taufe im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes reinigt gerade vom Heidentum und seinen diabolischen Elementen; sie vertreibt den Teufel (Taufexorzismus) und legt das Glaubensbekenntnis auf die christliche Trinität fest (Credo sollte der Täufling antworten).83 78
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Hrabanus Maurus, De ecclesiastica disciplina praef., Migne PL 112, Sp. 1191 B: in paganico errore adhuc conversantes ad fidem Christi percipiendam invitares, et quomodo in Ecclesiam per baptismum et confessionem verae fidei iam introductos doctrina et exhortatione catholica corroborares. Vgl. Rimbert, Vita Anskarii 24, ed. Georg Waitz, MGH SSrG 55, Hannover 1884, S. 53: Et cum multi inibi baptizati supervixerint, innumerabilis tamen albatorum multitudo exinde ad regna conscendit caelorum. Adam von Bremen, Gesta Hammburgensis ecclesiae pontificum 2,3, S. 64. Vgl. Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini) 3,25, S. 457f.: Numquid quia Naaman Syrus in flumineo lavacro lepre˛ contagio ablutus est, per quem gentilitas Christi baptismate ab idolorum contagione abluta figurata est, ideo flumina adoranda sunt?; Capitulatio de partibus Saxoniae 8, ed. Alfred Boretius, MGH Capit. 1, Nr. 8, Hannover 1883, S. 69: gente Saxonorum inter eos latens non baptizatus se abscondere voluerit et ad baptismum venire contempserit paganusque permanere voluerit, morte moriatur. So Arnold Angenendt, Kaiserherrschaft und Königstaufe. Kaiser, Könige und Päpste als geistliche Patrone in der abendländischen Missionsgeschichte (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 15), Berlin-New York 1984, S. 73 (und S. 45ff.). Jacques Le Goff, La civilisation de l’Occident médiévale, Paris 1967, S. 196 (dt. Kultur des europäischen Mittelalters, München 1970, S. 266). Zum Taufverständnis vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 32005, S. 463ff.; zur Teufelsaustreibung kurz Ders., Frühmittelalter S. 427; ausführlich zur Taufe in karolingischer Zeit: Jean Chélini, L’aube du Moyen Âge. Naissance de la chrétienté occidentale: la vie religieuse des laïcs dans l’Europe carolingienne (750–900), Paris 1991, S. 47–73.
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Daß Heidentum als Teufelswerk angesehen wurde, zeigt sich nicht nur im Exorzismus der Taufliturgie, sondern auch im Altsächsischen Taufgelöbnis aus dem 8. Jahrhundert,84 das den neu bekehrten Sachsen in einem FrageAntwort-Gespräch die Abwendung von dem dämonischen Götterglauben abverlangt:85 Forsáchistu diobolae? et respondeat: ec forsacho diabolae. end allum diobolgeldae? respondeat: end ec forsacho allum diobolgeldae. End allum dioboles uuercum? respondeat: end ec forsacho allum dioboles uuercum and uuordum thunaer ende woden ende saxnote ende allum them unholdum the hira genotas sint.
Entsagst Du dem Teufel? Die Antwort soll sein: Ich entsage dem Teufel. Und allem Teufelsgeld? Antwort: Und ich entsage allem Teufelsgeld. Und allem Teufelswerk? Antwort: Und ich entsage allem Teufelswerk und -wort, Donar und Wodan und Saxnot und all den Unholden, die ihre Genossen sind.
Der Absage an den Teufel und seine Götter aber folgt zwangsläufig die Hinwendung zu Gott und Christus: gelobistu in got alamehtigan fadaer? ec gelobo in got alamehtigan fadaer. gelobistu in crist godes suno? ec gelobo in crist gotes suno. gelobistu in halogan gast? ec gelobo in halogan gast.
Glaubst du an Gott den allmächtigen Vater? Ich glaube an Gott den allmächtigen Vater. Glaubst du an Christus, Gottes Sohn? Ich glaube an Christus, Gottes Sohn. Glaubst Du an den Heiligen Geist? Ich glaube an den heiligen Geist.
Ganz ähnlich schreibt auch Hrabanus Maurus in seiner Anweisung für Kleriker, zuerst müsse man den Heiden fragen, ob er dem Teufel mit seinen verdammenswerten Werken und seinem falschen Prunk abschwört und seinen Irrtum ablegt, bevor er sich dem (wahren) Glauben nähern kann.86 Eine Rückkehr zum Irrtum des heidnischen Glaubens wird entsprechend der Ein84 85 86
Vgl. Mohr, Wissen über die Anderen S. 122f. MGH Capit. 1, Nr. 107, S. 222. Hrabanus Maurus, De institutione clericorum 1,27, ed. Detlev Zimpel, FC 61, Turnhout 2006, S. 192: Primum interrogatur paganus si abrenuntiat diabolo et omnibus damnosis eius operibus atque fallacibus pompis, ut primum respuat errorem, et sic appropinquet ad veritatem, possitque iuxta Apostolum deponere veterem hominem secundum pristinam conversationem, qui corrumpitur secundum desideria erroris, abnegans impietatem et saecularia desideria.
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wirkung des Teufels zugeschrieben.87 Der Taufe eines Heiden mußte demnach gleichsam ein Abschwören der alten Götter vorangehen. Nicht selten charakterisieren die frühmittelalterlichen Autoren die Bekehrung entsprechend als Verlassen der Götzen und des heidnischen Aberglaubens, dem dann die Taufe folgte, wie es Regino von Prüm bei den Bulgaren beschreibt: „Um diese Zeit verließ das sehr wilde und kriegerische Volk der Bulgaren seine Götzen und entsagte seinem heidnischen Aberglauben und glaubte zum größten Teil an Christus, und abgewaschen mit dem heilbringenden Wasser der Taufe, trat es zum christlichen Glauben über.“88
Daraufhin unterwiesen Priester aus Rom „das noch ungebildete Volk“ in den christlichen Geboten, um „ihre ungebildete Barbarei durch heilige Glaubenssätze zu veredeln und Christus eine Wohnung zu bereiten“.89 Die Abgrenzung von Christen und Heiden ist in dieser Hinsicht, anders als bei dem Aspekt der Gotteskenntnis, also eine sehr formale. Entsprechend ist auch „Mission“ ein (nach unseren Kriterien) äußerlicher, auf Taufe und Bekennung des Christengottes abzielender Vorgang, auch wenn der Taufe eine christliche Unterweisung in das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser vorangehen sollte90 (wie sie Gregor von Tours bereits bei der Bekehrung Chlodwigs bezeugt), die bei der im Mittelalter üblichen Kindstaufe dann allerdings zwangsläufig entfiel. „Zuerst macht man den Heiden zum Katechumenen,“ schreibt aber noch Alkuin; „dann schreitet er zur Taufe, um dem bösen Geist und all seinem schädlichen Prunk abzuschwö-
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Vgl. Rimbert, Vita Anskarii 7, S. 29: baptizati fuerant pia exhortatione, ne ad pristinos reducerentur diabolo instigante errores. Vgl. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,1, S. 270: De quo nos conuenit, quia nostram, id est Anglorum, gentem de potestate Satanae ad fidem Christi sua industria conuertit. Zum Heidentum als Teufelswerk vgl. auch unten S. 164ff. Vgl. Regino von Prüm, Chronicon a. 868, ed. Friedrich Kurze, MGH SSrG 50, Hannover 1890, S. 95: His temporibus gens Vulgarum ferocissima ac bellicosa relictis idolis abrenuntiatisque gentilium superstitionibus in Christum ex permaxima parte credidit; et abluta salutari baptismatis unda in religionem christianam transiit. Ebd.: Directi sunt autem a sede apostolica in eandem gentem sacerdotes ac viri religiosi, qui populum adhuc rudem divinis informarent preceptis et incultam barbariem sacris dogmatibus excolentes. Vgl. Capitula de examinandis ecclesiasticis c. 14, MGH Capit. 1, Nr. 38, S. 110: Ut nullus infantem vel alium ex paganis de fonte sacro suscipiat, antequam simbolum et orationem dominicam presbitero suo reddat.
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ren.“91 Nicht zufällig enden die historiographischen und hagiographischen Berichte über Mission und Unterwerfung nahezu durchweg mit der Taufe der Heiden, mit der das Ziel erreicht schien. Die Fränkischen Reichsannalen lassen fast jeden Sieg Karls des Großen über die Sachsen mit der Taufe der Unterworfenen enden. Auch in der Missionsvita Willehads ist die Taufe immer wieder das Ergebnis von Mission und Bekehrung: Wo immer Willehad predigte, „begann eine große Zahl von Heiden zu glauben und empfing das Sakrament der Taufe“.92 Die Missionserfolge Willibrords, so Alkuin, zeigten sich in den Menschen, die er zum wahren Glauben und zum Kult des einen allmächtigen Gottes geführt hatte, und in den Kirchen und Klöstern, die er in den einzelnen Orten errichtet hatte (und auch das war äußerliches, sichtbares Zeichen, das zugleich aber die Seelsorge repräsentierte).93 Nach dem Slawensieg Ottos des Großen boten die Unterworfenen nach Adam von Bremen dem Sieger „Tribut und Christentum“ dar, um Land und Leben zu retten; „das gesamte Volk der Heiden wurde getauft“, und im Slawenland wurden die ersten Kirchen errichtet.94 Zwischen Heiden und Christen standen mit Unglauben und Götzenkult folglich unversöhnliche Gegensätze, die nur durch Bekehrung und Taufe überwunden werden konnten.
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Alkuin, ep. 134, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 4, Berlin 1895, S. 202: Primo paganus caticumenus fit; accedens ad baptismum, ut renuntiet maligno spiritui et omnibus eius damnosis pompis; wörtlich Ders., ep. 137, S. 214. So Vita Willehadi 4, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 2, Hannover 1829, S. 381: plurima multitudo gentilium credidit ac baptismi sacramentum percepit (und öfter in ähnlicher Form). Alkuin, Vita Willibrordi 1,8, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrM 7, Hannover-Leipzig 1920, S. 123: Qualem, divina gratia adiuvante, illis in locis fructum fecisset, testes sunt usque hodie populi per civitates, vicos et castella, quos ad veritatis agnitionem et ad unius omnipotentis Dei cultum pia ammonitione perduxerat; testes quoque ecclesiae, quas per loca singula construxerat, testes et Deo famulantium congregationes, quas aliquibus adunavit in locis. Zu Willibrords Missionswerk vgl. Anton G. Weiler, Willibrords missie. Christendom en cultuur in de zevende en achtste eeuw, met een vertaling van de voornaamste literaire bronnen door P. Bange, Hilversum 1989; Georges Kiesel/Jean Schroeder (Hg.), Willibrord. Apostel der Niederlande, Gründer der Abtei Echternach. Gedenkgabe zum 1250. Todestag des angelsächsischen Missionars, Luxemburg 1989. Adam von Bremen, Gesta Hammburgensis ecclesiae pontificum 2,5, S. 65: Quos pater eius uno grandi bello domuerat, ipse tanta virtute deinceps constrinxit, ut tributum et christianitatem pro vita simul et patria libenter offerrent victori, baptizatusque est totus gentilium populus, ecclesiae in Sclavania tunc primum constructae.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Die Taufe allein macht einen Heiden dennoch nicht gleich zum rechten Christen. In einer seiner bekannten Anekdoten berichtet Notker von St. Gallen von der Taufbereitschaft der heidnischen Normannen,95 prangert zugleich aber an, daß es ihnen mehr um die irdischen Vorteile ging, nämlich um die weißen Taufkleider, die sie vom Kaiser, und die kostbaren Gewänder, Waffen und Schmuckstücke, die sie von ihren Taufpaten erhielten, denn die Großen am Hof adoptierten sie gleichsam an Kindes statt. Aus diesem Grunde kamen von Jahr zu Jahr mehr Normannen zu Ostern (dem Tauftermin schlechthin) an den Hof, um sich taufen zu lassen. Einmal, so Notker, habe nun die Zahl der Leinenkleider nicht ausgereicht, so daß der Kaiser befohlen habe, Hemdenstoff zusammenzunähen. Daraufhin erboste sich ein älterer Normanne: „Schon zwanzig mal hat man mich hier gebadet und mir die besten und weißesten Kleider angetan, aber so ein Sack steht keinem Krieger, sondern einem Schweinehirten an.“96 Mit einem solchen Denken wird das Anliegen der – als Baden verharmlosten – einmaligen Taufe ad absurdum geführt, doch hat Notkers Anekdote gar nicht die Absicht, heidnisches Denken zu verlachen. Sie richtet sich vielmehr an seine christliche Leserschaft und endet mit der „Moral“: „Möchte man doch so etwas nur bei Heiden finden und nicht auch öfters bei denen, die sich als Christen betrachten.“97 Die Taufe mußte also durch eine christliche Gesinnung ergänzt werden, wie sie Chlodwig in der Sicht Fredegars an den Tag legte, der bei seiner Taufe und den dabei vernommenen Evangelienworten über die Passion Christi, obwohl ihm die christliche Unterweisung noch fehlte, ausgerufen haben soll: „Wenn ich mit meinen Franken dort gewesen wäre, hätte ich das Unrecht an ihm gerächt.“ 98 Fredegar legt Chlodwig damit (aus tiefer eigener Überzeugung) eine wahrhaft barbarisch-christliche Gesinnung in den Mund. Christlicher Glaube verlangt christliches Verhalten. Die heiligen Apostel, schreibt Petrus Damiani, hätten in den frühesten Glaubensbestimmungen den frisch bekehrten Heiden daher nicht
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Notker Balbulus, Gesta Karoli Magni imperatoris 2,19, ed. Hans F. Haefele, MGH SSrG n.s. 12, Berlin 1959, S. 89f. Ebd. S. 90: Iam vities hic lotus sum et optimis candidissimisque vestibus indutus; et ecce talis saccus non milites sed subulcos addecet. Ebd.: Quod utinam apud gentiles tantum et non etiam inter eos, qui Christi nomine censentur, sepius inveniretur! Fredegar, Chronicon 3,21, S. 101: Si ego ibidem cum Francis meis fuissem, eius iniuriam vindicassim.
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nur die Abwendung von Götzenopfern, sondern auch von Blutvergießen und Unzucht nahegelegt.99 Folglich hatte man durchaus einen Blick für ein nichtchristliches Leben nach der Taufe. Dennoch scheint die Anwendung heidnischer Bräuche durch getaufte Christen oder eine nichtchristliche Lebensweise die Betroffenen, zumindest begrifflich, nicht oder nur bedingt wieder zu „Heiden“ zu machen. Jedenfalls behandeln die frühmittelalterlichen Konzilsbeschlüsse, die unchristliches Verhalten häufig verurteilen, die Frage des Christseins trotz heidnischer Bräuche, soweit ich sehe, nirgends explizit.100 Durch die Anwendung heidnischer Bräuche verwirkte man das Heil, blieb aber offenbar (schlechter) Christ. Die Taufe war vielmehr lebenslang wirksam und wurde durch ein unchristliches Leben nicht verwirkt; entsprechend war eine Wiedertaufe nicht erlaubt, es sei denn die Taufe war nicht von Christen vorgenommen worden. So ordnete Gregor III. eine nochmalige Taufe im Namen der Trinität nur bei denjenigen an, die von Heiden getauft worden waren.101 „Wer getauft worden ist von Ketzern auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes,“ so belehrte auch Papst Zacharias Bonifatius, „darf auf keinen Fall nochmals getauft, sondern muß allein durch Handauflegen gereinigt werden.“102 Hingegen verurteilte der Papst den Irrglauben eines Priesters Samson, der behauptete, man könne ohne Taufe allein durch 99
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Petrus Damiani, ep. 50, Bd. 4,2, S. 131: Nam et illud quoque non excidit, quod sancti apostoli, qui missi fuerant crucem Christi humano generi praedicare, omniumque virtutum adoptionis filios documentis imbuere, inter ipsa nascentis fidei rudimenta, hoc solum quibusdam praecepere gentilibus, ut abstinerent se ab immolatis simulacrorum et sanguine et suffocato et fornicatione. Vgl. ebd. ep. 65, S. 239: Apostolica etiam illa discretio nobis ad memoriam est reducta, qua gentilibus nuper conversis ad fidem nichil aliud oneris imposuerunt, nisi ut ab immolatis simulacrorum et sanguine et suffocato et fornicatione se tantummodo custodirent. Vgl. aber Audoin von Rouen, Vita Eligii episcopi Noviomagensis 2,16 (unten Anm. 533). Vgl. Bonifatius, ep. 28, S. 50: Eosdemque, quos a paganis baptizatos esse asseruisti, si ita habetur, ut denuo baptizes in nomine trinitatis, mandamus. Bei allen, die bereits im Namen der Trinität getauft waren, sollte das lediglich durch Handauflegen und Weihe bestätigt werden; ebd. ep. 45, S. 73: Illi quippe, qui baptizati sunt per diversitate et declinatione linguarum gentilitatis, tamen, quod in nomine trinitatis baptizati sunt, oportet eos per manus inpositionem et sacri crismatis unctionem confirmari. Ebd. ep. 68, S. 141: quicumque baptizatus fuerit ab hereticis in nomine patris et filii et spiritus sancti, nullo modo rebaptizari debeatur, sed per sola manus inpositione purgari debeatur.
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Handauflegen Christ werden.103 Ähnliches galt dann wohl auch für die Exkommunizierten, die zwar aus der Kirche ausgeschlossen wurden und ihr Seelenheil verloren hatten, aber dadurch nicht wieder zu „Heiden“ wurden. Dennoch bestimmt das Kirchenrecht, daß sie wie Heiden zu behandeln seien.104 Anders verhielt es sich nur bei einem regelrechten Rückfall ins Heidentum. Zwar hatte schon Isidor Apostaten und Heiden unterschieden – „Apostaten werden diejenigen genannt, die, nachdem sie die Taufe Christi empfangen haben, zum Götzenkult und zur Opferbefleckung zurückkehren“105 –, und nach David Fraesdorff trifft noch Thietmar von Merseburg zu Beginn des 11. Jahrhunderts eine begriffliche Unterscheidung, wenn er die abgefallenen Liutizen nicht mehr als gentiles, sondern als infideles und profani bezeichnet106 (sie damit allerdings ebenfalls aus dem Christentum ausschließt). Doch sind diese Begriffe, wie schon oben betont, erstens weithin synonym, und zweitens ist ein solcher Begriffsgebrauch auch bei Thietmar keineswegs durchgängig zu beobachten, spricht er doch gerade bei dem Bericht über den großen Slawenabfall von 983 von gentiles und varia demoniacae heresis cultura.107 Mit der „dämonischen Häresie“ könnte er zwar 103 104
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Ebd. ep. 80, S. 177. Vgl. Burchard von Worms, Decretum 11,3, Sp. 858 BC: Post haec episcopus plebi ipsam excommunicationem communibus verbis debet explanare, ut omnes intelligant quam terribiliter damnatus sit, et ut noverint quod ab illa hora in reliquum non pro Christiano, sed pro pagano habendus sit. Wörtlich auch Ivo von Chartes, Decretum 14,76, Migne PL 161, Sp. 846 B. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,10,5, S. 327: Apostatae dicuntur, qui post baptismum Christi susceptum ad idolorum cultum et sacrificiorum contaminationem reuertuntur. Atto von Vercelli, ep. 11, Migne PL 134, Sp. 123 C, weitet diese Definition auf abtrünnige Kleriker aus, die Kriegsdienste leisten: Sicut enim apostatae dicuntur, qui post baptismum Christi susceptum rursus ad paganorum ritus et idolorum convertuntur culturam, sic etiam apostatae dicuntur et sacerdotes, qui Ecclesiam deserentes censuram, ad militarem se conferunt actionem. Vgl. David Fraesdorff, Der barbarische Norden. Vorstellungen und Fremdheitskategorien bei Rimbert, Thietmar von Merseburg, Adam von Bremen und Helmold von Bosau (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 5), Berlin 2005, S. 229ff., mit Verweis auf Thietmar von Merseburg, Chronicon 6,25, S. 304, und ebd. 7,17, S. 418. Thietmar von Merseburg, Chronicon 3,17, S. 118/120: Vice Christi et piscatoris eiusdem venerabilis Petri varia demoniacae heresis cultura deinceps veneratur, et flebilis haec mutacio non solum a gentilibus, verum etiam a christianis extollitur.
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Christliches betonen,108 stellt den Slawenaufstand jedoch gleichzeitig in eine Beziehung zum Teufel und damit auch zum Heidentum. Der Rückfall ist für ihn im Prinzip sogar schlimmer als ein Noch-Heidentum.109 Auch für Wipo sind diese „Halbchristen“ (semichristiani) per apostaticam nequitiam wieder zu Heiden geworden.110
2. Einstellungen der Christen gegenüber Heiden und christliches Heidenbild im Spiegel von Heidenmission und Christianisierung Das Heidentum war mit der Christianisierung des Römischen Reiches und seiner Nachfolgereiche keineswegs ausgestorben.111 Weder war das Römi108
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Das stellt Fraesdorff, Der barbarische Norden S. 234, heraus. Fraesdorff unterscheidet zwischen Heidentum und Apostasie. Ein Rückfall macht die Slawen in Thietmars Augen nach zu Häretikern. So richtig Fraesdorff, ebd. S. 234f. Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris 33, S. 52. Im folgenden werden sie daher folgerichtig mehrfach als pagani bezeichnet, denen gegenüber der christianus in einem Zweikampf auf seinen Glauben vertraute (nicht bedenkend, daß Gott alles vero iudicio disponit), während dem Heiden solam conscientiam veritatis, pro qua dimicabat, prae oculis habens acriter resistebat. Postremo christianus a pagano vulneratus cecidit. Hingegen spricht Cosmas von Prag, Chronica Boemorum 3,1, ed. Bertold Bretholz (unter Mitarbeit von Wilhelm Weinberger), MGH SSrG n.s. 2, Berlin 1923, S. 161, von „Halbheiden“ (semipagani), die ex gentili ritu ihren Dämonen opferten. Einen Überblick über das Fortleben des Heidentums im Frühmittelalter gibt: Raoul Manselli, Resistenze dei culti antichi nella pratica religiosa dei laici nelle campagne, in: Cristianizzazione ed organizzazione ecclesiastica delle campagne nell’alto medioevo: espansione e resistenze (SSCI 28), Spoleto 1982, S. 57–108. Zu Nachrichten über das (nicht spezifische) Heidentum östlich des Rheins vgl. Ian N. Wood, Pagan Religion and Superstitions East of the Rhine from the Fifth to the Ninth Century, in: Giorgio Ausenda (Hg.), After Empire: Towards an Ethnology of Europe’s Barbarians (Studies in Historical Archaeoethnology), Woodbridge 1995, S. 253–268 (279), der (ebd. S. 255ff.) die Belege über heidnische Organisation (Tempel, Götzen, Priester, Feste, Opfer, Losorakel) zusammenstellt. Zu Spuren des Heidentums bzw. zu Nachrichten über Heiden in frühmittelalterlichen angelsächsischen Autoren vgl. Tette Hofstra/Luuk A. J. R. Houwen/Alasdair A. MacDonald (Hg.), Pagans and Christians. The Interplay Between Christian Latin and Traditional Germanic Cul-
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sche Reich schlagartig christianisiert,112 noch haben die Barbareninvasionen das Christentum wieder beseitigt.113 Die Christianisierung des Abendlandes war vielmehr ein langer, durchaus nicht kontinuierlicher, zwangsläufiger oder unumkehrbarer Prozeß,114 der sowohl der ständigen Verfestigung des Glaubens im Innern115 als auch der Missionierung und Ausbreitung bedurfte.116 Das Ergebnis war zweifellos eine umfassende Christia-
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tures in Early Medieval Europe. Proceedings of the Second Germania Latina Conference held at the University of Groningen, May 1992 (Mediaevalia Groningana 16. Germania Latina II), Groningen 1995; Milis (Hg.), The Pagan Middle Ages. Zum regionalen Nachwirken heidnischer Bräuche: Franz Staab, Heidentum und Christentum in der Germania Prima zwischen Antike und Mittelalter, in: Ders. (Hg.), Zur Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter am Oberrhein (Oberrheinische Studien 11), Sigmaringen 1994, S. 117–152. Zur heidnischen Kultur der Spätantike vgl. Benjamin Goldlust/François PlotonNicollet (Hg.), Le païen, le chrétien, le profane. Recherches sur l’Antiquité tardive (Religions dans l’Histoire), Paris 2009. Zum römischen Heidentum der Spätantike vgl. jetzt ausführlich Alan Cameron, The Last Pagans of Rome, Oxford 2011, der, gegen alle bisherigen Ansichten, die Existenz strikter Gegensätze und Kontroversen zwischen Christen und Heiden im spätantiken Rom bestreitet. Aus archäologischer Sicht anhand des Trierer Raumes im 4. Jahrhundert, aber mit vergleichenden Blicken nach Gallien, Oberitalien und Nordafrika: Marcello Ghetta, Spätantikes Heidentum. Trier und das Trevererland (Geschichte und Kultur des Trierer Landes 10), Trier 2008. Zur Kontinuität spätantiken Heidentums und seiner Kultstätten: Luke Lavan/Michael Mulryan (Hg.), The Archaeology of Late Antique ‚Paganism‘ (Late Antique Archaeology 7), Leiden 2011. Das betont zu Recht Staab, Heidentum, zusammenfassend S. 149f. Vgl. dazu die Überblicke von Lutz E. von Padberg, Die Christianisierung Europas im Mittelalter (Reclams Universalbibliothek 18641), Stuttgart 22009 (11998); Ders., Christianisierung im Mittelalter, Darmstadt 2006. Ferner: La conversione al cristianesimo nell’Europa dell’alto medioevo (SSCI 14), Spoleto 1967. Eine Typologie der Christianisierung der Germanenreiche versucht Carole M. Cusack, Conversion among the Germanic Peoples (Cassell Religious Studies), London 1998. Vgl. etwa Cristianizzazione ed organizzazione ecclesiastica delle campagne; Pierre Riché (Hg.), La christianisation des pays entre Loire et Rhin (IVe–VIIe siècle), Paris 1993, sowie die Artikel in: Thomas F. X. Noble/Julia M. H. Smith (Hg. unter Mitarbeit von Roberta A. Baranowski), The Cambridge History of Christianity. Bd. 3: Early Medieval Christianities, c. 600–c. 1100, Cambridge 2008. Von der nahezu unüberschaubaren Literatur zur Mission im früh- und hochmittelalterlichen Abendland seien, über die in den beiden vorigen Anmerkungen genannten Titel hinaus, stellvertretend genannt: Michael Müller-Wille (Hg.), Rom und Byzanz im Norden. Mission und Glaubenswechsel im Ostseeraum während des
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8.–14. Jahrhunderts (Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz. Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse 1997), 2 Bde., Mainz-Stuttgart 1997/1998; Richard Fletcher, The Conversion of Europe. From Paganism to Christianity 371–1386 AD, London 1997; zur Christianisierung Britanniens zuletzt Malcom Lambert, Christians and Pagans. The Conversion of Britain from Alban to Bede, New Haven-London 2010. Zur späteren Mission: James D. Ryan (Hg.), Religion and Expansion: the Missionary Impulse (The Expansion of Latin Europe, 1000–1500), Aldershot 2009. Allgemein: Guyda Armstrong/Ian N. Wood (Hg.), Christianizing Peoples and Converting Individuals (International Medieval Research 7), Turnhout 2000. Zu den Missionaren: Ian Wood, The Missionary Life. Saints and the Evangelisation of Europe, 400–1050 (The Medieval World), Harlow u.a. 2001. Zu den Missionsmethoden: Lutz E. von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen: Theorie und Praxis der Missionspredigt im frühen Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 51), Stuttgart 2003; zu den Missionshintergründen und zur methodischen Herangehensweise an die Missionsgeschichte vgl. Hans-Dietrich Kahl, Bausteine zur Grundlegung einer missionsgeschichtlichen Phänomenologie des Hochmittelalters, in: Miscellanea Historiae Ecclesiastica. Congrès de Stockholm août 1960 (Bibliothèque de la RHE 38), Louvain 1961, S. 50–90 (abgedr. in: Ders., Heidenfrage S. 231–263); Ders., Die ersten Jahrhunderte. Ausführlich zur Mission der Angelsachsen und zur angelsächsischen Mission auf dem Kontinent: von Padberg, Mission und Christianisierung, besonders S. 107–158; Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World. Zu Nord- und Nordwesteuropa: Ian N. Wood, The northern frontier: Christianity face to face with paganism, in: Noble/Smith (Hg.), Early Medieval Christianities S. 230–246. Zur Christianisierung Norwegens als eines langen, in mehreren Phasen vom 5. bis ins 11. Jahrhundert ablaufenden Prozesses vgl. Dagfinn Skre, Missionary Activity in Early Medieval Norway. Strategy, Organization and the Course of Events, in: Scandinavian Journal of History 23, 1998, S. 1–19; ausführlich aus archäologischer Perspektive: Sæbjørg Walaker Nordeide, The Viking Age as a Period of Religious Transformation. The Christianization of Norway from AD 560–1150/1200 (Studies in Viking and Medieval Scandinavia 2), Turnhout 2011. Danach belegt der archäologische Befund einen in den einzelnen Regionen zu sehr unterschiedlichen Zeiten einsetzenden, mehr oder weniger abrupten Bruch der heidnischen Kulte zwischen 950 und 1100, bei dem das Königtum eine Rolle spielte. Vgl. auch Else Mundal, The Relationship between Heathens and Christians in Scandinavia in the Time before Christianisation, in: Leidulf Melve/Sigbjørn Sønnesyn (Hg.), The Creation of Medieval Northern Europe. Christianisation, Social Transformations, and Historiography. Essays in Honour of Sverre Bagge, Oslo 2012, S. 70–89. Zur Christianisierung Skandinaviens aus archäologischer Sicht (anhand der Kreuzanhänger) und den von den Schriftquellen abweichenden Eindrücken und regionalen Unterschieden vgl. Jörn Staecker, Rex regum et dominus dominorum. Die wikingerzeitlichen Kreuzund Kruzifixanhänger als Ausdruck der Mission in Altdänemark und Schweden (Lund Studies in Medieval Archaeology 23), Stockholm 1999. Zum Verhältnis von Heiden und Christen aus archäologischer Sicht vgl. David Petts, Pagan and Christian. Religious Change in Early Medieval Europe (Dabates in Archaeology), London 2011.
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nisierung.117 Dennoch wird man aus geschichtswissenschaftlicher Sicht sicher nicht einfach behaupten können, das Heidentum habe nichts anzubieten gehabt118 und mit dem Christentum daher nicht konkurrieren können119 (eine These, der schon die heidnischen Elemente widersprechen, die sich in einer Art Synkretismus im Christentum niedergeschlagen haben). Wenn es im Mittelalter, vom Ergebnis her sicherlich erschließbar, eine gewissermaßen zwangsläufige Entwicklung zum Monotheismus gab, wie etwa Michael Borgolte herausstellt,120 dann war diese Entwicklung jedenfalls weder geradlinig, noch verlief sie in allen Gebieten kontinuierlich,121 sondern war mit „Loyalitäts- und Orientierungskonflikten“ behaftet,122 und auch die Bekehrungs117
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Lutz E. von Padberg, Odin oder Christus? Loyalitäts- und Orientierungskonflikte in der frühmittelalterlichen Christianisierungsepoche, in: AKG 77, 1995, S. 249–278, hier S. 250, spricht treffend von einem „Wechsel vom Regionalismus der Stammesreligionen zum Universalismus des Christentums“. So Paul Veyne, Quand notre monde est devenu chrétien (312–394), Paris 2007, S. 89f. (dt. Als unsere Welt christlich wurde [312–394]. Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht, München 2008, S. 53). So ebd. S. 72f. Angesichts eines „lebendigen Heidentums“ bewertet von Padberg, Mission und Christianisierung S. 363, den Erfolg der Missionare als um so beachtlicher. Michael Borgolte, Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes. 300 bis 1400 n. Chr. (Siedler Geschichte Europas), Berlin 2006. Die Durchsetzung des Christentums im Römischen Reich (zwischen Konstantin und Theodosius) sucht zu erklären: Veyne, Quand notre monde est devenu chrétien, der den Beitrag Konstantins als „Meisterleistung“ (Kapitel 1, S. 9–33) und das Christentum als „Meisterwerk“ wertet (Kapitel 2, S. 35–65). Veyne betont allerdings selbst zu Recht, daß das Christentum unter den Nachfolgern Konstantins keineswegs schon gesichert war (Kapitel 7 und 8, S. 159–197); der Erfolg habe außerdem nicht im Christentum selbst gelegen, sondern sei Ergebnis einer historischen Genese (ebd. Kapitel 11, S. 249–268). In diesem Sinne läßt es aufhorchen, wenn Michael Brauer, Die Entdeckung des ‚Heidentums‘ in Preußen. Die Prußen in den Reformdiskursen des Spätmittelalters und der Reformation (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 17), Berlin 2011, eine „Entdeckung“ des Heidentums bei den Preußen erst in den Reformdiskursen des 15. Jahrhunderts feststellen will. Seine Ergebnisse lassen zwar eher den Schluß zu, daß hier traditionelle Heidenbilder wieder aufgegriffen werden, zeigen aber deren Weiterleben noch bis ans Ende des Mittelalters. So von Padberg, Odin oder Christus S. 256. Von Padberg zeigt hier (S. 263ff.) an drei Fallbeispielen (Raedwald von Ostanglien, Edwin von Northumbrien und dem
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motive waren sehr vielfältig.123 „Die Christianisierung Europas im Mittelalter ist ein differenziert zu betrachtender Prozeß, bei dem ganz unterschiedliche Motive eine Rolle spielten.“124 Das Heidentum aber geriet gerade im Zuge solcher Konfrontationen in das christliche Blickfeld.
a. Die Bekehrung der Heiden als christlicher Missionsauftrag Die Geschichte der Heiden interessierte die christlichen Autoren nicht um ihrer selbst willen, sondern nur dort, wo es Berührungen gab, sei es kriegerischer Art, sei es durch missionarische Tätigkeit. „So unnütz es meines Erachtens ist, die Taten Ungläubiger zu erforschen,“ meint Adam von Bremen, „so unfromm wäre es, die Errettung derjenigen zu übergehen, die zuerst den Glauben annahmen, und derjenigen, durch die sie gläubig wurden.“125 Nicht Heiden-, sondern Bekehrungsgeschichte ist Adams Thema, der tatsächlich sehr viel über den skandinavischen Norden berichtet, weil das Erzbistum Hamburg-Bremen darauf kirchliche Ansprüche erhob. Die genaue Sukzession der Dänenkönige, die er als reges, immo tyranni Danorum bezeichnet, kennt er nicht: „Uns genügt das Wissen, daß sie noch sämtlich Heiden waren“ und daß sich das Christentum in Dänemark trotz excursione barbarorum behauptet hat.126 Gregor von Tours betrachtet den Kampf der Mär-
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Friesenfürsten Radbod) auf, daß der Glaubenswechsel zum Christentum komplizierter war, als die Quellen erkennen lassen. Das arbeitet für die Völkerwanderungszeit heraus: Daniel König, Bekehrungsmotive. Untersuchungen zum Christianisierungsprozess im römischen Westreich und seinen romanisch-germanischen Nachfolgern (4.–8. Jahrhundert) (Historische Studien 493), Husum 2008. Zu spätantiken Konversionen vgl. auch Kenneth Mills/Anthony Grafton (Hg.), Conversion in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Seeing and Believing (Studies in Comparative History. Essays from the Shelby Cullom Davis Center for Historical Studies), Rochester 2003. Zu Bekehrungsabläufen in der angelsächsischen Mission vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung S. 159–189. So von Padberg, Christianisierung Europas S. 1; ebenso Ders., Odin oder Christus S. 278. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,61, S. 59: Meo autem arbitratu, sicut inutile videtur eorum acta scrutari, qui non crediderunt, ita impium est preterire salutem eorum, qui primum crediderunt et per quos crediderunt. Ebd. 1,52, S. 53: Nobis hoc scire sufficiat omnes adhuc paganos fuisse.
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tyrer mit den Heiden geradezu als eines seiner drei historiographischen Themen (neben dem Kampf der Könige gegen fremde Völker und dem Kampf der Kirche gegen die Häretiker).127 Christliche Vorstellungen vom Heidentum zeigen sich nicht zuletzt, wenngleich keineswegs ausschließlich, dort, wo die tatsächlichen Berührungen am intensivsten waren, nämlich in der Mission und in den Missionsberichten. Dabei bleibt zu berücksichtigen, daß es hier zwangsläufig zur religiösen Konfrontation kam und schon von daher eine unvoreingenommene Berichterstattung kaum zu erwarten ist.128 Die Heiden wurden, wie Ian Wood zu Recht betont, gerade in der Mission als „die anderen“ stilisiert und damit noch einmal deutlich abgegrenzt,129 wenngleich hier jede Vita und jeder Missionar für sich zu untersuchen ist.130 Wie Lutz von Padberg feststellt, wurden sie christlicherseits zwar weder ernst genommen noch anerkannt, sondern als rohe Tiere abqualifiziert, die dem Teufel dienten.131 Sie forderten die Christen aber zur Mission heraus, auch wenn das mit dem Ziel einer „Entpaganisierung“ geschah.132 Besonders seit Gregor dem Großen wurde die durch den Missionsbefehl Christi (Mt 28,19f.) legitimierte Heidenmission in universalhistorischer Absicht als Christenpflicht proklamiert:133 „Beeile dich, in den dir unterworfenen Völkern den christlichen Glauben zu verbreiten; vervielfache den Eifer deiner Gerechtigkeit in ihrer Bekehrung; verfolge ihren Götzen-
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Gregor von Tours, Historiae 1 prol., S. 3: Scripturus bella regum cum gentibus adversis, martyrum cum paganis, eclesiarum cum hereticis, prius fidem meam proferre cupio, ut qui ligirit me non dubitet esse catholicum. Vgl. von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 425: Missionare wollten (in guter Absicht) das Heil bringen. „Deshalb konnten sie sich auch nicht auf religiöse Debatten einlassen, sondern sind mit dem Selbstbewusstsein des christlichen Absolutheitsanspruches aufgetreten.“ Ian Wood, Missionary Life S. 253; „Pagans were constructed in the minds of the missionaries as the ‚Other‘.“ Ebd. S. 266: „No single model will account for the Christianisation of Europe. Equally, no single vita sets out standard missionary practice, and no single missionary saint can be called representative.“ Selbst Wood, der der hagiographischen Erzählung große Aufmerksamkeit widmet, sucht letztlich nach den Aussagen über Heiden hinter dieser Erzählung und nicht nach dem hier betrachteten Heidenbild. Von Padberg, Christen und Heiden S. 296. Ebd. S. 299. Vgl. ebd. S. 299ff.; Ders., Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 318ff. Zum Hintergrund der Missionare vgl. ebd. S. 37–104.
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kult; zerstöre ihre Heiligtümer; erbaue die Sitten der Untergegebenen aus einer großen Reinheit des Lebens, durch Mahnung, Schrecken, Schmeicheln, Berichten und Demonstration der Beispiele guter Werke.“134
In der frühmittelalterlichen Bibelauslegung, vor allem, aber keineswegs ausschließlich, der Apostelbriefe, sind die Heiden (gentiles) daher vielfach die zu Bekehrenden (und Bekehrten).135 In einer bezeichnenden Stilistik forderte Papst Gregor II. die geistlichen und weltlichen Amtsträger sowie alle Christen in Germanien zur Unterstützung des Bonifatius bei der Heidenmission auf: „Erfüllt von großer Besorgnis wegen der uns anvertrauten Beaufsichtigung, weil, wie wir erfahren haben, einige Stämme in Germanien östlich des Rheins auf Anstiften des alten Feindes im Schatten des Todes umherirren und sich gleichsam unter dem Scheine christlichen Glaubens der Götzenverehrung hingeben, andere aber, die bisher weder die Erkenntnis Gottes besitzen noch im Wasser der heiligen Taufe gebadet sind, sondern gleich rohen Tieren als Heiden den Schöpfer nicht erkennen, sind wir notgedrungen darauf bedacht gewesen, um beider Erleuchtung willen zur Verkündigung des Wortes vom richtigen Glauben den Überbringer dieses Schreibens, unseren verehrungswürdigen Bruder Bischof Bonifatius, in diese Gegenden zu entsenden, damit er ihnen in Predigten das Wort des Heils verkünde und dadurch zum ewigen Leben verhelfe, und wenn er erfährt, daß etwa welche irgendwo vom Pfade des rechten Glaubens abgewichen sind oder er sie unter Einwirkung teuflischer List irrend findet, diese zurechtweise und durch seine Belehrung zum Hafen des Heils zurückbringe und sie gemäß der Lehre dieses apostolischen Stuhls unterweise und anleite, in diesem katholischen Glauben zu verharren.“136
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Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. XI,37, ed. Dag Norberg, CCL 140A, Turnhout 1982, S. 930: christianam fidem in populis tibi subditis extendere festina, zelum rectitudinis tuae in eorum conuersione multiplica, idolorum cultus insequere, fanorum aedificia euerte, subditorum mores in magna uitae munditia exhortando, terrendo, blandiendo, corrigendo et boni operis exempla monstrando aedifica; vgl. auch ep. XI,56, ebd. S. 961f. Zur „Erlösungsbedürftigkeit“ der Heiden vgl. auch von Padberg, Mission und Christianisierung S. 37f. Zur durchaus mehrfachen Bedeutung des deutschen Wortes und Konzepts „bekehren“ vom Althochdeutschen bis zum Frühneuhochdeutschen vgl. Matthias Rein, Conversio deutsch. Studien zur Geschichte von Wort und Konzept ‚bekehren‘, insbesondere in der deutschen Sprache des Mittelalters (Historische Semantik 16), Göttingen 2012. Bonifatius, ep. 17, S. 30: Sollicitudinem nimiam gerentes pro speculatione credita, quia ‚in umbra mortis’ aliquas gentes in Germaniae partibus vel plaga orientali Reni fluminis antiquo hoste suadente errare quasi sub relegione christiana idolorum culture˛ eos servire cognovimus, aliquos vero, qui necdum cognitionem Dei habentes nec baptismatis
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Erneut sind für den Papst fehlende Gotteskenntnis und fehlende Taufe Kennzeichen der Heiden. Ebenso unterscheidet Gregor wieder zwischen den noch unwissenden und den nur oberflächlich bekehrten Heiden: Erstere lebten zwar wie wilde Tiere, seien aber ebenfalls erlösungsbedürftige Menschen.137 Sie sollen bekehrt, die nur halbherzig Bekehrten hingegen unterwiesen werden. Dafür bittet der Papst um Unterstützung, läßt in seinem Schreiben die dringende Missionsabsicht aber ebenso erkennen wie das abschätzige Heidenbild. Bonifatius bittet seinerseits die Äbtissin Eadburg von Thanet, für die ihm anvertrauten Heiden zu beten, „damit der Heiland der Welt sie für würdig erachtet, sie dem Götzenkult zu entreißen und den Söhnen der einzigen Mutter Kirche zum Lob und Ruhm seines Namens beizugesellen.“138 In einem anderen Brief ermutigt der Papst Bonifatius zur Mission bei den Thüringern, indem er an Christi Missionsauftrag erinnert: Bonifatius sei zu den Thüringern gesandt, „damit er Euch taufe, den Glauben an Christus lehre und vom Irrtum zum Weg des Heils führe, damit Ihr das Heil und das ewige Leben empfanget.“139
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sacri unda sunt loti, sed conparatione brutorum animalium pagani factorem non recognoscunt: necessario pro utrorum inluminatione ad predicandum recte fidei verbum harum portitorem Bonifatium reverentissimum fratrem nostrum episcopum apud eisdem partibus dirigere studuimus, ut et illis predicando verbum salutis vitam provideat sempiternam et, si quos forte vel ubicumque a recte fidei tramite destitisse cognoverit aut astutia diabolica suasos erroneos repererit, corrigat atque sui edocatione ad portum reportet salutis eosque ex apostolicae sedis huius doctrina informet et in eadem catholica fide permanere instituat. Danach Otloh von St. Emmeram, Vita Bonifatii 1,17, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrG 57, Hannover-Leipzig 1905, S. 130. Später betont Petrus Lombardus, Collectanea in omnes Pauli apostoli epistolas. In epistolam ad Romanos 4,16, Migne PL 191, Sp. 1376 B, daß Heiden wie Christen Menschen sind: Excepta ergo illa gratia, de qua modo non agitur qua condita est humana natura, scilicet qua homines sumus, quae Christianis paganisque communis est; haec est maior gratia, et solis electis concessa, non quod per Verbum homines creati sumus, sed quod per Verbum carnem factum fideles beatique facti sumus. Bonifatius, ep. 65, S. 137f.: Interea precor, ut intercedere pietas vestra pro istis paganis, qui nobis ab apostolica sede commissi sunt, dignetur, ut eos salvator mundi ab idolorum cultura eripere dignetur et adgregare unice˛ matris catholice˛ filiis e˛cclesiae ad laudem et gloriam nominis sui, ‚qui vult omnes homines salvos fieri et ad agnitionem veritatis venire‘. Bonifatius, ep. 25, S. 43: ideo fratrem nostrum sanctissimum Bonifatium episcopum ad vos direximus, ut vos debeat baptizare et fidem Christi docere et ab errore ad viam salutis deducere, ut salutem habeatis et vitam sempiternam.
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Der Bekehrungsauftrag wurde auch später immer wieder ins Gedächtnis gerufen. So schreibt Hrabanus Maurus in einem Brief an einen Missionar Reginald, dem er seine Schrift „De disciplina ecclesiastica“ widmete: „Eines Tages, als ich frei von allem weltlichen Geschäft in meiner Zelle saß und mich mit der Lektüre der göttlichen Schriften befaßte, kam mir die Erinnerung an deinen guten Eifer in den Sinn, heiliger Priester Christi, daß es zu der Lehre der dir von Gott aufgetragenen Herde gehört, wie du die draußen Stehenden (extrapositos) und immer noch im heidnischen Irrtum Lebenden einladen könntest, den Glauben Christi anzunehmen, und wie du die durch Taufe und Bekenntnis des wahren Glaubens schon in die Kirche Eingeführten durch Lehre und katholische Ermahnung stärken könntest, damit sie das, was sie mit dem Mund bekennen, auch in gutem Werk ausführen, und wie du die durch verschiedene Überschreitungen von ihrer Pflicht Abweichenden durch evangelische Zucht zügeln und sicherstellen könntest, daß sie durch Buße in den früheren Zustand wiederhergestellt werden.“140
Noch Papst Gregor VII. ermahnte Erzbischof Arnald von Acerenza, „daß du ihn [nämlich Roger I. von Sizilien] durch fromme Ermahnung ermahnst, sich vor den Kapitalverbrechen zu hüten und sich zu bemühen, den Kult des christlichen Namens unter den Heiden auszubreiten, damit die Folge ein verdienter Sieg über solche Feinde sein werde.“141 Bekehrung war demnach Christenpflicht. Heidenbekehrung gehörte geradezu zum Heiligenideal, und viele Missionare wurden später als Heilige verehrt. So betont die Goarvita gleich zu Beginn, daß der heilige Goar viele pagani zum Seelenheil geführt habe;142 Columban blieb in Bregenz, um den
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Hrabanus Maurus, ep. 40, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 5, Berlin 1899, S. 478: Quadam die dum quietus ab omni mundano negotio in cellula mea sederem, et lectioni divinarum litterarum operam darem, venit mihi in mentem recordatio boni studii tui, sancte Christi sacerdos, quod habes in doctrina gregis tibi divinitus commissi, qualiter extrapositos et in paganico errore adhuc conversantes ad fidem Christi percipiendam invitares, et quomodo in ecclesiam per baptismum et confessionem verae fidei iam introductos doctrina et exhortatione catholica corroborares, ut quod professi sunt ore, exercerent in bona operatione, qualiterque deviantes per praevaricationes diversas disciplina evangelica coerceres, et in statum pristinum per poenitentiam restituere certares. Gregor VII., ep. 3,11, ed. Erich Caspar, MGH Epp. sel. 2,1, Berlin 1920, S. 272: Addimus preterea, ut eum pia admonitione admoneas, quatenus se a capitalibus criminibus custodiat et christiani nominis culturam inter paganos amplificare studeat, ut de eisdem hostibus victoriam consequi mereatur. Vita Goaris 1, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 4, Hannover-Leipzig 1902, S. 412. Vgl. auch oben Anm. 92 und 93 zu Willibrord und Willehad.
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dortigen Heiden „den Glauben in ihr Herz zu pflanzen.“143 So sehr Christentum und Heidentum auch gegeneinander abgegrenzt werden, bleibt der Heide doch stets ein zum wahren Glauben zu bekehrender Mensch. „Wer weiß denn, ob der Heide von heute nicht schon morgen künftiger Christ sein wird?“ fragt Hrabanus Maurus.144 Willehad hörte, daß Friesen und Sachsen „immer noch ungläubig und heidnisch“ (increduli atque pagani) waren, aber bereits begonnen hatten, den Götterkult aufzugeben, den Geheimnissen des katholischen Glaubens nachzuspüren und sich durch das Taufsakrament vom alten Makel zu reinigen.145 Also machte er sich auf, sie zu missionieren. Er ging nach Friesland, um den dortigen „Barbaren“ den Namen Gottes zu predigen, „damit sie von ihrem abergläubischen Götterglauben abließen und die Kenntnis des einen wahren Gottes empfingen“.146 Adam von Bremen lobt später alle Hamburger Bischöfe, die sich der Heidenmission im Norden annahmen. So hat Rimbert selbst „den Heidenvölkern das Wort Gottes verkündet“ und Priester „für die mitten unter den Heiden errichteten Kirchen“ entsandt, „von denen die Heiden das Wort Gottes hören und die gefangenen Christen Trost empfangen konnten“.147
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Jonas von Bobbio, Vita Columbani 1,27, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 4, Hannover-Leipzig 1902, S. 102: ob fidem in gentibus serendam inibi paulisper moraturum se spondit. Hrabanus Maurus, Expositio super Ieremiam prophetam 4,7, Migne PL 111, Sp. 862 B: Paganus est hodie, non scis utrum sit futurus crastino Christianus. Vita Willehadi 1, S. 380: audivit quod Fresones atque Saxones populi hactenus increduli atque pagani, relicta idolorum cultura fidei catholicae quodammodo iam coepissent ambire mysteria, ac baptismi sacramento vetustatis cuperent maculis emundari. Zum Heidentum der Friesen vgl. Stéphane Lebecq, Paganisme et rites sacrificiels chez les Frisons des VIIe–VIIIe siècles, in: Franz J. Felten/Jörg Jarnut/Lutz E. von Padberg (Hg.), Bonifatius – Leben und Nachwirken. Die Gestaltung des christlichen Europa im Frühmittelalter (Quellen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 121), Mainz 2007, S. 111–120. Vita Willehadi 3, S. 380: ut relicta supersticione idolorum unius veri Dei notitiam susciperent. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,36, S. 38f.: quod ad predicandum gentibus verbum Dei primitus a decessore suo susceptum est […]. Ipse quidem per se, quotiens occupationes aliae sinerent, eidem legationi insistens, semper autem constitutos habens presbyteros, per quos et verbum Dei gentiles audirent et solatium captivi christiani haberent, ad ecclesias inter ipsos paganos longe constitutas. Vgl. ebd. 1,58, S. 57: Erzbischof Unni dankte Gott de salute paganorum.
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Das Bekehrungsgebot gilt aber auch im engsten Kreis. Amulo von Lyon zitiert die Mahnung Augustins, daß ein Gläubiger, der einen ungläubigen Freund, Verwandten oder Ehepartner hat, versuchen müsse, diesen vom christlichen Glauben zu überzeugen, und daß die Kirche dafür beten müsse, daß den Ungläubigen der Glaube geschenkt werde.148 Tatsächlich setzte man sich im ganzen Mittelalter immer wieder mit den Aussagen des Apostels Paulus (1. Kor 7,12ff.) auseinander, daß man einen heidnischen Ehepartner als solchen anerkennen und nicht verlassen, sondern auf Bekehrung hoffen sollte, die Ehe jedoch auflösen dürfe, wenn jener unbedingt seinerseits den Partner verlassen wolle. Auf keinen Fall aber dürfe, so Haymo von Auxerre, hingenommen werden, daß ein Christ um des Partners willen wieder zum Ungläubigen wird.149 Solche Bestimmungen werden von vielen Autoren 148
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Amulo von Lyon, Augustini sententiae de praedestinatione et gratia Dei et de libero hominis arbitrio, Migne PL 116, Sp. 138 C (aus Augustinus, De dono perseverantiae 23, Migne PL 45, Sp. 1031): Quando fidelis quisquam amicum, proximum, coniugem habuit infidelem, et non ei petivit a Domino mentem obedientem in Christianam fidem? Ebd. Sp. 138 D: Quandoquidem non oraret Ecclesia ut daretur infidelibus fides, nisi Deum crederet et aversas et adversas hominum ad se convertere voluntates, nec oraret Ecclesia ut perseveraret in fide Christi non decepta vel victa tentationibus mundi, nisi crederet Dominum sic in potestate habere cor nostrum, ut bonum quod non tenemus nisi propria voluntate, non tamen teneamus nisi ipse in nobis operetur et velle. Vgl. Haymo von Auxerre, Expositio in Pauli epistolas. Epistola I ad Corinthios 7, Sp. 545 A–C: Si quis frater fidelis habet uxorem infidelem, sive non credentem, et haec uxor consentit habitare cum illo, id est, si nomini Christiano non detrahit, non dimittat illam: quia accidere solebat, ut viro credente mulier infidelis persisteret, et plerumque uxore credente, vir infidelis maneret. Ideo talia praecepit Apostolus, ut si nomini Christiano non detraheret, non dimitteret aliquis sociam suam. […] nunc autem sancti sunt, id est, si ambo infideles essetis, vel ille qui fidelis factus est, iterum reverteretur ad paganismum propter illum qui noluit credere, utique filii vos imitarentur; vel etiam si fidelis dimitteret socium suum infidelem, essentque separati ab invicem, filii forsitan immundi essent, quia idolis deservirent, patre infideli, vel matre infideli adhortante, et immundi essent etiam ex cibis quos comederent idolis consecratis. Nunc autem dum simul morantur fidelis cum infideli, forsitan filii illorum fidelem imitantur, et sancti sunt. Quod si infidelis, vir aut mulier, a socio fideli discedit, nolens credere, discedat, id est, liberam habeat potestatem discedendi: tamen fidelis non proiciat illum a se, neque propter illum discedat a fide. Non enim servituti subiectus est frater aut soror in eiusmodi, id est in tali facto, id est: infidelis, si non vult manere cum fideli, ille qui fidelis non est ita subiectus illi ut debeat illum sequi, neque subiectus est culpae propter hoc si ille discedit: In pace enim, id est, ad concordiam vocavit vos Deus. Idcirco si vult discedere infidelis qui blasphemat nomen Domini, recedat ut pacem possit habere fidelis, id est, non oportet litigare cum eo qui discedit.
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aufgenommen.150 Wenn ein christlicher König eine Heidin heiratete (was offenbar ohnehin nur selten vorkam), dann mußte diese sich selbstverständlich zum Christentum bekehren, während von einem heidnischen König umgekehrt die Annahme des Christentums erwartet oder zumindest erhofft wurde. So gab Oswiu von Northumbrien dem jungen König der Mittelangeln, Peada, seine Tochter nur unter der Bedingung zur Frau, daß er Christ wurde.151 Heiden hingegen gestatteten ihren christlichen Frauen offenbar weit großzügiger den Gotteskult, wie die Beispiele Chlodwigs und Chrodechildes bei den Franken und Aethelberts von Kent und seiner fränkischen Gemahlin Berta zeigen. Chlodwig lebte allerdings ohnehin bereits in einer christlich-romanischen Gesellschaft, und die christlichen Eltern hatten Aethelbert ihre Tochter überhaupt nur unter der Bedingung zur Ehefrau gegeben, daß sie ihren christlichen Glauben unter dem Beistand eines Bischofs weiterhin ausüben durfte.152 Beda läßt den inzwischen bekehrten Aethelbert von Kent dem northumbrischen König Edwin, der wiederum Aethelberts Tochter Aethelberga heiraten wollte, später seinerseits ausrichten, es sei nicht recht, einem Heiden eine christliche Jungfrau zur Frau zu geben, damit Glaube und Sakramente des Himmelskönigs nicht durch die Gemeinschaft mit dem Heiden, dem der wahre Gotteskult unbekannt war, entweiht würde. Daraufhin versprach Edwin, nichts gegen den christlichen Glauben seiner Braut zu unternehmen, sondern ihr und ihren Begleitern die freie Glaubensausübung zu gewähren.153 Gregor von Tours bezeugt Ähnliches zwar nicht 150
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Vgl. etwa Hrabanus Maurus, Enarrationes in epistolas b. Pauli 9. Expositio in epistolam ad Corinthios primam, Migne PL 112, Sp. 67 A; Hugo von St. Viktor, De sacramentis Christianae fidei 11,13: De coniugio infidelium, Migne PL 176, Sp. 505–510; ed. Rainer Berndt, Hugonis de sancto Victore, De sacramentis Christianae fidei (Corpus Victorinum. Textus historici 1), Münster 2008, S. 454–462; Petrus Lombardus, Collectanea in omnes Pauli epistolas. In epistolam I ad Corintios 7, Sp. 1591ff.; Ders., Sententiae, dist. 39,2, ed. Ignatius Brady (Spicilegium Bonaventurianum 5), Grottaferrata 1982, S. 221; Gratian, Decretum 2,28, ed. Emil Friedberg, Corpus iuris canonici. Bd. 1, Leipzig 1879 (ND. Graz 1959), S. 1078ff. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 3,21, S. 116. Vgl. ebd. 1,25, S. 200: utpote qui et uxorem habebat Christianam de gente Francorum regia, uocabulo Bercta, quam ea condicione a parentibus acceperat, ut ritum fidei ac religionis suae cum episcopo, quem ei adiutorem fidei dederant, nomine Liudhardo, inuiolatum seruare licentiam haberet. Ebd. 2,9, S. 332: Huic autem genti occasio fuit percipiendae fidei, quod praefatus rex eius cognatione iunctus est regibus Cantuariorum, accepta in coniugem Aedilburga filia Aedilbercti regis, quae alio nomine Tatae uocabatur. Huius consortium cum primo ipse
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gegenüber Heiden,154 wohl aber gegenüber Arianern: Mit der Heirat Sigiberts mit der westgotischen Prinzessin Brunichilde wurde diese „durch die Belehrung der Bischöfe und die Zusprache des Königs“ zum katholischen Glauben bekehrt, in dem sie fortan verharrte, und das Gleiche gilt für ihre Schwester Galsvintha, die König Chilperich zur Frau nahm.155 Dasselbe erwarteten die arianischen Könige allerdings auch von ihren katholischen Ehefrauen: Während Gregor von Tours die Weigerung der fränkischen Prinzessin Ingunde, einer Tochter Sigiberts, die mit dem westgotischen Königssohn Hermenegild verheiratet wurde, zum Arianismus überzutreten, in hohen Tönen lobt, geriet sie selbst über diesem religiösen „Starrsinn“ in Spanien in größte Schwierigkeiten, vor allem mit ihrer Schwiegermutter, Brunichildes Mutter Goisuinth, und stürzte das Reich durch die Bekehrung Hermenegilds zum katholischen Glauben in eine schwere Krise.156 Ein eheliches Zusammenleben mit Heiden (und Häretikern) kam für die Christen nur unter klaren Bedingungen in Frage.
b. Heidenbild und Missionsmethoden (1) Vorgehen und Beweisziele der Missionare: Beweise göttlicher Macht Der Taufe ging die Predigt voran.157 „Die Prediger der Heiden sollen das Volk mit friedlichen und klugen Worten im Glauben unterweisen“, verlangt
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missis procis a fratre eius Eadbaldo, qui tunc regno Canturariorum praeerat, peteret, responsum est non esse licitum Christianam uirginem pagano in coniugem dari, ne fides et sacramenta caelestis regis consortio profanarentur regis qui ueri Dei cultus esset prorsus ignarus. Quae cum Eduino uerba nuntii referrent, promisit se nil omnimodis contrarium Christianae fidei, quam uirgo colebat, esse facturum, quin potius permissurum ut fidem cultumque suae religionis cum omnibus, qui secum uenissent, uiris siue feminis, sacerdotibus seu ministris, more Christiano seruaret. Dem schließt sich eine ähnliche Geschichte an wie Chlodwigs Bekehrung bei Gregor von Tours: Nach einem Sieg über den König von Wessex verspricht Edwin, selbst Christ zu werden, zögert das anschließend allerdings noch eine Zeitlang hinaus. Bei der Hochzeit Chlodwigs mit Chrodechilde etwa wird nichts dergleichen erwähnt. Gregor von Tours, Historiae 4,27f., S. 160f. Ebd. 5,38, S. 244f. Vgl. Vita Willehadi 2, S. 380: Gentilium quoque quam plurimam catervam verbo sanctae praedicationis instructam, ibidem baptizavit; ebd. 3, S. 380: ibique barbaris
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Alkuin.158 Der Norm nach galt das auch in der Praxis. „Ständig hatte (Rimbert) Prediger eingesetzt, durch die sowohl die Heiden das Wort Gottes vernahmen als auch die gefangenen Christen Trost fanden,“ heißt es in der kurzen Vita des zweiten Hamburger Erzbischofs Rimbert.159 Die Missionare gingen, soweit uns überliefert ist, zumeist zwar nicht auf den jeweiligen Heidenkult ein, sondern hatten ein durchweg stereotypes Bild vom Heidentum, das gleich noch genauer zu betrachten ist. Es ging ihnen aber vor allem um zweierlei; zum einen, negativ gewendet, um die Widerlegung der heidnischen Religion, nämlich den Beweis, daß die von den Heiden verehrten Götzen keine Götter sind und daher auch keine Macht besitzen, und zum andern, positiv gewendet, um den Nachweis, daß der Christengott der wahre Gott ist.160 „Damals predigte unser heiliger Priester den Heiden mit Erlaubnis des Königs sogleich täglich das Wort Gottes,“ heißt es in der Vita Wilfrids, „indem er ihnen mitteilte und offenkundig lehrte, daß der wahre Gott der allmächtige Vater ist und sein einziger Sohn Jesus Christus und der Heilige Geist ihm gleich ewig sind und daß die eine Taufe zur Erlösung der Sünder und zum ewigen Leben nach dem Tod in der Auferstehung führe.“161
Hier ist die christliche Trinitäts- und Heilslehre in einem Satz zusammengefaßt. Die Götzen hingegen sind weder wahre Götter, noch ist ihre Verehrung wahrer Glaube. So wollte schon Orosius in seiner Schrift gegen die Heiden (nämlich die Römer) die Existenz des einen Gottes beweisen und bestreiten, daß es daneben noch andere Götter gibt. Orosius weist darauf
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coepit nomen Domini praedicare; ebd. 5, S. 381: et populis doctrinam sanctae praedicationis inpenderet, atque viam salutis aeternae libere cunctis illic habitantibus nunciaret. Ausführlich zur Missionspredigt: von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 105–316. Zur „Missionsprogrammatik“ vgl. ebd. S. 317–358. Alkuin, ep. 111, S. 160: Unde et praedicatores paganorum populum pacificis verbis et prudentibus fidem docere debent. Vita Rimberti 16, S. 94: semper autem constitutos habens presbiteros, per quos et verbum Dei gentiles audirent et solatium captivi christiani haberent. Vgl. von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 165ff.; Schwinges, Wider Heiden und Dämonen S. 17: Der Mission ging es darum, die Überlegenheit des Christengottes zu beweisen. Stephanus, Vita Wilfridi I ep. Eboracensis 26, S. 220: Tunc statim sanctus pontifex noster cum licentia regis verbum Dei gentilibus cotidie praedicavit, enuntians eis verum Deum patrem omnipotentem et Iesum Christum filium eius unicum et Spiritum sanctum sibi coaeternum et baptismum unum in remissionem peccatorum et vitam aeternam post mortem in resurrectione manifeste docuit.
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hin, daß diese den Erfolg des Christentums – vergeblich – zu verhindern suchten und ihre Ohnmacht damit bewiesen sei.162 Die römischen Götter, so argumentiert er, für den Christi Geburt gerade in der Zeit der augusteischen Weltherrschaft Gottes Geschichtsplan offenbar macht, könnten das römische Reich gar nicht geschaffen haben, weil sich das Christentum sonst nicht gegen sie durchgesetzt hätte.163 Sie hätten (anders als der wahre Gott) auch gar keinen Grund gehabt, das Römische Reich erst so spät emporzuführen, es sei denn, es gab sie noch gar nicht oder ihnen fehlte dazu die Macht, oder sie zeigten zuviel Geduld, oder es gab noch keine Römer. In diesem letzten Fall fehlte ihnen ein Vorherwissen über ihr eigenes Wollen, da sie abwarteten, statt zu schaffen. In jedem Fall aber wären sie unvollkommene, keineswegs allmächtige Götter, da ihnen entweder die Macht zu schaffen oder das Vorherwissen fehlte. Falls sie aber den günstigsten Zeitpunkt hatten abwarten wollen, warum ließen sie dann gerade den Höhepunkt Roms mit der Geburt Christi zusammenfallen? Die Durchsetzung der christlichen Religion trotz aller Verfolgungen und die Bekehrung des römischen Kaisers ist Orosius vielmehr Beweis für die Macht des Christengottes und die Ohnmacht der Heidengötter.164 Dabei wurde die Existenz heidnischer Götter gar nicht grundsätzlich bestritten. Schon die Kirchenväter hatten „Heidentum“ und Dämonenkult miteinander in Verbindung gebracht.165 Augustin suchte in seiner Schrift „De civitate Dei“ nachzuweisen, daß die römischen Götter keine Götter, sondern Dämonen, Geistwesen, seien, denen es, da sie mehr wüßten als die Menschen, gelungen sei, von diesen als Götter verehrt zu werden,166 während die Götzenbilder menschliche Geschöpfe und völlig unnütz und ohnmächtig seien.167 Hier wird also deutlich zwischen den (nichtigen) Idolen
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Orosius, Historiae adversus paganos 6,1,1ff., S. 349f. Ebd. 6,1,14–27, S. 352–355. Ebd. 7,1,7–10, S. 432f. Vgl. Schmitt, Heidenspaß S. 19ff. Vgl. Augustinus, De civitate Dei 2,29, ed. Bernhard Dombart und Alfons Kalb, CCL 47, Turnhout 1955 (nach der Edition von Dombart/Kalb, Bibliotheca Teubneriana, Leipzig 1928), S. 64; 9,23, S. 269ff. Diese Vorstellung geht bereits auf Justin zurück. Zu den Anfängen dieser Lehre bis Augustin vgl. Hans Reinhard Seeliger, Gefallene Engel und schnelle Quälgeister: Aspekte der patristischen Dämonologie, in: Theologische Quartalschrift 188, 2008, S. 171–180. Augustinus, De civitate Dei 6,1, S. 164ff.
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und der (anerkannten) Existenz übermenschlicher Wesen unterschieden, wenngleich diese nach christlichem Glauben natürlich weder göttlich noch gottgleich sein konnten, sondern Teufelsdiener und Dämonen waren. In Augustins Nachfolge stellt auch Orosius, ausgehend von der Annahme, daß kein rationaler Geist die Existenz göttlicher Wesen grundsätzlich abstreitet, fest, daß schon die heidnischen Philosophen eine Vielzahl von Göttern abgelehnt hätten und auch die Heiden zumindest einen höchsten Gott als den Urheber aller anderen annähmen.168 Damit hält er wiederum die Existenz eines wahren Gottes für bewiesen. Auch Orosius ist aber weit davon entfernt, die Existenz heidnischer Götter überhaupt zu leugnen; auch für ihn sind sie Dämonen. Hingegen erklärt Isidor von Sevilla, die heidnischen Götter seien Menschen einer frühen Vergangenheit gewesen, die man nach ihrem Tod, wegen ihres Lebens, ihrer Verdienste und nicht zuletzt wegen ihrer Künste, auf dämonische Eingebung hin als Götter verehrt habe.169 Viel später erzählt noch der dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus die Geschichte Odins quasi wie die eines Menschen, den die Heiden zu Unrecht für einen Gott hielten.170 Die augustinischen Anschauungen wurden im Mittelalter übernommen. Im 8. Jahrhundert beschreibt Willibald den Heidenglauben als sacrilega demonum cultura:171 Heidentum war folglich, wie vielfach betont wird, Dämonen- (und Teufels-)Kult.172 Während eines Sturms hielt Gregor von Tours den Heiden, die jeweils andere Götter anriefen, entgegen: 168 169
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Orosius, Historiae adversus paganos 6,1,1ff., S. 349; 7,1,6, S. 432. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,11,1, S. 327f.; ebd. 8,11,5, S. 328. Zu Isidors Kapitel über die heidnischen Götter und zu seinen Quellen vgl. Katherine Nell Macfarlane, Isidore of Seville on the Pagan Gods (Origines VIII.11), in: Transactions of the American Philiosophical Society 70/3, 1980, S. 1–40. Vgl. Saxo Grammaticus, Gesta Danorum 1, ed. Karsten Friis-Jensen (mit dänischer Übersetzung von Peter Zeeberg), Kopenhagen 2005, Bd. 1, S. 112: Ea tempestate cum Othinus quidam Europa tota falso diuinitatis titulo censeretur, apud Upsalam tamen crebriorem diuersandi usum habeat, eamque siue ob incolarum inertiam siue locorum amoenitatem, singulari quadam habitationis consuetudine dignabatur. Eine neue Edition von Karsten Fris-Jensen (mit englischer Übersetzung von Peter Fisher) in den Oxford Medieval Texts ist in Vorbereitung. Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 29. Vgl. ebd. S. 27: Similiter et iuxta fines Saxonum Hessorum populum paganicis adhuc ritibus oberrantem a demoniorum euangelica praedicando mandata captivitate liberavit. Eine Auswahl an Belegen mag andeuten, wie gängig solche Vorstellungen sind. Vgl. beispielsweise Passio Kiliani martyris Wirziburgensis 3, ed. Wilhelm Levison, MGH
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„Ruft doch nicht diese [nämlich Jupiter und Merkur, Minerva und Venus] an, denn das sind nicht Götter, sondern Dämonen. Wenn ihr diesem gegenwärtigen Untergang entrissen werden wollt, dann ruft den heiligen Nicetius an, damit er bei Gott Barmherzigkeit findet, euch zu retten.“ SSrM 5, Hannover-Leipzig 1910, S. 723: Qui etiam ipse Gozbertus et omnis populus sibi subiectus adhuc paganico vivebant more, idola daemonum colentes, Deum vero caeli et terrae minime agnoscentes; Beda Venerabilis, Expositio in Evangelium Marci 2,5, S. 492: Semper nocte ac die furebat daemoniosus quia gentilitas siue aduersis rerum casibus laboraret seu pax et prosperitas aliqua mundi blandientis adrideret nequaquam a seruitio malignorum spirituum collum mentis excutere nouerat sed per operum foeditatem quasi in monumentis iacebat per fastum superbiae in montium iugis errabat per uerba durissimae infidelitatis quasi arreptis furibunda cautibus se ipsam concidebat; Brief des Iren Clemens an Herzog Tassilo III. von Bayern, Epistolae variae 1, MGH Epp. 4, S. 496: Qui sunt a[utem] pagani atque gentiles, qui non credunt Deum vestrum, sed adorant idula, simulacra demoniorum; Einhard, Vita Karoli 7, ed. Oswald Holder-Egger, MGH SSrG 25, Hannover/Leipzig 61911, S. 10: ut etiam cultum daemonum dimittere et Christianae religioni se subdere velle promitterent. […] ut, abiecto daemonum cultu et relictis patriis caerimoniis, Christianae fidei atque religionis sacramenta susciperent et Francis adunati unus cum eis populus efficerentur; Hrabanus Maurus, Commentaria in libros Machabaeorum 1,10, Migne PL 109, Sp. 1191 B: sed fugiunt exercitus Apollonii in Azotum ad Dagon, idolum suum, ut se liberent, cum infideles a daemoniis quae superstitione colunt, quaerunt protectionem; Rimbert, Vita Anskarii 19, S. 42: Quam diu vultis daemonibus servire […]? Quid ergo prosunt vobis simulacra vestra?; Landolfus Sagax, Historia Romana 12,3, ed. Amedeo Crivellucci, 2 Bde. (Fonti per la storia d’Italia 49/50), Rom 1912/13, Bd. 1, S. 310: Nam et gentiles festiuitates agebant demonibus ministrantes. Et post Iulianum a Iouiano idolatrie uanitates extinctas florere rursus permisit et Iouis cultum atque Dionisii sacraque ceteris iam non in occulto tamquam sub pio imperatore celebrabant, sed per mediam plateam uachantes [bachantes] ubique currebant; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,18, S. 245: propter familiaritatem deorum vel potius demonum; Anselm von Laon, Enarrationes in evangelium Matthaei 6, Sp. 1304 C: Gentiles qui serviebant daemoniis non credebant, sicut nec erant, in diversis locis, deos suos esse, et ideo faciebant longas orationes in multiloquio, confidentes, ut per eas ab aliis locis revocarent; Gerhoh von Reichersberg, Commentarius in psalmos. In Ps. 25, S. 422: Sicut enim pagani diabolum honorant, et Deum verum inhonorant reverentiam Deitatis exhibendo simulacris non habentibus Spiritum […], sic etiam perversi et falsi christiani Christum verum Deum, et Spiritum sanctum inhonorant reverentiam divinam exhibendo interdictis haereticorum ac schismaticorum officiis. Vgl. auch Audradus Modicus, Carmina 4, v. 376ff., ed. Ludwig Traube, MGH Poetae 3, Berlin 1896, S. 118: In quo daemonibus simulacra araeque dicata / Gentili ritu fuerant, permittitur ultra / Stare; etiam praesul moribundus subripitur vix. Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung S. 38: Heidentum galt „schlichtweg als religiöse Fehlhaltung und als Teufelsdienst“.
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Als daraufhin alle einmütig riefen: Deus Niceti, eripe nos, legte sich augenblicklich der Sturm.173 Der Kult der heidnischen Sachsen verehrte Götter, die sie „mit dämonischer Kunst“ täuschten.174 Papst Gregor II. mahnt in einem Brief die Sachsen, nicht von Menschenhand gemachte Bilder aus Gold, Silber, Erz oder Stein anzubeten: „Solche Truggottheiten wurden von den Heiden in alten Zeiten gleichsam als Götter bezeichnet, aber in ihnen wohnen bekanntlich Dämonen, ‚denn alle Götter der Heiden sind, wie die Schrift sagt, Dämonen‘; der Herr unser Gott aber hat die Himmel erschaffen.“175
Danach fordert der Papst die Sachsen zur Abwendung vom Götzendienst und zur Anbetung des Christengottes auf; zumindest aber sollten sie niemanden daran hindern. Indem er sie ermuntert, mit dem Götzendienst auch Zorn, Unmut, Bosheit, Lästerung und schändliche Reden abzulegen, macht er zugleich deutlich, daß Christentum nicht nur Glaube, sondern zugleich Moral, Lebensform und Verhaltensweise ist.176 Ähnlich belehrte der Dänenbischof Poppo nach Widukind von Corvey König Harald von Dänemark, daß die Götzen Dämonen und nicht Götter seien (und bewies das durch ein Wunder, das die Bekehrung des Königs bewirkte).177 Christianisierung bedeutete für die Christen daher den Sieg Gottes über den Teufel und seine Dämonen. Der Machtgedanke verlagerte sich damit auf eine Auseinander-
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Gregor von Tours, Liber vitae patrum 17,5, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 1,2, Hannover 1885, S. 282: Pagani vero invocabant deos suos, et ille Iovem, iste Mercurium proclamabat, alius Minervae, alius Veneris auxilium flagitabat. Cumque iam in discrimine mortis essemus, aio ad eos: ‚Nolite, o viri, nolite hos invocare, non sunt enim dii isti, sed daemones. Nam si vultis de praesenti interitu erui, invocate sanctum Nicetium, ut ipse obteneat cum Domini misericordia vos salvari.‘ Cumque una voce elevata in huiuscemodi clamore dixissent: ‚Deus Niceti, eripe nos‘, protenus mare mitigatum est, ceciditque ventus, ac sole reducto, in quo voluntas nostra fuit navis accessit. So Poeta Saxo 4, v. 98ff., ed. Paul von Winterfeld, MGH Poetae 4, Berlin 1899, S. 48: Ut toto penitus cultu rituque relicto / Gentili, quem de˛monica prius arte colebant / Decepti, post he˛c fidei se subdere vellent / Catholicae Christoque deo servire per e˛vum. Bonifatius, ep. 21, S. 35: adorantes idola manu facta, aurea, argentea, aerea, lapidea vel de quacumque materia facta. Qui falsidica numina a paganis antiquitus quasi dii vocati sunt, in quibus demones habitare noscuntur; ‚quoniam omnes dii gentium,‘ ut ait scriptura, ‚demonia sunt; dominus autem‘ Deus noster ‚caelos fecit‘ (Ps 95,5). Vgl. auch Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,10, S. 342. Bonifatius, ep. 21, S. 35. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,65, ed. Paul Hirsch und Hans-Eberhard Lohmann, MGH SSrG 60, Hannover 1935, S. 140f.
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setzung Gottes mit den Dämonen und spielte in dieser Form eine große Rolle.178 Mit Teufelsdienern aber konnte es keine Gemeinschaft geben.179 „Denn welche (gemeinsame) Versammlung besteht mit Christus und Belial (dem Teufel), welche Unterredung zwischen dem Tempel Gottes und dem Tempel der Götzen?“ fragt später Herbord von Michelsberg. Wie der gute Samen auf dem Acker erst wachsen kann, nachdem das Unkraut gejätet ist, so muß auch der Götzendienst mit der Wurzel ausgerottet werden, damit der gute Samen des Evangeliums Früchte trägt und ins ewige Leben führt.180 Hielten Christen die heidnischen Götter für Dämonen, so mußten Missionare bei dem Nachweis ansetzen, daß Götzen jedenfalls keine Götter seien. Chrodechilde, die burgundische, christliche Gemahlin des damals noch heidnischen Frankenkönigs Chlodwig, die ihren ersten Sohn christlich taufen lassen und den König bekehren wollte, ließ nach Gregor von Tours (der die Chronik des Orosius gut kannte) ihren Gatten wissen, daß die heidnischen Götter Gebilde aus Stein, Holz oder Erz seien, denen keinerlei Macht einer Gottheit zukomme: „Wie viel mehr muß doch der verehrt werden, der Himmel und Erde, Meer und alles, was darinnen ist, durch sein Wort aus dem Nichts geschaffen hat, der die Sonne leuchten ließ und den Himmel mit Sternen schmückte, der das Wasser mit Gewürm, das Land mit Tieren und die Luft mit Vögeln erfüllte, auf dessen Wink hin die Erde mit Früchten, die Bäume mit Obst und die Weinstöcke mit Trauben geschmückt werden, durch dessen Hand das Menschengeschlecht erschaffen ist und durch dessen Güte alle Kreatur seinem Menschen, den er geschaffen hat, gehorsam und willig dient.“181
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Vgl. dazu Hans-Werner Goetz, La lutte des dieux. Remarques sur l’argumentation et les concepts des missionnaires au Haut Moyen Âge, in: Philippe Depreux/ François Bougard/Régine Le Jan (Hg.), Compétition et sacré au haut Moyen Âge: entre médiation et exclusion (Haut Moyen Âge), Turnhout 2013 (im Druck). Vgl. Angenendt, Frühmittelalter S. 429. Herbord von Michelsberg, Dialogus de vita et operibus Ottonis Babenbergensis episcopi 3,7, ed. Wikarjak/Liman S. 161f. (ed. Pertz, S. 116f.): Nam que convencio Christi ad Belial, aut que communicacio templo Dei cum templo ydolorum? Dicebat autem illis et similitudinem: Numquid seminatis frumenta vestra super dumos aut spinas? Non puto. Sicut ergo de agris vestris spinas eradicatis ac tribulos, ut, iactis bonis seminibus, optatas segetes ferre queant, ita et hanc radicem ydolatriae spinamque perdicionis de medio vestrum funditus exstirpari oportet, ut de bono euangelii semine corda vestra fructificent in vitam eternam. Vgl. ebd. 3,20, S. 182: ut funditus exstirpata ydolorum cultura, ex integro se religioni christianae submittant. Gregor von Tours, Historiae 2,29, S. 74: Sed ille magis coli debit, ‚qui caelum et terram, mare et omnia quae in eis sunt‘ [Ps 146,6] verbo ex non extantibus procreavit,
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Chlodwig beharrte aber (noch) auf seinem Glauben. „Durch das Geheiß unserer Götter,“ so entgegnete er, „wurde alles geschaffen und erzeugt, euer Gott vermag augenscheinlich nichts und stammt, was noch mehr ist, nicht einmal aus einem Geschlecht von Göttern.“182 Nimmt man diese Reden wörtlich – und sie geben ja Gregors Vorstellungswelt wieder –, dann ging es bereits nicht mehr so sehr um einen unterschiedlichen Glauben, nicht um die Gottheit an sich – beide glaubten für Gregor an die Schöpfung –, sondern allein um die göttliche Macht, darum, wer der mächtigste Gott war. Dieser mußte offensichtlich der richtige Gott und der Schöpfergott sein. Solche gemeinsamen Vorstellungen bereiteten später Chlodwigs Bekehrung vor (als Christus sich in der Alemannenschlacht als der mächtigste Gott erwies). Zur Macht gehörte für Chlodwig jedoch eine Göttergenealogie. Mit dem Hinweis auf ein Göttergeschlecht zeigt sich zugleich ein Unterschied zu den Christen, die den Heiden die Übertragung menschlicher Werte auf die Götterwelt zuschrieben, denen im Christentum ein abgehobener, so ganz anderer, „un-menschlicher“ Gott gegenüberstand. Das Abstammungsdenken der frühmittelalterlichen Barbaren nährte bei Chlodwig (berechtigte) Zweifel an der Göttlichkeit des Christengottes. Einen Beweis für die Macht des Christengottes, des verum Deum, aber gab es letztlich nicht. Hier half eben nur der Glaube – oder aber ein Wunder, das Glauben erzeugen sollte: Gott (und die Götter) mußten in der frühmittelalterlichen Vorstellungswelt ihre Macht daher ständig konkret unter Beweis stellen. Als Chrodechildes Sohn getauft wurde – die Königin versprach sich von der feierlichen Zeremonie vergeblich eine Bekehrung ihres Gatten –, aber bald darauf verstarb, schienen sich die Zweifel des Königs an der Macht Gottes zu bestätigen. „Wäre der Knabe geweiht im Namen meiner Götter, gewiß lebte er noch.“183 Chrodechildes Zuversicht, daß der Sohn (da schon getauft und noch unschuldig) nun gewiß ins Himmelreich aufgenommen werde, war dem auf Nachkommenschaft bedachten Heiden da wenig tröstlich.
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qui solem lucere fecit et caelum stillis ornavit, qui aquas reptilibus, terras animantibus, aera volatilibus adimplivit, cuius nutu terrae frugibus, pomis arbores, uvis vineae decorantur, cuius manu genus humanum creatum est, cuius largitione ipsa illa creatura omnes homini suo, quem creavit, et obsequio et benefitio famulatur. Ebd.: Deorum nostrorum iussione cuncta creantur ac prudeunt, Deus vero vester nihil posse manefestatur, et quod magis est, nec de deorum genere esse probatur. Ebd. S. 75: Si in nomine deorum meorum puer fuisset decatus, vixisset utique.
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Konstantes Drängen führte schließlich dennoch zur Bekehrung, nachdem Chlodwig, noch ganz dem damaligen Denken verpflichtet, Gottes Hilfe in der Alemannenschlacht zuteil geworden war. Gerade dieser bekannte Bericht Gregors zeigt nämlich, welche Bedeutung der Überzeugung göttlicher Macht bei der Christianisierung zukam. Der Frankenkönig war durch seine weithin katholische Umgebung (die romanische Bevölkerung Galliens), den Einfluß des Bischofs Remigius von Reims184 und nicht zuletzt seine christliche Gemahlin Chrodechilde bereits recht gut mit dem christlichen Glauben vertraut, als erst die militärische Notlage ihn zur Konversion führte. Mit tränengefüllten Augen soll er Christus angerufen haben: „‚Jesus Christus, Chrodechilde verkündet, du seist der Sohn des lebendigen Gottes, von dem man sagt, du gebest den Bedrängten Hilfe und denen, die auf dich hoffen, Sieg: Ich flehe dich demütig an um deinen mächtigen Beistand; gewährst du mir jetzt den Sieg über diese meine Feinde und erfahre ich so jene Macht, die das Volk, das deinem Namen sich weiht, an dir erprobt zu haben rühmt, so will ich an dich glauben und mich taufen lassen auf deinen Namen. Denn ich habe meine Götter angerufen, aber, wie ich hier erfahre, sind sie weit davon entfernt, mir zu helfen. Ich meine daher, daß sie ohnmächtig sind, da sie denen nicht helfen, die ihnen gehorchen. Dich rufe ich jetzt an, und ich möchte an dich glauben; nur entreiße mich aus der Hand der Widersacher.‘ Und da er solches gesprochen hatte, wandten die Alamannen sich und fingen an zu fliehen.“185
Fredegar stellt den Anteil der Königin (und zugleich Chlodwigs Glauben) gegenüber Gregor noch stärker heraus, wenn er berichtet, Chlodwig habe auf Zureden der Königin (suadente regina) schon vor der Schlacht gelobt, im Falle eines Sieges Christ zu werden.186 Hier bedurfte es also gar nicht mehr der Notlage. Natürlich trug Chlodwig nach diesen Berichten den Sieg davon (auch wenn er die Taufe dann noch einige Zeit hinauszögerte und sich zunächst auf den Widerstand des Volkes berief, das daraufhin durch ein weiteres Wunder den alten Göttern abschwor). 184
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Nach der erst nach 1030 abgefaßten Vita Leonardi confessoris Nobiliacensis 1, S. 396 (oben Anm. 34), wurde Chlodwig ausdrücklich durch Remigius bekehrt. Gregor von Tours, Historiae 2,30, S. 75f.: ‚Iesu Christi, quem Chrotchildis praedicat esse filium Dei vivi, qui dare auxilium laborantibus victuriamque in te sperantibus tribuere diceris, tuae opis gloriam devotus efflagito, ut, si mihi victuriam super hos hostes indulseris et expertus fuero illam virtutem, quam de te populus tuo nomine dicatus probasse se praedicat, credam tibi et in nomine tuo baptizer. Invocavi enim deos meos, sed, ut experior, elongati sunt ab auxilio meo; unde credo, eos nullius esse potestatis praeditos, qui sibi oboedientibus non occurrunt. Te nunc invoco, tibi credere desidero, tantum ut eruar ab adversariis meis.‘ Cumque haec dicerit, Alamanni terga vertentes in fugam labi coeperunt. Fredegar, Chronicon 3,21, S. 101.
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Gregor legt Chlodwig hier gewissermaßen erneut, wie schon in der Rede Chrodechildes, sein eigenes Beweisziel und seine Überzeugungen in den Mund. Bezeichnend für Gregors (missionarisches) Verständnis aber scheint es, daß erstens erneut Macht oder Ohnmacht der Götter (wie schon in Chrodechildes Bekehrungsversuchen) das entscheidende Kriterium der Bekehrung war, daß Chlodwig sich zweitens dem Christengott erst dann zuwandte, als ihm seine heidnischen Götter offenbar nicht mehr halfen, und daß er drittens erst die Leistung des Gottes (den Sieg) erwartete, bevor er sich taufen lassen wollte, und gleichsam eine Art „Vertrag“ mit Gott schloß: Sein Versprechen wurde erst gültig, wenn Gott ihm gegen die Feinde den Sieg verlieh. Das mag nicht verwundern, denn Chlodwig war schließlich noch Heide und hatte zuvor – vergeblich – seine heimischen Götter angerufen, bevor er sich an den Christengott wandte. Der Bericht zeigt erneut aber auch, wie eng heidnische und christliche Anschauungen beieinanderlagen bzw. wie sehr wiederum auch die christlichen Vorstellungen sich zeitgemäß ausgestaltet (und somit überkommene heidnische Vorstellungen aufgenommen) haben.187 Entscheidend ist nämlich – wie immer sich der Vorfall tatsächlich zugetragen hat, den der Bischof von Tours rund 90 Jahre nach diesem Ereignis aufzeichnet –, daß solche Vorstellungen nicht nur (wenn überhaupt) für Chlodwig, sondern gerade auch für den überzeugten Christen und gelehrten Bischof Gregor zutreffen und ihm vollkommen verständlich scheinen. Vergleicht man Chlodwigs Worte nämlich mit seiner oben zitierten Argumentation gegenüber Chrodechilde und mit deren Argumenten, dann wird nicht nur deutlich, daß hier Gregor als Geschichtsschreiber den Vorgang in seinem Sinn stilisiert, sondern daß er selbst Chlodwigs Denken und Handeln ebenfalls als durchaus selbstverständlich empfindet. Für Gregor war Gott in der Schlacht für den König tätig, der ihn anrief. Gregor glaubt, mit anderen (und Chlodwigs) Worten, daß Christus jene Macht besitzt, die das Christenvolk „an [ihm] erprobt zu haben rühmt“. Dem Chronisten kommt es allein auf die Bekehrung an, während seine Worte zeigen, wie (auf beiden Seiten) das Wirken Gottes bzw. der Götter angerufen und erwartet wurde. Mit keinem Wort prangert Gregor Chlodwigs heidnisches Denken an (sondern brandmarkt nur die Verehrung der falschen Götter). Er feiert vielmehr die Christianisierung der Franken als ein welthistorisches Ereignis, das auf Gottes Heilspan zurückgeht. Mit ganz ähnlichen Argumenten wie Chrodechilde ihren Gemahl Chlodwig belehrte Willibrord nach Alkuin den Friesenkönig Ratbod: 187
Vgl. zu den heidnischen Einflüssen unten Anm. 731.
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„Den du verehrst, ist kein Gott, sondern der Teufel, der dich, König, im schlimmsten Irrtum getäuscht hat, auf daß er deine Seele ewigen Flammen übergeben kann. Es gibt nämlich nur den einen Gott, der Himmel und Erde, das Meer und alles, was darin ist, geschaffen hat; wer ihn in wahrem Glauben verehrt, wird das immerwährende Leben erhalten.“188
Wiederum ähnlich belehrte Willehad die Friesen. „Er sagte nämlich, es sei unsinnig und vergeblich, von Steinen Beistand zu erbitten und von taubstummen Scheinbildern tröstende Hilfe zu erhoffen.“189 Die Friesen reagierten auf Willehads Worte allerdings wütend und drohten dem Missionar mit dem Tod, weil er ihre unbesiegten Götter beleidigt habe. Nur einige „Verständigere“ rieten dazu zu prüfen, ob diese neue Religion aus dem göttlichen Willen stamme, und mahnten – nach heidnischem Brauch – ein Losorakel darüber an, ob die Götter Willehads Tod wünschten. Secundum morem gentilium wurde daher das Los befragt, das dank göttlicher Vorsehung aber glimpflich für Willehad ausging. Die Episode zeigt noch einmal, wie wenig Rücksicht die Missionare bei ihrem Willen zu bekehren und in ihrer eigenen Überzeugung von der Richtigkeit ihres Vorgehens auf den spezifischen Glauben und die Mentalität der Heiden nahmen. Ähnliche Argumente göttlicher Macht begegnen noch öfter, wobei es den Autoren (wie bei der Rede Chrodechildes) offensichtlich besonders darauf ankam, Gott als den Schöpfer der Welt zu beweisen. So predigte der bekehrte langobardische Diakon Wulfilaich in Trier Gregor von Tours zufolge gegen das Götzenbild der Diana an: „Nichts ist Diana, nichts sind die Bilder, nichts ist der Götzendienst, den sie betreiben […]; würdig ist es allein, dem allmächtigen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, ein Dankopfer darzubringen.“190 Der heilige Amandus sagte zu einer blinden heidnischen Frau: „Wo 188
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Alkuin, Vita Willibrordi 1,11, S. 125: ‚Non est Deus, quem colis, sed diabolus, qui te pessimo errore, o rex, deceptum habet, ut animam tuam aeternis tradat flammis. Non est enim Deus nisi unus, qui creavit caelum et terram, mare et omnia, quae in eis sunt; quem qui vera fide colit, vitam habebit sempiternam.‘ Vgl. Angenendt, Frühmittelalter S. 427. Vita Willehadi 3, S. 380: ut relicta supersticione idolorum unius veri Dei notitiam susciperent, quo per sacri baptismatis abluitionem peccatorum suorum veniam promereri potuissent, dicens insanum esse et vanum a lapidibus auxilium petere et a simulacris mutis et surdis subsidii sperare solatium. Gregor von Tours, Historiae 8,15, S. 381f.: praedicabam iugiter nihil esse Dianam, nihil simulacra nihilque quae eis videbatur exercere cultura; […] sed potius Deo omnipotenti, ‚qui caelum fecit ac terram‘ (Ps. 113,15), dignum sit sacrificium laudis inpendere.
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du deinen Schöpfer und Erlöser anbeten solltest, betest du Dämonen und stumme Götzen an, die weder dir noch sich selbst nützen können.“191 König Oswiu von Northumbrien belehrte nach Beda den König Sigeberht von East Anglia, daß nicht Gott sein kann, wer von Menschenhand aus Holz oder Stein gemacht sei und deshalb mühelos wieder vernichtet werden könne.192 (Hier begründet sich zugleich die Tatmission, auf die gleich näher einzugehen ist.) „Gott sei vielmehr zu verstehen als in seiner Erhabenheit unbegreiflich, für die menschlichen Augen unsichtbar, allmächtig, ewig, als einer, der Himmel und Erde und das Menschengeschlecht schuf, die Welt regiert und mit Gerechtigkeit richten wird und dessen ewiger Wohnsitz nicht in wertlosem und vergänglichem Metall, sondern im Himmel zu suchen ist.“193
Die dummen Heiden, schreibt Haymo von Auxerre, halten ihre Statuen oder Steine für Götter, wo doch nur der Wunder wirkende Gott selbst wahrhaft Gott ist.194 Die Häufigkeit solcher Argumentationen zeigt, wie wichtig dieser Aspekt den Christen war. Sie decken die Gegensätze im Götterglauben, die Christen und Heiden aus christlicher Sicht strikt unterscheiden, indirekt aber auch bereits eine gewisse Nähe des beiderseitigen Denkens auf, die uns später noch genauer beschäftigen wird, und sie unterstellen den Heiden, daß sie die Idole für die Götter selbst und nicht nur für deren Statuen halten.
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Vita Amandi I 24, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 5, Hannover/Leipzig 1910, S. 447: cum factorem et redemptorem tuum adorare debeas, adoras daemones et idola muta, quae nec tibi nec sibi possunt prodesse. Zu dieser häufigeren Argumentation vgl. auch von Padberg, Christen und Heiden S. 294. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 3,22, S. 120–122: solebat eum hortari ad intellegendum deos esse non posse, qui hominum manibus facti essent; dei creandi materiam lignum uel lapidem esse non posse, quorum recisurae uel igni absumerentur uel in uasa quaelibet humani usus formarentur uel certe dispectui habita foras proicerentur et pedibus conculcata in terram uerterentur. Deum potius intellegendum maiestate incomprehensibilem, humanis oculis inuisibilem, omnipotentem, aeternum, qui caelum et terram et humanum genus creasset, regeret et iudicaturus esset orbem in aequitate, cuius sedes aeterna non in uili et caduco metallo sed in caelis esset credenda. Ganz ähnlich argumentiert auch Bischof Daniel von Winchester in seinem Brief an Bonifatius. Vgl. unten S. 179f. Haymo von Auxerre, Commentarius in psalmos. In Psalmum 76. Titulus, Sp. 455 A: Gentiles stulti putant statuas suas, vel lapides, deos esse, sed nihil est certe, quia ‚tu‘ solus ‚es Deus, qui facis mirabilia‘.
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Wie bei Chlodwig und den Franken, so bringt Beda auch bei den Angelsachsen die Bekehrung von Königen mehrfach mit kriegerischen Auseinandersetzungen in Zusammenhang: Oft entschied der militärische Erfolg über den Glauben, und das entspricht erneut keineswegs nur heidnischem Denken, sondern wird von den Christen ebenfalls so propagiert. Die Macht (auch) des Christengottes erweist sich im Kampf und Wettstreit und durch Wunder (oder durch beides): Der schwedische Christ Hergeir wetteiferte in einer Thingversammlung mit den heidnischen Priestern darum, wessen Gott bei dem bevorstehenden Regen durch Gebete die Seinen davon verschonen würde. Daraufhin wurden die Heiden vom Regen durchnäßt, während die beiden Christen vollkommen trocken blieben.195 In solchem Denken verbinden sich gemeinsame Vorstellungen göttlicher Macht mit christlichem Wunderdenken. Vergeblich, so Adam von Bremen, vertraute der von Gott verlassene Dänenkönig Sven (Gabelbart) auf seine Götzen, und Adam begreift den Sieg des Schwedenkönigs Erik über ihn als gerechtes Gottesurteil (iusto Dei iudicio).196 Nach Herbord sollen die Heiden selbst dem Missionar Otto von Bamberg in Pyritz bekannt haben: „Es scheint, daß unsere Götter keine Götter sind, denn sie können uns nicht gegen ihn helfen. Also ist es besser, sie zu verlassen, die uns verlassen haben, und aus ganzem Herzen zum wahren Gott überzugehen, der diejenigen, die auf ihn hoffen, nicht verläßt.“197
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Rimbert, Vita Anskarii 19, S. 40. Zur Vita Anskarii vgl. James T. Palmer, Rimbert’s Vita Anskarii and Scandinavian Mission in the Ninth Century, in: The Journal of Ecclesiastical History 55, 2004, S. 235–256. Zur Frage des stärksten Gottes in der Vita Anskarii vgl. Geneviève Bührer-Thierry, Qui est le dieu le plus fort? La compétition entre païens et chrétiens en Scandinavie au IXe siècle d’après la Vita Anskarii, in: Alban Gautier/Céline Martin (Hg.), Échanges, communications et réseaux dans le Haut Moyen Âge. Études et textes offerts à Stéphane Lebecq (Collection Haut Moyen Âge 14), Turnhout 2011, S. 165–179. Unabhängig von Palmers These, daß Rimbert die Vita Anskarii im Hinblick auf die schwindende Unterstützung der Nordmission unter Ludwig dem Deutschen geschrieben habe, der seine Aufmerksamkeit auf den slawischen Osten richtete, bleibt die Vita ein wichtiges Zeugnis für Rimberts Heidenbild. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,30, S. 91: Tunc potentissimus rex Sueonum Hericus exercitu innumerabili sicut harena maris collecto Daniam invadit, et occurrit ei Suein, derelictus a Deo, frustra sperans in ydolis suis. Herbord von Michelsberg, Dialogus de vita et operibus beati Ottonis Banbergensis episcopi 2,14, ed. Wikarjak/Liman S. 86 (ed. Pertz S. 63): Dii nostri, sicut apparet, dii non sunt; contra eum nos iuvare non possunt. Melius ergo est, ut relictis desertoribus
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Und der christliche Polenherzog Boleslav forderte die heidnischen Pommern in Stettin auf, sich mit dem Zeichen des Kreuzes zu bewaffnen und „die Betrüger, eure taubstummen, geschnitzten Götter und die unreinen Geister, die ihnen innewohnen, schleunigst aufzugeben, die Haine zu zerstören, die Götzenbilder zu vertilgen, damit, nachdem ihr seine Feinde vertrieben habt, euer Gott der Herr, der lebendige und wahre Gott, für würdig gehalten wird, in eurer Mitte zu wohnen“.198
Solche Vorstellungen halten sich demnach bis zum Ende der hier behandelten Zeit. Sie verweisen zugleich auf ein aggressives Vorgehen bei der Christianisierung: die Tatmission. (2) „Tatmission“: Zerstörung heidnischer Kultstätten Die Predigt mag den Grund für eine Bekehrung gelegt haben, doch bedurfte es zum Beweis der göttlichen Macht vielfach zusätzlich sichtbarer Zeichen. Um die Ohnmacht der heidnischen Götter zu demonstrieren, griffen die Missionare den Berichten zufolge nicht selten zur Tat und zerstörten Götzenbilder und Kultstätten.199 Das zeugt vielleicht nicht gerade von großem Einfühlungsvermögen, wohl aber von folgerichtiger Konsequenz und zeigte oft die erwartete Wirkung. Die Tatmission gehört fast zum Standardrepertoire der Missionsberichte 200 und damit der christlichen Vorstellungen (wobei es allerdings nicht darum gehen kann, darin eine Alternative zur Wortmission zu suchen; beide wirkten, wie Lutz von Padberg zu Recht betont, vielmehr zusammen).201
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ad verum Deum, qui non deserit sperantes in se, ex toto corde transeamus. Zum Heidenbild der Ottoviten vgl. Hans-Werner Goetz, Die Wahrnehmung der Heiden in den Viten Ottos von Bamberg, in: Bade/Freudenberg (Hg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern. Die christlich-abendländischen Vorstellungen von Andersgläubigen im Früh- und Hochmittelalter in vergleichender Perspektive, S. 109–129. Ebd. 2,30, ed. Wikarjak/Liman S. 121 (ed. Pertz S. 88): Et primo ipsis deceptoribus, diis vestris surdis et mutis, sculptilibus, et inmundis spiritibus qui in eis sunt, signo crucis armati, quantocius renunciate, fana diruite, simulacra conterite, ut hostibus eius eiectis a vobis dominus Deus vester, Deus vivus et verus, in medio vestri habitare dignetur. Angenendt, Frühmittelalter S. 427, spricht geradezu von einer „teufelsbezwingenden Tatmission“. Vgl. Schwinges, Wider Heiden und Dämonen S. 17ff. von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 244–315, gliedert die „Predigt ohne Worte“ quasi in die Missionspredigt ein.
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Die Beispiele sind wiederum zahlreich. So verbrannte Karl Martell die Heiligtümer der Friesen.202 Nach Ado von Vienne soll bereits ein indischer Priester Severus vor Vienne einen Götzentempel vernichtet haben, in dem „der heidnische Irrtum“ gleich hundert Götter verehrte.203 Columban und Gallus zerstörten in Bregenz drei vergoldete Götzenbilder ausgerechnet an einem heidnischen Festtag. Daraufhin bekehrte sich ein Teil der Heiden, während die übrigen entrüstet abzogen.204 Nach Gregor von Tours steckte Gallus die hölzernen Götzenfiguren und das Heiligtum heimlich in Brand.205 Gregor berichtet auch, wie der langobardische Diakon Wulfilaich Götzenstatuen in Trier zerschlug. Dabei bedurfte es neben der Hilfe anderer eines Gebets und eines Wunders, um auch die gewaltige Dianastatue umzuwerfen.206 Die Belege sind nahezu endlos: Der heilige Martin, von den Häretikern aus Italien nach Gallien vertrieben, zertrümmerte hier die Tempel und Götzenbilder der Heiden;207 unter heidnischen Verwünschungen gegen „den Feind ihrer Götter“ fällte Bonifatius die Donareiche in Geismar;208
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Fredegar, Chronicon, Cont. 17, S. 176: fana eorum idolatria contrivit atque conbussit igne. Ado von Vienne, Chronicon a. 425, Migne PL 123, Sp. 103 BC: Eo tempore Severus presbyter, natione Indus, vir miraculis clarissimus, destructo idolorum templo, ubi error gentilis centum deos cultura insanissima adorabat, ecclesiam beatissimi Stephani protomartyris, ut consecraretur, pro foribus Viennae parabat. Wetti, Vita Galli 1,6, ed. Bruno Krusch, Hannover-Leipzig 1902, MGH SSrM 4, S. 260. Gregor von Tours, Liber vitae patrum 6,2, S. 231: Quod ubi sanctus Gallus audivit, statim illuc cum uno tantum clerico properat, accensoque igne, cum nullus ex stultis paganis adesset, ad fanum adplicat ac succendit. Vgl. auch Ders., Liber de passione S. Iuliani 6, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 1,2, Hannover 1885, S. 117: Recedente autem tempestate, puer cum parentibus credens, ipsa die a doloribus liberatur; gentiles in Trinitatis nomine baptizati, statuas quas coluerant confringentes, in lacum vico amnique proximum proiecerunt. Gregor von Tours, Historiae 8,15, S. 381f. Ebd. 10,31 (3), S. 527. Von der Zerstörung von Götzenbildern und Schnitzereien in Toxandrien und Brabant berichtet auch die Vita Hugberti episcopi Traiectensis 3, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrM 6, Hannover-Leipzig 1913, S. 484f. Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 31: Quorum consultu atque consilio roborem quendam mirae magnitudinis, qui prisco paganorum vocabulo appellatur robor Iobis, in loco qui dicitur Gaesmere, servis Dei secum adstantibus, succidere temptavit. Cumque, mentis constantia confortatus, arborem succidisset, magna quippe aderat copia paganorum, qui et inimicum deorum suorum intra se diligentissime devotabant.
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noch Karl der Große zerstörte bekanntlich die sächsische Irminsul auf der Eresburg,209 die Schüler Willehads vernichteten im Gau Drent von Grund auf die überall errichteten heidnischen Haine;210 Liudger soll seiner zweiten Vita zufolge bei seiner Friesenmission durch seine Argumente und seine geistreichen Mittel der Mäßigung selbst die „trotzigsten Heiden“ (asperrimos paganos) so milde gestimmt haben, daß sie ihn ihre Heiligtümer zerstören ließen.211 Willibrord vernichtete ein „Idol des alten Irrtums“ in Walcheren in Gegenwart des heidnischen Priesters (der den Heiligen daraufhin mit einem Schwerthieb töten wollte, um das Unrecht an seinem Gott zu rächen, aber durch ein Wunder daran gehindert wurde und drei Tage später, von einem Dämon befallen, selbst starb);212 auf Helgoland entweihte Willibrord eine heilige Quelle der Friesen, aus der die Heiden selbst nur schweigend Wasser zu schöpfen wagten, indem er in diesem heiligen Wasser drei Menschen im Namen der Trinität taufen ließ (und die umstehenden Heiden damit erschrecken und darüber staunen ließ, daß nichts weiter geschah):213 Die Entweihung des Heidnischen erfolgte hier gewissermaßen in Form einer christlichen „Weihe“ (der Taufe). Ganz ähnlich ging noch Bischof Otto von Bamberg in Pommern vor: Er zerstörte die Heiligtümer der Heiden und
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Annales regni Francorum a. 772, ed. Friedrich Kurze, MGH SSrG 6, Hannover 1895, S. 34: ad Ermensul usque pervenit et ipsum fanum destruxit et aurum vel argentum, quod ibi repperit, abstulit. Vita Willehadi 4, S. 381: ut quidam discipulorum eius divino compuncti ardore, fana in morem gentilium circumquaque erecta coepissent evertere et ad nihilum, prout poterant, redigere. Vita Liudgeri II 1,8, ed. Diekamp, S. 58: Illic ergo paganos asperrimos tantis argumentis et tam ingenioso moderamine mitigavit, ut sua illum delubra destruere coram oculis paterentur. Alkuin, Vita Willibrordi 1,14, S. 128: venit ad quandam villam Walichrum nomine, in qua antiqui erroris idolum remansit. Quod cum vir Dei zelo fervens confringeret praesente eiusdem idoli custode, qui nimio furore succensus, quasi dei sui iniuriam vindicaret, in impetu animi insanientis gladio caput sacerdotis Christi percussit; sed, Deo defendente servum suum, nullam ex ictu ferientis lesuram sustenuit. […] qui tamen eodem die demoniaco spiritu arreptus est et die tertia infeliciter miseram vitam finivit. Ebd. 1,10, S. 125: Sed parvi pendens stultam loci illius relegionem vel ferocissimum regis animum, qui violatores sacrorum illius atrocissima morte damnare solebat, igitur tres homines in eo fonte cum invocatione sanctae Trinitatis baptizavit, sed et animalia in ea terra pascentia in cibaria suis mactare praecepit. Quod pagani intuentes, arbitrabantur eos vel in furorem verti vel etiam veloci morte perire. Quos cum nihil mali cernebant pati, stupore perterriti, regi tamen Rabbodo quod videbant factum retulerunt.
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besprengte sie mit Weihwasser (imponierte den Heiden aber vor allem, weil er nichts für sich behielt, sondern alles an die Bürger verteilte).214 In Gützkow zerstörte er die riesigen, von kunstvollen Holzschnitzern gefertigten und schönen Standbilder; mit abgeschlagenen Händen und Füßen und ausgestochenen Augen wurden sie verstümmelt und verbrannt, während die Heiden ihre Götter anriefen.215 „Da fielen die Götzenbilder, wurden die heiligen Stätten niedergemacht, die Bildnisse zerbrochen und ihr gesamter Kult zerschlagen oder verdammt,“ berichtet im 11. Jahrhundert die spätangelsächische Vita Birini im Rückblick auf das 7. Jahrhundert zur Mission des Heiligen in Canterbury.216 Manchmal befragten die Heiden auch ihre Götter (durch Lose),217 was zumindest auf eine gewisse Unsicherheit schließen läßt; zuweilen ließen sich einige überzeugen und wurden bekehrt. Der Schwedenbischof Adalward glaubte, das ganze Volk würde sich bekehren, wenn es ihm gelänge, das heidnische Zentrum in Uppsala zu zerstören.218 Der fromme Schwedenkönig Stenkil brachte ihn jedoch davon ab, weil er sowohl den Tod des Bischofs als auch seine eigene Vertreibung befürchtete. Andernorts aber zerstörten die Missionare die schwedischen Götzenbilder und gewannen dadurch angeblich Tausende für das Christentum.219 Das Missionsziel war gewissermaßen vollendet erreicht, wenn die bekehrten Heiden ihre alten Heiligtümer eigenhändig zerstörten. Bei den Northumbriern soll nach der Aussage Bedas der bekehrte Hohepriester Coifi in einer „Muster-Conversio“220 erkannt haben, daß die heidnische Religion
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Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 2,12, S. 97f. Ebo, Vita Ottonis 3,10, ed. Jan Wikarjak und Kazimierz Liman, MPH (Monumenta Poloniae Historica), s.n. 7,2, Warschau 1969, S. 110f.; ed. Rudolf Köpke, MGH SS 12, Hannover 1856, S. 866). Vgl. auch Helmold von Bosau, Chronicon 1,71, S. 137, zum Vorgehen Adolfs von Schauenburg und des Obodritenfürsten Niklot gegen den Aufstand im Gebiet der Kessiner und Zirzipanen: Fanum quoque celeberrimum cum ydolis et omni superstitione demoliti sunt; ebd. 2,108, S. 212: Et destruxit fanum cum omni religione sua et erarium locuples diripuit. Vita Birini 14, S. 28: Cadunt idola, fana sternuntur, franguntur simulachra, omnis eorum cultus aut minuitur aut dampnatur. Vgl. Vita Willehadi 3, S. 381. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,30, S. 262: Illa enim diruta vel potius cremata fore, ut tocius gentis conversio sequeretur. Ebd. So von Padberg, Christen und Heiden S. 306–308, das Zitat S. 308.
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keinen Wert hat: „Ich aber gestehe dir ganz aufrichtig, was ich bestimmt erkannt habe, daß jene Religion, der wir bis jetzt angehangen haben, überhaupt keine Kraft und keinen Nutzen hat.“221 Beda legt dem Priester damit exakt die Erkenntnis in den Mund, die er als Christ erwartet und die die christlichen Missionare vermitteln wollten.222 Die Konsequenz aber war die Zerstörung der heidnischen Stätten. Deshalb schlug Coifi nicht nur vor, das alte Heiligtum in Goodmanham bei York zu zerstören, sondern er bestand darauf, es eigenhändig zu entweihen: „Wer ist denn tauglicher, das, was ich aus Torheit verehrt habe, jetzt als Beispiel für alle zu zerstören, als ich selbst durch die mir vom wahren Gott gegebene Weisheit?“223 Und er bestieg einen Hengst, bewaffnete sich – beides war ihm laut Beda nach heidnischer Lehre verboten gewesen – und entweihte das Heiligtum, indem er seine Lanze hineinstieß.224 Tatsächlich spiegeln sich auch in diesem Bericht kaum die heidnischen Vorstellungen und Bräuche der Northumbrier,225 um so mehr aber Bedas Vorstellungen vom Heidentum wider. Ähnliches wiederholte sich mehrfach. Die Vita Amandi etwa wertet es als ein Wunder, wenn das Volk an der Schelde nicht nur freiwillig zu dem Heiligen kam, um sich taufen zu lassen, sondern darüber hinaus die soeben noch verehrten Heiligtümer eigenhändig zerstörte und sich zum Gotteskult bekehrte,226 und Egino rührte 221
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Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,13, S. 362: ego autem tibi uerissime, quod certum didici, profiteor, quia nihil omnino uirtutis habet, nihil utilitatis religio illa, quam hucusque tenuimus. Vgl. dazu S. D. Church, Paganism in Conversion-Age Anglo-Saxon England: The Evidence of Bede’s Ecclesiastical History Reconsidered, in: History 93 (310), 2008, S. 162–180, hier S. 171–176, der auf die Ähnlichkeit der Worte Coifis mit Chrodechildes Argumenten gegenüber Chlodwig bei Gregor von Tours verweist (vgl. oben S. 77), und Page, Anglo-Saxon Paganisms S. 114ff. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,13, S. 366: quis enim ea, quae per stultitiam colui, nunc ad exemplum omnium aptius quam ipse per sapientiam mihi a Deo uero donatam destruam? Ebd. Kritisch zum Wahrheitsgehalt von Bedas Schilderungen: Raymond I. Page, AngloSaxon paganism: the evidence of Bede, in: Hofstra/Houwen/MacDonald, Pagans and Christians S. 99–129, hier S. 114ff.; jetzt vor allem Church, Paganism, der Beda jede genauere Kenntnis des angelsächsischen Heidentums abspricht. Vgl. ebd. S. 170: „Bede’s Ecclesiastical History was not simply a record of the conversion but a crucial part in the conversion process.“ Vita Amandi I 15, S. 439: At ubi hoc miraculum longe lateque divulgatum est, statim incolae regionis illius cursu celeri ad eum cucurrerunt, et ut eos faceret christianos,
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die Dänen mit seinen Predigten nach Adam von Bremen in einem Maße, daß auch sie ihre eigenen Götzenbilder zerstörten und sich bekehrten.227 Wie (wenig) glaubwürdig solche Berichte auch sein mögen: die Tatmission war fester Bestandteil der christlichen Vorstellungswelt. Wie in einigen der zitierten Berichte bezeugt, errichteten die Missionare nicht zufällig gerne gerade an der Stelle der zerstörten heidnischen Heiligtümer Kirchen, um mit diesem Funktionswandel gleichzeitig Christianisierung und Entpaganisierung anzuzeigen und den Sieg des Christengottes über die heidnischen Götter zu demonstrieren. Schon Papst Gregor der Große soll in einem Brief an den Missionar Mellitus vor bloßer Zerstörung gewarnt und geraten haben, nur die Götzenbilder zu vernichten, die Tempel aber zu christlichen Heiligtümern mit Altären und Reliquien zu machen, damit das Volk aus der Umwandlung dieser Heiligtümer den Irrglauben erkenne und aufgebe.228 Das Pantheon in Rom bildete dafür ein Muster:229 Auf Bitten des Papstes Bonifatius, so berichtet noch Paulus Diaconus, habe Kaiser Phokas in dem alten heidnischen Heiligtum, das man Pantheon nennt, „den Schmutz des Götzendienstes beseitigen und eine Kirche zu Ehren der heiligen Jungfrau Maria und aller Märtyrer errichten lassen, damit dort, wo einst der Kult nicht aller Götter, sondern der Dämonen betrieben wurde, von nun an aller Heiligen gedacht würde.“230
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humiliter postolabant. Fana etiam, quae ante adorare consueverant, propriis destruentes manibus, ad virum Dei cultum omnes unanimiter pervenerunt. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificium 4,8, S. 236. So Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,30, S. 248: quia fana idolorum destrui in eadem gente minime debeant, sed ipsa, quae in eis sunt idola destruantur; aqua benedicta fiat, in eisdem fanis aspergatur, altaria construantur, reliquiae ponantur. […] circa easdem ecclesias, quae ex fanis commutatae sunt. Hingegen forderte Gregor König Aethelbert von Kent auf, die Heiligtümer zu zerstören (ebd. 1,32, S. 254). Zu Gregors Heidenbild vgl. Markus, Gregory the Great’s Pagans. Das Pantheon war im 6. Jahrhundert zur Kirche Santa Maria Rotunda umgewandelt worden. Überzeugend argumentiert Church, Paganism S. 164–168, daß Gregor bei der Umgestaltung heidnischer Tempel zu Kirchen nicht die angelsächsischen Verhältnisse, sondern die römischen Vorbilder im Blick hatte. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 4,36, S. 128: Idem alio papa Bonifacio petente iussit, in veteri fano quod pantheum vocabatur, ablatis idolatriae sordibus, ecclesiam beatae semper virginis Mariae et omnium martyrum fieri, ut, ubi quondam omnium non deorum, sed demoniorum cultus agebatur, ibi deinceps omnium fieret memoria sanctorum. Danach fast wörtlich Ado von Vienne, Chronicon a. 583,
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So ersetzte Liudger das Heiligtum des Fosete auf Helgoland durch eine Kirche,231 Bonifatius die fana delubrorum in Friesland durch Kirchen, und er errichtete das Gotteshaus in Geismar gerade an der Stelle der Donareiche.232 Auch wenn das nach archäologischen Befunden wohl nicht als Regelfall gewertet werden darf, setzt die Häufigkeit solcher Berichte in der Vorstellungswelt der Autoren doch ein bewußtes Signal, das den christlichen Vorstellungen von Wissen und Heidentum entspricht. Das Ideal missionarischer Erfolge faßt Bonifatius in einem Brief an Papst Stephan II. (anläßlich der Ansprüche des Kölner Erzbischofs auf das Bistum Utrecht) anhand des Lebenswerks Willibrords zusammen: „Dieser hat in fünfzigjähriger Predigertätigkeit das genannte Volk der Friesen größtenteils zum Glauben Christi bekehrt, heidnische Tempel und Kultorte zerstört, Kirchen gebaut und einen Bischofssitz mit Kirche zu Ehren des heiligen Erlösers an einem Ort und festen Platz namens Utrecht gegründet.“233
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Sp. 112 B; Regino von Prüm, Chronicon a. 538, S. 27: Hic petiit Focatem, ut in veteri fano, quod Pantheon vocabatur, quod a Domitiano caesare fuerat constructum, ecclesiam sibi consecrari liceret; quod annuit imperator. Vgl. auch Ado von Vienne, Chronicon a. 385, Sp. 97 A: Gentium templa per totum orbem, iubente Theodosio subvertuntur, ac pro eis Christi templa ubique micant. Vgl. Altfrid, Vita Liudgeri 1,22, S. 26: Pervenientes autem ad eandem insulam destruxit eiusdem Fosetis fana, quae illic fuerant constructa, et pro eis Christi fabricavit ecclesiam. Heiligtümer des Gottes Fosete, welche die Heiden in einem Maße verehrten, daß sie sie nicht zu berühren wagten, bezeugt schon vorher Alkuin, Vita Willibrordi 1,10, S. 124: Qui locus a paganis in tanta veneratione habebatur, ut nihil in ea vel animalium ibi pascentium vel aliarum quarumlibet rerum quisquam gentilium tangere audebat. Willibald, Vita Bonifatii 5, S. 24; ebd. 6, S. 31f. Vgl. auch Vita Walarici abbatis Leuconaensis 36, S. 175: Tunc destructis ibi idolis et ritis gentilium […] construere ibi curaverat tam monasterium quam et ecclesiam mirae magnitudinis et cultu nimio. Daß Dorfkirchen in Gallien, allerdings im Zusammenhang mit dem Märtyrerkult, gern über heiligen Quellen an antiken Nekropolen und Kultstätten errichtet wurden, betont auch Michel Roblin, Fontaines sacrées et nécropoles antiques, deux sites fréquents d’églises paroissiales rurales dans les sept anciens diocèses de l’Oise, in: Riché (Hg.), Christianisation S. 235–251. Bonifatius, ep. 109, S. 235: Qui per L annos predicans prefatam gentem Fresorum maxima ex parte convertit ad fidem Christi, fana et dilubria destruxit et e˛cclesias construxit et sedem episcopalem et e˛cclesiam in honore sancti Salvatoris constituens in loco et castello, quod dicitur Traiectum.
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Mission durch Predigt, Ausrottung des Heidentums und kirchliche Erschließung erscheinen hier – gemeinsam – als die wichtigsten (und sich ergänzenden) Missionsziele. Wie wenig die in der Forschung gern voneinander abgegrenzten „Methoden“ einer Wort- und einer Tatmission im mittelalterlichen Verständnis alternative Gegensätze darstellten, zeigt sich auch an der eng aufeinander bezogenen Aufzählung anläßlich der letzten Missionsreise des Bonifatius nach Friesland: „Er zog also durch ganz Friesland und verkündete, nachdem er den heidnischen Kult verdrängt und den irrtümlichen Brauch des Heidentums vernichtet hatte, anhaltend das Wort des Herrn und erbaute nach der Zerstörung der Göttertempel mit ungeheurem Eifer Kirchen.“234
Es zeigt sich nicht minder im Verhalten des heiligen Gallus, der die Heiden in Bregenz auf ihrem Fest zunächst „mit honigsüßen Worten“ zum christlichen Glauben bekehren wollte, um anschließend die heidnischen Götzenbilder zu ergreifen und in den See zu werfen.235 In solchem Handeln erwies sich Gottes Wirken.236 Daß die Christianisierung im Heilsplan Gottes verankert (und daher unausweichlich) war, stand jenseits allen Zweifels. Sollte die Zerstörung der Heiligtümer den Heiden die in den Argumentationen immer wieder behauptete Ohnmacht ihrer Götter drastisch vor Augen führen und sie selbst zur Bekehrung veranlassen, dann war ein solches Vorgehen, wenn man den Berichten glauben darf, in vielen Fällen tatsächlich erfolgreich. Oft reagierten die Heiden auf solche Eingriffe allerdings auch wütend mit Drohungen, Anfeindungen und Angriffen.237 Die Tatmission brachte die Missionare daher wohl nicht minder häufig in weit größere Gefahr als die Predigt, war letztlich aber wirksamer. Als der Angelsachse Wulfrad nach Schweden ging und „ein Götzenbild dieses Volkes namens Thor“ vernichtete, bezahlte er das mit dem Märtyrertod.238 Man 234
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Willibald, Vita Bonifatii 8, S. 47: Per omnem igitur Fresiam pergens, verbum Domini paganico repulso ritu et erraneo gentilitatis more destructo, instanter praedicabat e˛cclesiasque numine confracto dilubrorum, ingenti studio fabricavit. Wetti, Vita Galli 1,6, S. 260. Vgl. Altfrid, Vita Liudgeri 1,23, S. 27, zur Bekehrung der Sachsen: Interea per dispositionem misericordis Dei Saxones conversi sunt ad Dominum. So im Falle Willibrords (Vita Willibrordi 1,14, oben Anm. 212); vgl. auch Vita Lebuini antiqua 6, ed. Adolf Hofmeister, MGH SS 30/2, Leipzig 1934, S. 793f.; Vita Willehadi 4, S. 381: quo facto barbari qui adhuc forte increduli perstiterant, furore nimio succensi, irruerunt super eos repente cum impetu, volentes eos funditus interimere. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,62, S. 122.
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nahm ein solches Risiko offenbar in Kauf (und erlangte für sich auf diese Weise das ersehnte Seelenheil), weil man auf den Erfolg hoffte und auf die göttliche Hilfe vertraute. Denn eines lassen die Berichte nicht minder deutlich erkennen: Die Zerstörung heidnischer Heiligtümer war nicht einfach eine Reaktion auf die Denkweise der Heiden, sondern entsprach nicht minder den christlichen Vorstellungen und Erwartungen, daß Gott seine Macht im Wirken der Missionare verkündete. In diesem Zusammenhang erscheint es mir müßig, darüber zu streiten, ob die Missionare selbst auf Gottes Beistand vertrauten oder ob es erst in den Quellen – die sich im übrigen nicht an Heiden, sondern an Christen richteten – bewußt und „propagandistisch“ in dieser Weise stilisiert wurde. Was den Faktengehalt anbelangt, ist ersteres nur selten beweisbar. Letzteres aber tritt uns allenthalben entgegen und zeugt von entsprechenden, verbreiteten Vorstellungen. Beides gehört daher untrennbar zusammen. Wenn nun umgekehrt auch den Heiden immer wieder vorgeworfen wird, daß sie die christlichen Heiligtümer zerstörten239 oder auf den Gebeinen der Toten und Heiligen herumtrampelten,240 dann mag das einer Zerstörungswut und vor allem einer feindlichen Reaktion auf die Eindringlinge entspringen, bedeutet aber wohl auch, daß die Heiden das gleiche Mittel anwandten wie die Christen bei der Tatmission: die Zerstörung der jeweils anderen Heiligtümer. (3) Wunder Mochten solche Handlungen nämlich zeigen, daß die ohnmächtigen Götter sich nicht wehren konnten, so war die Macht des Christengottes ihrerseits erst dann eindrucksvoll erwiesen, wenn sie durch Wunder offenbar wurde, 239
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Vgl. in diesem Sinn etwa Bonifatius, ep. 108, S. 234: Sed hoc idcirco contigit, quia preoccupatus fui in restauratione ecclesiarum, quas pagani incenderunt; qui per titulos et cellas nostras plus quam XXX e˛cclesias vastarunt et incenderunt. Et haec fuit occasio tarditatis litterarum et appellationis paternitatis vestrae, et non aliqua neglegentiae incuria; vgl. Ders., ep. 109, ebd. S. 235 (oben Anm. 233), zur Zerstörung der von Willibrord errichteten Kirche in Utrecht; Altfrid, Vita Liudgeri 1,14, S. 19: Saxones, qui eo tempore paganis fuscabantur ritibus, in furorem conversi collecto exercitu effugaverunt Christianos ab illis locis, et aecclesiam combusserunt igni. Vgl. Alkuin, ep. 20, S. 57: Sed versa vice vestrae tribulationis calamitas licet absentem multum me cotidie contristat, quando pagani contaminaverunt sanctuaria Dei et fuderunt sanguinem sanctorum in circuitu altaris, vastaverunt domum spei nostre, calcaverunt corpora sanctorum in templo Dei quasi sterquilinium in platea.
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und nicht selten bedurfte es, wie oben schon angedeutet, gerade in brenzlichen Situationen eines Wunders, um die Missionare vor der heidnischen Reaktion aus der Gefahr zu erretten.241 So traf der Schwerthieb eines Heiden die Reliquienkapsel, die Willehad um den Hals trug, und verschonte so den Heiligen.242 Ein göttliches Wunder rettete auch Bischof Otto von Bamberg vor den heidnischen Pommern.243 Als die ins Heidentum zurückgefallenen Pommern die Adalbertkirche in Stettin zerstören wollten, blieben die Glocken durch ein Wunder heil und dem Priester, der den Altar zerstören wollte, erstarrten die Glieder. Daraufhin bekannte er die Stärke des Christengottes.244 Solche Wunder überzeugten Christen wie Heiden gleichermaßen. Als Bonifatius die Donareiche fällte und die Heiden sich bereits anschickten, „gegen den Feind ihrer Götter“ vorzugehen, konnte sie nur ein Wunder überzeugen, als der Baum nämlich, „von himmlischen Wehen bewegt“, gleich beim ersten leichten Axthieb so fiel, daß sich der Stamm in vier genau gleiche Teile spaltete.245 Nach Widukind von Corvey (und danach Adam von Bremen) verlangte der noch heidnische Dänenkönig Harald Blauzahn vom Missionarsbischof Poppo „nach ihrer Gewohnheit“ (more suo) geradezu nach einem Wunderzeichen (signum); Poppo ergriff daraufhin sogleich mit der Hand ein glühendes Eisen und blieb dennoch unverletzt;246 „und obgleich das bei den Heiden leicht jeden Irrtum und Zweifel hätte beseitigen müssen“, so fügt Adam hinzu, ließ er später ein gewachstes Gewand im Namen Gottes anzünden, erhob Augen und Hände zum Himmel und blieb, als sein Gewand verbrannte, erneut unverletzt und gewann dadurch, so Adam (gewiß übertreibend), Tausende von Gläubigen.247 Heiden fürchteten sich nach christlicher Anschauung vor solchen Wundern und vor der Magie, die der Christengott in den Missionaren wirksam werden
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Vgl. auch von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 263ff. Vgl. Vita Willehadi 4, S. 381. Vgl. Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 3,8, S. 126: Sed infelix turba gentilium, ubi contra episcopum manum levare presumpsit, in ipso conatu diriguit, illius utique expertus virtutem, cuius interimere voluit sacerdotem. Ebd. 3,5, S. 119. Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 31 (oben Anm. 208). Nach Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World S. 124–129, wird die ganze Geschichte von Willibald überbetont. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,65, S. 140f.; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,35, S. 95f. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,35, S. 96.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
ließ. König Aethelbert von Kent wollte den römischen Missionar Augustinus und seine Gefährten, einem alten Aberglauben folgend, nicht in seinem Haus empfangen, „damit sie, wenn sie irgendwelche Zauberkraft hatten, ihn nicht bei seinem Eintreten täuschten und überwältigten. „Aber,“ so fügt Beda hinzu, „sie kamen nicht mit dämonischer, sondern mit göttlicher Kraft ausgestattet.“248 Wunder spielten, neben der Predigt,249 deshalb eine große Rolle in der Mission: nicht nur weil sie die Heiden am ehesten von der Macht des Christengottes überzeugten, sondern auch, weil sich im Wunderglauben letztlich heidnisches und christliches Denken übereinstimmend trafen. Die Missionsmethoden dienten sämtlich dem oben beschriebenen Ziel, die heidnischen Götter als nichtig und den Christengott als wahren Gott zu erweisen. Sie setzen damit bereits ein Heidenbild voraus, das gleich noch näher zu besprechen ist. Das gilt auch für eine weitere „Methode“: die Mission von oben“. (4) „Mission von oben“: Weltlicher Beistand und Gewaltanwendung Die Bekehrung konnte einerseits zwar recht schnell vonstatten gehen, andererseits aber auch sehr zäh verlaufen und auf offene oder latente Schwierigkeiten stoßen. Wollte man ganze Völker bekehren (und nicht mehr wie im Frühchristentum einzelne Menschen), dann war nur eine „Mission von oben“ erfolgsträchtig, die durchaus mit Gewalt und Unterwerfung einherging, wie in den Sachsenkriegen Karls des Großen mit all ihren Zwangsmaßnahmen: mit massenweisen Zwangstaufen (bei gleichzeitiger Geiselstellung), Hinrichtungen (wie im „Blutbad von Verden“ von 782) und harten Strafandrohungen für heidnisches Verhalten oder Mißachtung christlicher Kulte in der wohl im gleichen Jahr erlassenen „Capitulatio de partibus Saxoniae“.250 Die Missionare suchten entsprechend häufig zunächst die Könige auf,251 wie Ansgar, der sich, unterstützt vom Dänenkönig Horich, an
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Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,25, S. 202: At illi non daemonica, sed diuina uirtute praediti ueniebant. Zur Mission Augustins in Kent vgl. Richard Gameson (Hg.), St Augustine and the Conversion of England, Gloucestershire 1999. Vgl. dazu umfassend von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen. Zu den Missionsmethoden Willibrords vgl. Weiler, Willibrords missie S. 160–180; allgemein zu den Missionsmethoden vgl. oben Anm. 116. Vgl. unten S. 209f. Cusack, Conversion, betrachtet die Bekehrung von oben über den Herrscher sogar als „standard pattern“ frühmittelalterlicher Christianisierung (S. 175) und hält theo-
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den Schwedenkönig Olaf,252 oder Augustinus, der Missionar der Angelsachsen, der sich unmittelbar nach seiner Landung auf der Insel Thanet an König Aethelbert von Kent wandte (dem das Christentum allerdings nicht unbekannt war, da er mit der christlichen, fränkischen Prinzessin Bertha verheiratet war), der die Missionare vorsichtshalber aber auf der Insel warten ließ, um erst einmal ihre Absichten zu erkunden.253 Augustinus und seine Begleiter, die denen, die ihnen folgten, „ewige himmlische Freuden und ein Königreich ohne Ende mit dem lebenden Gott“ versprachen,254 überzeugten dabei – so wenigstens Beda – vor allem durch ihren reinen Lebenswandel
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logische Überzeugungen demgegenüber für unwesentlich (S. 178). Allerdings wird man das heute kaum mehr auf das Königtum „as a sacral office“ zurückführen können (so ebd. S. 179). Die Rolle der Herrscher bei der Mission unterstreicht auch Lutz E. von Padberg, Herrscher als Missionare. Spätantike und frühmittelalterliche Zeugnisse zur Rolle der Königsmacht im Christianisierungsprozeß, in: Dieter Hägermann/Wolfgang Haubrichs/Jörg Jarnut (Hg.), Akkulturation. Probleme einer germanisch-romanischen Kultursynthese in Spätantike und frühem Mittelalter (RGA Erg.-Bd. 41), Berlin-New York 2004, S. 311–334: Seit Konstantin war Mission quasi eine Herrscherpflicht. Ian Wood, Pagans and holy men, 600–800, in: Próinséas Ní Chatháin/Michael Richter (Hg.), Irland und die Christenheit/Ireland and the Christendom. Bibelstudien und Mission/The Bible and the Missions (Veröffentlichungen des Europa Zentrums Tübingen. Kulturwissenschaftliche Reihe), Stuttgart 1987, S. 347–361, hier S. 349f., hebt hervor, daß die Herrscher die Missionare meist höflich empfangen haben. Rimbert, Vita Anskarii 26, S. 55f. Vgl. ebd. 9, S. 30, zu einer schwedischen Gesandtschaft: esse multos in gente sua, qui christianae religionis cultum suscipere desiderarent, regis quoque sui animum ad hoc satis benivolum. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,25f., S. 198ff. Daß Aethelbert (wie schon Chlodwig) über seine Gemahlin wie auch über britischen Einfluß, längst mit dem katholischen Glauben vertraut war, betont zu Recht auch Ian Wood, Some Historical Re-identifications and the Christianization of Kent, in: Armstrong/Wood (Hg.), Christianizing Peoples S. 27–35. Der Einfluß aus dem Frankenreich, den Beda weitgehend verschweigt, geht auch aus den Briefen Gregors des Großen hervor. Vgl. dazu Ian Wood, The Mission of Augustine of Canterbury to the English, in: Speculum 69, 1994, S. 1–17. Die politischen Motive der Bekehrung bei den Angelsachsen hebt hervor: Michael Richter, Practical aspects of the conversion of the AngloSaxons, in: Ní Chatháin/Richter (Hg.), Irland und die Christenheit S. 362–376. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,25f., S. 200: qui sibi obtemperantibus aeterna in caelis gaudia et regnum sine fine cum Deo uiuo et uero futurum sine ulla dubietate promitteret.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
(eine weitere „Missionsmethode“).255 Wilfrid von York bekehrte König Aethelwalch von Sussex, der seinerseits diejenigen, die sich nicht freiwillig bekehrten, zwang, den Götzenglauben zu verlassen.256 Willibrord machte zunächst einen Abstecher zum Hausmeier Pippin,257 bevor er zu den Friesen ging, während die Sachsen wiederum fürchteten, die beiden Ewalde könnten ihre Fürsten von ihren Göttern abbringen und zu der „anderen Religion“ bekehren, und die Missionare deshalb töteten.258 Bonifatius wandte sich gleich an den Friedens„könig“ Ratbod, fand bei ihm allerdings keine Unterstützung;259 erst nach Ratbods Tod war er hier unter der fränkischen Herrschaft Karl Martells erfolgreich;260 auch in Thüringen wandte er sich später nicht an das Volk, sondern an die Fürsten.261 „Ohne den Schutz des Fürsten [Hausmeiers] der Franken kann ich weder das Kirchenvolk lenken noch Priester und Kleriker, Mönche und Nonnen Gottes verteidigen, noch vermag ich die Riten der Heiden und den Frevel des Götzenkultes in Germanien ohne sein Mandat und ihre Furcht zu verbieten,“
schrieb Bonifatius dem Bischof Daniel von Winchester.262 Auch in dem bereits christianisierten Bayern, wo aber noch viele Menschen durch paganorum prestigia verblendet waren, wandte sich Wynnebald an den Herzog Odilo.263 Viele weitere Beispiele ließen sich anführen.
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Vgl. allgemein Wood, Pagans and holy men S. 360: „By providing living models of Christian life the missionaries of barbarian Europe may have played a role in the process of Christianization similar to that of the holy men of Late Antiquity.“ Zum vorbildhaften Beispiel guter Werke vgl. auch von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 312ff. Stephanus, Vita Wilfridi I. episcopi Eboracensis 41, S. 234: quidam voluntarie, alii vero coacti regis imperio, idolatriam deserentes, Deum omnipotentem confitentes. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 5,10, S. 56. Ebd., S. 60. Willibald, Vita Bonifatii 4, S. 16. Ebd. 5, S. 23f. Ebd. 5, S. 23: senatores denique plebis totiusque populi principes; ebd. 6, S. 32: Et seniores plebis populique principes affatus est. Bonifatius, ep. 63, S. 130: Sine patrocinio principis Francorum nec populum e˛cclesiae regere nec presbiteros vel clericos, monachos vel ancillas Dei defendere possum nec ipsos paganorum ritus et sacrilegia idolorum in Germania sine illius mandato et timore prohibere valeo. Hugeburg, Vita Wynnebaldi 5, ed. Oswald Holder-Egger, MGH SS 15/1, Hannover 1887, S. 109f.; ed. Andreas Bauch, Quellen zur Geschichte der Diözese Eichstätt
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Die Könige sollten die Mission zumindest gestatten. So durften Augustinus und seine Begleiter zunächst in der alten römischen Martinskirche in Canterbury predigen. Weit erfolgsträchtiger aber war es, den Herrscher selbst zu bekehren. „Und als auch er [Aethelbert] unter anderem, entzückt vom ganz reinen Leben der Heiligen und von ihren sehr süßen Versprechungen, die sie durch das Zeichen vieler Wunder auch als wahr bekräftigten, glaubte und getauft wurde, begannen täglich mehr Menschen zusammenzuströmen, um das Wort zu hören und sich nach Aufgabe des heidnischen Brauchs durch ihren Glauben der Einheit der heiligen Kirche Christi anzuschließen.“264
Wie später der Schwedenkönig Olaf, so zwang allerdings auch Aethelbert anschließend niemanden zur Taufe. Die Bedeutung des Königs für die Christianisierung stellt auch Gregor von Tours heraus. Als Gundobad, der zwar nicht mehr heidnische, sondern häretische (nämlich arianische) König der Burgunder, nahezu entschlossen war, den katholischen Glauben anzunehmen, vom Erzbischof Avitus von Vienne aber verlangte, aus Rücksicht auf sein Volk heimlich gesalbt zu werden, soll dieser nach Gregor von Tours geantwortet haben: „Du bist selbst der König und kannst von niemandem ergriffen werden, aber du fürchtest einen Aufstand im Volke und deshalb wagst du nicht, den Schöpfer aller Dinge öffentlich zu bekennen. Laß diese Torheit, und was du im Herzen glaubst, wie du sagst, das bekenne auch vor dem Volk. […] Du fürchtest das Volk, o König, weil du nicht einsiehst, daß es besser ist, daß das Volk deinem Glauben folge, als daß du der Schwachheit der Menge nachgibst. Denn du bist das Haupt des Volkes, das Volk ist aber nicht dein Haupt. Wenn du zum Kriege ausziehst, gehst du ja auch den Heerscharen voran und jene folgen dir, wohin du sie führst. Also ist es auch besser, daß du nun vorangehst, und sie die Wahrheit erkennen, als daß du verderbest und sie im Irrtum verharren.“265
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(Biographien der Gründungszeit), Bd. 1, Eichstätt 1962, S. 146. Zu Wynnebald vgl. Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World S. 129ff. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,26, S. 206: At ubi ipse etiam inter alios delectatus uita mundissima sanctorum et promissis eorum suauissimis, quae uera esse miraculorum quoque multorum ostensione firmauerant, credens baptizatus est, coepere plures cotidie ad audiendum uerbum confluere ac, relicto gentilitatis ritu, unitati se sanctae Christi ecclesiae credendo sociare. Gregor von Tours, Historiae 2,34, S. 82: Tu vero cum sis rex et ad nullo adpraehendi formidas, seditionem paviscis populi, ne Creatorem omnium in publico fateares. Relinque hanc stultitiam, et quod corde te dicis credere, ore profer in plebe. […] Metuens enim populum, o rex, ignorans, quia satius est, ut populus sequatur fidem tuam, quam
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Trotz solcher ermutigenden Worte wagte Gundobad den entscheidenden Schritt jedoch nicht. Die Episode mag damit andeuten, daß der König bei einer so wichtigen Entscheidung auf das Volk Rücksicht nehmen mußte, wenn er nicht einen Aufstand oder eine Spaltung seines Volkes riskieren wollte, sie zeigt aber nicht minder die feste christliche Überzeugung von der Bedeutung des Herrschers. Sicherlich waren Avitus’ (und Gregors) Berichte tendenziös, war ihnen vor allem an der Bekehrung gelegen. Bezeichnender noch erscheint mir aber der Umstand, wie selbstverständlich beide voraussetzten (und hier gegen den König selbst anargumentierten), daß das Volk der Religion des Herrschers zu folgen habe und nicht umgekehrt. Unmittelbar zuvor berichtet Gregor (gewiß nicht zufällig), wie der Frankenkönig Chlodwig seine Taufe zwar mit ganz ähnlichen Argumenten hinausgezögert hatte wie Gundobad: „Das Volk, das mir anhängt, duldet nicht, daß ich seine Götter verlasse.“266 Doch als das Volk – wunderbarerweise – von sich aus seine Bereitschaft zur Annahme des christlichen Glaubens erklärte, ließ Chlodwig sich mit 3000 Gefolgsleuten taufen.267 Entsprechend läßt Ado von Vienne „das ganze Heer“ der Römer dem Nachfolger des Heiden Julian, dem christlichen Kaiser Jovian, der nicht über Heiden befehlen wollte, sagen: „Wir aber, die wir durch Julian den Namen Christi abgeworfen haben, wollen mit dir Christen sein.“268 Das Heer folgt dem Kaiser nach frühmittelalterlicher Auffassung auch im Glauben. Noch im 11. Jahrhundert berichtet Wilhelm von Jumièges in seiner Normannengeschichte, die Heiden hätten ihre Götter verlassen und den Namen Christi angenommen, als sie sahen, daß ihr Führer Christ geworden war.269 Das Vorbild des Königs zählte offenbar viel.
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tu infirmitate faveas populari. Tu enim es capud populi, non populus capud tuum. Si enim ad bellum proficiscaris, tu praecedis catervas hostium, et ille quo abieris subsequuntur. Unde melius est, ut te praecedente cognoscant veritatem, quam pereunte permaneant in errorem. Ebd. 2,31, S. 76: sed restat unum, quod populus, qui me sequitur, non patitur relinquere deus suos. Fredegar, Chronicon 3,21, S. 101, verdoppelt diese Zahl und spricht von „Franken“. Außerdem soll Chlodwig sich heimlich taufen lassen haben. Ado von Vienne, Chronicon a. 363, Sp. 94 C: Qui, dum se ab exercitu imperatorem fieri conspiceret, seque Christianum affirmans, paganis praeesse non posse assereret. ‚Et nos,‘ ‚inquit omnis exercitus, qui per Iulianum nomen Christi abiecimus, tecum Christiani esse volumus.‘ Wilhelm von Jumièges, Gesta Normannorum ducum 2,19, ed. Elisabeth M. C. van Houts, Oxford 1992 (Oxford medieval texts), S. 68: Videntes autem pagani ducem
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Eine Gewähr für den Erfolg bildete die Königstaufe allein allerdings noch nicht, wenn das Volk dazu nicht bereit war (und so erklärt sich manches königliche Zögern). Als König Raedwald von Ostanglien sich in Kent taufen ließ, stieß er bei seiner Rückkehr mit dieser Entscheidung auf Ablehnung und mußte zunächst den alten und den neuen Kult nebeneinander bestehen lassen.270 Auch der Schwedenkönig Olaf mußte, wie oben ausgeführt, die Volksversammlung entscheiden lassen. „Ihrem Brauche zufolge,“ so kommentiert Rimbert (und zeigt damit, wie ungewöhnlich er das findet), „liegt bei ihnen die Entscheidung über jede öffentliche Angelegenheit nämlich mehr im einmütigen Volkswillen als in der Macht des Königs.“271 Noch viel später (um das Jahr 1000) schlug nach Adam von Bremen das schwedische Volk seinem König Olaf (Schoßkönig) vor, er möge selbst Christ werden und eine Kirche in bevorzugter Landschaft errichten, aber nicht die Tempel zerstören oder andere zum Abfall vom Dienst an den Göttern zwingen.272 Trotz der Vorstellung, daß eine Mission nur dann von schnellem Erfolg gekrönt sein würde, wenn man den König zur Taufe bewegen konnte, war dieser Schritt also keineswegs immer verpflichtend, nicht einmal in der eigenen Familie. Vielmehr hören wir gerade in Skandinavien mehrfach davon, daß die Königssöhne (sicherlich nicht ausschließlich aus rein religiösen, sondern auch aus politisch-taktischen Gründen) im Heidentum verharrten und dadurch einen Rückfall wie auch innere Krisen heraufbeschworen.273 Da Mission infolgedessen bald nicht mehr nur das Werk gläubiger (und martyriumsträchtiger) Missionare war, sondern zu einer politischen Angelegenheit wurde – Ian Wood bezeichnet den Missionar geradezu als „Agenten eines kulturellen Imperialismus“274 –, wußte man aber auch die sich bie-
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suum Christianum esse, relictis idolis Christi nomen suscipiunt ac unanimes ad baptismum convolant. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,15, S. 374. Auch Edwin von Northumbria entschied sich erst nach der Zustimmung einer Versammlung der Großen für das Christentum (ebd. 2,13, S. 362). Rimbert, Vita Anskarii 26, S. 57: Sic quippe apud eos moris est, ut quodcumque negotium publicum magis in populi unanimi voluntate quam in regia constet potestate. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,58, S. 118. Vgl. in diesem Sinne auch: von Padberg, Odin oder Christus? Wood, Pagans and holy men S. 360: „Inevitably the impact of Christian lifestyle depended on power politics. The missionary was to some extent an agent of cultural imperialism.“
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tenden politischen Möglichkeiten auszunutzen: Als sich im dänischen Thronstreit der Prätendent Harald Klak an Ludwig den Frommen um Hilfe wandte, nutzte dieser nach Rimbert die Zwangslage des Heiden und verlangte dessen Übertritt zum Christentum: „Wenn beide nämlich den einen Gott verehrten, könne ein engeres Verhältnis zwischen ihnen zustande kommen; dann werde das christliche Volk ihm und den Seinen bereitwillig beistehen.“275
(In der Praxis verhielten sich die christlichen Könige allerdings oft ganz anders und gingen immer wieder Bündnisse auch mit Heiden ein, wenn das politisch opportun war.) Ludwig übernahm bei der Taufe Haralds dann die Patenschaft für den bekehrten Dänen: Auch die geistliche Verwandtschaft erhielt hier eine politische Dimension.276 Schon Karl der Große hatte 785 die Patenschaft bei der schließlichen Taufe seines sächsischen Erzfeindes Widukind übernommen, die zudem nicht nur – politisch – das Ende des Sachsenaufstandes, sondern auch die Überwindung des Heidentums symbolisierte und aus christlicher Sicht somit folgerichtige Konsequenz der Unterwerfung (und Erfüllung des Kriegsziels) war und zugleich eine politische Begnadigung bedeutete. Letzteres ist deutlich in der Vita Willehadi ausgedrückt, wenn der Autor von „der Gnade der Taufe“ spricht.277 Den Bekehrten traute man dennoch nicht, und so ließ sich Karl der Große nach einer Massentaufe der Sachsen in Paderborn Freiheit und Eigentum der Getauften als Pfand ausliefern, „für den Fall, daß sie wieder in ihre üble Gewohnheit zurückfallen sollten“.278 Als später, unter Karl III., die Normannen ohne Gegenwehr Lothringen verheerten und so „der Zorn des Himmels gegen das die christliche Religion entweihende Volk wütete“, gelang es immerhin, den Normannenführer Gottfried zur Taufe zu bewegen 275
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So bei Rimbert, Vita Anskarii 7, S. 26: Qui eum secum detentum tam per se quam per alios ad suscipiendam christianitatem cohortatus, quod scilicet inter eos ita maior familiaritas esse posset populusque christianus ipsi ac suis promptiori voluntate in adiutorium si veniret, si uterque unum coleret Deum. tandem gratia divina tribuente ad fidem. Vgl. dazu ausführlich Angenendt, Kaiserherrschaft, zu Harald Klak ebd. S. 215– 223. Vgl. Vita Willehadi 8, S. 383: Sed et totius mali auctor, incentorque perfidiae Widukindus, eodem anno regi se subdens Karolo, baptismi est gratiam consecutus. Annales regni Francorum a. 777, S. 48: si amplius inmutassent secundum malam consuetudinem eorum. Die zweite Liudgervita spricht nach dem Aufstand Widukinds davon, daß er auch die Friesen Christi religionem relinquere compulit et prisco erroris more vivere.
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und ihn mit riesigen Tributen dazu zu bringen, von seinen Einfällen abzulassen.279 Mission und Patenschaft resultierten hier allerdings, gerade umgekehrt als bei Ludwig dem Frommen und Harald Klak, aus der Notlage des Frankenreichs heraus: Jetzt war Gottfried derjenige, der Forderungen stellen konnte. Er ließ sich nach Regino von Prüm nur unter der Bedingung taufen, daß man ihm die Provinz Friesland abtrete und Lothars Tochter Gisla zur Frau gebe. Erst nach Erfüllung dieser Wünsche „wurde er getauft und vom Kaiser aus der heiligen Quelle gehoben“.280 Die Fortsetzung der Fuldaer Annalen kritisiert daher, daß Karl III. „den größten Feind und Verräter seines Reichs“ nach seiner Taufe zum Mitherrscher (consors regni) einsetzte:281 Die Annahme des Christentums machte die Normannen offensichtlich nicht beliebter, und viele wünschten ihre Vertreibung und nicht ihre Integration. Die Taufe beendete in diesem Fall auch keineswegs die immer wieder beklagte Treulosigkeit.282 Die Ausbreitung christlicher Herrschaft über Heiden war den Herrschern dennoch eine selbstverständliche Aufgabe. Lothar II. beklagt in einem Brief an Papst Nikolaus I., wohl mit Blick auf Normannen und Sarazenen, die Verluste des christlichen Glaubens, während die Grenzen gegenüber den Heiden doch erweitert werden sollten.283 Entsprechend verurteilten die Annales Bertiniani es als einen jeder Verachtung würdigen Zustand, wenn Heiden (wie der Normanne Heriald) über Christen Herrschaft ausübten.284 279
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Regino von Prüm, Chronicon a. 882, S. 119: indignatione caelesti super populum christianam religionem profanantem deseviente. Ebd. S. 120: Quae, ut optavit, adeptus baptizatus est et ex sacro fonte ab imperatore susceptus. Annales Fuldenses, Continuatio Ratisbonensis a. 882, ed. Friedrich Kurze, MGH SSrG 7, Hannover 1891, S. 99. Vgl. ebd. a. 885, S. 102; Regino von Prüm, Chronicon a. 890, S. 135: perfida gens. Epistolae ad divortium Lotharii II pertinentes 14, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 6, Berlin 1925, S. 231f.: Admodum quippe nostram rem publicam toties repetita perturbat calumnia et, dum nos fines regni nostri paganorum agmina, pugnante pro nobis Christi dextera, conterendo dilatare debueramus, crebrius fit, quod christiana religio pro minori et minus utili negotio maxima atque importabilia dispendia patiatur. Annales Bertiniani (Prudentius von Troyes) a. 841, ed. Félix Grat, Jeanne Vielliard und Suzanne Clémencet (mit einer Einführung von Léon Levillain) (Annales de Saint-Bertin), Paris 1964, S. 39: dignum sane omni detestatione facinus, ut qui mala christianis intulerant, idem christianorum terris et populis Christique ecclesiis praeferrentur, ut persecutores fidei christianae domini christianorum existerent et daemonum cultoribus christiani populi deseruirent.
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Wo sich die Christianisierung mit einer Unterwerfung verband, wie in den Sachsenkriegen Karls des Großen, kam es, wie schon erwähnt, zu Zwangsbekehrungen,285 denen erst nachträglich eine nähere Unterweisung und eine kirchliche Erschließung folgen konnten. Nicht überall gab man den Heiden überhaupt die Gelegenheit zur Taufe. So suchte König Caedwalla von Wessex die Einwohner der Insel Wight, die noch dem Götzendienst huldigten, ganz auszurotten und das Land neu zu besiedeln.286 (5) Für und Wider die Zwangsbekehrung Die Alternative „Tod oder Taufe“ stieß bekanntlich jedoch keineswegs auf die Zustimmung der Hoftheologen. Jedenfalls ermahnte Alkuin später Karl den Großen (über den arcarius regius Meginfrid), daß die Glaubensvermittlung vor der Taufe erfolgen und diese freiwillig und eigenverantwortlich geschehen müsse (und prangerte damit den Taufzwang während der Sachsenkriege an). Missionare müßten das Volk der Heiden mit friedfertigen und klugen Worten unterweisen:
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Vgl. dazu etwa Ulrich Nonn, Zwangsmission mit Feuer und Schwert? Zur Sachsenmission Karls des Großen, in: Franz Felten (Hg.), Bonifatius – Apostel der Deutschen. Mission und Christianisierung vom 8. bis ins 20. Jahrhundert (Mainzer Vorträge 9), Stuttgart 2004, S. 75–98. Von Zwangsbekehrungen spricht noch Helmold von Bosau, Chronicon 2,108, S. 212, bei den Ranen: Et precepit, ut discederent ab erroribus suis, in quibus nati fuerant, et assumerent cultum veri Dei. Wenig später bezeugt er Predigt und Drohungen als Mittel der Bekehrung; ebd.: Qui fungens vice apostoli gentem rudem et beluina rabie sevientem partim predicacione assidua, partim minis ab innata sibi feritate ad novae conversacionis religionem convertebat. Zu Karls Sachsenkriegen vgl. vor allem Hans-Dietrich Kahl, Karl der Große und die Sachsen. Stufen und Motive einer historischen „Eskalation“, in: Hermann Ludat/Rainer Christoph Schwinges (Hg.), Politik, Gesellschaft, Geschichtsschreibung. Gießener Festgabe für Frantisˇ ek Graus (Beihefte zum AKG 18), Köln-Wien 1982, S. 49–130 (abgedr. in: Ders., Heidenfrage S. 343–407); Ders., Randbemerkungen zur Christianisierung der Sachsen, in: Hans-Walter Krumwiede (Hg.), Vorchristlich-christliche Frühgeschichte in Niedersachsen (Beiheft zum Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 64), Blomberg 1966, S. 118–135 (abgedr. in: Ders., Heidenfrage S. 409–429). Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 4,16, S. 274. In Dänemark hingegen hatte Harald Blauzahn viele „gegen ihren Willen zum Christentum gezwungen“ (ad christianitatem coegit invitos), die sich bald jedoch gegen ihn erhoben (so Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,27, S. 87).
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„Man kann den Menschen zum Glauben zerren, aber nicht zwingen,“ argumentiert Alkuin. „Er kann zwar zur Taufe gezwungen werden, kommt dadurch aber nicht im Glauben weiter. […] Daher müssen die Prediger das Heidenvolk mit friedlichen und klugen Worten den Glauben lehren. […] Aber auch nach Annahme des Glaubens und der Taufe muß man den schwächeren Seelen mildere Gebote bieten. […] Würde man dem hartnäckigen Volk der Sachsen das leichte Joch und die süße Last Christi in dieser Weise predigen, wie viele rechtmäßige Zehntabgaben und welche Notwendigkeit eines rechtmäßigen Edikts können dann an Stelle der kleinsten Schuld eingefordert werden; vielleicht würden sie dann nicht mehr vor den Sakramenten der Taufe zurückschrecken. Sollen doch endlich die Lehrer des Glaubens von den Beispielen der Apostel lernen.“287
Mit einem berühmt gewordenen Satz schließt Alkuin: „Sie sollen Prediger sein, nicht Plünderer“ (sint predicatores, non praedatores). Dennoch bringen mehrere Missionarsviten die Zwangsbekehrung durch Unterwerfung und das – meist eher friedliche – Wirken der Missionare in einen engen Zusammenhang. Den Missionaren (bzw. den Vitenschreibern) ist ein solcher Zusammenhang durchaus bewußt, auch wenn es, in gewisser Distanzierung von der Schwertmission, in Alkuins Willibrordvita möglicherweise heißt, der Heilige habe die von Karl Martell mit dem Schwert gewonnenen Friesen durch die Taufe (von diesem Makel?) reinigen wollen288 (doch kann sich die Wendung ebenso gut auf die Reinigung vom heidnischen Glauben durch die Taufe beziehen). Willibrord, so schreibt der Autor nämlich weiter, habe nicht zugelassen, daß jemand „in der Dunkelheit des alten Irrtums der Unwissenheit“ verborgen bleibe.289 Die Überzeugung, daß Heiden verdammt waren, wenn sie nicht bekehrt würden,290 mag etwaige Skrupel auf christlicher Seite ausgeräumt haben. Führte erst die Taufe zum Christentum, so wurde sie vielfach doch erst 287
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Alkuin, ep. 111, S. 160f.: Adtrahi poterit homo in fidem, non cogi. Cogi poterit ad baptismum, sed non proficit in fide […]. Unde et praedicatores paganorum populum pacificis verbis et prudentibus fidem docere debent. […] Sed et post fidei et baptismi perceptionem molliora praecepta infirmioribus animis sunt praebenda. […] Si tanta instantia leve Christi iugum et onus suave durissimo Saxonum populo praedicaretur, quanta decimarum redditio vel legalis pro parvissimis quibuslibet culpis edicti necessitas exigebatur, forte baptismatis sacramenta non abhorrerent. Sint tandem aliquando doctores fidei apostolicis eruditi exemplis. Alkuin, Vita Willibrordi 1,13, S. 127: nuper gladio adquisitam gentem sacro baptismate abluere conatus est. Ebd.: Nec quicquam in ea vetusti erroris tenebras ignorantiae latuisse sinebat. Vgl. Poeta Saxo 1, v. 185ff., S. 11: Hinc statuit, requies illis ut nulla daretur, / Donec gentili ritu cultuque relicto / Christicole fierent aut delerentur in aevum.
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durch die Unterwerfung ermöglicht. Ohne politischen Zwang hatten die Missionare oft nur geringe Chancen. Erst als die Sachsen unterworfen waren und alles friedlich war, konnte Willehads Mission Früchte tragen, konnten die Sachsen in einer bezeichnenden Wendung gleichsam „unter das sanfte Joch Christi […] gezwungen werden“.291 Die Vita Sturmi räumt ebenfalls ein, daß die Bekehrung der Sachsen teils mit dem Schwert, teils mit Versprechungen, teils mit Geschenken erreicht worden sei.292 Anders als bei Einhard, der die Sachsen selbst für die Unterwerfung durch Karl verantwortlich macht, weil sie, wie fast alle rechtsrheinischen Völker, „wild von Natur, dem Götzendienst ergeben und gegen unsere Religion feindselig waren und es nicht für unehrenhaft hielten, göttliches und menschlichen Recht zu schänden und zu übertreten,“293 werden die Sachsenkriege in den ausführlichen und doch weithin offiziösen Berichten der Fränkischen Reichsannalen zwar nicht ausdrücklich als Heidenkrieg propagiert, doch beginnen die Auseinandersetzungen nicht zufällig gleich mit der Zerstörung des Heiligtums auf der Eresburg,294 und in diesen Kriegen kämpfen für den Autor zugleich Heiden und Christen gegeneinander.295 Der Unterwerfung aber folgten die Integrationsversuche. Die „Translatio s. Viti“ erläutert Karls Maßnahmen der Christianisierung Sachsens folgendermaßen: Er befragte Bischöfe und Fürsten, „wie er den wahren Glauben und die wahre Religion in seinem ganzen Reich festigen könne“, suchte hoffnungsvolle Geistliche aus, um sie nach Sachsen zu schicken, damit sie dort die christliche Lehre verbreiteten und Bischofssitze und Kirchen errichteten. „Und als er die gesamte kirchliche Ordnung in diesem Land eingeführt hatte, fand er keinen anderen Weg, dort auch das Mönchsleben zu ermöglichen, als die Angehörigen jenes Volkes, die er während des Krieges als Geiseln und Gefangene mitgenommen
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Vita Willehadi 8, S. 383: Post haec vero cum omnia pacifica viderentur, et sub leni iugo Christi Saxonum ferocia licet coacta mitescerent colla. Eigil, Vita Sturmi 23, ed. Pius Engelbert, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck 29, Marburg 1968, S. 158: partim bellis, partim suasionibus, partim etiam muneribus. Einhard, Vita Karoli 7, S. 9: quia Saxones, sicut omnes fere Germaniam incolentes nationes, et natura feroces et cultui daemonum dedite nostraeque religioni contrarii neque divina neque humana iura vel polluere vel transgredi inhonestum arbitrabantur. Bei Slawen und Awaren ist auch bei Einhard die Religion gar nicht erwähnt. Annales regni Francorum a. 772, S. 34. Ebd. a. 776, S. 46.
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hatte, in den fränkischen Klöstern zu verteilen und im heiligen Gesetz und in der Mönchsregel unterrichten zu lassen.“296
Einige wurden in das Kloster Corbie verschickt, und im Folgenden wurde von hier aus dann in Corvey als „Neuem Corbie“ (Nova Corbeia) inter barbarorum gentem das erste Kloster in Sachsen errichtet.297 Im Rückblick solcher Mönche wird Karl der Große bald auch in Sachsen selbst als Sachsenbekehrer gefeiert:298 „So geschah es, daß er den sächsischen Stamm, der sich einst gegen die Franken empörte, nicht nur seiner Herrschaft unterwarf, sondern ihn auch durch sein Verdienst dem süßen Namen Christi weihte. Eben deshalb, so glauben wir, war er unter allen christlichen Königen der erfolgreichste in seinen Kriegen, weil er die seiner Herrschaft Unterworfenen dem Namen Christi weihte.“299
Eine nochmalige Umwertung nimmt rund 120 Jahre später Widukind von Corvey in seiner Sachsengeschichte vor: Der große Karl, der alle Könige an Tapferkeit übertraf, zeichnete sich nicht minder durch Weisheit aus und schweißte Franken und Sachsen zu einem Volk zusammen: „Er, der alle Sterblichen in seiner Zeit an Klugheit übertraf, erwog nämlich, daß sein edles Nachbarvolk nicht länger im Irrglauben befangen bleiben dürfe; daher bemühte er sich auf alle Weise, es zum wahren Weg zu führen: teils durch sanfte Überzeugung, teils durch kriegerische Gewalt brachte er es zur Bekehrung und erreichte schließlich in seinem 30. Herrschaftsjahr […], was er so lange schon bewerkstelligen wollte, so daß (die Sachsen), schon einst Verbündete und Freunde der Franken, seither deren Brüder und, wie wir jetzt sehen, (mit ihnen) aus dem christlichen Glauben heraus geradezu ein Volk wurden.“300 296
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Translatio s. Viti martyris 3, ed. Irene Schmale-Ott (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 41. Fontes minores 1), Münster 1979, S. 36: Sed cum omnem ordinem ecclesiasticum in illa regione tradidisset, qualiter ibidem monasticam religionem invenire potuisset, invenire nequivit, nisi tantum, quod illius gentis homines, quos obsides et captivos tempore conflictionis adduxerat, per monasteria Francorum distribuit, legem quoque sanctam atque monasticam disciplinam institui praecepit. Ebd. 4, S. 44/46. Grundlegend dazu Helmut Beumann, Die Hagiographie „bewältigt“: Unterwerfung und Christianisierung der Sachsen durch Karl den Großen, in: Cristianizzazione, Bd. 1, S. 129–163. Translatio s. Viti martyris 3, S, 34: Unde factum est, ut gentem Saxonicam, quae olim contra Francos rebellabat, non solum suo dominio subegisset, sed et mellifluo Christi nomini dicare meruisset. Nam et hunc ideo prae omnibus christianis regibus potentissimum in bellis fuisse credimus, quia, quos suo dominio subiugabat, Christi nomini dedicabat. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 1,15, S. 25: Magnus vero Karolus cum esset regum fortissimus, non minori sapientia vigilabat. Enimvero considerabat, quia
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Die Unterwerfung wird dadurch auch hier in einer Weise geschildert, daß sie die Ehre der Sachsen wahrt und ihre Eingliederung in das Christentum zugleich gefeiert werden kann. Der Zweck heiligt dabei nicht nur die Mittel, sondern kann im Rückblick als wahrer Erfolg gefeiert werden. Ein solches Vorgehen ist durchaus üblich. Die im Rückblick schreibenden Autoren nehmen nicht nur Rücksicht auf das eigene (noch heidnische) Volk, sondern feiern gerade dessen Bekehrung, indem sie es zu noch besseren Christen machen.301 Gotteskenntnis aber ist und bleibt Voraussetzung für das ewige Heil. Noch einmal ähnlich äußert sich später Helmold von Bosau über die Slawen, über deren Sitten viel Lobenswertes zu berichten wäre, wenn sie nur den Glauben an Christus gehabt hätten, dessen Prediger sie jedoch über die Maßen verfolgten.302
c. Gefahren und (Miß-)Erfolge der Mission Trotz aller Bemühungen der Missionare war ein Erfolg vielfach nur langfristig und mit manchen Unterbrechungen zu verzeichnen. War die Mission der Völker im Römischen Reich durch den jahrelangen Kontakt mit den christlichen Römern gut vorbereitet, so daß die Bekehrung in der Regel vergleichsweise schnell und problemlos verlief, so traf schon die fränkischangelsächsische Missionsarbeit auf einige Widerstände. Wo entsprechende Maßnahmen fehlten, war die Mission bald gefährdet. Trotz gegenteiliger Beteuerungen der Berichte, denen es darauf ankam, eine schnelle Bekehrung zu propagieren, hielten sich die Missionserfolge daher oft in engen Grenzen und waren keineswegs immer von durchschlagendem Erfolg gekrönt. Nach der Mission des Bonifatius in Hessen ließen sich viele taufen, andere aber verweigerten die Taufe, und einige opferten weiterhin teils heim-
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suis temporibus omni mortali prudentior erat, finitimam gentem nobilemque vano errore retineri non oportere; modis omnibus satagebat, quatinus ad veram viam duceretur. Et nunc blanda suasione, nunc bellorum inpetu ad id cogebat, tandemque tricesimo imperii sui anno obtinuit […], quod multis temporibus elaborando non defecit; ob id qui olim socii et amici erant Francorum, iam fratres et quasi una gens ex Christiana fide, veluti modo videmus, facta est. Vgl. unten Abschnitt 4, S. 187f. Helmold von Bosau, Chronicon 1,1, S. 6: Multa poterant dici de hoc populo laudabilia in moribus, si haberent solam fidem Christi, cuius predicatores inmaniter persecuntur.
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lich, teils offen an Bäumen und Quellen.303 Als Ansgar die Schweden in Birka durch ein Losorakel vom Christengott überzeugen konnte und eine zweite Volksversammlung in einem anderen Reichsteil den Entschluß gleichfalls billigte, wurde dem Missionar schließlich lediglich erlaubt, eine Kirche zu errichten und zu predigen. Mehr nicht.304 Im Grunde war damit, was Rimbert als großen Erfolg feiert, nur gewährleistet, daß das Christentum neben der Verehrung der heimischen Götter zugelassen wurde. Erfolgreich war selbst das offenbar nicht, denn nach Adam von Bremen fielen die Normannen im Zuge ihrer Invasionen schon bald wieder ins Heidentum zurück.305 Daß die Heiden ihren festen Glauben hatten und einer Bekehrung skeptisch gegenüberstanden, deutet zumindest die Vita des Abtes Lonoghylius von Boissellières (Buxiacensis) in der Gegend von Le Mans an: Dessen heidnischen Eltern mißfiel der Taufwunsch ihres Sohnes sehr („allerdings kannten sie den Gott des Himmels noch nicht“); daraufhin verließ Lonoghylus Heimat und Verwandte.306 Das nicht selten kompromißlose Vorgehen der Missionare machte es diesen nicht leichter. Daher war es kein Wunder, daß die Menge der Heiden „gegen den Feind ihrer Götter“ murrte, als Bonifatius sich anschickte, die Donareiche in Geismar zu fällen, und nur das bereits erwähnte Wunder sie überzeugen konnte.307 Nicht nur das Missionswerk war demnach immer wieder gefährdet, sondern auch die Missionare selbst wurden oft bedroht, und einige büßten ihr Vorgehen gar mit dem Märtyrertod. Nicht zufällig kehren die Berichte, vor
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Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 30f.: Cum vero Hessorum iam multi, catholica fide subditi ac septiformis spiritus gratia confirmati, manus inpositionem acciperunt, et alii quidem, nondum animo confortati, intemeratae fidei documenta integre percipere rennuerunt; alii etiam lignis et fontibus clanculo, alii autem aperte sacrificabant; alii vero aruspicia et divinationes, prestigia atque incantationes occulte, alii quidem manifeste exercebant; alii quippe auguria et auspicia intendebant diversosque sacrificandi ritus incoluerunt; alii etiam, quibus mens sanior inerat, omni abiecta gentilitatis profanatione nihil horum commisserunt. Rimbert, Vita Anskarii 27f., S. 57ff. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,61, S. 59. Vita Lonoghylii abbatis Buxiacensis 1, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrM 7, Hannover-Leipzig 1920, S. 433: Mox itaque puer Domino serviturum se vovebat, iam cupiebat baptismum accipere; parentes vero eius in illis temporibus pagani erant et idola adorabant, Deum caeli minime cognoscentes. Qui dum vidissent puerolum iuvenem remotum de vanitatibus et de idolotria illorum, displicuit vero illis conversatio sua. Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 30f. (oben Anm. 208).
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dem Hintergrund eines entsprechenden Heidenbildes, aus diesem Grund, aber auch, um den Mut der heiligen Missionare zu betonen, mit Nachdruck hervor, welch gefährliches Geschäft die Mission war und in welch große Gefahr sich die Missionare begaben. Solche Gefahren wurden also keineswegs unterschätzt oder verschwiegen.308 Die Begleiter des Augustinus, die Papst Gregor der Große zur Bekehrung der Angelsachsen ausgeschickt hatte, bekamen, so berichtet Beda, es plötzlich mit der Angst vor einem „so barbarischen, wilden und ungläubigen Volk“ zu tun, „dessen Sprache sie nicht einmal verstanden“, und hielten es für sicherer umzukehren309 (ließen sich durch Gregors Ermunterungen aber dann doch zum Weiterziehen überreden). Bonifatius hatte gewiß nicht ohne Grund bei Papst Zacharias angefragt, ob ein Missionar sich der Verfolgung der Heiden entziehen dürfe. „Wenn es möglich ist und Du einen Platz findest,“ so antwortete der Papst, „dann bleibe dabei, ihnen zu predigen; wenn Du aber nicht die Kraft hast, ihre Verfolgung zu ertragen, so hast Du das Gebot des Herrn, in eine andere Stadt zu gehen.“310 Die den Missionaren drohende Gefahr stilisiert besonders Rimbert in seiner Ansgarvita heraus: Als Ludwig der Fromme einen Mönch suchte, der den frisch bekehrten Harald Klak nach Dänemark zurückgeleiten und dort missionieren sollte, antworteten seine Berater der von Rimbert verfaßten Vita Ansgars zufolge, „einen so gottergebenen Menschen, der bereit sei, diese gefährliche Reise im Namen Christi auf sich zu nehmen, würden sie nicht kennen.“311 Dennoch fanden sich bekanntlich immer wieder Missionare, und auch in diesem Fall stellte sich schließlich Ansgar der Herausforderung, der von Rimbert dank solcher Stilisierung um so mehr herausgehoben wird, zumal auch der Abt ihn noch einmal warnte und eine freiwillige 308
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Zu Begegnungen zwischen christlichen Missionaren und heidnischen Königen und zur Reaktion der Heiden auf die Mission vgl. Wood, Pagans and holy men. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,23, S. 194: Qui cum iussis pontificalibus obtemperantes memoratum opus aggredi coepissent, iamque aliquantulum itineris confecissent, perculsi timore inerti redire domum potius quam barbaram feram incredulamque gentem, cuius ne linguam quidem nossent, adire cogitabant, et hoc esse tutius communi consilio decernebant. Bonifatius, ep. 87, S. 200: Si fieri potest et locum inveneris, insta ad predicandum illis; si autem supportare non valueris eorum persecutionem, habes preceptum dominicum, ut in aliam ingrediaris civitatem. Rimbert, Vita Anskarii 7, S. 27: Quod cum universi abnuerent, nullatenus se quemquam scire dicentes tantae devotionis virum, qui peregrinationem tam periculosam pro Christi nomine suscipere vellet.
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Entscheidung erwartete, da er ihm eine so schwere Last nicht durch Befehl auferlegen dürfe (auch wenn die Benediktregel eigentlich Gehorsam vorschreibt): „Denn es galt damals als abscheulich und unrecht, jemanden gegen seinen Willen zu einem Leben unter den Heiden zu zwingen.“312 Ansgar blieb jedoch bei seinem Entschluß und folgte dem Motiv der Peregrinatio, des Verlassens vertrauter Bindungen zugunsten der Mission in der Fremde:313 „Heimat, Verwandte und die vertraute Geborgenheit bei den Brüdern, mit denen er aufgewachsen sei, wolle er aufgeben, fremde Völker aufsuchen und bei unbekannten Barbaren leben!“314
Das alles zeigt bereits (indirekt), welches Bild man von den Heiden hatte. Das Martyrium blieb dennoch erstrebenswert, auch wenn der Märtyrertod des Bonifatius, der sogar seine Begleiter ermahnt haben soll, sich nicht zu wehren, damit alle im „heilbringenden Tod“ (felici cede) starben, gewiß allzu idealtypisch geschildert ist.315 (Die göttliche Strafe folgte im übrigen unmittelbar, als die sich barbarisch gebärdenden Heiden mirabili omnipotentis Dei dispositione über die Verteilung der vermeintlichen Beute – statt des erwarteten Goldes und Silbers fanden sie nur geistliche Bücher in den Behältern – in Streit gerieten und sich gegenseitig umbrachten und die Überlebenden anschließend von einem christlichen Heer getötet wurden.) Der Schilderung des Todes des Bonifatius geht es daher anscheinend weniger darum, den Missionar zu retten, als vielmehr erneut den Heiden nicht ein Zeichen seiner (und damit des Christengottes) Schwäche darzubieten. Wenn Alkuin betont, von den elf Begleitern Willibrords seien einige später wegen der Predigt des Evangeliums mit dem Martyrium gekrönt wurden, andere hätten jedoch friedlich die Bischofswürde erlangt,316 dann gibt es für 312
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Ebd. S. 28; quia abominabile eo tempore et iniustum videbatur, ut quis invitus inter paganos conversari cogeretur. Vgl. zu diesem Motiv Arnold Angenendt, Monachi Peregrini: Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen des frühen Mittelalters (Münstersche Mittelalter-Schriften 6), München 1972. Rimbert, Vita Anskarii 7, S. 27: quod scilicet, relicta patria et propinquis suis, fratrum quoque, cum quibus educatus fuerat, dulcissima affectione, alienas expetere vellet nationes et cum ignotis ac barbaris conversari. Willibald, Vita Bonifatii 8, S. 50. Alkuin, Vita Willibrordi 1,5, S. 120: quorum aliqui postea ob praedicationis euangelicae instantiam martyrio coronati sunt, aliqui vero episcopatus ordinem accipientes, post sanctae praedicationis labores in pace quieverunt.
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ihn offenbar nur die Alternative Erfolg oder Märtyrertod. Beide „Resultate“ aber stehen hier gleichberechtigt (und gleichwertig) nebeneinander. Wären alle Missionare Märtyrer geworden, hätte man die Christianisierung schließlich auch schlecht vorantreiben können.317 Immer wieder gab es jedenfalls Rückschläge. Nach dem Tod des Königs Sabert von Essex führten dessen Söhne, die stets im Heidentum verharrt hatten, den Götzenkult wieder ein.318 Als der König der frisch bekehrten Bulgaren, „durch göttliche Eingebung geleitet“, seinen Lebensabend sogar im Kloster verbringen wollte, sein Sohn aber „das eben erst getaufte Volk zu den Gebräuchen des Heidentums zurückführte“, kehrte der alte König aus dem Kloster zurück, legte wieder königliche Gewänder an, setzte den Sohn kurzerhand ab und stach ihm die Augen aus.319 Nicht zufällig verbindet Regino von Prüm diese Reaktion mit dem Charakter des dem Trunk, der Schlemmerei und der Wollust ergebenen, heidnischen Königssohnes, als Gegenbild des frommen Vaters, der in einfachem Gewand Kirchen besucht hatte (und doch vor der Blendung des Sohnes nicht zurückschreckte). Selbst während der Normanneneinfälle schlossen sich Christen, wie Flodoard von Reims gleich mehrfach berichtet, wieder dem Heidentum an, um ihr Leben zu retten.320 Das ist einer der wenigen Hinweise darauf, daß selbst in längst 317
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So kehrte Amandus von der Slawenmission zurück, ohne den ersehnten Märtyrertod erlitten zu haben (Vita Amandi I 16, S. 439f.). Amandus missionierte nicht nur in Nordfrankreich und bei den Slawen, sondern auch bei den Basken (ebd. I 20, S. 443f.). Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,5, S. 316: tres suos filios, qui pagani perdurauerant, regni temporalis heredes reliquit, coeperunt illi mox idolatriae, quam uiuente eo aliquantulum intermisisse uidebantur, palam seruire. Regino von Prüm, Chronicon a. 868, S. 95f. Flodoard, Historia Remensis ecclesiae 4,5, ed. Martina Stratmann, MGH SS 36, Hannover 1998, S. 380: Que si capta fuerit, totius dispendium regni se perpessuros, tamque periculose hec iam mala grassari, ut a predicta urbe Remos usque nichil tutum remanserit; nulla nisi perversorum christianorum barbarisque consentientium secura sit habitatio, quorum multi christianam deserentes religionem paganorum se societati coniunxerant ac tuitioni subdiderant. Vgl. ebd. S. 384: Karolo regi suo scribens indignatur valde sibi perlatum, quod pravis quorundam consiliis vellet idem rex se sociare Nordmannis, ut illorum auxilio ad regni decus obtinendum iuvari posset: Quis enim, inquit, qui vobis, sicut oportet, fidelis est, non expavescat vos inimicorum dei amicitiam velle et in cladem ac ruinam nominis christiani pagana arma et federa detestanda suscipere? Nichil enim distat, utrum quis se paganis societ an abnegato deo idola adoret. Vgl. auch Flodoard, Annales a. 943, ed. Philippe Lauer (Collection de textes pour
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christianisierten Gebieten ein Rückfall ins Heidentum noch möglich war, auch wenn hier sicherlich eine Ausnahmesituation vorliegt. Vollends in Nord- und Osteuropa erscheint die Missionsgeschichte eher als ein langwieriger, von vielen Problemen und Rückschlägen begleiteter Prozeß. Hier hielt sich der Widerstand gegen den neuen Glauben recht lange. Das hatte sicherlich ebenso politische wie religiöse Gründe. Sie wollten lieber sterben, so läßt Helmold von Bosau die Slawen nach dem Tod ihres Fürsten Gottschalk argumentieren, als sich das Etikett des Christentums zuzulegen und den sächsischen Fürsten Tribute zu zahlen.321 Hatten die „Germanen“ sich einst vom Imperium Romanum angezogen gefühlt, so wollte man sich nun, in einer Phase beginnender Herrschafts-, Reichs- und Nationsbildung in Nord- und Osteuropa, dem ostfränkisch-deutschen Einfluß entziehen (bot den missionsbesessenen Christen damit aber auch einen Grund zum Eingreifen). In Dänemark siegte vorübergehend die heidnische Fraktion, als Sven (bei Adam von Bremen heißt er Sven-Otto), „der Sohn des sehr christlichen Königs Harald [Blauzahn], vom teuflischen Geiste entflammt“, den Vater aus dem Amt und das Christentum aus dem Land zu vertreiben suchte.322 Die nur oberflächlich bekehrten Slawen zwischen Elbe und Oder fielen nach dem Tod Ottos II. im Liutizenaufstand (983) gar auf lange Zeit wieder vom Christentum ab. Thietmar von Merseburg hatte, relativ zeitnah, lediglich den Rückfall vermerkt, ohne schon dessen langfristige Wirkung und historische Bedeutung erkennen zu können: „Völker, die nach Annahme des Christentums unseren Königen und Kaisern zu Tribut und Diensten verpflichtet waren, griffen, bedrückt durch die Überheblichkeit Herzog Dietrichs, in einmütigem Entschluß zu den Waffen,“
hatte er geschrieben323 und dabei zu erkennen gegeben, daß es ihm bei dem Begriff gentes weniger um ethnische Einordnung als vielmehr um Heiden
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servir a l’étude et a l’enseignement de l’histoire 39), Paris 1906, S. 88: Hugo dux Francorum crebras agit cum Nordmannis, qui pagani advenerant vel ad paganismum revertebantur; ebd.: Ludowicus Rodomum repetens Turmodum Nordmannum, qui, ad idololatriam gentilemque fitum reversus, ad haec etiam filium Willelmi aliosque cogebat regique insidiabatur, simul cum Setrico rege pagano congressus cum eis interemit. Helmold von Bosau, Chronicon 1,25, S. 48: ut prius maluerint mori quam Christianitatis titulum resumere aut tributa solvere Saxonum principibus. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,27, S. 87. Thietmar von Merseburg, Chronicon 3,17, S. 118: Gentes, quae suscepta christianitate regibus et inperatoribus tributarie serviebant, superbi Thiedrici ducis aggravatae presumpcione unanimi arma commoverant.
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ging,324 sein Augenmerk ansonsten jedoch weit mehr auf sein Bistum und Böhmen als auf die nördlichen Liutizen gerichtet. Gut 60 Jahre später aber berichtet Adam von Bremen, kurz nachdem er das Slawenland detailliert beschrieben und von der Bekehrung aller (!) Slawen berichtet hatte,325 nicht nur von diesen Slawenaufständen, die auch er der harten Gerichtsbarkeit der christlichen Statthalter zuschreibt, dabei aber auch die Grausamkeit der Slawen unterstreicht,326 sondern er betont zudem, wie sehr der Rückfall ins Heidentum dem göttlichen Heilsplan zu widersprechen scheint: „Alle Slawen, die zwischen Elbe und Oder wohnen, hatten über 70 Jahre lang in der gesamten Zeit der Ottonen das Christentum verehrt; nun aber rissen sie sich auf diese Weise los vom Leib Christi und der Kirche, dem sie bis dahin angehört hatten.“327
Das Christentum erlitt dadurch einen herben Rückschlag. Ähnliches wiederholte sich später bei der Pommernmission Ottos von Bamberg, als die Bewohner von Stettin nach der Abreise des Missionars ins Heidentum zurückfielen und die fana deorum wiederaufrichteten, weil ihre Götter den Christusglauben getadelt hatten.328
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Vgl. dazu Lorenz Weinrich, Der Slawenaufstand von 983 in der Darstellung des Bischofs Thietmar von Merseburg, in: Dieter Berg/Hans-Werner Goetz (Hg.), Historiographia mediaevalis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters. Festschrift für Franz-Josef Schmale zum 65. Geburtstag, Darmstadt 1988, S. 77–87, hier S. 79. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,17–23, S. 72–81. Ebd. 2,42f., S. 102ff. Vgl. auch ebd. 1,38, S. 40 zu den Normanneneinfällen, die die Macht der Heiden weit in christliche Gebiete hinein ausgedehnt hat: Et quoniam Dani cum Nortmannis Hammaburgensi ecclesiae pastorali cura subiecti sunt, preterire nequeo, quanta mala per eos Dominus illo tempore fieri permiserit, et quam late pagani super christianos extenderint potentiam suam. Ebd. 2,44. S. 105: Omnes igitur Sclavi, qui inter Albiam et Oddaram habitant, per annos LXX et amplius christianitatem coluerunt, omni tempore Ottonum, talique modo se absciderunt a corpore Christi et ecclesiae, cui antea coniuncti fuerant. Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 3,5, S. 119. Nach Ebo, Vita Ottonis 3,1, ed. Wikarjak/Liman S. 94; ed. Köpke S. 858, nutzten die heidnischen Priester eine Sterbewelle, um sie dem neuen Glauben anzulasten und zur Rückkehr zum alten Glauben zu mahnen.
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d. Christen und Heiden im göttlichen Heilsplan Wie schon angedeutet, stellen solche Rückschläge durchaus ein Problem der christlichen Geschichtsdeutung dar, die von einer beständigen Ausbreitung des Christentums ausgeht, und so kommentiert Adam den zitierten Abfall von 983, der dem göttlichen Heilsplan zu widersprechen schien, mit den Worten: „Oh, wie geheimnisvoll sind doch Gottes Gerichte über die Menschen, der sich erbarmt, wessen er will, und verstockt, wen er will [Röm 9,18]. Im Staunen über seine Allmacht sehen wir die zuvor schon Gläubigen ins Heidentum zurückfallen, und die scheinbar die Letzten waren, sehen wir sich zu Christus bekehren. Er, der gerechte, starke und langmütige Richter, der einst vor Israels Augen die sieben Stämme Kanaans vertilgte und nur die Fremden bewahrte, um Gesetzesbrecher zu züchtigen, er, sage ich, wollte auch jetzt einen begrenzten Teil der Heiden verhärten, um durch sie unseren Unglauben zu strafen.“329
Noch im Jahre 1066 verheerten die heidnischen Slawen die ganze Hamburger Kirchenprovinz mit Feuer und Schwert, erschlugen fast alle Bewohner Stormarns und Holsteins oder nahmen sie gefangen, zerstörten die Hammaburg von grundauf und verstümmelten zum Hohn Christi selbst die Kreuze.330 Auch Schleswig (oder Haithabu), inzwischen der Hauptort der Nordalbingier, wurde zur selben Zeit in einem Überraschungsangriff von den Barbaren vernichtet. Adam sieht darin erneut eine – mehrfach aufgegriffene – biblische Weissagung realisiert: „So wurde an uns die Verheißung erfüllt, die besagt: ‚Herr, Heiden sind in dein Erbe eingefallen‘ (Ps 78,1), wie auch das weitere, das weissagend über den Untergang der Stadt Jerusalem
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Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,44, S. 105: O vere occulta super homines Dei iudicia, qui ‚miseretur, cui vult, et quem vult indurat‘ (Rom 9,18)! Cuius omnipotentiam mirantes videmus eos ad paganismum esse relapsos, qui primi crediderunt, illis autem conversis ad Christum, qui videbantur novissimi. Ille igitur iudex iustus, fortis et patiens, qui olim deletis coram Israel septem gentibus Chanaan solos reservavit Allophilos, a quibus transgressi punirentur, ille, inquam, modicam gentilium portionem nunc indurare voluit, per quos nostra confunderetur perfidia. Helmold von Bosau, Chronicon 1,16, S. 35, greift das nahezu wörtlich auf und teilt damit dieselbe Ansicht. Der Vorfall kann sich allerdings nicht auf eine bestimmte Bibelstelle berufen. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 3,51, S. 194f. Danach Helmold von Bosau, Chronicon 1,24, S. 46.
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beklagt wird.“331 Mit der Deutung als Gottesstrafe und dem Vergleich mit dem Gottesvolk des Alten Testaments bleibt der heilsgeschichtliche Anspruch gewahrt. Der Sieg aber ermutigte weitere Slawen zum Rückfall ins Heidentum und zur Vernichtung der Christen: „So fielen also alle Slawen auf Grund einer umfassenden Verschwörung abermals ins Heidentum zurück und töteten diejenigen, die standhaft im Glauben blieben.“332 Es ist zeitgemäß nur zu verständlich, daß man für solche Rückfälle die eigenen Sünden verantwortlich machen, aber auch nach deren Gründen suchen und den Heiden damit letztlich eine Funktion im Heilsplan zugestehen mußte. „Ich fürchte, daß die Heiden, die es in den vorangegangenen Zeiten nicht wagten, unsere Meere zu befahren und die Küsten unseres Landes zu verwüsten, das wegen unserer Sünden (tun),“ klagt Alkuin wohl vor dem Hintergrund des Normanneneinfalls in Lindisfarne in einem Brief an einen angelsächsischen Bischof.333 Nach dem althochdeutschen Ludwigslied ließ Gott (zur Prüfung König Ludwigs) Heiden (heidine man), nämlich wieder die Normannen, über die See kommen, um das Volk der Franken an seine Sünden zu erinnern.334 Gott kämpfte auf Seiten Ludwigs, den er, so der Autor, ausgesandt hatte, um seinem Heer Belohnung zu versprechen, wenn es mit seiner Tapferkeit Gottes Willen vollbringe.335 Die Franken gin-
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Ebd. 3,51, S. 195: Impleta est nobiscum prophetia, quae ait: ‚Deus, venerunt gentes in hereditatem tuam‘ et reliqua, quae prophetice deplorantur in Ierosolimitanae urbis excidio. Ebd.: Itaque omnes Sclavi facta conspiratione generali ad paganismum denuo relapsi sunt, eis occisis, qui perstiterunt in fide. Danach Helmold von Bosau, Chronicon 1,24, S. 46f. (nach Adam von Bremen, Gesta 3,51). Vgl. auch Epistula Sidonis, ebd. S. 236: Ante tempora recolende memorie Lyemari archiepiscopi Christianitas cepta in provincia Wagrie ante multos annos abolita defecerat, et Christianis omnibus expulsis paganismus invaluerat. Alkuin, ep. 130, S. 193: Timeo paganos propter peccata no- stra, qui antecedentibus non temptaverunt temporibus mare nostrum navigare et maritima patrie nostre devastare. Vgl. später auch Nikolaus I., ep. 104, S. 613: Ubi non dicimus, quod persecutorum non fugiamus maximeque paganorum insidias, cum ad tempus seviunt et ob multitudinem delictorum nostrorum nocendi facultatem divinitus assequuntur […]. Ludwigslied v. 11f., ed. Wilhelm Braune, Karl Helm und Ernst A. Ebbinghaus, Althochdeutsches Lesebuch XXXVI, Tübingen 161979, S. 137: Lietz her heidine man Obar seo lidan / Thiot Vrancono Manon sundiono. Ebd. v. 39–41, S. 137.
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gen daher mit Psalmengesang in die Schlacht.336 Umgekehrt konnten die christlichen Sünden einen Sieg über die Heiden verhindern.337 Solche Kommentare zeigen, wie sehr man auf christlicher Seite davon überzeugt war, daß eine Christianisierung im Sinne des göttlichen Heilsplans liegen mußte und deshalb eigentlich gar nicht aufzuhalten war (und doch immer wieder aufgehalten wurde). Schon Orosius hatte mit seiner Schrift gegen die Heiden seine geschichtstheologische Überzeugung von den immer glücklicher werdenden christlichen Zeiten auf historischem Wege ausgebreitet.338 Bei dem legendären Einfall Alarichs in Rom sollen sich Heiden sogar unter die Christen gemischt haben, um ihr Leben zu retten.339 In einer Prudentiushandschrift des 9. Jahrhunderts werden solche Vorstellungen mit einem Frauenkampf ins Bild gesetzt: Der Glaube (Fides) hat sich gegen den Angriff des Götzendienstes (Cultura deorum) zu erwehren, der am Ende aber gefesselt und überwunden, entblößt mit offenem Haar am Boden liegt.340 Es entspringt daher christlichem Denken (und nicht nur einer Rücksichtnahme auf die heidnische Mentalität), wenn die Missionare oft nicht ausschließlich Seelenheil und ewiges Leben, sondern auch irdische Vorteile versprachen. So propagierte Lebuin, daß nur die Annahme des Christentums die Verfassung der Sachsen gewährleisten könne, weil ihnen andernfalls die Unterwerfung durch den König eines Nachbarlandes drohe.341 (Diese Nachricht der erst um 850 vielleicht in Essen oder Werden abgefaßten Vita liest sich wie eine nachträgliche Rechtfertigung der Sachsenkriege Karls des Großen, vielleicht aber auch wie eine Kritik an der gewaltsamen Unterwer-
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Ebd. v. 47f., S. 137. So Regino von Prüm, Chronicon a. 891, zur Normannenschlacht an der Geule (unten Anm. 423). Vgl. oben S. 72f. Orosius, Historiae adversum paganos 1,8,14, S. 53; 7,39,8, S. 546. Vgl. auch Isidor von Sevilla, Historia Gothorum, ed. Theodor Mommsen, MGH AA 11, Berlin 1894, S. 274. Prudentius, Psychomachia. Bern, Burgerbibliothek Cod. 264, P69 (fol. 34v) und P70 (Vorlagen der Burgerbibliothek, der ich dafür herzlich danke). Vgl. auch Otto Homburger, Die illustrierten Handschriften der Burgerbibliothek Bern. Die vorkarolingischen und karolingischen Handschriften, Bern 1962; Angenendt, Frühmittelalter S. 428, Abb. 84. Vita Lebuini antiqua 6, S. 794f.
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fung.) Der heilige Julian versprach den Eltern eines kranken Kindes dessen Heilung, wenn sie vom Heidentum abließen.342 Nach Adam von Bremen soll die Bekehrung der Dänen sogar viele Heilungswunder bewirkt haben,343 so daß hier geradezu ein Zusammenhang zwischen ewigem Heil und irdischer Heilung deutlich wird. Schon damals, so kommentiert Heriger von Lüttich im Rückblick die Zeit des Bischofs Valerius im 3. Jahrhundert, übertrafen die Christen in Gallien und Germanien die Heiden sowohl an Zahl wie im Glauben.344 Flodoard läßt Odo seinem Widersacher Karl dem Einfältigen schreiben: „Sicher haben eure königlichen Vorfahren ihren heidnischen Irrtum abgelegt und sich erhaben dem göttlichen Kult unterworfen; und sie haben seither stets von Gott Hilfe erbeten und eben deshalb glücklich regiert und das Erbe des Reichs ihren Nachkommen hinterlassen.“345
Noch deutlicher schlägt sich die Überzeugung irdischen Heils in dem schon erwähnten Brief des Bischofs Daniel von Winchester an Bonifatius nieder, der (unter anderem) ebenfalls mit dem Geschichtsverlauf argumentiert: Glauben die Heiden an ein zeitliches Heil und schreiben das der Macht ihrer Götter und den diesen dargebrachten Opfern zu, dann sollen sie doch darlegen, worin sie denn jetzt glücklicher seien als die Christen,346 die die fruchtbarsten Länder bewohnen und den Heiden nur noch die kalten Randgegenden beließen, „in denen man fälschlicherweise glaubt, daß (die Götter) immer noch herrschen, nachdem sie doch längst aus dem ganzen Erdkreis vertrieben worden sind“.347 Weshalb verschonen ihre Götter, wenn 342
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Gregor von Tours, Liber de passione S. Iuliani 6, S. 117: Qui cum didicisset quae acta fuerant, pollicetur parentibus, si a gentilitate discederent, filium reciperent sanum. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,25, S. 31. Gesta episcoporum Tungrensium, Traiectensium et Leodiensium 1,12, ed. Rudolf Koepcke, MGH SS 7, Hannover 1846, S. 170: Qui etiam studiosissime verbo praedicationis instabat, ut iam tunc pene per Galliam ac Germaniam christiani paganos et numero superarent et religione. Flodoard, Historia Remensis ecclesiae 4,5, S. 384: Certe progenitores vestri reges deposito gentilitio errore divino cultui se sublimiter subdiderunt et a deo semper auxilium expetierunt, propter quod et feliciter regnaverunt et regni hereditatem ad suos posteros transmiserunt. Bonifatius, ep. 23, S. 40: Si pro temporali, in quo iam feliciores pagani christianis sunt, dicant. Quid autem se suis conferre sacrificiis lucri diis suspicantur pagani cuncta sub potestate habentibus. Vgl. zu dem Brief auch unten S. 179f. Ebd.: Et cum ipsi, id est christiani, fertiles terras vinique et olei feraces ceterisque opibus habundantes possident provincias, ipsis autem, id est paganis, frigore semper
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sie allmächtig sind, anstatt ihre Anhänger zu belohnen, die Christen, wenn diese die Heiden doch fast im ganzen Erdkreis von ihrem Glauben abbringen wollen und ihre Götzenbilder zerstören?,348 eine Äußerung, die im übrigen die Ansicht widerlegt, Daniel habe sich gegen die „Tatmission gewandt“, die hier geradezu als Argument herangezogen und damit vorausgesetzt wird.349 Auch sei ihre Zahl gegenüber der Menge der Christen gering. Mit solchen Argumenten, so Daniel, könne man die heilsgeschichtliche Entwicklung aufzeigen, in deren Verlauf eine rundherum heidnische Welt immer mehr christlich geworden sei. Auch Beda teilt die Ansicht Daniels (und anderer), daß den Christen die Zukunft gehört und der christliche Glaube auch den irdischen Erfolg nach sich zieht, denn nach der Bekehrung König Oswalds von Northumbrien und seines Volkes erweiterte sich dessen Herrschaft gewaltig: Oswald „lernte nicht nur, auf die seinen Stammvätern unbekannten Reiche des Himmels zu hoffen, sondern er erlangte von dem einen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, auch mehr Reiche auf Erden als irgendeiner seiner Vorfahren; schließlich brachte er alle Völker und Länder Britanniens, die in vier Sprachen, nämlich die der Briten, Pikten, Iren und Angeln, aufgeteilt sind, unter seine Herrschaft.“350
Dabei wird seine Stellung als sogenannter Bretwalda gewiß übertrieben. Entscheidend bleibt aber, wie eng auch Beda Christentum und irdisches Wohlergehen miteinander verknüpft sieht. Es liest sich wie ein Beweis dieser These, wenn Cenwalh, der Sohn des ersten christlichen Königs von Wessex, Cynegisl, entsprechend nicht nur das Seelenheil, sondern auch die irdische Macht an Penda von Mercien verlor, als er zum Heidentum zurückkehrte,
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rigentes terras cum eorum diis reliquerunt, in quibus iam tamen toto orbe pulsi falso regnare putantur. Ebd.: Si omnipotentes sunt dii et benefici et iusti, non solum suos remunerant cultores, verum etiam puniunt contemptores. Et si he˛c utraque temporaliter faciunt, cur ergo parcunt christianis totum pene orbem ab eorum cultura avertentibus idolaque evertentibus? Zur Diskussion dieser These vgl. von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 323f. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 3,6, S. 42: Huius igitur antistitis doctrina rex Osuald cum ea, cui praeerat, gente Anglorum institutus, non solum incognita progenitoribus suis regna caelorum sperare didicit, sed et regna terrarum plus quam ulli maiorum suorum ab eodem uno Deo, qui fecit caelum et terram, consecutus est; denique omnes nationes et prouincias Brittaniae, quae in quattuor linguas, id est Brettonum, Pictorum, Scottorum et Anglorum, diuisae sunt, in dicione accepit.
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und sie erst nach seiner Bekehrung im ostanglischen Exil zurückerlangte.351 Aus solcher Zuversicht erwuchs das christliche Selbstverständnis. „Ja, ist denn der Christ nicht besser als der Heide?“ fragt später selbstbewußt Bruno von Querfurt.352 Heiden hingegen hatten (ohne Bekehrung) keinerlei Aussicht auf das Seelenheil: Sie gleichen trockenen Bäumen, die sich für den ewigen Brand eignen, meint Hrabanus Maurus geradezu sarkastisch.353 Sie gehörten nicht zum Gottesvolk, solange sie Götzen verehrten (oder gehören nicht mehr zum Gottesvolk, seit sie sich von Gott zurückgezogen haben), wie Atto von Vercelli schreibt.354 Den Heiden wird gewissermaßen die Schuld daran gegeben, daß sie Heiden sind, und sie werden dafür von Gott bestraft. So heißt es bei Beda (angesichts der Bekehrung der Northumbrier): „In welch großer Schuld und Verfehlung diejenigen verstrickt gehalten werden, die dem ganz und gar verderblichen Aberglauben der Götzendiener anhängen, das zeigen die Beispiele des Verderbens derer, die sie verehren.“355 Wer aus Habgier und für die Gunst weltlicher Herren, dem Götzenkult vergleichbar, Gott verachtet und gegen sein Gebot tötet, ist unentschuldbar, meint auch Hrabanus Maurus.356
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Ebd. 3,7, S. 48. Brun von Querfurt, Passio Adalberti 21, ed. Jadwiga Karwasinska (MPH s.n. IV,2), Warschau 1969, S. 59: Numquid non est catholicus melior pagano? Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 1,3, S. 80: Pagani itaque aridis arboribus assimilantur, quia per omnia aeterno incendio sunt apti. Vgl. Atto von Vercelli, Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola ad Romanos, Migne PL 134, Sp. 225 D: Gentilis enim populus non erat plebs Dei, quoniam idolis serviebat; sed factus est plebs Dei dilecta et misericordiam consecuta, quoniam per Christi fidem iustificari meruit et tantam accepit potestatem, ut filius Dei fieret. […] (Sp. 235 B): Aliter: Populus gentium prius populus erat Dei, sed recedens a Deo et daemonibus serviens, miserum nomen gentis accepit: non gentem ergo, populum gentilem dicit, eo quod idola deserendo et credendo in Christum, factus sit populus Dei et miserum nomen gentis amiserit. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,10, S. 342: Quanta autem reatitudinis culpa teneantur obstricti hi, qui idolatriarum perniciosissimam superstitionem colentes amplectuntur, eorum, quos colunt, exempla perditionis insinuant. Regino von Prüm, De synodalibus causis 2,50 (ein Brief Hrabans an Bischof Heribald von Auxerre), ed. Wasserschleben S. 233f.; ed. Wilfried Hartmann, FSGA 42, Darmstadt 2004, S. 274, zur Rechtfertigung des Todschlags im Krieg: Scimus enim, quod Dei iudicium semper iustum est et nulla reprehensione dignum, sed tamen oportet eos considerare, qui hanc necem nefariam defendere cupiunt, utrum illos quasi coram
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Sie wollen das Wort Gottes in ihrer Verstocktheit gar nicht hören, klagt später ein Biograph Ottos von Bamberg.357 Heidentum an sich wird geradezu von Gott bestraft: Als der heilige Amandus eine blinde Frau fragte, woher ihre Blindheit komme, führte sie selbst das als Strafe darauf zurück, daß sie immer Vorzeichen und Götzen verehrt habe (auguria vel idola semper coluerat).358 Die Christen fürchten die Einfälle der Heiden, diese aber die himmlischen Strafen, meint Flodoard von Reims.359 Mehrfach wird den Heiden auch Blasphemie zum Vorwurf gemacht. Sie (die Liutizen), heißt es bei Wipo, hätten ein hölzernes Bild des gekreuzigten Christus verhöhnt, bespien und mit Fäusten geschlagen, ihm die Augen ausgestochen und Hände und Füße abgehauen. Zur Strafe ließ der Kaiser eine große Zahl gefangener Heiden in ähnlicher Weise verstümmeln und töten.360 Ein argumentativer Dialog war auf dieser Ebene kaum möglich.361 Am Ende überwog deshalb trotz mancher Rückschläge stets die Zuversicht der Christen, daß Gott sein Volk (die Christen) nicht im Stich lassen werde. So schreiben die Annales Fuldenses, die beutegierigen Normannen würden bereits 20 Jahre lang das Frankenreich an allen zu Schiff zugänglichen Orten grausam (crudeliter) mit Mord, Brand und Raub heimsuchen.362 Jetzt aber brachten sie sich in internen Thronstreitigkeiten gegen-
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oculis Dei innoxios excusare possint, qui propter avaritiam, quae omnium malorum radix est et idolorum servituti comparatur atque propter favorem dominorum suorum temporalium aeternum Dominum contemserunt et mandata illius spernentes non casu, sed per industriam homicidium fecerunt. Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 2,8, S. 90: Verum indurata gentilitas doctrinam fidei recipere vel audire contempsit. Vita Amandi I 24, S. 447. Flodoard, Historia Remensis ecclesiae 1,6, S. 76: Qua diu sic manente solitaria, christianis, qui ad munitiones montium fugerant, incursiones paganorum trepidantibus, paganis vero celestes, quos ibi pertulerant, horrores pertimescentibus, sub divina dumtaxat angelicaque custodia sanctorum servabantur inibi martyrum corpora ita, ut in noctibus a longe celestia cernerentur lumina et, suavissimi sydereis supernarum soni virtutum choreis dulciter reboantibus, audirentur a nonnullis carmina. Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris 33, S. 53. So von Padberg, Christen und Heiden S. 299. Annales Fuldenses a. 854, S. 44: Nordmanni, qui continuis XX annis regni Francorum fines per loca navibus accessibilia caedibus et incendiis atque rapinis crudeliter vastabant, congregati de regionibus, per quas praedandi cupiditate dispersi fuerant, in patrim suam reversi sunt.
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seitig um: „So rächte Gott die Frevel wider seine Heiligen und zahlte seinen Widersachern den verdienten Lohn für ihre Taten.“363 Reginher, „der Fürst dieser Verbrecher, der die Christen und die heiligen Orte ausgeplündert hatte“ (princeps scelaratorum, qui Cristianos et loca sancta predaverat), so kommentieren die Annales Xantenses, starb Domino percutiente,364 und Prudentius von Troyes zufolge wurden die wieder mit den Sünden der Christen erklärten heidnischen Angreifer an der Seine unter ihrem König Horich nach der Plünderung eines Klosters durch Gottesurteil blind oder wahnsinnig, „damit sie den allmächtigen und vorhersehenden Gott nicht ungestraft einer mangelnden Vorsehung oder Ohnmacht bezichtigten“.365 Bei der Belagerung von Paris haben, wie die Annales Vedastini mehrfach betonen, „die Christen“ (christiani) den Turm viriliter verteidigt, tapfer gekämpft und gesiegt; die Gefangennahme der Turmbesatzung geschah hingegen „zur Schande der Christen“ (ad obprobrium Christianorum);366 als die Bewohner jedoch Gott anriefen, wurden sie befreit.367 Domino illis reddente, schlug der „Babenberger“ Heinrich die Normannen in die Flucht.368 Nach Adam von Bremen haben die Ungarn die Kirchen in Bremen in Brand gesteckt, Priester vor den Altären erschlagen, Geistlichkeit und Volk ermordet oder versklavt. „Sogar Kreuze wurden von den Heiden verstümmelt und verhöhnt.“ Gott aber ließ die increduli erneut nicht ungestraft davonkommen: Ein Sturm wehte die Kirchenschindeln den Heiden ins Gesicht, so daß sie flohen.369 Mit dem Normannensieg Arnulfs bei Löwen gegen die Normannen rächte
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Ebd. S. 45: Domino sanctorum suorum iniurias ulciscente et adversariis digna factis retribuente. Annales Xantenses a. 845, ed. Bernhard von Simson, MGH SSrG 12, HannoverLeipzig 1909, S. 14. Annales Bertiniani (Prudentius von Troyes) a. 845, S. 50f.: Sed licet peccatis nostris diuinae bonitatis aequitas nimium offensa taliter christianorum terras et regna attriuerit, ne tamen etiam pagani inprouidentiae aut certe inpotentiae Dominum omnipotentissimum ac prouidentissimum inpune diuitus insimularent, cum a quodam monasterio direpto incensoque oneratis nauibus repedarent, ita diuino iudicio uel tenebris caecati uel insania sunt perculsi ut uix perpauci euaderent, qui Dei potentiam caeteris nuntiarent. Annales Vedastini a. 885/886, ed. Bernhard von Simson, MGH SSrG 12, HannoverLeipzig 1909, S. 58f. Ebd. a. 886, S. 61. So Annales Fuldenses a. 884, S. 101. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,53, S. 54.
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Gott das Blut seiner Diener (der Christen), das 70 Jahre lang geflossen war. In dieser „von Gott geführten Schlacht“ (bellum celitus administratum), sollen nach Adam 100000 Heiden, aber kaum ein einziger Christ gefallen sein!370 Der religiöse Gegensatz und die Zuversicht der Christen klingen auch dann an, wenn, gemäß dem oben dargestellten christlichen Geschichtsbewußtsein, Deo propitiante ein Erfolg über die Normannen zu berichten ist (wie der Sieg des westfränkischen Königs Ludwig bei Thiméon)371 oder den Normannen die abermalige Einnahme von Paris, Deo opem ferente, nicht mehr gelang.372 Ganz ähnlich stellt Liutprand von Cremona die heidnischen Ungarn den Christen373 oder die Christicolae den idololatres gegenüber.374 „Deshalb führen sie das Heer der Christen, vom Eifer göttlichen Nacheiferns entfacht, in den Krieg,“ bestimmt das Konzil von Tribur 895, „und vertrauen auf den, der sagt: ‚Geht ihr in den Kampf, ich streite für euch.‘ Es kam zu einem Treffen zwischen Christen und Heiden; tapfer kämpften diese für den Glauben, jene gegen den Glauben.“375
Die letzte Wendung besagt deutlich, daß die christlichen Autoren solche Kämpfe nicht als Auseinandersetzungen zwischen zwei Religionen, sondern als Kampf für ihren (einzig wahren) Glauben wahrnahmen. Krieg gegen Heiden (und nur gegen Heiden) ist nach einem Brief Papst Nikolaus’ I. daher ausdrücklich erlaubt (im Gegensatz zum Krieg gegen Christen).376 „Wenn es doch für den irdischen König erlaubt ist, dann soll es 370 371 372 373
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Ebd. 1,47, S. 47. So Regino von Prüm, Chronicon a. 879, S. 115. Ebd. a. 889, S. 133. Vgl. Liutprand von Cremona, Antapodosis 2,11, ed. Paolo Chiesa, CCM 156, Turnhout 1998, S. 40: Cumque pagani Christianorum animos hoc pacto mulcere nequirent. Als die Christen die Nachhut erreichten, kam es zu einer Schlacht, in der die Heiden (pagani) siegten (ebd. 2,12, S. 40). Christiani – pagani/Hungari auch ebd. 2,15, S. 42. Ebd. 2,13, S. 40f. MGH Capit. 2, ed. Alfred Boretius und Viktor Krause, MGH Capit. 2, Hannover 1897, Nr. 252 (A), c. 34, S. 233: Quapropter zelo divinae emulationis accensus christianorum exercitus procedunt ad bellum confidentes in eum, qui dixit: ‚Vos ad certamen acceditis, ego praelior pro vonis‘; fit conventus christianorum et paganorum; fortiter dimicant isti pro fide, illi contra fidem. Nikolaus I., ep. 155, S. 671: Homicidae autem post peractam poenitentiam arma non sumant nisi contra paganos; ep. 156, S. 673: Arma gerere non audeant vel sumere nisi contra paganos et, ubicumque ire maluerint, nullo vehiculo deducantur, sed pedestri
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für den himmlischen König nicht erlaubt sein? Was für den Staat erlaubt ist, soll für die Gerechtigkeit nicht erlaubt sein?“ fragt Bonizo von Sutri, indem er den Kampf gegen Häretiker aus dem (erlaubten) Heidenkampf rechtfertigt.377 Heiden müssen erschlagen werden, da ihre Bosheit nicht endet, hatte schon Beda Venerabilis gefordert.378 Burgen gegen Heiden zu errichten ist daher kein Frevel, verkündet noch Bruno von Merseburg in seinem ‚Buch vom Sachsenkrieg‘ (nämlich im Gegensatz zu Burgen im Innern), um damit den Burgenbau Heinrichs IV. zu kritisieren.379 Das Heidentum spornte geradezu zur Gegenwehr an: In seiner Rede Arnulfs an sein Heer vor der Normannenschlacht an der Dyle (891) rief der Kaiser zur Verteidigung der Heimat auf und ließ sein Heer Mut schöpfen, indem er an das Heidentum der Feinde und an deren Untaten – die Feinde sind sceleris factores – gegenüber den eigenen Vorfahren erinnerte.380 Das mögen vage Hinweise sein, sie belegen jedoch immerhin, daß der religiöse
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more proficisci studeant; ebenso ebd. S. 676; ep. 168, S. 688: Arma non ferat nisi contra paganos; ebd. ep. 139, S. 659: arma non sumat nisi contra paganos. Kleriker dürfen allerdings auch keine Heiden umbringen, wie der Papst mehrfach betont, zum Beispiel ep. 104, S. 613. Bonizo von Sutri, Liber ad amicum 9, ed. Ernst Dümmler, MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 618: Et cum sint quedam officia, ad que redire post baptisma … [eventuell ist hier etwas ausgefallen] sub gentilibus ducibus militasse; que si licuit pro terreno rege, non licebit pro celesti? si licuit pro re publica, non licebit pro iusticia? si licuit contra barbaros, non licebit contra hereticos? Beda Venerabilis, Expositio Apocalypseos 2,14,9, ed. Roger Gryson, CCL 121A, Turnhout 2001, S. 359: Quia falsos christianos et hereticos descripserat, nunc, ut corpus omne diaboli circumscribat, gentilium quoque commemorat errorem, quibus nihil prodest his plagis non occidi, cum constet eos in gentili tunc quoque perdurare malitia. Neque enim in illa persecutione cogentur gentiles supra dictis consentire, sed in sua incredulitate morientur. Brunos Buch vom Sachsenkrieg 25, ed. Hans-Eberhard Lohmann, MGH Dt. MA 2, Leipzig 1937, S. 29 (Rede Ottos von Northeim zu Hoetensleben vor dem Heer: Quae castella cum non contra paganos, qui nostram terram, quae sibi confinis est, totam vastaverunt, sint fabricata, sed in medio terrae nostrae, ubi nemo ei umquam bella cogitabat inferre. Annales Fuldenses, Continuatio Ratisbonensis a. 891, S. 120: inspirate animis, si ab inimicis quandoquidem more paganissimo furentibus pium sanguinem parentum vestrorum effusum vindicari recolitis et sacra sub honore sanctorum creatoris vestri templa eversa iam in patria vestra cernitis, ministros eciam Dei summo gradu consistentes prostratos videtis.
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Gegensatz den Autoren trotz ihrer gentilen Perspektive nicht nur durchweg bewußt war, sondern auch ein Motiv und eine Legitimation zur Gegenwehr darstellte. Er konnte auch andere Verhaltensformen bedingen. In dieser Schlacht an der Dyle erhoben die Christen nämlich ein Schlachtgeschrei bis an den Himmel, während die Heiden nicht weniger laut nach ihrer Sitte schrien und ihre „fürchterlichen Feldzeichen“ im Lager umhertrugen.381 Es ist bezeichnend für das christliche Selbstverständnis, daß man mit der Zerstörung heidnischer Idole deren Ohnmacht beweisen will, trotz eigener Rückschläge aber Gottes Macht nie in Frage stellt.
e. Heiden in der Heilsgeschichte Dennoch wurden Heiden nicht nur als Strafe Gottes an den sündigen Christen in die geschichtstheologischen Vorstellungen vom Ablauf der Geschichte als Heilsgeschichte integriert. Man suchte auch nach dem historisch-heilsgeschichtlichen Ursprung des Heidentums – die ersten Menschen waren ja keine Heiden, sondern gottgläubig – und fand ihn in Noahs Enkel und Hams Sohn Kusch. „Es hatte nun Noah nach der Sintflut drei Söhne: Sem, Ham und Japhet,“ schreibt Gregor von Tours: „Von Japhet gingen Völker aus, und ebenso von Ham und von Sem. Und wie die alte Geschichte [das Alte Testament] besagt, ‚wurde von ihnen das Menschengeschlecht unter dem ganzen Himmel verbreitet‘ (Gen 9,19). Der Erstgeborene Hams aber war Kusch. Dieser erfand auf Eingebung des Teufels alle Zauberkunst und war der erste Erfinder des Götzendienstes. Er stellte sich auf Eingebung des Teufels als erster ein Bild auf, um es anzubeten; auch zeigte er den Menschen durch falsche Wunderkraft, wie Sterne und Feuer vom Himmel fallen. Dann ging er zu den Persern, die ihn Zoroaster nannten, das heißt lebendiger Stern. Von ihm lernten sie das Feuer anbeten, und sie verehrten ihn selbst, den Feuer vom Himmel verzehrt hat, als Gott.“382 381
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Ebd. a. 891, S. 120: Clamor a christianis in celum attollitur, nec minus pagani more suo clamantes, signa horribilia per castra movebantur. Gregor von Tours, Historiae 1,5, S. 7, in Anlehnung an, aber auch in Abwandlung von Augustinus, De civitate Dei 16,3, S. 501–504, und 21,14, S. 780: De Iafeth egressae sunt gentes, similiter et de Cham sive de Sem. Et, sicut ait vetus historia, ab his dissiminatum est genus humanum sub universo caelo. Primogenitus vero Cham Chus. Hic fuit totius artis magicae, inbuente diabolo, et primus idolatriae adinventor. Hic primus staticulum adorandum diabuli instigatione constituit; qui et stellas et ignem de caelo cadere falsa vertute hominibus ostendebat. Hic ad Persas transiit. Hunc Persi vocitavere Zoroastren, id est viventem stelam. Ab hoc etiam ignem adorare consuiti, ipsum divinitus ignem consumptum ut deum colunt.
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Götzenkult und Zauberei machen hier das Heidentum aus. Beide sind Teufelswerk. Heidentum aber wird zugleich „geschichtlich“ gedeutet, indem Gregor ihm einen Ursprung gibt, den er erst nach der Sintflut ansetzt (und dabei zugleich biblische und orientalische Überlieferungen verknüpft). Das Heidentum, so betont Salvian, ist jedenfalls älter als die Häresie.383 Bonifatius schreibt die Anfänge des Heidentums Magog (einem Enkel Noahs und Sohn Japhets) zu.384 Nach Beda wurden Heiden und Gläubige erst zu Beginn des dritten Weltalters voneinander getrennt,385 und im 12. Jahrhundert setzt auch Honorius den Beginn des Heidentums entsprechend zur Zeit Abrahams mit Babel und Ninus (dem ersten Weltreich) an, der seinen Vater als Gott verehren ließ.386 Walahfrid Strabo wiederum verfolgt eine entwicklungsgeschichtliche Linie: Am Anfang (primis temporibus) gab es sowohl Verehrer des wahren Gottes (veri Dei cultores) als auch Dämonenverehrer (daemonum veneratores). Dann überredeten die Dämonen die Menschen, das Bild des incorruptibilis Deus zur Schmach des Schöpfers gegen ein Ebenbild corruptibilis hominis und Bilder von Vögeln, Vierfüßlern und Schlangen zu vertauschen und statt des Schöpfers Geschöpfe zu verehren. Folgerichtig errichtete man Tempel und brachte sogar Menschenopfer dar.387 Hingegen lehrt Isidor von Sevilla auf der Grundlage der antiken Mythologie, daß das erste Götzenbild dem Prometheus errichtet worden sei und sich erst von da an die Kunst ausgebreitet habe, Götzenbilder und Statuen anzuferti-
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Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 4,14,67, ed. Lagarrigue S. 286; ed. Halm, S. 49: Nam cum omnes, ut iam ante diximus, barbari aut pagani sint aut haeretici, ut de paganis, quia prior illorum error est. Bonifatius, Carmina 2, v. 14, ed. Ernst Dümmler, MGH Poetae 1, Berlin 1881, S. 16: Omnes gentiles, impia origo Magog. Beda Venerabilis, In principium Genesis usque ad natiuitatem Isaac I,2,3, ed. Charles W. Jones, CCL 118 A, Turnhout 1967, S. 36: et aetatis initio tertiae separatis in loca sua gentibus, idololatris quarum error instabilis et uanis simulacrorum doctrinis tamquam uentis omnibus mobilis maris nomine bene significatur, semen patriarcharum ab eorum societate diremptum est ac spiritali fruge fecundatum. Honorius Augustodunensis, Elucidarium 2,75, ed. Yves Lefèvre, Paris 1954 (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 180), S. 433. Walahfrid Strabo, De exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum 2, MGH Capit. 2, S. 476. Gerhoh von Reichersberg, Expositiones in psalmos continuatio. Pars Nona, Ps. 105, Migne PL 194, Sp. 660 A, glaubt sogar, daß Heiden ihren Göttern kleine Kinder opferten: Pagani, et maxime magi solebant parvulos infantes diis suis sacrificare, et illorum sanguine responsa accipere.
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gen.388 Die Ursprünge des Heidentums interessieren die Autoren also vielfach, während die Antworten doch sehr unterschiedlich ausfallen. Heiden haben ganze Epochen der Heilsgeschichte bestimmt. Da sie (nach Isidor) das Gesetz nicht kennen, liegt es nahe, sie mit der Epoche des Naturgesetzes in Verbindung zu bringen, bevor Gott den Juden durch Moses das göttliche Gesetz gab und den Juden das Alte Testament als Richtschnur offenbarte.389 Die Heiden hingegen verharrten auf der Stufe des Naturgesetzes. So setzt Anselm von Havelberg in seiner Lehre zweier, jeweils von großen Naturerscheinungen begleiteter „Übergänge“ (transpositiones) unter Betonung der Bundes- (und Religions-)Symbole den ersten Einschnitt mit dem Übergang von den Götzen zum Gesetz (ab idolis ad legem) unter dem Zeichen der Beschneidung an, das aus Heiden Juden machte. Der zweite Übergang erfolgte mit Christus vom Gesetz zum Evangelium (a lege ad evangelium) unter dem Zeichen der Taufe, das aus den Juden Christen machte.390 Die Juden vor Christus wurden dadurch zwar zum Gottesvolk, doch politisch, im Spiegel der Weltreichslehre, waren in dieser ganzen Epoche und weit darüber hinaus die Heiden bestimmend, wie es beispielsweise Augustin im 5. und wieder Otto von Freising im 12. Jahrhundert im Rahmen ihrer Civitas-Lehre vermerken: Bis Christus bzw. bis Konstantin und Theodosius, mit denen Otto die entscheidende Zäsur ansetzt, pilgerte der „Gottesstaat“ unter der Herrschaft der Heiden.391 Erst mit der Christianisierung des 388
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Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,11,8, S. 328: Gentiles autem primum Prometheum simulacrum hominum de luto finxisse perhibent, ab eoque natam esse artem simulacra et statuas fingendi. Vgl. etwa Beda Venerabilis, Expositio in s. Iohannis evangelium 12, Migne PL 92, Sp. 784 CD; Hugo von St. Viktor, De sacramentis Christianae fidei 1,8,11, ed. Migne Sp. 313; ed. Berndt S. 203f.; Honorius Augustodunensis, Sacramentarium 1, Migne PL 172, Sp. 739 BC; 47, Sp. 771 C. Anselm von Havelberg, Dialogi 1,5, Migne PL 188, Sp. 1147 BC; ed. Gaston Salet (Sources chrétiennes 118), Paris 1966, S. 58: Notandum est autem quod duae transpositiones factae sunt famosae vitae, et famosae religionis, quae etiam duo Testamenta vocantur, et utraque cum attestatione terrae motus propter ipsarum rerum magnitudinem. Haec quidem facta est ab idolis ad legem, ubi tonitrua et fulgura, et nubes densissima, et clangor buccinae et terribilis strepitus. Haec autem a lege ad Evangelium, ubi terraemotus factus est magnus, sol obscuratus, petrae scissae, monumenta aperta, claustra inferni confracta sunt. Vgl. etwa den Überblick über die Entwicklung der civitates bei Otto von Freising, Chronica 4,4, S. 188–191; zu den Epochen der frühen Kirchengeschichte und deren Verfolgung zunächst durch die heidnischen Kaiser, dann durch die heuchlerischen
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Römischen Reiches übernahmen die Christen auch die weltliche Herrschaft. Zuvor aber hatte es mit den Christenverfolgungen durch die römischen Kaiser auch in der frühen Kirchengeschichte eine Epoche gegeben, in der die Heiden (noch) dominierten. Nach den symbolistischen, etwa an die vier Nachtwachen, die vier Tempelbauten in Jerusalem, die sieben Siegel oder die sieben Pferde der Apokalypse angelehnten Epochengliederungen des sogenannten Symbolismus im 12. Jahrhundert 392 war sie allerdings nicht eigentlich von den Heiden selbst, sondern – ekklesiologisch – von den aus den heidnischen Verfolgungen erwachsenen Märtyrern geprägt. Danach aber wurden die Heiden, geschichtstheologisch betrachtet, bedeutungslos. Nicht daß es zu seiner Zeit keine nichtchristlichen Reiche mehr gebe, meint Otto von Freising zur Zeit der Kreuzzüge; sie seien jedoch nicht nur heilsgeschichtlich, sondern auch politisch inzwischen vollkommen bedeutungslos geworden: „Zwar besteht weiterhin eine civitas der ungläubigen Juden und Heiden, doch da wir [die Christen] die bedeutenderen Reiche innehaben, während jene nicht nur vor Gott, sondern auch vor der Welt unbedeutend geworden sind, lassen sich kaum von ihnen ausgeführte Taten finden, die es wert wären, aufgeschrieben und der Nachwelt überliefert zu werden.“393
Solche Äußerungen belegen erneut ein christliches Auserwählheits- und Fortschrittsdenken. Am Ende der Zeiten aber, so glaubt (nicht nur) Gregor von Tours, werde der Antichrist wieder die Beschneidung einführen und im
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Häretiker und schließlich durch die Heuchler ebd. 8,1, S. 393. Vgl. dazu Hans-Werner Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts (Beihefte zum AKG 19), Köln-Wien 1984, S. 195ff. und 225ff. Vgl. etwa Gerhoh von Reichersberg, De quarta vigilia noctis 11, S. 509ff.; Ders., De investigatione Antichristi 1,13ff., ebd. S. 320ff.; Anselm von Havelberg, Dialogi 1,7ff., ed. Migne Sp. 1149ff.; ed. Salet S. 68ff. Vgl. dazu Wolfgang Beinert, Die Kirche – Gottes Heil in der Welt. Die Lehre von der Kirche nach den Schriften des Rupert von Deutz, Honorius Augustodunensis und Gerhoch von Reichersberg. Ein Beitrag zur Ekklesiologie des 12. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters n.F. 13), Münster 1973, besonders S. 321–350. Otto von Freising, Chronica 5 prol., S. 228: Manet tamen adhuc perfida Iudeorum infidelium et gentilium civitas, sed regnis nobilioribus a nostris possessis, illis iam non solum ad Deum, sed et ad seculum ignobilibus, vix aliqua ab eis gesta stilo digna vel posteris commendanda inveniuntur.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Tempel zu Jerusalem seine Götzenstatue errichten, damit man sie verehre.394 Vor dem Jüngsten Gericht erwartete man damit einen Rückfall ins Judentum und Heidentum.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden Welche Vorstellungen von den Heiden stehen nun hinter den missionarischen Aktionen und Zwangsaktionen der Christen?395 Was sind die wesentlichen Kennzeichen des Heidentums aus christlicher Sicht? Daß dieser ein bestimmtes Heidenbild zugrunde liegt und die Berichte prägt, ist in den obigen Ausführungen bereits deutlich geworden, während es im einzelnen höchst unsicher bleibt, welchen Realitätscharakter die Beschreibungen besitzen, denn letztlich wollen die christlichen Berichterstatter nicht die Bräuche und Vorstellungen der Heiden schildern, die vielmehr als Kontrast zur christlichen Welt dienen396 (wie einst das Barbarenbild der Römer deren Zivilisation herausstellen wollte). So ist es bemerkenswert, daß Beda in seiner Bekehrungsgeschichte der Angelsachsen (oder eigentlich: Britanniens) ausführlich über die „Bekehrung“ und das christliche Leben,397 aber kaum oder nur indirekt über das (ehemalige) Heidentum der Bekehrten berichtet, das ihn letztlich nicht interessiert.398 In der Vita Wilfrieds von York steht der Missionar den heidnischen (gentiles) Ostsachsen (Essex) gegenüber; der heidnische Oberpriester (princeps sacerdotum idolatriae!) verfluchte, auf einem hohen (Grab-?)Hügel stehend, das „Gottesvolk“ (populum Dei) und suchte 394
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Gregor von Tours, Historiae 1 prol., S. 4f.: Antechristus vero primum circumcisionem inducit, se asserens Christum, deinde in templo Hierusolimis statuam suam collocat adorandam. Vgl. Mohr, Wissen über die Anderen S. 119–133, dem es allerdings mehr um Völker und um das „Wissen über die paganen Fremden“ als um das Heidenbild geht und der dazu insgesamt eher spärliche Hinweise findet. So von Padberg, Christen und Heiden S. 295. Nach dem Realitätsgehalt der Nachrichten aus dem Bonifatiuskreis fragt gleichwohl jetzt wieder Krutzler, Kult und Tabu, der zwar die Stereotypie erkennt, aber trotzdem an der Glaubwürdigkeit der Hinweise festhält. Zum Heidentum ebd. S. 64ff. So enthält die Hälfte des ersten Buches von Papst Gregor eingeholte Vorschriften für christlichen Lebenswandel. So auch Richard Gameson, Augustine of Canterbury: Context and Achievement, in: Ders. (Hg.), St. Augustine S. 1–40.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
mit magischen Riten die Hände der Christen zu binden.399 Ob sich das tatsächlich in dieser Weise ereignet hat, wird sich kaum überprüfen (und durchaus bezweifeln) lassen. Hingegen läßt der Bericht deutlich erkennen, womit sich Heidentum für den Autor, Stephanus, verbindet, nämlich mit Götzendienst, Priestertum, magischen Handlungen und Haß auf die Eindringlinge, die den Heiden ihren Glauben streitig machen wollen. Bezeichnender als die nur scheinbar wirklichkeitsnahen Schilderungen sind darüber hinaus auch in diesem Bericht die Anspielungen auf biblische Parallelen (Pharao, Balaam, more Davidico, sicut Goliad), die den ganzen Text durchziehen: Man nimmt die Heiden der Gegenwart also mit den Vorstellungen der Bibel wahr. Die christliche Wahrnehmung der Heiden ist demnach von vornherein von christlichen Vorstellungen durchdrungen. Das schließt Differenzierungen allerdings nicht aus. Daher ist nicht nur zu fragen, wie realitätsnah oder, umgekehrt, wie stereotyp dieses Heidenbild eigentlich ist, sondern auch zu erkunden, wieweit Heiden per se von ihrer Religion her wahrgenommen werden.
a. Volk oder Religion? Ethnische und religiöse Charakterisierungen im Widerstreit „Heiden“ ist zwar ein von vornherein religiös konnotierter Begriff, die gebräuchlichen mittelalterlichen Termini selbst, pagani und gentiles (oder gar gentes), aber entstammen, wie oben schon dargelegt, ganz anderen Wurzeln und sind erst in frühchristlicher und spätantiker Zeit zu Standardbezeichnungen der Heiden geworden. Dem entspricht auch der hebräisch-alttestamentliche Gebrauch, der eben die „Völker“ (gôjim) von den Israeliten abgrenzt, und der griechische und lateinische Sprachgebrauch übernehmen das (mit eJnikoi/ethnikoi und der lateinischen Entsprechung gentiles). Der Begrifflichkeit zufolge aber waren Heiden schlichtweg Ungläubige: infideles, impii oder increduli 400 und damit eindeutig religiös verortet. Der Missionar Aidan sollte die Angelsachsen, wenn sie noch ungläubig (infideles) wären, zum Sakrament des Glaubens einladen oder aber, falls sie schon
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Stephanus, Vita Wilfridi I. episcopi Eboracensis 13, S. 207. Vgl. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,23, S. 194 (incredulamque gentem); ebd. 1,27, S. 216 (in infidelitate essent); Altfrid, Vita Liudgeri 1,14, S. 19 (zu den Sachsen: paganis fuscabantur ritibus); ebd. 1,15, S. 19 (impii Saxones).
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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gläubig waren, in ihrem Glauben bestärken.401 Gläubige und Ungläubige werden hier (wie noch vielfach) strikt voneinander geschieden. Da den Heiden der wahre Glaube fehlt, sind sie ungläubig, unwissend, blind und im Irrtum befangen: „Jenes Volk war zu der Zeit im Irrtum der Ungläubigkeit blind,“ heißt es bei Altfrid über die Friesen, und es paßt folgerichtig in dieses Heidenbild, wenn ihr König kurz darauf als grausam (crudelis) charakterisiert wird.402 Immer wieder wird Heidentum als Irrtum bezeichnet.403 Die Ursache dafür liegt in mangelnder Einsicht und Erkenntnisfähigkeit. Nach Isidor und Beda fehlt ihnen jede Weisheit und jede Disziplin.404 Daß
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Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 3,5, S. 36: confestim ad hos diuertens uel ad fidei suscipiendae sacramentum, si infideles essent, inuitaret uel si fideles, in ipsa eos fide confortaret. Ganz ähnlich ebd. 3,19, S. 102, zur Mission des Furseus bei den Ostangeln: multos et exemplo uirtutis et incitamento sermonis uel incredulos ad Christum conuertit uel iam credentes amplius in fide atque amore Christi confirmauit. Vgl. auch Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 3,72, S. 219: Quam ob rem tractavit sedulo per se ipsum ingredi legationem illam, si quam necdum conversis posset gentibus afferre salutem aut iam conversis addere perfectionem. Vgl. Altfrid, Vita Liudgeri 1,1, S. 7: Set quia gens illa eo tempore in errore infidelitatis erat excaecata; Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 32: relicta ignorantiae caecitate. Vgl. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 4,25, S. 358: ad erratica idolatriae medicamina concurrebant; Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 34: Quorum quippe quam plurimi regulari se eius institutione subdiderunt populumque ab erratica gentilitatis profanatione plurimis in locis evocavere; ebd. 8, S. 47: erraneo gentilitatis more; Alkuin, Vita Willibrordi 1,11, S. 125: pessimo errore; ebd. 1,32, S. 140: et plurimos paganorum ab erroris iniquitate avertit; Vita Willehadi 4, S. 381: errores gentilium; Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 4,6, S. 118: cum adhuc gentilitatis errore tenerentur; Thietmar von Merseburg, Chronicon 4,55, S. 194, zu den Slawen: vario gentilitatis errore implicitum esse perspiceret; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,49, S. 110: qui populum converterent ab errore ydolatriae: Helmold von Bosau, Chronicon 1,3, S. 10: paganismi errores; ebd. 1,6, S. 16, zu den Ranen auf Rügen: Ibi fomes est errorum et sedes ydolatriae; Passio Christophori num. 150, str. 177, ed. Karl Strecker, MGH Poetae 4, Berlin 1923, S. 824: Ecce quos deos gentili vos errore colitis. Vgl. auch oben Anm. 12, 15, 16, 21, 37, 40, 57, 68, 78, 86, 87, 139, 140, 188, 193, 203, 212, 263, 278, 285, 345, 378 und 385. Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum 18,7, Migne PL 83, Sp. 368 D: Nihil enim mundum habent disciplinae gentilium, quia nulla apud infideles sapientia est cui immunditia aliqua vel superstitio non sit admixta. Danach nahezu wortgleich Beda Venerabilis, Explanatio in quintum librum Moisis 21, Migne PL 91, Sp. 389 D.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
das Bild der Christen von den Heiden in diesem Sinne kaum besonders positiv ist, wird nicht überraschen. Beda kennt sogar eine Steigerung, wenn er (im Hinblick auf das Volk der Ostangeln (Geuissi) von paganissimi spricht.405 Kam es in den Missionarsberichten von vornherein auf eine Gegenüberstellung des unterschiedlichen Glaubens an, so erscheint dieser Aspekt in den historiographischen Berichten auf den ersten Blick allerdings oft nebensächlich. Hier werden vielmehr vielfach die Volksbezeichnungen bevorzugt, auch wenn man um den heidnischen Glauben dieser Völker wußte. Selbst in den Auseinandersetzungen mit Heiden (wie in den Normanneneinfällen) wird der religiöse Gegensatz daher keineswegs durchweg hervorgekehrt; die Angriffe werden von vielen Chronisten weit eher als Einfälle fremder, feindlicher Völker beschrieben, so daß insgesamt eine „gentile Perspektive“, die Wahrnehmung der Fremden als Völker, vorherrscht.406 Demgegenüber bleibt es dennoch (oder gerade deshalb) bezeichnend, wenn unversehens dann doch von pagani oder gentiles die Rede ist, den Autoren der Religionsgegensatz also auch hier (natürlich) sehr bewußt bleibt und manchmal sogar in den Vordergrund tritt. Beides wird nicht als Gegensatz empfunden. Thegan spricht geradezu von nationes paganorum,407 Gregor VII. später vom „Volk der Heiden“, das sich gegen das christliche Reich stellt.408 Dabei stellen die frühmittelalterlichen Annalen und Chroniken Christen und Heiden, wie hier, einander (oder auch das fremde Volk den Christen) oft einfach pauschalisierend gegenüber.
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Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 3,7, S. 46. Zu diesem Ergebnis gelangt auch Mohr, Wissen über die Anderen S. 86f. und zusammenfassend S. 322, zum „gentilen Konzept“. Mohrs Arbeit zeigt, daß die religiöse Abgrenzung auch bei Heiden hinter die „gentile“ zurücktreten kann. Noch deutlicher wird das gegenüber dem Islam. Vgl. etwa Thegan, Gesta Hludowici imperatoris 14, ed. Ernst Tremp, MGH SSrG 64, Hannover 1995, S. 194. Gregor VII., ep. 1,49, S. 75: A quo sicut a plerisque aliis cognovimus, gentem paganorum contra christianum fortiter invaluisse imperium et miseranda crudelitate iam fere usque ad muros Constantinopolitane civitatis omnia devastasse et tyrannica violentia occupasse et multa milia christianorum quasi pecudes occidisse. Vgl. auch Gesta Manassis et Walcheri 5, ed. Ludwig Conrad Bethmann, MGH SS 7, Hannover 1846, S. 501: gentem videlicet paganorum, hoc est Hunorum, Normannorum et aliorum similium.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Während nun einige Quellen, wie die Annales Bertiniani,409 die Annales Fuldenses 410 oder die Annales Vedastini,411 zumeist nur von „Normannen“ oder „Sarazenen“ berichten, die nicht selten als Seeräuber bezeichnet werden,412 ohne diese je (oder nur ausnahmsweise)413 als Heiden zu kennzeichnen, betonen die Annales Xantenses eine eindeutig religiöse Gegenüberstellung, wenn sie über die Normanneneinfälle immer wieder mit Wendungen berichten wie: „Wiederum brachen in diesem Jahr die Heiden über die Christen herein.“414 Später heißt es: „In ungeheurer Überschwemmung kamen die schon oft genannten Heiden, indem sie überall die Kirchen Gottes zerstörten, den Rhein herauf bis nach Xanten und verheerten diesen berühmten Ort.“ 415 Der Kirche wird geradezu durch „die“ gentilitas Scha-
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Allein Hinkmar von Reims spricht in seinem Annalenteil 97mal von Nor(t)manni. Lediglich Nordmanni ohne Anspielung auf das Heidentum etwa Annales Fuldenses a. 836, S. 28; a. 837, S. 28; a. 845, S. 35; a. 847, S. 36; a. 850, S. 39f. und noch häufig, auch in den Fortsetzungen. Die Annales Vedastini verwenden Nortmanni 75mal, hingegen nirgends pagani, gentiles oder barbari. So vielfach auch die Chronik Reginos von Prüm; vgl. etwa a. 884, S. 121f. Die Belege sind zahlreich. Vgl. etwa Annales Bertiniani a. 846, S. 51; a. 851, S. 63; a. 854, S. 70, und öfter; Rimbert, Vita Anskarii 27, S. 58; ebd. 31, S. 63; Annales Vedastini a. 876, S. 41; Thietmar von Merseburg, Chronicon 4,19, S. 155 (a piratis capti sunt); ebd. 4,24, S. 158 (piratarum turba); Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,15, S. 20; ebd. 1,18, S. 25; 1,21, S. 27 (und öfter). So Annales Bertiniani (Prudentius von Troyes) a. 845, S. 50f. Ansonsten wird der Begriff pagani in diesen Annalen (an insgesamt 15 Stellen) fast durchweg allgemein, gentiles überhaupt nicht gebraucht. So Annales Xantenses a. 836, S. 10: Iterum eodem anno pagani Christianos invaserunt; ähnlich ebd. a. 834, S. 9: Interea […] inruerunt pagani in vicum nominatissimum Dorestatum eumque inmani crudelitate vastaverunt; ebd. a. 835, S. 9f.: Interim autem iterum invaserunt pagani partes Frisiae, et interfecta est de paganis non minima multitudo; ebd. a. 837, S. 10: et pagani vastaverunt Walicrum multasque feminas inde abduxerunt captivas cum infinita diversi generis pecunia; ebd. a. 868, S. 26: Pagani quoque iterum Hiberniam atque Fresiam crudeliter vastaverunt. Vgl. auch ebd. a. 845, S. 14: gentiles Christianos invaserunt; ebd.: Quod gentiles cum cognovissent, e contra legatos direxerunt in Saxoniam, et miserunt ei munera et obsides et petierunt pacem. Ebd. a. 864, S. 20: Nimia inundatione aquarum pagani sepe iam dicti aecclesiam undique vastantes per alveum Reni fluminis ad Sanctos usque pervenerunt et locum opinatissimum vastaverunt.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
den zugefügt.416 Pagani und gentiles werden dabei wiederum völlig unterschiedslos gebraucht.417 „Grausamste heidnische Piraten“ nennt auch Lupus von Ferrières die Verderben bringenden Normannen.418 Manchmal ist in den Xantener Annalen jedoch ebenfalls einfach von Norhtmanni die Rede,419 die gleichwohl den Christiani gegenübergestellt (und somit indirekt doch in ihrer Religion unterschieden) werden.420 Umgekehrt lassen auch die Annales Bertiniani erkennen, daß es sich bei den Normannen um Heiden handelt, wenn Hinkmar etwa von der Taufe einiger Normannen berichtet 421 oder die Handlungsweise der Normannen als more pagano charakterisiert.422 Durch die Gegenüberstellung mit „Christen“ geben auch die Annales Fuldenses und die Annales Vedastini mehrfach zu erkennen, daß sie den religiösen Gegensatz zwischen den (heidnischen) Normannen und den
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Ebd. a. 849, S. 16f.: Gentilitas vero consueto ab aquilone Christianitatem nocuit, magis magisque convaluit; sed fastidiosum est enarrare. Gentiles noch: ebd. a. 848, S. 16. Lupus von Ferrières, ep. 125, S. 105: Nam cum ad quandam insulam Saequanae pagani crudelissimi pyratae applicuissent, quae sita est sub Melleduni oppido ab aliis recens exusto, et eorum viciniam nobis, ut erat, periculosissimam, nisi Dei miseratio subveniret, duceremus, nec in monasterio consistere audebamus nec quo migrare possemus, depressi aerumna tantae calamitatis, inveniebamus. Annales Xantenses a. 846, S. 15. Ebd. a. 847, S. 16: De cetero Nordmanni Christianos hinc inde vastaverunt; a. 854, S. 18; a. 856, S. 18; Annales regni Francorum a. 776, S. 44–46: cum bellum praeparassent adversus christianos […] Et cum hoc signum vidissent pagani […]; Annales Bertiniani a. 881, S. 245: quod magis ad munimen paganorum quam ad auxilium christianorum factum fuit. Umgekehrt kämpfen die „Heiden“ (pagani) gegen die nicht religiös, sondern ethnisch-territorial bezeichneten „Gallier“ (Annales Xantenses a. 867, S. 24f.). Vgl. auch Liutprand von Cremona, Antapodosis 2,13, S. 40: Veneruntque christicolae cum idololatribus pariter iuxta fluvium Brentam; ebd. 2,15, S. 42: Fugiunt itaque christiani saeviuntque pagani; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,38, S. 40: et quam late pagani super christianos extenderint potentiam suam; ebd. 1,39, S. 43: Nortmanni […] miserabili cede christianos obtruncarunt; ebd. 1,47, S. 47: Siquidem centum milibus paganorum prostratis vix unus de christianis cecidisse repertus est. Annales Bertiniani a. 876 (Hinkmar von Reims), S. 206: Interea baptizati sunt quidam Normanni. Ebd.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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christlichen Franken durchaus wahrgenommen haben: 423 So zerstörten die Normannen die Kirche und töteten „das christliche Volk“ oder nahmen es gefangen.424 Der religiöse Gegensatz ist also durchweg bewußt. Entscheidend und immer wieder herausgestellt wird aber die Bedrohung durch die Heiden.425 „Überall erheben sich Kriege,“ so klagt das Konzil von Tribur 895, „wüten die Feinde, verfolgt das feindliche Volk (gens) der Heiden das Volk (populus)
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Vgl. Annales Fuldenses a. 884, S. 100f.: Nordmanni Saxones invadere temptaverunt; […] sed tamen adiuvante Domino christiani optinuere victoriam; ebd. S. 101: Tandem christianis in unum congregatis; ebd. a. 885, S. 102f.; ebd. Cont. a. 885, S. 103; ebd. a. 900, S. 135 (die beiden letzten Stellen beziehen sich auf Ungarn); Annales Vedastini a. 886, S. 61 (Dani/Nortmanni – Christiani). Nach der Fortsetzung der Fuldaer Annalen ärgerte sich das Heer über den Kaiser (Karl III.), der die Normannen begünstigte und befahl, diejenigen, die einen Normannen „aus Eifer für Gott“ töteten, hinrichten zu lassen (a. 882, S. 99). Vgl. auch Regino von Prüm, Chronicon a. 867, S. 92: turbam paganorum; ebd. a. 873, S. 106: paganorum valida manus; ebd. a. 881, S. 117 (Nortmanni – pagani); ebenso ebd. a. 882, S. 119; ebd. a. 891, S. 137, zur Schlacht an der Geule: christianorum exercitus. Das Heer der Christen floh, peccatis facientibus. Annales Vedastini a. 879, S. 45: Nortmanni vero non cessant devastari aecclesiam populumque Christianum interfici captivarique. Ähnlich ebd. a. 880, S. 48: non cessant aecclesias igne cremari populumque Christianum iugulari; a. 884, S. 54: Nortmanni vero non cessant captivari atque interfici populum Christianum atque aecclesias subrui; a. 885, S. 57: Tunc Nortmanni sevire coeperunt incendiis, occisionibus sitientes, populumque Christianum necant, captivant, aecclesias subruunt, nullo resistente. Vgl. etwa Annales Bertiniani (Hinkmar von Reims) a. 873, S. 190; ebd. a. 876, S. 204; mehrfach, zumeist auf die Sarazenen bezogen, auch in den Papstbriefen; vgl. Nikolaus I., ep. 57, S. 356 (paganorum crebris […] infestationibus); ep. 71, S. 395 (paganorum persecutionibus); Hadrian II., ep. 8, ed. Ernst Perels, MGH Epp. 6, Berlin 1925, S. 707 (paganorum persecutione); ep. 9, S. 709 (cuneos barbarorum; quam a piratis insecutionem pateris; quem inter furentium paganorum manus et gladios confessus es); ep. 34, S. 739 (paganorum vastatio); ep. 34, S. 739 (propter persecutionem paganorum); ep. 35, S. 742 (paganorum vastatio); ep. 35, S. 742 (propter persecutionem paganorum); ep. 36, S. 744 (paganorum vastatio; propter persecutionem paganorum); auf Normannen bezogen: Epistolae ad divortium Lotharii II pertinentes 7, S. 218 (infestationem paganorum); ep. 8, S. 220 (inter saevissimas paganorum pressuras denissimasque perversorum christianorum); ähnlich auch Johannes VIII., Registrum, ep. 56, S. 51; ep. 68, S. 62; ep. 74, S. 70; ep. 78, S. 74; ep. 89, S. 85; ep. 176, S. 141; ep. 178, S. 143; ep. 180, S. 144: ep. 186, S. 148; ep. 187, S. 149; ep. 205, S. 165; ep. 214, S. 192.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
der Christen“ (und sieht damit die biblische Prophezeiung von Lc 21,10 erfüllt).426 Überall spüren die Christen jetzt die Bedrängnis, klagt Hrabanus Maurus sogar in seinem Genesiskommentar, und die Heiden tragen den Ruhm in irdischer Tapferkeit davon.427 Die Heiden (gentiles) schaden gewohnheitsgemäß (ut consueverant) den Christen428 und bringen „unseren Reichen“ Verödung (desolatio).429 Die Christen aber müssen solche heidnischen und andere gottesfeindliche Einfälle „in gemeinsamer Liebe und mit einmütigem Willen für die Ehre und den Stand Gottes und der heiligen Kirche sowie für uns und unser Reich und zu unser aller Heil“ abwehren, um Frieden und Eintracht zu sichern,430 wie es die Vorfahren getan haben, nach außen mit den Waffen, nach innen aber mit ihrem starken Glauben.431 426
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Konzil von Tribur 895, MGH Capit. 2, Nr. 252 (A), S. 233: Undique bella consurgunt, hostes saeviunt, inimica gens paganorum insequitur populum christianorum; inpletum est enim, quod evangelica testatur historia: ‚Surget gens contra gentem et regnum adversus regnum‘ et cetera (Lc 21,10); et alibi scriptum est: ‚Pugnabit orbis terrarum pro eo contra insensatos‘ (Sap 5,21). Zur Bedrohung durch Normannen und Sarazenen vgl auch den Bericht zur Wahl Ludwigs von Arles 890, ebd. Nr. 289, S. 376f.: quomodo post gloriosissimi Karoli imperatoris obitum aliquamdiu sine rege et principe existens valde undique afflictaretur, non modo a propriis incolis, quos nulla dominationis virga cohercebat, sed etiam a paganis: quoniam ex una parte Normanni cuncta penitus devastantes insistebant, ex alia vero Sarrazeni Provinciam depopulantes terram in solitudinem redigebant. Hrabanus Maurus, Commentaria in Genesim 3,6, Migne PL 107, Sp. 576 B: Puer vero matri eius ac fratribus dona obtulit, quia gentilitas ex quo Ecclesia ad fidem venit, post conversionem eius in gloria temporali convaluit, sicut et nunc cernimus, quia ubique Christiani afflictionem sentiunt. Et gentiles quique in terrena virtute gloriantur. So Annales Xantenses a. 848, S. 16. So ebd. a. 862, S. 20. So im Kapitular von Pîtres von 869, MGH Capit. 2, Nr. 275, Adnuntiatio Karoli regis c. 3, S. 337: Et volumus atque iubemus, ut episcopi atque abbates, comites ac vassi nostri concordi dilectione et unanimi voluntate ad Dei et sanctae ecclesiae ac nostrum et regni nostri honorem et statum atque communem nostram salvationem decertare procurent, ut pax et iustitia et vera cum Dei voluntate concordia inter nos omnes et in regno nostro maneat et omnes ita sint semper parati, ut, si nobis necessitas evenerit, ad defensionem patriae contra paganos aut contra alios Dei et nostros inimicos, sicut consuetudo fuit tempore antecessorum nostrorum, absque mora statim, ut eis nuntiatum fuerit, possint venire. So Alkuin, ep. 93, S. 137: Nostrum est: secundum auxilium divinae pietatis sanctam undique Christi ecclesiam ab incursu paganorum et ab infidelium devastatione armis defendere foris, et intus catholicae fidei agnitione munire.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Dafür gibt es (historische) Vorbilder, an die immer wieder ebenso erinnert wird wie an das Gottesvertrauen. In christlichen Zeiten, schreibt Manegold von Lautenbach, haben die katholischen Herrscher viele Kriege gegen die Angriffe der Heiden geführt.432 Insgesamt zeichnet sich in Chroniken, Briefen, Kapitularien und Konzilstexten das Bild einer (militärischen) Konfrontation ab, das sich von hagiographischen Missionsberichten unterscheidet, denen zwar die Gefahr für die Missionare bewußt ist, während es ihnen in erster Linie um die Bekehrung (außerhalb des christlichen Herrschaftsbereichs) geht.
b. Stereotypes Heidenbild Wie stereotyp das Heidenbild des frühen Mittelalters trotz solcher Differenzierungen erscheint (und folglich Ausdruck einer festen Vorstellungswelt ist), ist in der Forschung immer wieder festgestellt worden: Es differenziert nicht, wenngleich mit einigen Ausnahmen, zwischen verschiedenen heidnischen Kulten, sondern gibt, im Hinblick auf die hier verfolgte Frage bezeichnenderweise (!), undifferenziert und wenig spezifisch die Vorstellung vom Heidentum an sich wieder 433 (während die heutige Forschung die Ansicht etwa von einem „pangermanischen Götterglauben“ längst aufgegeben hat 434 und
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Manegold von Lautenbach, Liber ad Gebehardum 49, S. 399: A christianis autem temporibus ne hoc quidem alienum cognoscit quisquis multa bella a catholicis principibus gesta contra gentilium infestationes evolverit, quorum gesta adeo Deo accepta probantur, ut aliqui tali certamine occisi a sancta et a catholica Dei ecclesia signis et miraculis probati pro martyribus habeantur. Vgl. Palmer, Defining paganism S. 403ff.; Ders., Anglo-Saxons in a Frankish World S. 113ff. Von Padberg, Mission und Christianisierung S. 33, spricht von einer distanziert wirkenden Art des Aufzählens heidnischer Gebräuche; Ders., Odin oder Christus, plädiert für ein vertieftes Verständnis des Polytheismus. Zum heutigen Wissen über die Religion der Germanen vgl. Bernhard Maier, Die Religion der Germanen. Götter – Mythen – Weltbild, München 2003. Die materialreichen älteren Standarddarstellungen von Wilhelm Grönbech, Kultur und Religion der Germanen, Darmstadt 121997 (dänische Erstausgabe 1909–1912; dt. zuerst 1937–1939), und Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte, 2. Bde., Berlin 1956/57, sind dadurch trotz ihres Materialreichtums weithin überholt. Den Versuch, synkretistische Züge in der germanischen Religion nachzuweisen (die wir aber nur aus christlicher Sicht kennen und die oft nur eine interpretatio Romana darstellen), unternimmt Reinhard Wenskus, Religion abâtardie. Materialien zum Synkretismus
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
zu Recht die Vielfalt und den Wandel heidnischer Religionen betont): Es gab „not […] a single paganism, but […] paganisms“; die sich ständig entwickelten.435 „‚Paganism‘ as a category is simply a Christian construct established to create a dichotomy between civilized, urban Christianity and the beliefs and practices of people in the countryside; it does not refer to a specific set of beliefs, but rather to an adherence to things which are not Christian.“436 (Gerade das bildet in der christlichen Wahrnehmung aber, wie noch zu zeigen sein wird, „a set of beliefs“.) Selbst in den inmitten der Missionssituation geschriebenen Briefen des Bonifatius, so Lutz von Padberg, ist keine Beschäftigung mit der Lebenssituation und Glaubensmentalität der Heiden festzustellen.437 Daß die Heiden keine Einheit bildeten, sondern ganz verschiedene Götter verehrten, wurde von den christlichen Zeitgenossen zwar gelegentlich wahrgenommen und war grundsätzlich bewußt,438 doch machte man tatsächlich wenig Unterschiede zwischen den verschiedenen Kulten, die gegenüber dem Christentum sämtlich gleichermaßen falsch und deren Anhänger folglich vom Seelenheil ausgeschlossen waren. In der gemeinsamen Abgrenzung erschienen sie den Christen vielmehr recht ähnlich oder sogar identisch und damit als eine einheitliche Religion.439 Dadurch konnte „das“ Heidentum bereits in der Spätantike, neben Judentum und Christentum, als eine von
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in der vorchristlichen politischen Theologie der Franken, in: Keller/Staubach (Hg.), Iconologia sacra S. 179–248. Vgl. Wood, Pagan Religion S. 264: „paganism was in a constant state of development“. Wood, Pagans and holy men S. 361, bezeichnet das Heidentum „as a set of social norms which appear to have been accepted by a considerable number of Germanic communities. It was this more mundane paganism which provided the context for missionary activity and determined the immediate possibilities and problems.“ So Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World S. 114. Von Padberg, Christen und Heiden S. 293. Vgl. Honorius Augustodunensis, Quaestiones et ad easdem responsiones in duos Salomonis libros proverbia et ecclesiasten 3, Migne PL 172, Sp. 337 B: Tempus enim spargendi lapides, fuit ante adventum Domini, quia gentiles non permanserunt in unitate fidei, sed recedentes a Deo, dispersi sunt, quia varios deos adorabant, et diversa loca [f. idola] colebant. Letzteres betont von Padberg, Christen und Heiden S. 294; Ders., Mission und Christianisierung S. 33.
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drei Weltreligionen betrachtet werden.440 Adam von Bremen fügt der Beschreibung der heidnischen Sitten der Sachsen zwanglos die Bemerkung an: „Slawen und Schweden bewahren offenbar heute noch solche heidnischen Bräuche.“441 Bezeichnend für die christliche Sichtweise ist die Aussage Bedas, zwar seien die Götter der einzelnen (Heiden-)Völker verschieden, doch gebe es letztlich nur ein und dieselbe „Norm der Ungläubigkeit“ (wie es nur einen richtigen Glauben gebe).442 Kultische Unterschiede waren für die christlichen Autoren daher nicht von besonderem Interesse, jede Art von Differenzierung erschien ihnen vielmehr belanglos. Demgegenüber hat Steffen Patzold allerdings einen Wandel der stereotypen Wahrnehmung bei solchen Autoren erkennen können, die durch eigene Missionserfahrungen in unmittelbarem Kontakt mit Heiden geraten.443 Missionare wie Liudger (in seiner Gregorvita) oder Rimbert (in seiner Ansgarvita) verzichten auf eine Betonung der Grausamkeit und Wildheit der Heiden, um statt dessen deren Bräuche näher zu beschreiben, die, wie bei Bonifatius, jedoch eher Bräuche des (jeweiligen) Volkes als solche der Heiden waren; die oft unterschiedslos gebrauchten Begriffe gentiles und gentes sind demnach hier nicht mehr 440
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Vgl. Schwinges, Wider Heiden und Dämonen S. 10, mit Berufung auf Vigilius von Thapsus, Dialogus contra Arianos 1,5, Migne PL 62, Sp. 157 D: Tres sunt in mundi religiones, Iudaeorum, paganorum et Christianorum. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,7, S. 9: Haec tulimus excerpta ex scriptis Einhardi de adventu, moribus et supersticione Saxonum, quam adhuc Sclavi et Sueones ritu paganico servare videntur. Beda Venerabilis, In Hexaemeron 3, Migne PL 91, Sp. 127 CD: quia non sicut una fidei, ita etiam una eademque infidelitatis est norma; sed unus Dominus, una fides, unum baptisma, unus Deus, in quo electorum salus est: multi autem Domini reproborum, diversi anfractus perfidiae, diversa pollutionum volutabra, diversi sunt dii gentium, quibus ad unum damnationis interitum omnes miseri pertrahuntur: quod bene utriusque illius civitatis figura significavit, cum, divisis in Babylonia linguis, nemo vocem proximi sui posset agnoscere. Steffen Patzold, Wahrnehmen und Wissen. Christen und ‚Heiden‘ an den Grenzen des Frankenreichs im 8. und 9. Jahrhundert, in: Hartmut Bleumer/Steffen Patzold (Hg.), Wahrnehmungs- und Deutungsmuster im europäischen Mittelalter (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung. Zeitschrift des Mediävistenverbandes 8/2, 2003), S. 83–106. Auch Palmer, Rimbert’s Vita Anskarii S. 247, betont, daß Anskar und Rimbert, aber auch Alkuin in seiner Vita Willibrordi das Heidentum, parallel zu Daniel, nicht vorschnell verurteilten, sondern es zu verstehen und zu widerlegen suchten. Alkuin war allerdings gerade nicht Missionar aus eigener Anschauung und widerspräche damit einer zu eindeutigen Unterscheidung im Sinne Patzolds.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
identisch. Der Niederschlag mangelnder eigener Erfahrung zeigt sich nach Patzold wiederum in einer Art „Gegenprobe“, wenn Hucbald von SaintAmand in seiner Lebuinvita nämlich all die Stereotype über Heiden (Götzenbilder, Losentscheide, Wildheit und Hartherzigkeit) gegenüber der älteren Vorlage wieder hinzufügt. Die Frage lohnt also eine nochmalige Beschäftigung. Für ein stereotypes Heidenbild, das die heidnischen Kulte auch unterschiedlicher Kulturen und Epochen sämtlich miteinander gleichsetzt, spricht zunächst die zwanglose Parallelisierung des germanischen Götterglaubens mit dem römischen wie auch mit dem Heidentum des Alten Testaments. Beide Annahmen prägen beispielsweise die Vorstellungen Gregors von Tours, wenn er über die noch heidnischen Franken der Frühzeit berichtet.444 „Heidentum“ verbindet sich für Gregor, der in seiner romanisch-christlichen Umwelt kaum mehr ein intimeres Wissen über die fränkischen Kulte gehabt haben dürfte (über die aber auch wir höchst unzureichend informiert sind), mit Götzenkult, Bildnissen, Hainen und Opfergaben: „Aber dieses Geschlecht sah man stets heidnischen Kulten dienen. Sie erkannten Gott nicht, sondern machten sich Bildnisse aus Wäldern und Quellen, Vögeln und wilden Tieren und aus den anderen Elementen, verehrten sie wie einen Gott und brachten ihnen Opfer dar.“445
Gregor erinnert dieses Heidentum der Franken hier geradezu an das erste Gebot und an die biblische Geschichte vom Goldenen Kalb und andere Bibelzitate. Erneut interessierte letztlich nicht, welche Art von Heidentum jeweils vorlag, da Heiden ohne Unterschied verdammt waren, wenn sie nicht bekehrt wurden (und hier lag die eigentliche, an den Franken mittlerweile längst erfüllte Aufgabe). Analog liest sich die in ihrem zweiten Teil schon oben zitierte (von Gregor erfundene) Rede Chrodechildes: „Nichts sind die Götter, die ihr verehrt, denn sie können weder sich noch anderen helfen. Sie sind nämlich aus Stein, Holz oder Erz geformt. Und die Namen, die ihr ihnen beigelegt habt, gehörten einst Menschen, nicht Göttern an: wie Saturn ein Mensch war, der seinem Sohn durch die Flucht entronnen sein soll, um nicht aus seinem Reich vertrieben zu werden, und wie Jupiter selbst, der allerschmutzigste Ehe- und Männer-
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Gregor von Tours, Historiae 2,10, S. 58ff. Ebd. S. 58f.: Sed haec generatio fanaticis semper cultibus visa est obsequium praebuisse, nec prursus agnovere Deum, sibique silvarum atque aquarum, avium bestiarumque et aliorum quoque elementorum finxere formas, ipsasque ut Deum colere eisque sacrifitium delibare consueti.
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schänder, Verwandte verspottete und sich nicht einmal der Blutschande mit seiner eigenen Schwester enthalten konnte, wie sie selbst sagt, sie sei ‚des Gottes Schwester und Gattin zugleich‘ (Verg. 1,46,47). Und Mars und Merkur, wie weit reichte denn ihre Macht? Eher mochten ihnen Zauberkünste zu Gebote stehen, als daß sie die Macht einer Gottheit besaßen.“ 446
Der gelehrte romanische, in den antiken Stoffen ausgebildete Bischof, der zuvor über das Heidentum der Franken geschrieben hatte, läßt die Christin Chrodechilde ihrem Gemahl, dem fränkischen Heiden Chlodwig, hier die römische Götterwelt vor Augen führen, die der Franke Chlodwig gar nicht verehrte und von der er, der in einer christlich-romanischen Umwelt lebte, vielleicht sogar noch nie etwas vernommen hatte. Für den Christen machte das aber keinen Unterschied. In Chrodechildes Worten spiegeln sich vielmehr die christlichen Vorstellungen vom Heidentum schlechthin wider: Götzenbilder aus Stein, Holz oder Metall, die von Menschen stammten und für Menschen errichtet wurden, wurden zu Göttern erhoben und als Götter verehrt, die letztlich allzu menschlich agierten (wie eben in der griechisch-römischen Mythologie). Damit verbindet sich zugleich aber, als weitere Abgrenzung vom Christentum, der Vorwurf einer mangelnden Morallehre, wenn schon diese Götter selbst unsittlich handelten und den Menschen ein schlechtes Vorbild abgaben. Dem hielt Chrodechilde nun die Macht des Christengottes entgegen.447 Dabei diente ihr der biblische Schöpfungsbericht als Beweis für die Allmacht Gottes. Eine solche interpretatio Romana germanischen Heidentums findet sich häufiger.448 Nach der merowingerzeitlichen Vita des heiligen Lantbert glaub446
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Ebd. 2,29, S. 74: Nihil sunt dii quos colitis, qui neque sibi neque aliis potuerunt subvenire. Sunt enim aut ex lapide aut ex ligno aut ex metallo aliquo sculpti. Nomina vero quae eis indedistis homines fuere, non dii, ut Saturnus, qui a filio ne a regno depelleretur, per fugam elapsus adseritur, ut ipse Iovis omnium stuprorum spurcissimus perpetratur, incestatur virorum, propinquarum derisor, qui nec ab ipsius sororis propriae potuit abstenere concubitum, ut ipsa ait: ‚Iovisque et soror et coniux.‘ Quid Mars Mercuriusque potuere? Qui potius sunt magicis artibus praediti, quam divini nominis potentiam habuere. Vgl. oben Anm. 181 zur Fortsetzung der Rede. Vgl. auch Gregor von Tours, Liber vitae patrum 17,5 (oben Anm. 173). Vgl. Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World S. 115 und S. 136, der Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands macht: „Willibald and Hygeburg had created a new Romanized past for the people of Hesse, Thuringia, and Bavaria, in Frisia and Saxony hagiographers had created a new, partly mythological past in which Romano-Christian ideals gave new expression to more traditional northern ideals.“
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ten die Heiden um Lüttich an sieben Götter, die den Planeten (Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur und dem Mond) entsprachen.449 Im alemannischen, aber romanisierten Bregenz, so Jonas von Bobbio in seiner Columbanvita, verehrte man Wodan, den andere Merkur nennen450 und den nach Paulus Diaconus alle Völker Germaniens als Gott anbeten,451 und die sogenannte Donareiche in Geismar, die Bonifatius fällte, ist in der Diktion des Biographen Willibald tatsächlich eine „Jupitereiche“.452 Wenn Hinkmar von Reims das Märzfeld (durchaus angemessen) aus der Benennung nach dem „heidnischen“ Kriegsgott Mars erklärt, nach dem auch der Monat März und der Dienstag (dies Martis) sowie das fränkische „Märzfeld“ benannt werden,453 dann weist auch das auf eine Verallgemeinerung der römischen Götterwelt hin. Mögen in romanischen Gegenden anfangs tatsächlich noch römische Traditionen bekannt gewesen sein, so beschreibt noch Widukind von Corvey, der davon nur aus den Schriftquellen (und der Schulbildung) wissen konnte, ganz ähnlich auch den Glauben der alten Sachsen nach römischen Vorstellungen: Nach dem Sieg über die Thüringer hätten sie der Siegesgöttin 449
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Carmen de Sancto Landberto 1, v. 1, ed. Paul von Winterfeld, MGH Poetae 4, Berlin 1899, S. 143: Pagani ritus coluerunt templa deorum: / Alter Saturni, Iovis aram pretulit alter. Im folgenden werden Mars, Sol, Venus, Merkur und Luna genannt. Vgl. dazu Robert G. Babcock, Astrology and Pagan Gods in Carolingian ‚Vitae‘ of St. Lambert, in: Traditio. Studies in Ancient and Medieval History, Thought, and Religion 42, 1986, S. 95–113, hier S. 96f. Vgl. auch Ermoldus Nigellus, In honorem Hludowici l. 4 v. 5, ed. Ernst Dümmler, MGH Poetae 2, Berlin 1884, S. 59: Gens erat interea, antiquum cui perfidus anguis / Liquerat errorem, sustuleratque deum, / Quae pagana diu cultus servabat iniquos, / Pro factore colens idola vana suo, / Proque deo Neptunus erat, Christi retinebat Iuppiter orsa locum cui sacra cuncta dabant. Jonas von Bobbio, Vita Columbani 1,27, S. 102. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 1,9, S. 53: Wotan sane, quem adiecta littera Godan dixerunt [Langobardi], ipse est qui apud Romanos Mercurius dicitur et ab universis Germaniae gentibus ut deus adoratur. Eine Wodansverehrung der Langobarden bezeugt schon Fredegar, Chronicon 3,65, S. 110: quod ab his gentibus fertur eorum deo fuisse locutum, quem fanatice nominant Wodano. Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 31: roborem quendam mirae magnitudinis, qui prisco paganorum vocabulo appellatur robor Iobis. Hinkmar von Reims, Vita Remigii episcopi 11, S. 292f.: Sic enim conventum illum vocabant a Marte, quem pagani deum belli credebant, a quo et Marcium mensem et tertiam feriam diem Martis appellaverunt; quem conventum posteriores Franci Mai campum, quando reges ad bella solent procedere, vocari instituerunt.
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(Viktoria) einen Altar (oder aber einen Altar für den Sieg: aramque victoriae construentes) errichtet und gemäß der Irrlehre der Väter in der ihr eigenen Art des Kultes ihr Heiligtum verehrt, das dem Namen nach Mars darstellt, dem Bild nach aber Herkules nachahmt und dem Ort nach die Sonne meint, die die Griechen Apollo nennen.454 Widukind nimmt daher nicht nur zwanglos eine Gleichheit der Götter an, sondern er möchte darin sogar einen Beweis sehen, daß die Sachsen sich von den Griechen herleiten, zumal Mars von „uns“ Irmin, von den Griechen gleichlautend Hermes genannt wird. In dieser Irrlehre verharrten die Sachsen bis zur Zeit Karls des Großen.455 Für den karolingischen Dichter Audradus Modicus von Sens verehrten die Römer wiederum keine anderen Götter als der Araber oder der Inder.456 Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts bestreitet Saxo Grammaticus (in einer zudem unzutreffenden und untraditionellen Gleichsetzung), daß die nordischen Götter Thor und Odin mit den römischen Göttern Jupiter und Merkur identisch seien (allerdings mit der bezeichnenden Begründung, daß Thor ein Sohn Odins, Jupiter hingegen ein Sohn Merkurs ist, und beide folglich nicht identisch sein können).457 „Heidentum“ gilt den Christen gewissermaßen als undifferenziert zeitlos mit immer gleichen Merkmalen. Wenn Walahfrid Strabo die Heiden des Alten Testaments beschreibt, könnte er ebensogut frühmittelalterliches Heidentum meinen (oder umgekehrt): 454 455 456
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Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 1,12, S. 20f. Ebd. 1,14, S. 25. Audradus Modicus, Carmina 4, v. 64ff., S. 110, zur römischen Götterwelt: Urbis erat templum gentili errore dicatum / Daemonibus: Marti, Iunoni sive Minervae / Atque Iovi, totum gemmis auroque paratum, / Nilque aliud cerni poterat girantibus illud / Interius, praeter quod Arabs miratur et Indus. Saxo Grammaticus, Gesta Danorum 6,5,4f., S. 380/382: Eos tamen, qui a nostris colebantur, non esse, quos Romanorum uetustissimi Iouem Mercuriumque dixere, uel quibus Gre˛cia Latiumque plenum superstitionis obsequium exsoluerunt, ex ipsa liquido feriarum appellatione colligitur. Ea enim, que˛ apud nostros Thor uel Othini dies dicitur, apud illos Iouis uel Mercurii feria nuncupatur. Si ergo Thor Iouem, Othinum Mercurium iuxta designate˛ interpretationis distinctionem accipimus, manente nostrorum asseriione Iouem Mercurii filium extitisse conuincitur, apud quos Thor Othino genitus uulgari sententia perhibetur. Cum ergo Latini contrario opinionis tenore Mercurium Ioue editum asseuerent, restat, ut, constante eorum affirmatione, Thor alium quam Iouem, Othinum quoque Mercurio sentiamus extitisse diuersum. Sunt qui dicant, deos, quos nostri coluere, cum iis, quos Gre˛cia uel Latium celebrabat, solum participasse uocabulum, sed istos tanquam maiestate suppares ab illis cultum cum nomine mutuatos fuisse.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
„Daß die Heiden ihren Göttern bzw. eher ihren Verführern, den Dämonen, aber Tempel errichtet haben, erfahren wir nicht nur aus ihren eigenen Büchern, sondern auch aus den Zeugnissen der göttlichen Schrift.“458 Walahfrid erkennt allerdings auch die Verschiedenheit der heidnischen Kulte an: „Und weil die Verschiedenheit des Götzendienstes Tempel auf unterschiedliche Weise errichtet hatte, haben die Gerechten jener Zeit nicht so sehr darauf geachtet, an welchem Ort sie ihr Gebet verrichteten, während sie nur sahen, Gott, den Schöpfer aller, der überall ist, dort zu verehren und anzubeten, wo der Schmutz der Dämonen ausgemerzt wurde.“459
Wenn Beda Venerabilis von der älteren Forschung wegen seiner präzise anmutenden Beschreibungen heidnischer Bräuche gelobt worden ist, so sind seine im Rückblick eingefügten Angaben tatsächlich kaum wesentlich genauer oder weniger stereotyp.460 Auch er beruht nämlich auf einem aus der Antike, der Bibel, durch Gregor den Großen und andere Kirchenväter tradierten „Heidenmodell“,461 wie er auch über die Heiden in der Zeit des Volkes Israel schreibt, ohne ihre Kennzeichen von denen im Zeitalter der Gnade zu unterscheiden; sie setzten vielmehr die früheren Gewohnheiten fort.462 Auch Beda geht es allein um die Bekehrungen, die ausführlich geschildert werden. Als die Christianisierung Englands im fünften Buch seiner Kirchengeschichte weitgehend abgeschlossen ist, treten einerseits Wunder und Frömmigkeit, wie in den Berichten über Caedwalla und Ine von Wessex,463 andererseits die Mission nach außen, nämlich die „angelsächsische
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Walahfrid Strabo, De exordiis 1, S. 476: Paganos etiam templa fecisse dii suis vel potius daemonibus seductoribus suis non solum ex ipsorum libris, sed etiam ex divinae scripturae testimoniis agnoscimus. Ebd. 4, S. 477: Et quia diversitas idolatriae diversis modis templa construxerat, non magnopere curabant illius temporis iusti, quam in partem orationis loca converterent, dum tantum viderunt, ubi eliminatae sunt daemonum sordes, ibi Deum omnium creatorem, qui ubique est, coli et adorari. Vgl. oben Anm. 225. Vgl. Church, Paganism S. 170. Beda Venerabilis, In primam partem Samuhelis 4,31, ed. David Hurst, CCL 119, Turnhout 1962, S. 267: Appropinquante nouae gratiae tempore gentiles sicut et ante consuerant castitatem Israheliticae fidei per exempla prauitatis oppugnabant nunc opera peruersa perituris nunc idolatriae culturas ostendendo iuxta exemplum Balaam qui docebat Balach mittere scandalum coram filiis Israhel edere et fornicari. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 5,7, S. 40–44.
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Mission“ auf dem Kontinent, bei den populi paganis adhuc ritibus seruientibus,464 in den Mittelpunkt seiner Erzählungen. Beda kritisiert jetzt die – längst vor den Angelsachsen christianisierten – Briten, weil sie sich verweigert hatten, die Ankömmlinge zu bekehren und nun alten Glaubenssätzen folgten und außerhalb der „Gemeinschaft der christlichen Kirche“ stünden.465 Der frühere heidnische Glaube wird dagegen nur dort beiläufig erwähnt, wo es für den Kontext wichtig erscheint. So geht aus dem Bericht über die Bekehrung der Northumbrier wiederum allenfalls hervor, daß die Heiden Götzenbilder und eingefriedete Heiligtümer sowie Priester kannten und Zeichendeutung betrieben.466 Scheinbar differenzierter (aber teilweise fast schon mit christlichen Zügen und zudem wieder mit antiken Reminiszenzen an Tacitus) beschreibt Adam von Bremen die Sachsen als Götzendiener, die vor allem Merkur verehrten und ihm an bestimmten Tagen sogar Menschenopfer darbrachten.467 Sie kannten weder Götzenbilder noch Tempel, wohl aber Vogelzeichen und Losorakel, Verehrung von Bäumen und Quellen (wie die Irminsul, die sie als Gott verehrten): „Um der Größe und Würde der Himmlischen willen glaubten sie, ihre Götter weder in Tempeln einschließen noch sie irgendwie in Menschengestalt darstellen zu dürfen. Man weihte Wälder und Haine und gab jenem geheimnisvollen Walten, auf das allein sie mit
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So ebd. 5,9, S. 50, über Egbert, zu Friesen, Rugiern, Dänen, Hunnen, Altsachsen und Brukterern. Egbert wurde allerdings durch ein Traumgesicht von seinen Missionsplänen abgehalten. Vgl. auch ebd. 5,10f., S. 56–62, zur Mission Willibrords. Ebd. 5,22, S. 168: Sicut econtra Brettones, qui nolebant Anglis eam, quam habebant, fidei Christianae notitiam pandere, credentibus iam populis Anglorum et in regula fidei catholicae per omnia instructis, ipsi adhuc inueterati et claudicantes a semitis suis et capita sine corona praetendunt et sollemnia Christi sine ecclesiae Christi societate uenerantur. Ebd. 2,11ff., S. 346ff. Zu Bedas Heidenbild vgl. Kerstin Zech, Heidenvorstellung und Heidendarstellung. Begrifflichkeit und ihre Deutung bei der Untersuchung des mittelalterlichen Heidenbildes am Beispiel von Bedas Historia Ecclesiastica, in: Anna Aurast/Hans-Werner Goetz (Hg.), Die Wahrnehmung anderer Religionen im früheren Mittelalter. Terminologische Probleme und methodische Ansätze (Hamburger geisteswissenschaftliche Studien zu Religion und Gesellschaft 1), Berlin 2012, S. 15–45. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,7, S. 8: Coluerunt enim eos, qui natura non erant dii, inter quos precipue Mercurium venerabantur, cui certis diebus humanis quoque hostiis litare consueverant. Zu Belegen im Umkreis des Bonifatius vgl. Krutzler, Kult und Tabu S. 214–218.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Ehrfurcht schauten, göttliche Namen. Vogelzeichen und Losorakel beobachteten sie sorgsam.“468
Anschließend beschreibt Adam die besondere Form des Losorakels: Baumreise wurden markiert und verstreut auf ein weißes Tuch gelegt. Wenn daraufhin der Stammespriester, zum Himmel aufblickend, betete und dreimal ein Stäbchen aufnahm und deutete,469 dann gesteht Adam auch den heidnischen Sachsen nicht nur ein Priestertum zu, sondern läßt den Priester mit zum Himmel gerichtetem Gebet durchaus vertraute religiöse Übungen ausführen (die allerdings dem falschen Gott gewidmet waren). Weitere Weissagungen entnahmen die Sachsen dem Vogelflug und dem Verhalten der Pferde. Vor einem Krieg sollte ein Zweikampf mit einem Gefangenen des zu bekriegenden Stammes den Ausgang voraussagen. Bestimmte Tage an Vollmond oder Neumond galten als besonders günstig. Das alles bezeichnet aber auch Adam als „leeren Aberglauben“ (vanarum supersticionum genera) und als „finstere Verirrungen“ (errorum tenebris), aus denen nun Gottes Barmherzigkeit die Sachsen befreit habe, als er sie zum wahren Glauben und zur Erkenntnis seines Namens geführt hat.470 Wir finden also, wie unten noch näher auszuführen ist,471 durchaus genauere Beschreibungen vor, doch auch sie folgen gleichermaßen den tradierten Vorstellungen vom Heidentum, die nun im einzelnen zu betrachten sind.
c. Kennzeichen des Heidentums als Religion Erscheint das Heidentum in der Wahrnehmung der christlichen Autoren also trotz gelegentlicher Differenzierungen insgesamt als eher stereotyp, so läßt sich um so leichter nach den spezifischen Kennzeichen fragen: Gerade 468
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Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,7, S. 8 (mit Entlehnungen aus Tacitus, Germania 3): Deos suos neque templis includere neque ulla humani oris specie assimilare ex magnitudine et dignitate celestium arbitrati sunt; lucos ac nemora consecrantes deorumque nominibus appellantes secretum illud sola reverentia contemplabantur. Auspicia et sortes quam maxime observabant. Ebd.: Sortium consuetudo simplex erat. Virgam frugiferae arbori decisam in surculos amputabant, eosque notis quibusdam discretos super candidam vestem temere ac fortuito spargebant. Mox si publica consultatio fuit, sacerdos populi, si privata, ipse paterfamilias precatus deos celumque suspiciens ter singulos tulit, sublatos secundum impressam ante notam interpretatus est. Ebd. S. 8f. Vgl. Abschnitt 3.f., unten S. 179 ff.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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die stereotypen Merkmale des Heidentums geben zu erkennen, was man unter „Heidentum“ (an sich) verstanden hat, und zwar um so mehr, je stärker sie stilisiert und mit gängigen Wahrnehmungsmustern durchzogen sind, je mehr also Klischeevorstellungen in die Ereigniserzählung übertragen werden. Entsprechen die Schilderungen daher allenfalls in ihrer Allgemeinheit der historischen Wirklichkeit, während sie in den Einzelheiten höchst fraglich sind, so daß der Realitätsgehalt solcher Schilderungen – und um diesen ging es der bisherigen Forschung fast durchgängig – vielfach zu Recht bezweifelt wird, so spiegeln sie um so deutlicher die Vorstellungen der Autoren vom Heidentum wider. Im Bezeugen heidnischer Kulte wird daher deutlich, was Heidentum für die christlichen Verfasser ausmacht. Dabei ist wieder der Kontext zu beachten. Da es den Autoren nicht um eine Darlegung des Heidentums an sich oder bestimmter heidnischer Sitten geht, werden die Kulte nur selten (und spät) genauer beschrieben.472 Meist werden sie im Zusammenhang mit der Mission erwähnt, etwa bei der Zerstörung heidnischer Heiligtümer. Daß Heiden einen Kult (ritus) und eine (Glaubens-)Lehre (doctrina) haben, wird von den christlichen Autoren nicht bestritten; ihre Überzeugungen sind jedoch zu widerlegen.473 In der Vorstellung der christlichen Autoren des frühen Mittelalters verbindet sich Heidentum in erster Linie natürlich mit Götzenkult und, damit eng verbunden, heidnischen Riten – paganis ritibus ist eine vielgebrauchte Wendung 474 –, mit Tempeln oder Hainen als heiligen Orten für den Götzendienst (fana), in denen Götzenstatuen aus Holz oder Stein aufgestellt waren, denen Opfer dargebracht wurden, und mit Loswurf und anderen Formen göttlicher Orakel, aber auch mit weiteren Elementen heidnischen Verhaltens. Die Vorstellungen lassen zugleich die verächtliche und abwertende Einstellung der Christen gegenüber heidnischen Orten und Riten erkennen: Heidentum ist schändlich (nefandus) 475 und Irr472 473
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Einige Beispiele sind gleich noch zu besprechen. So in einem Brief Papst Gregors III.: Bonifatius, ep. 44, S. 71: Et gentilitatis ritum et doctrinam vel venientium Brittonum vel falsorum sacerdotum hereticorum sive adulteros aut undecumque sint rennuentes ac prohibentes abiciatis. Vgl. etwa Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 27; Eigil, Vita Sturmi 23, S. 158: paganis ritibus nimis dedita; Alkuin, Vita Willibrordi 5, S. 120: paganis adhuc ritibus sorduit; Rudolf von Fulda, Vita Leobae 17, ed. Georg Waitz, MGH SS 15,1, Hannover 1897, S. 129; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,22, S. 79; Helmold von Bosau, Chronicon 1,2, S. 8. Vgl. Poeta Saxo 3, v. 72f., S. 32: nefandos gentiles.
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tum.476 Das ist im einzelnen zwar längst bekannt, doch lohnt sich dennoch eine genauere Betrachtung. Interessant sind dabei nämlich gerade die ständigen Wiederholungen, Verknüpfungen und Erläuterungen. (1) Götzenkult: Im Gegensatz zu Häretikern verehren Heiden mehrere Götter, wie Avitus von Vienne verkündet.477 Daß es nur einen wahren Gott gibt, macht die Verehrer anderer Götter zwangläufig zu Heiden. Diese Götter aber werden in Form von Idolen verehrt. Nach den fränkischen Quellen beteten die heidnischen Franken noch Götzenbilder an.478 Zur Zeit Chlodwigs, so schreibt auch der Autor der Vita des Bischofs Sollemnis von Chartres (Carnoteni), waren die Franken ein noch heidnisches Volk (gentilium populus), „das nichts anderes als Götzenverehrung betrieb und gewohnheitsgemäß Götter aus Gold, Silber, Holz und Stein anbetete“.479 Das unterschied sie (in christlicher Sicht) kaum von keltisch-römischen und anderen Kulturen. Columban fand auf der Suche nach einem Ort für sein Kloster in Luxeuil nämlich einen verfallenen Ort vor, an dem „noch immer überall die steinernen Bildnisse herumlagen, die die Heiden in alter Zeit in elendem Kult und heidnischem Ritus verehrt und bei denen sie ihre verfluchten Feierlichkeiten abgehalten hatten“.480 Nach Arbeo von Freising drang zum Bischof Emmeram die Kunde, daß die Reiche der Avaren in Pannonien „blind für das Licht der Wahrheit“ waren und meistens Götzen dienten.481 476 477
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Vgl. oben Anm. 403. Avitus von Vienne, Homiliae 20, ed. Rudolf Peiper, MGH AA 6,2, Berlin 1883, S. 134: Inplet hic porro gentilium vices vicinantium Arrianorum tabidus livor et, si paganus hic forte iam deest, qui plures deos velit excoli, gemit haereticus, qui unum conspicit exorari. Liber historiae Francorum 6, S. 247: Erant enim tunc Franci pagani atque fanatici, adorantes idola et simulacra et non Deum caeli ac terrae, qui creavit eos; vgl. Gregor von Tours, Historiae 10,31, S. 526: In qua urbe multitudo paganorum in idolatriis dedita commorabatur, de quibus nonnullos praedicatione sua converti fecit ad Dominum. Vita Sollemnis episcopi Carnoteni 4, S. 314: nihil aliud quam idolorum exercebat culturas et, ut mos erat, deos aureos et argenteos, ligneos atque lapideos adorabant. Jonas von Bobbio, Vita Columbani 1,10, S. 76: ibi imaginum lapidearum densitas vicina saltus densabant, quas cultu miserabili ritoque profano vetusta paganorum tempora honorabant, quibusque execrabiles cerimonias litabant. Arbeo von Freising, Vita Haimhrammi 3, ed. Bruno Krusch,, MGH SSrM 4, Hannover-Leipzig 1902, S. 474f.: pervenit ad eum fama, quod in quibusdam Europae partibus Pannoniensis plebs, tot Avarorum regna, excaecatis oculis a veritatis luce, quae est Christus, maxime ydolis deserviret.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Die Dänen, so Widukind von Corvey, verehrten sogar nach ihrer Bekehrung noch immer ihre Götter in heidnischem Ritus:482 Verehrung steinerner oder hölzerner Götzenbilder und heidnischer Kult kennzeichnen das (stereotype) Heidenbild, das natürlich entsprechend verurteilt wird, zur Zeit Gregors von Tours im 6. wie noch zur Zeit Ottos von Bamberg im 12. Jahrhundert.483 Helmold von Bosau bezeichnet den heidnischen Kult auf Rügen als „Zündstoff des Irrtums und Herd der Götzenverehrung“.484 Heiden haben die Wahrheit, nämlich den Kult, den die „natürliche Wahrheit“ Gott zuschreibt, gegen die Lüge eingetauscht, nämlich gegen Geschöpfe, die sie sich lügnerisch als Götzen geschaffen haben, meint Bruno der Kartäuser.485 Für Otto von Freising aber ist der Kult mehrerer Götter (wie Numa Pompilius ihn im antiken Rom eingeführt haben soll) ein Sakrileg.486 Götzenkult macht die Heiden gleichsam zu Heiden, wie es ein Brief des Iren Clemens an Herzog Tassilo III. von Bayern ausdrückt.487 Belege dafür sind überaus zahlreich. Götzenverehrung wird daher, zumeist undifferenziert, zum Kennzeichen des Heidentums schlechthin,488 in einer Weise, daß es die Religion vor der Be482
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Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,65, S. 140: Dani antiquitus erant Christiani, sed nichilominus idolis ritu gentili servientes. Vgl. die Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 2,8, S. 91, zu Ottos Aufenthalt in Schwerin: At vero gens barbara in sua adhuc infidelitate perdurans ad ligna et lapides suo illo more convertitur. Helmold von Bosau, Chronicon 1,6 (oben Anm. 403). Vgl. auch Petrus Lombardus, Collectanea in omnes D. Pauli apostoli epistolas. In epistolam ad Galatas 4, Sp. 141 B: Non utique, quia gentiles erant, et superstitiosi idololatriae deservierant. Ideo dicit, iterum, quia legis observantia, cui tunc dediti erant, erat peccatum pene par servituti idolorum, cui vacaverant ante conversionem. Bruno der Karthäuser, Expositio in epistolas Pauli. Epistola ad Romanos, Migne PL 153, Sp. 25 C: Qui gentiles commutaverunt veritatem, id est cultum quem naturalis veritas asserebat exhibendum esse Deo, in mendacium, id est in creaturas quas mendaciter fingebant esse deos, et postquam finxerunt, coluerunt, id est adoraverunt eos. Dehinc etiam servierunt offerendo, et immolando creaturae. Otto von Freising, Chronica 2,6, S. 74: Romulo successit Numa, qui cultum, immo sacrilegium plurimum deorum in Urbem induxit et Capitolium a fundamentis edificavit. Vgl. Epistolae variae Carolo Magno regnante scriptae, ep. 1 (oben Anm. 172). Vgl., um nur noch einige Beispiele anzuführen, beispielsweise Passio Christophori num. 150, str. 177, S. 824: Ecce nunc quibus nos diis offerre praecipitis, / Ecce quos deos gentili vos errore colitis, / Quos vos divinis donandos putatis honoribus; Passio s. Iuliani martyris 3, S. 429: Quod hospicium non longe aberat, ubi tunc a gentilibus
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kehrung zum Christentum charakterisiert und diese in den Quellen immer wieder als Abkehr vom Götzenkult bezeichnet wird.489
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vana simulagra colebantur; Vita Lonoghylii 1, S. 433: Mox itaque puer Domino serviturum se vovebat, iam cupiebat baptismum accipere; parentes vero eius in illis temporibus pagani erant et idola adorabant, Deum caeli minime cognoscentes; Vita Lucii confessoris Curiensis 7, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 3, Hannover 1896, S. 4: Cumque hoc indesinenter ageret, denunciatum est ei, quod esset quedam civitas, que Agusta Vindalica dicebatur, que adhuc gentili errore implicita, idolis immolaret, ubi patricius eiusdem civitatis Campester dicebatur, ibique paucis diebus requievit; Alkuin, Vita Willibrordi 1,9, S. 124; Bonifatius, ep. 38, S. 63 (idolorum culturae deditis); Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 36 (a perversa sectae eius idolatria correxit); Altfrid, Vita Liudgeri 1,23, S. 28, zur Bekehrung der Sachsen: erutisque idolatriae spinis verbum Dei diligenter per loca singula serere; Vita Amandi I 20, S. 444, zu den Basken; Helmold von Bosau, Chronica 1,52, S. 102: Invaluitque in diebus illis per universam Slaviam multiplex ydolorum cultura errorque supersticionum. Vgl. auch Petrus Damiani, ep. 126 (oben Anm. 48). Viele weitere Beispiele finden sich an in anderen Anmerkungen zitierten Stellen. Zur Verehrung von Idolen in den Quellen im Umkreis des Bonifatius vgl. Krutzler, Kult und Tabu S. 67–76. Das betont Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,11, S. 348, in einem Brief des Papstes Bonifatius über den bekehrten König Eadbald von Kent: Christianae fidei suscepto mirabili sacramento, piis et Deo placitis iugiter operibus enitescat, ab idolorum etiam cultu seu fanorum auguriorumque illecebris se diligenter abstineat. Vgl. ebd. 1,7, S. 132, zu dem Heiden Alban, der bei einer Christenverfolgung einen Priester aufnahm und durch dessen Lebenwandel so beeindruckt war, daß er sich, relictis idolatriae tenebris, zum christlichen Glauben bekehrte. Vgl. den Brief Aethelberts II. von Kent an Bonifatius: Bonifatius, ep. 105, S. 230: ut innumerosam multitudinem gentilium idolatriae vetustissimo errore miserabiliter deceptam ad christiane fide˛i normam predicationis vestrae verbo et labore convertit; Alkuin, Vita Willibrordi 1,12, S. 126: eradicatisque idolatriae spinis, verbum Dei instanter per loca singula serere; Annales Xantenses a. 868, S. 25, zu den Bulgaren: gens Bulgarum, hactenus idola vana colentium, ad fidem catholicam conversa est. Wilfried bekehrte die Südsachsen ab idolatriae ritibus ad Christi fidem (Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 5,19, S. 122). Vgl. auch Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,25, Schol. 20, S. 83, zur Bekehrung Harald Blauzahns: Haraldus abiecta ydolatria cum toto populo ad colendum verum Deum se convertit; Helmold von Bosau, Chronicon 1,69, S. 134: ut relictis ydolis suis festinarunt ad lavacrum regeneracionis. Vgl. auch Hrabanus Maurus, Homilia 17 (oben Anm. 21) und Gesta episcoporum Cameracensium 1,6 (oben Anm. 21). Vgl. umgekehrt Ado von Vienne, Chronicon a. 361, Sp. 93 C, zum römischen Kaiser Julian: Hic ex clerico imperator factus in idolorum culturam convertitur, martyriaque infert Christianis.
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Der Polytheismus wird geradezu pervertiert, wenn die Heiden einen Märtyrer als Gott anerkennen490 oder den christlichen Gott neben ihren heimischen Göttern verehren wollen,491 wie König Earpwald von East Anglia, der nach seiner Bekehrung Gott und seine heidnischen Götter in demselben Heiligtum und an demselben Altar verehren ließ.492 Ähnlich ließ der heidnische Priester in Stettin, der durch ein Wunder davon abgehalten worden war, den Altar der Adalbertkirche zu zerstören, diesen stehen, errichtete daneben aber einen Altar für seine Götter, damit man beide verehren und gnädig stimmen könne. „Künftig brachte man auf dem einen (Altar) Gott Opfer dar, auf dem anderen den Dämonen, und zwar mit gleichem Eifer für beide, abgesehen davon, daß die angestammte Gewohnheit des Götzendienstes das Volk geneigter machte, den Götzen zu opfern.“493
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Vgl. Gregor von Tours, Liber de passione S. Iuliani 6, S. 117: Concurrit vulgus ad cellulam, prosternitur coram sacerdote omnis caterva gentilium, et mixto cum lacrimis cuncti ululatu Domini misericordia deprecantur, pollicenturque sacerdoti, si grando recederet, et martyrem patronum expeterent et ad Deum eius, relictis simulachrorum cultibus, integro de corde transirent. Die Gentilreligionen neigten dazu, den als mächtig erfahrenen Gott in den Kreis der schon verehrten Götter aufzunehmen (so Schwinges, Wider Heiden und Dämonen S. 19, mit Verweis auf den Grabstein von Niederdollendorf, der Christus gegenüber einem Krieger mit heidnischen Symbolen zeigt, allerdings auch anders gedeutet werden kann). Nicht „Odin oder Christus“, sondern „Odin und Christus“, so kennzeichnet auch von Padberg, Odin oder Christus S. 276f., die Mentalität der Heiden in Nordeuropa, als ein Nebeneinander, aus dem Mischkulturen entstanden. Vgl. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,15, S. 374: ita ut in morem antiquorum Samaritanorum et Christo seruire uideretur et diis, quibus antea seruiebat, atque in eodem fano et altare haberet ad sacrificium Christi, et arulam ad uictimas daemoniorum. Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 3,5, S. 119f.: Paululum ergo emendatus ex verbere est ita, ut egressus foras ad populum Deum Christianorum deum esse fortissimum testaretur nec eius confringendum altare, sed aliud iuxta illud diis constituendum assereret, quatinus utrosque colentes utrosque habere propicios potuissent. Acquievit his populus et iuxta altare dominicum aliud altare constituens ydolis consecravit. Et deinceps quidem in altero Deo, in altero vero de˛monibus immolans pari utrisque est studio obsecutus, nisi quod eum ad exhibendam ydolis servitutem inolita ipsius ydolatrie˛ consuetudo fecerat promptiorem. Danach auch Herbord von Michelsberg, Dialogus de vita et operibus Ottonis Babenbergensis episcopi 3,16, ed. Wikarjak/Liman S. 177 (ed. Pertz S. 130).
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Nach Helmold von Bosau verehrten die Ranen auf Rügen Veit, den Heiligen und Diener Christi, als Gott und zogen damit ein Geschöpf dem Schöpfer vor.494 (2) Heiligtümer: Dieser Götzenkult war zumeist an bestimmte Kultstätten gebunden. Als Heiligtümer der Heiden gelten (antikisierend) Tempel oder aber Haine (fana),495 die geradezu mit „heidnischer Sitte“ identifiziert werden.496 „Fana,“ so etymologisiert Isidor von Sevilla, „sind nach den Faunen benannt, denen der Irrtum der Heiden Tempel gebaut hat; von dort holen die Ratsuchenden die Antworten der Dämonen.“497 Der heilige Bischof Martin von Tours zerstörte Tempel und Statuen der damals noch zahlreichen Heiden.498 Auch heilige Quellen oder Bäume (wie die sogenannte
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Helmold von Bosau, Chronicon 1,6, S. 16: Nam sanctum Vitum, quem nos martirem ac servum Christi confitemur, ipsi pro Deo venerantur, creaturam anteponentes creatori; ebd. 2,108, S. 213: nam sanctum Vitum, quem nos servum Dei confitemur, Rani pro deo colere ceperunt, fingentes ei simulachrum maximum, et servierunt creaturae pocius quam creatori. Die Erzählung von der Verehrung Veits übernimmt später auch Saxo Grammaticus, Gesta Danorum 14,39,13, Bd. 2, S. 360. Vgl. auch Helmold, Chronicon 1,84, S. 162. Danach bot der Obodritenfürst Niclotus sogar dem Bischof Gerold von Lübeck an, ihn selbst als Gott zu verehren: Sit Deus, qui in celis est, deus tuus, esto tu deus noster, et sufficit a nobis. Excole tu illum, porro nos te excolemus. Heidnische Haine und Tempel bezeugen, um erneut nur einige Beispiele zu nennen, beispielsweise Willibald, Vita Bonifatii 4, S. 16: idolorum quoque cultura exstructis dilubrorum fanis lugubriter renovata; Eigil, Vita Sturmi 23, S. 159: deorum suorum templa; Altfrid, Vita Liudgeri 1,16, S. 20: ut distruerent fana deorum et varias culturas idololorum in gente Fresonum; ebd. 22, S. 26: fana destruere; Carmen de sancto Landberto 23 v. 275, S. 150: falsorum fana deorum; Annales Mettenses priores a. 736, ed. Bernhard von Simson, MGH SSrG 10, Hannover-Leipzig 1905, S. 28: Altum mare ingressus, navium copia adunata ad Wistramchi et Austrachia insulas pervenit, super Bordine fluvio castra ponens, Bobbonem gentilem ducem illorum interfecit exercitumque prostravit, fana eorum destruxit, et cum innumerabilibus spoliis Christo auspice ad propria est reversus. Zu Kultstätten und Kulthandlungen in den Quellen um Bonifatius vgl. Krutzler, Kult und Tabu S. 76154 Fana als mos gentilium in der Vita Willehadi 4, S. 381. Isidor von Sevilla, Etymologiae 15,4,8, S. 168: Fana dicta a Faunis, quibus templa error gentilium construebat unde consulentes daemonum responsa audirent. So Gregor von Tours, Historiae 10,31, S. 527: Multos paganorum converti fecit, templa eorum statuasque confregit.
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„Donareiche“ in Geismar) konnten in den Hainen verehrt werden.499 Der heilige Amandus fand die Einwohner des Gentgaus an der Schelde noch „in den Fallen des Teufels verstrickt vor“: „indem sie Gott verließen, verehrten sie Bäume und Hölzer als Gott und beteten zu Heiligtümern und Götzen“;500 eine blinde heidnische Frau führte Amandus zu einem dem Teufel geweihten Baum, an dem sie den Götzen zu verehren pflegte.501 Nach Adam von Bremen erschien den Schweden der Hain von Uppsala besonders heilig, weil sie glaubten, daß die heiligen Bäume dort aus dem Blut der Geopferten erwachsen seien.502 Helmold von Bosau versteht das Heiligtum der Ranen als einen Tempel, dem die Unterworfenen zinsen.503 Die Quellen bezeugen somit nicht nur regelrechte Kultstätten der Heiden mit sakraler Bedeutung, sondern sie nehmen das als ein wesentliches Kennzeichen der Heiden wahr. Der Kult aber wurde, wie im Christentum, von besonderen Personen betrieben. Entsprechend ist immer wieder, wenngleich seltener, auch von Priestern die Rede.504
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Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 31. Vgl. Jonas von Bobbio, Vita Columbani 1,10, S. 76: Ibi aquae calidae cultu eximio constructae habebantur; ibi imaginum lapidearum densitas vicina saltus densabant, quas cultu miserabili ritoque profano vetusta paganorum tempora honorabant, quibusque execrabiles ceremonias litabant; solae ibi ferae ac bestiae, ursorum, bubalorum, luporum multitudo frequentabant; Capitulatio de partibus Saxoniae 21, S. 69: Si quis ad fontes aut arbores vel lucos votum fecerit aut aliquit more gentilium obtulerit et ad honorem daemonum commederet, si nobilis fuerit solidos sexaginta, si ingenuus triginta, si litus quindecim. Vgl. auch Cosmas von Prag, Chronica Boemorum 1,4, S. 10: Hec stulto et insipienti populo Oreadas, Driadas, Amadriadas adorare et colere et omnem supersticiosam sectam ac sacrilegos ritus instituit et docuit; sicut actenus multi villani velut pagani, hic latices seu ignes colit, iste lucos et arbores aut lapides adorat, ille montibus sive collibus litat, alius, que ipse fecit, idola surda et muta rogat et orat, ut domum suam et se ipsum regant. Vita Amandi I 13, S. 436f.: Per idem autem tempus […] Amandus audivit pagum quendam praeter fluenta Scaldi fluvii, cui vocabulum Gandao indidit antiquitas, diaboli laqueis vehementer inretitum, ita ut incolae loci illius, relicto Deo, arbores et ligna pro Deo colerent atque fana vel idola adorarent. Ebd. I 24, S. 447: insuper ostendente ei locum, in quo praedictum idolum adorare consueverat, scilicet arborem, quae erat daemoni dedicata. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,27, S. 260: Is enim lucus tam sacer est gentilibus, ut singulae arbores eius ex morte vel tabo immolatorum divinae credantur. Helmold von Bosau, Chronicon 1,36, S. 70f. Vgl. etwa Rimbert, Vita Anskarii 33, S. 65: quos inter paganos ante constituerat, denuntiavit sacerdotibus, ut nullius aliquid concupiscerent neque peterent; Honorius
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Nach Helmold von Bosau verehrten die Ranen auf Rügen ihren Oberpriester sogar mehr als den König.505 Wie man sich den Kult der Heiden in der Praxis vorgestellt hat, beschreibt der Verfasser der älteren Vita Lebuini anläßlich der Stammesversammlung in Marklô:506 Auf dieser Versammlung betete man zuerst iuxta ritum zu den Göttern, bat sie um den Schutz des Vaterlandes und darum, hier nützliche und den Göttern genehme Beschlüsse zu fassen. Wenn Lebuin nun plötzlich auf dieser Versammlung auftrat und den Glauben an den einen Schöpfergott verkündete, dann geschah das zumindest in der Vorstellung des Autors vor dem entscheidenden politischen Gremium 507 und doch zugleich in einer Art Gottes- bzw. Götzendienst. Das macht die Sache besonders brenzlich, und so ist es nicht verwunderlich, wenn Lebuin wegen seiner Worte angefeindet wurde und man ihn more suo mit Pfählen „gesteinigt“ bzw. aufgespießt hätte, wenn der Missionar nicht auf wunderbare Weise plötzlich verschwunden wäre. (3) Opferkulte: Immer wieder ist von Opfern der Heiden für ihre Götter die Rede.508 Wie an der Beschreibung der Kultstätten schon deutlich geworden ist, schließt die Verehrung der Götter in christlicher Wahrnehmung offenbar materielle Opfer ein, denn bei der Zerstörung friesischer Heiligtümer fand
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Augustodunensis, De offendiculo 20, S. 44: De gentilium sacerdotibus. […] Quid loquor de sacerdotibus deditis divinis cultibus, cum gentilium litterae suos sacerdotes a mulieribus abstinuisse tradant, quando ydolis immolaturi erant?; Deusdedit, Contra invasores et symoniacos 3,1 n. 3, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 343f.: dum legamus paganos, qui verum Deum nescientes deos ligneos et lapideos colebant, talium deorum templa decentissime ornasse et sacerdotibus eorundem honorem maximum et quaeque necessaria prebuisse. Helmold von Bosau, Chronicon 1,36, S.71: maior flaminis quam regis veneracio apud ipsos est. Vita Lebuini antiqua 6, S. 796f. Über die Historizität dieser vielbehandelten Stammesversammlung ist viel gestritten worden; sehr skeptisch zuletzt Matthias Springer, Die Sachsen, Stuttgart 2004, S. 135ff. Es muß daher unklar bleiben, um was für eine Versammlung es sich hier handelte. Vgl. Rimbert, Vita Anskarii 20, S. 44: ut more eorum idolis sacrificaret; Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 2,16, S. 82: quod populus illius superstitiose in sacrificiis deorum suorum incendere solebant. Zu Tieropfern im Umkreis des Bonifatius vgl. Krutzler, Kult und Tabu S. 218–229.
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Liudger darin jede Menge Gold und Silber vor.509 Der Ire Columban beobachtete die Heiden in Bregenz bei einem ihrer Opfer: Sie stellten eine große Kufe Bier in der Mitte auf, um es ihrem Gott Wodan darzubringen. Columban zerstörte daraufhin auf wunderbare Weise das Gefäß, indem er es einfach anblies. Durch dieses Wunder wurden viele bekehrt. „Daraus,“ so Jonas, „war klar zu ersehen, daß in diesem Gefäß der Teufel versteckt gewesen war, um durch den heidnischen Opfertrank die Seelen der Opfernden zu umgarnen.“510 Es gehöre zum Ritus der Heiden, so weiß Haymo von Auxerre zu berichten, ihren Götzen Opfer anzubieten, bevor man gegen Feinde in den Krieg zieht, um ihnen nach einem Sieg wiederum Dankopfer darzubringen.511 Von Opfern mit Gold und Silber nach einem Sieg weiß auch Helmold von Bosau bei den Ranen auf Rügen zu berichten.512 Kaiser Julian (der Apostat), den man bereits für einen Christen hielt, so berichtet in weitem Rückblick Landolfus Sagax, ernannte sich selbst zum Priester und ging zu den Tempeln der Heiden, um dort Blutopfer zu erbringen.513 Das konnte sich mit entsprechenden Kulthandlungen verbinden, etwa mit einem Mahl wie auch mit einem Totenschmaus,514 die ebenfalls gut bezeugt sind. 509
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Vita Liudgeri II 1,8, S. 58. Vgl. auch Bonifatius, ep. 23, S. 40: Quid autem se suis conferre sacrificiis lucri diis suspicantur pagani cuncta sub potestate habentibus? Jonas von Bobbio, Vita Columbani 1,27, S. 102: manifesteque datur intellegi diabolum in eo vase fuisse occultatum, qui per profanum ligorem caperet animas sacrificantum; Alkuin, Vita II Vedastis ep. Atrebatensis 8, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 3, Hannover 1896, S. 422: Quaedam vero vascula ibi cervisa stabant impleta, sed male gentili errore daemonicis incantationibus infecta. Haymo von Auxerre, Expositio in Pauli epistolas. In epistolam ad Romanos 12, Sp. 469 B: Quantum vero ad paganorum pertinet ritum, hostia dicebatur sacrificium quod offerebatur idolis, quando contra hostes dimicandum erat; victima vero dicebatur sacrificium, quod, victoria potita, diis pro gratiarum actione offerebatur. Helmold von Bosau, Chronicon 1,36, S. 71: Victores aurum et argentum in erarium Dei sui conferunt, cetera inter se partiuntur. Landolfus Sagax, Historia Romana 11,28, Bd. 1, S. 292: Igitur Iulianus repente religione mutata, cum propriis Christianus esse putaretur, semetipsum pontificem nominauit et ueniens ad templa paganorum sacrificabat subiectisque talia colere suadebat et Christianum baptisma sacrificiis et inuocationibus, quas expeditiones pagani uocant, et sanguine immolationem studebat ablui et abrenuntiari ecclesiastice confessioni. Vgl. Bonifatius, ep. 80, S. 174f.: Pro sacrilegis itaque presbiteris, ut scripsisti, qui tauros et hyrcos diis paganorum immolabant manducantes sacrificia mortuorum habentes et pollutum minysterium ipsique adulteri esse inventi sunt et defuncti, modo vero incognitum esse, utrum baptizantes trinitatem dixissent an non, et timent illi qui
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Ein heidnisches Heiligtum in Köln mit Götzenfiguren aus Holz war nach Gregor von Tours mit verschiedenen Ornamenten verziert und diente als Kultstätte für unmäßigen Genuß von Speise und Trank „bis zum Erbrechen“.515 Gerade Ausschweifungen und Gelage werden (obwohl es sie gewiß auch bei Christen gegeben hat) immer wieder als heidnisch verurteilt. Opfer und Gelage gelten offenbar als ein (durchgängiges) Kennzeichen des Heidentums. Honorius bezeichnet heidnische Opfer wiederum als Sakrileg.516 (4) Magie und Zauber: Mit Heidentum verbinden sich ferner Magie und Zauber, die ebenfalls als unchristlich gelten (obwohl aus moderner Sicht natürlich auch das mittelalterliche Christentum eine Reihe magischer Elemente aufgenommen hat):517 Was das göttliche Gesetz des Alten wie des Neuen Testaments über magische Künste und Zauberei verordnet, „denen Heiden und falsche Christen in ihren Weissagungen und verschiedenen Beobachtungen zu folgen scheinen“, sei leicht nachzulesen, meint Hrabanus Maurus.518 Papst Leo IV. verbot (wie auch viele Konzilsbeschlüsse) Weis-
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vivi sunt, quod in tali minysterio non sint baptizati, quibus respondens iussisti omnes baptizare. Gregor von Tours, Liber vitae patrum 6,2, S. 231: Erat autem ibi fanum quoddam diversis ornamentis refertum, in quo barbaries proxima libamina exhibens, usque ad vomitum cibo potuque replebatur; ibique et simulacra ut deum adorans, membra, secundum quod unumquemque dolor attigiset, sculpebat in ligno. Honorius Augustodunensis, De offendiculo 46, S. 54: Audi: Sicut gentiles non veritatem, sed magis sacrilegium exercent, dum secundum similitudinem sacrificii Dei suis ydolis sacrificium exhibent, ita absque dubio isti ydolatriam operantur, dum ipsi servitiis demonum inmunditiae dediti verum sacrificium imitari, non in re operari comprobantur. Zu Magie und Zauber im Zusammenhang mit Heidentum vgl. Christoph Daxelmüller, Zauberpraktiken. Eine Ideengeschichte der Magie, Zürich 1993 (zum Frühmittelalter S. 74–108): zu christlicher Magie im frühmittelalterlichen Gallien vgl. Giselle de Nie, Caesarius of Arles and Gregory of Tours: Two Sixth-Century Gallic Bishops and ‚Christian Magic‘, in: Doris Edel (Hg.), Cultural Identity and Cultural Integration: Ireland and Europe in the Early Middle Ages, Dublin 1995, S. 170–196. Hrabanus Maurus, ep. 31, S. 458: De magicis autem artibus atque incantationibus et de superstitionibus diversis, quas gentiles et falsi christiani in divinationibus suis et observationibus diversis sequi videntur, quid lex divina sanciat in auctoritate veteris testamenti ac novi, facile est invenire.
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sagung und Zauberei „nach Sitte der Heiden“.519 Christen sei es untersagt, schreibt Hinkmar von Reims mit Berufung auf das Konzil von Braga von 610, die Traditionen der Heiden zu beachten und um des Hausbaus, der Ernte, des Baumpflanzens oder der Eheschließung willen Elemente, Mondoder Sternenlauf (wegen des günstigsten Termins) zu verehren,520 und er droht denjenigen eine fünfjährige Buße an, die den Gewohnheiten der Heiden folgen und in ihren Häusern Weissagungen vornehmen, Zaubermittel anwenden oder Reinigungsopfer der Heiden vollziehen, um das Böse fernzuhalten.521 Konzilien und Bußbücher befassen sich häufig mit solchen Bräuchen, die als heidnisch deklariert, aber offenbar in der christianisierten Gesellschaft weiterhin praktiziert werden. (5) Losorakel und Wahrsagung: Auch Wahrsagung gilt, wie die letzten Beispiele schon gezeigt haben, als typisches heidnisches Kennzeichen (und als
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Leo IV., ep. 16, ed. Adolf von Hirsch-Gereuth, MGH Epp. 5, S. Berlin 1899, S. 594: (7.) Item. De expetentia autem divinationum vel maleficiorum scriptum quidem in sacris habemus canonibus, ut ipsa verba ponamus ita: Qui divinationes expetunt et more gentilium subsequuntur, aut in domos suas huiuscemodi homines introducunt exquirendi aliquid arte malefica aut expiandi causa, sub regula quinquennii iaceant. Vgl. auch Episcoporum ad Hludowicum imperatorem relatio 54 (von 829). Additamenta ad Hludowici capitularia Nr. 196, MGH Capit. 2, S. 45, mit Berufung auf das Konzil von Ankara (concilio Anciritano), c. 23 (Mansi 2, Sp. 527). Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae, Int. 17, ed. Letha Böhringer, MGH Conc. 4, Suppl. 1, Hannover 1992, S. 216: Et capitulo LXXI: Non liceat Christianis traditiones gentilium observare vel colere elementa aut lunae aut stellarum cursum aut signorum fallaciam pro domo facienda vel propter segetes vel arbores plantandas vel coniugia socianda. Diese Bestimmung aus dem Konzil von Braga (Migne PL 84, Sp. 584 B) wird vielfach aufgegriffen und wiederholt. Wörtlich etwa Radulf von Bourges, Capitula n. 38, ed. Peter Brommer, MGH Capit. episc. 1, Hannover 1984, S. 262; Burchard von Worms, Decretum 10,13, Sp. 835 BC; Gratian, Decretum 2,26,5 c. 3, S. 1024. Ähnlich Hervaeus von Reims, Epistola ad Witonem archiepiscopum Rothomagensem 21, Migne PL 132, Sp. 671 C. Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae, Int. 17, S. 215f., wieder mit Berufung auf das Konzil von Braga (Martin von Braga): Si quis paganorum consuetudines sequens divinos et sortilegos in domum suam introduxerit, quasi ut malum foras mittant aut maleficia inveniant vel lustrationes paganorum faciant, quinque annis poenitentiam agant. So noch Gratian, Decretum, pars 2, causa 26, qu. 5, S. 1027f.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Teil der Magie).522 Wahrsagung nach heidnischer Sitte wird daher ebenfalls bestraft.523 Als besonders kennzeichnend werden immer wieder Losorakel hervorgehoben,524 wie Rimbert sie gleich mehrfach bei den Schweden in Birka bezeugt.525 Der Oberpriester der Ranen, so später Helmold von Bosau, werfe das Los, und „wohin das Los fällt, senden sie ihr Heer“.526 Losorakel mußte Bischof Otto von Bamberg noch den bekehrten Pommern verbieten.527 Sie werden den Missionsberichten zufolge gern auch angewandt, um über Annahme oder Ablehnung des christlichen Glaubens zu entscheiden (und werden dann naturgemäß besonders unchristlich).528 (6) Tänze, Reigen und dämonische Gesänge: Als heidnisch werden ferner (bestimmte?) Tänze und Gesänge auf Straßen und Plätzen an heidnischen Festtagen, wie den Kalenden des Januar,529 aber auch an Kirchenfesten be-
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Vgl. Vita Amandi I 20, S. 444, zu den Basken. Vgl. unten S. 224 ff. Vgl. Hinkmar von Reims, De divortio Hlotharii regis et Theutbergae reginae, Int. 17 (oben Anm. 521). Für Vita Willehadi 3, S. 381, gehörte der Loswurf zum mos gentilium. Vgl. auch Alkuin, Vita Willibrordi 1,11, S. 125; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,7, S. 8; Gregor von Tours, Liber in gloria martyrum 40 (oben Anm. 44); Willibald, Vita Bonifatii 6 (oben Anm. 303), sowie oben Anm. 217. Zu Wahrsagungen in den Quellen um Bonifatius vgl. Krutzler, Kult und Tabu S. 145– 214, der auch den Ursprüngen und Unterschieden der verschiedenen Begriffe nachgeht. Rimbert, Vita Anskarii 19, S. 43; 27, S. 58; 30, S. 61. Helmold von Bosau, Chronicon 1,36, S. 71: Qua sors ostenderit, exercitum dirigunt. Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 2,21, S. 109 (sortilegi non sint). Vgl. etwa Gregor von Tours, Liber in gloria martyrum 40 (oben Anm. 44), Rimbert, Vita Anskarii 27f. (oben Anm. 304); Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,7 (oben Anm. 468 und 469); Vita Willehadi 3, S. 380 (oben S. 120f). Vgl. etwa Bonifatius, ep. 50, S. 84: Sicut adfirmant se vidisse annis singulis in Romana urbe et iuxta e˛cclesiam sancti Petri in die vel nocte, quando Kalende Ianuarii intrant, paganorum consuetudine chorus ducere per plateas et adclamationes ritu gentilium et cantationes sacrilegas celebrare et mensas illa die vel nocte dapibus onerare et nullum de domo sua vel ignem vel ferramentum vel aliquid commodi vicino suo prestare velle. Dicunt quoque se vidisse ibi mulieres pagano ritu filacteria et ligaturas et in bracchiis et cruris ligatas habere et publice ad vendendum venales ad conparandum aliis offerre. Vgl. auch Capitula Vesulensia, ed. Rudolf Pokorny, MGH Capit. episcoporum 3, n. 22, Hannover 1995, S. 351: Illas balationes et saltaciones et circum illa cantica
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trachtet; sie werden besonders Frauen angelastet.530 Bischof Simplicius fand die Menschen „nach elender Sitte der Heiden“ vor ihrem Götzenbild tanzend und singend vor und empfand das als „Torheit des Volkes“.531 Maurilius entdeckte in pago vero cui Commonio nomen est steile, mit verschiedenen Bäumen bepflanzte Klippen, an denen die Menschen nach heidnischem Brauch ihre heiligen Jahresfeste feierten und sich sieben Tage lang betranken, tanzten und sich austobten.532 Eligius von Noyon ließ solche heidnischen Spiele und Gesänge verbieten, „weil das kein Christ betreibt, sondern dadurch vielmehr zum Heiden wird“.533 Für Regino von Prüm haben die Heiden teuflische Lieder, Spiele und Tänze geradezu auf Antrieb des Teufels
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turpia et luxuriosa et illa lusa diabolica non faciant nec in plateis nec in domibus nec in ullo loco, quia de paganorum consuetudine remansit; et qui ipsa fecerit, canonicam sententiam accipiat; Vita Remacli I prol., ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 5, Hannover-Leipzig 1910, S. 104: Cum sit studium gentilium sua ficmenta et vanos ritus errorum luculenter pompare obscenis carminibus, eaque commendent in perpetua memoria sibi subsequentibus. Vgl. Eugenius II., Concilium Romanum von 826, c. 35, MGH Capit. 1 (Addit. ad Hludowici et Hlotharii capitula) S. 376: Sunt quidam, et maxime mulieres, qui festis ac sacris diebus atque sanctorum nataliciis non pro eorum quibus debent delectantur desideriis advenire, sed balando et verba turpia decantando, choros tenendo ac ducendo, similitudinem paganorum peragendo, advenire procurant; tales enim, sicut minoribus veniunt ad eclesiam, cum peccatis maioribus revertuntur. Auch dafür ließen sich zahlreiche Beispiele anführen. Gregor von Tours, Liber in gloria confessorum 76, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 1,2, Hannover 1885, S. 343: Hanc cum in carpento pro salvatione agrorum ac vinearum suarum misero gentilitatis more deferrent, adfuit supradictus Simplicius episcopus, haud procul aspiciens cantantes atque saltantes ante hoc simulachrum; gemitumque pro stultitia plebis ad Deum emittens, ait: ‚Inlumina, quaeso, Domine, oculos huius populi, ut cognoscat, quia simulachrum Berecinthiae nihil est‘. Archanaldus von Angers, Vita Maurilii 20,108, ed. Bruno Krusch, MGH AA 4,2, Berlin 1885, S. 96: In pago vero cui Commonio nomen est erat rupes quaedam excelsa, diversarum arborum generibus nemorosa, ad quam non toto adhuc paganorum ritu discusso stultorum turba conveniebat sacrorum suorum sollempnia anniversario ordine celebrare, ubi per septem dies epulando et choros ducendo atque bacchando sollempnia sua quasi iure debito persolvebant. Audoin von Rouen, Vita Eligii ep. Noviomagensis 2,16, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 4, Hannover-Leipzig 1902, S. 707: Ludos etiam diabolicos et vallationes vel cantica gentilium fieri vetate; nullus haec christianus exerceat, quia per haec paganus efficitur.
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erfunden: Singen, ausgelassene Freude, Trunkenheit und lautes Lachen sind teuflisch und nicht nur jedem christlichen Glauben fremd, sondern auch der menschlichen Natur an sich zuwider.534 Auch später ist immer wieder von Trinkgelagen (von Christen) „nach Sitte der Heiden“ die Rede.535 (7) Bestattungssitten: Als heidnisch werden schließlich Grabhügel und Feuerbestattung angeprangert. „Wenn einer den Leichnam eines toten Menschen nach dem Ritus der Heiden den Flammen übergibt, so daß seine Knochen zu Asche werden, soll er mit dem Tode bestraft werden,“ bestimmte Karl der Große in der „Capitulatio de partibus Saxoniae“.536 Tote sollten nicht in heidnischen Grabhügeln, sondern auf christlichen Friedhöfen bestattet werden.537 Bischof Otto von Bamberg verbot noch den zum Christentum bekehrten Pommern, ihre Toten mitten unter den Heiden in Wäldern oder auf Feldern, anstatt sie „nach Sitte der Christen“ auf Friedhöfen zu begraben, und überhaupt heidnische Kulte wahrzunehmen.538 Adam von Bremen ordnet die Bestattung in Amphoren und ähnlichen Gefäßen dem „alten Ritus der Heiden“ zu.539 Solche Vorstellungen sind gängig. Der Sohn des mythi534
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Regino von Prüm, De synodalibus causis 1,398, ed. Wasserschleben S. 180; ed. Hartmann S. 200: Nullus ibi praesumat diabolica carmina cantare, non ioca et saltationes facere, quae pagani diabolo docente adinvenerunt. Quis enim nesciat, diabolicum esse, et non solum a religione Christiana alienum, sed etiam humanae naturae esse contrarium, ibi cantari, laetari, inebriari et cachinnis ora dissolvi, et omni pietate et affectu caritatis postposito, quasi de fraterna morte exsultare, ubi luctus et planctus flebibilus vocibus debuerat resonare pro amissione cari fratris? Die Herkunft dieser Bestimmung ist nicht bekannt. Vgl. etwa Ordericus Vitalis, Historia aecclesiastica 13,11, ed. Marjorie Chibnall (Oxford Medieval Texts), Oxford 1978, S. 474, zum Heer von Anjou: et paganorum more debachantes. Capitulatio de partibus Saxoniae 7, S. 69: Si quis corpus defuncti hominis secundum ritum paganorum flamma consumi fecerit et ossa eius ad cinerem redierit, capitae punietur. Ebd. 22, S. 69: Iubemus ut corpora christianorum Saxanorum ad cimiteria ecclesiae deferantur et non ad tumulus paganorum. Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg 2,21, S. 109: Interdixit etiam eis, […] ne sepeliant mortuos christianos inter paganos in silvis aut in campis, sed in cimiteriis, sicut mos est omnium christianorum, ne fustes ad sepulchra eorum ponant, omnem ritum et pravitatem paganam abiciant. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,32, Schol. 144 (140), S. 265: Quod tradunt ex antiquo ritu gentilium, in quorum mausoleis adhuc
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schen Gründers von Trier, der Ninusenkel Hero, so berichten die ‚Gesta Treverorum‘, habe seinen Vater Trebetas gemäß dem Brauch des Heidentums im Feuer verbrannt und auf der Spitze des Franzensknippchens (Iurani montis) bestatten lassen, ihm dort außerdem einen Altar errichtet und nach dem Vorbild seines Großvaters befohlen, ihn als Gott anzubeten.540 Wenn der Autor solche Vorstellungen in eine mythische Frühzeit überträgt, über die ihm nichts bekannt sein konnte, dann zeugt das um so mehr von seinen (stereotypen) Ansichten über das Heidentum. (8) Aberglaube: Heidnische Traditionen werden insgesamt als Aberglaube betrachtet,541 superstitio wird entsprechend immer wieder mit Heidentum in Verbindung gebracht,542 paganica superstitio oder superstitio gentilitatis sind
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solent inveniri talia, cum aut in amphoris aut in aliis vasculis secum thesauros infodere iussissent. Gesta Treverorum 2, S. 131: Trebete mortuo, Hero filius in principatu successit, qui patrem secundum ritum gentilitatis igne combustum in vertice Iurani montis tumulavit; cui etiam aras instituit, et sibi subiectis ut deum adorare praecepit: error magnus et a Nino, ipsius Heronis avo, adinventus, qui primus patris sui Belis simulachrum fudit et hominem pro deo venerari iussit. Zum Aberglauben im Mittelalter und zum Zusammenhang von Aberglauben und Heidentum vgl. ausführlich aus volkskundlicher Sicht, allerdings ohne entwicklungsgeschichtliche Ansätze, mit Beispielen von der Spätantike bis zum Spätmittelalter, Dieter Harmening, Superstitio. Überlieferungs- und theoriegeschichtliche Untersuchungen zur kirchlich-theologischen Aberglaubensliteratur des Mittelalters, Berlin, 1979, S. 1–42, der darunter vor allem die Beobachtung von (Vor-)Zeichen (S. 117–177) und Zeiten (S. 178–216) sowie Magie (S. 217–258) faßt; zur kirchlichen Kritik daran ebd. S. 259–317; aus geschichtswissenschaftlich-anthropologischer Perspektive Jean-Claude Schmitt, Les «superstitions», in: Jacques Le Goff/ René Rémond (Hg.), L’Histoire de la France religieuse. Bd. 1: Des dieux de la Gaule à la papauté d’Avignon (origines au XIVe siècle), Paris 1988, Kapitel 4, S. 417–551 (dt. Heidenspaß und Höllenangst. Aberglaube im Mittelalter, Frankfurt/M. 1993). Vgl. Nikolaus I., ep. 99, S. 599: Sunt etiam quidam ex eo numero, qui adhuc nequiter vivant aut etiam in heresibus vel in gentilium superstitionibus iaceant, et tamen etiam illic ‚novit Dominus qui sunt eius‘; Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 27: errorum deposito horrore a malivola gentilitatis superstitione retraxit; Rimbert, Vita Anskarii 24, S. 53: relicta superstitiosa idolorum cultura, ad fidem Domini conversi baptizabantur; Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,28, S. 260: Cumque vir sapiens infortunium orbitatis suae culturae ydolorum imputaret, quam supersticiose venerans potentissimum deum christianorum offendisse videretur; Helmold von Bosau,
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
mehrfach gebrauchte Wendungen.543 Er habe, so schreibt Hrabanus Maurus Ludwig dem Deutschen, seinen 22 Büchern mit Predigten vieles über den christlichen Glauben und die katholische Religion, aber auch manches über den Aberglauben der Heiden und den Irrtum der Häretiker eingefügt,544 und Eligius beklagt sich, daß die Bewohner von Noyon teilweise immer noch „am Irrtum der Heiden festhielten und sich eitlem Aberglauben hingäben“.545 Flodoard spricht von „abergläubischen Speisen“,546 Thietmar von Merseburg neben „eitlem Aberglauben“ (vana superstitio) von einer „noch sinnloseren Ausführung“ im Kult bei den Slawen.547 Aberglaube und Heidentum sind für die mittelalterlichen Autoren engstens verknüpft. Aberglaube gilt damit nicht nur (wie heute) als falsch und unchristlich, sondern als außerchristlich. (9) Aufzählungen heidnischer Sitten: Interessante Einblicke in die (sich wiederholenden) Vorstellungen vom Heidentum geben schließlich Aufzählungen all dessen, das, eben weil es als heidnisch galt, zu verbieten war, in Viten,
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Chronicon 1,69, S. 134: Porro nomen flaminis, qui preerat supersticioni eorum, erat Mike; ebd. 2,101, S. 200: exstirpans ydolatriae supersticiones. Vgl. Willibald, Vita Bonifatiii 5, S. 23 (paganicae superstitionis); ebd. 6, S. 27 (a malivola gentilitatis superstitione retraxit). Vgl. auch Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,48, S. 108: Ille omnes ritus paganicos, quorum adhuc supersticio viguit in hac regione, precepit funditus amoveri, ita ut ex lucis, quos nostri paludicolae stulta frequentabant reverentia, faceret ecclesias per diocesim renovari. Hrabanus Maurus, ep. 37, S. 473: Addidi quoque in presenti opusculo non pauca de fide catholica et religione christiana; et e contrario de gentilium superstitione et hereticorum errore, de philosophis et magis atque falsis diis, de linguis gentium, de regum et militum, civiumque vocabulis atque affinitatibus; de homine et partibus eius, et reliquis animantibus; de lapidibus, lignis et herbis, quae in terra gignuntur; de variis artibus atque artificiis et aliis multis: que omnia in prohemio enumerari longum est. Audoin von Rouen, Vita Eligii ep. Noviomagensis 2,2, S. 695: Ob hoc itaque eum vel maxime in his locis dederunt pastorem, quod incolae eiusdem regionis magna adhuc ex parte gentilitatis errore detinebantur et vanis superstitionibus satis dediti erant, quique velut agrestes ferae nullius uspiam salutare verbum recipere poterant. Flodoard, Historia Remensis ecclesiae 2,5, S. 144: De his, qui auguria vel paganorum ritus inveniuntur imitari vel cum paganis supersticiosos comedunt cibos, quos benigna placuit admonitione suaderi, ut ab erroribus pristinis revocentur. Wetti, Vita Galli 1,4, verknüpft heidnischen Aberglauben mit Grausamkeit und Bosheit; vgl. unten Anm. 605. Thietmar von Merseburg, Chronicon 6,23, S. 302.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Briefen und Konzilscanones. So warnt Eligius von Noyon die Christen davor, im Krankheitsfall „die gottlosen Bräuche der Heiden zu beachten“, nämlich Zauber, Weissagung, Orakel oder Zaubersegen, denn damit verliere man die sakramentale Wirkung der Taufe.548 Papst Gregor III. ermahnt in seinem an universis optimatibus et populo provinciarum Germaniae gerichteten Brief die Christen ganz ähnlich, von jedem heidnischen Götzenkult abzulassen und Wahrsager und Losdeuter, Totenopfer, Weissagungen an Hainen und Quellen, Amulette, Beschwörer und Zauberer, nämlich Behexer und gotteslästerliche Bräuche zu meiden.549 Der Hausmeier Karlmann greift die Beschlüsse des Concilium Germanicum auf und gebietet, „daß das Volk Gottes nichts Heidnisches mache, sondern allen Unflat des Heidentums entferne und von sich weise, seien es Totenopfer, Losorakel und Weissagungen, Amulette, Prophezeiungen, Zaubereien oder Schlachtopfer, wie sie törichte Menschen nach heidnischem Brauch an den Kirchen im Namen heiliger Märtyrer und Bekenner Gottes vornehmen und damit Gott und die Heiligen weit eher zum Zorn als zum Erbarmen reizen.“550
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Audoin von Rouen, Vita Eligii ep. Noviomagensis 2,16, S. 705: Ante omnia autem illud denuntio atque contestor, ut nullus paganorum sacrilegas consuetudines observetis, non caragos, non divinos, non sortilogos, non praecantatores, nec pro ulla causa aut infirmitate eos consulere vel interrogare praesumatis, quia qui facit hoc malum, statim perdit baptismi sacramentum. Bonifatius, ep. 43, S. 69: abstinete et prohibete vosmet ipsos ab omni cultu paganorum, non tantum vosmet ipsos corrigentes, karissimi, sed et subditos vestros. Divinos autem vel sortilegos, sacrificia mortuorum seu lucorum vel fontium auguria vel filacteria et incantatores et veneficos, id est maleficos, et observationes sacrilegas, quae in vestris finibus fiere solebant, omnino respuentes atque abicientes tota mentis intentione ad Deum convertimini. Vgl. Ders., ep. 56 (unten Anm. 550). Vgl. auch Cyprianus, Firminus, Viventius, Vita Caesarii 1,55, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 3, Hannover 1896, S. 479f.: Praedicationes quoque congruas festivitatibus et locis, sed et contra ebrietatis ac libidinis malum contraque discordiam et odium, contra iracundiam atque superbiam, contra sortilegos et aruspices, contra kalendarum quoque paganissimos ritus contraque augures, lignicolas, fonticolas diversorumque errorum vitia fecit, easque ita paravit, ut, si quis advenientum peteret, non solum non abnuerit inpertire, sed, etsi minime suggereret, ut deberet accipere, offerret ei tamen et inpertiret ipse quae legeret. MGH Capit. (Karlmann a. 742) c. 5, S. 25 (und Bonifatius, ep. 56, S. 100): Decrevimus, ut secundum canones unusquisque episcopus in sua parrochia sollicitudinem adhibeat, adiuvante gravione qui defensor ecclesiae est, ut populus Dei paganias non faciat, sed ut omnes spurcitias gentilitatis abiciat et respuat; sive sacrificia mortuorum sive sortilegos vel divinos sive filacteria et auguria sive incantationes sive hostias immolatitias, quas stulti homines iuxta e˛cclesias ritu pagano faciunt sub nomine sanctorum
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Der Wortlaut läßt deutlich erkennen, daß es sich hier nicht mehr um Heiden, sondern um heidnische Bräuche von Christen handelt, die zu verbieten waren. Er offenbart damit umso deutlicher die Vorstellungen davon, was als heidnisch gilt. Die karolingischen Könige griffen diese Bestimmungen auf, hielten die Bischöfe immer wieder zu entsprechenden Verboten an oder verboten es selbst.551 Wenn die Menschen in Hessen nach Willibald auch nach der Mission durch Bonifatius an Bäumen und Quellen opferten und Orakel und Wahrsagerei, Gaukeleien und Zaubersprüche, Prophetie und Zeichendeutung pflegten,552 dann waren auch das alles Kennzeichen des Heidentums, auch wenn es hier erneut von bereits Bekehrten praktiziert wurde. Auffälligerweise ähneln diese frühen Kennzeichnungen denen, die Papst Kalixt II. noch im 12. Jahrhundert den Pommern nachsagte, um hier aber zugleich Neues hinzuzufügen: So verbot der Papst Inzest und Vielehe. Ansonsten aber sollten die Menschen wieder Bestattungen nicht zusammen mit Heiden in Wäldern und auf Feldern, sondern nach christlichem Ritus auf christlichen Friedhöfen vornehmen, heidnische Riten aufgeben, keine Häuser für Götzen bauen, keine Weissagungen und Losdeutungen vornehmen, nichts Unreines, Totes, Ersticktes, Geopfertes oder Tierblut essen und nicht mit Heiden verkehren oder Speise und Trank aus deren Gefäßen entgegennehmen.553
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martyrum vel confessorum, Deum et suos sanctos ad iracundiam provocantes, sive illos sacrilegos ignes, quod nied fyr vocant, sive omnes, quaecumque sint, paganorum observationes diligenter prohibeant. Diese aus dem Concilium Germanicum c. 5, MGH Conc. 2,1, ed. Albert Werminghoff, Nr. 1, Hannover-Leipzig 1906, S. 4, stammende Bestimmung nimmt auch Otloh von St. Emmeram wörtlich in seine Vita Bonifatii 1,36, S. 150, auf. Vgl. ebd. 2,2, S. 167: De Kalendis vero Ianuarii vel ce˛teris auguriis, filacteriis et incantationibus vel aliis diversis observationibus, quae gentili more observari dixisti apud beatum Petrum apostolum vel in urbe Roma, haec et nobis et omnibus christianis detestabilia et perniciosa esse iudicamus, dicente Domino: Non augurabimini vel certe non observabitis. Das Kapitular Karlmanns (bzw. das Concilium Germanicum) wird fast wörtlich wiederholt in einem Kapitular Karls des Großen, MGH Capit. 1, S. 69. Ähnlich das Kapitular Karls des Großen von 769 (c.), MGH Capit. 1, c. 7, S. 45: Statuimus, ut singulis annis unusquisque episcopus parrochiam suam sollicite circumeat, et populum confirmare et plebes docere et investigare, et prohibere paganas observationes divinosque vel sortilegos aut auguria, phylacteria, incantationes vel omnes spurcitias gentilium studeat. Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 27 (unten Anm. 555). Vgl. Ekkehard von Aura, Chronicon a. 1125, ed. Georg Waitz, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 264 (neue Edition im Druck): Interdixit etiam, ne quis commatrem suam
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Auch wenn also gelegentlich genauere Beschreibungen vorliegen, zeugt die insgesamt stereotype Darstellung von festen christlichen Vorstellungen von dem Heidentum an sich. Autoren wie Willibald reicht daher eine (mehrfache) pauschale Kennzeichnung des Heidentums als „in heidnischen Riten irrend in der Gefangenschaft der Dämonen“ oder als „Völker, die auf Abwegen (übler) Taten irren“,554 um den Unglauben zu stigmatisieren, der im folgenden wieder durch die bekannten Merkmale gekennzeichnet wird: „Einige opferten heimlich Bäumen und Quellen, andere taten dies ganz offen; die einen wiederum betrieben im Geheimen Seherei und Wahrsagerei, Losdeuten und Zauberei, die anderen taten das offen; andere dagegen befaßten sich mit Wahrsagen und Zeichendeutung und pflegten die verschiedensten Opfergebräuche; andere schließlich, die schon gesunderen Sinnes waren und allem heidnischen Götzendienst entsagt hatten, taten nichts von alledem.“555
Willibald will hier offensichtlich drei Gruppen und Verhaltensweisen unterscheiden: offenes Heidentum, latentes Heidentum, Christentum. Stets aber sind es dieselben Kennzeichen, die das Heidentum beschreiben. Den Autor der Bonifatiusvita interessiert daher lediglich, ob es sich – in einer bereits wenigstens teilweise und formal christianisierten Gesellschaft – noch um Heiden oder schon um Christen handelt und ob die heidnischen Riten dann offen oder heimlich ausgeübt werden. Er will demgegenüber vielmehr die Missionserfolge des Bonifatius hervorheben.
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ducat in uxorem, neque propriam cognatam suam usque in sextam et septimam generationem; et unusquisque contentus sit una uxore; ne sepeliant mortuos christianos inter paganos, in silvis aut in campis, sed in cimiteriis, sicut mos est omnium christianorum; ne fustes ad sepulchra eorum ponant; omnem ritum et pravitatem paganam abiciant, domus ydolorum non construant, phytonissas non adeant, sortilogi non sint; ne quid immundum comedant, non morticinum, non suffocatum, neque ydolotitum, neque sanguinem animalium; ne communicent paganis; ne cibum aut potum cum eis aut in vasculis eorum sumant; ne in his omnibus consuetudinem paganam repetant. Willibald, Vita Bonifatii 6, S. 27: populum paganicis adhuc ritibus oberrantem a demoniorum euangelica praedicando mandata captivitate liberavit; ebd. S. 29: populi per devia prius facinorum oberrantes; ebd. S. 33: ab ingenti erroris ereptus est laqueo; ebd. S. 34: ab erratica gentilitatis profanatione. Vgl. ebd. S. 31, zu den Hessen: alii etiam lignis et fontibus clanculo, alii autem aperte sacrificabant; alii vero aruspicia et divinationes, prestigia atque incantatione occulte, alii quidem manifeste exercebant; alii quippe auguria et auspicia intendebant diversosque sacrificandi ritus incoluerunt; alii etiam, quibus mens sanior inerat, omni abiecta gentilitatis profanatione, nihil horum commisserunt.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
d. Abwertende Allegorien: das Heidentum als Teufelsdienst Wie negativ das Heidentum insgesamt bewertet wird, ergibt sich nicht nur aus solchen Kennzeichnungen und Kommentaren oder aus der Charakterisierung als Schmutz und Teufelswerk, sondern auch aus den Allegorien der Bibelexegese. Von den biblischen Worten für Tiere wurden allegorisch etwa Heuschrecken,556 Esel (wegen ihrer Einfalt),557 Kamele (wegen ihrer Laster oder ihrer Unreinheit)558 oder Hunde mit Heiden identifiziert (weil sie Blut fressen und Leichen zerfleddern).559 Hieronymus deutet die Hunde als den Götzen dienende Heiden, weil sie wild werden, wenn sie Blut lecken und das Fleisch von Leichen fressen.560 Der Hund gilt immer wieder als Symbol des Heiden, nicht zuletzt bei den Slawen. Interessant sind in dieser Hinsicht zwei verwandte Anekdoten bei Fredegar im 7. und Helmold von Bosau im 12. Jahrhundert. In den Verhandlungen mit dem Slawenfürsten Samo soll der fränkische Gesandte Sichar Fredegar zufolge Samos Bitte um Freundschaft mit den Worten erwidert haben: „Es ist unmöglich, daß Christen und Gottesdiener Freundschaft mit Hunden schließen,“ eine Äußerung, die nicht gerade von diplomatischem Verhandlungsgeschick, wohl aber von der Einschätzung der Christen zeugt. Samo soll daraufhin gekontert haben: „Wenn ihr Gottesdiener, wir aber Gottes Hunde sind, dann ist es uns, solange ihr unablässig gegen ihn handelt, erlaubt, euch mit Bissen zu zerfleischen.“561 Die Überheblichkeit der Franken wird dann tatsächlich mit einer
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Vgl. Gregor der Große, Moralia in Iob 31,25,46, CCL 143B, S. 1582f.: Heuschrecken können danach und nach anderen Stellen aber ebenso Juden oder Häretiker bezeichnen. Vgl. ebd. 35,16,37, S. 1798: quid in asinis nisi simplices gentilium mentes accipimus? Vgl. ebd. 35,16,38, S. 1799: Rursum cameli nomine tortuosa ac plena uitiis gentilitas designatur. Vgl. Remigius von Auxerre, Homiliae 3, Migne PL 131, Sp. 883 B: Et bene per camelum, quod immundum est animal, immunda gentilitas designatur. Vgl. Haymo von Auxerre, Homiliae in Evangelia 35. Dominica secunda in quadragesima, Migne PL 118, Sp. 229 D (nämlich propter spurcitiam idololatriae). Hieronymus, Commentaria in evangelium Matthaei 2 (c. 15,25), ed. David Hurst und Mark Adriaen, CCL 77, Turnhout 1969, S. 133: Canes autem ethnici propter idolatriam dicuntur, qui esui sanguinis dediti et cadaueribus mortuorum feruntur in rabiem. Fredegar, Chronicon 4,68, S. 154: Sicharius dicens: ‚Non est possebelem, ut christiani et Dei servi cum canebus amicicias conlocare possint.‘ Samo ae contrario dixit: ‚Si vos estis Dei servi et nos Dei canes, dum vos adsiduae contra ipsum agetis, nos permissum accepimus vos moresebus lacerare.‘
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Niederlage bestraft. Die (heidnischen) Slawen können durchaus „Hunde Gottes“ sein.562 Nach Helmold vereitelte ganz ähnlich Markgraf Dietrich die geplante Hochzeit einer Nichte des Herzogs Bernhard II. von Sachsen mit dem Slawenfürsten Mstiwoy, als er den Bräutigam als Hund bezeichnete: „Die Blutsverwandte eines Herzogs dürfe nicht einem Hund in die Ehe gegeben werden.“ Der Slawe antwortete später mit einer Warnung: Wenn Hunde erst stark werden, würden sie kräftig beißen.563 Auch der unheilsträchtige Norden564 kennzeichnet Heiden.565 In seinen „Allegoriae in universam scripturam“ 566 deutet Hrabanus Maurus daneben noch weitere Begriffe als Heiden, nämlich das Gold von Psalm 72,15 (als sapientia gentilitatis),
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Vgl. Thomas Lienhard, „Les Chiens de Dieu“. La politique slave des Mérovingiens et des Carolingiens, Diss. (co-tutelle) Lille/Hamburg 2003 (im Druck). Helmold von Bosau, Chronicon 1,16, S. 34: Cumque rediens de expeditione pollicitam sibi mulierem expeteret, Theodericus marchio intercepit consilium, consanguineam ducis proclamans non dandam cani. Quo ille audito cum magna indignacione recessit. Cum igitur dux mutato consilio nuntios post eum direxisset, ut concupitis potiretur nuptiis, ille refertur tale dedisse responsum: ‚Oportet quidem generosam magni principis neptem prestantissimo viro copulari, non vero cani dari. Magna gratia nobis pro servicio refertur, ut iam canes, non homines iudicemur. Si igitur canis valens fuerit, magnos morus dabit.‘ Vgl. dazu Barbara Maurmann, Die Himmelsrichtungen im Weltbild des Mittelalters. Hildegard von Bingen, Honorius Augustodunensis und andere Autoren (Münstersche Mittelalter-Schriften 33), München 1976; Fraesdorff, Der barbarische Norden. Zur gegenseitigen Fremddeutung in kontinentalen und skandinavischen Quellen des Hochmittelalters vgl. Thomas Foerster, Vergleich und Identität. Selbst- und Fremddeutung im Norden des hochmittelalterlichen Europa (Europa im Mittelalter 14), Berlin 2009; zum heidnischen Norden ebd. S. 22–43. Vgl. Gregor der Große, Homiliae in Ezechielem prophetam 2,6,20, ed. Mark Adriaen, CCL 142, Turnhout 1971, S. 309: Per ‚aquilonem‘ uero gentilitas figuratur, quae diu in perfidiae suae frigore torpuit, et in cuius corde ille regnauit. Danach Hrabanus Maurus, Commentaria in Ezechielem 16,40, Migne PL 110, Sp. 960 A, zu den vier Türen: Potest autem per aquilonis portam gentilitas, per austri viam Iudaea, per orientis autem portam ipse Dominus designari. Per aquilonem quippe non immerito gentilitas figuratur, quam ille in torporis frigore possedit, qui dixit: ‚Sedebo in monte testamenti in lateribus aquilonis‘ (Jes 14,13). Per australem quoque portam recte Iudaea accipitur, in qua spiritales Patres coelesti amore ferbuerunt: quorum unus loquitur, dicens: ‚Converte, Domine, captivitatem nostram sicut torrens in austro‘ (Ps 126,4). Hrabanus Maurus, Allegoriae in universam scripturam Sp. 849–1088.
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dem die Weisen der Heiden dienten,567 das Feld, dessen Früchte (die Früchte des Gesetzes) nämlich (mit Christus) von den Juden auf die Heiden übergegangen sind,568 nach demselben Bibelvers aber auch die Wüste,569 sodann den See Babylon, als Wohnstätte der Dämonen570 oder den „Zaun“ (sepes), weil die Heiden durch Wunder zum Glauben berufen wurden, als die Juden nicht mehr glauben wollten.571 Wie es bereits an vielen Stellen angeklungen ist, wird Heidentum vor allem in eine unmittelbare Beziehung zum Teufel gesetzt.572 (Auch das schafft, wenn auch in Umkehrung der Wertungen, einen heilsgeschichtlichen Bezug.573) Heiden sind (wie auch die Priester, die sie nicht richtig unterweisen) Teufelsdiener 574 und von Anfang an im Besitz des Teu567
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Ebd. Sp. 870 A: ‚Aurum‘, sapientia gentilitatis, ut in Psalmis (Ps 72,15): ‚Et dabitur ei de auro Arabiae‘, id est, servient ei sapientes gentilitatis. Ebd. Sp. 882 A: Per ‚campum‘, gentiles inculti, ut in propheta: ‚Germinaverunt campi eremi germen odoris Israel‘, quod fructum legis, quae populo Iudaico data fuit, populus gentium pertulit. Ebd. Sp. 953 B: Heremus, gentilitas, ut in Propheta (wohl mit Bezug auf Joel 2,22, allerdings stark abgewandelt): ‚Germinaverunt campi heremi‘, quod intuitus gentium populus ad fructum legem exposuit, quam videns velut odore tantum suscepit. Ebd. Sp. 884f.: ‚Lacus itaque in Babylonem‘, habitatio est daemonum in gentilitate. Ebd. Sp. 1049f.: Per sepes populi gentiles, ut in Evangelio (abgewandelt nach Lc 14,23): ‚Exi in vicos et sepes, et compelle intrare‘, quod quando Iudaei credere noluerunt, gentiles crebris miraculis ad fidem invitantibus ad fidem vocati sunt. Vgl. oben S. 53 zum Altsächsischen Taufgelöbnis; außerdem Anm. 131, 188, 378, 382, 500, 510 und 534. Vgl. auch Amulo von Lyon, ep. 2, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 5, Berlin 1899, S. 375: Vere non est christiana, sed pagana, immo diabolica ista duritia, quam si bene cogitare et recognoscere posses, profecto signares cor tuum et manum tuam poneres super os tuum. Vgl. Angenendt, Frühmittelalter S. 427, der geradezu von einer „dualistischen Weltdeutung“ spricht. Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung S. 350f. Vgl. Otloh von St. Emmeram, Vita Bonifatii 2,9, S. 187f.: sed per agrestia loca et per cellas rusticorum, ubi eorum inperita stulticia celari possit, perpetrant nec fidem catholicam paganis predicant nec ipsi fidem catholicam habent nec quaerent ab eis, quos baptizare student, abrenuntiationem satanae, sed neque signaculo crucis Christi eos muniunt, quae precedere debent baptismum, sed nec aliquam credulitatem unius deitatis et sanctae trinitatis docent, hos itaque ministros satanae et non Christi, ubicumque repereris, karissime frater, aggregato provinciali et sacerdotali collegio, a sacerdotio depositos sub regula monachica et pe˛nitentia summissos vitam finire decernas, ut, carne afflicti, quandoque ad viam redeant salutis; si vero non fuerint conversi, tuae predicationis merces non peribit.
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fels,575 des „Vaters der Heiden“, der sie in Babylon, „dem Haus der Verwirrung des unreinen Götzendienstes“, erzeugte.576 Wer nach Heidenart lebt und an Hexen glaubt, gilt daher als vom Teufel verführt.577 Wer Götzen verehrt, warnt Hrabanus Maurus, betet den Teufel an und beleidigt Gott und wird der ewigen Strafe nicht entgehen.578 Kein anderer als der Teufel ist der Lehrmeister und Urheber der heidnischen Bräuche, meint auch Papst Johannes VIII.579 Sie müssen daher den Klauen des Teufels entrissen werden, fordert Bonifatius.580 Für Otto von Freising verbindet sich Heidentum,
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Vgl. Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 2,46, S. 195: Gentilibus siquidem ab initio a diabolo possessis et Iudaeis ab antichristo pervasis draco et bestia iam securi otiantur, quia solus pseudopropheta seducendis sibique subiugandis christianis posse praevalere non dubitatur. Vgl. Petrus Damiani, Sermo 3, Migne PL 144, Sp. 518 CD: Totum deinde corpus vituli huius in pulverem comminuitur, quia gentilis illa societas diabolicae conspirationis in unum arte conflata, ad adventum Christi quodam velut malleo salutiferae correptionis extusa atque a rigoris sui duritia divini verbi est virtute contrita; Gerhoh von Reichersberg, De quarta vigilia noctis 6 (oben Anm. 50). So später Gerhoh von Reichersberg, Commentarius aureus in psalmos et cantica ferialia 5, In Ps. 44, Migne PL 193, Sp. 1570 D [früher Honorius zugeschrieben]: Pater gentilitatis fuit diabolus, qui eam in civitate Babyloniae, id est in domo confusionis immundae idololatriae genuit, siliquiis porcorum, id est figmentis poetarum nutrivit, sed filius regis Ierusalem eam in coniugium tulit. Patrem ergo diabolum, et domum idololatriae, et populum vitiorum deserendo obliviscere. Vgl. Capitulatio de partibus Saxoniae 6, S. 68f.: Si quis a diabulo deceptus crediderit secundum morem paganorum, virum aliquem aut feminam strigam esse et homines commedere, et propter hoc ipsam incenderit vel carnem eius ad commedendum dederit vel ipsam commederit, capitali sententiae punietur. Hrabanus Maurus, Homiliae in Evangelia 130, Migne PL 110, Sp. 395 BC: Scimus enim quia idolum nihil est nisi vana superstitio et offensio Dei, et qui idola colit diabolum colit et Deum fortiter offendit, unde similis illi dicitur, qui confidit in eo, nisi quod idolum pertransiit uno momento, poena autem, quae idolum colentibus praeparatur, nunquam praeteribit, sed aeterna est. Johannes VIII., Fragmenta registri, ep. 17, S. 282: Precipue cum hec pessima consuetudo ex paganorum more remanserit, quorum in talibus non alius nisi ipse diabolus erat magister et auctor. Bonifatius, ep. 46, S. 74f.: Fraternitatis vestrae clementiam intimis obsecramus precibus, ut nostrae parvitatis in orationibus vestris memores esse dignemini, ut liberemur a laqueo venantis satanae et ab inportunis et malis hominibus, et ‚sermo Domini currat et clarificetur‘, et ut praecibus pietatis vestrae impetrare studeatis, ut deus et dominus noster Iesus Christus, ‚qui vult omnes homines salvos fieri et ad agnitionem Dei venire‘,
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das vor Christus mit Ausnahme des Volkes Israel die ganze Welt beherrschte, mit Irrtum, eitlem Aberglauben, dämonischem Spiel und Verstrickung in die Lockungen der Welt, und das alles unter der Herrschaft des Teufels.581 Wenn es den Missionaren nämlich, wie Lutz von Padberg betont, nicht um eine Abqualifizierung, sondern um die Bekehrung der Heiden ging,582 so bleiben die negativen Zuschreibungen doch ein auffälliges Merkmal des christlichen Heidenbildes. Gregor von Tours spricht vom „götzenergebenen Schmutz“ (fanaticis sordibus),583 und nach Alkuin beschmutzten sich die Friesen mit ihrem König Radbod durch ihre heidnischen Riten (paganis adhuc ritibus sorduit).584
e. Kulturelle Abwertung: Heiden als Barbaren Eine solche Einschätzung bleibt nun keineswegs auf den religiösen Bereich beschränkt.585 Weit über die religiösen Kennzeichnungen als Heiden hinaus verbindet sich Heidentum in den Vorstellungen der Christen vielfach regelrecht mit barbarischem Charakter,586 Wildheit,587 Wut588 und
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convertat ad catholicam fidem corda paganorum Saxonum, et resipiscant a diabuli laqueis, a quibus capti tenentur, et adgregentur filiis matris ecclesiae. Vgl. Otloh von St. Emmeram, Vita Bonifatii 2,9 (oben Anm. 574). Otto von Freising, Chronica 3 prol., S. 130: quia a primo homine ad Christum totus pene orbis, exceptis de Israelitico populo paucis, errore deceptus, vanis superstitionibus deditus, demonum ludicris captus, mundi illecebris irretitus sub principe mundi diabolo militasse invenitur. Von Padberg, Christen und Heiden S. 297. Zu Ursachen und Hintergründen der kirchlichen Distanz zum Heidentum vgl. ebd. S. 297ff. Gregor von Tours, Historiae 1,33, S. 25. Vgl. auch Altfrid, Vita Liudgeri 1,22, S. 26: fana destruere et omnes erroris pristini abluere sordes. Alkuin, Vita Willibrordi 1,5, S. 120. Zu negativen Werturteilen gegenüber „paganen Feinden“ vgl. Mohr, Wissen über die Anderen 151–186. Vgl. Willibald, Vita Bonifatii 5, S. 25: ad occidentales barbarorum regiones; Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,5, S. 318: rebelles fidei barbaros; Vita Willehadi 3, S. 380: gens fera. Notker Balbulus, Gesta Karoli Magni imperatoris 2,12, S. 70 und S. 74, spricht zweimal von barbarae nationes, die das Frankenreich von Norden her bedrohten. Georg Scheibelreiter, Die barbarische Gesellschaft. Mentalitätsgeschichte der europäischen Achsenzeit 5.–8. Jahrhundert, Darmstadt 1999,
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Unmoral.589 Zwar verknüpfen sich solche Eigenschaften mindestens ebenso mit dem Volk wie mit dessen Religion,590 zumal wenn sie auch nach der Bekehrung erhalten bleiben, dennoch werden sie immer wieder auf das Heidentum zurückgeführt.591 Kaiser Arnulf motivierte sein Heer vor der Nor-
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spielt zwar immer wieder auch auf religiöse Elemente an, widmet der „barbarischen Religiosität“ aber kein eigenes Kapitel. Zum Barbarentopos im Umkreis des Bonifatius vgl. Krutzler, Kult und Tabu S. 53–58. Damit verbindet sich die Vorstellung von Primitivität (ebd. S. 153). Vgl. Gregor von Tours, Historiae prol., S. 1: feretas gentium; Eigil, Vita Sturmi 5, S. 135; Alkuin, Vita Willibrordi 1,9, S. 123: ad ferocissimos Danorum populos iter evangelizandi convertit; ebd. 1,32, S. 140: populos adhibuit feroces; Rimbert, Vita Anskarii 12, S. 34: ne propter barbarorum imminentem saevitiam aliquo modo deperiret; Regino von Prüm, Chronicon a. 868, S. 95, zu den Bulgaren; Vita Amandi I 13, S. 437; Gesta episcoporum Tullensium 2, ed. Georg Waitz, MGH SS 8, Hannover 1848, S. 633: gentilium ferocitatem; Theodulf von Orléans, Carmina 73, v. 63, ed. Ernst Dümmler, MGH Poetae 1, Berlin 1881, S. 571: Sed tamen hoc egit feritas inculta repugnans Gentilis, fidei namque inimica piae; Helmold von Bosau, Chronicon 1,3, S. 9, zu den Sachsen: gentem ferocissimam atque rebellem. Vgl. Alkuin, Vita Willibrordi 1,32, S. 140: filios irae filios fecit esse missericordiae; Altfrid, Vita Liudgeri 1,14, S. 19, zu den Sachsen: in furorum conversi; Johannes VIII., Registrum, ep. 21, S. 284: Ceterum ubi paganorum et incredulorum furor in causa est, quantalibet pretereant tempora, iuri non preiudicat ecclesiarum, que˛ corporalia nescientes arma solum Dominum et propugnatorem suum, quando ei placuerit misereri, pacienter expectant. Von „durch die Sitten verhärtet“ (obduratam moribus) spricht Alkuin, Vita Willibrordi 1,9, S. 124. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 1,36, S. 51–54, bezeichnet die (heidnischen) Elbslawen in einem einzigen Kapitel zehnmal als barbari, ohne sie an dieser Stelle als Heiden zu kennzeichnen. Ähnlich ebd. 2,20, S. 84f. (viermal). Später jedoch (ebd. 3,69, S. 143) bezeichnet Widukind die Slawen als pagani. Die Vita Amandi I 13, S. 437, nennt Götzendienst und ferocitas der Einwohner von Gent in einem Atemzug. Vgl. auch Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World S. 121: „Paganism often seems to be more about behaviour than belief.“ Insofern hat ein „übergentiles Denken“ der Missionare (so von Padberg, Mission und Christianisierung S. 351) auch seine Grenzen. Den Barbarenbegriff der Spätantike und des frühen Mittelalters untersucht gründlich Elke Ohnacker, Die spätantike und frühmittelalterliche Entwicklung des Begriffs barbarus. Ein interdisziplinärer Versuch der Beschreibung distinktiver und integrativer gesellschaftlicher Konzepte (Soziologie 41), Münster-Hamburg-London 2003, der es letztlich aber um eine Anwendung soziologischer Vergesellschaftungstheorien auf das frühe Mittelalter geht und
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mannenschlacht an der Dyle, indem er, wie schon erwähnt, daran erinnerte, daß man hier gegen Feinde kämpfe, die „nach heidnischer Art“ wüteten, das Blut der Vorfahren vergossen und die Tempel des Schöpfers zerstört hätten.592 Liutprand von Cremona charakterisiert die heidnischen Ungarn als leidenschaftlich, kühn, zwar ohne Kenntnis des allmächtigen Gottes, doch in Kenntnis aller Verbrechen und gierig auf Morden und Rauben.593 Letztlich sind Heidentum und barbarisches Verhalten für die mittelalterlichen Autoren kaum zu trennen:594 „Wie ein Heide und Barbar“ (veluti aethnicus atque barbarus) zerstörte der exkommunizierte, ehemalige päpstliche Bibliothekar Anastasius nach Hinkmar von Reims in einem Vergleich ein Bild im Papstpalast.595 Chlodwig ließ nach Fredegar die Zerstörung von Kirchen zu, weil er (noch) fanaticus (gewissermaßen: ein vom fanum besesse-
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die deshalb die Integration der früheren Barbaren (aus römischer Sicht) in die (römische) Zivilität aufzeigen möchte und zudem alle Arbeiten, die sich zu den behandelten Autoren bereits mit dem Thema befaßt haben, konstant negiert. Der religiöse Bedeutungswandel des barbarus-Begriffs tritt dabei allzu sehr in den Hintergrund. Vgl. dazu bereits Lieven van Acker, Barbarus und seine Ableitungen im Mittellatein, in: AKG 47, 1965, S. 125–140; W. R. Jones, The Image of the Barbarian in Medieval Europe, in: Comparative Studies in Society and History 13, Cambridge 1971, S. 376–407, zum Frühmittelalter S. 387ff. (abgedr. in: Joan-Pau Rubiés [Hg.], Medieval Ethnographies. European Perceptions of the World Beyond [The Expansion of Latin Europe, 1000–1500, Bd. 9], Farnham-Burlington 2009, S. 347–378, zum Frühmittelalter S. 358ff.). Annales Fuldenses, Continuatio Ratisbonensis a. 891 (oben Anm. 380). Liutprand von Cremona, Antapodosis 1,13, S. 16: Hungariorum gentem cupidam, audacem, omnipotentis Dei ignaram, scelerum omnium non insciam, caedis et rapinarum solummodo avidam, in auxilium convocat. Nach Brun von Querfurt blieb der ungarische König auch als Christ barbarisch, weil sein Glaube (noch) vom Heidentum beschmutzt war; vgl. Brun von Querfurt, Passio Adalberti 23, S. 61: Qua duce erat christianitas cepta, sed intermiscebatur cum paganismo polluta religio, et cepit esse deterior barbarismo languidus ac terpidus christianismus. Vgl. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,79, S. 138, zu dem Slawenfürsten Gottschalk: omnes impugnans magnumque paganis terrorem incutiens. De cuius fortitudine vel potentia, quam super barbaros habuit, postea dicemus; ebd. 3,26, S. 168: et tam longiturna paganorum infestatione cribraretur. […] quoddam utile opus inchoavit contra incursus barbaricos; ebd. 4,8, S. 236: Quapropter multos adhuc populos ydolorum cultui deditos ille viro Christo lucratus est, illos presertim barbaros, qui Pleicani dicuntur, et qui in Hulmo insula degunt affines Gothis. Annales Bertiniani a. 868 (Hinkmar von Reims), S. 148.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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ner Mensch und somit Heide) war,596 und ein bayerischer Herr drohte einem heiratsunwilligen, christlichen Knecht damit, ihn den heidnischen Sachsen auszuliefern, einem Volk, „das aus lauter Götzendienern besteht“ und „dessen Lebensweise er wie den Tod fürchtete“.597 Der Frankenkönig Childerich (so fährt Gregor von Tours nach der oben zitierten Episode über das Heidentum der Franken fort) „ergab sich fesselloser Unzucht und fing an, ihre Töchter zu mißbrauchen“.598 Daß ein solches Vorgehen, wenn die Geschichte überhaupt stimmt, tatsächlich mehr königlichem Übermut als heidnischem Denken entsprang und vielmehr auch den Heiden suspekt war, zeigt allerdings die Tatsache, daß die heidnischen Franken selbst ihren König eben wegen solcher Zügellosigkeit vertrieben. Man erwartete von Heiden letztlich gar nichts anderes. „Wider Erwarten“ (contra spem), so kommentiert Adam von Bremen die Flucht des geschlagenen Harald Blauzahn in die slawische Stadt Jumne, „wurde er dort menschlich aufgenommen, obwohl sie doch Heiden waren.“ 599 Zur Barbarensitte zählte nach Adam auch das ausgiebige, mehrtägige Festgelage anläßlich von Bündnissen.600 In den Sachsenkriegen Heinrichs IV. warben nach Lampert von Hersfeld beide Seiten um die (heidnischen) Liutizen, deren Heidentum allerdings wieder nicht erwähnt wird, die Lampert vielmehr als gens Saxonibus infestissima und als barbari charakterisiert; beide Parteien boten ihnen viel Geld. Darüber gerieten jedoch die Barbaren selbst in Streit, welcher Seite sie zuneigen sollten, und zerfleischten einander:601 Mochten die Parteien um des Beistands willen über das Heidentum ihrer Helfer hinwegsehen, so bleibt die abwertende Stellungnahme des monastischen Autors doch fest und eindeutig.
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Fredegar, Chronicon 3,15, S. 98. Arbeo von Freising, Vita Haimhrammi 38f., S. 514f.: quae tot idolorum cultores existunt; […] quorum vitam […] tamquam praecipitium mortis pertimiscebat. Gregor von Tours, Historiae 2,12, S. 61. Zu Gregors Schilderung des Heidentums der Franken vgl. oben S. 138. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,28, S. 87: A quibus contra spem, quia pagani erant, humane receptus. Ebd. 3,18, S. 161: Denique, sicut mos est inter barbaros, ad confirmandum pactum federis opulentum convivium habetur vicissim per VIII dies. Lampert von Hersfeld, Annales a. 1073, ed. Oswald Holder-Egger, MGH SSrG 38, Hannover 1894, S. 163.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
In den Augen der christlichen Autoren verbindet sich Heidentum offenbar zugleich mit einer fürchterlichen Lebensweise. Den Christen erscheinen die barbarischen Heiden, zumal dort, wo sie angreifen, wie schon mehrfach erwähnt, daher immer wieder als grausam.602 So waren die Angelsachsen für Beda vor ihrer Bekehrung „ein barbarisches, wildes und ungläubiges Volk“,603 die Bulgaren für Lothar II. durch „die Wildheit der Heiden“ gekennzeichnet.604 „Grausamkeit und Bosheit herrschten in ihnen,“ schreibt Wetti über die heidnischen Bewohner von Zürich, „denn sie gierten nach dem Aberglauben der Heiden.“605 Hätten Heiden über uns gesiegt, dann hätte die Grausamkeit nicht größer sein können, so beklagt Bruno die Verwüstung Sachsens durch Heinrich IV.606 Unablässig betonen die Autoren das grausame Vorgehen der Heiden. Die Annales Vedastini schildern die barbarischen Greueltaten der Normannen folgendermaßen: „Die Normannen aber hörten nicht auf, das christliche Volk in Gefangenschaft zu führen und zu töten, die Kirchen zu zerstören, die Mauern niederzureißen und die Dör-
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Vgl. Altfrid, Vita Liudgeri 1,14, S. 19, zu den Sachsen (oben Anm. 489); ebd. 1,15, S. 19: iterum impii Saxones vastaverunt locum illum et succenderunt ecclesiam; Helmold von Bosau, Chronicon 1,36, S. 70, zu den Ranen: populi crudeles, habitantes in corde maris, ydolatriae supra modum dediti; Adefonsi tertii chronica. Version Rotensis 23, ed. Juan Gil Fernandez (Publicaciones del Departamento de Historia Medieval / Universidad de Oviedo 11), Oviedo 1985, S. 142, zu den Normannen: Per idem tempus Nordomanorum gens antea nobis incognita, gens pagana et nimis crudelissima, nabali exercitu nostris pervenerunt in partibus. Vgl. auch oben Anm. 327, 362, 402, 408 und 418 und 418. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 1,23 (oben Anm. 309). Vgl. Eigil, Vita Sturmi 5, S. 135 (feroces Saxones). Vgl. schon Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 7,15,63, ed. Lagarrigue S. 476; ed. Halm, S. 95: Nullam enim improbitatem scio, quae illic non redundauerit, cum utique etiam paganae ac ferae gentes, etsi habent specialiter mala propria, non sint tamen in his omnia execratione digna. So in einem Brief Lothars II. an Papst Nikolaus I: Epistolae ad divortium Lotharii II pertinentes 18, S. 239: Et quidem ultra quam fari possit congratulamur, quod Bulgares et alia paganorum feritas ad limina sanctorum apostolorum invitatur, immo quod sancta ecclesia iuxta vaticinium prophetae dilatat locum tentorii sui et longos facit funiculos suos ac pelles tabernaculorum suorum extendit. Wetti, Vita Galli 1,4, S. 259: Crudelitas et malicia in illis regnabant; namque et superstitioni gentilium inhiabant. Brunos Buch vom Sachsenkrieg 47, S. 45: zum Einfall Heinrichs in Sachsen: Si pagani nos ita vicissent, non maiorem in victos crudelitatem exercerent.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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fer zu verbrennen. Auf allen Straßen lagen die Leichen von Geistlichen, von adligen und anderen Laien, von Frauen, Jugendlichen und Säuglingen; es gab keinen Weg und Ort, wo nicht Tote lagen; und es war für jedermann eine Qual und ein Schmerz zu sehen, wie das christliche Volk bis zur Ausrottung der Verheerung preisgegeben war.“607
Die Normannen dürsteten nach Zerstörung und Menschenblut.608 Sie verwüsteten Dorestat in unmenschlicher Grausamkeit.609 Der Normanne Rorich wird in den Annales Xantenses als „Galle der Christenheit“ (fel Christianitatis) bezeichnet, bis er in die Dienste König Ludwigs trat.610 Nach seinem Sieg bei Stade über das sächsische Heer wütete auch der wieder zum Heidentum abgefallene Dänenkönig Sven voller Grausamkeit gegen die Christen; er überfiel die friedlichen, nichts ahnenden Bewohner Hadelns, besiegte die Sachsen bei Stade, und als Graf Siegfried entfliehen konnte, „verstümmelten die Seeräuber, darüber wütend, alle in ihrer Gewalt befindlichen Großen an Händen und Füßen, schnitten ihnen die Nasen ab und ließen sie halbtot liegen“.611 Nach Adam von Bremen aber ließ „der eifrige Gott“ ihm „in einem gerechten Gottesurteil“ „einen würdigen Lohn“ zuteil werden, als der Schwedenkönig Erik nämlich die ganze dänische Streitmacht vernichtete und ihn seinerseits aus seinem Reich vertrieb.612 Der Slawenfürst Gottschalk richtete nach Helmold von Bosau ein solches Blutbad unter den Christen an, daß seine Grausamkeit jedes Maß übertraf.613 607
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Annales Vedastini a. 884, S. 54f.: Nortmanni vero non cessant captivari atque interfici populum Christianum atque aecclesias subrui, destructis moeniis et villis igne crematis. Per omnes enim plateas iacebant cadavera clericorum, laicorum nobilium atque aliorum, mulierum, iuvenum et lactentium. Non enim erat via vel locus, quo non iacerent mortui, et erat tribulatio omnibus et dolor, videntes populum Christianum usque ad internitionem devastari. So ebd. a. 879, S. 45. So Annales Xantenses a. 834, S. 9 (oben Anm. 414). Ebd. a. 873, S. 32. Vgl. auch Altfrid, Vita Liudgeri 1,27, S. 33: Nam concrematae sunt aecclesiae, monasteria defuncta, deserta ab habitatoribus praedia. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,31, S. 93: pyratae mox in furorem versi, omnes, quos in vinculis tenuerunt, meliores ad ludibrium habentes, manus eis pedesque truncarunt ac nare precisa deformantes ad terram semianimes proiciebant. Ebd. 2,29f., S. 91f.: Secuta est ultio divina in regem Deo rebellem. […] Suein a regno depulsus dignam factis suis a Deo zelote recepit mercedem. Haec nobis iunior Suein recitavit in avo suo contigisse, iusto Dei iudicio, quoniam illum dereliquit, quem pater eius bonum defensorem habuit. Helmold von Bosau, Chronicon 1,19, S. 40: ut crudelitas omnem modum excesserit.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Nicht weniger grausam handelten die Slawen, die nach dem Tod Ottos II. vom Glauben abfielen: „Aus Hamburg wurden damals und später viele Geistliche und Einwohner gefangen fortgeführt und noch mehr aus Haß gegen das Christentum umgebracht,“ schreibt Adam.614 Im Bistum Oldenburg, so hatte der Dänenkönig Sven ihm erzählt, wohnten damals viele Christen: „Nachdem man dort die übrigen wie Vieh abgeschlachtet hatte, wurden 60 Priester zu blutiger Kurzweil aufgespart. […] Mit eisernen Messern zerschnitt man ihnen die Kopfhaut in Form eines Kreuzes und legte ihnen einzeln das Gehirn frei“.615
Dann band man ihnen die Hände auf den Rücken, trieb sie durch die Burgbezirke (civitates) und mißhandelte sie so lange, bis sie starben. Das Skalpieren in Form eines Kreuzes liest sich wie eine ironische Reaktion des Heidentums auf die Christen und ihr Symbol. Die Slawen nördlich der Elbe, so Adam, erschlugen ihren Fürsten Gottschalk, der sich um ihre Bekehrung zum Christentum bemüht und das in weiten Teilen bereits erreicht hatte.616 (Adam vergleicht ihn mit dem alttestamentlichen König Makkabäus und betrachtet ihn als Märtyrer.) Auch Adam betont die Grausamkeit dieser Heiden: Den greisen Bischof Johannes peitschte man aus, führte ihn in verschiedenen Orten herum, „hieb ihm Hände und Füße ab und warf seinen Leib auf die Gasse. Sein Haupt aber wurde abgeschnitten; die Heiden spießten es als Siegeszeichen auf einen Pfahl und opferten es ihrem Gott Redigost.“617 „So fielen alle Slawen während dieses allgemeinen Aufstandes wieder ins Heidentum zurück und alle, die am Glauben festhielten, waren erschlagen.“618
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Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,43, S. 103: Apud Hammaburg eo tempore ac deinceps multi ex clero et civibus in captivitatem abducti sunt, plures etiam interfecti propter odium christianitatis. Danach auch Helmold, Chronicon 1,16, S. 35. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,3, S. 103f.: ‚Sexaginta‘, inquit, ‚presbyteri ceteris more pecudum obtruncatis ibi ad ludibrium servati sunt. […] ut cute capitis in modum crucis incisa ferro cerebrum singulis aperiretur. Ebd. 3,50, S. 193. Vgl. ebd. 4,30, S. 262, zum Abfall ad paganismum unter dem Schwedenkönig Stenkil. Ebd. 3,51, S. 194: Ille igitur pro confessione Christi fustibus cesus, deinde per singulas civitates Sclavorum ductus ad ludibrium, cum a Christi nomine flecti non posset, truncatis manibus ac pedibus in platea corpus eius proiectum est, caput vero eius desectum, quod pagani conto prefigentes in titulum victoriae deo suo Redigost immolarunt. Ebd. S. 195: Itaque omnes Sclavi facta conspiratione generali ad paganismum denuo relapsi sunt, eis occisis, qui perstiterunt in fide.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Für Thietmar von Merseburg waren Dänen und Slawen eine „verfluchte Piratenbande“ und „habsüchtige Hunde“ (avari canes),619 und die Polen müßten wie eine Rinderherde gehütet und wie störrische Esel durch Strafen zum Nutzen angeleitet werden.620 Ein Beispiel der Vorstellungen barbarischer Wildheit liefert auch Ekkehard von St. Gallen anläßlich des Einfalls der (als Barbaren bezeichneten und dargestellten) Ungarn in sein Kloster: Man veranstaltete dort ein Gelage, verschlang halbrohes Fleisch, indem man es ohne Messer mit den Zähnen zerriß und bewarf sich zum Spaß mit den abgenagten Knochen. „Nachdem sie aber vom Wein heiß geworden, schrien sie alle in greulichster Weise zu ihren Göttern“ (und sie tanzten auch weiter, als der gefangene Kleriker und ein Mönch die Antiphon vom heiligen Kreuz anstimmten.) Als der Kleriker diese Gunst nutzen wollte und um seine Freilassung bat, „bedeuteten jene in ihrem gar rohen Sinn ihren Gesellen mit Zischen und einer Art greulichem Grunzen, was sie wollten. Und wütend stürzten sie herbei, packten den Mann im Nu und zückten ihre Messer, um das Spiel, das die Deutschen ‚Picken‘ nennen, an seiner Tonsur zu üben, ehe sie ihm den Kopf abschlugen.“ 621
Heiden kannten nämlich – und so mag sich die Grausamkeit erklären – kein Mitleid, eben weil sie, so Adam von Bremen, Heiden waren: Der Norwegerkönig Tryggve Hakonson ließ, quoniam paganus erat, keine Barmherzigkeit gegenüber dem vertriebenen Dänenkönig Sven walten.622 Barbarische Grausamkeit und Mitleidlosigkeit verbinden sich in den Augen der Christen untrennbar mit Heidentum. Ihr Barbarentum rückt die Heiden in christlichen Augen, wie es schon an den Allegorien zu beobachten war, in die Nähe wilder Tiere, mit denen sie wegen ihrer Wildheit immer wieder (in reziprokem Bezug) verglichen werden: 623 619 620 621
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Thietmar von Merseburg, Chronicon 3,17, S. 118; 4,24, S. 159; 4,25, S. 160. Ebd. 8,2, S. 494. Ekkehard, Casus s. Galli 54, ed. Gerold Meyer von Knonau (Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte 15/16. St. Gallische Geschichtsquellen 3), St. Gallen 1877, S. 205f.: At illi nimis effero spiritu sibilis et quasi grunnitu horrido satellitibus, quid velint, insinuant, illique rabidi advolant, hominem dicto cicius corripiunt, cultellos, ut ludicrum, quod Teutones ‚picchin‘ vocant, in coronam eius facerent, antequam capite illum plecterent, exigunt. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,34, S. 94f. Bonifatius, ep. 17 (oben Anm. 136); Beda Venerabilis, Commentaria in Pentateuchum. Explanatio in quartum librum Moisis 22, Migne PL 91, Sp. 370 A: Quae est autem ista asina, nisi bruta gentilitas, quam Balaam, id est, unusquisque idololatres,
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Sie leben wie wilde Tiere, eben weil sie nicht an Gott glauben.624 Heiden gelten aber nicht nur als grausam, sondern auch als treulos (perfidus),625 ein Begriff, der doppeldeutig zugleich wieder auf den mangelnden Glauben verweist. „Zuerst glaubte Juda an Gott,“ schreibt Gregor der Große (und mit ihm später Odo von Cluny), „während das ganze Heidentum im Starrsinn ihrer perfidia verharrte.“ (Später aber wurden die Herzen der Heiden zum Glauben erweicht und der Unglaube bzw. die Treulosigkeit der Judäer verhärtet.) 626 Mit dem Barbarentum (und somit mit dem Heidentum) assoziiert Adam von Bremen darüber hinaus Unkenntnis nicht nur in religiösen, sondern auch in wissenschaftlichen Fragen der Naturlehre: Die Barbaren wunderten sich, so meint der Chronist, über die 14 Tage ohne Nacht zur Sommersonnenwende und die 14 Nächte ohne Sonne zur Wintersonnenwende, weil sie nicht wissen, daß dieses Phänomen von der Sonnennähe bzw. -ferne zur Erde abhängt. Die Heiden hielten das vielmehr für ein Wunder und dieses Land für heilig.627 Der Christ Adam wirft dem mittelalterlichen Heiden also das vor, was wir an mittelalterlichen Christen feststellen, nämlich die religiöse Deutung unerklärlicher Erscheinungen. Ihren groben Sitten fehlte jegliche Bildung: Der Athenerkönig Kekrops stachelte die rauhen Gemüter der Heiden zur Verehrung von Götzenbildern an.628 Alle diese „Kennzeichen“ von Barbarentum werden also auch auf Heiden (als Barbaren) übertragen.
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quasi brutum animal et nulla ratione renitens, quo voluit perduxit?; Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 2,11, S. 151: Pagani autem irritati in sua saevitia similes sunt bestiis, quae se irritantium vestes discindunt et aliquando in eos usque ad mortem carnis saeviunt. Vgl. Haymo von Auxerre, Commentaria in Isaiam 2,43, Sp. 934 D: Bestias appellat gentiles, qui more bestiarum vivebant ignorantes Creatorem, et adorantes creaturam. Vgl. oben Anm. 442. Gregor der Große, Moralia in Iob 29,29,56, CCL 143B, S. 1474: Quia ergo primum Iudaea Deo credidit, gentilitate omni in perfidiae suae obstinatione remanente, postmodum uero ad fidem gentilium corda mollita sunt; et Iudaeorum infidelitas obdurata, bene dictum est: In similitudine lapidis aquae durantur. Danach Odo von Cluny, Moralium in Iob 29, Sp. 447 BC. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,38, S. 274f. So das Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini) 2,30, S. 304, zu der Zeit, als Moses mit dem Volk Israel in der Wüste weilte und die Gebote Gottes empfing: Cecrops, quidam rex Atheniensium de˛monico inlectus veneno rudes gentilium mentes ad imaginum simulacrorumque et ad vanorum deorum culturas excitavit. Vgl. auch Helmold von Bosau 1,20, S. 42, anläßlich der Slawenbekehrung: qui rudes gentilium mentes doctrina fidei inbuerent.
3. Christliche Vorstellungen von Heidentum und Heiden
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Zu solchem Heiden- und Barbarentum zählte zwangsläufig auch ein gestörtes Rechtsverhältnis bzw. ein fehlendes Rechtsverständnis: Samo, der eine Herrschaft über die Slawen errichtet hatte, lehnte es ab, die geforderte Entschädigung für die getöteten Kaufleute zu zahlen, ut habit gentiletas et superbia pravorum.629 Bezeichnenderweise verwendet Fredegar für diese Wiedergutmachung den Begriff „Gerechtigkeit“ (iustitia). Auch bei Einhard (und danach bei Adam) verbindet sich Heidentum (im Hinblick auf die Sachsen) nicht nur mit barbarischem Wesen, sondern auch mit Gesetzeslosigkeit und mit der Gewohnheit, ständig göttliche und menschliche Rechtssatzungen zu übertreten.630 (Kurz zuvor hatte Adam allerdings verkündet, daß die heidnischen Sachsen über hervorragende Gesetze zur Bestrafung von Verbrechern verfügten und vielfach ein vorteilhaftes, naturrechtlich geziemendes Leben in sittlicher Sauberkeit führten.631) Für Honorius sind Heiden, wenn auch jeweils übertragen gedeutet und auf das Verhalten gegenüber Gott bezogen, gewalttätige Räuber, Ungerechte und Ehebrecher und somit rechtlich abqualifiziert: Räuber, weil sie Gott nicht die schuldigen Dienste leisten, ungerecht, weil sie Geschöpfe statt Gott verehren, ehebrecherisch, weil sie Gott verlassen und sich mit Dämonen verunreinigen.632 Bekannt ist die Erzählung Altfrids in der Vita Liudgeri von der wunderbaren Rettung der Mutter Liudgers. Bei den heidnischen Friesen sei es nämlich üblich gewesen (quia sic erat mos paganorum), daß man Säuglinge töten durfte, bevor sie Nahrung zu sich genommen hätten. Auch wenn Altfrid das hier nicht explizit bewertet – und immerhin gab es feste Regeln für diese „Lizenz zum Töten“ –, wird man voraussetzen dürfen, daß er diesen Brauch verabscheut (hätte er doch seinem Heiligen beinahe die Existenz verweigert), ihn mit seiner Erzählung zumindest aber als unchristlich brandmarkt und 629 630
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Fredegar, Chronicon 4,68, S. 154. Einhard, Vita Karoli 7, S. 9 (oben Anm. 293). Danach nahezu wörtlich Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,7, S. 9. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,6, S. 8: Legibus etiam ad vindictam malefactorum optimis abutebantur. Et multa utilia atque secundum legem naturae honesta in morum probitate studuerunt habere. Honorius Augustodunensis, Speculum ecclesiae. Dominica XI, Migne PL 172, Sp. 1055 BC: Per duos homines qui in templum ascendisse leguntur, duo populi, Iudaicus scilicet et gentilis, intelleguntur. […] Gentiles raptores erant, quia bona Domini quasi per vim rapiebant, dum ei de collatis beneficiis debitum servicium non reddebant. Iniusti extiterant dum, Creatore spreto, creaturam colebant. Adulteri erant dum, vero sponso Domino deserto, cum daemonibus se polluebant.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
sich davon strikt abgrenzt: Liudgers Urgroßmutter (väterlicherseits), die in ihrer Wut – auch furor charakterisiert wieder die Heidin! – darüber, daß ihre Tochter nur Mädchen gebar, den Befehl gab, das soeben geborene Enkelkind (Liudgers Mutter Liafburg) zu ertränken, war nämlich Heidin (gentilis) und schwor jedem katholischen Glauben ab (abrenuntiantem omnino fidei catholicam). Das Kind ging wunderbarerweise aber nicht unter, sondern wurde von einer Nachbarin gefunden und mit Honig gefüttert, so daß es auch nach heidnischem Brauch am Leben bleiben mußte (et propter hoc inlicitum erat iuxta morem gentilium necare illam). Die Mutter zog es bis zum Tod „jener wilden Frau“ (praefata ferox illa mulier) heimlich auf.633 Heidnische Sitten ganz anderer Art beschreibt Arbeo von Freising in seiner Emmeramvita anläßlich einer vom Herrn angeordneten Heirat eines Dieners: „Der (Herr) aber ergriff die rechte Hand der Frau, umhüllte sie mit einem Tuch und übergab sie ihm, wie der Brauch der Eheschließung es verlangt, im Beisein der Mitknechte, seiner Frau und seiner Kinder mit froher Miene zur Ehe.“634
Dann gingen beide in die Schlafkammer, aßen, „wie es bei Hochzeiten Brauch ist“ (secundum nuptiarum consuetudine), und bestiegen das eigens hergerichtete Bett. Der bereits in der Heimat verheiratete Christ, der sich vergeblich gegen die Pläne des Herrn gesträubt hatte, suchte seine neue Ehefrau nun zur Enthaltsamkeit zu überreden und, als das nichts nützte, den Beischlaf hinauszuzögern, indem er darauf hinwies, daß Christen sich nicht gentilium more verbänden, sondern sich zunächst drei Tage lang enthielten.635 Die Erzählung ist damit zu vielschichtig für eine geradlinige Interpretation. Sie zeigt aber, daß man Unterschiede zwischen heidnischen und christlichen Eheritualen machen konnte, auch wenn diese hier nur als Ausrede benutzt werden, um der Bigamie zu entgehen. Sie deutet zugleich an, daß man sexuelle Enthaltsamkeit für eine spezifisch christliche Tugend hielt, die den Heiden fern lag. Da sich Barbarentum sowohl mit der heidnischen Religion als auch mit der Lebensweise unzivilisierter Völker verband, blieb es oft allerdings auch nach der Christianisierung an diesen haften: „Soll ich sagen,“ fragt rheto-
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Altfrid, Vita Liudgeri 1,6f., S. 10–12. Arbeo von Freising, Vita Haimhrammi 39, S. 515: Ille autem, adprehensam praedicte mulieris dexteram manum, circumvoluto pallio, ut mos nuptiarum conpellit, coram adstantibus conservis, coniuge et prolibus hilari vultu tradidit eam illi in matrimonium. Ebd. 40, S. 516.
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risch der Verfasser der Vita Wandregisels mit Blick auf den Heiligen, „daß er sich in so wilden und entsetzlichen, kürzlich christianisierten Barbarenvölkern in klösterlicher Weise leicht selbst beschuldigt hat und auf die Erde niedergesunken ist und um Gnade bat?“636 Regino von Prüm nennt die Normannen auch nach der Taufe Gottfrieds ein wildes, barbarisches Volk,637 und ebenso bleiben die Barbaren für Thietmar von Merseburg auch nach ihrer Bekehrung Barbaren.638
f. Ansätze zu einem differenzierteren Heidenbild? Die – mehr oder weniger stereotypen – christlichen Vorstellungen vom Heidentum spiegeln sich daher deutlich auch in Missionsviten wider. Meist geht man davon aus, daß auch die Missionare wenig Wert darauf legten, sich näher mit der Mentalität der Heiden zu befassen, und dem wird man im großen und ganzen zustimmen dürfen: „The missionary in the field appears to have made little attempt to understand the religion of the heathen.“639 Die obigen Beispiele scheinen das zu bestätigen. Dennoch zwang nicht nur die konkrete Situation dazu, auf die Gepflogenheiten und Mentalitäten der Heiden einzugehen, sondern es gab durchaus auch Reflexionen über die Missionsmethoden. Kennzeichnend ist der – schon oft behandelte und oben bereits mehrfach erwähnte – Brief, den der englische Bischof Daniel von Winchester dem Bonifatius (um 723/24) schrieb 640 und in dem er dem Mis-
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Vita Wandregiseli 16, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 5, Hannover-Leipzig 1910, S. 21: Dicam, ut in tam ferocis vel emanis barbaras gentes nuper christianas more monachele se cum vel leviter increpari prosternebat usque ad terram, et veniam petibat? Regino von Prüm, Chronicon a. 885, S. 124: cum a ferocis et barbarae gentis homine durius et contumeliosius verbum sibi esset prolatum. Vgl. Annales Bertiniani (Hinkmar von Reims) a. 876, S. 206, zur Bekehrung einiger Normannen: Et ut ante ita et postmodum ut Nortmanni more pagano peregerunt. Vgl. oben (bei) Anm. 107. So Ian Wood, Pagans and holy men S. 348. Ähnlich Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World S. 118: „Missionaries sought to eliminate paganisms, not understand them.“ Andererseits war ein Verständnis für die Zielgruppe Voraussetzung einer erfolgreichen Mission. So von Padberg, Mission und Christianisierung S. 32. Bonifatius, ep. 23, S. 38–41. Vgl. oben S. 116f. Vgl. dazu auch von Padberg, Christen und Heiden S. 308f.; Ders., Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 322–327; Patzold, Wahrnehmen und Wissen S. 83f.; Krutzler, Kult und Tabu S. 231–252,
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sionar Ratschläge erteilte, wie er „die Verstocktheit der Heiden am ehesten rasch überwinden“ könne. (Wörtlich ist an dieser Stelle allerdings nicht von „Heiden“, sondern von agrestes, der Landbevölkerung, die Rede). So solle Bonifatius den Heiden beispielsweise nicht widersprechen, wenn sie von der Abstammung ihrer Götter erzählten, sondern gerade anhand dieser (menschlichen) Herkunft zeigen, daß das nicht Götter, sondern zwangsläufig Menschen seien, da sie gezeugt wurden und einen Anfang haben; daß die Welt, wenn sie einen Anfang hat, aber auch einen Schöpfer haben müsse, der bereits vor der Geburt ihrer Götter geherrscht hat, denn woher sonst sollten ihre Götter stammen? Natürlich geht es auch Daniel nicht um die Anerkennung heidnischen Denkens, sondern erneut um den Beweis des Christentums bzw. um die schon oben beschriebene Methode, die Existenz bzw. die Wirksamkeit heidnischer Götter zu widerlegen und die Allmacht des Christengottes zu beweisen, doch er sucht diesen Beweis in der Denkweise der Heiden zu führen, um sie auf diese Weise mit ihren eigenen Argumenten zu widerlegen bzw. zu überzeugen.641 Dabei hebt auch er die christliche Lehre klar von den „unsinnigen Überzeugungen“ der Heiden ab: „Und ab und zu muß man solchen Aberglauben mit unseren christlichen Lehren vergleichen und sozusagen nur am Rand streifen, damit die Heiden mehr aus Verwirrung als aus Erbitterung wegen solcher unsinnigen Meinungen erröten und nicht glauben, daß uns ihre sündhaften Gebräuche und Fabeln unbekannt sind.“642
Um die Heiden zu überzeugen, ist es immerhin notwendig, sich die Denkweise und den Kult der Heiden zu vergegenwärtigen: „Wer missionieren will, muß seine Zielgruppe kennen und ihre Argumente zu widerlegen wissen.“643
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der den Traditionen der einzelnen Argumente Daniels nachgeht und zu dem Ergebnis gelangt, Daniel beruhe ganz auf antikem Gedankengut. Wie hier gezeigt werden soll, folgt Daniel tatsächlich vielmehr den stereotypen Heidenvorstellungen seiner Zeit. Aufgrund des intellektuellen Niveaus solcher Diskussionen denkt von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 325, zumindest teilweise weniger an eine Anwendung in Missionspredigten als vielmehr in Religionsgesprächen am Königshof. Bonifatius, ep. 23, S. 40: Et per intervalla nostris, id est christianis, huiuscemodi conparandae sunt dogmatibus superstitiones et quasi e latere tangende˛, quatenus magis confuse quam exasperate pagani erubescant pro tam absurdis opinionibus et ne nos latere ipsorum nefarios ritus ac fabulas estimant. So Patzold, Wahrnehmen und Wissen S. 84. Überzeugte Heiden würden, so von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 326, mit Bezug auf den Danielbrief, darüber allerdings nicht erröten, sondern empört sein.
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Was sollen etwa die Opfer, so könnte man laut Daniel argumentieren, wenn den Göttern ohnehin alles gehört? (Freilich brachten auch die Christen ihrem Gott „Opfer“ dar.) Daniel hat nicht ein besseres Wissen heidnischer Kulte; er spricht nur Möglichkeiten an (die immerhin den Glauben an einen Anfang der Welt einschließen). Doch zieht er damit zumindest unterschiedliche Glaubensformen in Betracht. Daniels Brief zeigt insgesamt sechserlei: Erstens ist es Daniels feste Überzeugung, daß die Heiden bekehrt werden müssen; dazu gibt es für den christlichen Missionar keine Alternative. Zweitens werden die Heiden zwar nicht im Hinblick auf ihre Religion ernst genommen, die vielmehr als ebenso gottlos und als Aberglaube verachtet wird wie in anderen Schriften. Die angesprochenen Elemente spiegeln allerdings nicht zwangsläufig das Denken der Heiden, sondern wiederum Daniels Vorstellungen vom Heidentum wider. Die üblichen Vorurteile und Vorstellungen bleiben also erhalten. Bekehren aber könne man die Heiden drittens nur dann, wenn man diesen Glauben etwas näher kenne. Diese Kenntnis dient viertens außerdem einzig dem Zweck, sie zu widerlegen. Bis dahin spiegeln sich Daniels bewußte Absichten wider. Fünftens aber zeigt der Brief erneut (ohne daß es Daniel selbst bewußt ist), wie sehr sich die Vorstellungen von Christen und Heiden im weltlichen Bereich tatsächlich ähneln: Zwar steht für die Christen das Jenseits im Zentrum der Glaubenslehre, doch ist man auch hier davon überzeugt, daß Gott das Diesseits ebenfalls zu ihren Gunsten einrichten werde: Der Erfolg des Christentums bezeuge das.644 Wenn Daniel sechstens durchweg von den Heiden spricht, so unterscheidet auch er, trotz seiner Ratschläge, auf deren Glauben genauer einzugehen, letztlich nicht zwischen verschiedenen heidnischen Religionen. Damit behält er ebenfalls ein stereotypes Heidenbild bei: Es gilt letztlich, das Heidentum an sich zu widerlegen, nicht aber, auf jeden einzelnen heidnischen Glauben genauer einzugehen. Fragt man aber, was das Christentum vom Heidentum aus der Sicht Daniels unterscheidet, so ist das vor allem wieder der Götterglaube und der damit verbundene Kult (die Opfer). Hingegen hält Daniel es zumindest für denkbar (aber keineswegs für zwingend), daß auch die Heiden an einen Anfang der Welt und an ein ewiges Leben glauben. Daniels Brief fügt sich demnach durchaus in das tradierte Heidenbild ein, plädiert zugleich aber für ein differenzierteres Vorgehen.
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Vgl. dazu oben S. 116f.
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Rücksichtnahme auf die Empfindungen der Heiden fordert auch Beda, wenn er berichtet, die Iren hätten auf Bitten König Oswalds von Northumbrien einen Priester nach Britannien geschickt, um die Angeln in Northumbrien im christlichen Glauben zu unterweisen; dieser sei aber erfolglos geblieben und habe, wie er selbst anschließend seinem Volk berichtet habe, „die unzähmbaren, hartherzigen und barbarischen Menschen“ (eo quod essent homines indomabiles et durae ac barbarae mentis) nicht für den christlichen Glauben gewinnen können. Als der Mönch Aidan kritisierte, der Missionar sei gegenüber den noch unwissenden Zuhörern zu hart ins Gericht gegangen, anstatt nach apostolischem Vorbild zunächst die sanfteren Züge der Lehre zu vermitteln, entsandte man daraufhin Aidan selbst, der nicht zuletzt durch das Vorbild seines eigenen Lebenswandels weit mehr Erfolg hatte.645 Ganz unabhängig von der kaum verbürgten Historizität der Geschichte läßt demnach auch Beda durchblicken, wie sehr seiner Meinung nach der Erfolg vom Vorgehen der Missionare abhing. Genauere, allerdings nur schwer überprüfbare Beschreibungen bestimmter heidnischer Kulte kommen erst später auf. So weiß Thietmar von Merseburg zu Beginn des 11. Jahrhunderts den Kult der Liutizen detaillierter zu beschreiben (und benutzt dabei doch wieder die typischen Kennzeichen des Heidentums): An einem dunklen See im Redariergau stehe ein hölzernes Heiligtum, das auf einem Fundament aus Hörnern verschiedener Tiere ruhte. Außen schmückten Bilder von Göttinnen und Göttern die Wände, innen standen mit Helmen und Panzern gewappnete Götzenstatuen mit eingeschnitzten Namen.646 Die Slawen kannten Priester, die den Kult (ein645
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Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 3,5, S. 38–40. Vgl. auch ebd. 3,19, zu Furseus (oben Anm. 401). Thietmar von Merseburg, Chronicon 6,23, S. 302. Vgl. Adam von Bremen, Gesta Hammburgensis ecclesiae pontificum 2,21, S. 78: In der sedes ydolatriae Rethra stand ein großer Tempel ihrer Götzen, deren princeps Redigast war, dem hier ein Bild aus Gold und ein Bett aus Purpur errichtet wurde. Danach Helmold von Bosau, Chronicon 1,2, S. 8. Zu slawischen Kultbildern vgl. Hans-Dietrich Kahl, Kultbilder im vorchristlichen Slawentum. Sondierungsgänge an Hand eines Marmorfragments aus Kärnten mit Ausblicken auf den Quellenwert von Schriftzeugnissen des 8.–12. Jahrhunderts, in: Studia Mythologica Slavica 8, Ljubljana 2005, S. 9–56 (abgedr. in: Ders., Heidenfrage S. 79–142). Zum Liutizenkult und zum Vergleich der Berichte Thietmars und Adams mit dem archäologischen Befund vgl. Dieter Warnke, Tempel und Götterbilder bei den Lutizen, in: Das Altertum 29, 1983, S. 38–48: Die Lage Rethras ist zwar nach wie vor unbekannt, große Götterbilder, wie sie dann auch Saxo Grammaticus beschreibt, sowie „Tempel“ als feste
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schließlich der Opfer) vollzogen und bei den Opferfeiern als einzige sitzen durften, also offensichtlich eine angesehene Gruppe bildeten. „Geheimnisvoll murmeln sie sich gegenseitig etwas zu, während sie zitternd die Erde aufgraben, um dort durch Loswurf Gewißheit über fragliche Dinge zu erlangen. Danach bedecken sie die Lose mit grünem Rasen, stecken zwei Lanzenspitzen kreuzweise in die Erde und führen in demütiger Ergebenheit ein Roß darüber, das als das größte unter allen gilt und von ihnen als heilig verehrt wird; haben sie zunächst durch Loswurf Antwort erhalten, weissagen sie durch das gleichsam göttliche Tier nochmals. Ergibt sich beide Male das gleiche Vorzeichen, dann setzt man es in die Tat um. Andernfalls läßt das Volk niedergeschlagen davon ab. Auch bezeugt eine alte, schon mehrfach als falsch erwiesene Kunde, aus dem See steige, wenn einmal die schreckliche Härte eines langen Aufstandes drohe, ein großer Eber mit weißen, von Schaum glänzenden Hauern empor, wälze sich voller Freude schrecklich im Morast und zeige sich vielen.“647
Jeder Gau habe seinen eigenen Tempel und seine jeweiligen Götzenbilder (simulacra demonum), welche die Ungläubigen verehrten, während die beschriebene Burg im Redariergau wohl ein allgemeines Kultzentrum mit höchstem Vorrang darstellte, das nicht zuletzt vor Kriegszügen aufgesucht und befragt wurde und wo man nach Siegen den Göttern Geschenke austeilte und opferte. „Deren unsagbarer Zorn aber wird durch Menschen- und Tierblut besänftigt.“648
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Holzbauten in oder vor den Burgen der slawischen Hauptorte sind aber schon mehrfach ergraben worden. Die archäologischen Funde belegen jedenfalls eine lebendige Tradition heidnischer Kulte bis ins 12. Jahrhundert, die den Liutizen zugleich half, ihre politische Freiheit zu wahren (so ebd. S. 48). Zum Wandel der slawischen Bestattungsriten vgl. Elzbieta Dabrowska, La contribution des éléments païens et chrétiens à la formation du rite funéraire des Slaves occidentaux dans le Haut Moyen Age, in: Anuario de estudios medievales 9, 1974 (ersch. 1979), S. 343–352. Thietmar von Merseburg, Chronicon 6,24, S. 302/304; et invicem clanculum mussantes terram cum tremore infodiunt, quo sortibus emissis rerum certitudinem dubiarum perquirant. Quibus finitis cespite viridi eas operientes, equum, qui maximus inter alios habetur et ut sacer ab his veneratur, super fixas in terram duarum cuspides hastilium inter se transmissarum supplici obsequio ducunt et, premissis sortibus, quibus id exploravere prius, per hunc quasi divinum denuo auguriantur. Et si in duabus hiis rebus par omen apparet, factis completur; sin autem, a tristibus populis hoc prorsus omittitur. Testatur idem antiquitas errore delusa vario, si quando his seva longae rebellionis asperitas immineat, ut e mari predicto aper magnus et candido dente e spumis lucescente exeat seque in volutabro delectatum terribili quassatione multis ostendat. Ebd. 6,25, S. 304: Hominum ac sanguine pecudum ineffabilis horum furor mitigatur.
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Viel Beachtung fand auch der ähnlich ungewohnt ausführliche Bericht Adams von Bremen über den schwedischen Tempel in Uppsala, „das Zentrum des barbarischen Aberglaubens“ (caput […] supersticionis barbaricae),649 der angeblich ganz aus Gold errichtet war (schon diese Charakterisierung läßt am Realitätsgehalt dieser Nachricht zweifeln).650 Nach einem Zusatz stand dieses Heiligtum geradezu paradigmatisch in Verbindung mit einem außergewöhnlich großen Baum und mit einer Quelle, an der die Heiden Menschenopfer darbrachten. In der Mitte waren drei Götterbilder Wodans, Thors und Freyrs (Fricco) angebracht; Thor gebiete über Wetter und Ernte, Wodan über die Kriege, Freyr über „Frieden und Lust“; Thor werde mit einem Szepter, Wodan bewaffnet, Freyr mit einem riesigen Penis dargestellt. Es gab demnach eine differenzierte Götterwelt. Der Ansgarvita konnte Adam entnehmen, daß die Skandinavier auch Menschen zu Göttern erhoben. Auch Adam bezeugt heidnische Priester, deren Aufgabe vor allem in der Darbringung von Opfern bestand: Dem Thor opferten sie bei Hungersnöten und Seuchen, dem Wodan vor Kriegen, dem Freyr bei Hochzeiten. Uppsala war zugleich Versammlungsort aller schwedischen Provinzen (wie Marklô bei den Sachsen gemäß der Lebuinvita); dem konnte sich niemand entziehen, und alle brachten Opfer von Tieren und Menschen dar, die in dem nahen Wald aufgehängt wurden. Neun Tage dauerten Opfer und Gelage (mit unanständigen Liedern, über die Adam lieber schweigen möchte). Interessant ist aber sein Kommentar, sie stellten Wodan bewaffnet dar, sicut nostri Martem solent. Damit grenzt er nämlich die skandinavischen Götter von den (alt-)römischen ab, mit denen er sich, auch als Christ!, dennoch durch den „Wir-Bezug“ identifiziert, und unterstreicht mit der Identität beider Götter zugleich die Parallelen. Adam beschließt diesen Bericht mit einem Wunder: Als einer der Priester erblindete, gab er die Schuld daran dem abergläubischen Götzendienst. Als die Jungfrau (Maria) ihm im Traum Heilung versprach, wenn er an ihren Sohn glauben wolle, wurde er geheilt, bekehrte sich zum Christentum und überzeugte „mühelos“ viele andere Heiden.651 649 650
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So Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,30, S. 262. Ebd. 4,26f., S. 257–260. Die Glaubwürdigkeit des Berichts bezweifelt vor allem Henrik Janson, Templum Nobilissimum. Adam av Bremen, Uppsalatemplet och konfliktlinjerna i Europe kring år 1075 (Avhandlingar från Historiska institutionen i Göteborg 21), Göteborg 1998, zumal auch archäologische Spuren für diesen Tempel fehlen. Vgl. Garipzanov, Christianity and Paganism S. 25ff. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,28, S. 260f.
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Von genauerer Kenntnis scheint auch der Bericht Helmolds von Bosau über „die vielfältige Verehrung der Götzen und den Irrtum des Aberglaubens“ der Heiden im ganzen Slawenland unter der Herrschaft Pribislaws und Niklots in Wagrien, Polabien und bei den Obodriten zu zeugen:652 Die Gegend war voller Haine und Hausgötter, die einzelnen Stämmen und Regionen zugewiesen werden, aber auch überregionale Bedeutung erlangen konnten; am meisten wurden Prove, der Gott des Oldenburger Landes, Siwa, die Göttin der Polaben, und Radigast, der Gott der Obodriten, verehrt, mit eigenen Priestern, Opfern und mancherlei religiösen Bräuchen. Nach einem Orakelspruch sagte der Priester die Feste zu Ehren der Götter an, denen dann von allen Seiten Opfer dargebracht wurden (Rinder, Schafe, aber auch Menschenopfer von Christen, deren Blut die Götter besonders ergötzen sollte). Der Priester kostete das Blut, nam demonia sanguine facilius invitari multorum opinio est. Danach begann ein Festmahl, wobei sie über einer Schale „heillose statt heilige Worte“ sprachen (non dicam consecracionis, sed execracionis verba sub nomine deorum, boni scilicet atque mali), weil sie nämlich glaubten, daß alles Glück von einem guten und alles Unglück von einem bösen Gott bewirkt werde; letzterer hieß Diabol oder Zcerneboch („schwarzer Gott“). Die Vorstellung von einem guten und bösen Gott erinnert an die manichäische Lehre zweier Prinzipien. Unter den vielfältigen, offensichtlich zunächst regional verehrten Gottheiten der Slawen aber dominierte Swantewit, der Gott Rügens, weil er die treffendsten Orakel gab. Ihm flossen daher Abgaben aus allen slawischen Ländern zu. Alljährlich wurde ihm ein Christ geopfert, auf den das Los fiel.653 (Einmal sollten christliche Kaufleute ihren Priester Gottschalk opfern, entzogen sich dem aber durch Flucht.654) Was immer an dieser, auf den ersten Blick informiert klingenden Darstellung zutreffend sein mag, sie spiegelt doch zugleich die gängigen Vorstellungen vom Heidentum und vor allem die übliche Wertung wider: Götzenkult, Orakel und Opfer (bis hin zu Menschenopfern) werden von
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Helmold von Bosau, Chronicon 1,52, S. 102: Invaluitque in diebus illis per universam Slaviam multiplex ydolorum cultura errorque supersticionum. Vgl. ebd. 1,84, S. 160: Est autem Slavis multiplex ydolatriae modus, non enim omnes in eandem supersticionis consuetudinem consentiunt. Die einen verehrten Götzenbilder in Tempeln, andere Götter bewohnten Wälder und Haine. Ebd. 1,52, S. 102f. Ähnlich ebd. 2,108, S. 213, wonach Swantewit, deus terrae Rugianorum, unter allen Slawen primatum obtinuerit, so daß bis heute alle Länder der Slawen dorthin Tribute schickten und ihn als deus deorum bezeichneten. Ebd. 2,108, S. 213f.
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Priestern mit unheiligen Worten vorgenommen. Der Priester, so Helmold, stehe bei ihnen, wie schon erwähnt, sogar in höherem Ansehen als der König, eben weil er die Orakel erfrage und den Fall der Lose erforsche.655 Helmold aber geht es vor allem um das Leid, das diese Heiden den Christen zufügten.656 Die Bewohner von Rügen, so erklärt er an anderer Stelle, seien das härteste Slawenvolk und hätten am längsten am Heidentum festgehalten.657 Der Überlieferung nach hatte bereits Ludwig der Fromme (oder der Deutsche) das Land dem heiligen Veit geweiht und dort ein Kloster errichtet. Doch später seien die Rugier wieder vom Glauben abgefallen; sie hätten Veit selbst als Gott verehrt und ihm ein simulachrum maximum geformt.658 In seiner Vita Ottos von Bamberg berichtet Ebo ganz ähnlich, daß der mittlere und zugleich höchste der drei Hügel bei Stettin dem höchsten heidnischen Gott Triglaw geweiht war, einem Götzenbild mit drei Köpfen, welche die drei Reiche symbolisierten, die er beherrschte, nämlich Himmel, Erde und Unterwelt. Eine Binde bedeckte Augen und Mund, weil er die Sünden der Menschen nicht sehen wolle.659 Die Priester aber hätten dem Volk erzählt, daß die Götter die Opfergaben verspeisten, während sie tatsächlich selbst davon lebten.660 Schließlich beschreibt auch Saxo Grammaticus die Kultstätte in Arkona auf Rügen, die 1169 von den Dänen zerstört
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Ebd. 2,108, S. 213. Ebd. 1,52, S. 103: Quanta enim mortium genera Christicolis intulerint, relatu difficile est, cum his quidem viscera extorserint palo circumducentes, hos cruci affixerint, irridentes signum redemptionis nostrae. Ebd. 2,108, S. 212: De omni enim natione Slavorum, quae dividitur in provincias et principatus, sola Rugianorum gens durior ceteris in tenebris infidelitatis usque ad nostra tempora perduravit. Vgl. oben Anm. 494. Ebo, Vita Ottonis 3,1, ed. Wikarjak/Liman S. 93; ed. Köpke S. 859: quorum medius, qui et alcior, summo paganorum deo Trigelawo dicatus tricapitum habebat simulacrum, quod aurea cidari oculos et labia contegebat, asserentibus idolorum sacerdotibus ideo summum deum tria habere capita, quoniam tria procuraret regna, id est celi, terre et inferni, et faciem cidari operire pro eo, quod peccata hominum, quasi non videns et tacens, dissimularet. Ebd. 3,10, ed. Köpke S. 866; ed. Wikarjak/Liman S. 111. Herbord, Vita Ottonis 3,4, ed. Wikarjak/Liman S. 156f. (ed. Pertz S. 111–113), schmückt diese Erzählung noch weiter aus und läßt einem Bauern einen Priester erscheinen, der sich als Gott ausgab, und das dem Volk verkünden. Daraufhin faßte man den Beschluß, Bischof Otto zu töten.
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wird: „In dem Tempel stand ein gewaltiges Götzenbild, das alle Menschengestalt an Größe übertraf; es hatte vier Köpfe und ebensoviele Nacken.“661 Es trug ein riesiges Siberschwert. Jährlich nach der Ernte kamen die Menschen von der ganzen Insel dort zusammen, brachten Opfer dar und feierten ein großes Fest. Die Gottheit aber wurde von 300 Pferden und deren Wächtern geschützt. Wer einen anderen Glauben hatte, sollte getötet worden sein. Die Gottheit selbst aber hatte noch viele solcher Heiligtümer an verschiedenen Orten.662 Vor einem Krieg befragte man das Pferdeorakel mit einem besonderen, weißen Pferd und handelte danach, je nachdem, ob das Pferd die aufgestellten Lanzen zuerst mit dem rechten oder dem linken Bein überschritt. Solche und weitere Beschreibungen mögen im Einzelfall also durchaus von einem besseren und detaillierteren Wissen über die Namen der Götter und die jeweiligen Kulte zeugen. Sie fügen sich in ihren Merkmalen und Wertungen jedoch sämtlich wieder auffällig in die tradierten, stereotypen Vorstellungen vom Heidentum ein und haben sie nicht verändert.
4. Positives Heidenbild? Heiden als Vorbilder Gegenüber den stereotypen und negativen Bewertungen der Heiden mag es überraschen, wenn das Verhalten der Heiden unter moralischen Gesichtspunkten gelegentlich auch positiver bewertet werden oder sogar als Vorbild für Christen dienen kann (unabhängig davon, ob die berichteten Verhaltensweisen überhaupt zutreffend sind).663 Relativierend wirken hier die bereits oben angesprochenen Lobpreisungen des eigenen (noch heidnischen) Volkes 664 oder der eigenen Vorfahren, in denen sich eine differenzierte Wahr-
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Saxo Grammaticus, Gesta Danorum 14,39,3, Bd. 2, S. 354: Ingens in e˛de simulacrum, omnem humani corporis habitum granditate transcendens, quatuor capitibus totidemque ceruicibus mirandum perstabat. Ebd. 14,39,9, S. 358: Alia quoque fana compluribus in locis hoc numen habebat. Von der Verehrung eines Pferdes berichtet auch Herbord von Michelsberg, Dialogus de vita et operibus Ottonis Babenbergensis episcopi 2,33, ed. Wikarjak/Liman S. 125 (ed. Pertz S. 91f.). von Padbergs Feststellung (Mission und Christianisierung S. 35f.; Ders., Christen und Heiden S. 295f.), positive oder auch nur neutrale Aussagen über Heiden kämen nicht vor, ist daher nur bedingt richtig. Vgl. oben S. 104ff.
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nehmung fortsetzt. So preist Jonas von Bobbio das edle, wenngleich noch heidnische Geschlecht des Bischofs Arnulf von Metz (die „Vorfahren“ der Karolinger).665 Gregor von Tours kann argumentieren, daß die heidnischen Franken das Christentum schon viel eher angenommen hätten, wenn sie davon erfahren hätten,666 und Fredegar läßt Chlodwig sogar beteuern, daß er Christi Tod verhindert hätte, wenn er dabei gewesen wäre.667 Alkuin glaubt (in einem Brief an Erzbischof Aethelhard von Canterbury) mit Blick auf die heidnischen Angelsachsen, daß „unsere Väter, obwohl sie noch Heiden waren, dieses Land durch göttliche Lenkung in kriegerischer Kraft als Heiden besessen hätten“,668 und er lobt die Sitten dieser Heiden.669 Im Blick auf die christliche Zukunft werden die heidnischen Vorfahren hier als künftiges Gottesvolk in den Heilsplan Gottes eingeordnet. Auf solcher Ebene ließ sich ein Lob der Vorfahren trotz ihres Heidentums rechtfertigen. Heiden konnten sogar durchaus „christlich“ handeln, wie der böhmische dux Neklan, der „wie ein guter Katholik Barmherzigkeit zeigte“, weil er den Sohn eines in der Schlacht getöteten Feindes verschonte.670 Andererseits
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Jonas von Bobbio, Vita Columbani 2,23, S. 144: Fuit enim genere nobilis, licet gentilis, consanguineus beati Arnulfi Mettensis urbis pontificis. Ähnlich Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 1,34, S. 46: Inclitus vero martyr, de quo legatus Karoli disseruit, erat in Licia provincia nobili natus familia, sed pagana. So wird man die Argumentation bei Gregor von Tours, Historiae 2,10, S. 58ff., verstehen müssen. Vgl. ebd. S. 58: O! si eorum fibras cordium vox illa terribilis attigisset, qui per Moyse populo locuta est. Ebd. S. 60: Haec autem generatio Francorum non intellexit primum; intellexerunt autem postea, sicut sequens historia narrat. Vgl. oben Anm. 98. Alkuin, ep. 17, S. 47: Patres itaque nostri, Deo dispensante, licet pagani, hanc patriam bellica virtute primum pagani possederunt. Ebd. ep. 165, S. 267: Plura tibi scriberem de sancta praedicationis instantia et de honestate morum inter paganos, quia conversationis dignitas solet eos erudire in praedicatoribus sicut verborum veritas. Vgl. ähnlich noch zum Preußenbild am Ende des Mittelalters Brauer, Entdeckung des ‚Heidentums‘ S. 197ff. Brauer impliziert mit seinen Überschriften „Aus Heiden werden Barbaren“ und „Aus Barbaren werden Vorfahren“ zwar eine dreischrittige zeitliche Abfolge Heiden – Barbaren – Vorfahren, stellt aber selbst richtig fest, daß es sich dabei um drei (letztlich nebeneinander stehende) Vorstellungen handelt. Cosmas von Prag, Chronica Boemorum 1,13, S. 29: Inter que filium herilem apud quandam vetulam mulierem inveniunt latitantem. Quem dux ut vidit, quamvis paganus, tamen ut catholicus bonus misericordia super eum motus etatule eius et forme pepercit.
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konnten Christen unchristlich handeln. Beda stellt den heidnischen König Penda von Mercia, der noch Götzen verehrte und dem das Christentum unbekannt war, Caedwalla von Gwynned gegenüber, der zwar dem Namen nach Christ, in seinem Sinn und in seinen Sitten aber Barbar geblieben war und noch wilder als ein Heide agierte, wenn er weder Frauen noch Kinder schonte.671 Christen können sogar regelrecht heidnisch handeln672 und sich wie Heiden betragen – wer dreimal ermahnt wird und dennoch keine Buße tut, so bestimmt Regino von Prüm, kann nicht als Christ, sondern muß als Heide gelten673 – oder sich sogar schlimmer als Heiden verhalten:674 Solche Äbte, schreibt der Autor der Klosterchronik von Saint-Wandrille mit Blick auf Klosterleiter, die dem Kloster die geschenkten Güter entziehen, seien nichtsnutziger als Heiden, die wenigstens die Erde zurücklassen, wenn sie einen Ort einäschern.675 Und Lampert von Hersfeld läßt Otto von Northeim seinen Widerstand gegen Heinrich IV. damit begrün-den, daß der König im Sachsenkrieg nach Heidenart (gentili ritu) gegen die Gesetze Gottes, die Würde des Reiches und das eigene Seelenheil zu Kampf und Blutver-
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Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 2,20, S. 396: Quo tempore maxima est facta strages in ecclesia uel gente Nordanhymbrorum, maxime quod unus ex ducibus, a quibus acta est, paganus, alter quia barbarus erat pagano saeuior. Siquidem Penda cum omni Merciorum gente idolis deditus et Christiani erat nominis ignarus; at uero Caedualla, quamuis nomen et professionem haberet Christiani, adeo tamen erat animo ac moribus barbarus, ut ne sexui quidem muliebri uel innocuae paruulorum parceret aetati. Vgl. Cnutonis regis gesta 3,5, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SSrG 22, Hannover 1865, S. 32: At isti licet nomine christiani, actu tamen paganissimi, lanceolarum suarum ictibus non merentes heroas catenatos mactabant ut sues. Regino von Prüm, De synodalibus causis 2,412, ed. Hartmann S. 440; ed. Wasserschleben S. 370: Quodsi has tres admonitiones et pias correptiones contemnit et satisfacere despicit, post haec sit tibi, inquit, sicut ethnicus (Mt 18,17), id est gentilis atque paganus, ut non iam pro Christiano, sed pro pagano habeatur. Vgl. Alkuin, ep. 101, S. 147, an König Offa von Mercien, bezüglich einer Gesandtschaft zu den Schotten: Qui, retracta donorum largitate, in tantum iratus est contra gentem – ut ait: ‚illam perfidam et perversam et homicidam dominorum suorum‘, peiorem eam paganis estimans – ut omnino, nisi ego intercessor essem pro ea, quicquid eis boni abstrahere potuisset et mali machinare, iam fecisset. Gesta abbatum Fontanellensium 10, ed. Samuel Löwenfeld, MGH SSrG 28, Hannover 1886, S. 32: Tales quippe rectores nequiores sunt paganis, quoniam, si paganus locum igne cremaverit, terram tamen secum non tollit.
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gießen Unschuldiger aufgerufen habe.676 Sarazenen und Heiden hielten sich strenger an ihre Riten als manche Christen, klagt auch Gregor VII.,677 Römer, Lombarden und Normannen, unter denen er lebe, seien schlimmer als Juden und Heiden.678 Das mögen dramatisierende Topoi zur Warnung der schlechten Christen sein. Sie belegen jedoch immerhin, daß Ungläubige in gewisser Weise in ihrem Handeln (nicht in ihrer Religion) anerkannt wurden. Sitten und Verhalten der Heiden konnten auf diese Weise sogar vorbildhaft auf Christen wirken. Im 6. Jahrhundert hält Salvian von Marseille in seiner Schrift „De gubernatione Dei“ den Römern bewußt ein Bild der moralischen Heiden entgegen, die zwar Barbaren und daher ungebildet waren und nur wissen konnten, was sie von ihren Lehrern lernten,679 deren Lebensführung aber nicht schlechter oder sogar besser war als die der Christen, obwohl sie nicht deren bessere Gesetze hatten.680 In ethnographischer Tradition verteilt Salvian Tugenden und Laster auf die Völker, die neben schlechten auch gute Eigenheiten besaßen: Die Goten waren treulos, 676
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Lampert von Hersfeld, Annales a. 1076, S. 271: cum recta et utilia suadens non audiatur, insuper contra leges Dei, contra decus imperii, contra salutem animae suae ad effundendum sanguinem innocentem gentili ritu arma sumere iubeatur. Gregor VII., ep. 2,9, S. 139: Lex enim et religio christiana ita fere ubique deperiit, ut Sarraceni et quilibet pagani suos ritus firmius teneant, quam illi, qui christianum nomen acceperunt et quibus in regno patris per Christum hereditas et e˛terne˛ vite˛ gloria parata est, divine˛ legis mandata custodiant. Ebd. ep. 2,49, S. 189: Eos autem, inter quos habito, Romanos videlicet Longobardos et Normannos, sicut se˛ pe illis dico, Iudeis et paganis quodammodo peiores esse redarguo. Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 5,2,8, ed. Lagarrigue S. 316; ed. Halm S. 56f.: Barbari quippe homines Romanae, immo potius humanae eruditionis expertes, qui nihil omnino sciunt, nisi quod ad doctoribus suis audiunt, quod audiunt, hoc sequntur, ac sic necesse est eos, qui totius literaturae ac scientiae ignari sacramentum diuinae legis doctrina magis quam lectione cognoscunt, doctrinam potius retinere quam legem. Vgl. ebd. 4,14,65, ed. Lagarrigue S. 284; ed. Halm S. 49, zu den Avaren: Iniusti sunt barbari, et nos hoc sumus; auari sunt barbari, et nos hoc sumus; infideles sunt barbari, et nos hoc sumus; cupidi sunt barbari, et nos hoc sumus; impudici sunt barbari, et nos hoc sumus; omnium denique improbitatum atque impuritatum pleni sunt barbari, et nos hoc sumus. Ebd. 4,13,61, ed. Lagarrigue S. 282; ed. Halm S. 48: Duo enim genera in omni gente omnium barbarorum sunt, id est aut haereticorum aut paganorum. His ergo omnibus, quantum ad legem diuinam pertinet, dico nos sine comparatione meliores. Quantum ad uitam et uitae actus, doleo ac plango esse peiores.
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aber züchtig, die Alanen hingegen unzüchtig, aber weniger treulos, die Franken lügnerisch, aber gastfreundlich, die Sachsen wild und grausam, aber bewundernswert keusch.681 Der Unzucht der Römer hält Salvian vor allem die Keuschheit der Goten und Vandalen entgegen.682 Die Vandalen förderten sogar die Keuschheit der Römer, indem sie sie im Haus mittels der Ehe, im Staat mittels der Gesetze aufrechterhielten.683 Deshalb hätten Vandalen und Goten im Heilsplan Gottes die Herrschaft über Gallien, Spanien und Afrika erhalten, um dadurch die Römer für ihre Verbrechen zu strafen und diese Länder von den lasterhaften Sitten zu reinigen.684 Obwohl ohne Gesetz, schreibt auch Gregor der Große, wird der Heide „in die Mitte geführt“, um die Verkehrtheit derer zu beschämen, die unter dem Gesetz leben.685 681
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Ebd. 7,15,64, ed. Lagarrigue S. 476; ed. Halm S. 95: Gothorum gens perfida, sed pudica est, Alanorum impudica, sed minus perfida, Franci mendaces, sed hospitales, Saxones crudelitate efferi, sed castitate mirandi; omnes denique gentes habent, sicut peculiaria mala, ita etiam quaedam bona. Ebd. 4,14,67, ed. Lagarrigue S. 286; ed. Halm S. 49, beschränkt sich hingegen auf die Laster: gens Saxonum fera est, Francorum infidelis, Gipidarum inhumana, Chunorum impudica; omnium denique gentium barbarorum uita uitiositas. Ebd. 7,6,24, ed. Lagarrigue S. 448; ed. Halm S. 88: Inter pudicos barbaros impudici sumus! Plus adhuc dico: offenduntur barbari ipsi impuritatibus nostris. Esse inter Gothos non licet scortatorum Gothum; soli inter eos praeiudicio nationis ac nominis permittuntur impuri esse Romani. Ebd. 7,23,107, ed. Lagarrigue S. 508; ed. Halm S. 103: Iam apud Gothos impudici non sunt nisi Romani, iam apud Wandales nec Romani. Ebd. 7,21,90, ed. Lagarrigue S. 496; ed. Halm S. 100: non solum ipsum labe non pollui, sed prouidere etiam ne umquam alii polluantur. Procurator enim est quodammodo salutis humanae, qui non tantum id agit, ut ipse bonus sit, sed efficere et hoc nititur, ut alii mali esse desistant; ebd. 7,22,99, ed. Lagarrigue S. 500/502; ed. Halm S. 101: Addiderunt quoque hoc ad libidinem comprimendam, seueras pudicitiae sanctiones, decretorum gladio impudicitiam coercentes, ut puritatem scilicet utriusque sexus et domi conubiorum seruaret affectus et in publico metus legum; ac sic duplici praesidio castimonia niteretur, cum et intus esset quod amaretur et foris quod timeretur. Ebd. 7,6,25, ed. Lagarrigue S. 448; ed. Halm S. 88: Et miramur, si terrae uel Aquitanorum uel nostrorum omnium a deo barbaris datae sunt, cum eas quas Romani polluerunt fornicatione nunc mundent barbari castitate? Ebd. 7,7,27, ed. Lagarrigue S. 450; ed. Halm S. 88f.: quantum et odisset carnis libidinem et diligeret castitatem, cum et Wandalos ob solam maxime pudicitiam superponeret et Hispanos ob solam uel maxime impudicitiam subiugaret. Gregor der Große, Moralia in Iob praef. 2, CCL 143, S. 11: Homo gentilis, homo sine lege, ad medium adducitur, ut eorum qui sub lege sunt prauitas confundatur. Vgl. ebd.
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Hrabanus Maurus gesteht den Heiden sogar (unwissentlich) die Beachtung der zehn Gebote zu: „Es gibt viele Heiden, die man nach einer gewissen Gewohnheit dieses Lebens als gute Menschen, unschuldig und gehorsam gegenüber dem nennen kann, was das Gesetz vorschreibt, die ihre Eltern ehren, nicht ehebrechen, nicht morden, nicht stehlen, kein falsches Zeugnis gegenüber jemandem reden und auch alles übrige, was im Gesetz befohlen ist, beachten,“
um aber sogleich hinzuzufügen: „Und doch sind sie keine Christen und oft brüsten sie sich wie Pharisäer […]; all das aber tun sie umsonst, weil sie nicht durch das Tor eintreten werden, sondern versuchen, in geschwollenem Stolz anderswoher durch sich selbst aufzusteigen.“686
Das Seelenheil erlangen sie auf diese Weise also nicht. Im Sinne eines guten irdischen Lebens aber werden Heiden den Christen immer wieder als Vorbild entgegengehalten. Alkuin erinnert daran, daß die christliche Verehrung der Kirche nicht geringer wiegt als die Jupitertempelverehrung der Heiden.687 Ein differenzierteres Heidenbild zeichnet später vor allem auch Adam von Bremen, indem er die guten Eigenschaften bestimmter Heidenvölker herauskehrt: So lobt er, wie schon erwähnt, das „Naturrecht“ der Sachsen.688 Die hinter den Liutizen an der Oder wohnen-
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11,16, CCL 143A, S. 600: Cum enim Iudaeorum populus in legis mandato permaneret, et cuncta gentilitas nulla Dei praecepta cognosceret, et illi per fidem principari uidebantur, et isti in profundo pressi iacuerunt per infidelitatem. Sed cum incarnationis dominicae mysterium Iudaea negauit, gentilitas credidit et principes in despectionem ceciderunt; et hi qui oppressi in culpa perfidiae fuerant in uerae fidei libertate leuati sunt. Hrabanus Maurus, Homilia 62, Sp. 263f.: multi enim sunt pagani, qui secundum quamdam vitae huius consuetudinem dicuntur boni homines, innocentes, et quasi observantes ea quae in lege praecepta sunt, deferentes honorem parentibus suis, non moechantes, non homicidium perpetrantes, non furtum facientes, non falsum adversus quemquam testimonium perhibentes, et caetera quae in lege mandata veluti observant: et Christiani non sunt: et plerumque se iactant, quomodo isti Pharisaei […]; sed haec omnia inaniter faciunt, quia non intrant per ostium, sed aliunde tumido fastu quasi per seipsos ascendere quaerunt. Alkuin, ep. 245, S. 397: An fas est apud christianos minoris esse honoris ecclesiam Christi quam templum Iovis apud paganos; vel beate Mariae genetricis Dei domum quam impie Iunonis asylum inferioris venerationis haberi? Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,6 (oben Anm. 631).
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den Slawen irrten zwar noch in heidnischen Riten (adhuc paganicis ritibus oberrant), doch abgesehen davon finde man kaum ein Volk, das in Lebensart und Gastfreundschaft ehrenhafter und freundlicher sei.689 Die Preußen waren einerseits ausgesprochen menschlich (homines humanissimi), indem sie Schiffbrüchigen halfen; andererseits erschlugen sie den heiligen Adalbert und erlaubten keinem Christen den Zugang zu ihren Hainen und Quellen, damit diese nicht entweiht würden.690 An den Schweden lobt Adam die Geringschätzung wertvoller Gegenstände und die Gastfreundschaft, tadelt hingegen die Polygamie. Die Verführung einer Ehefrau oder die Vergewaltigung eines Mädchens aber würden dort mit dem Tod bestraft.691 Bei den Norwegern findet Adam die (sonst als heidnisch verworfene) den Römern ähnelnde Bestattungszeremonie und die Beigaben mit den Gütern bemerkenswert, die ihnen zu Lebzeiten am teuersten waren, gerade weil die Heiden nicht an eine Auferstehung des Fleisches glaubten und darin dennoch die Ehrfurcht vor dem Toten erkennen ließen.692 Auch wenn hier nicht die Heiden als solche, sondern jeweils ethnische Vorzüge beschrieben werden, ist damit immerhin anerkannt, daß auch die (normalerweise als rechtlose Barbaren beschriebenen) Heidenvölker zivilisiert nach anerkennenwerten Rechtsnormen leben konnten. Helmold von Bosau kritisiert die Slawen zwar einerseits als treulos und bösartig (infidi et ad malum proni),693 lobt andererseits aber ihre alle anderen Völker übertreffende Gastfreundschaft 694 sowie ihre „natürlichen Vorzüge“ (naturalia bona)
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Ebd. 2,22, S. 79: ceterum moribus et hospitalitate nulla gens honestior aut benignior poterit inveniri. Ebd. 4,18, S. 245f. Ebd. 4,21, S. 251f. Polygamie wirft Herbord von Michelsberg auch den Pommern vor; vgl. Dialogus de vita et operibus Ottonis Babenbergensis episcopi 2,18, ed. Wikarjak/Liman S. 95 (ed. Pertz S. 71): Vos autem, qui usque ad hec tempora non christiani, sed pagani fuistis, sacramentum coniugii non habuistis, quia fidem uni thoro non servastis, sed qui voluistis, plures habuistis uxores; quod deinceps vobis non licebit. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 4,32, Schol. 144 (140), S. 265: De sepultura paganorum, quanquam non credant resurrectionem carnis, hoc tamen est memoriale, quod more antiquorum Romanorum busta et exequias eorum omni veneratione colunt. Ceterum pecuniam hominis tumulant cum ipso et arma eius et cetera, quae ipse vivens habuit cariora. Helmold von Bosau, Chronicon 1,14, S. 28. Ebd. 1,83, S. 158f.
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wie (erneut) die Gastlichkeit, die Ehrerbietung gegenüber den Eltern sowie die Versorgung der Kranken und Altersschwachen durch die Erben.695 Wenn die Heiden ihre Tempel und Götzenstatuen verehren, um ihren Göttern zu gefallen, wie es von Nebukadnezar überliefert ist, so schreibt ganz ähnlich Walahfrid Strabo, wieviel mehr dann Christen ihre Kirchen, um ihrerseits der göttlichen Majestät mit dem Gottesdienst zu gefallen? 696 Wenn Heiden Festtage haben, wieviel mehr sollten Christen dann den Sonntag ehren (und eigentlich alle Tage zu Sonntagen machen)? 697 Selbst Heiden, die nichts vom wahren Gott wissen, so mahnt Papst Gregor der Große in einem immer wieder aufgegriffenen Zitat an den oströmischen Kaiser Maurikios, ehren ihre Priester aufs äußerste; es ist also kein Wunder, wenn auch christliche Herrscher die Priester des wahren Gottes ehren.698 Und das Konzil von Mainz
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Ebd. 2,108, S. 214. Walahfrid Strabo, De exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum 9, MGH Capit. 2, S. 484f.: Si enim pagani templa et statuas erroris sui testimonia daemoniis deceptoribus suis per quaedam potius exsecramenta, quam sacramenta devovere et dedicare noscuntur, ut et suam devotionem diis, quibus placere desiderant, artius insinuent et ad se invisendos daemonum gratiam hac familiaritate sibi concilient, sicut legitur Nabuchodonosor rex Babylonis fecisse dedicationem statuae, quam erexerat in campo Duram: quare non potius nos templa et altaria nostrae religiositatis iudicia Deo salvatori nostro per inlibata et vera sacramenta dedicare curemus, ut et cum nostrae devotionis officiis divinae maiestati placeamus et ipse nos semper invisere et mansionem sibi in nobis facere dignetur, qui per prophetam dicit: ‚Pavete ad sanctuarium meum‘ et reliqua? Ebd. 21, S. 495: Quia vero venerabilis papa Sylvester XXXIV. a beato Petro ferias habere clerum docuit, ut, sicut apud paganos feriae tantum dies aliquibus festis insigniti dicebantur, sicut etiam per Moysen dicitur: ‚Hae sunt feriae Domini‘, ita christianis et maxime clericis omnes dies in ferias deputentur, videtur ratione plenissimum, ut per singulos dies sacris occupemur officiis et, quantum mentis vel corporis graviores maculae non obsistunt, panem et sanguinem dominicum, quibus sine vivere non possumus, iugiter ambiamus et desiderio illius tuitionis potius, quam praesumptione nostrae puritatis sumamus imitantes primitivae ecclesiae studium salutare, de quo in actibus apostolorum ita scriptum est. Vgl. die Relatio episcoporum ad Hludowicum imperatorum von 829, MGH Capit. 2, Nr. 196, c. 45, S. 41: Nam si pagani ob memoriam et reverentiam deorum suorum dies colere et Iudei more carnali sabbatum carnaliter observare satagunt, quanto magis christianae religionis devotio ob memoriam dominicae resurrectionis eundem diem venerabiliter atque honorabiliter colere debet! Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 5,36, CCL 140, S. 306: Ante eum quique pagani in republica principes fuerunt, qui uerum Deum nescientes deos ligneos et lapideos colebant et tamen eorum sacerdotibus honorem maximum tribuebant. Quid
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von 847 ermahnte Ludwig den Deutschen zur Verteidigung der Kirchen, weil es unehrenhaft wäre, im jetzigen Reich umzuwandeln, was nicht nur in christlichen Zeiten von christlichen, sondern selbst von heidnischen Königen zu Ehren Gottes zusammengetragen wurde.699 In den Auseinandersetzungen des Investiturstreits um das Verhältnis von königlicher und päpstlicher Macht kann der königstreue Hugo von Fleury ganz ähnlich auf das Verhalten der Könige nicht nur Israels, sondern auch der Heiden verweisen.700 Und um umgekehrt den Vorrang des Priestertums vor dem Königtum zu betonen, erinnert Honorius daran, daß auch sämtliche Chroniken der Heiden erzählen, wie sehr die heidnischen Könige ihre Priester verehrt und einige Konsuln das Amt sogar selbst bekleidet hätten.701 Heiden können den Christen also richtiges Verhalten vorleben. In solchen Worten zeigt sich zugleich Anerkennung und Abgrenzung. Wenn es schon bei Heiden als frevelhaft galt, gegen den Staat zu sündigen, so argumentiert Manegold von Lautenbach, wie abschreckend muß es dann erst unter Christen gelten, die heilige Mutter Kirche ihrer Vorrechte zu berauben?702 Mit solchen Gegen-
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igitur mirum, si christianus imperator ueri Dei sacerdotes dignetur honorare, dum pagani, ut praedixi, principes honorem impendere sacerdotibus nouerunt, qui diis ligneis et lapideis seruiebant? Vgl. fast wörtlich später Nikolaus I., ep. 88, S. 456, an den byzantinischen Kaiser Michael; Hinkmar von Reims, ep. 32, an Papst Johannes VIII., Migne PL 126, Sp. 233 AB; Placidus von Nonantula, Liber de honore ecclesiae 90, ed. Lothar von Heinemann und Ernst Sackur, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 613. Konzil von Mainz 847. Brief des Erzbischofs Hrabanus Maurus von Mainz, MGH Conc. 3, Nr. 14, ed. Wilfried Hartmann, Hannover 1984, S. 161: Quia inhonestum est, ut hoc, quod non solum christianis temporibus a christianis imperatoribus, sed etiam a paganis regibus tempore gentilitatis ad honorem Dei collatum est, vestris temporibus in regno vestro permutetur. Hugo von Fleury, De regia potestate et sacerdotali dignitate 2,1, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 483: Harum etiam industria potestatum olim tam in Iudea quam et inter gentiles meruit exaltari et nobiliter sublimari et harum potestatum pia cura ac vigilanti sollercia extendit palmites suos a mari usque ad mare. Honorius Augustodunensis, Summa gloria 15, ed. Julius Dieterich, MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 70f.: Sed et omnes hystoriae gentilium narrant reges honorasse suum sacerdotium ita, ut quidam consules vel imperatores legantur idem explevisse officium. Manegold von Lautenbach, Liber ad Gebehardum 49, S. 398: Si igitur apud paganos tam turpe, tam inpium est estimatum, si quis in illorum rem publicam cuiuscumque hominis causa aliquid peccaverat, qua detestatione isti sunt abhorrendi, qui unius
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überstellungen werden moralische Skrupel der Heiden durchaus anerkannt, wird zugleich aber die noch höhere Moral der Christen betont: Christen sollten den Heiden tatsächlich in allem überlegen sein, sind das aber nicht immer. In diesem Sinn können die Sitten der Heiden immerhin unchristlichem Verhalten als positives Beispiel entgegengehalten werden. Solche Einschätzungen kehren mehrfach wieder. So hält Bonifatius dem lüsternen König Aethelbald von Mercien vor, daß selbst Heiden, „die den wahren Gott nicht kennen“, dennoch von Natur aus das Gesetz beachten, das Gott den Menschen von Anfang an gegeben hat, indem sie „den Bund der Ehe bewahren und Unzucht und Ehebruch streng bestrafen“ und als „Schimpf und Schande“ (obprobrium et verecundiam) betrachten:703 „Denn wenn in Altsachsen ein Mädchen das Haus ihres Vaters durch Buhlerei befleckt oder eine verheiratete Frau unter Verletzung des Ehebundes Ehebruch begeht, so zwingt man sie zuweilen, eigenhändig ihrem Leben durch Erhängen ein Ende zu machen, und an dem Platz, wo man die Leiche angezündet und verbrannt hat, hängt man ihren Verführer auf. Zuweilen rotten sich die Frauen zusammen, um sie auszupeitschen; dann führen die Frauen sie unter Rutenstreichen überall in den Dörfern herum, wobei sie ihr die Kleider am Gürtel abschneiden und ihr mit ihren Messerchen den ganzen Körper zerschneiden und zerstechen, und so treiben sie sie aus kleinen Wunden blutend und zerfetzt von Gehöft zu Gehöft.“704
Selbst die Wenden, „das gräßlichste und schlechteste Menschengeschlecht überhaupt“, so Bonifatius, bewahrten die eheliche Liebe in einem Maße, daß die Frau nach dem Tode ihres Mannes nicht mehr weiterleben wollte und Ruhm erlangte, wenn sie sich mit ihrem Gemahl verbrennen ließ. „Wenn also Heiden,“ so folgert nämlich Bonifatius aus seiner Ermahnung des Königs, „die Gott gar nicht kennen und das Gesetz nicht haben, nach dem Wort des Apostels
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scelestissimi hominis amicicia nostram rem publicam, sanctam videlicet matrem ecclesiam, conantur destruere et omni proprii honoris privilegio privare? Bonifatius, ep. 73, S. 150: Quod non solum a Christianis, sed etiam a paganis in obprobrium et verecundiam deputatur. Quia ipsi pagani verum Deum ignorantes naturaliter, quae legis sunt et quod ab initio Deus constituit, custodiunt in hac re, quia propriis uxoribus matrimonii faedera servantes fornicatores et adulteros puniunt. Ebd.: Nam in antiqua Saxonia, si virgo paternam domum cum adulterio maculaverit vel si mulier maritata perdito foedere matrimonii adulterium perpetraverit, aliquando cogunt eam propria manu per laqueum suspensam vitam finire et super bustum illius incense et concremate˛ corruptorem eius suspendunt. Aliquando congregato exercitu femineo flagellatam eam mulieres per pagos circumquaque ducunt virgis cedentes et vestimenta eius abscidentes iuxta cingulum et cultellis suis totum corpus eius secantes et pungentes minutis vulneribus cruentatem et laceratam de villa ad villam mittunt.
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von Natur aus das tun, was zum Gesetz gehört, und zeigen, daß das vom Gesetz geforderte Handeln in ihren Herzen verzeichnet ist, wenn Du aber weiterhin, teuerster Sohn, ein Christ und ein wahrer Gottesverehrer zu sein Dich rühmst, falls Du in Deinen Jugendjahren mit der Fäulnis der Ausschweifung besudelt, in den Schmutz des Ehebruchs gehüllt, im Abgrund der Wollust wie im Schlund der Hölle versunken warst, so ist es jetzt Zeit, Deines Herrn eingedenk Dich aus den Stricken des Teufels zu befreien und Deine vom Schmutz der Ausschweifung besudelte Seele zu waschen.“705
Demnach gab es bereits im Frühmittelalter die Vorstellung von einem Naturgesetz (vor und über dem mosaischen und dem christlichen) – Hugo von St. Viktor wird nach diesen drei Zeiten später die ganze Weltgeschichte einteilen –, an das auch die Heiden gebunden sind und, wenn sie das einhalten, ihrerseits vorbildhaft wirken können. „Die alten Sachsen,“ so heißt es in der Translatio s. Alexandri, „gaben sich große Mühe, viele nützliche Sitten zu pflegen, und befleißigten sich einer hohen Sittlichkeit gemäß dem natürlichen Gesetz. Solcher Lebenswandel hätte ihnen die wahre Seligkeit des Himmels einbringen können, hätten sie nur nicht der Kenntnis des Schöpfers ermangelt und wären sie nicht der Wahrheit des Kultes entfremdet gewesen.“706
(Die antiken) Heiden kannten zwar nicht das Schriftgesetz, so schreibt auch Hinkmar von Reims in seinem Pamphlet gegen die Ehescheidung Lothars II., doch sie lebten gleichsam von Natur aus danach und ließen etwa in Ehefragen keineswegs Grausamkeit und Wut, sondern Gleichheit und Gerechtigkeit walten.707 705
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Ebd. S. 150f.: Cum ergo gentiles, qui Deum nesciunt et legem non habent, iuxta dictum apostoli ‚naturaliter ea que˛ legis sunt faciunt et ostendunt opus legis scriptum in cordibus suis‘ (Rom 2,14f.), propterea, fili carissime, cum tu christianus et veri Dei cultor esse cognominaris, si in iuventute adoliscentiae tuae putridine luxoriae inquinatus et foetore adulterii involutus et voragine libidinis quasi puteo inferni demersus fueras, iam tempus est, ut memor Domini tui a diaboli laqueis resipiscas et a foetore luxoriae sordidatam animam laves. Rudolf von Fulda, Translatio s. Alexandri 2, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 2, Hannover 1829, S. 675: Et multa utilia atque secundum legem naturae honesta in morum probitate habere studuerunt, quae eis ad veram beatitudinem promerendam proficere potuissent, si ignorantiam creatoris sui non haberent et a veritate culturae illius non essent alieni. Mit denselben Worten verteidigt Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 1,6, S. 8, später die heidnischen Sachsen. Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae, Resp. 21, S. 225: Ita reges Medorum ac Persarum atque Romanorum et iudices se˛culi, cum essent pagani et idolorum cultores, naturaliter, quae legis sunt, facientes etiam in causis coniugum non crudelitatem et saevitiam, sed aequitatem et iustitiam decernere ac diffi-
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In solchen Äußerungen wird noch einmal deutlich, daß nur das Christentum die wahre Erlösung bringt, daß entsprechende Sitten aber dem (allgemein und bei allen Völkern gültigen) Naturgesetz entspringen und daher auch bei Heiden zu finden sind. Ganz Ähnliches weiß Thietmar zu Beginn des 11. Jahrhunderts von den (nicht mehr eigentlich heidnischen) Polen zur Zeit Boleslaw Chrobrys zu berichten. Hier herrschten Sitten von unterschiedlichem Wert: „Sie sind zwar roh, aber trotzdem zuweilen lobenswert. […] Wenn dort jemand durch Mißbrauch fremder Ehefrauen Unzucht zu treiben wagt, erleidet er als Sühne sofort folgende Strafe: Man führt ihn auf die Marktbrücke, nagelt dort seinen Hodensack fest, legt dann ein scharfes Messer neben ihn und läßt ihm die harte Wahl zwischen Tod und Verstümmelung.“708
Thietmar findet das durchaus angemessen. (Jedenfalls gäbe es dort weit schlechtere Sitten als diese, meint er.) Strenge Moralsitten aber gingen bereits in die Zeit des Heidentums zurück: „Zur Zeit, als sein Vater [Mieszko I.] noch Heide war, mußte jede Witwe ihrem Gatten nach dessen Brandbestattung folgen und sich enthaupten lassen. Entdeckte man eine Dirne, so wurde ihr zu schimpflicher Strafe elendiglich die Scheide beschnitten und diese ‚Vorhaut‘, wenn man so sagen darf, an der Tür befestigt, damit der Blick des Besuchers daran Anstoß nahm und er in Zukunft achtsamer und vorsichtiger sei.“709
Dem schließt sich auch bei Thietmar eine düstere Gegenwartskritik an: „Das Gesetz des Herrn befiehlt, solche Frauen zu steinigen (Joh 8,5), und das Recht unserer leiblichen Vorfahren verlangt ihre Enthauptung. Heute freilich herrscht überall mehr als recht und billig Freiheit zur Sünde, und so treiben nicht nur viele verführte Mädchen, sondern auch manche verheirateten Frauen, von fleischlicher Begierde zu
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nire et tenere debere docuerunt. Vgl. Petrus Abaelardus, Commentaria in epistolam Pauli ad Romanos 1,1,18, S. 67: quantum ad transgressionem gentilium, qui sola naturali lege utebantur. Thietmar von Merseburg, Chronicon 8,2, S. 494: et quamvis dirae, tamen sunt interdum landabiles. […] Si quis in hoc alienis abuti uxoribus vel sic fornicari presumit, hanc vindictae subsequentis poenam protinus sentit. In pontem mercati is ductus per follem testiculi clavo affigitur et novacula prope posita hic moriendi sive de hiis absolvendi dura eleccio sibi datur. Ebd. 8,3, S. 494: In tempore patris sui, cum is iam gentilis esset, unaquaeque mulier post viri exequias sui igne cremati decollata subsequitur. Et si qua meretrix inveniebatur, in genitali suo, turpi et poena miserabili, circumcidebatur idque, si sic dici licet, preputium in foribus suspenditur, ut intrantis oculus in hoc offendens in futuris rebus eo magis sollicitus esset et prudens.
4. Positives Heidenbild? Heiden als Vorbilder
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schändlicher Lust getrieben, schon zu Lebzeiten ihres Mannes Ehebruch. Und sie lassen es nicht einmal dabei bewenden, sondern geben ihn dem Tode durch den Ehebrecher preis, den sie durch heimliche Winke dazu anstiften; dann aber nehmen sie diesen – welch übles Beispiel für andere! – auch noch ganz öffentlich zu sich und treiben zum Ärgernis mit ihm nach Belieben Unzucht.“710
Den eigenen Grabfrevel – Thietmar ließ in seiner Abteikirche in Walbeck den ersten Propst entfernen, um Platz für das Grab seiner Schwägerin zu schaffen – kommentiert der Bischof mit den Worten: „Was sogar den Heiden als Frevel erscheint, habe ich als Christ durch Schändung von Grab und Gebeinen meines Mitbruders begangen.“711 Naturrecht und natürliches Empfinden sorgen auch bei den Heiden für gute Sitten. Weder Heiden noch Christen, so stellt ein Regensburger Brief des 11. Jahrhunderts fest, kennen Inzest.712 Noch ein weiterer Aspekt relativiert das Heidenbild zumindest teilweise, nämlich das Verhältnis der christlichen Autoren zu den geliebten, immer wieder zitierten und nachgeahmten heidnischen Autoren der Antike, deren Heidentum sicherlich durchweg bewußt gewesen ist, zumeist aber verschwiegen oder gar entschuldigt wird.713 Viele christliche Autoren vor ihm hätten Auszüge aus heidnischen Philosophen und Dichtern in ihre
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Ebd. S. 494/496: Lex dominica huiusmodi precepit lapidari et parentum nostrimet carnalium institutio tales ortatur decollari. Apud modernos autem, quia libertas peccandi plus iusto atque solito ubique dominator, plus quam compressa ancillarum multitudo, quaedam pars matronarum, cupidine veneria pruritui noxio subscalpente, marito vivente nunc mechatur. Et in hoc eis non sufficit, sed hunc per adulterum morti furtiva consilii inspiracione tradit et post haec malum caeteris exemplum eodem post publice sumpto, pro dolor! potestative abutitur. Ebd. 6,45, S. 330: et, quod gentibus nefas videbatur, christianus ego in deiectione sepulcri et ossium confratris mei operabar. Regensburger Rhetorische Briefe 8, ed. Norbert Fickermann, MGH Epp. der deutschen Kaiserzeit 5. Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV., Weimar 1950, S. 311f.: ad huiusque sancti spiritus iniurie˛ similitudinem, qui in hoc altari, quia non legitime accedunt, ministrare non debent, ad aliud transmutatione facta transferuntur, quasi duo incestuosi dicerent: ‚tu meam, ego mutuo tuam uxorem accipio‘, cum hoc nusquam scripturarum inveniatur neque apud paganos, nedum apud Christianos. Ausführlich zur differenzierten Haltung gegenüber der antiken Bildung: Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung (Studien und Texte zu Antike und Christentum 41), Tübingen 2007.
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Werke eingefügt, bekennt Alkuin (und spricht damit eine nur allzu gut bekannte Tatsache aus),714 ja sogar der Apostel Paulus zitiere aus heidnischen Werken.715 Theodulf von Orléans habe, wie er verkündet, nicht nur häufig Gregor und Augustin, sondern auch die Schriften der hervorragenden, weisen Heiden gelesen.716 Das Verhältnis war und blieb aber durchaus zwiespältig. So äußert Liutprand von Cremona zum Geist der Akademiker, Peripatetiker und Stoiker, dieser priscorum ritus execrabilis paganorum sei nicht nur unnütz, sondern schon beim Hören schädlich, wieviel mehr also beim Lesen in Büchern. (Wenn so etwas aber aufgezeichnet worden ist, weshalb solle man dann nicht auch die Kriege der Fürsten unserer Zeit, die den antiken nicht nachstehen, niederschreiben, so rechtfertigt Liutprand das eigene Werk.717) Thegan hebt an Ludwig dem Frommen lobend hervor, daß er die heidnischen Dichtungen, die er in seiner Jugend erlernt hatte, weder lesen noch hören noch lehren wollte.718 Entsprechend fügt Otloh von St. Emmeram seiner Schrift „De doctrina spirituali“ ein Kapitel „Über das Meiden der Bücher der Heiden“ ein.719 Hingegen rät Hrabanus Maurus in dem Widmungsbrief seiner Schrift „De ecclesiasticis ordinibus“ an Haistulf von Mainz, nicht nur alle biblischen Bücher zu erforschen, sondern auch das, was von den Studien und Künsten der Heiden dem Kleriker nützlich sein kann.720 Ein heidnischer
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Alkuin, ep. 203, S. 337: Cuius exempla sequentes pene omnes sancti doctores de phylosophorum vel poetarum gentilium libris multa suis inseruere opusculis. Ebd.: Nam et beatus Paulus, vas electionis et doctor gentium, quaedam testimonia de paganorum libris proferre probatur, ratum putans aurum e stercore tulisse lavatumque dominicis indidisse thesauris. Theodulf von Orléans, Carmina 45, S. 543: Legimus et crebro gentilia scripta sophorum, Rebus qui variis eminuere satis. Liutprand von Cremona, Antapodosis 1,1, S. 5. Thegan, Gesta Hludowici imperatoris 19, S. 200: Poetica carmina gentilia, que˛ in iuventute didicerat, respuit nec legere nec audire nec docere voluit. Otloh von St. Emmeram, De doctrina spirituali 11, Migne PL 146, Sp. 270 A: Libros devita qui dant carnalia scita. Die Überschrift des Kapitels lautet: De libris gentilium vitandis et de studio sacrae lectionis. Hrabanus Maurus, ep. 3, S. 386: Tertius vero liber edocet, quomodo omnia quae in divinis libris scripta sunt, investiganda atque discenda sunt, necnon et ea quae in gentilium studiis et artibus aecclesiastico viro scrutari utilia sunt.
4. Positives Heidenbild? Heiden als Vorbilder
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Dichter sei nicht gänzlich zu verachten, meint auch Manegold von Lautenbach (mit Bezug auf Horaz, epist. 2,3). „Nehmt doch jene Inhalte auf, die euren Kräften, wenn ihr schreibt, ähnlich sind; dreht und wendet sie lange umher (und entscheidet), was man ablehnen soll und was es wert ist, geschultert zu werden.“721 Wenn Heiden in eitlem Ruhm ihre Lügen verbreiten, so fragt auch der Verfasser der Vita des Bischofs Landbert von Utrecht, warum sollen die Christen dann über die Wunder schweigen, die Christus vollbracht hat?722 Otto von Freising (der selbst häufig heidnische Autoren zitiert), gibt zu, daß die Heiden das, was sie niederschrieben, für Tugenden gehalten haben; da sie aber nur über den einen „Staat“, die civitas terrena, schreiben, haben sie unserem Urteil tatsächlich unsere Verfolgungen und unser Elend hinterlassen.723 Auch Heiden hätten nach Gott gesucht, meint Rupert von Deutz, gewiß im Blick auf die antiken Philosophen und nicht auf polytheistische Kulte; da sich die Wahrheit jedoch erst nach Christi Himmelfahrt offenbart habe, hätten sie sie nicht finden können.724 Viele Heiden, so auch Honorius, hätten über den Weg zum Heil und zum höchsten Glück nachgedacht, ihn aber nicht gefunden, weil er allein über Christus führt. Daher lese man in heidnischen Schriften auch nirgends etwas über die
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Manegold von Lautenbach, Liber ad Gebehardum praef., S. 311: Ocurrit mihi etiam illud poeticum, licet a pagano prolatum, non per omnia tamen contemnendum: / Sumite materiam vestris qui scribitis equam / Viribus et versate diu, quid ferre recusent, / Quid valeant humeri. Vita Landiberti ep. Traiectensis vetustissima 1, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 6, Hannover-Leipzig 1913, S. 353: Se paganorum figmenta saeva et nefanda prolixa studiant pompa et plurima mendacia codicibus commendant, ut eorum vana gloria discurrat, cur nos christiani salutiferi taciamus miracula Christi, cum possimus vel tenui sermone aedificationis de storia sanctorum pandere hominebus? Otto von Freising, Chronica, prol., S. 7: Sed quia plerique gentilium ad commendanda posteris gesta priorum de una earum plura scripserunt, multa documenta virtutum, ut ipsi rati sunt, prosecutiones vero miseriarum nostrorum iudicio nobis reliquerunt. Rupert von Deutz, Liber de divinis officiis 8,11, ed. Rhaban Haacke, CCM 7, Turnhout 1967, S. 286: Sic et multi gentilium Deum quaerentes foris stabant, quia per quem ad ueritatis notitiam ingrederentur, non inueniebant. Futurum erat sed non ante Domini ascensionem, ut illis ueritas illucesceret et fidem suam apostolis indicarent confitentes Christum ascendisse ad Deum Patrem suum, id est aequalem illum esse Deo Patri secundum diuinitatem, quo minor est secundum humanitatem.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Geburt eines Gott gleichen Menschen durch eine Jungfrau.725 „Ach Heide,“ klagt schließlich Petrus Lombardus, „du hast Gott gesucht, doch, Philosoph, du verehrst einen Götzen; du hast die Wahrheit gefunden und verbirgst sie doch in der Ungerechtigkeit; und was du durch die Werke Gottes erkannt hast, hast du doch durch die Werke des Menschen verloren. Du hast die Ordnung aller Dinge erwogen und willst doch nicht darauf achten, daß die Welt das Werk Gottes, der Götze aber das Werk eines Handwerkers ist.“ 726
Auf diese Weise bleiben die Unterschiede zum christlichen Glauben gewahrt, ohne daß die antiken heidnischen Schriften als völlig wertlos abqualifiziert werden müssen. „Stereotyp“ sind gewiß beide Vorstellungen von Heiden, die negativen wie die positiven. Dennoch bleibt es bemerkenswert, daß Letzteres durchaus anerkannt und zur Ermahnung der Christen benutzt wird. Und auch in mittelhochdeutschen Dichtungen wie später im ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach ist das Verhältnis von Christlichem und Heidnischem komplex und nicht einfach in einer Dichotomie von gut und böse aufzulösen.727 Zugleich verbindet sich das mit einem gewissen Staunen, da selbst lobende, auf ein naturrechtliches Denken gründende Äußerungen sich zumeist mit einer abgrenzenden und abwertenden Stellungnahme koppeln. Das mag zugleich Grundlage eines weiteren Aspektes sein.
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Honorius Augustodunensis, Expositio in Cantica canticorum 2,3, Sp. 398 C: quaesivi illum multoties in Scripturis gentilium, et non inveni aequalem Patri natum de virgine pro humano genere. Multi quippe gentilium multum inquisierunt viam salutis, per quam venirent ad summum bonum, ubi esset vera beatitudo, et non invenerunt, quia in Christum qui est via, veritas et vita, non crediderunt, et cum apud illos veritatem non invenirem, dixi. Petrus Lombardus, Collectanea in omnes D. Pauli apostoli epistolas. In epistolam ad Romanos 1, Sp. 1326 AB: Invenisti enim Deum, o tu gentilis, o philosophe, et colis idolum; invenisti veritatem et ipsam detines in iniustitia; et quod per Dei opera cognovisti, per hominis opera perdidisti. Totum considerasti rerum ordinem et non vis attendere quod mundus opus Dei sit, idolum opus fabri. Vgl. dazu Beate Kellner, Wahrnehmung und Deutung des Heidnischen in Wolframs von Eschenbach „Parzival“, in: Ludger Grenzmann/Thomas Haye/Nikolaus Henkel/Thomas Kaufmann (Hg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. I. Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien (Heiden, Barbaren, Juden) (Abh. Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, n.F. 4. Berichte über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters), Berlin-New York 2009, S. 23–49, hier S. 49. Im Parzival geht es in der Regel allerdings um die muslimischen „Heiden“.
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5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken: Die Reaktion der Kirche Es ist sicher übertrieben bzw. mißt an einem biblischen oder zeitunspezifischen Christentum, wenn James Russell behauptet, daß die Germanenvölker noch in der Mitte des 8. Jahrhunderts nicht christianisiert waren.728 Wohl aber wird man vielerorts noch lange von einer eher oberflächlichen Christianisierung ausgehen können.729 In dem langen Prozeß der Christianisierung wirkten, wie oben schon angedeutet,730 bekanntlich aber auch heidnische Elemente weiter.731 Heidnische Riten und heidnisches Denken hielten 728
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James C. Russell, The Germanization of Early Medieval Christianity. A Sociohistorical Approach to Religious Transformation, New York-Oxford 1994, S. 214: „It is concluded that the Germanic peoples had not been Christianized by the middle of the eighth century“; anders sei es allerdings im Falle einer „relativist or subjectivist definition of Christianity.“ Robert A. Markus, From Caesarius to Boniface: Christianity and Paganism in Gaul, in: Jacques Fontaine/Jocelyne Nigel Hillgarth (Hg.), Le septième Siècle: Changements et continuités. Actes du Colloque bilatéral franco-britannique tenu au Warburg Institute les 8–9 juillet 1988 (The Seventh Century: Change and Continuity. Proceedings of a joint French and British Colloquium held at the Warburg Institute 8–9 July 1988) (Studies of the Warburg Institute 42), London 1992, S. 154–168 (172), setzt mit Blick auf die Reformen einen tiefen Wandel in der Kirchengeschichte und im Verständnis von Christentum und Heidentum (von der Spätantike zum Mittelalter) vom 7. zum 8. Jahrhundert, diskutiert allerdings nicht, ob dieser Bruch aus heidnischen Vorstellungen resultiert. So auch Russel, Germanization S. 212. Die strittige Frage, ob das Merowingerreich heidnisch (so dezidiert: Edouard Salin, La civilisation mérovingienne d’après les sépultures, les textes et le laboratoire. Bd. 4: Les croyances. Conclusion. Index général, Paris 1959) oder christlich war (so ebenso dezidiert Yitzhak Hen, Culture and Religion in Merovingian Gaul, AD 481–751, Leiden 1995, S. 251–253), beantwortet differenziert: Bailey K. Young, The Imagery of Personal Objects: Hints of „Do-It-Yourself“ Christian Culture in Merovingian Gaul?, in: Andrew Cain/Noel Lenski (Hg.), The Power of Religion in Late Antiquity, Farnham-Burlington 2009, S. 339–354, indem er Julia Smiths These einer frühmittelalterlichen „Do-It-Yourself“-Religiosität (Julia M.H. Smith, Europe after Rome: A New Cultural History 500–1000, Oxford 2005, S. 220–239) anhand einiger Aspekte (personaler Charakter der Grabbeigaben; kein von oben verordnetes und institutionell kontrolliertes Christentum) von archäologischer Seite her bestätigt. Vgl. oben S. 59ff. Zum „heidnischen“ Mittelalter vgl. Milis (Hg.), The Pagan Middle Ages. Heidnisches Nachwirken untersucht gründlich Filotas, Pagan Survivals: in übernatür-
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
sich somit nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der christlichen Regionen noch lange.732 Man wird sogar feststellen können, daß sie hier weit mehr Beachtung gefunden haben als im Blick nach außen auf die eigentlichen Heiden. Wenn Willibald in seiner Bonifatiusvita Christen von solchen Heiden unterschieden hatte, die ihr Heidentum offen, und anderen, die es heimlich ausübten,733 dann schreibt er über eine bereits – wenigstens formal – christianisierte Gesellschaft, in der das Heidentum bzw. Heidnisches dennoch weiterlebte und weiterwirkte. Noch Helmold von Bosau meint von den Nordalbingiern, daß sie nur dem Namen nach Christen seien, tatsächlich aber weiterhin ihrem Aberglauben frönten.734
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lichen Kräften (S. 65–119), in der christlichen Tradition (S. 95–119), Naturkulten (S. 120–152), Zeitrechnung (S. 153–192), heiligen Orten (S. 193–218), Magie und Zauberei (S. 219–317), Begräbniskulten (S. 318–338) und Speiseverboten (S. 339– 356). Zum Fortleben heidnischer Begräbnissitten und deren Christianisierung vgl. bereits Bailey K. Young, Paganisme, christianisation et rites funéraires mérovingiens, in: Archéologie médiévale 7, 1977, S. 5–81; ferner: Jean Hubert/Marie-Clotilde Hubert, Piété chrétienne ou paganisme? Les statues-reliquiaires de l’Europe carolingienne, in: Cristianizzazione, Bd. 1, S. 235–268. Zum regionalen Nachwirken heidnischer Bräuche vgl. Staab, Heidentum und Christentum; zu heidnischen Traditionen im irischen Christentum: Pádraig Ó Riain, Pagan Example and Christian Practice: a reconsideration, in: Edel (Hg.), Cultural Identity S. 144–156. Eine Reihe von vorwiegend archäologischen Beispielen für ein heidnisches Fortleben in christlichem Gewand in Skandinavien gibt Torsten Capelle, Heidenchristen im Norden (Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch 38), Mainz 2005. Zur komplexen Akkulturation vgl. Alain Dierkens, The Evidence of Archaeology, in: Milis (Hg.), The Pagan Middle Ages S. 39–64. Vgl. bereits Hans Kuhn, Das Fortleben des germanischen Heidentums nach der Christianisierung, in: La conversione al cristianesimo S. 743–757. Zu Spuren heidnischen Glaubens in den frühmittelalterlichen Leges vgl. Ruth Schmidt-Wiegand, Spuren paganer Religiosität in den frühmittelalterlichen Leges, in: Keller/Staubach (Hg.), Iconologia sacra S. 249–262. Zu Zeugnissen des Heidentums in Nord- und Nordosteuropa vgl. Karl Hauck, Die religionsgeographische Zweiteilung des frühmittelalterlichen Europas im Spiegel seiner Gottheiten, in: Fornvännen. Tidskrift för svensk antikvarisk forskning 82, 1987, S. 161–181 (183). Nach von Padberg, Odin oder Christus, zusammenfassend S. 274ff., hielten sich heidnische Bräuche noch bis zum Investiturstreit. Es gab eine lange Übergangsepoche der Religionskonkurrenz. Willibald, Vita Bonifatii 6 (oben Anm. 303). Helmold von Bosau, Chronicon 1,47, S. 92f.: Tres autem sunt Nordalbingorum populi […]. nichil de religione nisi nomen tantum Christianitatis habentes. Nam lucorum et fontium ceterarumque supersticionum multiplex error apud eos habetur.
5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken
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Daß das Christentum auch nach der Bekehrung oft vordergründig (oder gar geheuchelt) war, wird man daher annehmen dürfen. Kirchliche Quellen klagen jedenfalls häufig darüber. So lebte Liudger in Friesland gemäß seiner Vita sieben Jahre lang inter paganos vel rudes christianos und mühte sich in hingebungsvoller Gläubigkeit ab, das neue Volk von den Götzenbildern abzubringen und zum christlichen Lebenswandel zu unterweisen.735 Der heilige Emmeram mußte feststellen, daß die erst kürzlich zum Christentum bekehrten Bewohner Regensburgs den Götzendienst keineswegs von Grund auf ausgerottet hatten und „ihren Kindern den Kelch Christi gemeinsam mit dem der Dämonen zu trinken gaben“ (was Emmeram dann abschaffen wollte).736 Als Cuthbert, der spätere Bischof von Lindisfarne, Prior des Klosters Melrose wurde, fand er die Menschen in der Umgebung ebenfalls in einem üblen Zustand vor; teils entweihten sie ihren Glauben durch schlechte Werke, teils vernachlässigten sie Glaubenssakramente und suchten ihr Heil statt dessen bei den Götzen, „als ob sie die von Gott, dem Schöpfer, geschickte Heimsuchung durch Zaubersprüche oder Amulette oder andere Geheimnisse teuflischer Kunst hätten fernhalten können“.737 Eligius von Noyen warnte die Christen in der Gegend von Bourges (bei Androhung des Verlusts des Sakraments der Taufe) davor, heidnischen Bräuchen zu folgen. Der Biograph benennt wieder eine lange Liste konkreter Kennzeichen: Wahrsagung, Beachtung bestimmter Tage für bestimmte Tätigkeiten, Neujahrsfeste, „teuflische Lieder“ an christlichen Festen, die Anrufung von Dämonen (wie Neptun oder Diana), Feier des „Jupitertages“ (Donnerstag) – außer an Kirchenfesten –, Gelübde an Heiligtümern, Felsen, Quellen oder Bäumen, Amulette, Bernsteinschmuck der Frauen (als Dienst gegenüber 735
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Vita Liudgeri II 1,12, S. 60: Igitur per septem annos in illis occidentalis Frisiae regionibus mansit inter paganos vel rudes christianos omni industria et sapienti labore se agens, novum populum devota credulitate instituens, sicut mirifica eius gesta populi illi usque hodie memorant, quos ab idolis convertens christiana conversatione instruxit. Arbeo, Vita Haimhrammi 7, S. 479: Sed habitatores eius neoffiti eo namque in tempore idolatriam radicitus ex se non extirpaverunt, quia ut patres calicem Christi commune et demoniorum suisque prolibus propinaverunt. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 4,25, S. 358: Nec solum ipsi monasterio regularis uitae monita simul et exempla praebebat, sed et uulgus circumpositum longe lateque a uita stultae consuetudinis ad caelestium gaudiorum conuertere curabat amorem. Nam et multi fidem, quam habebant, iniquis profanabant operibus, et aliqui etiam tempore mortalitatis, neglectis fidei sacramentis, quibus erant imbuti, ad erratica idolatriae medicamina concurrebant, quasi missam a Deo conditore plagam per incantationes uel fylacteria uel alia quaelibet daemonicae artis arcana cohibere ualerent.
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Minerva), Geschrei bei Neumond, Eide bei Sonne und Mond, Zauberer als Krankenheiler, heidnische Spiele und Lieder.738 Widukind von Corvey kann im 10. Jahrhundert berichten, daß die Dänen zwar von alters her (antiquitus) Christen waren, aber nichtsdestotrotz immer noch nach heidnischer Weise ihren Götzen dienten und Gott nur für einen Gott unter vielen hielten.739 Sie erwarteten einen Messias, der noch größere Wunder bewirken würde als Christus. Mögen solche Berichte über ein heidnisches Fortleben im einzelnen auch erfunden sein,740 so weisen schon die ständig wiederholten Konzilsbestimmungen auf ein Fortleben heidnischer Gebräuche im christlichen Gewand hin. Heidnisches gefährdete nicht nur das Christentum, die Anwendung heidnischer Riten machte geradezu zum Heiden, wie es in der Vita Eligii heißt: „Kein Christ soll das ausführen, denn dadurch wird er zum Heiden.“741 Unabhängig davon aber zeigen sich gerade in diesen Anschuldigungen wieder die Vorstellungen vom Heidentum, findet sich doch all das, was sich in christlicher Vorstellung mit Heidentum verbindet, hier wieder. Gegen solche Tendenzen wandten sich nun Theologen, Bischöfe und Synoden, eben weil sie solche Gefahren beobachteten, und verboten eine enge Gemeinschaft mit Heiden. Christen, so mahnt Hrabanus Maurus, dürfen nicht an heidnischen Traditionen festhalten oder an den Festen der Heiden teilnehmen,742 gemeinsam mit ihnen speisen743 oder auch nur heidnische Begriffe aufnehmen, wie es in den „Libri Carolini“ mit Blick auf den Bilderstreit heißt.744 Soweit die christlichen Autoren einzelne Bräuche als heid738 739 740
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Audoin von Rouen, Vita Eligii ep. Noviomagensis 2,16, S. 705–708. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,65 (oben Anm. 482). Das nimmt für die bayerischen Viten Jonathan Couser, Inventing paganism in eighth-century Bavaria, in: EME 18, 2010, S. 26–42, an, da es hier keine weiteren Hinweise auf heidnische Reste gibt. Audoin von Rouen, Vita Eligii 2,16, S. 707: nullus haec christianus exerceat, quia per haec paganus efficitur. Hrabanus Maurus, Liber poenitentium ad Otgarium 24, Migne PL 112, Sp. 1417 C: Quod non liceat Christianis servare traditiones gentilium: nec ullis observationibus festis eorum communicare; ebd. Sp. 1417 CD und Sp. 1418 A (aus dem Konzil von Laon c. 39). Ebd. 25, Sp. 1418 A: Quod non sit cum paganis convivandum. Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini) 1,3, S. 124: Nos denique qui et Veritatis sectatores, et ab ipsa Veritate redempti sumus, sicut sprevimus gentilium deorum mendacium, spernere debemus gentilia vocabula.
5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken
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nisch erkannten, wurden sie verurteilt und bekämpft.745 Ritu pagano implizierte von vornherein eine Abqualifizierung.746 Heidnische Riten wurden vor allem auf frühmittelalterlichen Konzilien und in Canonessammlungen immer wieder angeprangert,747 ohne daß man diesen „Kampf gegen das Heidentum“ mit Aaron Gurjewitsch gleich als „integrale(n) Bestandteil der feudalen Unterwerfung der Bauernschaft“ bewerten muß.748 Vorrangig handelte es sich selbstverständlich um einen „religiösen Kampf“. Dabei ging es – scheinbar zusammenhanglos – erneut jedoch eher um ein Verbot einzelner, als heidnisch betrachteter Bräuche und Vergehen als um zusammenhängende Vorstellungen vom „Heidentum“. Wer auch nach der Taufe noch den Dämonen opfere und sich vom Priester nicht überzeugen lasse, sollte deshalb aus der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen werden, so bestimmte bereits das Konzil von Orléans von 541.749 Darin bestätigt sich noch einmal, daß man (nur) durch die Taufe Christ wurde, anschließend allerdings auch danach leben mußte, während ein Rückfall ins Heidentum mit der Exkommunikation geahndet wurde (oder werden sollte). Das gleiche Schicksal drohte dasselbe Konzil den Christen an, die zwar nicht offen ins Heidentum zurückfielen, wohl aber heidnische Bräuche weiterführten, indem sie beispielsweise einen Eid auf einen Tierkopf mit heidnischen Formeln ablegten.750 Das Konzil von Tours von 567 verbot heidnische Neujahrsfeiern, „da Ianus ein Heide war“: „Es kann derjenige nicht vollkommener Christ (integer Christianus) genannt werden, der etwas davon aus dem Heidentum bewahrt.“751 Manche nähmen an Petri Stuhlfest das Abendmahl ein, um dann nach Hause zurückzukehren und nach dem Leib Christi noch ein heid-
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Zur karolingischen Gesetzgebung gegen Wahrsager und Zauberer vgl. Hubert Mordek/Michael Glatthaar, Von Wahrsagerinnen und Zauberern. Ein Beitrag zur Religionspolitik Karls des Großen, in: AKG 75, 1993, S. 33–64, die eine Verschärfung unter den Nachfolgern Karls des Großen beobachten. So Mohr, Wissen über die Anderen S. 129. Zu solchen Verboten vgl. Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World S. 119–124. Aaron J. Gurjewitsch, Stumme Zeugen des Mittelalters. Weltbild und Kultur der einfachen Menschen, Köln 1997, S. 40. MGH Conc. 1, ed. Friedrich Maassen, Hannover 1893, can. 15, S. 90. Ebd. can. 16, S. 90. Konzil von Tours 567, can. 23, ebd. S. 133: non potest integer Christianus dici, qui super hoc aliqua de gentilitate custodit.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
nisches Mahl („den Dämonen geweihte Speisen“) zu verzehren.752 Offenbar wollte man sich damit die Gunst der alten Götter und des neuen Gottes sichern (was mit dem christlichen Glauben natürlich gerade nicht vereinbar war).753 Dasselbe Konzil verurteilte religiöse Handlungen an Felsen, Bäumen und Quellen, nämlich „den erklärten Stätten der Heiden“. In denselben Zusammenhang gehört es, wenn Konzilien (wie das Konzil von Châlons von 639/654) es verboten, anläßlich von Kirchweih- oder Märtyrerfesten obszöne und schändliche Lieder zu singen (statt Gebete und Psalmen) oder daß die Frauen Tänze aufführten.754 Synoden und Kapitularien verordneten, daß Bischof und Graf gemeinsam gegen paganias angehen sollten. Noch das Konzil von Soissons von 744 mußte vor einem Rückfall ins Heidentum warnen.755 Eine Ansammlung (verbotener) heidnischer Elemente bietet auch der „Indiculus paganiarum et superstitionum“, der wohl ebenfalls aus der Zeit des Bonifatius stammt:756 Hier werden Gotteslästerung an den Gräbern und in Kirchen, Frevel gegenüber Toten sowie das Totenmahl angeprangert, heidnische Heiligtümer (in Wäldern und auf Felsen) und solche, die Wodan und Donar (Merkur und Jupiter) gewidmet sind, verboten, werden Götzenbilder erwähnt, aber auch Opfer für Heilige, Amulette, Zaubersprüche, Orakel (aus Vögeln, Pferden und Rindermist) und Losdeutung, Wetterzauber und beliebige Heiligenverehrung gebrandmarkt. Dabei mag es sich teilweise tatsächlich noch um Reste des heidnischen Glaubens gehandelt
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Ebd.: Sunt etiam qui in festivitate cathedrae domni Petri intrita mortuis offerunt et post missas redeuntes ad domus proprias ad gentilium revertuntur errores et post corpus Domini sacratas daemoni escas accipiunt. Vgl. auch Arbeo von Freising, Vita Haimhrammi 7 (oben Anm. 736). Konzil von Châlons-sur-Saône 639/654, can. 19, MGH Conc.1, S. 212. MGH Conc. II,1, ed. Albert Werminghoff, Hannover-Leipzig 1906, can. 6, S. 35. Vgl. noch im 12. Jahrhundert Gerhoh von Reichersberg, Commentarius aureus in Psalmos et cantica ferialia. Psalm 48, Sp. 1592 B: Pagani namque super sepulcra mortuorum epulantur, et in nomine eorum, qui mortui sunt, bibunt, inania cantant, nomina eorum invocant; sed haec omnia in inferno positis nihil prosunt, sed facientibus nimium obsunt. Was unter solchen paganiae konkret verstanden wurde, die dem populus Dei folglich auszutreiben waren, zeigen die fränkischen Reformsynoden von 742/743, deren Beschlüsse sowohl Bonifatius als auch der Hausmeier Karlmann verkündeten. Vgl. oben Anm. 549/550. MGH Capit. 1, Nr. 108, S. 222f.
5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken
209
haben, teilweise aber auch lediglich um eine Fortführung früherer Bräuche.757 Wynnebald fand im Sualafeld plurima paganice pravitatis prestigia vor: die Verehrung von Götzenbildern in teuflischer Verblendung, Zeichendeutungen (aruspicia) und dämonische Weissagungen (divinationes demonium dicentes), Zauberei (incantationum fribola facientes), Totenbeschwörungen (negromanticas), aber auch öffentlich vorgeführte Schandtaten, unrechte Ehen, Unzucht und Inzest.758 Wieder verbinden sich heidnische Bräuche mit unchristlichen Lebensformen. Dieser Vorwurf trifft auch den Stellingaaufstand der Sachsen von 841: Sie seien stets zum Bösen geneigt und ahmten eher den heidnischen Ritus nach, als daß sie die Sakramente des christlichen Glaubens einhielten.759 Nach Cosmas von Prag neigen ungläubige Menschen in mittelalterlicher Verallgemeinerung stets zum Bösen.760 Dieselbe Tendenz vertritt auch die bereits im Zusammenhang mit dem Begräbnis erwähnte „Capitulatio de partibus Saxoniae“, die Karl der Große während der Unterwerfung der Sachsen (wohl 782) erließ, um nach der (äußerlichen) Christianisierung eine Fortführung heidnischer Bräuche zu verhindern.761 Auch hier ist der „Heide“ der nicht Getaufte, während die Getauften bei Strafe davon abgehalten werden sollten, secundum morem paganorum oder secundum ritum paganorum zu handeln (§ 6f.; 9; 21). Die Kirchen traten, wie gleich anfangs betont wird, an die Stelle der Heiligtümer und sollten fortan größere Verehrung erhalten als diese (c. 1). Unter Todesstrafe wurden daher nicht nur Kirchenraub, Verletzung der Fastengebote,
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Die Frage diskutieren anhand früher Heiligenstatuen: Hubert/Hubert, Piété chrétienne, ohne allerdings eine Antwort zu geben. Die ganz auf den längst christianisierten Süden Frankreichs beschränkten Statuen (vgl. Karte 1 bei S. 268) sprechen allerdings gegen heidnischen Einfluß. Zum Indiculus konstatiert Palmer, AngloSaxons in a Frankish World S. 122f.: Der Indiculus „appears concerned with syncretism more than pure paganism“. Hugeburg, Vita Wynnebaldi 7, ed. Holder-Egger S. 111; ed. Bauch S. 154. So Annales Bertiniani (Prudentius von Troyes) a. 841, S. 39: Qui semper ad mala procliues magis ritum paganorum imitari quam christianae fidei sacramenta tenere delegerunt. Cosmas von Prag, Chronica Boemorum 1,11, S. 25f.: Sed sicut semper infideles homines et eo ad malum proniores, ubi deficiunt vires et bone artes, ilico ad deteriores pravitatis vertuntur partes, haud aliter gens ista vanis sacris dedita, plus mendaciis credula, iam desperantes viribus et armis militaribus, quandam adeunt sortilegam. MGH Capit. 1, Nr. 26, S. 68–70.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Tötung eines Geistlichen und Taufentzug gestellt, sondern auch heidnische Vorstellungen und Bräuche: Hexenglauben (einschließlich der heidnischen Vorstellung, daß Hexen Menschen fressen),762 Brandbestattung, Kannibalismus und Dämonenopfer (d.h. Opfer für die heidnischen Götter), sofern die Tat dem Pfarrer nicht gebeichtet wurde (c. 2–14). (Diese letzte Bestimmung zeigt an, daß man Bekenntnis und Sühne erzwingen, nicht unbedingt aber die Todesstrafe durchsetzen wollte.) Offenbar kam das alles vor oder wurde zumindest für möglich gehalten. So gab es jedenfalls die Vorstellung, daß die heidnischen Sachsen einen Mann oder eine Frau für eine Hexe halten konnten, die sie verbrannten.763 Zu den weniger schlimmen Vergehen (ohne Androhung der Todesstrafe) gehörten Gelübde an Quellen, Bäumen und heiligen Orten more gentilium zu Ehren der Dämonen (c. 21) oder Begräbnisse außerhalb des Friedhofs (c. 22). Insgesamt bleibt es jedoch auffällig, daß in den weitaus meisten Bestimmungen eine christlich-fränkische Ordnung vorgeschrieben und nur wenig Heidnisches verboten wurde. Wenn es in solchen Zusammenhängen fast durchweg heißt: more paganorum, dann ist auch das ein Indiz dafür, daß es nicht eigentlich um Heiden, sondern um Christen geht, die heidnische Bräuche pflegten. Häufig, so scheint es, handelt es sich also um deren – mißverstandene – Anwendung oder Umwandlung im christlichen Gewand (und gerade das sollte unterbunden werden). Anscheinend geht es den Autoren weniger um die (heidnischen) Vorstellungen an sich als vielmehr um eine mangelnde „Verkirchlichung“ (eine These, die allerdings noch gründlicher Überprüfung bedarf). Charakteristisch ist das noch im Sendhandbuch Reginos von Prüm aus dem frühen 10. Jahrhundert angeführte, aus verschiedenen Konzilsakten und Bußbüchern von Regino neu zusammengestellte Verbot, kultische Handlungen an Bäumen, Quellen, Steinen, Kreuzwegen und Gräbern (statt in der Kirche vor dem Altar) vorzunehmen, sie von Zauberern, Wahrsagern oder Zeichendeutern (anstelle von Priestern) oder unter Verwendung von Beschwörungs762
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Vgl. ebd. c. 6, S. 68: Si quis a diabulo deceptus crediderit secundum morem paganorum, virum aliquem aut feminam strigam esse et homines commedere […]. Nach dem Indiculus superstitionum (MGH Capit. 1, Nr. 108, c. 30, S. 223) glaubte man, daß Hexen, die den Mond beeinflussen konnten, die Herzen von Menschen herausnehmen konnten. Allerdings sagt der Text nicht ausdrücklich, daß sie diese Herzen verzehrten. Vgl. dazu Hedwig Röckelein, Hexenessen im Frühmittelalter, in: Dies. (Hg.), Kannibalismus und Europäische Kultur (Forum Psychohistorie 6), Tübingen 1996, S. 29–60, wonach diese „Hexen“ nicht Menschen, sondern Geistwesen sind.
5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken
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formeln und teuflischen Liedern (an Stelle des Vaterunsers und des Glaubensbekenntnisses) durchzuführen:764 „Für keinen Gläubigen besteht Zweifel darüber, daß all diese Dinge Götzendienst sind und deshalb vollständig ausgemerzt werden müssen.“765 Frauen, die behaupteten, durch maleficia oder Beschwörungen die menschlichen Sinne umwandeln zu können, indem sie Liebe in Haß wendeten oder umgekehrt, oder solche, die verkündeten, mit einer Schar von Dämonen in Frauengestalt nächtlich auf bestimmten Tieren herumzureiten, waren aus der Gemeinde zu verstoßen.766 Regino spricht hier zwar vom Götzendienst, kennzeichnet diesen aber als Teufelswerk oder Dämonenkult. Zu den (offenbar als heidnisch) verbotenen Handlungen zählten nach Regino ferner, Blut oder Aas zu verzehren, Flüssigkeit zu trinken, in der ein unreines Tier ertrunken ist, oder den 1. Januar nach heidnischer Art zu feiern oder bei der Totenwache teuflische Lieder (carmina diabolica) abzusingen. Bezeichnenderweise durchmischt Regino diese Verbote aber erneut mit der Nichtbeachtung christlicher Gebote oder Verbote, wie dem Einhalten der Fastenzeit oder der Bittprozessionen, dem Tragen von Amuletten, die Gottesurteile abwenden sollten, dem Zurückhalten von Almosen oder Stiftungen der Eltern durch die Erben, der Einnahme der christlichen Eucharistie an den drei Herrentagen, der Sonntagsarbeit oder dem Umgang mit Exkommunizierten.767 Damit zeigt er noch einmal, wie sehr heidnische Relikte und Mißachtung christlicher Bräuche in eins gesetzt und gleichermaßen gebrandmarkt wurden. Heidnisches konnte deshalb mit Verbrechen und anderen Vergehen geradezu verschmelzen. Im Bußbuch Halitgars von Cambrai aus dem ersten Drittel des 9. Jahrhunderts werden nebeneinander Raub, Schadenzauber, Gotteslästerung, absichtliche Verstümmelung, Abtreibung, Diebstahl, Körperverletzung, Brandstiftung in einer Kirche, Trunkenheit, Unzucht, Fallenlassen der Hostie oder Genuß von Fleisch eines tot aufgefundenen Tieres, Inzest, Götzenverehrung, Mundraub und Ehebruch behandelt.768 Heidni-
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Regino von Prüm, De synodalibus causis 2,5,42ff., ed. Wasserschleben S. 212; ed. Wilfried Hartmann S. 244. Ebd. 2,5,44, ed. Wasserschleben S. 212; ed. Hartmann S. 244: quae omnia idololatriam esse nulli fideli dubium est, et ideo summopere sunt exterminanda. Ebd. 2,5,45, ed. Wasserschleben S. 212; ed. Hartmann S. 244. Ebd. 2,5,46ff., ed. Wasserschleben S. 213ff.; ed. Hartmann S. 246ff. So Schmitt, Heidenspaß S. 48. Diese Vergehen finden sich bei Halitgar allerdings nicht in einer geschlossenen Aufzählung. Vgl. aber Halitgar, Poenitentiale, ed. Her-
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
sche Bräuche werden hier wie auch in anderen Bußbüchern zu einem Delikt unter anderen.769 „Zauber“ wird bei Halitgar allerdings unterschiedlich geahndet: Liebeszauber etwa nur mit einem halben Jahr, sofern dabei niemand zu Tode kommt (nur im Fall von Geistlichen wird das erheblich strenger betraft), Vorzeichendeutung oder Gelübde an Bäumen und Quellen, das Tragen von Amuletten und die Verkleidung an den Kalenden mit drei Jahren, verschiedene Formen dämonischer Weissagung oder Gotteslästerung hingegen mit fünf Jahren.770 Die Königin Fredegunde ließ Gregor von Tours zufolge drei Frauen foltern, bis sie gestanden, Zauberinnen (maleficae) zu sein, die ihren Sohn geopfert hätten. Daraufhin wurden sie mit den schwersten Todesstrafen (Erwürgen, Verbrennen, Rädern) bestraft.771 Tatsächlich wurde nicht so sehr die heidnische Handlung an sich als vielmehr die Gesinnung und der darin nachwirkende „Götzendienst“ angeprangert, sollten die (selben) Handlungen verchristlicht werden. So sollte die Arbeit nach Regino nicht magica arte, sondern im Namen Gottes begonnen, das Kräutersammeln oder die Spinn- und Webarbeiten von Frauen von nichts anderem als dem Glaubensbekenntnis und dem Vaterunser begleitet,772 Totenwachen nirgends sonst als in der Kirche abgehalten werden.773 Magische Handlungen an sich konnten also christlich oder heidnisch sein. Bereits Gregor von Tours, der (um 590) zwar bereits in einer durchweg christlich-katholischen Umwelt lebte, in der er heidnische Relikte nur noch gelegentlich erwähnen mußte, waren magische Praktiken weder unbekannt noch suspekt, solange sie unter christlichen Vorzeichen standen.774 Das macht eine Abgrenzung
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mann Josef Schmitz, Die Bussbücher und das kanonische Bussverfahren. Nach handschriftlichen Quellen dargestellt. Bd. 2, Düsseldorf 1898 (ND. Graz 1958), S. 252–300, hier 4,25f., S. 284f. (Schadenzauber), 4,27, S. 285 (Wahrsagung), 4,28, S. 285 (Meineid), 4,29, S. 285 (Raub); vor allem Libellus de Poenitentiae 34–44, ebd. S. 396f. So Schmitt, Heidenspaß S. 47. Vgl. ebd. S. 48. Gregor von Tours, Historiae 6,35, S. 305. Regino von Prüm, De synodalibus causis 2,5,52f., ed. Wasserschleben S. 213; ed. Hartmann S. 246. Ebd. 2,5,55, ed. Wasserschleben S. 214; ed. Hartmann S. 246. Vgl. Cordula Nolte, Devotio christiana im ländlichen Gallien des 6. Jahrhunderts – die Perspektive des Bischofs Gregor von Tours, in: Brigitte Kasten (Hg.), Tätigkeitsfelder und Erfahrungshorizonte des ländlichen Menschen in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (bis ca. 1000). Festschrift für Dieter Hägermann zum
5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken
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vom „wahren“ Christentum, das ja ebenfalls „magische“ Elemente aufgenommen hatte, in der Praxis alles andere als leicht. Darauf ist im übernächsten Abschnitt noch einmal zurückzukommen. Solche Bräuche hielten sich offenbar noch lange, und zwar nicht nur in neu bekehrten Gebieten, sondern selbst in Rom. So berichteten, wie Bonifatius dem Papst Zacharias schreibt, einige Romfahrer aus Alamannien, Bayern und Franken, daß sich zu Neujahr in Rom am Petersdom bei Tag und Nacht viele Menschen versammelten, um dort „nach Heidenart“ (paganorum consuetudine; ritu gentilium) auf den Plätzen zu tanzen, sich zuzujubeln, gotteslästerliche Lieder zu singen und Tag und Nacht zu schmausen und zu trinken; keiner leihe seinem Nachbarn aus seinem Haus Feuer, Eisen oder etwas andere Nutzbares; die Frauen trügen pagano ritu Amulette und Bänder an Armen und Beinen, um sie zu verkaufen.775 Papst Zacharias bestätigt, daß solches Verhalten „auf Anstiften des Teufels“ erfolge und daß er es (wie schon sein Vorgänger Gregor III.) gleich zu Beginn seiner Amtszeit – offensichtlich vergeblich – verboten habe.776 Manche der erwähnten Handlungen mögen also durchaus in bereits christlicher Überzeugung vorgenommen worden sein. Für die mittelalterlichen Theologen führte Heidnisches im Christentum allerdings zum Verlust des Seelenheils: „Denn wer den erwähnten Übeln, das heißt den Wahrsagern, Zauberern, Zeichendeutern oder den Amuletten und sonstigen Vorzeichen Glauben schenkt,“ so schreibt Bonifatius mit (angeblicher) Berufung auf Augustin, „mag er auch fasten, beten, eifrig zur Kirche gehen, reichlich Almosen spenden oder seinen Leib in jeder Art von Kasteiung peinigen, es wird ihm nichts nützen, solange er von diesen gotteslästerlichen Dingen nicht abläßt.“777
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65. Geburtstag (VSWG Beihefte 184) Stuttgart 2006, S. 199–216, hier S. 201f.; zu christlicher Magie bei Caesarius und Gregor (Liebessymbolik, Orakel, Wunder als Magie): Giselle de Nie, Caesarius of Arles and Gregory of Tours. Zu Vorzeichen und Prophezeiungen bei Gregor von Tours vgl. Hans-Werner Goetz, Gott und die Welt. Religiöse Vorstellungen des frühen und hohen Mittelalters. Teil I, Band 1: Das Gottesbild (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 13.1), Berlin 2011, S. 151f. Bonifatius, ep. 50, S. 84f. (oben Anm. 529). Ebd. ep. 51, S. 90f. Ebd. ep. 50, S. 85: ‚Nam qui dictis malis, id est carais et divinis et aruspicibus vel filacteriis et aliis quibuslibet auguriis crediderit, etsi ieiunet, etsi oret, etsi iugiter ad e˛cclesiam currat, etsi largas elymosinas faciat, etsi corpusculum suum in omni adflictione cruciaverit, nihil ei proderit, quamdiu sacrilegia illa non relinquerit.‘ Das Ganze ist ein Zitat aus Caesarius von Arles, Sermo 54,5, ed. Germain Morin, CCL
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
Indem man gegen Heidnisches vorging, wußte man sich kirchlicherseits offensichtlich sehr wohl davon abzugrenzen und Nicht-Christliches als heidnisch zu entlarven. Mit solchen Anprangerungen wird daher zugleich noch einmal deutlich gemacht, welche Elemente die christlichen Autoren denn mit „Heidentum“ assoziierten, so daß sich in diesen Äußerungen und Anprangerungen das christliche Heidenbild erneut gut widerspiegelt. Die Vorwürfe rissen auch in der Folgezeit keineswegs ab. Im Erzbistum Hamburg-Bremen gebot Erzbischof Unwan noch im frühen 11. Jahrhundert, omnes ritus paganicos, quorum adhuc supersticio viguit in hac regione, auszumerzen, denn immer noch suchten die Marschbewohner (paludicolae) die alten Haine in törichter Verehrung (stulta reverentia) auf.778 Ähnliches begegnet immer wieder auch in den jeweils neu bekehrten Gebieten. Am Anfang des 11. Jahrhunderts beklagte sich der Bischof Thietmar von Merseburg über den Aberglauben in seiner slawischen Nachbarschaft: „Denn die Bevölkerung geht dort selten in die Kirche und kümmert sich überhaupt nicht um den Besuch ihrer Hirten. Sie verehren ihre eigenen Hausgötter und opfern ihnen, indem sie fest auf deren Hilfe hoffen. Ich habe sogar von einem Stabe gehört, an dessen Ende eine Hand angebracht war, die einen eisernen Ring hielt; er wurde vom Hirten des Dorfes, in dem er sich befand, von Haus zu Haus herumgetragen, wobei ihn sein Träger beim Eintreten folgendermaßen anredete: ‚Wache, Hennil, wache,‘ denn so nannten sie ihn in ihrer bäuerischen Sprache. Dann schmausten die Toren prächtig und glaubten, in seinem Schutze sicher zu sein; wußten sie doch nichts von Davids Wort: ‚Die Bilder der Heiden sind Menschenwerk‘ usw. Gleich ihnen sind alle, die solches tun und darauf vertrauen‘ (Ps 115,4/8).“ 779
In Norwegen vertrieb Olaf der Heilige die Zauberer (malefici), „die es in der Welt der Barbaren überall mehr als reichlich gibt“, die in diesem Land Adam zufolge aber besonders häufig waren: Norwegen sei voll solcher
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103, Turnhout 1953, S. 238f. (hier aber: Nam qui praedictis caragiis elemosinas reliquerit). Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,48, S. 108. Thietmar von Merseburg, Chronicon 7,69, S. 482/484: Nam habitatores illi raro ad aecclesiam venientes de suorum visitatione custodum nil curant; domesticos colunt deos multumque sibi prodesse eosdem sperantes hiis inmolant. Audivi de quodam baculo, in cuius sumitate manus erat unum in se ferreum tenens circulum, quod cum pastore illius villae, in quo is fuerat, per omnes domos has singulariter ductus, in primo introitu a protitore suo sic salutaretur: ‚Vigila, Hennil, vigila!‘ – sic enim rustica vocabatur lingua –; et epulantes ibi delicate de eiusdem se tueri custodia stulti autumabant, ignorantes illud Daviticum: ‚Simulacra gentium opera hominum et caetera. Similes illis fiant facientes ea et confidentes hiis‘.
5. Aberglaube und heidnische „Relikte“ in Christentum und christlichem Denken
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„Monster“: Wahrsager, Vogeldeuter, Zauberer, Beschwörer und anderer Diener des Antichrist.780 Später beschränkt Adam das auf die Küstenbewohner Nordnorwegens, deren Zauberkünste über Menschen und Tiere Adam – wie beim Walfang – im übrigen durchaus für erfolgreich hielt (während das übrige Norwegen christlich war).781 Helmold von Bosau bezeugt noch im 12. Jahrhundert ein vordergründiges Christentum bei dem Abodritenfürsten Mstislaw, „der Christus öffentlich bekannte, heimlich aber verfolgte“.782 Heidentum starb mit der Christianisierung nicht aus, sondern blieb eine ständige Gefahr, gerade weil es in bekehrten Gebieten weiterlebte. Gegen solche Traditionen ging man kirchlicherseits vor. Der Vergleich mit Heiden sollte die schlechten Christen schelten, die sich heidnisches Verhalten aneigneten. So tadelt noch Gerhoh von Reichersberg die Herrscher, „die gar nicht mehr Heiden, sondern falsche Christen waren“ und dennoch wie einst Nero oder Decius die Kirche bekämpften (womit er auf Simonie und Laieninvestitur anspielt).783 Die Nachwirkungen des Heidentums gingen allerdings noch tiefer: Wußten die christlichen Autoren heidnische Relikte, trotz mancher Überschneidungen und Adaptionen, von christlichen Bräuchen abzugrenzen und natürlich zu verurteilen, so gab es nicht nur – kirchlicherseits bekämpfte – heidnische Relikte, Heidnisches drang vielmehr (eher unbemerkt und anerkannt) in die christlichen Glaubensvorstellungen und in die christlichen Riten ein, so daß
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Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,57, S. 117: divini et augures et magi et incantatores ceterique satellites Antichristi habitant ibi. Zur Verknüpfung von heidnischem Norden und Monstern von Aethicus Ister bis Adam von Bremen vgl. Ian N. Wood, Where the Wild Things Are, in: Pohl/Gantner/ Payne (Hg.), Visions of Community S. 531–542. Ebd. 4,32, S. 265. Helmold von Bosau, Chronicon 1,15, S. 31: Nec pretereundum videtur, quod idem Missizlaus Obotritorum princeps Christum palam confitens, sed clam persequens. Gerhoh von Reichersberg, Commentarius in Psalmos. In psalmum 23, S. 418: O vos, principes, iam non pagani, sed falsi christiani, qui non manifeste, ut Nero vel Decius, inpugnatis aecclesiam, sed lupos, fures et latrones intromittitis in eam, dum spreta canonica electione non per Christum, qui est ostium ovium et porta eternalis, sed per symoniam, que est porta infernalis, intruditis sub nomine episcoporum, abbatum, prepositorum, sacerdotum, capellanorum, canonicorum, fures, latrones et lupos rapaces gregi non parcentes, quae sua sunt querentes. Solche Könige stellten das Reich Babylon wieder her: ebd. In psalmum 64, S. 446.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
man hier, zumindest teilweise (und, wie weiter unten noch auszuführen ist, von außen betrachtet), von synkretistischen Zügen sprechen kann.784 In diesem Sinn gab es „Heidentum“ daher auch innerhalb der christlichen Gesellschaft (und das war keineswegs nur eine Frage der Volksfrömmigkeit). Man hat daraus sogar die zugespitzte These abgeleitet, daß das Heidentum sich im mittelalterlichen Christentum festsetzte (und damit letztlich „siegte“).785 Religionswissenschaftlich gesehen, ist es gar keine Frage, daß das Christentum, das von Anfang an eine synkretistische Religion war, grundsätzlich heidnische Elemente aufnahm. Geschichtswissenschaftlich ließe sich allerdings auch fragen, ob frühmittelalterliches Christentum tatsächlich „heidnisch“ oder einfach „zeitgemäß“ war, ob „heidnische Ideen tatsächlich die Lücke in der Botschaft Christi füllen mußten, weil diese nämlich zu sehr auf das Jenseits ausgerichtet war, indem sie sich stärker auf das irdische Leben hin orientierten“786 oder ob Christen und Heiden hier nicht einfach wieder ähnlich – und gewiß nicht mehr im Sinne des Neuen Testaments – dachten, so daß heidnisches und christliches Denken in der zeitspezifischen Vorstellungswelt zusammenflossen. Darauf ist gleich noch einmal näher einzugehen.787 Heidnisches wurde demnach, wie im letzten Fall, teils unbemerkt integriert, teils bewußt christlich umgedeutet, teils aber auch als Aberglaube, superstitio, gebrandmarkt, auch wenn längst nicht alle abergläubischen Bräuche tatsächlich heidnischen Ursprungs waren.788 Nur Letzteres wurde von den Zeitgenossen auch als heidnisch wahrgenommen und dann be-
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Zur Forschung über Heidentum, Synkretismus und Volksreligion im frühen Mittelalter vgl. Rudi Künzel, Paganisme, syncrétisme et culture religieuse populaire au Haut Moyen Âge. Réflexions de méthode, in: Annales 47, 1992, S. 1055–1069. Zum Problem und Konzept des Synkretismus allgemein: Volker Drehsen/Walter Sparn (Hg.), Im Schmelztiegel der Religionen. Konturen des modernen Synkretismus, Gütersloh 1996. Vgl. vor allem Ramsay MacMullen, Christianity and Paganism in the Fourth to Eighth Centuries, New Haven, Conn. 1997, der von einem latenten Sieg des Heidentums spricht. So Ludo Milis, Conclusion, in: Ders. (Hg.), Pagan Middle Ages S. 156: „Pagan ideas had to fill the gap in Jesus’s Message, namely the fact that it was too transcendent, by allowing a stronger hold on earthly life.“ Vgl. Abschnitt 7, unten S. 220ff. Harmening, Superstitio, betont zu Recht, daß die Reste christlichen Aberglaubens nicht germanischen, sondern spätantiken Ursprungs waren.
6. Fazit: Das Heidenbild des frühen und hohen Mittelalter
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kämpft. Dabei ist strikt die mittelalterliche Wahrnehmung und Bewertung zu beachten, denn vieles, das wir als – volkstümlichen – Aberglauben anzusehen geneigt sind, war, an mittelalterlichen Vorstellungen gemessen, tatsächlich weder heidnisch noch volkstümlich, sondern wurde ebenso von Vertretern der „Hochkirche“ geglaubt. Bei der Frage nach der mittelalterlichen Wahrnehmung des Heidentums kann es daher nur um solche Bräuche gehen, die mittelalterliche Autoren selbst als „Aberglauben“ und als heidnisch anprangerten, ein Thema, das die Quellen vor allem in den frühen Jahrhunderten des Mittelalters viel beschäftigte. Tatsächlich haben sich die christlichen Autoren oft gerade in religiöser Hinsicht dezidiert vom Heidentum abgegrenzt und solche Glaubenselemente ebenso wie eine solche Lebensweise gebrandmarkt, die sie, nach den oben zusammengestellten Merkmalen, als heidnisch empfunden haben.789
6. Fazit: Das Heidenbild des frühen und hohen Mittelalters Heiden spielen in der religiösen Wahrnehmung des frühen und hohen Mittelalters eine große Rolle, nicht nur, wenn auch prominent, im Missionskontext wie auch, sehr ähnlich, im Kontext der Verchristlichung bereits bekehrter Gebiete. Sie werden durchweg aus christlicher Perspektive sowie, enger, aus der Perspektive einer Entpaganisierung betrachtet.790 Die Begrifflichkeit ist hier, trotz anderer etymologischer Wurzeln der wichtigsten Begriffe, von vornherein religiös aufgeladen, und ein solches Bewußtsein scheint immer wieder auch in solchen Berichten durch, die ethnische Benennungen bevorzugen (etwa für die angreifenden Normannen und Ungarn). Ethnische und religiöse Kategorien sind hier nicht deckungsgleich (und das verursacht manche Probleme der Einordnung). 789
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Dabei konnte man sich, wenngleich nicht selten mit politischer Motivation, beispielsweise auf biblische Warnungen stützen, Ehen mit heidnischen Frauen einzugehen. Vgl. dazu Walter Pohl, Alienigena coniugia. Bestrebungen zu einem Verbot auswärtiger Heiraten in der Karolingerzeit, in: Andreas Pecˇar/Kai Trampedach (Hg.), Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne (HZ Beihefte 43), München 2007, S. 159–188. So von Padberg, Mission und Christianisierung S. 38f. Deshalb konnte es auch keine wirkliche Auseinandersetzung mit der heidnischen Religion geben (ebd. S. 41).
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
In der Wahrnehmung der mittelalterlichen Autoren grenzen sich Heiden dennoch begrifflich ebenso wie religiös klar von den Christen ab:791 Heidentum kann nur durch Bekehrung und Taufe überwunden werden – und genau das ist das Ziel der von individueller, kirchlicher und politischer Seite her intensiv und mit allen Mitteln betriebenen Mission: mit Wort (Predigt) und Argumentation, Tat („Tatmission“, Unterwerfung und Zwangsbekehrung) und göttlichem Wunderwirken. Gerade im Missionskontext wird das – bereits unterschwellig vorhandene – Heidenbild wirksam, und es hat sich gezeigt, wie sehr Mission und Heidenbild zusammenhängen, wie sehr sich auch die Missionsmethoden nach dem (gängigen) Heidenbild ausrichten. Heiden fehlt danach (noch) die Einsicht in den wahren Glauben, weil sie weder über Gotteskenntnis noch über ein Religionsgesetz verfügen – und das zu vermitteln, ist gerade das Anliegen der Missionare. Heiden grenzen sich daher sowohl inhaltlich (mangelnde Gotteskenntnis) als auch formal (fehlende Taufe) von den Christen ab. Heidentum ist folglich Irrtum, Aberglaube und Teufelskult – und das ist um so wörtlicher zu verstehen, als die heidnischen Götter als Dämonen betrachtet werden, deren Nichtgöttlichkeit und Nichtsnutzigkeit aufzuzeigen ist: Es gilt, die Ohnmacht der heidnischen Götter durch die Zerstörung der Götzenbilder und Kultstätten zu beweisen und damit zugleich den christlichen Gott nicht nur (in Predigten) zu verkünden, sondern durch Taten und göttliches Wunderwirken in seiner Existenz als wahren Gott und Schöpfer alles Seins zu erweisen. Dabei spielte das Bewußtsein, daß die als zwangsläufig empfundene Ausbreitung des Christentums und das irdische Wohlergehen der Christen ebenfalls als Beweis der göttlichen Macht angesehen wird, eine große Rolle: Die irdischen Erfolge der Christen zählen als Gottesbeweis, Mißerfolge als Sündenstrafe. Rückschläge müssen heilsgeschichtlich gerechtfertigt werden. Aus diesem christlichen Selbstverständnis erwachsen der Missionsgedanke ebenso wie das Heidenbild: Mission und Heidenbild entspringen der festen Überzeugung der Christen, die einzig wahre und einzig heilbringende Religion zu vertreten. Heidnische Herrschaft über Christen ist daher ebenso verpönt wie ein Bündnis mit Heiden gegen Christen (auch wenn beides in der Praxis immer wieder vorkommt), während ein Krieg gegen Heiden um des Zieles der Bekehrung willen durchaus erlaubt scheint. Selbstverständlich ist das alles aus christlich-mittelalterlicher Perspektive gesehen, aber gerade um diese Wahrnehmung geht es in dieser Studie. 791
Viel zu einfach ist aber die Folgerung Krutzlers, Kult und Tabu S. 263, heidnisch sei alles, was nicht der katholischen Lehre entspreche.
6. Fazit: Das Heidenbild des frühen und hohen Mittelalter
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Heiden leben noch auf der (ursprünglichen) Stufe ohne Erleuchtung und Schriftgesetz. Das Heidentum selbst ist durch stereotype, ständig wiederkehrende Merkmale gekennzeichnet, zumal man trotz besseren Wissens um kultische Eigenheiten wenig Unterschiede zwischen den verschiedenen Kulten macht und biblisches, antikes und frühmittelalterliches Heidentum in Kult und Götterwelt weithin als gleich oder gar identisch betrachtet und daher die Heiden der eigenen Zeit zwanglos mit denen des Alten Testaments vergleichen und deren Götter mit den römischen identifizieren kann. Es wäre daher zu einfach, das ganze Heidenbild auf die griechisch-römische Antike zurückzuführen.792 Götzendienst und – handgefertigte – Idole, deren Verehrung an heiligen Orten (in Hainen und Tempeln), Opferkulte, Orakel und Magie sowie heidnisches Benehmen (Tänze und Gesänge) und heidnische Bestattungsriten sind die wiederkehrenden, sämtlich als Aberglaube (superstitio) verurteilten Merkmale, auch (und gerade) dort, wo sie (weiterhin) von Christen wahrgenommen wurden. Das stereotype Heidenbild schließt zwar verschiedentliche Differenzierungen und ein Wissen um die Verschiedenheit und um den Charakter der Kulte nicht aus, wie es zunehmend im 11. und 12. Jahrhundert vor allem in detaillierten Schilderungen gegenüber den Slawen vermittelt wird. Dieses Wissen ändert jedoch nichts gegenüber der in religiöser, aber auch in kultureller Hinsicht durchweg negativen Einstellung gegenüber den Heiden (und wieder vermischen sich religiöse und kulturelle Wahrnehmung): Heiden sind nicht nur Teufelsdiener, sondern auch wilde, unkultivierte und inhumane Barbaren (und sie bleiben das teilweise auch nach der Bekehrung).793 Das macht die Mission zu einem gefährlichen Unterfangen. Wiederum schließt dieses negative Heidenbild jedoch nicht aus, daß Heiden trotz mangelnder Gotteskenntnis und barbarischer Lebensweise aufgrund ihrer natürlichen Anlagen durchaus moralisch sittsam, rechtsbewußt und hier an einzelnen, diesbezüglich funktionalen Stellen sogar vorbildhaft den schlechten Christen gegenübergestellt werden können (wie auch die antiken heidnischen Schriften vielfach benutzt und geehrt werden), weil ihnen, ohne Kenntnis des „Gesetzes“ (der Schriftreligion), dennoch ein „naturrechtliches“, allen Menschen gemeinsames Rechtsbewußtsein innewohnt. Das ändert allerdings nichts an der negativen Bewertung 792 793
So zusammenfassend Krutzler, Kult und Tabu S. 252. Eine solche Einstellung war noch in der Frühen Neuzeit vorhanden. Vgl. Wolfgang Reinhard, Christliche Wahrnehmung fremder Religionen und Fremdwahrnehmung des Christentums in der frühen Neuzeit, in: Grenzmann/Haye/Henkel/Kaufmann (Hg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen S. 71.
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des Heidentums als Teufelskult, und selbst Meinungen, die scheinbar auf die Spezifika heidnischen Denkens und Glaubens eingehen (wie der Brief Daniels von Winchester) haben ausschließlich deren Widerlegung zum Ziel. Mehr noch war den christlichen Autoren daran gelegen, Heidnisches, nämlich „Aberglauben“ – und der Begriff charakterisiert das Heidentum und füllt sich folglich mit denselben, beschriebenen, stereotypen Vorstellungsmustern – aus der bereits christianisierten Gesellschaft zu verbannen. Scheint Heidentum, trotz solcher (menschlicher) Berührungen damit die dem Christentum fernste Religion zu sein, so bleiben nach dem hier gegebenen Überblick abschließend doch zwei (einander scheinbar widersprechender) Phänomene zu betrachten, die zugleich gängige Forschungsdiskussionen aus der Perspektive der mittelalterlichen Wahrnehmung aufgreifen: die Frage nach einem Vergleich der Denkweisen und die These einer tiefen Konfrontation von Heidentum und Christentum.
7. Religiöser Gegensatz – kulturelle Nähe: Zur Ähnlichkeit der Vorstellungen bei Christen und Heiden So sehr sich der christliche Glaube auch vom Heidentum abgrenzte und dieses als ungläubig verachtete, ließen sich, wie im Verlauf der Darlegungen schon mehrfach vermerkt, immer auch gleiche oder ähnliche, nämlich zeitgemäße Denkweisen beobachten, die bei aller Abgrenzung auch eine kulturelle Vertrautheit gewährleisteten: Heiden und Glaubensboten waren „in mancherlei Beziehung nicht so voneinander getrennt […], wie die Überlieferung dies vermuten läßt“.794 Wenn die christlichen Missionare heidnische Kultstätten zerstörten, dann glaubten nämlich auch sie, mit dieser Tat die Macht des einzigen Gottes zu erweisen.795 Wenn die Christen in dem – grundsätzlich verurteilten – heidnischen Loswurf eine göttliche Entscheidung sahen,796 dann war auch ihnen ein solches Denken alles andere als fremd. Wenn Chlodwig sich in der Alemannenschlacht an Christus als Schlachtenhelfer wandte, so mochte er heidnisch gehandelt haben; wenn
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So von Padberg, Mission und Christianisierung S. 21. Vgl. oben S. 84ff. Vgl. oben S. 155f.
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Gregor von Tours das aber unbefangen und kritiklos erzählt, dann entsprach das offenbar auch seinem (christlichen) Denken,797 und tatsächlich wurde Gott von den Christen ja vielfach als Schlachtenhelfer in Anspruch genommen.798 Das frühmittelalterliche Christentum richtete sich auch keineswegs ausschließlich auf das Jenseits aus, sondern war dank göttlicher Gnade und Erfüllung des göttlichen Heilsplans ebenso vom irdischen Wohlergehen überzeugt.799 Gleichermaßen heidnischem wie christlichem Denken entsprach ferner der Wunderglaube. Auch wenn die Christen selbst hier natürlich Unterschiede machten, sahen sie ihren Glauben doch in dem Wunderwirken ihres Gottes bestätigt. Prinzipiell waren sich heidnische und christliche Denkart im frühen Mittelalter jedenfalls in vielerlei Hinsicht recht ähnlich.800 Das betraf selbst die Verehrung von Heiligen: Wenn wir in den Panegyriken vieler Heiden finden, so beginnt Ermenrich von Ellwangen seine Vita Sualos, daß Menschen, die wie Schauspieler lebten, in poetischer Ausgestaltung, dumm und in blindem Glauben sogar unter die Götter erhoben wurden, weshalb schweigen wir Christen dann über die glorreichen Kämpfer, die ihr ganzes Leben lang für den Glauben gestritten haben? 801 Es lag Ermenrich sicherlich fern, christ797 798 799
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Vgl. oben S. 79f. Vgl. Goetz, Gottesbild S. 108–128. Vgl. oben S. 116 ff. Vgl. dazu Hans-Werner Goetz, Christians and Pagans in the Period of Mission: similar concepts in a religious confrontation, in: Melve/Sønnesyn (Hg.), The Creation of Medieval Northern Europe S. 29–43; vgl. auch von Padberg, Mission und Christianisierung S. 356. Auf Parallelen der nordischen Mythen mit dem Genesisbericht (Verführung mit einem Apfel, Verfluchung, Distel) macht Gro Steinsland, Pagan Myth in Confrontation with Christianity: Skírnismál and Genesis, in: Tore Ahlbäck (Hg.), Old Norse and Finnish Religions and Cultic Place-Names, Åbo 1990, S. 316–328, aufmerksam, läßt aber zwangsläufig die Frage offen, ob hier biblische Traditionen oder ob in die biblische Genesisexegese heidnische Traditionen aufgenommen wurden oder ob es sich um eine Remythologisierung gnostischer Traditionen handelt. Die wahrscheinlichste Deutung erscheint Steinsland eine Aufnahme verschiedener, darunter auch biblischer Traditionen. Ermenrich von Ellwangen, Sermo de vita s. Sualonis dicti Soli prol., ed. Oswald Holder-Egger, MGH SS 15/1, Hannover 1887, S.156: In paganorum itaque multorum panagericis dum multos scenico more viventes ita poeticis figmentis conperimus, perlectis eorum actibus, laudatos, ut stolida mente et penitus a lumine fidei caeca eos in deos transtulissent, quod aliquid sibimet inusitatum commentante diabolo invenisse fabulose iactabant: cur nos, qui christiani sumus signaculoque muniti stigmatis Christi, quo
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liche Heilige und heidnische Götter gleichzusetzen, und doch kann er sie hier zwanglos in einen Bezug bringen. Im Kampf gegen den heidnischen König Penda von Mercia läßt Beda den christlichen Oswiu von Northumbria sagen: „Wenn der Heide unsere Gaben nicht anzunehmen weiß, dann bieten wir das eben dem dar, der es kennt, nämlich unserem Gott dem Herrn,“ und er versprach, im Falle eines Sieges seine Tochter als Nonne Gott zu weihen und ihm zwölf Klöster zu stiften.802 Auch wenn das christliche „Opfer“ eher symbolischer Natur war, bezeugt es doch ein ähnliches Denken, Gott durch Opfergaben zu versöhnen. Solche Gemeinsamkeiten betreffen ebenso die symbolhaften „Inszenierungen“ – und dazu gehören auch die Akte der sogenannten „Tatmission“ – sowie ein rituelles und symbolisches Denken an sich. So mochte den heidnischen wie den christlichen Lesern die Erklärung einsichtig sein, die der Verfasser der Wulframnvita dafür gab, daß die – fast schon erfolgreiche – Mission des Heiligen am Ende doch noch mißlang: Der Friesenfürst Radbod verweigerte nach dieser bekannten Erzählung im letzten Moment die Taufe, als Bischof Wulfram ihm sagte, seine Vorfahren seien in der Hölle verdammt. Er könne, so meinte Radbod, „nicht der Gemeinschaft seiner ihm vorangegangenen Friesenfürsten entbehren und mit einer kleinen Schar armer Leute im Himmelreich sitzen“.803 Wenn Glaube und Familienbewußtsein kollidierten, mochte (nicht nur bei den heidnischen Friesen) durchaus letzteres siegen. Das christliche Mittelalter suchte daher durchweg beides zu vereinbaren. Missionare mögen in einer solchen Umgebung in doppelter Weise fremd gewirkt haben: als Christen mit einem anderen Glauben und als Fremde aus einem anderen Land und Volk (wenngleich einige Missionare dem zu missionierenden Volk angehörten).804 Die mittelalterlichen Berichte, so
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levato, omnia Aegypti delubra, cadentibus idolis, diruta sunt, taceamus gloriosorum belligeratorum pro fide Christi in omni vita sua decertantium? Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica 3,24, S. 134: ‚Si paganus,‘ inquit, ‚nescit accipere nostra donaria, offeramus ei, qui nouit, Domino Deo nostro.‘ Vouit ergo quia, si uictor existeret, filiam suam Domino sacra uirginitate dicandam offerret, simul et XII possessiones praediorum ad construenda monasteria donaret. Vita Vulframni 9, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrM 5, Hannover-Leipzig 1910, S. 668: Haec audiens dux incredulus – nam ad fontem processerat – et, ut fertur, pedem a fonte retraxit, dicens, non se carere posse consortio praedecessorum suorum principum Fresionum et cum parvo pauperum numero residere in illo caelesti regno. Darauf verweist von Padberg, Mission und Christianisierung S. 354; Ders., Christen und Heiden S. 310.
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schreibt zu Recht Ian Wood, vermitteln jedenfalls ein Bild von den Missionaren, nach dem diese in einer fremden Welt agieren, die sie nicht versteht.805 Das trifft gewiß auf grundlegende religiöse Prinzipien zu. Im Missionsverständnis, so Lutz von Padberg darüber hinausgehend, ging es nicht um einen religiösen Dialog, sondern um die existentielle Auseinandersetzung zwischen Kulturen.806 Dennoch dürfte ein prinzipiell ähnliches Denken (hinter den christlichen Besonderheiten) eine Verständigung bis zu einem gewissen Grade ermöglicht und erleichtert haben. Das sei an Rimberts – erneut natürlich entsprechend stilisierter – Vita des heiligen Ansgar verdeutlicht. Nach Rimberts Bericht fand der Heilige bei seiner Ankunft in Birka in Schweden, einer Stadt, die durch den regen Handelsverkehr längst mit Christen in Berührung gekommen war, das Volk auf Antrieb des Teufels in tiefem Irrglauben befangen vor.807 (Die frühere Mission war demnach weitgehend erfolglos geblieben.) Man glaubte, so Rimbert in einer vielzitierten Erzählung, an heimische Götter, die als Eigentümer des Landes galten, und auf der Volksversammlung behauptete ein Schwede („vom Teufel getrieben, denn der wußte die Ankunft des heiligen Mannes genau voraus“), selbst an einer Versammlung dieser Götter teilgenommen zu haben, und erinnerte in deren Namen an die lange Friedens- und Wohlstandszeit mit reichem Erntesegen. Jetzt aber ließen nicht nur die Opfer nach, sondern man wolle gar einen „fremden Gott“ (alienum deum) über sie erheben. Sie sollten diesen Gott eines anderen (alterius deus) ablehnen und statt dessen, wenn ihnen an einem weiteren Gott gelegen sei, den eigenen früheren König Erik zum Gott erheben. Ihm wurde daher ein Tempel errichtet, und man brachte ihm Opfergaben dar. In solchen Worten spiegelt sich (zumindest in der Vorstellung Rimberts) die religiöse Konfrontation zweier Kulturen deutlich wider:808 Die Heiden glaubten an eine Vielzahl von Göttern, deren Gunst von den Opfergaben abhing, und sie lehnten die Annahme „fremder Götter“ ab, während die Vorstellung eines alleinigen und universalen Gottes noch 805
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Wood, Pagans and holy men S. 360: „Despite this awareness of paganism, or perhaps because of it, early medieval hagiographers do not directly illuminate the process of Christianization. The prevailing image is one of missionaries operating in an alien world which failed to understand them.“ Von Padberg, Christen und Heiden S. 296. Rimbert, Vita Anskarii 26f., S. 55ff. Zur zentralen Funktion dieser Rede vgl. Palmer, Rimbert’s Vita Anskarii S. 246ff. Die religiöse Konfrontation betont von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 165ff. und 425; vgl. oben Anm. 128.
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nicht in ihr Bewußtsein gedrungen war. Dem Christen Ansgar (bzw. dem Autor Rimbert) war eine Vielzahl von Göttern oder eine Aufnahme des Christengottes in den Götterhimmel hingegen ebenso undenkbar wie die menschliche Teilnahme an einer Götterversammlung. Rimberts Geschichte macht aber auch deutlich, welch große Rolle für die Heiden das heimische Element,809 der eigene Gott, spielte, eine Vorstellung, die auch dem christlichen Verständnis nahekam, nur daß der eigene Gott hier universalchristliche Züge trug. Erneut lagen die hinter der religiösen Auseinandersetzung aufscheinenden Vorstellungen weit enger beieinander, als es den Kontrahenten bewußt war. Wie sehr sich heidnisches und christliches Denken in dieser Frage ähnelten (und doch von den Christen anders beurteilt wurden), zeigt sich auch in der Bemerkung Adams von Bremen, die Schweden hätten aus der Menge der Götter vor einer Schlacht jeweils einen um Hilfe angerufen und diesen nach einem Sieg dann am meisten verehrt.810 Der König selbst schien einer Mission im Falle Rimberts zwar nicht abgeneigt – Mission war auch hier, wie oben betont, Mission von oben, und nicht zufällig wandten sich die Missionare zuerst an den Herrscher –, wenngleich sein mehrfaches Zögern vielleicht doch erkennen läßt, daß er nach einem geschickten Ausweg suchte. Jedenfalls könnte der Bericht des Hagiographen das nahelegen. Der König wollte seinerseits nicht nur die Volksversammlung darüber entscheiden lassen, sondern dort wiederum das Losorakel befragen: „Gewähren die Götter deinem Wunsche ihre Zustimmung, so soll deine Bitte erfüllt werden.“811 Man fragt sich, ob Rimbert die Perversität solcher Argumentation überhaupt bewußt geworden ist: Ein heidnisches Orakel der eigenen Götter sollte über die Annahme des christlichen Glaubens entscheiden! Daß das Orakel zugunsten Ansgars ausfiel, deuteten die Heiden als Entscheidung ihrer Götter, während es von Rimbert seinerseits als ein göttliches Wunder gewertet wurde, zumal es Ansgar in einer göttlichen Offenbarung bereits vorab geweissagt worden war. Dem heidnischen Polytheismus mag die Aufnahme neuer Götter durchaus plausibel
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Patrii dei auch: Herbord von Michelsberg, Dialogus de vita et operibus Ottonis Babenbergensis episcopi 2,23, ed. Wikarjak/Liman S. 101 (ed. Pertz S. 75–77). Zur Abneigung gegen den deum alienum ebd. 3,4, ed. Wikarjak/Liman S. 156 (ed. Pertz S. 111–113). Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis pontificum ecclesiae 4,22, S. 253. Rimbert, Vita Anskarii 26, S. 57: Et, si quidem diis fautoribus illi tuae consenserint voluntati, quod quaesisti prosperabitur.
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erschienen sein. Es bleibt jedoch auffällig, daß Rimbert weder das Verhalten der Heiden an sich kritisiert noch es explizit vom christlichen Denken abgrenzt, sondern die Macht Gottes und die Ohnmacht heidnischer Götter, die sich in ein und demselben Losorakel beweisen sollten, schlicht voraussetzt. Wenn die Heiden ihre Götter entscheiden ließen, ob sie sie verlassen sollten, und die Christen solches Verhalten zwar als heidnisch verurteilten, die Entscheidung aber als eine solche des Christengottes deuteten und anerkannten, dann bleibt erneut nur der Schluß, daß trotz aller Abgrenzungen in Glaubensfragen die dahinter durchscheinenden Anschauungen selbst sich doch sehr ähnelten. Den Ausschlag für die Gewährung der Mission gab in diesem Fall, von Rimbert unwidersprochen berichtet, die Rede eines alten Schweden, der – und auch das ist bezeichnend – auf die – irdische! – Hilfe seitens des Christengottes verwies, die viele Bekehrte bereits erfahren hätten: „Wenn wir die Gnade dieses Gottes uns in vielem nützlich befunden haben, weshalb sollten wir da nicht gern zustimmen, daß seine Diener bei uns weilen?“ 812 Auf diese Weise hielten sie später den Christengott – der für Adam von Bremen dann natürlich hinter den Siegen stand – für den mächtigsten aller Götter.813 Missionare, so scheint es, paßten sich nicht einfach der gentilen Mentalität an,814 sie hatten vielmehr in vielerlei Hinsicht die gleiche (frühmittelalterliche) Mentalität. Nach dem Bericht der Fuldaer Annalen zogen sowohl Christen wie Heiden (Normannen) mit Geschrei in die Schlacht (die Heiden eben nur nach heidnischem Brauch und mit schrecklichen Feldzeichen).815 Vergleichbares findet sich noch häufiger. Als die nach dem einer Seuche verschuldeten Tod ihres Führers Reginher in Bedrängnis geratenen Normannen Lose warfen, um zu erkunden, welcher ihrer Götter ihnen Rettung bringen würde, riet ihnen sogar ein christlicher Gefangener, den Christengott einzubeziehen. Das verlief glücklich, König Roric und „das ganze Volk der Heiden“ (cum omni populo gentilium) legten eine zweiwöchige Fastenzeit ein, und das Sterben hörte auf:816 Erneut berühren sich die Denkweisen, spricht aber auch ein Gottvertrauen aus dem Verhalten der Christen, die
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Ebd. 27, S. 58: Et qui eius dei gratiam nobis in multis utilem probavimus, quare servos eius nobiscum manere non libenter assentiamus? Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis pontificum ecclesiae 4,22, S. 253. So von Padberg, Mission und Christianisierung S. 357. Annales Fuldenses, Continuatio Ratisbonensis a. 891 (oben Anm. 381). Annales Xantenses a. 845, S. 14f.
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daraus ihren Vorteil zogen, denn die Normannen entließen alle ihre christlichen Gefangenen. Wie die Christen das Heidentum aus ihrer (eben zeitgenössischen) Perspektive bewerteten, so maßen im übrigen auch die Heiden ihrerseits den christlichen Glauben mit ihren (ähnlichen) Vorstellungen, ohne das Andersartige wirklich zu begreifen. Die Ungarn hielten Ekkehard von St. Gallen zufolge (der seine ‚Casus s. Galli‘ allerdings erst in der Mitte des 11. Jahrhunderts verfaßte) den Hahn auf der Klosterkirche für ein goldenes Götzenbild.817 Mit heutigem Abstand betrachtet, waren heidnische und christliche Vorstellungen daher längst nicht so weit voneinander entfernt, wie die christlichen Autoren selbst glaubten, und zwar nicht nur, weil Missionare und zu bekehrende Heiden nicht selten dem gleichen Volk angehörten – auch das ist natürlich ein wichtiger Aspekt –, sondern, weit grundsätzlicher, weil beide dem Denken ihrer Zeit verpflichtet waren. Die christlichen Zeitgenossen sahen das freilich ganz anders, weil es ihnen nicht um die (durchaus ähnliche) übermenschlich-magische Handlungsweise, sondern um den richtigen (wahren) Glauben ging. In den Quellen spiegeln sich solche Ähnlichkeiten im Denken daher nur indirekt wider. Die Autoren betonen vielmehr die religiösen Unterschiede und provozieren damit Konfrontationen. Vor diesem Hintergrund stellen sich abschließend allerdings auch einige Forschungsthesen etwas anders dar.
8. „Clash of religions“ – „clash of civilizations“? Die unerbittliche Missionsabsicht der christlichen Missionare mußte dort zu einem Zusammenstoß führen, wo die Heiden noch nicht bekehrungswillig waren, zumal wenn sich das mit Zwangsmaßnahmen verband. „Zwangsläufig musste ihre Mission so in einen Kampf der Kulturen führen. […] Die Mission mit der Predigt als Zentrum war daher nichts anderes als die Inszenierung religiöser Konfrontationen,“ schreibt Lutz von Padberg.818 Ist diese religiöse Konfrontation von Christen und Heiden aber auch ein „Kampf der Kulturen“? Es kann hier gewiß nicht darum gehen, Samuel Huntingtons ganz auf die Gegenwart (und nähere Zukunft) ausgerichtete Theorie eines
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Ekkehard, Casus s. Galli 53, S. 201. So von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 425.
8. „Clash of religions“ – „clash of civilizations“?
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„Clash of Civilizations“, in der Religion den zentralen Faktor bildet,819 die aber bereits vielfach zurückgewiesen worden ist,820 wiederaufzuwärmen oder gar eine Theorie, die ganz an der heutigen westlichen Kultur orientiert ist und sich als Zukunftsprognose versteht, nun retrospektiv auf das frühe Mittelalter und das Heidentum zu übertragen. Das würde weder dem Anspruch jener vehementen gegenwartsbezogenen Diskussion noch der Alterität des Mittelalters gerecht. Wohl aber stellt sich gerade auch für das frühe Mittelalter die Frage nach einer Konfrontation der Religionen und nach ihrem Verhältnis zu deren ideologischer Wahrnehmung der anderen neu. Wenn Huntington immer wieder vorgehalten wurde, daß das Verhältnis der Kulturen nicht nur durch Konfrontation, sondern auch durch Kooperation und Integration bestimmt war, so läßt sich, trotz aller religiösen (und nicht nur religiösen) Abgrenzung, genau das auch im früheren Mittelalter beobachten. Prinzipiell wird man drei Kommunikationszusammenhänge unterscheiden müssen: das missionarische Wirken im Heidenland auf der einen und heidnische Einfälle in christliche Gebiete auf der anderen Seite. Erstere bewirkten religiöse, letztere militärische Konfrontationen. Die Einfälle der Normannen und anderer Heiden waren jedoch rein kriegerischer, nicht religiöser Natur; es ging um Beute und Landnahme, nicht aber um Bekehrung der Christen zum Heidentum. Daneben und dazwischen aber hat es als dritte Art der Begegnung zweifellos andere – friedliche – Kontakte,821 bei819
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Samuel P. Huntington, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, New York 1996 (dt. Der Kampf der Kulturen. The Clash of Civilizations. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München-Wien 1996 [61997]). Thesen und Kritik stellt zusammen: Katrin Simhandl, Samuel Huntingtons Clash of Civilizations. Ein neuer Versuch, die Welt zu ordnen (Österreichisches Institut für Internationale Politik. Arbeitspapiere 21), Laxenburg 1998. Von den vielen kritischen Stimmen seien hier auswahlweise genannt: Harald Müller, Das Zusammenleben der Kulturen. Ein Gegenentwurf zu Huntington, Frankfurt/M. 1998; Richard Bonney, False Prophets. The ‚Clash of Civilizations‘ and the Global War on Terror (The Past in the Present), Oxford 2008 (besonders S. 33–51); Wolfgang Zank (Hg.), Clash or Cooperation of Civilizations? Overlapping Integration and Identities (The International Political Economy of New Regionalisms Series), Farnham-Burlington 2009. Vgl. bereits Gerd Tellenbach, Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12. Jahrhundert (Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch. Bd. 2, Lief. F 1), Göttingen 1988, S. 20f.: „Bei aller Härte von Glaubenskämpfen, bei allen verächtlichen Urteilen christlicher Autoren über die Minderwertigkeit, ja Abscheulichkeit
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spielsweise im Handel gegeben, wie sie Rimbert bezeugt: Kaufleute aus Birka kannten das Christentum von ihren Handelsreisen her. „Über die Verehrung dieses Gottes,“ läßt Rimbert einen alten Schweden sagen, „wissen schon viele unter uns recht gut, daß er denen, die auf ihn hoffen, große Hilfe gewähren kann. Das haben viele unserer Leute schon oft in Gefahren auf See und in mancherlei Nöten erprobt. […] Früher sind unsere Männer nach Dorestad gegangen und haben diese Art Glauben freiwillig angenommen, weil sie seine Nützlichkeit einsahen.“822
Zudem erfolgte das missionarische Wirken zwar zweifellos im Bewußtsein des unterschiedlichen Glaubens und war auf Bekehrung der Heiden (mit allen möglichen Konsequenzen), nicht aber auf Konfrontation an sich ausgerichtet. Für die Missionare richtete sich der „Kampf“ weniger gegen die Heiden als Menschen als gegen den Teufel, der in ihnen wirksam war, was allerdings nicht minder leicht zu Konflikten führen konnte.823 Schwieriger war der Sachverhalt, wenn christliche Könige gegen ihre christlichen Gegner Bündnisse mit Heiden schlossen (und auch das kam immer wieder vor). Die christlichen Autoren mußten das verurteilen, wenn es nicht, wie in den Bedrohungen Italiens im 9. Jahrhundert, „zum Schutz der ganzen Christenheit“ geschah:824 Papst Nikolaus I. verteidigte das, wenn es die Notlage erforderte und nicht zur Anerkennung des fremden Glaubens führte,825
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der Heiden, dürfen die vielartigen Kontaktmöglichkeiten nicht außer acht gelassen werden, auch wenn sie das Außergewöhnliche waren. Jedenfalls galten im Mittelalter Heiden, welchem Volkstum und welcher Kulturstufe sie angehören mochten, nicht nur als würdig, sondern eigentlich auch als verpflichtet, Kinder des Christengottes zu werden.“ Rimbert, Vita Anskarii 27, S. 58: De cultura istius dei pluribus nostrum bene iam est cognitum, quod in se sperantibus magnum possit praestare subsidium. Nam multi nostrum iam saepius et in marinis periculis et in variis necessitatibus hoc probaverunt. […] Aliquando nempe quidam ex nobis Dorstadum adeuntes, huius religionis normam profuturam sibi sentientes, spontanea voluntate suscipiebant. Vgl. von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen S. 250f., der beides aber als alternative Handlungsmodelle betrachtet. Vgl. in diesem Sinn Johannes VIII., Registrum, ep. 217, S. 194: Pro salute anime˛ tue˛ ac pro defensione totius Christianitatis, que˛ te cum paganis pactum habente quottidie depredatur atque in diram ducitur captivitatem, multa tibi et populo tuo, que˛ postulasti, fecimus bona. Nikolaus I., ep. 99,82, S. 595: Inveniuntur autem nonnulli sanctorum et fidelium cum alienigenis et infidelibus pacta et amicitiae foedera contraxisse diversa, sed eos non tamquam infidelitatem eorum et superstitionem adprobantes coluisse, sed tamquam in
8. „Clash of religions“ – „clash of civilizations“?
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lehnte es aber grundsätzlich ab.826 Noch für Thietmar von Merseburg war es das Allerschlimmste, daß Heinrich II. sich mit den slawischen Heiden verbündete: „Solche Kriegsleute, früher unsere Knechte, jetzt aber als Folge unserer Unrechtlichkeit frei, zogen mit ihren Götzen unserem König als Hilfstruppen zu. Meide ihre Gemeinschaft und ihren Kult, lieber Leser! Höre und befolge vielmehr die Gebote der Heiligen Schrift! Wenn du das Glaubensbekenntnis des Bischofs Athanasius lernst und auswendig im Gedächtnis bewahrst, wirst zu bestätigt finden, daß alle die hier geschilderten Dinge nichtig sind“.827
Konnten Kontakte mit den Heiden also bis zu regelrechten Bündnissen reichen, dann widersprach das doch den Vorstellungen der christlichen Autoren, jedenfalls soweit es sich um gegen Christen gerichtete Bündnisse handelte. Heidenbekämpfung war vielmehr Herrscherpflicht! Deshalb lobt Notker Ludwig den Deutschen, der in dieser Hinsicht vorbildlich gehandelt hatte: „Gegen alle Heiden ringsum zeigte er sich immer wieder noch weit furchtbarer als alle seine Vorfahren. Und das mit Recht: denn niemals befleckte er gegenüber Christen seine Zunge durch ein Urteil und seine Hände durch Blutvergießen, außer im Fall äußerster Notwendigkeit.“828
Blutvergießen gegenüber Heiden, so liest man aus dieser Stelle indirekt heraus, war demnach nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Gleichwohl berichtet auch Notker von Gesandtschaften der Normannenkönige, denen Ludwig zwar durch seine Stärke imponierte, die er aber doch zu diplomatischen Kontakten empfing.829 Die christliche Wahrnehmung der Heiden mit all ihren Reserven gegenüber dem Heidentum (aber auch gegenüber fremden Völkern) verhinderte eine Einstellung, die Bündnisse mit Heiden gutge-
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angarias diversis usibus implicasse et praecipue in terrenis eos quaestibus et servilibus occupasse. Vgl. oben S. 121f. Thietmar von Merseburg, Chronicon 6,25, S. 304: Hii milites, quondam servi nostrisque iniquitatibus tunc liberi, tali comitatu ad regem auxiliandum proficiscuntur. Eorum cum cultu consorcia, lector, fugias, divinarum mandata scripturarum auscultando adimple; et fidem, quam Athanasius profitebatur episcopus, discens memoriterque retinens, haec, quae supra memoravi, nil esse probabis veraciter. Notker Balbulus, Gesta Karoli Magni imperatoris 2,11, S. 68: Cunctis gentilibus circumquaque universis anterioribus suis magis magisque terrificus subinde perseverabat; et merito, quippe qui numquam linguam suam iudicio aut manus suas effusione sanguinis christiani commacularet praeter ultimam necessitatem. Ebd. 2,18, S. 88f.
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heißen hätte. Dennoch ließ es bei aller Abgrenzung Spielräume für Kooperationen, die ein „clash of religions“, das durchaus im Spektrum christlicher Wahrnehmung lag, abmilderten. Wenn Heiden und Christen, wie betont, grundsätzlich ähnliche Vorstellungen hatten, dann relativieren sich darüber hinaus nicht nur solche Gegensätze, sondern eine solche Perspektive würde auch die ohnehin strittige These einer „Germanisierung“ oder „Barbarisierung“830 bzw., besser ausgedrückt, einer „Paganisierung“ des Christentums und die nahezu zwanglose Aufnahme heidnischer Elemente (wie auch umgekehrt) in der Missionsphase auf eine ganz andere – und letztlich einsichtigere – Weise historisch erklären können als in der bisherigen, auf Synkretismus ausgerichteten (religionswissenschaftlichen) Forschung.831 Abgesehen von orientalischen und griechischen Einflüssen schon im Frühchristentum begann ein solcher Prozeß vor allem mit der Ausbreitung des Christentums als Massenreligion bereits im Imperium Romanum des 4. Jahrhunderts, und er setzte sich in der Ausbreitung auf die heidnischen Barbarenvölker fort.832 Gleiche zeitgenössische Denkweisen erklären die beobachtbaren Akkulturationen dabei besser als Russells entgegengesetzte Annahme einer „substantial inherent disparity between Christian and Germanic religiosity“.833 Wenn Russell, der (zu Recht) davon ausgeht, daß „religious transformation“ von sozialhistorischen Be-
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Vgl. Russell, Germanization; MacMullen, Christianity and Paganism; Cusack, Conversion. Relativierend, aber nur auf den Umfang, nicht auf den Begriff bezogen, bereits Theodor Schieffer, in: Handbuch der Europäischen Geschichte. Bd. 1, Stuttgart 1976, S. 504: „Eine Germanisierung des Christentums, die an Tiefe und Weite mit seiner voraufgegangenen Hellenisierung und Romanisierung vergleichbar wäre, hat es nicht gegeben.“ Gegen die These einer Germanisierung des Christentums zugunsten einer bereits spätantiken Transformation: Hanns C. Brennecke, Frömmigkeits- und kirchengeschichtliche Aspekte zum Synkretismus, in: Drehsen/Sparn (Hg.), Im Schmelztiegel der Religionen S. 121–142. Zur Romanisierung und Hellenisierung christlich-spätantiker Bildung vgl. Gemeinhardt, Das lateinische Christentum. Das betont zu Recht MacMullen, Christianity and Paganism. So Russell, Germanization S. 213, der den Gegensatz (ebd. S. 212f.) vor allem darin erblickt, daß das Christentum eine städtische und weltverneinende (world-rejecting), das Heidentum aber eine ländliche und weltbejahende (world-accepting) Religion war. Ersteres trifft auf das Frühchristentum, nicht aber für Spätantike und Frühmittelalter zu.
8. „Clash of religions“ – „clash of civilizations“?
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dingungen mitbestimmt ist, diese aber (durchaus bestreitbar) an „Volksreligionen“ bindet und das frühmittelalterliche Christentum daher als magischreligiöse, „germanische“ Volksreligion betrachtet,834 so ist das, wenn man „germanisch“ durch „pagan“ ersetzt, aus heutiger Sicht zwar nicht falsch, und es zeigt einerseits die zeitspezifische Ausprägung des Christentums. Andererseits aber haben die frühmittelalterlichen Christen sich selbst ja gerade nicht in dieser Weise verstanden, sondern sich strikt von den heidnischen Riten abgesetzt. Ihnen kam es nicht auf die (durchaus ähnliche) Form, sondern auf die (völlig anderen) Inhalte an, und auch „Volksreligion“ darf man in diesem Zusammenhang natürlich nicht auf das (ungebildete) Volk beschränken.835 Stammesriten waren heidnische Riten aller Schichten. Missionsmethoden und christliches Selbstverständnis widerlegen daher in gewisser Weise Theorien einer Barbarisierung des Christentums, während die Übernahme heidnischer Elemente 836 und, mehr noch, die gleichartigen Vorstellungen sie zugleich stützen. (Beidseitige) Akkulturation und Synkretismus sind selbstverständlich moderne Deutungen. Aus der Perspektive mittelalterlicher Wahrnehmung, wie sie hier untersucht wird, haben die christlichen Autoren selbst solche Prozesse nicht (oder eben nur als Christianisierung) wahrgenommen, sondern heidnische Ursprünge christlicher Bräuche geradezu bestritten. Für sie erzeugten die entscheidenden religiösen Differenzen und das Bewußtsein, den einzig wahren Glauben zu vertreten, vielmehr eine strikte Abgrenzung zum Christentum und unüberwindliche Gegensätze. Dennoch bleibt es er-
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Russell, Germanization S. 209. Russell stellt zu Recht einen „process of accommodation“ fest (ebd. S. 207), den er aber zu sehr an allzu feste Vorstellungen der Eigenart vorchristlicher Religionen (an sich) bindet, anstatt ihn im einzelnen zu analysieren. Wird man heute schon Russells These einer Anpassung an germanische politische und militärische Ideale (ebd. S. 212) kaum mehr zustimmen können, so muß seine – hierzulande in deutschnationaler Zeit vielfach vertretene – Ansicht einer Bewahrung der germanischen Identität durch den Arianismus (der tatsächlich orientalischen Ursprungs war!), heute vollends als überholt gelten. Auch Filotas, Pagan Survivals, die gründlich Spuren heidnischen Denkens im pastoralen Schrifttum des Frühmittelalters aufspürt, identifiziert weiterhin „pagan survivals“ in der christlichen Gesellschaft mit Volksreligion. Man wird darin aber nicht ein „Gesetz“ erblicken müssen. Für Russell, Germanization (zusammenfassend S. 102f.) mußte eine universale Heilsreligion Ethos und Weltbild einer indoeuropäischen Religiosität übernehmen, die nicht auf Erlösung hin ausgerichtet war.
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Kapitel 1: Die Wahrnehmung der Heiden
staunlich, daß die direkte Konfrontation zwar stets mitschwingt, in den Quellen jedoch nur selten besonders herausgestrichen wird: Der strikte religiöse Gegensatz verhinderte nicht ein mitmenschliches Agieren, eben weil dahinter ähnliche Vorstellungen standen. Ähnliche, zeitgemäße Denkweisen rücken Heiden und Christen, trotz aller religiösen Gegensätze, nämlich auch kulturell näher aneinander. Zwischen Heiden und Christen bestand dann, gerade in den Augen der Missionare, eine religiöse, jedoch eben keine (generell) kulturelle Konfrontation,837 ein „clash of religions“, jedoch kein „clash of civilizations“. Damit wird es auch fraglich, ob man Heidentum und Christentum durchweg als strikte Gegensätze betrachten darf.838 Wenn die Herrscher das Christentum tatsächlich nicht aus Glaubens-, sondern aus Prestigegründen angenommen haben,839 dann spräche auch daraus ein ähnliches Denken. Gleichzeitig kreiert jedoch die oben beschriebene Kennzeichnung der Heiden als Barbaren in der Wahrnehmung der christlichen Autoren auch kulturelle Gegensätze, die der Vorstellung von der Überlegenheit der eigenen Zivilisation (und der eigenen Religion) geschuldet sind. Wir beobachten also auch hier dieselbe Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und tatsächlichen Gegebenheiten. Die Ablehnung des Heidentums, die Überzeugung der Christen von ihrer einzig wahren Religion und die Kennzeichnung der Heiden als unzivilisierte Barbaren schufen eine mentale und religiöse Konfrontation, die in ihrer religiösen Komponente in aller Regel einseitig von christlicher Seite ausging und die dem heidnischen Polytheismus nicht nur die die Einzigartigkeit des einzig wahren Gottes entgegenstellte, sondern die Heiden, mit oder ohne Zwang, auch zur „wahren“ Religion bekehren und das Heidentum abschaffen wollte. Wie sehr christliches und heidnisches Denken dabei tatsächlich nahe beieinander lagen, war den Autoren nicht bewußt. Es erleichterte aber nicht nur die Christianisierung der Heiden, sondern auch jene immer wieder beobachtete „Paganisierung“ des frühmittelalterlichen Christentums, das diesem seine zeitspezifischen Kennzeichen verlieh.
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Von einer „grundlegende(n) kulturelle(n) Konfrontation“ spricht hingegen noch von Padberg, Odin oder Christus S. 276. So für die Spätantike Veyne, Quand notre monde est devenu chrétien, Kapitel 3, S. 67–91. So ebd. Kapitel 5, S. 117–139.
Kapitel 2
Die Wahrnehmung des Islam
1. Historischer Hintergrund und Forschungsstand Mindestens in dreierlei Hinsicht scheint der Islam eine ganz andere Dimension zu repräsentieren als das Heidentum. Besteht „das“ Heidentum tatsächlich aus einer Vielzahl sehr unterschiedlicher (traditioneller) Kulte, die letztlich nur den Polytheismus gemeinsam haben, so ist der Islam erstens eine in kurzer Zeit entstandene, einheitliche Offenbarungsreligion, die von ihrem „Propheten“ Mohammed auf der Grundlage himmlischer Visionen und ihrer frühen, verbindlichen Festlegung im Koran gestiftet worden war und sich, zunächst von einer politisch-religiösen, arabischen Konföderation ausgehend, in den Folgejahren, vor allem unter dem zweiten Kalifen ‘Umar (634–644), rasch über ganz Arabien und von hier aus über den Nahen Osten und Ägypten, über Nordafrika und schließlich (seit 711) bis nach Spanien ausbreitete.1 Der Islam ist damit zweitens eine expansive Religion. Sind die Angriffe und Beutezüge heidnischer Völker, besonders der Normannen und Ungarn, im frühen Mittelalter zwar ebenfalls als eine schmerzliche Bedrohung empfunden worden, so ist ihr Ziel jedoch nicht eine Ausbreitung des Glaubens gewesen. Das Heidentum befindet sich dank der christlichen Mission insge1
Zur Frühgeschichte des Islam vgl. Albrecht NOTH, Früher Islam, in: Ulrich HAARmann (Hg.), Geschichte der arabischen Welt, München 21991, S. 11–100 (4. Auflage, hg. v. Heinz Halm, München 2001, S. 11–100); Tilman Nagel, Die islamische Welt bis 1500 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 24), München 1998; Chase F. Robinson, The rise of Islam, 600–705, in: Ders. (Hg.), The New Cambridge History of Islam. Bd. 1: The Formation of the Islamic World Sixth to Eleventh Centuries, Cambridge 2010, S. 173–225; zu den Omayyaden Paul M. Cobb, The empire in Syria, 705– 763, ebd. S. 226–268; zu den Abbasiden Tayeb El-Hibri, The empire in Iraq, 763–861, ebd. S. 269–304; zur weiteren Entwicklung Michael Bonner, The waning of the empire, 861–945, ebd. S. 305–359.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
samt im Mittelalter vielmehr deutlich auf dem Rückzug (und ist seinerseits ständig „bedroht“). Die Angriffe verlangten zwar nach einer heilsgeschichtlichen Erklärung, riefen jedoch kaum eine verbreitete Furcht hervor, daß die christlichen Regionen Europas wieder heidnisch werden könnten. Der Siegeszug des Islam – der Begriff meint „Unterwerfung“ (unter das Glaubensgebot) – entfremdete hingegen die längst christianisierten Gebiete rund um das östliche und südliche Mittelmeer für lange Zeit dem abendländischen Christentum (unbeschadet der Tatsache, daß Christen hier gegen Zahlung der „Schutzsteuer“ weiterhin ihrem Glauben nachgehen konnten) und bedrohte die angrenzenden christlichen Mächte.2 Das betraf zunächst das – aus abendländischer Sicht vielleicht noch beruhigend ferne – Byzanz, das sich im 7. Jahrhundert nur mühsam und unter schweren Verlusten einer Eroberung widersetzen konnte, zumal unter dem Kaiser Herakleios zwischen 638 und 641 der gesamte Nahe Osten bis nach Armenien im Nordosten und Ägypten im Südwesten verloren ging und unter Konstantin IV. 674 bis 678 und noch einmal 717/18 unter Leon III. sogar Konstantinopel selbst gefährlich belagert wurde. Am Ende konnte nur Kleinasien dem Byzantinischen Reich einigermaßen gesichert werden. Das Abendland selbst erlebte solche Bedrohungen mit der islamischen Eroberung Spaniens seit 711, wo sich nur im äußersten Norden kleine christliche Königreiche halten und entwickeln konnten, und in den von dort ausgehenden Einfällen nach Gallien, denen Karl Martell mit den Schlachten von Poitiers und Tours (732) zunächst ein vorläufiges Ende bereiten konnte. Die Gefahr setzte sich jedoch bald mit den Überfällen auf die Mittelmeerinseln und schließlich mit der Eroberung Siziliens (zwischen 827 und 902) und von Teilen Süditaliens fort, wo zumindest sarazenische Stützpunkte errichtet werden konnten. Erst danach waren, mit weiteren Grenzkämpfen, die Herrschafts- und Religionsbereiche einigermaßen „konsolidiert“, bis schließlich durch die Normannen in Italien, die Reconquista in Spanien3 und die Kreuzzüge im Nahen Osten eine Rückgewinnung islamischer Regionen für das Christentum einsetzte. 2
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Zu Glaubensunterschieden und zum Verhältnis des Islam zu anderen Glaubensgemeinschaften vgl. John V. Tolan, Saracens. Islam in the Medieval European Imagination, New York 2002, S. 21–39. Zur Vielschichtigkeit und Problematik des wertenden Begriffs vgl. jetzt Nikolas Jaspert, ‚Reconquista‘. Interdependenzen und Tragfähigkeit eines wertekategorialen Deutungsmusters, in: Matthias M. Tischler/Alexander Fidora (Hg.), Christlicher Norden – Muslimischer Süden. Ansprüche und Wirklichkeiten von Christen, Juden und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel im Hoch- und Spätmittelalter (Erudiri Sapientia 7), Münster 2011, S. 445–465.
1. Historischer Hintergrund und Forschungsstand
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Wieweit diese „politisch-militärische“ Auseinandersetzung vor den Kreuzzügen als „Glaubenskrieg“ wahrgenommen wurde – Kriege und Bedrohungen gab es schließlich auch unter christlichen Reichen zur Genüge –, bleibt eine keineswegs eindeutig zu beantwortende Frage,4 zumal daneben die ganze Zeit über auch friedliche diplomatische Kontakte und kulturelle Beziehungen bestanden und ein wohl nicht unbeträchtlicher Kulturaustausch stattfand. Das wird uns noch beschäftigen. Wichtiger noch scheint eine dritte Differenz zum Heidentum, die vorerst nur kurz angedeutet sei, da sie im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen stehen wird: Aus religiöser Perspektive weit grundlegender unterscheidet sich der Islam vom Heidentum natürlich dadurch, daß es sich wie beim Christentum um eine monotheistische Religion handelt. Allerdings wäre auch hier zu fragen, wieweit das von den christlichen Autoren überhaupt wahrgenommen wurde und ob es einen Unterschied machte. (Das gleiche Problem stellt sich im nächsten Abschnitt über das Judentum wie auch in den nachfolgenden Kapiteln.) Es erscheint zumindest auffällig, daß große Missions- und Christianisierungsbestrebungen, wie sie das Verhältnis zum Heidentum maßgeblich bestimmen, gegenüber dem Islam nicht zu erkennen sind und erst im 13. Jahrhundert, vor allem von den Mendikantenorden betrieben, einsetzten.5 Von einzelnen Bekehrungen ist in der Kreuzzugschronistik die Rede,6 doch belegen die oft sehr ausgeschmückten Berichte 4
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Die Frage verneinend jetzt Wolfram Drews, Hilfe für Glaubensbrüder? Zur Gewichtung unterschiedlicher Motivations-Zusammenhänge für den Kampf gegen Andersgläubige im Mittelalter, in: Historisches Jahrbuch 131, 2011, S. 11–39. Zwar berichtet Petrus Damiani, ep. 72, Bd. 4,2, S. 352f., daß Nonnus-Hyppolytus 30000 Sarazenen ad Christi fidem bekehrt haben soll, doch wäre das lange vor der Entstehung des Islam geschehen. Zum Problem vgl. ausführlich Benjamin Z. Kedar, Crusade and Mission. European Approaches toward the Muslims, Princeton 1984, zur Mission der Mendikanten ebd. S. 136ff.; Tolan, Saracens S. 214–232 (Franziskaner) und S. 233–255 (Dominikaner), zur franziskanischen Mission außerdem Ders., Saint Francis and the Sultan. The Curious History of a Christian-Muslim Encounter, Oxford-New York 2009; zu den Mendikanten im (längst christlichen) Aragón vgl. Robin Vose, Dominicans, Muslims and Jews in the Medieval Crown of Aragon (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, Fourth Series 74), Cambridge 2009. Vgl. etwa Raimund von Aguliers, Historia Francorum qui ceperunt Iherusalem 17, John Hugh Hill/Laurita L. Hill, Le „Liber“ de Raymond D’Aguilers (Documents relatifs à l’histoire des croisades 9), Paris 1969, S. 112: Baptizabantur etiam aliqui Sarracenorum timore et zelo nostre˛ legis.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
gerade deren Ausnahmecharakter.7 Sarazenen wurden allenfalls „zur Flucht bekehrt“.8 Unterschiedlich zum Heidentum ist aber auch der Forschungsstand.9 Geht es der Forschung dort vor allem um Mission und Christianisierung, so werden gegenüber dem Islam immer wieder die Beziehungen und Kontakte10 7
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Vgl. etwa Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 2,26, ed. Susan B. Edgington, Historia Ierosolimitana: History of the Journey to Jerusalem (Oxford Medieval Texts), Oxford 2007, S. 104, zur Taufe eines Türken, der die christlichen Anführer durch seine Tränen derart erweichte, daß sie ihn taufen ließen: Instabat etiam multa et humillima prece, quatenus Christianitatis professione baptismum susciperet, et Christiano iure Christianis communicaret, sed hoc pocius petebat timore suspecte mortis, quam aliquo catholice fidei amore. Tandem miserabili fletu illius et nimio precatu, Christianitatis promissione, primorum exercitus mollita sunt corda, ac illius miserti, uitam sibi donauerunt, sed tamen mittitur in custodiam quam petebat. Vgl. auch ebd. 3,61, S. 234: Boemundus quidam de genere Turcorum qui ueritate agnitaque Christus est baptismi gratiam percepit, et a Boemundo principe recenter de sacro fonte leuatus nomine eius est uocatus, Walterus de Dommedart premittuntur […] Ein Sarazene, der die Christen durch seine Weisheit so beeindruckte, daß sie ihn bekehren wollten, widerstand dem hingegen standhaft und wurde geköpft: ebd. 6,5, S. 410: Videntes autem Christiani principes quia uir prudens, nobilis et strenuus idem esset Sarracenus, de uita et moribus eius sepius inquirentes ac disputantes, ad Christianitatis fidem eum uocare conabantur. Sed omnibus modis huic professioni abrenuncians, ante turrim Dauid productus ad terrendos arcis custodes in aspectu omnium ab armigero Baldwini decollatus est. So (in einer möglicherweise bezeichnenden Wendung) Adefonsi tertii chronica, Version Rotensis 10, ed. Juan Gil Fernandez, Cronicas Asturianas (Universidad de Oviedo. Publicaciones del Departamento de Historia Medieval 11), Oviedo 1985, S. 128: Caldei conuersi sunt in fugam (et in duabus diuisi sunt turmas). Eine ausführliche Bibliographie und eine Einführung zu den mittelalterlichen Quellen über christlich-islamische Beziehungen bietet: David Thomas (Hg.), with Juan Pedro Monferrer Sala, Johannes Pahlitzsch, Mark Swanson, Herman Teule and John Tolan, Christian-Muslim Relations. A Bibliographical History. Bd. 1: 600–900 (The History of Christian-Muslim Relations 11), Leiden 2009; Bd. 2: 900–1050 (The History of Christian-Muslim Relations 14), Leiden 2010; Bd. 3: 1050–1200 (The History of Christian-Muslim Relations 15), Leiden 2011. Vgl., um nur einige wichtige Titel zu nennen, L’occidente e l’Islam nell’alto medioevo (Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo 12), 2 Bde., Spoleto 1965 (darin vor allem die Aufsätze von Marius Canard und Gustav E. von Grunebaum zur religiös-militärischen Expansion, von Umberto Rizzitano zu den Sarazenen in Italien und von Claudio Sánchez-Albornoz zu den Sarazenen in Spanien); Kedar, Crusade and Mission; Nicolas Prouteau/Philippe Sénac (Hg.),
1. Historischer Hintergrund und Forschungsstand
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sowie, zumal in jüngerer Zeit, der Kulturtransfer behandelt.11 Dabei spielten auch Zeichen und Rituale eine wichtige Rolle.12 Anders als beim Heidentum liegt hier aber auch bereits eine ganze Reihe gründlicher Studien über die
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Chrétiens et musulmans en Méditerranée médiévale (VIIIe–XIIIe siècle). Échanges et contacts (Civilisation médiévale 15), Poitiers 2003. Zum hoch- und spätmittelalterlichen Aragón: Vose, Dominicans, Muslims and Jews. Zu den Kreuzfahrerstaaten: Hans Eberhard Mayer (Hg.), unter Mitarbeit von Elisabeth Müller-Luckner, Die Kreuzfahrerstaaten als multikulturelle Gesellschaft. Einwanderer und Minderheiten im 12. und 13. Jahrhundert (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 37), München 1997; Marie-Luise Favreau-Lilie, „Multikulturelle Gesellschaft“ oder „Persecuting Society“? „Franken“ und „Einheimische“ im Königreich Jerusalem, in: Dieter Bauer/Klaus Herbers/Nikolas Jaspert (Hg.), Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter. Konflikte und Konfliktbewältigung – Vorstellungen und Vergegenwärtigungen (Campus Historische Studien 29), Frankfurt/M.-New York 2001, S. 55–94. Einen breiten Überblick gibt: Richard Fletcher, Ein Elefant für Karl den Großen. Christen und Muslime im Mittelalter, Darmstadt 2005. Zeitlich übergreifend Alfred Schlicht, Die Araber und Europa. 2000 Jahre gemeinsamer Geschichte, Stuttgart 2008. Vgl. zum 13. Jahrhundert: Gundula Grebner/Johannes Fried (Hg.), Kulturtransfer und Hofgesellschaft im Mittelalter. Wissenskultur am sizilianischen und kastilischen Hof im 13. Jahrhundert (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel 15), Berlin 2008. Kritisch zu den Ansätzen: Matthias M. Tischler, Transfer- und Transformationsprozesse im abendländischen Islambild zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert, in: Ulrich Köpf/Dieter R. Bauer (Hg.), Kulturkontakte und Rezeptionsvorgänge in der Theologie des 12. und 13. Jahrhunderts (Archa Verbi. Subsidia 8), Münster 2012, S. 329–379, der moniert, daß die Transferstudien den Aspekt des religiösen Wissens vom anderen ausblenden und die Einbeziehung der Verbreitung der Äußerungen zum Islambild fordert. Dabei ist zwischen Transfer und Rezeption zu unterscheiden. Vielfältig diskutiert sind die arabischen Einflüsse auf die abendländische Wissenschaft, die aber erst vom 12. Jahrhundert an spürbarer werden und deshalb hier ausgeklammert werden können. Vgl. dazu etwa Jean Jolivet, The Arabic inheritance, in: Peter Dronke (Hg.), A History of Twelfth-Century Western Philosophy, CambridgeNew York-New Rochelle-Melbourne-Sydney 1988, S. 113–148. Auf die durch die Thesen von Sylvain Gougenheim, Aristote au Mont-Saint-Michel. Les racines grecques de l’Europe chrétienne, Paris 2008, ausgelöste, vielfach mehr politische als wissenschaftliche Diskussion gehe ich hier nicht weiter ein. Darauf verweist, mit vielen Beispielen, Nikolas Jaspert, Zeichen und Symbole in den christlich-islamischen Beziehungen des Mittelalters, in: Giancarlo Andenna (Hg.), Religiosità e civiltà. Le comunicazioni simboliche (secoli IX–XIII). Atti del Convegno Internazionale, Domodossola, Sacro Monte e Castello di Mattarella, 20–23 settembre 2007, Mailand 2009, S. 293–342.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
christliche Wahrnehmung des Islam in bestimmten Zeiten und Räumen vor.13 Nach den frühen, zwangsläufig noch generalisierenden, aber grundlegenden Arbeiten von Norman Daniel, der eine ernsthafte christliche Beschäftigung mit dem Islam allerdings erst im 12. Jahrhundert beginnen sieht und daher erst mit dieser Zeit einsetzt – auch seither dienten die christlichen Schriften danach nicht dem Verständnis, sondern der Polemik14 –, von Richard William Southern15 (mit drei Epochenskizzen zum Früh-, Hoch- und Spätmittelalter) sowie einem wichtigen, überblicksartigen Beitrag von Marie-Thérèse d’Alverny16 liegen mit den gründlichen Monographien von Philippe Sénac über das abendländische Islambild,17 Ekkehart Rotter über das Sarazenenbild bis zum 8. Jahrhundert,18 Robert Hoyland über eine vergleichende Sicht des frühen Islam, in der die lateinischen Quellen allerdings nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen,19 vor allem John 13
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Einen Überblick über die Forschung gibt David R. Blanks, Western Views of Islam in the Premodern Period: A Brief History of Past Approaches, in: Ders./Michael Frassetto (Hg.), Western Views of Islam in Medieval and Early Modern Europe. Perception of Other, New York 1999, S. 11–53. Einen weitgespannten, zumeist aber auf die bisherige Forschung und nicht auf Quellenanalysen gestützten Überblick von der Urkirche bis zum 20. Jahrhundert gibt Nasir Khan, Perceptions of Islam in the Christendoms. A Historical Survey, Oslo 2006. Norman Daniel, Islam and the West. The Making of an Image, Edinburgh 31966 (11960); vgl. etwa S. 7 („we may say that at the beginning of the twelfth century Islam began to be treated seriously in works written in the West“) und S. 45. Daniel behandelt nicht einzelne Autoren, sondern bestimmte Aspekte, die daher nicht mehr in ihrem eigentlichen Kontext erscheinen. Zur Kritik seiner modernistischen Deutungen vgl. Blanks, Western Views S. 24–29. Richard William Southern, Western Views of Islam in the Middle Ages, Cambridge, Mass. 1962 (dt. Das Islambild des Mittelalters, Stuttgart u.a. 1981). Marie-Thérèse d’Alverny, La connaissance de l’Islam en Occident du IXe au milieu du XIIe siècle, in: L’occidente e l’Islam. Bd. 2, Spoleto 1965, S. 577–602 (abgedr. in: Dies., La connaissance de l’Islam dans l’Occident médiéval [Variorum CS 445], Aldershot-Brookfield 1994). Philippe Sénac, L’Occident médiéval face à l’Islam. L’image de l’autre, Paris 1983 (22000). Ekkehart Rotter, Abendland und Sarazenen. Das okzidentale Araberbild und seine Entstehung im Frühmittelalter (Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur des islamischen Orients n.F. 11), Berlin-New York 1986. Robert G. Hoyland, Seeing Islam as Others Saw It. A Survey and Evaluation of Christian, Jewish and Zoroastrian Writings on Early Islam (Studies in Late Antiquity and Early Islam 13), Princeton, N.J. 1997. Hoyland geht es nicht unmittelbar
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Tolan über das Bild des Islam vom frühen bis zum späten Mittelalter20 und Katharine Scarfe Beckett über die angelsächsische Perspektive21 jeweils umfassende, wenngleich zumeist zeitlich oder räumlich begrenzte Studien vor, die durch eine Reihe von Sammelbänden mit jeweils spezifischen Beiträgen22 und weitere Aufsätze ergänzt werden.23 So haben Ron Barkai, Kenneth Wolf, Thomas Burman und Bernard Richard das (christlich-mozarabische) Islambild im früh- bzw. hochmittelalterlichen Spanien24 und Ekkehart Rot-
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um das Islambild, sondern um den Nachweis, daß nicht-muslimischen Quellen durchaus ein Wert bei der Rekonstruktion der frühen islamischen Geschichte zukommt. Aus dieser Perspektive werden zwangsläufig nur wenige lateinische Quellen behandelt. Tolan, Saracens, mit deutlichen Schwerpunkten auf dem islamischen Spanien; seine wichtigen Aufsätze sind gesammelt in: Ders., Sons of Ishmael. Muslims through European Eyes in the Middle Ages, Gainsville u.a. 2008. Katharine Scarfe Beckett, Anglo-Saxon Perceptions of the Islamic World (Cambridge Studies in Anglo-Saxon England 33), Cambridge 2003. Vgl. John Victor Tolan (Hg.), Medieval Christian Perceptions of Islam. A Book of Essays (Garland Reference Library of the Humanities 1768 = Garland Medieval Casebooks 10), New York-London 1996 (darin für das frühe Mittelalter vor allem Kenneth Baxter Wolf, Christian Views of Islam in Early Medieval Spain, S. 85–108, der immerhin eine Vertrautheit der Christen im islamischen Spanien des 8. und vor allem des 9. Jahrhunderts mit der islamischen Religion aufzeigen kann); Blanks/ Frassetto (Hg.), Western Views of Islam; Jerold C. Frakes (Hg.), Contextualizing the Muslim Other in Medieval Christian Discourse (The New Middle Ages), New York 2011. Vgl. Nikolas Jaspert, Die Wahrnehmung der Muslime im lateinischen Europa der späteren Salierzeit, in: Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Hg.), Salisches Kaisertum und neues Europa. Die Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V., Darmstadt 2007, S. 307–340; Hans-Werner Goetz, Sarazenen als „Fremde“? Anmerkungen zum Islambild in der abendländischen Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, in: Benjamin Jokisch/Ulrich Rebstock/Lawrence I. Conrad (Hg.), Fremde, Feinde und Kurioses. Innen- und Außenansichten unseres muslimischen Nachbarn (Studien zur Geschichte und Kultur des islamischen Orients, n.F. 24) (= Festschrift Gernot Rotter), Berlin-New York 2009, S. 39–66. Einen gerafften Überblick über das Islambild im Orient und in Spanien gibt Jean Flori, Guerre sainte, jihad, croisade. Violence et religion dans le christianisme et l’islam (Collection Points Histoire 309), Paris 2002, S. 114–135. Ron Barkai, Cristianos y musulmanes en la España medieval. (El enemigo en el espejo) (Libros de historia 13), Madrid 21991 (11984). Zum Frühmittelalter: Kenneth Baxter Wolf, The Earliest Spanish Christian Views of Islam, in: Church History 55,
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
ter bestimmte Aspekte des hochmittelalterlichen Islambildes in Deutschland untersucht,25 haben James Kritzeck und John Tolan das Islambild des für das Thema besonders wichtigen Abtes Petrus Venerabilis von Cluny im 12. Jahrhundert analysiert26 und andere sich mit weiteren mittelalterlichen Autoren befaßt.27 Thomas Burman hat die mittelalterliche Koranrezeption
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1986, S. 281–293; Ders., Christian Views of Islam. Zum Hochmittelalter: Thomas E. Burman, Religious Polemic and the Intellectual History of the Mozarabs, c. 1050– 1200 (Brill’s Studies in Intellectual History 52), Leiden-New York-Köln 1994; Bernard Richard, L’islam et les musulmans chez les chroniqueurs castillans du milieu du Moyen Âge, in: Hespéris Tamuda 12, 1971, S. 107–132. Ekkehart Rotter, Embricho von Mainz und das Mohammed-Bild seiner Zeit, in: Franz Staab (Hg.), Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik. Referate und Aussprachen der Arbeitstagung vom 22.–24. November 1990 in Speyer (Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer 86), Speyer 1994, S. 69–136; Ders., Mohammed in Bamberg. Die Wahrnehmung der muslimischen Welt im deutschen Reich des 11. Jahrhunderts, in: Achim Hubel/Bernd Schneidmüller (Hg.), Aufbruch ins zweite Jahrtausend. Innovation und Kontinuität in der Mitte des Mittelalters (Mittelalter-Forschungen 16), Ostfildern 2004, S. 283–344. James Kritzeck, Peter the Venerable and Islam (Princeton Oriental Studies 23), Princeton 1964; John Tolan, Peter the Venerable on the „Diabolical Heresy of the Saracens“, in: Alberto Ferreiro (Hg.), The Devil. Heresy and Witchcraft in the Middle Ages. Essays in Honor of Jeffrey B. Russell (Cultures, Beliefs and Traditions 6), Leiden u.a. 1998, S. 345–367 (abgedr. in Ders., Sons of Ishmael, S. 46–65). Vgl. etwa Rainer Christoph Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz. Studien zu Wilhelm von Tyrus (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 15), Stuttgart 1977; Verena Epp, Fulcher von Chartres. Studien zur Geschichtsschreibung des ersten Kreuzzuges (Studia humaniora 15), Düsseldorf 1990, S. 41ff.; John Tolan, Petrus Alfonsi and his Medieval Readers, Gainesville u.a. 1993; Rainer Christoph Schwinges, Die Wahrnehmung des Anderen durch Geschichtsschreibung: Muslime und Christen im Spiegel der Werke Wilhelms von Tyrus († 1186) und Rodrigo Ximénez de Rada († 1247), in: Alexander Patschovsky/Harald Zimmermann (Hg.), Toleranz im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 45), Sigmaringen 1998, S. 101–127; Jean Donnadieu, La représentation de l’islam dans l’Historia orientalis. Jacques de Vitry historien, in: MA 114, 2008, S. 487–508. Zum Ausnahmecharakter der Historia Arabum des Rodrigo Jiménez de Rada im frühen 13. Jahrhundert als einer Geschichte der Araber aus christlicher Sicht vgl. Matthias Maser, Die Historia Arabum des Rodrigo Jiménez de Rada: Arabische Traditionen und die Identität der Hispania im 13. Jahrhundert, Berlin 2006; Ders., Rodrigo Jiménez de Rada and his Historia Arabum: An Extraordinary Example of Inter-cultural Tolerance?, in: Lambert/Nicholson (Hg.), Languages of Love and Hate S. 223–238.
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vorbildlich aufgearbeitet.28 Manches ist auch einzelnen Aspekten wie der eschatologischen Rolle der Muslime im christlichen Endzeitdenken der Kreuzzugszeit,29 der Konkurrenz zweier monotheistischer Religionen oder den mentalen Grenzen im Islambild,30 einzelnen Episoden31 oder dem spätmittelalterlichen Islambild gewidmet.32 Eine ganze Reihe von Beiträgen befaßt sich natürlich mit dem Mohammedbild,33 und ebenso ist das Islambild
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Thomas E. Burman, Reading the Qur’a¯n in Latin Christendom, 1140–1560, Philadelphia 2007, sowie die Arbeiten von José Martínez Gázquez (unten Anm. 580). Vgl. Jean Flori, L’Islam et la Fin des temps. L’interprétation prophétique des invasions musulmanes dans la chrétienté médiévale, Paris 2007. Zu früher Endzeitverbindung im Osten vgl. Tolan, Saracens S. 45ff.; zum 13. Jahrhundert ebd. S. 194–213; zu Spanien: Southern, Western Views of Islam S. 19ff. Vgl. Folker Reichert, Der eiserne Sarg des Propheten. Doppelte Grenzen im Islambild des Mittelalters, in: Ulrich Knefelkamp/Kristian Bosselmann-Cyran (Hg.), Grenze und Grenzüberschreitung im Mittelalter. 11. Symposium des Mediävistenverbandes vom 14. bis 17. März 2005 in Frankfurt an der Oder, Berlin 2007, S. 453–469. Vgl. etwa Scott G. Bruce, An abbot between two cultures: Maiolus of Cluny considers the Muslims of La Garde-Freinet, in: EME 15, 2007, S. 426–440. Angekündigt Ders., Hagiography and the Construction of Islam in Medieval Europe: Cluny and the Muslims of La Garde-Freinet (972–1156). Vgl. Suzanne Conklin Akbari, Idols in the East. European Representations of Islam and the Orient, 1100–1450, Ithaca-London 2009. Zum Bild Mohammeds in der christlichen Literatur vgl. Albrecht Noth/Trude Ehlert, Artikel „Muhammad. 3. The Prophet’s image in Europe and the West“, in: The Encyclopaedia of Islam. Bd. 7, Leiden 21993, Sp. 377b–387a; Svetlana Luchitskaja, The image of Muhammad in Latin chronography of the twelfth and thirteenth centuries, in: JMH 26, 2000, S. 115–126; Peter Engels, Das Bild des Propheten Mohammed in abendländischen Schriften des Mittelalters, in: Hans-Jürgen Kotzur (Hg.), Kein Krieg ist heilig. Die Kreuzzüge (Ausstellungskatalog), Mainz 2004, S. 249–263; Stephan Hotz, Mohammed und seine Lehre in der Darstellung abendländischer Autoren vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Aspekte, Quellen und Tendenzen in Kontinuität und Wandel (Studien zur klassischen Philologie 137), Frankfurt/M.-Berlin-Bern-Brüssel-New York-Oxford-Wien 2002; Gert Melville, Fiktionen als pragmatische Erklärungen des Unerklärbaren: Mohammed – ein verhinderter Papst, in: Fritz Peter Knapp/Manuela Niesner (Hg.), Historisches und fiktionales Erzählen im Mittelalter (Schriften zur Literaturwissenschaft 19), Berlin 2002, S. 27–44; Michel Tarayre, L’image de Mahomet et de l’Islam dans une grande encyclopédie du Moyen Âge, le Speculum historiale de Vincent de Beauvais, in: MA 109, 2003, S. 313–343; Folker Reichert, Mohammed in Mekka. Doppelte Grenzen im Islambild des lateinischen Mittelalters, in: Saeculum 56, 2005,
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
in den Kreuzzügen mehrfach behandelt worden,34 vor allem seitens der russischen Historikerin Svetlana Loutchitskaja.35 Aber auch das Islambild der hochmittelalterlichen Dichtung und Epik ist gleich mehrfach untersucht worden,36 während bildliche Unterscheidungen der Muslime erst im späten
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S. 17–31; Edeltraud Klueting, Quis fuerit Machometus? Mohammed im lateinischen Mittelalter (11.–13. Jahrhundert), in: AKG 90, 2008, S. 283–306. Zum Mohammedbild vgl. unten Abschnitt 2.5, S. 293 ff. Zum historisch-islamischen Mohammed zuletzt ausführlich: Tilman Nagel, Mohammed – Leben und Legende, München 2008. Vgl. etwa Jean Flori, La caricature de l’Islam dans l’occident médiéval. Origine et signification de quelques stéréotypes concernant l’Islam, in: Aevum 66, 1992, S. 245– 256; Hannes Möhring, The Christian Concept of the Muslim Enemy during the Crusades, in: Hans-Henning Kortüm (Hg.), Transcultural Wars from the Middle Ages to the 21st Century, Berlin 2006, S. 185–193; zuletzt Martin Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi. Identität, Feindbild und Fremderfahrung während der ersten Kreuzzüge (Wege zur Geschichtswissenschaft), Stuttgart 2011. Vgl. Svetlana Loutchitskaja, Barbarae nationes: les peuples musulmans dans les chroniques de la Première Croisade, in: Michel Balard (Hg.), Autour de la Première Croisade. Actes du Colloque da la Society for the Study of the Crusades and the Latin East (Clermont-Ferrand, 22–25 juin 1995) (Byzantina Sorbonensia 14), Paris 1996, S. 99–107; Dies., L’image des musulmans dans les chroniques des croisades, in: MA 105, 1999, S. 717–735; zum Islambild im Spiegel des Verständnisses (und Mißverständnisses) der Bilderverehrung im Islam vgl. Dies. (S. Luchitskaja), Les idoles musulmanes. Images et réalités, in: Michael Borgolte (Hg.), Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs (Europa im Mittelalter 1), Berlin 2001, S. 283–298, und Dies., L’espace sacré en Terre sainte au cours des croisades: les controverses islamo-chrétiennes relatives aux images, in: François Clément/John Tolan/ Jérôme Wilgaux (Hg.), Espaces d’échanges en Méditerranée. Antiquité et Moyen Âge (Collection Histoire), Rennes 2006, S. 219–241; zu Johannes von Damaskus und Byzanz Dies., Muslim-Christian polemics concerning images. Visual tradition as the language of religion, in: Ernst Bremer/Jörg Jarnut/Michael Richter/David J. Wasserstein (Hg.), unter Mitarbeit von Susanne Röhl, Language of Religion – Language of the People. Medieval Judaism, Christianity and Islam (MittelalterStudien 11), München 2006, S. 89–102. Vgl. Norman Daniel, Heroes and Saracens. An Interpretation of the ‚Chansons de Geste‘, Edinburgh 1984; Ines Hensler, Ritter und Sarrazin. Zur Beziehung von Fremd und Eigen in der hochmittelalterlichen Tradition der „Chansons de geste“ (Beihefte zum AKG 62), Köln-Weimar-Wien 2006; Ingrid Hartl, Das Feindbild der Kreuzzugslyrik. Das Aufeinandertreffen von Christen und Muslimen (Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie 40), Bern-Berlin-Brüssel-Frankfurt/M.New York-Oxford-Wien 2009; David F. Tinsley, Mapping the Muslims: Images of
1. Historischer Hintergrund und Forschungsstand
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12. Jahrhundert einsetzen.37 Für die spätere Zeit liegen wichtige Arbeiten zum Türkenbild vor.38 Damit ist die Liste einschlägiger Arbeiten bei weitem nicht erschöpft. Trotz dieses scheinbar guten Forschungsstandes, auf dem hier aufgebaut werden kann, konzentrieren sich die genannten Studien nicht nur auf bestimmte Aspekte, sondern auch die umfassenden oder übergreifenden Arbeiten lassen deutlich bewußt gesetzte Grenzen erkennen, indem sie sich vornehmlich auf die islamisch-christlichen Kontaktzonen im Nahen Osten39 und in Byzanz40 und vor allem im islamischen Spanien,41 nicht zuletzt auf
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Islam in Middle High German Literature of the Thirteenth Century, in: Frakes (Hg.), Contextualizing the Muslim Other S. 65–101. Vgl. dazu: in: Olivia Remie Constable, Clothing, Iron, and Timber. The Growth of Christian Anxiety about Islam in the Long Twelfth Century, in: Thomas F. X. Noble/ John van Engen (Hg.), European Transformations. The Long Twelfth Century (Notre Dame Conferences in Medieval Studies), Notre Dame 2012, S. 279–313. Vgl. Franz-Reiner Erkens (Hg.), Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter (ZHF Beiheft 20), Berlin 1997; zur Frühen Neuzeit: Gabriele Haug-Moritz/Ludolf Pelizaeus (Hg.), Repräsentationen der islamischen Welt im Europa der Frühen Neuzeit, Münster 2010. Vgl. dazu Tolan, Saracens S. 40–67. Seit längerem angekündigt, aber bis zur Drucklegung noch nicht erschienen ist die Studie von Kristin Skottki, Christen, Muslime und der Erste Kreuzzug. Die Macht der Beschreibung in der mittelalterlichen und modernen Historiographie (Cultural Encounters and the Discourses of Scholarship 5), Münster 2013. Eine Wiedergabe des Islambildes byzantinischer Autoren bietet Adel-Theodore Khoury, Les théologiens byzantins et l’Islam. Textes et auteurs (VIIIe–XIIIe s.), Louvain-Paris 21969. Anders als in Byzanz (ebd. S. 311f.), beruht das Wissen über den Islam in den syrischen Kontaktzonen nicht auf der Lektüre des Koran, sondern aus den ständigen Kontakten (ebd. S. 310). Die Textstellen zur byzantinisch-islamischen Auseinandersetzungen stellt zusammen: Alain Ducellier, Le Miroir de l’Islam. Musulmans et Crétiens d’Orient au Moyen Âge (VIIe–XIe siècles), Paris 1971, besonders S. 107–158 zur falschen Religion, S. 159–185 zur Wahrnehmung der islamischen Reiche und S. 187–258 zu religiösen Fragen. Einen Vergleich zwischen syrischen und spanischen Reaktionen auf die islamischen Eroberungen unter Betonung der Ähnlichkeiten stellt (erstmalig) John Tolan, Réactions chrétiennes aux conquêtes musulmanes. Étude comparée des auteurs chrétiens de Syrie et d’Espagne, in: Cahiers de civilisation médiévale 44, 2001, S. 349–367, an. Zur Situation der Christen unter der islamischen Herrschaft vgl. Sidney H. Griffith, The Church in the Shadow of the Mosque. Christians and Muslims in the World of
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
mozarabischer Seite,42 konzentrieren, wo das Wissen über den Islam von vornherein größer war. Nahezu ausschließlich aus diesem Bereich sind vor dem 12. Jahrhundert überhaupt Schriften erhalten, die sich explizit mit dem
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Islam (Jews, Christians, and Muslims from the Ancient to the Modern World), Princeton-Oxford 2008; Ders., Christians under Muslim rule, in: Thomas F. X. Noble/ Julia M. H. Smith (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 3: Early Medieval Christianities, c.600–c.1100, Cambridge 2008, S. 197–212. Zum Verhältnis der Religionen im hoch- und spätmittelalterlichen Spanien vgl. Mark D. Meyerson/ Edward D. English (Hg.), Christians, Muslims and Jews in Medieval and Early Modern Spain. Interaction and Cultural Change (Notre Dame Conferences in Medieval Studies 8), Notre Dame 2000; zuletzt Tischler/Fidora (Hg.), Christlicher Norden – Muslimischer Süden, und Klaus Herbers/Nikolas Jaspert (Hg.), Integration – Segregation – Vertreibung. Religiöse Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel (7. bis 17. Jahrhundert) (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 8), Münster-Berlin 2011; Wiebke Deimann, Christen, Juden und Muslime im mittelalterlichen Sevilla. Religiöse Minderheiten unter muslimischer und christlicher Dominanz (12. bis 14. Jahrhundert) (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 9), Berlin-Münster 2012; sowie Cristiani, ebrei, musulmani nell’Occidente medievale (= Rivista di storia del Cristianesimo 2007/1). Einen instruktiven Überblick über die sehr unterschiedliche Situation religiöser Minderheiten rund um das Mittelmeer mit reichen Literaturangaben gibt Nikolas Jaspert, Religiöse Minderheiten auf der Iberischen Halbinsel und im Mittelmeerraum. Eine Skizze, in: Herbers/Jaspert (Hg.), Integration – Segregation – Vertreibung S. 15–44; zur Vielheit verschiedener (nicht nur religiöser und sich mit diesen nur teilweise überlappender) Minderheiten in Spanien Klaus Herbers, Die Vielfalt der Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel, in: ebd. S. 45–63. Einen prägnanten Überblick über die (schlecht dokumentierte und sich verschlechternde) Situation der Christen im islamischen Spanien bis zum 10. Jahrhundert gibt Matthias Maser, Christen im umayyadischen Andalus. Zwischen diskriminierender Beschränkung und kultureller Profilierung, in: ebd. S. 83–108; zum 11. Jahrhundert: Wiebke Deimann, Die christliche Minderheit in al-Andalus. Situation und Wahrnehmung der Mozaraber seit dem 11. Jahrhundert, in: ebd. S. 109–126. Ausführlich zur spanischen Geschichte und Historiographie des Mittelalters: Peter Linehan, History and the Historians of Medieval Spain, Oxford 1993, sowie Cristianos y musulmanes en la Península Ibérica: la guerra, la frontera y la convivencia. XI Congreso de Estudios Medievales (León, del 23 al 26 de octubre de 2007), Ávila 2009. Zum „Gegenstück“, der Stellung der Muslime in den (späteren) christlichen Reichen, vgl. José Hinojosa Montalvo, Los mudéjares. La voz del Islam en la España cristiana (Estudios mudéjares), 2 Bde., Teruel 2002. Eine ausführlichere Beschäftigung mit dem Islam setzte jedoch auch hier erst im 11. Jahrhundert ein, vor allem mit dem „Liber denudationis“ (dazu Burman, Religious Polemic S. 37–62; Edition mit englischer Übersetzung ebd. S. 240–385); zu weiteren mozarabischen Traktaten des 11. und 12. Jahrhunderts ebd. S. 62–94. Danach
1. Historischer Hintergrund und Forschungsstand
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waren die Mozaraber mit der islamischen Tradition vertraut, haben aber kaum (lateinische) Werke hervorgebracht, die in das Abendland hineinwirkten (zusammenfassend ebd. S. 191–211), während ihnen umgekehrt scholastisches Schrifttum (Abaelard) bekannt war (ebd. S. 157–189). Zu der viel schärferen Polemik schon der frühen Mozaraber im Vergleich etwa zum Orient vgl. jetzt Fernando González Muñoz, En torno a la orientación de la polémica antimusulmana en los textos latinos de los mozárabes del siglo ix, in: Cyrille Aillet/Mayte Penelas/Philippe Roisse (Hg.), ¿Existe una identidad mozárabe? Historia, lengua y cultura de los cristianos de al-Andalus (siglos IX–XII) (Collection de la Casa de Velázquez 101), Madrid 2008, S. 9–31. Zur Kultur und, soweit es die arabische Sprache betrifft, zumindest teilweisen Akkulturation der mozarabischen Christen des 8. und 9. Jahrhunderts vgl. ausführlich Dominique Millet-Gérard, Chrétiens Mozarabes et culture islamique dans l’Espagne des VIIIe–IXe siècles (Études Augustiniennes), Paris 1984, besonders S. 95–123, zum Islambild ebd. S. 135–143. Die Ursprünge des mozarabischen Denkens lagen danach im Orient (ebd. S. 149–181). Zur Islamisierung Spaniens vgl. jetzt Dominique Valérian (Hg., avec la collaboration de Cyrille Aillet, Sophie Gilotte, Annliese Nef, Christophe Picard, Jan-Pierre van Staëvel, Élise Voguet), Islamisation et arabisation de l’Occident musulman médiéval (VIIe–XIIe siècle) (Bibliothèque historique des pays d’Islam 2), Paris 2011. Auf das Mozaraberproblem der jüngsten Forschung kann hier nicht eingegangen werden; es beginnt dann, wenn man unter den Mozarabern nicht alle, sondern lediglich, wie es der aus dem Arabischen stammende Begriff wohl auch nahelegt, die arabisierten Christen im islamischen Spanien versteht, weil sich dann christliche und ethnisch-nationale Identität überlagern. Wenn die Christen Nordspaniens den arabisierten christlichen Zuzüglern nicht selten reserviert gegenüberstanden, dann deutet das in unserem Zusammenhang jedenfalls auf innerchristliche Differenzen hin, die sich auch auf das jeweilige Islambild ausgewirkt haben dürften. Zum Problem des Mozarabertums vgl. Matthias Maser/Klaus Herbers (Hg.), Die Mozaraber. Definitionen und Perspektiven der Forschung (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 7), Berlin 2011; Aillet/Penelas/Roisse (Hg.), ¿Existe una identidad mozárabe?; Cyrille Aillet, Les Mozarabs. Christianisme, islamisation et arabisation en péninsule ibérique (IXe–XIIe siècle) (Bibliothèque de la Casa Velázquez 45), Madrid 2010 (zum Niedergang des Christentums S. 45–93; zur Zurückdrängung des Lateinischen zugunsten des Arabischen S. 129– 241; zur Akkulturation im Norden S. 243–308). Autoren wie Samson, Eulogius und Paulus Alvarus appellierten dagegen gleichsam an eine christliche Identität. Der Vorwurf, die Christen würden das Lateinische vernachlässigen, ist allerdings auch vor einem sehr strikten Bildungsideal zu sehen; vgl. dazu Nina Pleuger, Christliche Identitätsbildung bei Samson von Córdoba, in: Michael Borgolte/Julia Dücker/ Marcel Müllerburg/Bernd Schneidmüller (Hg.), Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter (Europa im Mittelalter 18), Berlin 2011, S. 41–52. Zu den arabischen Übersetzungen christlicher Werke (wie Orosius) vgl. Ann Christys, Christians in al-Andalus (711–1000), Richmond 2002, S. 135–157. Eine christliche Theologie in arabischer Sprache entwickelte sich außerhalb Spaniens bereits im 8. und frühen 9. Jahrhundert; vgl. Griffith, Church in the Shadow S. 45–74, zu den Gattungen ebd. S. 75–105, zur christlichen Philosophie ebd. S. 106–128, zum
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Islam als Religion befassen. Dennoch läßt sich weder zwischen Mozarabern und Muslimen (wegen der außerreligiösen Akkulturationen und Identitäten) noch gar, schon wegen der vielen Auswanderungen, zwischen den Christen im islamischen Süd- und im christlichen Nordspanien eine scharfe Trennlinie ziehen, ohne daß diese Gruppen umgekehrt eine Einheit bildeten. Christliche Reaktionen auf die Ausbreitung des Islam setzten zunächst in der näheren islamischen Umgebung ein, im Nahen Osten – von großem Einfluß war vor allem Johannes von Damaskus im frühen 8. Jahrhundert – und etwas später in Spanien. Hier ist neben und nach den im Zusammenhang der sogenannten Märtyrerbewegung in Córdoba im 9. Jahrhundert stehenden Schriften (Eulogius und Paulus Alvarus) 43 im 12. Jahrhundert vor allem
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christlichen Selbstverständnis ebd. S. 129–155. Zum Begriff Mozaraber vgl. außerdem María Jesús Viguera Molins, Mozárabes y cristianos en al-Andalus (siglos VIII–XI), in: Cristianos y musulmanes S. 177–186. Zur Diskrepanz zwischen ideologischer Abgrenzung und tatsächlichem Zusammenleben am Beispiel des CovadongaBerichts: Alexander Pierre Bronisch, Ideología y realidad en la fuente principal para la historia del Reino de Asturias: El relato de Covadonga, in: ebd. S. 67–110. Zu Samson vgl. jetzt Iván Pérez Marinas, Sansón de Córdoba. Vida y pensamiento. Comentario de las obras de un intelectual cristiano-andalusí del siglo IX (Monografías del Master universitario de estudios medievales hispanicos 3), Madrid 2012. Samson übt keine Kritik am Emir Mohammed I. (ebd. S. 251). Ein weit ungünstigeres Bild zeichnet Paulus Alvarus, Vita Eulogii 12, ed. Juan Gil Fernandez, Corpus scriptorum Muzarabicarum 1, Madrid 1973, S. 337. Danach plant Mohammed die Vernichtung der Christen (und schafft Märtyrer). Christliche Priester beleidigten Mohammed, um das Martyrium zu erleiden, wurden aber von den eigenen Bischöfen zurückgedrängt, um das Verhältnis nicht zu belasten. Abd-ar-Rahma¯n II. untersagte jede Kritik an der Religion. Vgl. dazu Christys, Christians in Al-Andalus S. 52–79; Tolan, Saracens S. 87ff.; Ders., Étude comparée S. 362ff.; Wolf, Christian Views S. 95ff.; ausführlich: Igor Pochoshajew, Die Märtyrer von Cordoba. Christen im muslimischen Spanien des 9. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 2007, der auf die geringe Wirkung der Texte und den Ausnahmecharakter verweist; Ders., Zur theologischen Legitimation des freiwilligen Todes in den Texten von Albarus und Eulogius, in: Maser/Herbers (Hg.), Die Mozaraber S. 189–207; Sénac, L’Occident médiéval S. 27ff. Tolan, Étude comparée S. 365, weist darauf hin, daß es sich dabei weniger, wie meist angenommen, um eine Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam als vielmehr um innerchristliche Konflikte um ein lateinisches oder ein arabisches Christentum handelt. Die Bewegung war danach der letzte Aufschrei gegen eine Arabisierung. Zum Islambild dieses Kreises und zur großen Bandbreite der hagiographischen Islamvorstellungen vgl. Christopher Zwanzig, Der Kontakt zwischen Christen und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel im
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Petrus Alfonsi zu nennen, der wohl aus Andalusien nach Aragón kam, vom Judentum zum Christentum konvertierte und sich in seinen einflußreichen Schriften vor allem gegen das Judentum, im fünften Buch seiner „Dialogi“ aber auch gegen den Islam wandte.44 Dieses Schicksal ist nicht völlig außergewöhnlich. Im Spiegel solcher Schriften ist ein Wissen über den Islam vorhanden, wird jedoch fast ausschließlich in polemischer Absicht verwendet. Zur Deutung des Geschehens bediente man sich biblischer Prophetien und deutete die Gefahr als Sündenstrafe Gottes an den Christen.45 Abendländische Stellungnahmen erfolgten vereinzelt wenig später (bei Beda und Fredegar). In der Forschung steht vielfach ein Interesse am Verständnis (und Mißverständnis) des Islam und an der Entwicklung eines abgrenzenden Feindbildes im Vordergrund.46 Ganz anders stellt sich das Islambild dar, wenn man die „normalen“, sicherlich in der Mehrzahl eher verstreuten und beiläufigen Ansichten in den islamferneren Gebieten des christlichen Abendlandes näher betrachtet. Sie sind für das frühe Mittelalter bislang fast nur in den bereits genannten Studien Ekkehart Rotters für den Kontinent und Katherine Becketts für das angelsächsische England sowie exemplarisch an wenigen Beispielen von John Tolan aufgearbeitet. Ziel dieser Studie ist es daher gerade, das Islambild in diesem abendländischen Raum über den gesamten Zeitraum hinweg zu verfolgen, um es mit dem der Kontaktzonen vor allem im islamischen
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Spiegel hagiographischer Quellen des 8.–11. Jahrhunderts, in: Borgolte/Dücker/ Müllerburg/Schneidmüller (Hg)., Integration und Desintegration der Kulturen S. 23–41; zur christlichen Identität des Paulus Alvarus: Ulisse Cecini, Albarus’ Verteidigung der Märtyrer von Córdoba, in: ebd. S. 105–119. Zu dem konvertierten Juden Petrus Alfonsi, „dem ersten Chronisten mit relativ guter Kenntnis des Islam“, und zu seiner weiten Verbreitung vgl. Tolan, Petrus Alfonsi. Von seinen „Dialogi contra Iudaeos“ sind 63 Handschriften (und 16 weitere Redaktionen, Bearbeitungen oder Übersetzungen) bekannt, davon 21 noch aus dem 12. Jahrhundert. Vgl. ebd. Appendix 2, S. 182–204. Zum Islambild ebd. S. 27–33, mit dem Ergebnis: „This attack on Islam is nevertheless better informed and more thorough than anything previously written in Latin“ (ebd. S. 28). Vgl. Rotter, Abendland S. 257; zum Orient: Tolan, Saracens S. 41ff.; Ders., Étude comparée S. 351ff. Vgl. besonders Barkai, Cristianos y musulmanes, und Richard, L’islam et les musulmans S. 126f. Einen leider sehr essayhaften Überblick über Juden und Christen unter islamischer Herrschaft (ohne alle Belege und ohne zusammenfassende Folgerungen) bietet Jacob Lassner, Jews, Christians, and the Abode of Islam. Modern Scholarship, Medieval Realities, Chicago-London 2012, S. 125–289.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Spanien zu vergleichen. Dabei ist sowohl – horizontal – nach den Spezifika der Fern- (und der Kontakt-)Zonen als auch – vertikal – nach Entwicklungen vom 7. bis zum 12. Jahrhundert zu fragen, einschließlich der schon mehrfach berührten Frage, ob mit den Kreuzzügen ein tiefgreifender Wandel einsetzt. Gemäß dieser Zielsetzung können nicht nur solche Quellen analysiert werden, die sich unmittelbar mit dem Islam auseinandersetzen (wie etwa die Schriften des Petrus Venerabilis), vielmehr sind immer wieder gerade auch solche Werke hinzuziehen, in denen nur en passant vom Islam die Rede ist. Gewiß sind hier keine tiefen Einsichten in die Vorstellungen von der islamischen Religion zu erwarten, doch sie spiegeln nichtsdestotrotz – und letztlich weit typischer und damit signifikanter für unser Thema – die verbreiteten religiösen Wahrnehmungen ihrer Zeit wider. Neben historiographischen und hagiographischen Schriften sowie religiösen Traktaten werden daher auch exegetische Schriften, Briefe, Dichtungen und andere Quellenarten in die Analyse einbezogen. Nach bisherigem Kenntnisstand wurden die Sarazenen im Abendland als militärische Bedrohung empfunden und entsprechend eingeordnet. Ethnographische Merkmale von Land und Leuten, Lebensweise und politischer Ordnung wurden allenfalls beiläufig und um ganz anderer Zusammenhänge willen erwähnt (wie in Hugeburgs Bericht der Pilgerfahrt Willibalds von Eichstätt).47 Klare religiöse Kennzeichnungen blieben die Ausnahme. Zwar gab es ein – vor allem über die Patristik weitergeleitetes (und somit vorislamisches) – „Wissen“ über die Sarazenen nicht erst im Zeitalter der Kreuzzüge, sondern lange vorher,48 und es wurde über Hieronymus, Isidor und Beda, ohne Rücksicht auf den Glaubenswechsel, ins Mittelalter überführt.49 Die von Ismael abstammenden Sarazenen waren danach Wüstenbewohner – die Wüste erstreckt sich von Indien bis Mauretanien –, die mit ihren Kame-
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Zu ethnographischen Nachrichten des 7. und 8. Jahrhunderts vgl. Rotter, Abendland S. 231–264; in der Exegese des Hieronymus: Beckett, Anglo-Saxon Perceptions S. 75–89. Zur späteren Ethnographie im Spiegel der Alexandergeschichten vgl. Akbari, Idols S. 67–111. Das betont Beckett, Anglo-Saxon Perceptions S. 223f. Zur Wahrnehmung der vorislamischen Sarazenen vgl. Rotter, Abendland S. 130–145. Das Wissen in den exegetischen, ethnographischen und historiographischen Schriften dieser drei Autoren über die Sarazenen ist jetzt zusammengestellt und ausgewertet bei John Victor Tolan, ‚A wild man, whose hand will be against all‘: Saracens and Ishmaelites in Latin Ethnographical Traditions, from Jerome to Bede, in: Pohl/ Ganter/Payne (Hg.), Visions of Community S. 413–530.
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len und Schafen nomadisierten und in Zelten lebten, und Götzendiener, die gemäß der von Hieronymus auf diese Sarazenen bezogenen Prophezeiungen Jeremias von Babylon vernichtet werden sollten.50 Insgesamt waren, wie immer wieder betont wird, bis weit in das 11. Jahrhundert hinein jedoch eher Unkenntnis und Desinteresse vorherrschend,51 so daß Southern sein Kapitel über das frühe Mittelalter sogar als „The Age of Ignorance“ überschreibt52 und Sénac sein erstes Kapitel „Silences“ betitelt.53 Der Islam und seine Geschichte interessierten nicht um ihrer selbst willen, sondern nur 50
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Vgl. Hieronymus, Commentarii in Isaiam 5,21,13ff., S. 208f.: Liber Geneseos docet ex Ismaele Cedar et Agarenos, qui peruerso nomine Saraceni uocantur, esse genitos. hi per totam habitant solitudinem, de quibus puto et poetam dicere: lateque uagantes barcaei; et supradictum uolumen: contra faciem omnium fratrum suorum habitabit; eo quod latissima eremus ab India ad Mauritaniam usque tendatur et Atlanticum oceanum, quod puto Hieremiae titulum sonare: ‚ad Cedar et ad regna Asor, quae percussit Nabuchodonosor rex Babylonis‘; statimque sequitur: ‚haec dicit dominus, surgite et ascendite ad Cedar et uastate filios orientis; tabernacula eorum et greges eorum capient, pelles eorum et omnia uasa et camelos tollent sibi.‘ et iterum: ‚iniuit enim contra uos Nabuchodonosor rex Babylonis consilium, cogitauit aduersus uos cogitationes. surgite et ascendite ad gentem quietam et confidenter habitantem, ait dominus; non ostia, non uectes eis: soli habitant. et erunt cameli eorum in direptionem, et multitudo iumentorum in praedam. et dispergam eos in omnem uentum qui sunt attonsi in comam; et ex omni confinio eorum adducam interitum super eos, ait dominus. eritque Asor habitaculum draconum deserta in sempiternum; non manebit ibi uir nec incolet eam filius hominis‘ (Hier 49,28ff.). totum prope testimonium de Hieremia posui, ut quae sit Cedar, indubitanter intellegas. et considera quomodo Ismaelitarum, hoc est, Saracenorum proprie gentem descripserit, quia habitant in tentoriis; qui quas nox compulerit sedes tenent, quibus armenta sunt et pecora camelorumque greges; qui non habent ostia nec uectes, non enim uersantur in urbibus, sed in solitudine habitant. et hi ergo a Babyloniis deleti sunt, eo quod Asor ciuitatem, quae metropolis gentis illius in eremo fuit, usque ad solum subuerterint; et tamen cum camelorum et ouium greges capti sint pellesque eorum eat, que tentoria sorti diuisa. Zum Götzendienst vgl. Ders., Commentarii in prophetas minores. In prophetam Amos 2,5,25ff., CCL 76, S. 296: ex hoc loco discimus, omnes hostias et sacrificia quae in deserto obtulit Israel, non Deo obtulisse, sed Moloch regi suo, cuius portauerunt tabernacula, et imaginem idolorum suorum statuarumque uenerati sunt. et quae sit ipsa, imago uel idolum, sequenti sermone demonstrat: sidus Dei uestri, quod hebraice dicitur chocab, id est luciferi, quem Sarraceni hucusque uenerantur. So Rotter, Abendland S. 256. Southern, Western Views of Islam, S. 14, zur Epoche vor 1100: „They knew virtually nothing of Islam as a religion.“ Sénac, L’Occident médiéval S. 13.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
dort, wo es zu (kriegerischen oder diplomatischen) Berührungen mit dem Abendland kam – und das war, von Byzanz und der Eroberung Spaniens abgesehen,54 erst seit dem 8. Jahrhundert der Fall. Die christlichen Schriften befaßten sich daher in der Regel nicht mit dem Islam als Religion55 als vielmehr mit den Sarazenen als Angreifern. Heilsgeschichtlich war die islamische Geschichte irrelevant (was die relativ geringe Beschäftigung mit dem Islam außerhalb der engeren Kontaktzonen erklären würde). Von diesem – hier sehr grob zusammengefaßten – Stand ist zunächst einmal auszugehen. Es muß sich zeigen, wieweit dieses Bild in der abendländischen Wahrnehmung, vor dem Hintergrund bestehender Kontakte und Beziehungen, bestätigt werden kann und wo es modifiziert werden muß und ob und worin sich das Islambild der fern der Kontaktzonen schreibenden Autoren von solchen unterscheidet, die in den Grenzregionen oder gar in islamischen Gebieten gelebt haben. In diesem Sinne sollen im Folgenden, gemäß dem Frageraster, zunächst die Terminologie und die nicht-religiöse (ethnisch-politische) Wahrnehmung sowie die Wahrnehmung der auf verschiedenen Ebenen stattfindenden Kontakte betrachtet werden, bevor das Wissen über die Anfänge (Mohammed) und die Ausbreitung des Islam sowie über den Islam als Religion analysiert wird. Abschließend ist zu fragen, wie der Islam vor diesem Hintergrund religiös bewertet und eingeordnet wird.
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Hier finden sich erste Nachrichten bereits in den mozarabischen Chroniken von 741 und 754, wenngleich eher in ethnischer als in religiöser Perspektive. Vgl. dazu Tolan, Saracens, S. 41ff. und 78ff.; Wolf, Christian Views S. 87ff. Ein Desinteresse der asturischen Chroniken am Islam konstatiert Barkai, Cristianos y musulmanes S. 32. Zu einzelnen Schriften aus dem islamischen Spanien des 8. und vor allem 9. Jahrhunderts, die sich mit dem Islam auseinandersetzen und dabei trotz aller Verzerrungen eine gewisse Vertrautheit mit der Religion erkennen lassen, vgl. aber Wolf, Christian Views S. 101: „a surprising degree of familarity with Islam despite its radical distortion of traditional Islamic history“. Beda unterstellt den Muslimen hingegen einen Glauben an die Vergänglichkeit der Seele; vgl. Rotter, Abendland S. 245f. Im Adoptionismusstreit bleiben die Muslime erstaunlicherweise ganz unerwähnt; vgl. Christys, Christians in al-Andalus.
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2. Terminologie Die Begrifflichkeit selbst negiert gleichsam die Religion des Islam:56 Die gebräuchlichen Termini sind nicht religiöser, sondern zunächst ethnischer (wie Arabes)57 bzw., vor allem und damit verbunden, biblisch-genealogischer Natur und leiten sich hier sämtlich von der Familie Abrahams ab: die „Ismaeliten“ von Abrahams unehelichem Sohn Ismael, die „Agarener“ von dessen Mutter Hagar, der Magd und Nebenfrau Abrahams, und vor allem die „Sarazenen“ von seiner Frau Sara, der Mutter Isaaks.58 Dieses Wissen hat wieder Isidor von Sevilla dem Abendland überliefert: „Sie heißen Sarazenen, weil sie behaupten, von Sara abzustammen, wie die Heiden behaupten, von den Syrern abzustammen und gleichsam „Syrigenen“ zu sein. Sie bewohnen eine überaus große Wüste. Wie die Genesis lehrt, sind sie aber auch Ismaeliten, weil sie von Ismael abstammen, genauer von Ismaels Sohn Cedar. Von Hagar her heißen sie Agarener; wie schon gesagt, heißen sie mit verkehrtem Namen auch Sarazenen, weil sie sich rühmen, von Sara abzustammen.“59
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Eine Begriffsuntersuchung an spanischen Quellen bieten Dolores Oliver Pérez, Sarraceno: su etimología e historia, in: Al-Qantara 15, 1994, S. 99–130, und, darauf gestützt, allerdings mit von den unsrigen abweichendem Ergebnissen, Matthias M. Tischler, Discovering Islam as a Historical Phenomenon: The Case of the Latin Historiography of the Iberian Peninsula, 8th to 13th Century, in: Quaderns de la Mediterrània 16, 2011, S. 153–161. Vgl. Andreas Mohr, Das Wissen über die Anderen. Zur Darstellung fremder Völker in den fränkischen Quellen der Karolingerzeit (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 7), Münster-New York-München-Berlin 2005, S. 68–75; Mohr betont, daß die fränkischen Quellen eine ganze Palette von Volksbezeichnungen verwenden (neben Sarazenen und Mauren auch Perser, Lybier, Afrikaner und andere, von denen einige allerdings nur selten gebraucht werden. Vgl. Eucherius von Lyon, Instructiones ad Salonium 2: De gentibus, ed. Karl Wotke, CSEL 31,1: Opera omnia, Wien 1894, S. 150f.: Ismahelitae uocati ab Ismahelo filio Abrahae, idem et Saraceni a Sarra, idem et Agareni ab Agar. Ausführlich zu diesen Begriffen und zu ethnographischen Zuordnungen vgl. Rotter, Abendland S. 67–122. Zu Bibel und Bibelexegese vgl. Beckett, Anglo-Saxon Perceptions S. 90ff; zu Beda ebd. S. 123–139; zur Kreuzzugszeit: Loutchitskaja, L’image des musulmans S. 718ff. Isidor von Sevilla, Etymologiae 9,2,57, S. 351: Saraceni dicti, vel quia ex Sarra genitos se praedicent, vel sicut gentiles aiunt, quod ex origine Syrorum sint, quasi Syriginae. Hi peramplam habitant solitudinem. Ipsi sunt et Ismaelitae, ut liber Geneseos docet, quod sint ex Ismaele. Ipsi Cedar a filio Ismaelis. Ipsi Agareni ab Agar; qui, ut diximus, perverso nomine Saraceni vocantur, quia ex Sarra se genitos gloriantur. Kurz ebd. 9,2,6,
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Ganz ähnlich äußert sich Isidor in seiner Chronik, geht hier aber im Anschluß an Hieronymus von einer zeitlich aufeinanderfolgenden Verwendung der Begriffe aus: „Im 100. Jahr zeugte Abraham Isaak von der freien Sara. Vorher schon hatte er von der Magd Agar den Ismael gezeugt, nach dem das Volk der Ismaeliten (benannt ist), die später Agarener und schließlich Sarazenen genannt werden.“60
Solche Herleitungen werden immer wieder aufgegriffen.61 Auch wenn sie sämtlich den vorislamischen Zustand beschreiben, werden sie später völlig zwanglos auf die Muslime übertragen. Papst Johannes VIII. nennt die (ungläubigen) Sarazenen einfach die „Söhne einer Magd.“62
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S. 346: Ismael filius Abraham, a quo Ismaelitae, qui nunc corrupto nomine Saraceni, quasi a Sarra, et Agareni ab Agar. Vgl. dazu Tolan, Saracens S. 10f.; Ders., A wild man S. 534, mißversteht den Vergleich mit den heidnischen Syrern, wenn er diesen auf die Sarazenen bezieht. Isidor von Sevilla, Chronicon. Tertia aetas 13 (a. 3284), ed. Theodor Mommsen, MGH AA 11, Berlin 1894, S. 432: Abraham annorum C genuit Isaac ex Sara libera, nam primum ex ancilla Agar genuerat Ismael, a quo Ismahelitarum gens, qui postea Agarendi, ad ultimum Sarraceni sunt dicti. Danach wörtlich Ado von Vienne, Chronicon, Migne PL 123, Sp. 33 B. Diese Folge stammt ursprünglich von Hieronymus, Chronicon, ed. Rudolf Helm (Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte 47), Berlin 1956, S. 24. Etwa von Fredegar, Chronicon 2,2, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 2, Hannover 1888, S. 44; ebd. 4,66, S. 153; Beda Venerabilis, Nomina locorum ex Beati Hieronimi presbiteri et Flaui Iosephi collecta opusculis, ed. David Hurst, CCL 119, Turnhout 1962, S. 278; Hrabanus Maurus, Commentaria in libros IV regum 1,25, Migne PL 109, Sp. 64 A : Unde et Ismaelitæ, qui nunc Saraceni dicuntur; Ders., De rerum naturis 16,2 (De gentium vocabulis), Sp. 437f.: Ismael filius Abraham a quo Ismaelitæ, qui nunc corrupto nomine Sarraceni, quasi a Sarra, et Agareni ab Agar; später Frutolf von Michelsberg, Chronicon, ed. Georg Waitz, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 37: Abraham ex ancilla Agar genuit Ismahelem, a quo Ismahelitarum gens, qui postea Agareni, deinde Sarraceni dicti sunt; Adelphus, Vita Mahumeti v. 22f., ed. Bernhard Bischoff, Ein Leben Mohammeds (Adelphus?) (Zwölftes Jahrhundert), in: Ders. (Hg.), Anecdota novissima. Texte des vierten bis sechzehnten Jahrhunderts (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 7), Stuttgart 1984, S. 114: non vere dici vel esse Saracenos, Agareni enim et sunt et rite dicuntur. Papst Johannes VIII., Registrum, ep. 22, S. 20: et, quod [a] Saracenis incredulis, qui sunt filii ancille˛, forte relinquitur, ab illis, qui per fidem libere deberent existere filii, usque ad terram depascitur.
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Gelegentlich, wie vom Fortsetzer Fredegars, wird – im Anschluß an Hieronymus63 und Isidor – lediglich betont, daß Sarraceni ein „korrupter“, wenngleich gebräuchlicher Begriff sei.64 Sie selbst würden sich jetzt lieber Sarazenen statt Ismaeliten nennen, meinen Haymo von Auxerre im 9. und Peter Abaelard im 12. Jahrhundert, um sich der Abstammung von der freien Sara anstelle der unfreien Hagar rühmen zu können.65 Das nordspanische Chronicon Albeldense korrigiert und widerlegt diese Ansicht, indem der Autor eine lückenlose Genealogie von Hagar und Ismael bis zum (angeblichen) Propheten Mohammed entwickelt bzw. aufgreift und diese anschließend bis zum Emir Mohammed I. von Córdoba (852–886) fortführt!66
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Hieronymus, Commentarii in Ezechielem 8,25, ed. François Glorie, CCL 75, Turnhout 1964, S. 335: metaforikws (metaphorikôs) ergo per Madianaeos, Ismaelitas et Agarenos – qui nunc Saraceni appellantur, assumentes sibi falso nomen Sarae quo scilicet de ingenua et domina uideantur esse generati – scriptura significat; Ders., Commentarii in Isaiam 5,21,13 (oben Anm. 50): Agarenos, qui peruerso nomine Saraceni uocantur. Fredegar, Chronicon, Cont. 20, S. 177: Denuo rebellante gente valida Ismahelitarum, quos modo Sarracinos corrupto vocabulo nuncupant inrumpentesque Rodanum fluvium […]. Vgl. auch Agobard von Lyon, De Iudaicis superstitionibus et erroribus 21, ed. Lieven Van Acker, CCM 52, Turnhout 1981, S. 215f.: cum legamus etiam Agarrenos, qui nunc corrupto uocabulo Sarraceni uocantur, Amalechitas quoque, et Madianitas atque Afros ex Abraham genus ducere; Hrabanus Maurus, De rerum naturis 16,2 (oben Anm. 61). Haymo von Auxerre, Commentaria in Isaiam 2,21, Sp. 817 D: Arabes ipsi sunt Sarraceni et Ismaelitae, ex Ismaele et filio ipsius Cedar ducentes originem, quorum regio appellatur Arabia. Qui cum recte Agareni vocari debuerunt, ab Agar matre sua, mutato nomine malunt se Sarracenos vocari quam Agarenos, quasi non de ancilla Agar, sed de libera Sara exorti; Petrus Abaelardus, Commentaria in epistolam Pauli ad Romanos 1,1, S. 59: qui nunc se Saracenos magis quam Agarenos uocari uolunt, quasi a Sara libera magis quam ab Agar ancilla nuncupari se gloriantes. Vgl. auch Translatio S. Calixti Cisonium 3, ed. Oswald Holder-Egger, MGH SS 15,1, Hannover 1887, S. 419: Nam sepe adversum Ismahelitas atque Agarenos, qui se Sarracenos gloriantur, dimicans. Chronicon Albeldense 16,1–42, ed. Juan Gil Fernandez, Cronicas Asturianas, Oviedo 1985, S. 181f.: 1. Sarraceni perberse se putant esse ex Sarra; uerius Agareni ab Agar et Smaelite ab Smael filio Abraam et Agar. 2. Abraam genuit Smael ex Agar. 3. Smael gn. Kaldar. 4. Kaldar gn. Nepti. […] 29. Abdelmutalib gn. Abdella. 30. Abdella gn. Muhumat, qui putatur a suis profheta esse. 31. Abdescemiz frater de Escim gn. Humeia. 32. Humeia gn. Abilaz. 33. Abilaz gn. Accam. 34. Accam gn. Maroan. 35. Maroan g.Abdelmelik. 36. Abdelmelik. g. Iscem. 37. Iscem gn. Mauia. 38. Mauia g. Abderhaman. 39. Abderha-
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Rodulf Glaber bezeichnet aber auch die ganze, von ihnen selbst behauptete Genealogie von Ismael über Nebajoth als falsch, weil sie von der biblischen Wahrheit abweicht.67 Die spanischen Quellen (auch die christlichen) nennen die Muslime, an einen anderen biblischen Begriff anknüpfend, darüber hinaus nicht selten (und in manchen Schriften sogar überwiegend) Chaldäer,68 die in der Bibel mit den Babyloniern identifiziert werden. Hier würden sich biblische Bezüge anderer Art eröffnen, die einen Gegensatz zum Gottesvolk implizieren,69 aber erneut auch nur auf die Herkunft aus dem Osten verweisen können. Möglicherweise spiegelt sich im Bezug auf Babylon (Bagdad) aber auch eine Verbindung zum Abbasidenreich wider, das in einigen abendländischen Quellen, wie bei Notker dem Stammler, allerdings eher an die Perser angeknüpft wird.70 Alle diese Begriffe sind letztlich deckungsgleich und werden jedenfalls vollkommen synonym verwandt: Agarrini qui et Saracini, schreibt Fredegar
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man gn. Iscem. 40. Iscem gn. Haccam. 41. Haccam g. Abderhaman. 42. Abderhaman g. Mahomat. Eine genaue – letztlich zweifellos arabische – Quelle für diese Genealogie läßt sich wohl nicht ausmachen, doch kursierten im arabischen Bereich zahlreiche solcher Genealogien. Für die islamische Zeit ist die Herrscherliste weitgehend zutreffend. Rodulf Glaber, Historiae 1,9, ed. John France, Oxford 1989, S. 20/22: Sed ad errorem illorum comprobandum etiam ipsorum genealogiam penes se habent, ad similitudinem uidelicet Euangelii Mathei qui scilicet ab Abraham narrat genealogiae catalogum usque ad Ihesum per Isaac successionem descendens, in cuius uidelicet semine uniuersorum promissa atque predicta est benedictio. Illorum inquiens ‚Hismahel genuit Nabaiot‘, ac deinceps usque in erroneum illorum descendens figmentum, quod scilicet tantum est a ueritate alienum quantum a sacra et catholica auctoritate extraneum. Etwa im Chronicon Albeldense oder in beiden Versionen der Chronik Alfons’ III. Zu Chaldaei als Bezeichnung für die Sarazenen vgl. Tolan, Saracens S. 100, der den Bezug zu Babylon betont und die Sarazenen daher als Sündenstrafe Gottes deutet. Explizite Hinweise für eine solche Deutung gibt es allerdings nicht. Zur Terminologie der christlichen Chroniken Nordspaniens vgl. Claudia Valenzuela, „Ritu Mamentiano“. Auf der Suche nach den christlichen Wahrnehmungen vom Islam in der frühmittelalterlichen Historiographie Norspaniens, in: Aurast/Goetz (Hg.), Wahrnehmung anderer Religionen im früheren Mittelalter S. 121–168, hier S. 135ff.; zu Chaldaei ebd. S. 142ff. Vgl. unten S. 269f. Im Abendland wird Chaldaei insgesamt selten verwendet. Haymo von Auxerre, Commentaria in Isaiam 2,21, Sp. 817f., greift ihn bezeichnenderweise nur für die alttestamentlichen Chaldäer auf, die er aber mit den Sarazenen vergleicht.
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im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen den Sarazenen und Byzanz unter Kaiser Herakleios über „das beschnittene Volk“ (gens circumcisa), dessen Ursprung er allerdings am Kaspischen Meer vermutet und das sich von dorther ausgebreitet und schließlich das Byzantinische Reich bedroht habe;71 die sogenannte Chronica Byzantia-Arabica (oder „Chronik von 741“) berichtet zum Tod des rex Sarracenorum Mu‘a¯wija, die Provinzen der Ismaeliten seien unter seine Söhne verteilt worden.72 Vor allem die beiden Chroniken Alfons’ III. wechseln ständig völlig gleichbedeutend und oft für dieselbe Gruppe zwischen der Bezeichnung als Araber, Chaldäer, Sarazenen und Ismaeliten. Hugo von St. Viktor spricht später in aufeinanderfolgenden Sätzen sogar von den Agarenern, die auch Sarazenen, und von den Sarazenen, die auch Türken heißen.73 Zwar werden im Mittelalter alle diese Begriffe immer wieder aufgegriffen,74 doch schon bald weithin durch Sarraceni und in fränkischen Quellen
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Fredegar, Chronicon 4,66, S. 153: gens circumcisa ad latere montes Caucasi super mare Cypium terram Ercoliae coinomento iam olem consedentes, in nimia multetudine crevissent. Chronica Byzantia-Arabica 31, ed. Juan Gil Fernandez, Corpus scriptorum Muzarabicarum 1, Madrid 1973, S. 12: (Maroan) Sarracenorum rex […] uero antequam moreretur, Hismaelitarum provincias suos inter filios dispertiuit. Für einen synonymen Gebrauch spricht auch Hermann von Reichenau, Chronicon a. 982, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 5, Hannover 1844, S. 117: Greci cum magnis copiis, conductis etiam precio Sarracenis, Calabriam contra Ottonem imperatorem defendere aggressi, magnis utrimque viribus pugna conserta, primo victi et deinde nova manu succurrentibus Agarenis victores, totum pene exercitum nostrum perimunt vel capiunt. Im einzelnen ist es oft allerdings nur schwer zu entscheiden, ob ein wechselnder Gebrauch Synonymität ausdrückt oder ob der Autor hier zwei Gruppen unterscheiden will (oder eventuell sogar verwechselt). Richard von St. Viktor, Liber exceptionum 1, 9,9, ed. Jean Chatillon, Paris 1958, S. 195: Unde divino iudicio Agareni, qui et Sarraceni dicuntur, Hummaro duce imperium eius ceperunt lacerare. Hac preterea tempestate Sarraceni, qui et Turci dicuntur […]. Von Agareni sprechen beispielsweise Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum 51, ed. Georg Waitz, MGH SS rer. Lang., Hannover 1878, S. 256; ebd. 81, S. 264; Chronicon Salernitanum 134, ed. Ulla Westerbergh (Studia latina Stockholmiensia 3), Lund 1956, S. 144; Frutolf von Michelsberg, Chronicon a. 612, S. 153; Chronica monasterii Casinensis 1,52, ed. Hartmut Hoffmann, MGH SS 34, Hannover 1980, S. 133; mehrfach auch Urban II. in seinen Briefen; noch im 12. Jahrhundert, anläßlich einer Gesandtschaft an die kastilische Königin Urraca, die Historia Compostellana 2,50, ed. Emma Falque Rey, CCM 70, Turnhout 1988, S. 307: Sarra-
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dann häufig auch durch Mauri für die aus Afrika stammenden Sarazenen75 verdrängt.76 Die afrikanische Herkunft wird deutlich, wenn die Chronica Muzarabica (oder Chronik von 754) noch unter dem Eindruck der islamischen Eroberung Spaniens die Flucht der „Mauren“ mit den Worten kommentiert, die ganze Zierde Afrikas sei nahezu vernichtet worden.77 Erneut ist es oft schwer zu entscheiden, ob die häufige Wendung Sarraceni et Mauri dasselbe meint oder gerade zwei Gruppen unterscheiden will.78 Die Fränkischen Reichsannalen berichten an einer Stelle zwar von Mauren auf Kor-
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cenorum rex Ali nomine, qui et citra mare et trans mare Hyberie sceptrum habet in Agarenos, miserat Hismaelitas nuntios, uiros discretos atque illustres, ad reginam Vrracam eiusque filium legationis gratia. Ismaelitae findet sich etwa bei Hrabanus Maurus, Commentaria in libros IV regum 1,25, Sp. 64 A; Erchempert, Historia Langobardorum Beneventanorum 51, S. 256; Gerhoh von Reichersberg, Expositio in psalmos 9, Ps. 82, Sp. 509 A. Isidor von Sevilla, Etymologiae 9,2,120, S. 360, zählt die Mauri zusammen mit den Numidae zu den Völkern Afrikas. Vgl. ebd. 18,12,5, Bd. 2, S. 285: Afri et Mauri. Ihren Namen tragen sie wegen der Hautfarbe (ebd. 9,2,122, S. 360). Vgl. ebd. 19,23,7, Bd. 2, S. 330: Mauros habet tetra nox corporum. Die spanische Chronistik verwendet den Begriff nach Oliver Pérez, Sarraceno S. 117, nicht für die Siedler Spaniens. Zu den Bezeichnungen in der karolingischen Chronistik vgl. Mohr, Wissen über die Anderen S. 68–75. Für Sarazenen als arabischsprachige Fremde (so Mohr S. 70) finde ich keinen Beleg. Dem Begriff liegt nicht die Sprache als Kriterium zugrunde. Die Library of Latin Texts wirft 620 Belege für Sar(r)aceni, 132 für Agareni und 120 für (H)isma(h)elites, aber auch 614 Belege für Arabes und 592 für Chaldaei aus, die aber nicht nur die muslimische Zeit betreffen. Im Migne (ab Band 70) findet man 2.752 Belege für Sarraceni/Saraceni, 238 für Agareni, 308 für (H)Isma(h)elites sowie 2.167 Belege für Arabes und 1.816 Belege für Chaldaei. In der Abteilung „Scriptores“ der dMGH stehen 3.150 Belegen für Sar(r)aceni zwar nur 171 Belege für Mauri gegenüber, die sich aber deutlich auf die fränkische Chronistik und ihre hochmittelalterlichen Ableitungen konzentrieren. Chronica Muzarabica 28, ed. José Eduardo Lopez Pereira (Textos medievalis 58), Zaragoza 1980, S. 48: Preparata igitur certamina ilico in fugam Maurorum est acies versa et omnis decoritas Africe cum Gregorio comite usque ad internicionem deleta est. Zur Kritik der Quelle vgl. José Eduardo Lopez Pereira, Estudio critico sobre la cronica mozárabe de 754, Zaragoza 1980. Vgl. etwa Chronica Muzarabica 75, S. 90: atque acri ingenio Ispanie Saracenos et Mauros pro pacificis rebus olim ablatis exagitat atque Xpianis plura restaurat; Annales regni Francorum a. 798, S. 104: Insulae Baleares a Mauris et Sarracenis depraedatae sunt; ebd. a. 799, S. 108: Insulae Baleares, quae a Mauris et Sarracenis anno priore depraedatae sunt.
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sika und Sarazenen in Spanien,79 doch beweist das noch nicht, daß der Autor tatsächlich zwei Völker unterscheiden will, zumal dieselben Annalen an anderer Stelle gerade die Mauren in Korsika aus Spanien kommen und sie später dorthin zurückkehren lassen.80 In der Zwischenzeit aber wird das einst von den Sarazenen eingenommene Korsika wiederum von den Mauren verwüstet!81 Das spricht bereits hier für einen synonymen Gebrauch, auch wenn sich nach diesen Annalen vierzehn Jahre später beide Gruppen zu einem Überfall zusammenschließen.82 Auffällig bleibt jedoch die Doppelung Sarraceni Maurique (oder ähnlich),83 und der Astronomus faßt an einer Stelle beide als Hilfstruppen Aizos zusammen, läßt dann aber (nur) die Sarazenen abziehen.84 Es mag also sein, daß den abendländischen Autoren 79
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Ebd. a. 806, S. 122: Eodem anno in Corsicam insulam contra Mauros, qui eam vastabant, classis de Italia a Pippino missa est, cuius adventum Mauri non expectantes abscesserunt; unus tamen nostrorum, Hadumarus comes civitatis Genuae, inprudenter contra eos dimicans occisus est. In Hispania vero Navarri et Pampilonenses, qui superioribus annis ad Sarracenos defecerant, in fidem recepti sunt. Ebd. a. 809, S. 128: Mauri quoque de Hispania Corsicam ingressi. Vgl. ebd. a. 810, S. 130: Mauri de tota Hispania maxima classe conparata primo Sardiniam, deinde Corsicam appulerunt; ebd. a. 813, S. 139: Mauris de Corsica ad Hispaniam cum multa praeda redeuntibus. Ebd. a. 810, S. 133: olim a Sarracenis captum […] Corsica insula iterum a Mauris vastata est. Ebd. a. 827, S. 172: iunctique Sarracenis ac Mauris Ceritaniam et Vallensem rapinis atque incendiis cotidie infestabant. Nach den Annales Bertiniani a. 850, S. 59, verwüsten die Mauren das Arelat, ein Jahr später (ebd. a. 851, S. 64) besetzen hingegen die Sarazenen Benevent und andere Städte Italiens. Zum Sarazenenbild des Astronomus und der Annales Bertiniani vgl. Norman Bade, Vorstellungen vom Islam und den Sarazenen in der ‚Vita Hludowici imperatoris‘ und den ‚Annales Bertiniani‘. Möglichkeiten und Grenzen einer terminologischen Untersuchung, in: Aurast/ Goetz (Hg.), Wahrnehmung anderer Religionen S. 89–119. Vgl. Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 42, ed. Ernst Tremp, MGH SSrG 64, Hannover 1995, S. 446: movisse quidem Sarracenos Maurosque exercitum quammaximum. Vgl. auch Annales Bertiniani a. 846, S. 52: Saraceni Maurique Tiberi Romam adgressi; ebd. a. 847, S. 55: Mauri et Saraceni Beneuentum inuadunt; ebd. a. 849, S. 57: Mauri et Saraceni Lunam Italiae ciuitatem depraedantes. Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 41f., S. 438/440: (Aizo) adnitentibus Maurorum atque Sarracenorum auxiliis […] exercitum a Sarracenis petitum abiit praetorianum. Vgl. auch ebd. 14, S. 322f.: colle˛cta est Sarracenorum Maurorumque multitudo non minima [...] reputantes Mauri haec nostros non ob sui tantum custodiam, sed metu potius eorum facere, a tergo eos insecuntur.
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ein (ursprünglicher) Unterschied zwischen Sarazenen und Mauren noch bewußt ist, zumal sie zwischen den aus Afrika und den aus Spanien kommenden Angreifern zu unterscheiden wissen, doch sind das für die christlichen Autoren bald sämtlich Sarazenen wie auch Mauren. Somit werden auch diese für das Abendland wichtigsten Begriffe in der Regel wiederum völlig gleichbedeutend gebraucht,85 so daß Paulus Diaconus am Ende des 8. und Regino von Prüm zu Beginn des 10. Jahrhunderts bereits zwanglos von der ex Africa kommenden gens Saracenorum schreiben können.86 Die jeweilige Herkunft aber ist in einem Maße entscheidend (und sogar entscheidender als die Ethnie), daß Liutprand von Cremona, in historisierender Denkweise, dieselben (aus Afrika kommenden) Sarazenen sogar als „Punier“ bezeichnet.87 Entsprechend wußte man natürlich auch zwischen den Herrschaftsbereichen der Sarazenen in Afrika und in Persien zu unterscheiden, wenn die Reichsannalen betonen, daß Karl der Große in Pavia zwei Gesandtschaften empfing: eine HÇrn-ar-Rasch¥ds, des „Königs der Perser,“ und eine zweite des Emirs Abraham (von Fostat) aus Afrika.88 Vielleicht ist es aber auch bezeichnend, daß hier nur der Afrikaner als „Sarazene“ 85
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Saraceni vel Mauri beispielsweise Annales regni Francorum a. 798, S. 104; ebd. a. 799, S. 108; ebd. a. 827, S. 172; Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 14, S. 322; ebd. 16. S. 330; ebd. 42, S. 446; Annales Bertiniani a. 846, S. 52; ebd. a. 847, S. 55; ebd. a. 849, S. 57, zu Plünderungen in Rom und Luna; ebd. a. 853, S. 68. Anders Bade, Vorstellungen vom Islam S. 105, zum Astronomus. Vgl. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 6,11, S. 168, zu Iustinian II.: Hic Africa a Sarracenis abstulit et cum eisdem pacem terra marique fecit; ebd. 6,46, S. 180: Eo tempore gens Sarracenorum in loco qui Septem dicitur ex Africa transfretantes, universam Spaniam invaserunt; Regino von Prüm, Chronicon a. 576, S. 93; danach später Otto von Freising, Chronica 6,4, S. 265 (Sarraceni ex Africa). Vgl. auch Chronica monasterii Casinensis 3,71, S. 453: Saracenorum in Africa commorantium. Die Gleichsetzung ist auch in Spanien bezeugt: Chronicon Albeldense 15,11, S. 175f.: Super Sarracenos uictur sepius extitit (Ramirus). […] Mauri in nauibus uenientes in freto Gallicano deuicti sunt. Liutprand von Cremona, Antapodosis 2,45–54, S. 53–57. Liutprand wechselt hier zwischen „Puniern“ und „Afrikanern“. Vgl. ebd. 4,5, S. 98: (Poeni) in Africam sunt reversi. Annales regni Francorum a. 801, S. 114f.: Imperator de Spoletio Ravennam veniens aliquot dies ibi moratus Papiam perrexit. Ibi nuntiatur ei, legatos Aaron Amir al Mumminin regis Persarum portum Pisas intrasse. Quibus obviam mittens inter Vercellis et Eporeiam eos sibi fecit praesentari; unus enim ex eis erat Persa de Oriente, legatus regis Persarum – nam duo fuerant –, alter Sarracenus de Africa, legatus amirati Abraham, qui in confinio Africae in Fossato praesidebat.
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bezeichnet wird, so daß der Begriff von seiner ursprünglichen Ausgangsbedeutung ganz losgelöst würde. Für Rahewin ist es später jedoch ganz unerheblich, ob es sich bei einem Gesandten um einen spanischen oder arabischen Sarazenen handelt.89 Während des Ersten Kreuzzugs hingegen, bei der Belagerung von Jerusalem, unterscheidet Otto von Freising zwischen den (neu eingefallenen) Türken und den Sarazenen: Der „König der Babylonier“ war mit den Christen verbündet, vertrieb die „Türken“ aus Jerusalem und siedelte dort Sarazenen an.90 In den Kreuzzugschroniken finden sich, wohl um die Masse der Gegner anzuzeigen, zudem sehr häufig lange Aufzählungen der feindlichen Völker, die sämtlich „Heiden“ waren, aber doch ethnisch unterschieden wurden. So flohen nach Albert von Aachen „die Feinde des christlichen Namens, nämlich Türken, Sarazenen und Araber“.91 Die „Epistola de Frederici imperatoris expeditione sacra“ spricht durchweg von Turc(h)i, während Ordericus Vitalis aus der Ferne die Türken als ein sarazenisches Volk von vielen betrachtet.92 Guibert von Nogent nennt außer jenen Völkern, die den Geschichtschreibern geläufig waren, nämlich Türken, Sara-
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Rahewin, Gesta Frederici 4,45, ed. Franz-Josef Schmale, FSGA 17, Darmstadt 1965, S. 600. Otto von Freising, Chronica 7,4, S. 313, zum rex Babyloniorum: Turcis expulsis, Sarracenos ibi locavit. Vgl. auch Annalista Saxo a. 1097, ed. Georg Waitz, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 730: Nam, ut predictum est, Iudeam cum Hierusalem totaque Palestina iam olim Turci Sarracenis abstulerant. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 3,32, S. 190: In hac omnes hostes Christiani nominis, Turcos, Sarracenos, Arabitas, e montanis Romanie et ex omni parte a facie nostra fugientes conuenisse procul dubio agnouimus. Arabes et Turcos ac Saracenos (aliorumque paganorum) findet sich mehrfach auch in den Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum: 10,37, ed. Rosalind Hill, The Deeds of the Franks and the other Pilgrims to Jerusalem (Medieval Texts), London-Edinburgh-Paris-Melbourne-Toronto-New York 1962, S. 89; ebd. 10,33, S. 77; 10,34, S. 84f. Vgl., um nur noch einige Beispiele zu nennen, Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica 9,8, S. 58 (zum Ersten Kreuzzug): Ibi erant Turci, Sarraceni, Persæ et Agulani. Vgl. schon vorher Vita Aedwardi regis 2,18, ed. Frank Barlow (Medieval Texts), London u.a. 1962, S. 71: Agareni et Arabes et Parthi et cetere barbare˛ gentes […] in christianos insurgentes ecclesias dei destruxerunt. Zur Begrifflichkeit der Muslime in den Kreuzzugschroniken vgl. Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi S. 215ff. Zur Vielfalt der Begriffe vgl. auch Loutchitskaja, Barbarae nationes. Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica 10,24, S. 372: Turci enim et plures aliæ Sarracenorum gentes.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
zenen, Arabern und Persern, noch neue Begriffe, Publicani scilicet, Curti (Kurden?), Azimitae, et Agulani,93 und ganz ähnlich äußern sich andere Kreuzzugsberichte.94 Man unterscheidet auf den Kreuzzügen also zwischen verschiedenen muslimischen Völkern, die aber doch alle in ein und derselben Aufzählung wieder als Gegner zusammengeführt werden,95 während eine Bezeichnung nach der Religion noch in der Kreuzzugslyrik fehlt:96 Die Begrifflichkeit bleibt immer noch der geographischen und ethnischen Herkunft, nicht aber der Religion verpflichtet. Dennoch sind mit den ethnischen Begriffen vielfach die Muslime gemeint.97
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Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 5,8, ed. Robert B.C. Huygens, CCM 127A, Turnhout 1996, S. 208f.: Gentes autem illae, quas prophanus evocaverat princeps preter Turcos, Sarracenos, Arabes ac Persas, cogniti videlicet apud historiographos nominis homines, novitiis censebantur vocabulis, Publicani scilicet, Curti, Azimitae et Agulani, cum aliis innumerabilibus nequaquam gentibus, sed portentis. Vgl. schon vorher Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 9,21, S. 49: congregauit innumeras gentes paganorum, uidelicet Turcos, Arabas, Saracenos, Publicanos, Azimitas, Curtos, Persas, Agulanos et alias multas gentes innumerabiles (und öfter). Peter Tudebode, Historia de Hierosolymitano itinere (4), ed. John Hugh Hill/Laurita L. Hill, revu par Jean Richard (Documents relatifs à l’histoire des croisades 12), Paris 1977, S. 88f.: Isdem vero Curbaan congregavit ex omni parte paganorum innumeras gentes, videlicet Turcos et Arabes et Sarracenos et Publicanos et Azimitas et Curtos et Persas et Agulanos et alias multas gentes, quas nominare aut numerare nemo poterat; Balderich von Bourgueil, Historia Hierosolymitana 3,1, RHC Hist. Occ. 4, Paris 1879, S. 59: Corbarannus autem […] a Caliphas, gentis suae apostolico, accepta licentia saeviendi in Christianos, sibi gentes innumeras, Turcos videlicet, Sarracenos, Arabes, Publicanos, Azimitas, Curtos, Persas, Agulanos et alios innumeros coagulaverat et exercitum immensum conflaverat. Weitere Beispiele im Abschnitt Sarazenen als Heiden unten Anm. 538ff. zu Albert von Aachen und den Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum. Das gilt vor allem für Türken, Araber und Perser. Die anderen Begriffe sind eher verdächtig und irreführend: Publicani erinnert an die römischen und biblischen Steuerund Zolleintreiber, bezeichnet aber auch eine byzantinische Häresie; Azimiten und Agulaner sind ansonsten nur als Sekten bekannt. Das deutet entweder auf eine Verwechselung hin oder soll die Muslime bewußt mit häretischen Gruppen in Verbindung bringen. Die Begriffe würden dann zeigen, daß die Völkernamen auch religiös verstanden wurden (so Loutchitskaja, Barbarae nationes S. 106). Das betont Hartl, Feindbild der Kreuzzugslyrik, an vielen Stellen, zusammenfassend S. 198f. Insofern ist das ausschließlich an spanischen Quellen beobachtete Ergebnis von Oliver Pérez, Sarraceno, das noch von Tischler, Discovering Islam S. 155f., un-
2. Terminologie
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Für die neue Religion gibt es hingegen im Abendland zunächst keinen eigenen Begriff. Wenn vielmehr dieselben Begriffe auch auf die Religionsgemeinschaft übertragen werden, dann geraten die vorislamische und die islamische Epoche hier in eine nahtlose Kontinuität, während die Entstehung der neuen Religion begrifflich nicht wahrgenommen wird. So benutzt etwa Landulfus Sagax ohne jeden Übergang Saraceni und Arabes für die Zeit vor ebenso wie nach Mohammed. Hrabanus Maurus gibt der genealogischen Deutung immerhin eine religiöse Wendung, wenn er den Begriff „Ismaeliten“ als „sich selbst gehorchend“ definiert und folglich als Sünder deutet, die tun, was sie wollen.98 Mit dem „Islam“ hat das wiederum nichts zu tun. Im islamischen Spanien kommt allerdings bereits im frühen Mittelalter (im 9. Jahrhundert) gelegentlich der Begriff „Mohammedaner“ (Mamentiani, Mahometiani) oder Muslime (Muzlemitae), nun eindeutig als Religionsbezeichnung, auf,99 und die Chroniken Alfons III. kennen einen Muza, der zwar natione Gotus, sed ritu Mamentiano war.100 Im 11. Jahrhundert spricht Petrus Alfonsi von der Muzalematica religio, bleibt damit aber wiederum eine Ausnahme: Weshalb, so fragt der Gesprächspartner des Dialogs, der Jude Moyses, den zum Christentum konvertierten Juden Petrus, folgst du eher dem christlichen als dem „musalmitischen“ Glauben?101 Erst
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kritisch wiederholt wird, der Sarazenenbegriff habe einen grundlegenden Wandel von einer ethnischen zu einer religiösen Bezeichnung durchgemacht und erst im 12./13. Jahrhundert die Bedeutung „Muslim“ angenommen, strikt zu modifizieren. Der Begriff hat seine ethnische Komponente eben nicht verloren, während die religiöse keineswegs durchgängig betont wird, aber stets eingeschlossen sein kann, wie die in diesem Kapitel vorgeführten Belege zeigen werden. Seit der Mitte des 12. Jahrhundert werden nach Oliver Pérez, Sarraceno S. 123ff., auch die bis dahin unterschiedslos verwandten Begriffe sehr genau auseinandergehalten. Für das Abendland gilt auch das mit Sicherheit nicht. Hrabanus Maurus, De rerum naturis 16,2, Sp. 438 A: Ismaelitae, obedientes sibi interpretantur, id est peccatores, qui quod concupiscunt faciunt. Vgl. etwa Paulus Alvarus, Epistola 18,16, ed. Juan Gil Fernandez, Corpus scriptorum Muzarabicorum Bd. 1, Madrid 1973, S. 258: Mamentiani; Eulogius, Memoriale Sanctorum 2,8,7, ebd. Bd. 2, S. 411: cultus Mahometanus; Ders., Apologeticus martyrum 23, ebd. S. 489: secta Mahometiana; Samson von Córdoba, Apologeticus 2 praef. 3f., ebd. S. 550 (und öfter): Muzlemitae. Adefonsi tertii chronica. Version Rotensis 25, S. 144: ritu Mamentiano (vgl. unten Anm. 389). Vgl. dazu Valenzuela, „Ritu Mamentiano“ S. 150ff. Petrus Alfonsi, Dialogi 5, ed. Klaus-Peter Mieth, Der Dialog des Petrus Alfonsi. Seine Überlieferung im Druck und in den Handschriften. Textedition, Diss. FU Ber-
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
im späten 12. Jahrhundert spricht auch Alanus ab Insulis (von Lille) von Mahometani.102 Bis zum Ende der hier behandelten Periode bleiben solche Bezeichnungen jedoch Ausnahmen.
3. Die Wahrnehmung der Sarazenen in friedlichen und kriegerischen Kontakten a. Ethnisch-politische Wahrnehmung: Die Sarazenen als Volk Auffällig daran bleibt es, daß alle gängigen Begriffe für die Muslime, die wir als biblisch-mythisch klassifizieren würden, im mittelalterlichen Sinn als „ethnisch-genealogisch“ motiviert erscheinen. „Söhne“, so erklärt später Christian Druthmar von Corvey, werden nämlich nicht nur die Kinder des Vaters, sondern alle Nachkommen genannt, wie die Söhne Israels alle Juden und die Söhne Ismaels alle Sarazenen bezeichnen.103 Entsprechend werden die Sarazenen insgesamt, ohne innere Differenzierung und allenfalls mit Angabe der Region, durchweg als gens, als Volk, wahrgenommen,104 das von
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lin 1982, S. 64: He˛c et alia quamplurima, que˛ enumerare longum est, cum tu nichilominus a puero noveris scripta et ab omni Sarracenorum gente maxima celebratione habita, cur potius Christianam quam Muzalemiticam sectatus es religionem et presentis vite˛ melius et future˛ pariter felicitate fruiturus? Vgl. Alanus ab Insulis, De fide catholica contra haereticos sui temporis, praesertim Albigenses 4,1, Migne PL 210, Sp. 421 B; ed. Marie-Thérèse d’Alverny, Alain de Lille et l’Islam. Le „Contra Paganos“, in: Islam et chrétiens du Midi S. 331 (unter a). Zur Schrift vgl. unten S. 350f. Christian Druthmar von Corvey, Expositio in Matthaeum evangelistam 1, Migne PL 106, Sp. 1268 C: Filius autem istorum dicitur, quia, non solum dicuntur filii, qui generantur a patre, sed et hi, qui de eadem progenie sunt, sicut filii Israel dicuntur omnes Iudaei, et filii Ismael omnes Sarraceni. Vgl. etwa Annales Bertiniani a. 847, S. 54 (tam regis quam gentis Saracenorum animos concitare studuerit); Annales Fuldenses, Cont. Ratisbonensis a. 883, S.110; Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 5,13, S. 150; 6,10, S. 168; 6,46f., S. 180f. (und – danach – Regino von Prüm, Chronicon a. 576, S. 30); ebd. a. 605, S. 32; ebd. a. 655, S. 36; ebd. a. 867, S. 93. Vgl. auch das Diplom Karls des Kahlen 46: Recueil des actes de Charles II le Chauve, roi de France, ed. sous la direction de Ferdinand Lot par Georges Tessier (Chartes et diplômes relatifs à l’histoire de France). Bd. 1, Paris 1943, S. 129f.: quorum progenitores crudelissimum iugum inimicissime christiani
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einem König oder auch von mehreren Königen regiert wird.105 Man redet daher auch nicht vom „Kalifen“, sondern vom „König der Sarazenen“. In den mozarabischen Chroniken herrschen bereits die ersten Kalifen über das regnum Sarracenorum, Mu‘Çwiya wird unmittelbar als rex bezeichnet,106 und das bleibt auch in der Folgezeit so und wird auf die Emire und die umay-
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nominis gentis Sarracenorum evitantes ad eos fecere confugium; Petrus Alfonsi, Dialogi 5, S. 64. Ferner oben Anm. 60, 61, 71 und 86. Vgl. dazu auch Mohr, Wissen über die Anderen S. 68–75, 131–133. Vgl. Fredegar, Chronicon, Cont. 20, S. 178, zum Sieg Karl Martells über den rex Sarracinorum Athima (Jusuf ibn Abd-ar-Rahma¯n); daneben nennt Fredegars Fortsetzer noch einen zweiten König Amormacha (‘Umar-ibn-Khaled); ebd. 51, S. 191, zum Gesandtenaustausch Pippins mit dem Sarracinorum rex Amormuni (al-Mumenin); vielfach in den Annales regni Francorum a. 797, S. 100, zu Gesandten ‘Abdalla¯hs (Abdella), des Sohnes des rex Abd ar-Rahma¯n Ben Mu‘a¯wiya (IbinMauge) in Mauretanien, der von seinem Bruder vertrieben worden war, nach Aachen; ebd. a. 810, S. 131, zu Ha¯ru¯n-ar-Raschı¯d: Aaron rex Sarracenorum; ebd. a. 812, S. 137: Pax cum Abulaz rege Sarracenorum facta, und a. 815, S. 143, zu Auseinandersetzungen mit dem König al-Hakam Abul Abas (Abulaz) von Spanien; a. 817, S. 145: Legati Abdirahman, filii Abulaz regis Sarracenorum (Abd ar-Rahma¯n II., 822–857); ebd. a. 826, S. 170, und a. 827, S. 172: Abdiraman regem Sarracenorum; Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 13, S. 316: Bei der Belagerung Barcelonas (804) schickte man zum rex Sarracenorum nach Córdoba um Hilfe; ebd. 25, S. 360: Abulat Sarracenorum rex; ebd. 40, S. 434: misso fratre suo ad regem Sarracenorum Abdiraman nomine; Annales Bertiniani a. 847 (oben Anm. 104); ebd. a. 852, S. 65: Tod des Abdiraman rex Saracenorum in Hispania consistentium, dem sein Sohn in regnum eius nachfolgte; ebd. a. 863, S. 104, und a. 864, S. 104; Ado von Vienne, Chronicon a. 804, Sp. 133 D: Ambulaz Cordubensis Hispaniae rex, und viele weitere Belege. Vgl. etwa Liutprand von Cremona, Antapodosis 3,26, S. 80: mox se ad Cretensium Sarracenorum regem conferret; ebd. 5,2, S. 124: Abderahamen rex vester; Otto von Freising, Chronica 7,2, S. 312: Principes quoque seu reges Sarracenorum occurrentes sibi opitulante Deo oppresserunt. Den Zusammenhang von gens und rex verdeutlicht Rodulf Glaber, Historiae 2,18, S. 82: Subsequente namque tempore gens Sarracenorum cum rege suo, Almuzor nomine, egressa est ex Africanis partibus, ocupans pene uniuersam Hispanie regionem usque in australes Galliarum fines, plurimasque Christianorum dedere strages. Vgl. Chronica Byzantia-Arabica [von 741], c. 19, S. 9: Habubeccar uero prope triennio suis principatum gerens uitae terminum dedit, post cuius interitum Hamer regni Sarracenorum gubernacula suscipit annis X. Zu ‘Umars Nachfolger ‘Utma¯n (Etheman) heißt es: Sarracenorum principatum Etheman suae gentis suscepit et gubernacula praerogauit annis XII (ebd. 23, S. 10). Zu Mu‘a¯wija dann ebd. 27, S. 11: Moabia Sarracenorum rex centum milia uirorum […] direxit ad Constantinopolim.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
yadischen Kalifen in Spanien übertragen.107 Der Begriff calipha findet sich, soweit ich sehe, erstmals in den frühen Kreuzzugsberichten des frühen 12. Jahrhunderts (Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum, Peter Tudebode, Balderich von Bourgueil), die im Kalifen den „Papst“ der Sarazenen erblicken,108 und dann bei Otto von Freising für den „obersten Priester“ der Sarazenen, den Otto aber vom König abhebt: In der Schenkung Bagdads an die Kalifen sieht Otto, den Zeitunterschied negierend, mit einer Anspielung auf die Konstantinische Schenkung Roms an den Papst eine – weitere – Parallele zwischen dem Babylonischen und dem Römischen Reich.109 107
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Vgl. ebd. 36, S. 13: Sarracenorum Hulit sceptra regni, secundum quod exposuerat pater eius, succedit in regnum; ebd. 41, S. 14: Yzit Sarracenorum succedens in regno regnat annis IIII. Ebenso die Chronica Muzarabica 34, S. 52: Abdilmelic apicem regni adsumpto regnat annos XX. Vgl. auch Chronicon Albeldense 15,12, S. 176: uenit duce Almundar filio de Abderhaman rege, fratre de Mahomat Cordouense rege; ebd. 16,43, S. 182: Mahomat qui nunc rex in Cordoua exstat, sub quo Caldeorum regnum dirutum erit, si Domino placuerit; Adefonsi tertii chronica. Version Ad Sebastianum 22, S. 141: (Mahmut) fugitiuus a facie regis Cordubensis Abderrahman; ebd. 8, S. 123, zu Spaniens Loslösung von Bagdad: Arabes tamen patria simul cum regno oppresso pluribus annis per presides Babilonico regi tributa persoluerunt, quousque sibi regem elegerunt et Cordobam urbem patriciam regnum sibi firmauerunt. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 9,21, S. 49, über Kerboga: et licentiam (Christianos) occidendi accepisset a calipha illorum apostolico; danach fast wörtlich Peter Tudebode, Historia de Hierosolymitano itinere (4,1), S. 88; Robertus monachus (Robert von Saint-Remi), Historia Iherosolimitana 6,11, RHC Hist. Occ. 3, Paris 1866, S. 811, in einer Rede Corbanans: et scribe religioso papae nostro Caliphae; Balderich von Bourgueil, Historia Hierosolymitana 3,1, S. 59: a Caliphas, gentis suae apostolico, accepta licentia saeviendi in Christianos. Ebenso Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica 9,10, S. 94, und ebd. 11,26, S. 120. Sehr häufig (49mal) ist dann bei Wilhelm von Tyrus ohne nähere Erläuterung vom Kalifen die Rede, später auch bei Jakob von Vitry (15mal). Umgekehrt sehen auch islamische Autoren wie Idrı¯sı¯ oder Abu-Ha¯ mid ihrerseits im Papst, parallel zum Kalifen, einen Herrscher und obersten Richter oder gar den „Kaiser von Rom“. Vgl. dazu Hannes Möhring, Konstantinopel und Rom im mittelalterlichen Weltbild der Muslime, in: Peter Moraw (Hg.), Das geographische Weltbild um 1300. Politik im Spannungsfeld von Wissen, Mythos und Fiktion (ZHF Beiheft 6), Berlin 1989, S. 59–95, hier S. 75f. Otto von Freising, Chronica 7,3, S. 312: Ipsa autem, quae inhabitatur et Baldach vocatur, maxima est et populosa et, cum de imperio debeat esse Persarum, summo sacerdoti suo, quem ipsi Caliph dicunt, a regibus Persarum concessa, ut et in hoc quaedam habitudo, sicut sepe iam dictum est, inter Babyloniam et Romam eluceat, quia, quod hic a Christiano imperatore summo nostro pontifici in urbe Roma traditum est,
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Ein Volk aber hat (traditionell) eigene Kennzeichen, Sitten und Gebräuche. So ist es nach Albert von Aachen eine Gewohnheit der Sarazenen, die Sieger zu fürchten und ihnen zu gehorchen, während sie die Besiegten mißachten und verfolgen.110 Nach Ekkehard von St. Gallen gehört es zur Natur der Sarazenen, daß sie in den Bergen besonders viel vermögen;111 nach Alkuin bedrohen die ständig in der Wüste umherschweifenden Sarazenen ihre Nachbarn.112 Saracenice kann so sogar zum Begriff für die (arabische) Sprache werden.113
b. Friedliche Kontakte Auch wenn die Lebens- und Wirkungsbereiche von abendländischem Christentum und Islam nördlich der Pyrenäen weitgehend getrennt waren, gab es doch vielfältige Kontakte mit den Sarazenen, die keineswegs nur kriegerischer Natur waren. Vom Handel – darüber sind uns kaum direkte Zeugnisse erhalten – sowie von einem (zumeist wohl eher unbewußten) Wissens- und Kulturaustausch oder sogar Akkulturationen, und zwar längst vor der Zeit
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hoc ibi a paganis Persarum regibus, quibus ex longo tempore Babylonia subiacuit, eorum summo sacerdoti indultum est. Vgl. auch Petrus Diaconus, Liber de ortu et obitu iustorum coenobii Casinensis 62, Migne PL 173, Sp. 1114f.: exsurgensque ad domum califae, quae ecclesiae imminebat, perrexit. Schwer zeitlich einzuordnen ist das Chronicon comitum Capuae, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 3, Hannover 1839, S. 208: Hiis ad debellandum processit Landulph de Benebento, et contrivit eos cum califu eorum Alliku in Sepuntu et Canusiu. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 7,34, S. 536: Est enim mos Sarracene gentis, ut quoslibet nouos uictores timeant et obediant, uictos paruipendant et persequantur. Ekkehard IV., Casus s. Galli 126, ed. Gerold Meyer von Knonau (Mitteilungen zur vaterländischen Geschichte 15/16. St. Gallische Geschichtsquellen 3), St. Gallen 1877, S. 408: Nam Saracenos, quorum natura est in montibus multum valere […]. Alkuin, Interrogationes et responsiones in Genesin. Int. 172, Migne PL 100, Sp. 538 D: Significat autem semen eius habitaturum in eremo, id est, Sarracenos vagos, incertisque sedibus, qui universas gentes, quibus desertum ex latere iungitur, incursant et impugnant. Vgl. später etwa Arnold von Lübeck 1,9, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SSrG 14, Hannover 1868, S. 23.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
der Kreuzzüge,114 abgesehen –, fanden solche Kontakte, vereinzelt, vor allem auf Pilgerfahrten und im Zuge diplomatischer Gesandtschaften statt.115 Die Einstellung gegenüber den Muslimen ist hier durchaus unterschiedlich, aber keineswegs von vornherein negativ, wenngleich die Forschung fast einhellig die Polemik christlicher Schriften betont. Ein beredtes Beispiel dafür ist der ausführliche Bericht über die Pilgerfahrt Willibalds von Eichstätt ins Heilige Land, wie ihn Willibalds Schwester, die Nonne Hugeburg von Hohenheim, im 8. Jahrhundert in der Vita des Heiligen überliefert hat:116 Sie (bzw. die Pilger) interessierten vor allem der Weg und die heiligen Stätten, die Willibald und seine Begleiter aufsuchten. Zypern bildete die Grenze zwischen Griechen und Sarazenen; Tharrathas/Antarados war der erste sarazenische Ort, den Willibald aufsuchte. Überall wird festgehalten, welche Kirchen man vorfand und welche biblischen Bezüge es an diesen Orten gab. Die Muslime treten in dem Bericht nur dort in Erscheinung, wo es die Pilgerfahrt unmittelbar berührt: vor allem als Machthaber, von denen Willibald 114
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Vgl. Prouteau/Sénac (Hg.), Chrétiens et musulmans; Borgolte/Dücker/Müllerburg/Schneidmüller (Hg.), Integration und Desintegration der Kulturen. Zur arabisch-christlichen Akkulturation im Norden Spaniens im Spiegel der Personennamen vgl. Aillet, Les Mozarabes S. 263–279. Vgl. zum Folgenden Goetz, Sarazenen als „Fremde“. Ein Beispiel diplomatischer Kontakte bietet auch der gegen Byzanz gerichtete Briefwechsel zwischen Berta von Tuszien und dem Kalifen al-Muktafı¯ (in Übersetzung abgedruckt bei Rudolf Hiestand, Byzanz und das Regnum Italicum im 10. Jahrhundert. Ein Beitrag zur ideologischen und machtpolitischen Auseinandersetzung zwischen Osten und Westen, Zürich 1964, S. 225ff.). Zu den Kontakten im Spiegel der nordspanischen christlichen Chroniken vgl. Valenzuela. „Ritu Mamentiano“ S. 152ff. Zur komplizierten Überlieferung der nordspanischen Chroniken vgl. die Zusammenfassung ebd. S. 128ff. Hugeburg von Heidenheim, Vita Willibaldi episcopi Eichstetensis 4f., ed. HolderEgger S. 92–105; ed. Bauch, Quellen zur Geschichte der Diözese Eichstätt. Bd. 1: Biographien der Gründerzeit (Eichstätter Studien n.F. 19/1), Regensburg 21984, S. 44–74. Ausführlich zu Hugeburgs Bericht und zur Begegnung mit dem Islam: Rotter, Abendland S. 43–65, der zu Recht ältere, auf Islamfeindlichkeit abzielende Interpretationen korrigiert; Beckett, Anglo-Saxon Perceptions S. 44–54; James T. Palmer, Anglo-Saxons in a Frankish World. 690-900 (Studies in the early Middle Ages 19), Turnhout 2009, S. 249–280. Umfassend zur Reise und zur Topographie: Rodney Aist, The Christian Topography of Early Islamic Jerusalem: The Evidence of Willibald of Eichstätt (700–787 CE) (Studia traditionis theologiae 2), Turnhout 2009; das Bild der islamischen Welt wird hier allerdings nur kurz (S. 242–247) behandelt.
3. Die Wahrnehmung der Sarazenen in friedlichen und kriegerischen Kontakten
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eine Reiseerlaubnis benötigte. Man begegnete den unbekannten Fremden (adveni et ignoti homines) ebenso neugierig wie mißtrauisch, hielt sie für Spione und kerkerte sie vorsichtshalber ein, solange die Motive der Reise suspekt waren, bis ein Greis sie als harmlose Pilger erkannte, die „nur ihr Gesetz erfüllen wollten“, wie er sie früher schon gesehen hatte.117 Damit ist der religiöse Zweck der Reise erkannt und anerkannt, möglicherweise auch eine Parallele zum Hadj der Muslime nach Mekka angedeutet. Nachdem der Kontakt über einen spanischen Kaufmann hergestellt wurde, dessen Bruder ein Hofamt im Palast ausübte, stellte der „König der Sarazenen“ (der Kalif, wohl Hi‰Çm) ihnen Geleitbriefe aus und erließ ihnen sogar das übliche Wegegeld, zumal gerade Frieden mit Byzanz herrschte. Das alles wird eher „emotionslos“ geschildert,118 ändert sich aber, wenn Willibald beklagt, daß die Araber christliche Kirchen (vor allem die Verkündigungskirche) in eine Moschee umwandeln wollten und die Christen sie nur durch Tribute davon abhalten konnten.119 Erst hier wird der religiöse Gegensatz offenbar. Die Religion des Islam wird in dieser Quelle zwar nirgends näher reflektiert, doch spricht Hugeburg nicht zufällig gerade an dieser Stelle von den pagani Sarracini,120 und dieses inhärente Verständnis bestätigt sich, wenn die Muslime bereits gleich zu Beginn des Berichts als Heiden eingeführt werden.121 Nach ihrer Rückkehr fragte Papst Gregor III. gar zehn Jahre später in Rom, wie Willibald wohl „der verderbenbringenden Bosheit der Heiden“ entgangen sei.122 Die Muslime gelten demnach allseits als Heiden. (Darauf ist gleich noch näher einzugehen.) Dieser letzte Bericht verdeutlicht aber auch die Differenz zwischen den stereotypen Wahrnehmungen zu Hause (in Rom) – hier galten Heiden als boshaft und gefährlich – und den tatsächlichen, nicht ausschließlich negativen Erfahrungen in der Fremde.
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Hugeburg, Vita Willibaldi 4, S. 94: Frequenter hic venientes vidi homines de illis terre partibus istorum contribulos; non querunt mala, sed legem eorum adimplere cupiunt. Vgl. Aist, Christian Topography S. 260: „Although he had a negative impression of the ‚pagan Saracens‘, he provides evidence of the amiable relations between Christians and Muslims during the Umayyad period.“ Hugeburg, Vita Willibaldi 4, S. 95. Vgl. Aist, Christian Topography S. 44f. Hugeburg, Vita Willibaldi 4, S. 95 Z. 24 (Christen hatten die Kirche in Nazareth paganis Sarracinis verkauft, die sie zerstören wollten). Ebd. 4, S. 94 Z. 14: pagani Sarracini. Ebd. 5, S. 103 Z. 11f.: perniciosas paganorum pravitates penetrando evaseret.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Zu den Höfen der Abbasiden in Bagdad, der Machthaber in Afrika und der spanischen Emire und Kalifen in Córdoba bestanden zeitweise recht rege diplomatische Kontakte. Mehrfach wurden mit diesen Sarazenen nicht nur Gesandtschaften ausgetauscht,123 sondern die Gesandten wurden, wie die Quellen eigens hervorheben, oft „ehrwürdig empfangen“, mit reichen Geschenken wieder entlassen und „in allen Ehren“ bis an die Grenzen des Reichs geleitet,124 auch wenn ihnen eine solche Ehrerbietung, je nach der politischen Lage, keineswegs durchgängig entgegengebracht wurde.125 Darüber hinaus wurde schon in karolingischer Zeit immer wieder Frieden mit den Sarazenen als (zeitweiligen) Gegnern geschlossen,126 die somit, ungeach-
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Vgl. etwa Annales regni Francorum a. 777, S. 48, zu Gesandten der Sarazenen (Ibin al Arabi) nach Paderborn; ebd. a. 801, S. 114/116, zu zwei gleichzeitigen Gesandtschaften an Karl aus Persien und Afrika (vgl. oben Anm. 88); Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 5, S. 298/300, zu Gesandten des dux Sarracenorum Abutaurus (Abu Thawr, des Wali von Huesca) auf der Reichsversammlung in Toulouse, deren Bitte um Frieden gewährt wurde; ebd. 8, S. 306, zu Gesandten des dux Saracenorum Bahaluc (Bahlul Ibn Marzuk) an der Grenze zu Aquitanien, erneut in Toulouse, mit einer Friedensbitte; ebd. 46, S. 466, zu drei Gesandten der Sarazenen a transmarinis partibus im Jahre 831, die mit Geschenken kamen; Annales Bertiniani a. 863, S. 104; ebd. a. 864, S. 114. Zur Ottonenzeit vgl. – neben dem gleich noch zu besprechenden Gesandtschaftsbericht des Johannes von Gorze – Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,56, S. 135: Zu Otto kamen Gesandtschaften der Römer, Griechen und Sarazenen mit reichen Geschenken, darunter den Sachsen völlig unbekannten Tieren (Löwen, Kamelen, Affen und Straußen). So beispielsweise Fredegar, Chronicon, Cont. 51, S. 191, zum Gesandtenaustausch zwischen Pippin und dem Sarazenenkönig Amormuni (oben Anm. 105); Annales regni Francorum a. 797, S. 100 (Gesandte ‘Abdalla¯hs baten um Schutz und wurden bis nach Spanien zurückgeleitet; oben Anm. 105). So wurden die Gesandten Abd ar-Rahma¯ns, die über Frieden verhandeln wollten, drei Monate hingehalten und dann schnell verabschiedet (Annales regni Francorum a. 816/17, S. 144f.). Vgl. Annales regni Francorum a. 812, S. 137: Pax cum Abulaz rege Sarracenorum facta; drei Jahre später brach Ludwig allerdings diesen „unnützen“ Frieden und begann erneut einen Krieg (ebd. a. 815, S. 143). Das Gleiche wiederholte sich noch einmal 817 und 820 (ebd. S. 145 und 153; ähnlich Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 25, S. 360, und ebd. 34, S. 400: imaginaria pace, quae cum Abulat rege Sarracenorum). Vgl. auch Annales Xantenses a. 831, ed. Bernhard von Simson, MGH SSrG 12, Hannover-Leipzig 1909, S. 8: Legati Sarracenorum venerunt ad imperatorem pacem confirmandam et cum pace reversi sunt. Zu den diplomatischen Kontakten der Karolinger zu den islamischen Reichen, die unter Ludwig dem From-
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tet der religiösen Differenz, sogar zu politischen Verbündeten werden konnten.127 Daher können die Annales Bertiniani zwanglos berichten, daß Gesandte des Sarazenenkönigs Abd ar-RahmÇn aus Spanien zu Karl dem Kahlen kamen, um Frieden zu erbitten und ein Bündnis zu schließen.128 Sind gelegentlich noch gewisse Ressentiments vernehmbar, so werden die Sarazenen an anderen Stellen zu (nahezu) gleichwertigen Bündnispartnern, ja die Bündnisse mit fränkischen Großen konnten sich gelegentlich sogar gegen den (fränkischen) König richten. Das wurde von den Chronisten zwar entsprechend verurteilt, wie im Fall des treulosen Westgoten Aizo, der sich mit Abd ar-RahmÇn gegen Ludwig den Frommen verbündete und damit einen Aufruhr in der ganzen Spanischen Mark provozierte,129 doch es belegt immerhin, daß Bündnisse von Christen mit Muslimen als möglich gedacht und in der Praxis vollzogen wurden. Das offenbar gute – nicht zuletzt vom gemeinsamen Gegner Byzanz motivierte –Verhältnis Karls des Großen zum Kalifen HÇrn-ar-Rasch¥d in Bagdad ist ohnehin bekannt und klang im Abendland noch lange nach. Einhard spricht geradezu von einer Freundschaft zwischen beiden Herrschern.130 Einer Anekdote Notkers von St. Gallen zufolge empfing Karl der Große eine Gesandtschaft der Perser ehrenvoll, und er bestrafte die fränkischen Bischöfe, Äbte und Grafen Italiens, welche die nötige Gastfreundschaft hatten vermissen lassen.131 Notker stellt den Kalifen sogar in die Tradition und
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men aber 831 abbrachen bzw. sich vom Abbasidenreich nach Afrika umorientierten, vgl. Philippe Sénac, Le monde carolingien et l’Islam. Contribution à l’étude des relations diplomatiques pendant le haut Moyen Âge (VIIIe–Xe siècles) (Histoire et Perspectives Méditerranéennes), Paris u.a. 2006; Ders., Les Carolingiens et le califat abasside (VIIIe–IXe siècles), in: Prouteau/Senac, Chrétiens et musulmans S. 3–19; Mohr, Wissen über die Anderen S. 251–260. Den Annales Mettenses priores a. 732, S. 27, zufolge rief Eudo von Aquitanien gentem perfidam Sarracenorum mit ihrem König Abdirama (Abd ar-Rahma¯n) gegen Karl Martell zu Hilfe. Vgl. unten Anm. 144. Annales Bertiniani a. 847, S. 53: Legati Abdirhaman regis Saracenorum a Corduba Hispaniae ad Karolum pacis petendae foederisque firmandi gratia ueniunt. Die Gesandten Mohomeths wurden satis honorifice zu ihrem König zurückgeleitet (ebd. a. 864, S. 114). Vgl. Annales regni Francorum a. 826, S. 170; ebd. a. 827, S. 172. 883 floh der angeklagte Graf Wido von Tuszien zu den Mauren und schloß mit ihnen ein Bündnis (Annales Fuldenses, Cont. Ratisb. a. 883, S. 110). Vgl. Einhard, Vita Karoli Magni 16, S. 19. Notker Balbulus, Gesta Karoli Magni imperatoris 2,8, München 21980, S. 62.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Nachfolge des einstigen Weltreichs der Perser, das er zwar als eine vergangene (jetzt auf die Franken übergegangene) Größe, doch immer noch als respektabel ansieht132 (und die mangelnde Historizität der Anekdoten Notkers ist um so bezeichnender für die darin transportierten Vorstellungen, hier also für Notkers Perserbild): In Notkers Vorstellung gliedern sich die Perser in die historische, in der vierteiligen Statue im Traum Nebukadnezars im Buch Daniel symbolisierte Weltreichsfolge und die Beziehungen zum Frankenreich Karls ein. Karls weltweite Gesandtschaftsbeziehungen (mit kostbaren, exotischen Geschenken) dokumentieren gleichsam seine Weltherrschaft: Alle Orientalen, so verkünden die persischen Gesandten, fürchteten Karl angeblich mehr als ihren eigenen Herrscher HÇrn-ar-Rasch¥d. Hingegen erwähnt Notker den Religionsgegensatz mit keinem Wort, so daß es den (sicher falschen) Anschein hat, er nehme ihn gar nicht wahr. Wenn sich nach dem Bericht des Astronomus hingegen unter den drei Gesandten, welche die Sarazenen 831 a transmarinis partibus zu Ludwig dem Frommen schickten, sogar ein Christ befand,133 dann ist das nicht nur ein Beleg für die Glaubenstoleranz der Muslime (und wohl auch für ihr Bemühen, mittels des christlichen Unterhändlers zu einem guten Verhältnis mit dem Kaiser zu gelangen), sondern auch für die – freilich völlig beiläufig bemerkte – christliche Wahrnehmung eines Nebeneinanders der Religionen, die gleichwohl in guten diplomatischen Kontakten stehen können, ohne daß weitergehende Abgrenzungen vorgenommen werden.134 In den inneren Streitigkeiten in Benevent wurden Sarazenen aus Afrika zunächst regelrecht als Helfer herbeigerufen, bevor sie dann ihrerseits zu Verfolgern wurden und sich gewaltsam vieler Städte bemächtigten.135 Ähnliches berichtet im Rückblick Liutprand von Cremona von der Sarazenenherrschaft in der Provence, wo die Sarazenen über einen langen Zeitraum
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Ebd. S. 59f. Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 46, S. 466. Solche Abgrenzungen schimmern lediglich in dem Gesandtschaftsbericht des Johannes von Gorze durch: Vita Iohannis Gorziensis 119f., ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 4, Hannover 1841, S. 371; ed. (mit franz. Übersetzung) Michel Parisse, La Vie de Jean, Abbé de Gorze, Paris 1999, S. 144/146. Vgl. dazu unten S. 347ff. So Annales Bertiniani a. 842, S. 43: Interea, Beneuentanis inter se dissidentibus, Saraceni ab Africa ab eis inuitati, primo quidem auxiliatores, postmodum uero uiolenti insecutores, plurimas ciuitatum ui obtinent.
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hinweg (ca. 890–972)136 einen Stützpunkt in Fraxinetum (wohl La GardeFreinet bei Toulon) halten konnten.137 Zuerst sollen, wie es heißt, lediglich 20 Sarazenen aus Afrika dorthin verschlagen worden sein; sie ermordeten die Christen, verschanzten sich auf einem Berg (der dann kaum zufällig mons Maurus genannt wurde) und holten weitere 100 Sarazenen nach. Die unter sich uneinigen Provençalen aber riefen die „verschlagenen und treulosen“ (bzw. ungläubigen: perfidi) Sarazenen zu Hilfe, denen erst diese Uneinigkeit neuen Lebensraum bot, indem sie immer mehr Nachschub aus Spanien erhielten: „Diejenigen, die zunächst zu verteidigen schienen, wurden so auf jede Weise zu Verfolgern.“138 Später schloß König Hugo mit ihnen einen Vertrag gegen Berengar: Sie sollten in den Bergen zwischen Schwaben und Italien verhindern, daß Berengars Heer das Gebirge überquerte. „Wie vieler Christen Blut sie aber in dieser Stellung vergossen haben,“ klagt Liutprand, „(das Blut) frommer Pilger, die zu den Gräbern der heiligen Apostel Petrus und Paulus wallfahrteten, das ist nur dem bekannt, der ihre Namen in dem Buch des Lebens aufbewahrt.“139 Indem Liutprand auf das Märtyrertum der getöteten Christen anspielt, macht er die Auseinandersetzung indirekt doch zu einem Glaubenskrieg, zumal er Hugo im Anschluß strikt für dieses Bündnis tadelt. Nach der Kaiserkrö-
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Bereits dieser lange Zeitraum zeigt an, daß die Siedlung nur mit Duldung und Unterstützung möglich war. Vgl. Liutprand von Cremona, Antapodosis 1,1–4, S. 6f.; ebd. 2,43, S. 53; ebd. 4,4, S. 97f.; ebd. 5,9, S. 128; ebd. 5,16f., S. 132; Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,70, S. 147; Flodoard, Annales a. 921, S. 5; ebd. a. 923, S. 19; ebd. a. 951, S. 132 (danach erhoben die Sarazenen Tribute und Lösegelder von gefangenen Rompilgern). Vgl. dazu Bruce, An abbot between two cultures, der sich besonders dem in seiner Vita überlieferten Brief des Maiolus aus seiner Gefangenschaft mit der Bitte um Lösegeld befaßt. Zur Bewertung der Sarazenen in den Berichten über die Gefangennahme des Maiolus und die Wolfsmetapher vgl. Michael Meckler, Wolves and Saracens in Odilo’s Life of Mayeul, in: Michael W. Herren/C. J. McDonough/Ross G. Arthur (Hg.), Latin Culture in the Eleventh Century. Proceedings of the Third International Conference on Medieval Latin Studies, Cambridge, September 9.12.1998. Bd. 2 (Publications of the Journal of Medieval Latin 5), Turnhout 2002, S. 116–128. So Liutprand von Cremona, Antapodosis 1,3f., S. 6f.: quos primo defendere videbantur, modis omnibus insecuntur. Ebd. 5,16f., S. 132: Eo vero constituti quam multorum Christianorum ad beatorum apostolorum Petri et Pauli limina transeuntium sanguinem fuderint, ille solus scit numerum, qui eorum nomina scripta tenet in libro viventium.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
nung Ottos I. im Jahre 962 floh Adalbert, der Sohn des italienischen Königs Berengar II., nach Freinet seque Sarracenorum fidem commendaret:140 Der Christ vertraute sich (mit einem mehrdeutigen Wort) der fides der Muslime an; erneut verhinderte der unterschiedliche „Glaube“ hier keineswegs ein gegenseitiges „Vertrauen“, das von Liutprand gleichwohl gerügt wird. Interessant ist auch ein Vorfall aus dem Jahre 853: Die mit der Herrschaft Karls des Kahlen unzufriedenen Aquitanier wandten sich an Ludwig den Deutschen und baten ihn um Schutz; lehne er ihre Bitte ab, so sähen sie sich gezwungen, unter Gefahr für den Glauben bei den Glaubensfeinden (den Sarazenen) jene Hilfe zu suchen, die ihnen die rechtgläubigen und rechtmäßigen Herrscher versagten, da Karl der Kahle in seiner Tyrannei im Innern zugrunde richte, was die Heiden – und damit sind gleichermaßen Sarazenen und Normannen gemeint – von außen übrig gelassen hätten.141 Der Autor hält hier zwar klar rechten (Christentum) und unrechten Glauben auseinander, und er zeigt in solcher Formulierung, daß Heiden eigentlich außerhalb des Reichs weilen sollten (und folglich aus dem Reich zu vertreiben sind). Bei aller Abgrenzung der Sarazenen a) von den Christen und b) den rechtmäßigen Herrschern – und der „Antrag“ war ja durchaus als Warnung an die letzteren gemeint – hielt man eine Unterwerfung unter eine Fremdherrschaft doch immerhin für denkbar und zog sie gegebenenfalls einer christlichen Tyrannei (wie der Karls des Kahlen) vor. Der Glaubensunterschied verhinderte also weder ein Zusammengehen noch ein Zusammenleben (wie es im übrigen im islamischen Spanien längst praktiziert wurde). Ähnliches begegnet auch später wieder: Die Kaiserin Konstanze konnte sich in ihren Urkunden für das von Christen und (noch) Muslimen
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Liutprand, De Ottone rege 4, ed. Paolo Chiesa, CCM 176, Turnhout 1998, S. 170. Vgl. Annales Fuldenses a. 853, S. 43f.: Aquitanorum legati Hludowicum regem crebris supplicationibus sollicitant, ut aut ipse super eos regnum susciperet aut filium suum mitteret, qui eos a Karli regis tyrannide liberaret, ne forte ab extraneis et inimicis fidei cum periculo christianitatis quaerere cogerentur auxilia, quae ab orthodoxis et legitimis dominis invenire nequirent. Ebd. a. 858, S. 49f.: quod nisi celeriter fieret et ex parte eius spe liberationis privarentur, a paganis cum periculo christianitatis quaerere deberent defensionem, quam a legitimis et orthodoxis dominis invenire non possent. Tyrannidem enim Karli se diutius ferre non posse testati sunt, quia, quod ex eis pagani extrinsecus nemine resistente aut scutum opponente praedando, captivando, occidendo atque vendendo reliquissent, ille intrinsecus subdole saeviendo disperderet.
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besiedelte Sizilien sogar an „unsere christlichen ebenso wie muslimischen Getreuen“ wenden.142 Solche engen Kontakte dürfen keinesfalls vernachlässigt werden, wenn man einen vollständigen Eindruck vom abendländischen Sarazenenbild gewinnen will, das nämlich beide Aspekte, Auseinandersetzung und politische Einigung, einschließt. So vermerken die Fränkischen Reichsannalen zum Jahre 812 in einem bezeichnenden Eintrag zwei gleichzeitige, aber gegensätzliche Vorgänge: den Einfall einer afrikanischen Flotte in Sardinien und den Friedensschluß mit dem „Sarazenenkönig“ Abd ar-RahmÇn II. (Abulaz) in Spanien.143 Das Verhältnis zu (verschiedenen) Sarazenengruppen konnte sich zeitgleich also recht unterschiedlich gestalten. Ein Zusammenhalt der Christen galt jedoch immerhin als so wahrscheinlich, daß Paulus Diaconus und (danach) Regino von Prüm im Rückblick die beiden Gegner Eudo von Aquitanien und Karl Martell trotz ihrer Zwietracht gemeinsam gegen die sarazenischen Angreifer kämpfen lassen.144 142
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MGH DD XI,3: Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, ed. Theo Kölzer, Hannover 1990, D 66, S. 207: tam Christiani quam Saraceni, fideles nostri. In den kürzlich edierten Urkunden des Königreichs Jerusalem (Die Urkunden des lateinischen Königreichs Jerusalem, ed. Hans Eberhard Mayer, 4 Bde., Hannover 2010) fehlen solche Formeln hingegen völlig. Hier verweisen nur arabische Namen in Schenkungen auf die Herrschaft über Muslime; vgl. etwa D 184 (Melisendis) von 1152, Bd. 1, S. 366ff., zu namentlich aufgezählten Dorfbewohnern; D 401 (Balduin IV.) von 1178, ebd. Bd. 2, S. 684, zur Sprache; D 405 (Balduin IV.) von 1178, ebd. S. 688f., über 103 Zelte namentlich genannter Beduinen, wo zwischen dem Land der Franken und der Sarazenen unterschieden wird (de terra Sarracenorum ad terram Francorum aliquo tempore venerint). Annales regni Francorum a. 812, S. 137. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 6,46, S. 180; danach Regino von Prüm, Chronicon a. 655, S. 36: Carolus quidem, ut dictum est, cum Eudone Aquitaniae principe tunc discordiam habebat; qui tamen in unum se coniungentes contra eosdem Sarracenos pari consilio dimicarunt. Der Fortsetzer Fredegars (Fredegar, Chronicon, Cont. 13, S. 175) hatte Eudo hingegen zum Verräter gestempelt, der mit den Sarazenen paktierte: Die gens perfida Saracinorum wurde von Eudo (dem dux der Aquitanier) gegen Karl Martell aufgestachelt. Vgl. oben Anm. 127 zu den Annales Mettenses priores. Zur Verzerrung der Nachrichten über Eudo vgl. Roger Collins, Deception and Misrepresentation in Early Eighth Century Frankish Historiography: Two Case Studies, in: Jörg Jarnut/Ulrich Nonn/Michael Richter (Hg.), unter Mitarbeit von Matthias Becher und Waltraud Reinsch, Karl Martell in seiner Zeit (Beihefte der Francia 37), Sigmaringen 1994, S. 227–247 – An anderer Stelle nahm Karl Martell nach Paulus Diaconus (6,54, S. 183) und Regino von Prüm
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
c. Kriegerische Auseinandersetzungen Scheint es mit den Sarazenen in ihren Heimatländern demnach kaum Probleme gegeben zu haben und nutzte man sie in der eigenen Heimat zumindest gelegentlich als Verbündete, so waren die Sarazenen im Abendland jedoch alles andere als willkommen. Dafür mag eine anekdotische Erzählung Ekkehards in seinen „Casus s. Galli“ über die Sarazenen im provençalischen bzw. (bei Ekkehard) burgundischen La Garde-Freinet kennzeichnend sein, die dort eine neue Heimat fanden, siedelten, Frieden schlossen und sogar einheimische Frauen heirateten (tatsächlich auch ein Indiz ihrer Akkulturation). König Konrad von Burgund aber spielte Sarazenen und Ungarn gegeneinander aus, indem er beide jeweils zum Kampf gegen die anderen anstachelte, seine eigenen Truppen aber abwarten ließ, welche der beiden „Dämonenparteien“, der „ausgewähltesten Krieger und Söhne Satans“ (electissimi satane˛ filii), siegen würde, um dann – im Schutz des heiligen Mauritius – unterschiedslos Sarazenen und Ungarn hinzuschlachten.145 So stellte man sich offensichtlich königliches Idealverhalten vor. Den fränkischen Geschichtsschreibern ging es im wesentlichen um die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Sarazenen, die zunächst im Zusammenhang mit der Ausbreitung über Spanien und den Übergriffen auf Gallien (Fredegar und Fortsetzungen) in den Blick gerieten. Wie Stefan Esders betont, lagen die Sarazenen Fredegar ferner als Byzanz. „Weder verkörperten sie für ihn eine stabile politische Einheit noch erschien ihm der religiöse Hintergrund ihrer Erfolge erwähnenswert – wenn er diesen überhaupt wahrnahm.“ Er nutzte die Erfolge vielmehr zur Herrscherkritik.146
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(a. 655, im 24. Jahr Karl Martells, S. 37) die bereitwillige Hilfe der Langobarden gegen die Sarazenen in Anspruch (das Folgende nach Regino): Tunc Carolus ad Liutbrandum regem mittens auxilium contra Sarracenos exposcit; qui nihil moratus cum omni Langobardorum exercitu in eius adiutorium properavit. Ausführlicher zu Reginos Interpretation: Norman Bade, Muslims in the Christian World Order. Comprehension and Knowledge of the Saracens in two Universal Histories of the Carolingian Empire, in: Millennium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends nach Chr. 10, 2013, S. 293–310, Ekkehard IV., Casus s. Galli 65, S. 233ff. So Stefan Esders, Herakleios, Dagobert und die „beschnittenen Völker“. Die Umwälzungen des Mittelmeerraums im 7. Jahrhundert in der Chronik des sog. Fredegar, in: Andreas Goltz/Hartmut Leppin/Heinrich Schlange-Schöningen (Hg.), Jenseits der Grenzen. Beiträge zur spätantiken und frühmittelalterlichen Geschichts-
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Die ost- und westfränkischen Annalen des 9. Jahrhunderts berichten von den Einfällen der Mauren eher kommentarlos, lassen eine Wertung aber – parallel zu den heidnischen Normannen147 – in der Kennzeichnung als beutegierige Piraten148 erkennen. Anders verhielt es sich dort, wo es zur direkten Konfrontation kam, die Sarazenen des frühen Mittelalters also zu Angreifern und Feinden wurden: Für den Fortsetzer Fredegars waren die Sarazenen in Spanien erneut ein politisch unter einem König stehendes Volk wie andere auch, aber besonders kriegerisch. Um so mehr wog der Sieg Karl Martells bei Poitiers, dessen Leistung die karolingernahe Chronik herausstreicht. Der Chronist spricht weder von Heiden, noch wird überhaupt unmittelbar auf die Religion der Sarazenen angespielt. Wenn er den Sieg Karl Martells jedoch aus Christo in omnibus praesule et caput salutis victorie 149 resultieren läßt, dann ist ihm der Glaubensgegensatz sehr wohl bewußt. Auch die Vita des Abtes Pardulf von Guéret (Waractensis) im Poitou lobt ausdrücklich den precelsus maior domus Carolus (Karl Martell), weil er die angreifende Ismahelitarum gens, eine gens nefandissima, bei Poitiers zurückschlug – die Identifizierung einer angreifenden Gruppe mit dem ganzen Volk ist dabei sicherlich nicht minder bezeichnend –, während Pardulf seinen Mönchen befahl, auch den „kriegerischen Heiden“ (paganis bellatoribus) gegenüber Gastfreundschaft zu wahren. Die Mönche aber flohen. So trat Pardulf den Feinden allein im Gebet entgegen und flößte ihnen damit solchen Schrecken ein (oder übte auch solchen Eindruck auf sie aus), daß sie schnurstracks umkehrten und das Kloster verschonten (und nur wegen dieses Wunders und der
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schreibung (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. 25), Berlin-New York 2009, S. 239–311, hier S. 311. Fredegar „stellte Herakleios’ Sarazenenkampf als Auseinandersetzung mit einer gens dar, deren Rückführung auf Abraham ihm bekannt war“ (so ebd. S. 283). Dabei kam es ihm auf die Parallelen zu dem Frankenkönig Dagobert an: Beide scheiterten als Strafe Gottes durch militärische Niederlagen (ebd. S. 309). Vgl. Kapitel 2, oben S. 131. Vgl. Annales Bertiniani a. 842, S. 42: Maurorum etiam pyrate per Rhodanum prope Arelatum delati, cuncta passim depraedati, inpune oneratis nauibus regressi sunt; ebd. a. 838, S. 24 (Saracenorum pyraticae classes); ebenso Einhard, Vita Karoli 17, S. 21; später noch Liutprand von Cremona, Antapodosis 1,3, S. 6. Fredegar, Chronicon, Cont. 20, S. 178. Zu den Nachrichten der Kämpfe Karl Martells gegen die Sarazenen vgl. Rotter, Abendland S. 217–230.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Autorität seines Heiligen berichtet der Hagiograph überhaupt von dieser Episode).150 Zu Auseinandersetzungen kam es nach diesen sarazenischen Angriffen auf Südfrankreich unter Karl Martell dann – in umgekehrter Expansionsrichtung – bei der Eroberung der Spanischen Mark durch Karl den Großen und den unter den Nachfolgern anhaltenden Grenzkämpfen,151 im 9. Jahrhundert bei den sarazenischen Plünderungszügen auf den Balearen, auf Sardinien und Korsika,152 schließlich auch in Südfrankreich153 und auf dem
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Vita Pardulfi 15, ed. Wilhelm Levison, MGH SSrM 7, Hannover-Leipzig 1920, S. 33f. Vgl. Annales regni Francorum a. 778, S. 50 (Pamplona); ebd. a. 801, S. 116 (Belagerung Barcelonas); ebd. 806, S. 122; ebd. 826/27, S. 169/173 (Ludwigs Sohn Pippin verhandelte mit den Grenzwächtern über den Schutz gegen die Sarazenen; Abumarvan verwüstete die Gegend um Barcelona); Thegan, Gesta Hludowici imperatoris 34, S. 220; Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 14, ebd. S. 320–324 (das fränkische Heer stellte sich der multitudo Sarracenorum Maurorumque entgegen); ebd. 40ff., S. 432–446 (zur Rebellion Aizos); erneut Annales Bertiniani a. 844, S. 49; ebd. a. 852, S. 64 (Einnahme Barcelonas durch die Mauren); zu Aizo auch Annales regni Francorum a. 827, S. 172. Viele Nachrichten über die Kämpfe der Karolinger mit den Sarazenen finden sich auch in der Chronik von Moissac; vgl. Chronicon Moissiacense a. 734, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 1, Hannover 1826, S. 292, zu Karlmanns und Pippins Kämpfen gegen Ocupa rex Sarracenorum in Spanien; ebd. a. 778, S. 296, zum Einfall Karls des Großen in Spanien; ebd. a. 793, S. 300: Während Karl mit den Awarenkriegen beschäftigt war, ließ der Sarazenenherrscher Hisˇ a¯m (Exam) Narbonne verwüsten. Der Autor beschränkt sich wieder ganz auf eine Darstellung der Kämpfe ohne jede Wertung oder religiöse Kennzeichnung, weiß aber über die islamische Königsherrschaft und Thronfolgestreitigkeiten zu berichten. Vgl. unten Anm. 391/392. Vgl. Annales regni Francorum a. 798, S. 104; ebd. a. 799, S. 108 (Balearen); ebd. a. 806, S. 122, und a. 807, S. 124 (Korsika, Sardinien); ebd. a. 809, S. 128 (spanische Mauren plünderten am heiligen Ostersamstag eine Stadt auf Korsika); ebd. a. 810, S. 130 (Eroberung von Korsika und Sardinien); ebd. a. 812, S. 137; ebd. a. 813, S. 139 (Rachezug wegen der Zerstörung maurischer Schiffe auf Mallorca); ebd. a. 828, S. 176 (Bonifatius fiel seinerseits siegreich in Afrika ein; vgl. dazu auch Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 42, S. 448/450). Vgl. Annales Bertiniani a. 838, S. 24 (Marseille); ebd. a. 842, S. 42; ebd. a. 850, S. 59 (Arles).
3. Die Wahrnehmung der Sarazenen in friedlichen und kriegerischen Kontakten
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italienischen Festland, vor allem in Benevent.154 Bald gingen diese Plünderungszüge sogar in eine Eroberung und Besiedlung ganzer Landstriche über,155 die in der Folgezeit besetzt gehalten und verteidigt werden konnten.156 Im 10. und noch im frühen 11. Jahrhundert setzten sich diese Bedro-
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Vgl. schon Bonifatius, ep. 27 (an Bugga), S. 48: minae Sarracenorum, quae apud Romanos nuper emerserunt; Annales Bertiniani a. 842, S. 42 (Sarazeneneinfall über die Rhone bis nach Arles); ebd. a. 845, S. 50 (Streitigkeiten in Benevent); ebd. a. 846, S. 52f. (Angriff auf Rom; Sieg über Ludwig II.); ebd. a. 847, S. 55 (Einfall über den Tiber nach Rom); ebd. 848, S. 56 (erneuter Einfall in Benevent); ebd. a. 849, S. 57 (Plünderung Lunas); ebd. a. 851, S. 64 (Papst Leo IV., Saracenorum inruptiones metuens, ließ den Petersdom bis zur Stadtmauer hin ummauern); ebd. a. 853, S. 68 (Einfälle der Sarazenen und Mauren); ebd. a. 856, S. 73 (Zerstörung Neapels); ebd. a. 866, S. 126 (Gegenwehr Kaiser Ludwigs); ebenso a. 869, S. 165f. (Einfall in Arles); Annales Xantenses a. 846, S. 15f. (Plünderung Roms); ebd. a. 850, S. 17 (Verwüstung der italienischen Küstenstädte); Regino von Prüm, Chronicon a. 867, S. 93 (Einfall in Benevent); Andreas von Bergamo, Historia 14ff., ed. Georg Waitz, MGH SS rer. Lang., Hannover 1878, S. 227ff. (sarazenische Angriffe auf Kalabrien und Benevent zur Zeit Kaiser Ludwigs II.); Erchempert, Historia Langobardorum 35, S. 247f. (Belagerung von Salerno und Plünderung Neapels und weiterer Städte in Benevent und Capua 871/73); ebd. 44, S. 251–254 (Bündnis Neapels mit den Sarazenen); ebd. 47, S. 254f. (Einfall in Bari und Benevent); ebd. 73, S. 262 (vereinte Heere der Sarazenen, Griechen und Neapolitaner); Chronica s. Benedicti Casinensis 4ff., ebd. S. 471f. (Sarazenen in Süditalien, von den Anfängen bis zum Sieg Ludwigs II.); ebd. 16, S. 476f. (weitere Auseinandersetzungen). Von dieser Bedrohung zeugen nicht nur die hier zitierten chronikalischen Berichte, sondern nicht zuletzt auch viele Papstbriefe des 9. Jahrhunderts. Zum Sarazenenbild süditalienischer Chroniken (die Sarazenen als furchtbare Feinde und Sündenstrafe) vgl. Luigi Andrea Berto, I musulmani nelle cronache altomedievali dell’Italia meridionale (secoli IX–X), in: Marco Meschini (Hg.), Mediterraneo medievale. Cristiani, musulmani ed eretici tra Europa e Oltremare (secoli IX–XIII), Mailand 2001, S. 3–27. Schon die Sarazenen in Aquitanien, die von Karl Martell zurückgeschlagen wurden, hatten nach Paulus Diaconus (Historia Langobardorum 6,46, S. 180: Aquitaniam Galliae provinciam quasi habitaturi ingressi sunt) und Regino von Prüm (Chronicon a. 655, S. 36: venientes Aquitaniam Galliae provinciam quasi in ea habitaturi intrant) Siedelland gesucht. Vgl. Annales Fuldenses a. 843, S. 34; Annales Bertiniani a. 851, S. 64 (die Saraceni besaßen quieta stacione Benevent und andere Städte); ebd. a. 852, S. 65 (vergebliche Belagerung Benevents durch Kaiser Ludwig II.); ebd. a. 869, S. 164f. (vernichtende Niederlage Ludwigs II. vor Bari trotz griechischer Hilfe und großem Heer); Annales Xantenses a. 871, S. 30 (jahrelange Besiedlung Benevents).
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hungen vor allem in Italien,157 gelegentlich aber auch in Südfrankreich fort.158 Es ist nur folgerichtig, wenn die Sarazenen in solchen Zusammenhängen nicht nur als kriegerisch,159 sondern geradezu als Feinde (hostes) klassifiziert werden,160 doch nur an wenigen Stellen geht eine solche Charakterisierung über eine (bloße) Gegnerschaft hinaus: Man führte gegen die – durchweg als Heiden wahrgenommenen – Sarazenen Krieg wie gegen andere Völker und erwehrte sich ihrer Angriffe, doch wird das nur gelegentlich als Glaubens-
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Vgl. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,75, S. 152 (Otto I. überwand die Griechen und besiegte die Sarazenen); Liutprand von Cremona, Antapodosis 2,44– 46, 2,50–54, S. 53f. und 56f. (zu neuen Sarazenenscharen aus Afrika in Kalabrien, Apulien und Benevent, die das Land beherrschten, so daß niemand mehr nach Rom pilgern konnte, ohne gefangengenommen oder getötet zu werden, und die schließlich jedoch bis auf den letzten Mann vernichtet wurden). Italien, so argumentiert Liutprand, Relatio de legatione Constantinopolitana 7, ed. Paolo Chiesa, CCM 176, Turnhout 1998, S. 190, gegenüber dem Basileus, gehöre nicht ihm, sondern Otto I. wegen seines Sieges über die Sarazenen. Zu den Kämpfen Ottos II. in Kalabrien vgl. Thietmar von Merseburg, Chronicon 3 prol., S. 96; ebd. 3,20, S. 122, 124 (Siege Ottos II. in Kalabrien); ebd. 7,45, S. 452 (die Sarazenen eroberten die lombardische Stadt Luna und besetzten und bewohnten die ganze Gegend: cum potentia ac securitate fines illius regionis inhabitant). Vgl. Odilo von Cluny, De vita beati Maioli abbatis, Migne PL 142, Sp. 959 C: Imminente itaque tempore illo quo ab Hispaniae finibus ebulliens crudelissima Sarracenorum ingens multitudo per iter navale ad terminos usque Italiae atque Provinciae pervenit et in utroque regno utriusque ordinis sexus aetatis hominum strages dedit; Rodulf Glaber, Historiae 4,22, S. 206/208, zu den Kämpfen bei Cluny gegen Mudjahid al-‘Amiri (1014–1044), den Herrscher von Denia: Sub hisdem uero temporibus consurgens rediuiua Sarracenorum in Affrice partibus aduersus Christianorum populum perfidia, persequendo eos terra marique quosquos repperire poterant, quosdam excoriabant uiuos, alios trucidabant. Vgl. bereits Hugeburg, Vita Willibaldi, S. 94; Vita Pardulfi 15, S. 33 (pagani bellatores). Vgl. Fredegar, Chronicon, Cont. 13, S. 175; ebd. 20, S. 177f. (collecto hostile agmine; hostes inimicos suorum; exercito hostium); Vita Pardulfi 15, S. 33 (hostes); Annales Bertiniani a. 846, S. 53 (beim Angriff auf die Paulskirche wurden die hostes von der Landbevölkerung niedergemacht); ebd. a. 869, S. 165; Thietmar von Merseburg, Chronicon 3,20, S. 122; ebd. 7,45, S. 452. Vgl. im christlichen Spanien auch Adefonsi tertii chronica, Version Rotensis 16, S. 134: Cum hostem Cordubensem in locum Pontubio prouintia Gallecie prelium gessit, ibique LIIIIor milia Caldeorum interfecit.
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krieg verstanden,161 werden eher die feindlichen Angreifer als die Andersgläubigen „gebrandmarkt“. Die Sarazenen unterscheiden sich in der Perspektive der historiographischen Quellen somit zumeist nicht grundsätzlich von anderen äußeren, feindlichen Völkern.162 Nach der Ansicht des Astronomus diente Karls Pyrenäenfeldzug jedoch immerhin dazu, der unter dem Joch der Sarazenen leidenden Kirche beizustehen.163 Angesichts der Kämpfe und Bedrohungen begegnen zudem immer wieder abwertende Stellungnahmen und Charakterisierungen der Sarazenen,164 die sich einerseits auf deren Charakter, andererseits auf ihr Barbarentum beziehen. So beschreiben bereits der Fortsetzer Fredegars und noch Liutprand von Cremona die Sarazenen als „gerissen“ (callidus) und „treulos“ (perfidus),165 und der Autor der Vita Pardulfi nennt sie „schändlich“ (nefandissimi).166 Alkuin begrüßt es, daß die christlichsten Herrscher „den verfluchten Sarazenen“, die ganz Afrika und die größten Teile Asiens beherrschten,
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Vergleichend zu Dschihad und heiligem Krieg: Flori, Guerre sainte, jihad, croisade. Einen Glaubenskrieg als Motivation vor (und noch in) den Kreuzzügen bestreitet Drews, Hilfe für Glaubensbrüder? Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,75, S. 153, stellt sie als hostes geradezu in eine Reihe mit Avaren, Dänen und Slawen. Astronomus, Vita Hludowici imperatoris 2, S. 286. Unter den häufigen Nachrichten bei Landulfus Sagax, Historia Romana, ed. Amedeo Crevelluci, 2 Bde. (Fonti per la storia d’Italia 49/50), Rom 1912/1913, habe ich tatsächlich nur zwei mehr oder weniger eindeutige Stellungnahmen gefunden: Nach dem Tod des dux Arabum Harun kam es zu einer Spaltung, in deren Folge auch die unterworfenen Christen in Libyen und Ägypten leiden mußten und die Kirche in Jerusalem (in sancta Christi Dei nostri erat civitate) verlassen wurde (26,10, S. 271); später flohen viele Christen, Mönche und Laien aus Palästina und Syrien vor immensam Arabum afflictionem (ebd. 26,40, S. 287). Liutprand, Antapodosis 1,4, S. 7: non minus callidos quam perfidos. Ihren prwbwlov (praedux) Sagittus nannte Liutprand einen äußerst schlechten und gottlosen Sarazenen (Saracenus pessimus impiusque); ebd. 4,4, S. 98. Vgl. auch Maiolus, Vita Syri, ed. (excc.) Georg Waitz, MGH SS 4, S. 652: subito eos invasit perfidae gentis Sarracenorum exercitus; Annales Mettenses priores a. 732 (oben Anm. 127); danach wörtlich Gesta abbatum Fontanellensium 9, S. 29: gentem perfidam Sarracenorum. Vita Pardulfi 15, S. 33; vgl. Rotter, Abendland, S. 261. Von nequandissimi Saraceni, nequandissima gens Saracenorum und ähnlichen Wendungen spricht mehrfach auch die Chronik von Montecassino.
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einen großen Teil Spaniens wieder wegnehmen konnten.167 Im Kontext der Bedrohungen wurde mehrfach vor allem ihr grausames und geradezu barbarisches Wüten hervorgehoben und gebrandmarkt:168 So wurde Marseille im Jahre 838 vollständig verwüstet, die zahlreichen Nonnen und sämtliche Männer wurden verschleppt, der Kirchenschatz geplündert.169 Die aus Afrika kommenden Sarazenen in Benevent überzogen die gesamte Region mit Mord, Raub und Brandstiftung (caedibus, rapinis ac incendiis).170 Hrotsvith von Gandersheim, die die Passio des spanischen Priesters Pelagius aufgreift und in Verse umsetzt, spricht vom „treulosen Volk der unbezwungenen Sarazenen“ und vom „barbarischen Volk“.171 Besonders verurteilt wird hier, wenig überraschend, das Vorgehen gegen Christen: So töteten die Sarazenen nach der Vita Pardulfi beim Vormarsch in Aquitanien jeden Christen, auf den sie trafen, und äscherten möglichst alle Klöster ein.172 Spanische Mauren auf Korsika plünderten, wie schon erwähnt, eine Stadt gerade am heiligen Ostersamstag und ließen neben dem
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Alkuin, ep. 7, S. 32: Etiam et eiusdem christianissimi regis duces et tribuni multam partem Hispaniae tulerunt a Saracenis, quasi trecenta milia in longum per maritima. Sed heu pro dolor, quod idem maledicti Saraceni, qui et Aggareni, tota dominantur Affrica, et Asia maior maxima ex parte. Vgl. beispielsweise Annales regni Francorum a. 827, S.172: iunctique Sarracenis ac Mauris Ceritaniam et Vallensem rapinis atque incendiis cotidie infestabant. Annales Bertiniani a. 838, S. 24. Vgl. ebd. a. 849, S. 57, zur Verwüstung Benevents; ebd. a. 856, S. 73, zur Zerstörung Neapels. Nach der Eroberung Korsikas verkauften die Sarazenen 60 Mönche nach Spanien (Annales regni Francorum a. 807, S. 124). So Regino von Prüm, Chronicon a. 867, S. 93. Ähnlich Andreas von Bergamo, Historia 14, S. 227, zum Einfall nach Bari: Gens Sarracinorum venerunt, terra nostra dissipaverunt, civitates desolaverunt, aecclesias suffuderunt. Hrotsvith von Gandersheim, Passio sancti Pelagii pretiosissimi martiris, ed. Paul von Winterfeld, MGH SSrG 34, Berlin 1902, S. 52: Perfida nam Saracenorum gens indomitorum; ebd. S. 53: ductor barbaricae gentis. Zu Hrotsviths Passio Pelagii vgl. Tolan, Saracens S. 106ff. und 217; Zwanzig, Kontakt zwischen Christen und Muslimen; Lisa Weston, The Saracen and the Martyr: Embracing the Foreign in Hrotsvit’s Pelagius, in: Albrecht Classen (Hg.), Meeting the Foreign in the Middle Ages, New York-London 2002, S. 1–10. Vita Pardulfi 15, S. 33: quemqumque hominem christianum inveniebant, trucidabant et, ubicumque monasteria aut loca sancta obviassent, igne concremare nitebantur. Vgl. Rotter, Abendland S. 255f. Vgl. oben S. 275 f.
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Bischof nur Greise und Kranke zurück.173 Bei der Zerstörung Barcelonas im Jahre 852 wurden nahezu alle Christen niedergemacht,174 bei der Eroberung Neapels unzählige Christen getötet oder gefangengenommen.175 Als Erzbischof Rotland von Arles auf der Insel Camargue eine Befestigung (castellum) baute, beantworteten die Sarazenen, die dort einen Hafen angelegt hatten, diese Bedrohung ihrerseits mit einem Angriff, töteten 300 seiner Leute und nahmen ihn selbst gefangen. Obwohl der Bischof bei dieser Aktion starb, erpreßten sie noch ein Lösegeld und brachten den Toten, gefesselt auf einem Stuhl thronend, zurück (und erneut wird das Ganze überhaupt nur wegen dieses skurrilen Vorfalls erwähnt).176 Und als die Sarazenen von Benevent aus 846 die Peterskirche in Rom, mater cunctarum ecclesiarum, einnahmen und plünderten, töteten sie sämtliche Christen, die sie vor Rom aufgegriffen hatten, innerhalb und außerhalb dieser Kirche und schleppten die Klosterinsassen, Männer ebenso wie Frauen, fort.177 Der Xantener Annalist bewertet den Vorfall als eine große afflictio Christianorum, die er wiederum auf deren Sünden zurückführt.178 Auch Liutprand weiß von
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Annales regni Francorum a. 809, S. 128. Annales Bertiniani a. 852, S. 64: interfectisque pene omnibus christianis et urbe uastata. Erchempert, Historia Langobardorum 77, S. 263: qui Saracenis innumerabiles christicolas gladiis et captivitatibus tradidit. Annales Bertiniani a. 869, S. 165f. Annales Xantenses a. 846, S. 15f.: Eodem tempore, quod sine grandi merore nulli dicendum vel audiendum est, mater cunctarum ecclesiarum, basilica sancti Petri apostoli, a Mauris vel a Sarracenis, qui iam pridem Beneventaniam consederant, capta atque predata est, et omnes Christianos, quos foris Romam repperierunt, intus et foris eiusdem aecclesiae occiderunt. Reclausos etiam viros et mulieres abduxerunt. Altare sancti Petri cum aliis multis detraxerunt, et afflictio Christianorum propter scelera eorum cotidie hinc inde orta est. Die Annales Bertiniani a. 846, S. 52, berichten ebenfalls von der Entweihung der Kirche, wissen hingegen nichts von den Morden, und die Fuldaer Annalen, die den Vorfall (a. 846, S. 36) nur kurz erwähnen, beschränken sich gänzlich auf den bloßen Bericht: Da die Mauren mit ihrem Heer nicht in Rom eindringen konnten, verwüsteten sie die Peterskirche. Ebenso gebrandmarkt wird in den Annales Xantenses a. 871, S. 30, die Einnahme Jerusalems: Civitas sancta Ierusalem et mons Oliveti atque omnia loca sancta in circuitu a Sarracenis invasa et possessa sunt. Vgl. Thietmar von Merseburg, Chronicon 2,25, S. 70 (zum Jahr 969): Nam Saraceni Ierusolimam tunc invadentes nil reliquere victis. Auch Erchempert deutet die Untaten in Neapel (oben Anm. 175) als Gottes Strafe.
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Morden an Christen,179 Thietmar von Merseburg von Vergewaltigungen zu berichten.180 Im Zuge der sarazenischen Bedrohungen sind solche negativen Bewertungen insgesamt also nicht selten, wenngleich auch hier letztlich zumeist die Untaten gegenüber Christen (und nicht der Glaube an sich) verurteilt werden. In solchen Bedrohungen aber wird schließlich auch der religiöse Gegensatz bewußter herausgestellt. Vor allem die Päpste des späten 9. Jahrhunderts warnten ausdrücklich vor Verträgen mit den (heidnischen) Sarazenen. Johannes VIII. drohte süditalienischen Bischöfen und Fürsten, vor allem von Amalfi, sogar den Kirchenbann an, wenn sie das Bündnis „mit dem gottlosen Volk der Sarazenen“ nicht sofort beendeten: „Eurer Liebe und Eintracht wollen wir bekanntgeben,“ so schreibt der Papst 879 an Bischof Petrus sowie an den Präfekten und das Volk von Amalfi, „daß es gegen die göttlichen Vorschriften und unsere apostolischen Ermahnungen verstößt, mit denen wir euch häufig gemahnt und kraft der Autorität Gottes und der heiligen Apostel Petrus und Paulus befohlen haben, daß ihr kein Bündnis mit dem gottlosen Volk der Sarazenen eingeht und ein bereits eingegangenes auf alle Fälle auflöst, wenn es euch nicht graust, in solchem Verbrechen und in der Gemeinschaft der Feinde Gottes zu verharren; mit der Kraft des Heiligen Geistes und der Autorität des heiligen Petrus, dem von Gott im Himmel und auf Erden die Macht verliehen wurde, zu binden und zu lösen, und der ganzen heiligen Gemeinschaft, nämlich des heiligen Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus, berauben und trennen wir euch zusammen mit der Zustimmung des gesamten apostolischen Sitzes von der Gemeinschaft der Kirche Gottes, auf daß ihr in dieser Exkommunikation verharrt, bis ihr zur Einsicht gelangt und euch von der gottlosen Beute der Heiden trennt.“181
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Ebd. 1,3, S. 6: Die auf 20 Schiffen von Spanien nach La-Garde-Freinet verschlagenen Sarazenen ermordeten die Christen (Christicolae) und nahmen den Ort in Besitz. Fortan dehnten sie ihre Raubzüge bis nach Italien aus und bewirkten eine ungeheure Bedrückung (ebd. 2,43/44, S. 53). Später wurde das Umland crudelissime heimgesucht (ebd. 5,9, S. 128). Thietmar von Merseburg, Chronicon 7,45, S. 452: et uxoribus incolarum abutuntur. Johannes VIII., Registrum, ep. 246, S. 215: Notum esse volumus dilectioni et unanimitati vestre˛, quia contra divina statuta et nostra apostolica monita, quibus vos frequenter monuimus et ex auctoritate Dei et sanctorum apostolorum Petri ac Pauli precepimus, ut nullum cum impia Sarracenorum gente pactum habuissetis habitumque omnimodo rumperetis, in tali scelere et in consortio inimicorum Dei manere non formidatis, virtute sancti Spiritus et auctoritate sancti Petri, cui ligandi et solvendi in ce˛lo et in terra a Domino est concessa potestas, omni sacra communione, sancto videlicet corpore et sanguine domini nostri Iesu Christi, vos una cum totius apostolice˛ sedis consensu privavimus et ab ecclesie Dei societate separavimus, ut in eadem excommunicatione
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(Hingegen hatte Leo III. einen Pakt Karls des Großen mit den Sarazenen noch gebilligt und vielmehr moniert, daß diese ihn zunächst gebrochen hätten, jetzt aber einen neuen Vertrag wünschten.182) Die Warnungen zeigen die päpstlichen Vorbehalte gegen einen Pakt mit den Glaubensfeinden, deren Angriffe eine akute Gefahr für Rom darstellten, gegen die der Papst kaiserliche Hilfe erwartete.183 Sie bezeugen allerdings ebenso die Existenz solcher Bündnisse. Entsprechend groß war demgegenüber die Freude des Papstes
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maneatis, donec resipiscentes ab impia vos paganorum preda separetis. Vgl. bereits die Bannandrohung, ep. 230, ebd. S. 204f.: Pudet, ut ita dixerim, pontificium nostrum vos iam commonere super hoc, quod tam multotiens a nobis commoniti resipiscere noluistis et cum Deo odibilibus Saracenis habitum pactum dissolvere hactenus contempsistis. […] adhuc obsecramus, adhuc sicut spiritales filios exhortamur et paternis visceribus vos amplecti conantes Dei et principum apostolorum Petri ac Pauli auctoritate pre˛cipimus, ut iamiamque disciplinam recipientes ab eisdem iniquis et ancille˛ filiis Saracenis vos separetis et pactum cum eis habitum modis omnibus dissolvatis, si vel nostre˛ communionis vel ipsius Christianitatis vultis esse participes, in quos iam daremus ecclesiastici mucronis sententiam, nisi nos apostolica patientia retineret. […] ad idem pactum cum Saracenis frangendum largimur et tam vos quam Kaietanos atque Amalfitanos lucrari volentes, si usque ad idem tempus omnem Saracenorum amicitiam necnon et omne fe˛dus dissolvere solito contempseritis, utrosque sententie˛ ecclesiastice˛ iaculis feriemus et perpetuo anathemati summittemus, ut, qui socii discipline˛ esse non vultis, communionis quoque nostre˛ non sitis participes; ep. 250, ebd. S. 218: decertantes, ut pactum quod cum impia Saracenorum gente habetis, omnimodis rumperetis, ne ex consortio gentis maligne˛ ecclesia Dei per vos sic crudeliter affligeretur et animabus vestris non solum temporale exinde discrimen, sed etiam eternum adquireretis supplicium. Vgl. auch ep. 279, ebd. S. 246f. Vgl. Leo III., ep. 7, ed. Karl Hampe, MGH Epp. 5, Berlin 1899, S. 97f.: id est de illis Sarracenorum missis, cum quibus pactum confirmavit ipse patricius in annos decem. Dicebat enim ad praedictos missos Sarracenorum: ‚Quale nobiscum pactum facere vultis? cum ecce iam anni sunt octuaginta quinque, quod pactum nobiscum fecistis et firmum non fuit. Immo et Constantinus patricius, qui ante me praefuit, in decem annos vobiscum pactum firmavit usque ad futuram octavam indictionem; sed neque ipsum pactum firmum tenuistis. Nunc autem quale vobis pactum faciamus, nobis incognitum est.‘ Ad haec respondebant ipsi Sarracenorum missi, dicentes: ‚Pater istius Amiralmuminin, qui nunc apud nos regnare videtur, defunctus est, et iste relictus est parvulus. Et qui fuit servus, factus est liber; et qui liber fuit, effectus est dominus […]. Post haec vero convenit illis, et confirmaverunt in scriptis inter se pactum in annos X. Auf der Rückfahrt erlitten die sarazenischen Gesandten Schiffbruch. Vgl. Johannes VIII., Registrum, ep. 1, S. 1: Ceterum quia pro maxima necessitate huius nostre˛ regionis, quam Sarraceni pe˛ne totam depopulati sunt, audivimus imperiale adiutorium usque ad nos esse mittendum.
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über einen Sieg über die feindlichen Sarazenen. Johannes dankte dafür ausdrücklich Gott.184 Frühere Päpste wie Hadrian I. brandmarkten darüber hinaus den Verkauf von Hörigen oder Unfreien (mancipia) an Sarazenen, wie es die Griechen mit den Langobarden machten, als ein Verbrechen.185 Einem Brief Gregors VII. zufolge waren später auch die Christen im islamischen Spanien ständigen Bedrohungen und Repressalien und „in einem unerhörten Unheil“ sogar Vernichtungen seitens der muslimischen Machthaber ausgesetzt; sie würden wie Vieh dahingeschlachtet. Deshalb wandten sie sich an den Papst um Hilfe, „damit der christliche Glaube (dort) […] nicht vollständig untergehe“.186
d. Religiöse Abwertung Besonders in den kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Sarazenen ist den christlichen Autoren die Andersgläubigkeit der Muslime nicht nur bewußt, sondern sie wird darüber hinaus als schändlich, gottlos und unchristlich diffamiert. Papst Johannes VIII. spricht von den „gottlosen“ (nefandus,
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Vgl. ebd. ep. 245, S. 214: Audientes vos per Dei auxilium et secundum spiritalis filii nostri imperatoris voluntatem Neapolim venisse ac multitudinem Saracenorum ibi consistentem potenti brachio superasse, le˛ti sumus effecti et statim debitas omnipotento Domino gratias egimus super victoria vestra et inimicorum contritione. Hadrian I., Codex Carolinus, ep. 59, ed. Wilhelm Gundlach, MGH Epp. 3, Berlin 1892, S. 585: Repperimus enim in ipsas vestras mellifluas apices pro venalitate mancipiorum, ut quasi per nostris Romanis venundati fuissent in gentem necdicendam Saracenorum. Et numquam, quod absit, in tale declinavimus scelus, aut per nostram volontatem factum fuisset; sed in litoraria Langobardorum semper navigaverunt necdicendi Greci et exinde emebant ipsa familia et amicitia cum ipsis Langobardis fecerunt et per eosdem Langobardos ipsa suscipiebant mancipia. Neuerdings betont Clemens Gantner, New Visions of Community in Ninth-Century Rome: The Impact of the Saracen Threat on the Papal World View, in: Pohl/Ganter/Payne (Hg.), Visions of Community S. 403–421, hier S. 404f., daß man in dieser Bestimmung allerdings kein grundsätzliches Handelsverbot mit den Sarazenen sehen dürfe. Gregor VII., ep. 2,31, ed. Erich Caspar, MGH Epp. sel. 2,1, Berlin 1920, S. 166: Preterea indico tue˛ magnitudini, quia christiani ex partibus ultramarinis, quorum maxima pars a paganis inaudita clade destruitur et more pecudum cotidie occiditur gensque christiana ad nichilum redigitur, ad me humiliter miserunt nimia compulsi miseria implorantes, ut modis quibus possem eisdem fratribus nostris succurrerem, ne christiana religio nostris temporibus, quod absit, omnino deperiret.
3. Die Wahrnehmung der Sarazenen in friedlichen und kriegerischen Kontakten
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impius)187 und Gott verhaßten (Deo odibiles),188 die Vita Leos IV. von den treu- (oder glaubens-)losen, Gott entgegengesetzten Sarazenen,189 Hadrian IV. später von einer „hochverderblichen, den Christen schädlichen Seuche“, die man mit allen Mitteln bekämpfen und zähmen müsse.190 Petrus Venerabilis bezeichnet Türken, Sarazenen, Perser, Araber und überhaupt alle Barbaren als Feinde des Kreuzes Christi und des christlichen Namens sowie als Gegner des menschlichen bzw. des eigenen Heils.191 Schon für den Fortsetzer Fredegars sind die Sarazenen eine gens perfida,192 für Beda sind
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Johannes VIII., Registrum, ep. 8, S. 7: Se˛pe gloriam tuam missis et litteris hortari ac depre˛cari studuimus, ut manum auxilii porrigens contra nefandos Sarracenos hostiliter occurrere tandem satageret. Vgl. Ders., ep. 22, S. 19: Quanta et qualia per impiam gentem patiamur Saracenorum, quid dicam, quia scribere quilibet stilus non sufficit, cum omnia ligna silvarum, si vertantur in linguas, enarrare non valeant? Ders., ep. 31, S. 29: quia tota Campania ab ipsis Deo odibilibus Saracenis funditus devastata iam fluvium qui a Tiburtina urbe Romam decurrit, furtim transeunt et tam Sabinos quam adiacentia loca pre˛dantur; ep. 279, S. 246: Ecce enim, ut ipsi iam ex maxima parte non ignoratis, ad perditionem totius Christianitatis a multis retro temporibus cum filiis Hismahel, Deo scilicet odibilibus Saracenis, pactum faciens omnem istam terram ita ad nichilum redegit, ut iam non sit, qui eam prorsus inhabitet. Deo odibilibus Saracenis auch ep. 230, S. 204; ep. 309, S. 268. Liber pontificalis 105: Vita Leonis IV. 32, ed. Louis Duchesne, Bd. 2, Paris 21955, S. 113: et ad tantam inhonestatem a Sarracenis perfidis Deoque contrariis sive vilitatem perductum. Zu den frühen Nachrichten des Liber pontificalis über die Sarazenen im Mittelmeer, die Belagerung Konstantinopels und die Eroberung Spaniens vgl. Rotter, Abendland S. 182–216. Hadrian IV., ep. 189, Migne PL 188, Sp. 1570 C: Sane cum ipse comes, sicut instanter asserit, ad edomandas barbaras gentes et efferas nationes, rabiem videlicet Saracenorum, quorum pestis est perniciosissima Christianis, modis omnibus, auctore Domino, reprimere intendat et viriliter impugnare, quidam tamen Christianae professionis, qui eidem comiti adversantur, tum inimicitia, tum etiam pecuniae cupiditate seducti, simul cum Saracenis, sicut accepimus, eum intendunt offendere, atque inclytum eius animum a tam laudabili proposito retardare. Petrus Venerabilis, ep. 82, an den König von Jerusalem, ed. Giles Constable, the Letters of Peter the Venerable, Bd. 1, Cambridge, MA 1967, S. 219: inimicos autem crucis Christi et nominis Christiani, Turcos dico et Sarracenos, Persas et Arabes, seu quoslibet barbaros humanae, imo suae saluti aduersantes, regatis in uirga ferrea, et eos potenti dexetra tanquam uas figuli confringatis. Hostes Christiani nominis auch bei Hadrian II., ep. 21, S. 725. Fredegar, Chronicon Cont. 13, S. 175. Zur spanischen Sicht vgl. Barkai, Cristianos y musulmanes S. 47ff.
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sie sogar ausdrücklich Gegner der Kirche (adversarii ecclesiae),193 für Paulus Diaconus ein „ungläubiges, Gott feindliches Volk“ (gens infidelis et Deo inimica),194 für Thietmar von Merseburg Feinde Christi,195 für Petrus Venerabilis die Feinde des wahren Glaubens,196 für Ekkehard von St. Gallen sind sie (bezeichnenderweise in einer unhistorischen Anekdote), ebenso wie die heidnischen Ungarn, gar Dämonen und Teufelssöhne:197 König Konrad von Burgund war es gleichgültig, welche pars diversorum demonum siegen würde; er wollte sich auf die Sieger stürzen; miseriam omnem, quam nostrates (näm-
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Beda Venerabilis, In primam partem Samuhelis 4,25,1, S. 231. Vgl. Rotter, Abendland, S. 261. Beda schöpft sein Wissen über die Sarazenen im übrigen aus der Bibel und der Bibelexegese. Vgl. dazu Tolan, Saracens S. 72ff. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 6,10, S. 168: Tunc Sarracinorum gens infidelis et Deo inimica ex Aegypto in Africam cum nimia multitudine pergens, obsessam Cartaginem cepit captamque crudeliter depopulata est et ad solum usque prostravit. Regino von Prüm, der Paulus ansonsten recht wörtlich wiedergab, läßt diese Kennzeichnung (bezeichnenderweise?) weg. Vgl. auch Paulus Diaconus, Gesta episcoporum Mettensium, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 2, S. 265: Anschisus genuit Pippinum, quo nihil umquam potuit esse audacius; Pippinus genuit Karolum, viris omnino fortissimis conferendum, qui inter caetera et magna bella, quae gessit, ita praecipue Sarracenos detrivit, ut usque hodie gens illa truculenta et perfida Francorum arma formidet; Konzil von Paris von 825, Brief der byzantinischen Kaiser Michael und Theophilus an Kaiser Ludwig, MGH Conc. 2,2, Nr. 44, S. 476: quo facilius potuisset multos infideles Sarracenorum et ceterarum aliarum gentium ad suam perducere voluntatem. Thietmar von Merseburg, Chronicon 7,45, S. 452: Der Papst rief zum Kampf gegen die inimici Christi auf. Zu den Fuldaer Annalen a. 853 vgl. oben Anm. 141. Liutprand von Cremona, Antapodosis 4,4, S. 90, bezeichnet Sagittus, den Anführer der Sarazenen in La Garde-Freinet, als Saracenus pessimus impiusque. Von den Feinden Gottes (inimici Dei) sprechen mehrfach auch die Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum; vgl. 6,14, S. 32; 4,10, S. 22f. Vgl. auch das Praeceptum pro Hispanis von 844, MGH Capit. 2, Nr. 256, S. 259: inimicissimae christiani nominis gentis Sarracenorum evitantes; Synode von 846 in der Francia, MGH Conc. 3, Nr. 12, c. 9, S. 137: ut inde inimicos Christi, Saracenos et Mauros, eiciat; Petrus Venerabilis, ep. 162, S. 394f., an den König von Sizilien: inimicorum Dei, hoc est Sarracenorum. Petrus Venerabilis, ep. 130, S. 327, an den französischen König Ludwig VII. von 1146, zum Zweiten Kreuzzug: hostes uerae fidei Sarracenos. Ekkehard IV., Casus s. Galli 65, S. 235. Vgl. oben S. 274. Der von den Sarazenen von La Garde-Freinet gefangene Abt Maiolus von Cluny hatte die Sarazenen (erstmals) bereits 972 als „Söhne Belials“ bezeichnet. Vgl. Bruce, An abbot between two cultures S. 433ff.
3. Die Wahrnehmung der Sarazenen in friedlichen und kriegerischen Kontakten
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lich die St. Galler Mönche) a Saracenis sunt passi, so schreibt Ekkehard an anderer Stelle,198 würde ein ganzes Buch füllen. Wilhelm von Tyrus vergleicht (leicht abgewandelt mit Ps 78,1) das gottlose Volk in der Kreuzzugspredigt Urbans II. später mit den Hunden, die in das Heiligtum eingedrungen sind, es entweiht und das Volk Gottes erniedrigt haben (vermeidet dabei allerdings den Begriff „Völker“ oder „Heiden“).199 Und auch die Beziehung zum Teufel begegnet noch öfter. So werden in der Enzyklika Daimberts die Streitkräfte der Sarazenen mit den Streitkräften des Teufels gleichgesetzt.200 Petrus Venerabilis identifiziert den Teufel sogar mit Mohammed persönlich.201 Solche abwertenden Urteile bleiben weiterhin von der Gegnerschaft bedingt, die sich in der Zeit der Kreuzzüge noch verhärtet und neue, feindselige Einstellungen der Christen gegenüber den Muslimen gebiert.202
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Ekkehard IV., Casus s. Galli 126, S. 411. Wilhelm von Tyrus, Chronicon 1,15, ed. Robert B.C. Huygens, Hans Eberhard Mayer und Gerhard Rösch, CCM 63, Turnhout 1986, S. 132: Sarracenorum enim gens impia et inmundarum sectatrix traditionum loca sancta, in quibus steterunt pedes domini, iam a multis retro temporibus violenta premit tyrannide, subactis fidelibus et in servitutem dampnatis. Ingressi sunt canes in sancta, prophanatum est sanctuarium, humiliatus est cultor dei populus. In Psalm 78,1 ist allerdings nicht von Hunden, sondern von gentes die Rede. Brief Erzbischofs Daimbert von Pisa an Papst Paschal II. (Enzyclica Daimberts, Gottfrieds von Bouillon und Graf Raimunds von S. Aegidius), ep. 3, von 1100, Migne PL 163, Sp. 450 C: in pre˛senti bello confractis viribus Sarracenorum et diaboli, regnum Christi et Ecclesie˛ a mari usque ad mare usquequaque dilataret. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis Saracenorum (im folgenden kurz: Summa) 13, ed Reinhold Glei, Petrus Venerabilis, Schriften zum Islam (Corpus Islamo-Christianum. Series latina), Altenberge 1985, S. 14: deinde per istum Satanan, scilicet Mahumetum, provecta. Zum Araberbild in den Kreuzzugsberichten vgl. die Arbeiten von Svetlana Loutchitskaja (oben Anm. 35); zu Spanien: Burman, Religious Polemic S. 4f. Zur Bedeutung der Wundergeschichten in Kreuzzugschroniken vgl. Marcus Graham Bull, Views of Muslims and of Jerusalem in miracle stories, c.1000–c.1200: reflections on the study of first crusaders’ motivations, in: Marcus Bull/Norman Housley (Hg.), The Experience of Crusading. Bd. 1: Western Approaches, Cambridge 2003, S. 13–38. Gegen alle herrschenden Ansichten betont jetzt Paul E. Chevedden, „A Crusade from the First“: The Norman Conquest of Islamic Sicily, 1060–1091, in: Al-Masa¯q 22/2, 2010, S. 191–225, zusammenfassend S. 224f., überzeugend, daß die Kreuzzugsidee selbst keine radikale Neuerung war, sondern auf den Werten und Normen der abendländisch-christlichen Gesellschaft aufbaute.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
e. Einordnung in Gottes Heilsplan Mit solchen Wendungen werden die Sarazenen nun klar religiös definiert, von den Christen abgesetzt, verunglimpft oder, wie in einigen Beispielen des vorigen Abschnitts, geradezu „verteufelt“, während die Christen, trotz aller Bedrohungen, am Ende unter Gottes Schutz stehen und triumphieren:203 Nach dreitägigem Wüten (miserabile dictu), so Thietmar von Merseburg, erhörte Gott schließlich die Klagen der Frommen und schenkte ihnen einen so vollständigen Sieg über die verhaßten Gegner (odientes), daß niemand mehr übrig blieb.204 In symbolischen Anspielungen drohte der Sarazenenkönig daraufhin mit einem weiteren Angriff – er schickte dem Papst einen Sack Kastanien mit der Drohung, er werde im nächsten Jahr mit ebenso vielen Kriegern zurückkehren –, und ähnlich symbolisch war die Antwort des Papstes: Er sandte, mit gleichlautender Botschaft, einen Sack voll Hirse zurück. Das diplomatische Geschehen zeigt dennoch, trotz aller Feindschaft und der hier betonten symbolischen (ebenso wie gewitzt-intellektuellen) Überlegenheit des Papstes, daß man mit den Gegnern auf gleicher Stufe verkehrte. (Daß die Sieger sich nicht weniger barbarisch benahmen und die gefangene Königin der Sarazenen enthaupteten, störte den christlichen Autor nicht weiter.) Gleichwohl erhalten die Sarazenen hier eine heilsgeschichtliche Funktion. Wie christliche Autoren die Sarazeneneinfälle, wie von der bisherigen Forschung schon vielfach beobachtet worden ist, immer wieder als Sündenstrafe werten205 – damit erklärt schon Bonifatius die Eroberung Spaniens
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Vgl. Annales regni Francorum a. 799, S. 108, zur Verteidigung der Balearen vor den Mauren und Sarazenen: et cum Dei auxilio a nostris a praedonum incursione defensi sunt; Annales Bertiniani a. 847, S. 54 (oben Anm. 219); ebd. a. 843, S. 45: Die Sarazenen wurden Dei auxilio aus Benevent vertrieben; Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,70, S. 147: Gegen die Sarazenen in La Garde-Freinet zog man Deo comite. Vgl. auch Erchempert, Historia Langobardorum 77, S. 263: cum Saracenis graviter Neapolim circumquaque vastantes lacerant, ut ignis consumantes omnia; aequo Dei iudicio, ut, qui Saracenis innumerabiles christicolas gladiis et captivitatibus tradidit bonisque eorum ditatus est, non immerito ab his flagelletur, rodatur et depredetur. Thietmar von Merseburg, Chronicon 7,45, S. 452/454. Vgl. oben Anm. 45.
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und die Angriffe auf Südfrankreich –,206 so sind sie nicht minder davon überzeugt, daß Gottes Beistand sie retten werde (wie es das schon oben erwähnte furchtlose Auftreten des Abtes Pardulf exemplarisch verdeutlichen soll und wie es Prudentius von Troyes explizit verkündet207). 851, so berichtet Ado von Vienne, nahm Kaiser Ludwig II. die Unterwerfung der Sarazenen entgegen, stellte „mit Gottes Hilfe“ die entweihten Kirchen wieder her und reinigte sie.208 Ganz ähnlich deutet später Liutprand von Cremona den Einfall der Sarazenen in Italien als Wirken Christi, um die Christen zu züchtigen und sie durch Schrecken zum Glauben zu nötigen.209 Zwar fehlt seinem Bericht über die Sarazeneneinfälle ein konkreter Hinweis auf die religiöse Differenz. Wie sehr ihm eine solche jedoch bewußt war, gibt Liutprand deutlich zu erkennen, wenn er der Schilderung unmittelbar ein trinitarisches Bekenntnis zu Christus („er, wahrer Mensch und wahrer Gott, nicht zwei, sondern einer“) und zu dessen doppeltem Wirken (aus Wohltat zur Liebe und durch Schrecken) anschließt. Damit die Sarazenen die Christen (christicoles) aber nicht länger beleidigten und (mit Joel 2,17) provozierend rufen konnten: „Wo ist denn ihr Gott?“, ließ Gott die Christen nach
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Bonifatius, ep. 73, S. 151: Sicut aliis gentibus Hispaniae et Prouinciae et Burgundionum populis contigit; quae sic a Deo recedentes fornicate˛ sunt, donec iudex omnipotens talium criminum ultrices poenas per ignorantiam legis Dei et per Sarracenos venire et se˛vire permisit. Vgl. auch Benedictus Levita, Collectio capitularum 3,143, ed. F. H. Knust, MGH LL 2/2, Hannover 1837, S. 111; ed. Gerhard Schmitz, dMGHEdition S. 30: Et qualiter Dominus talium criminum patratoribus ultrices poenas per Sarracenos et alios populos venire et servire permisit, cunctis earum gesta legentibus liquet; ebd. 4,160, S. 157 (die digitale Version der dMGH enthält diesen Zusatz im 4. Buch nicht): donec iudex omnipotens talium criminum ultrices poenas per ignorantiam legis Dei et per Sarracenos venire et servire permisit. Vita Pardulfi 15 (oben Anm. 150); Annales Bertiniani a. 847, S. 54 (unten Anm. 219). Ado von Vienne, Chronicon a. 851, Sp. 137 CD: Sarracenisque se iunxerant, sub ditione sua recepit, loca sanctorum, que˛ impii Sarraceni ac perfidi Christiani contaminarent, Deo adiutore instaurando et restaurando purgavit. Vgl. auch Regino von Prüm, Chronicon a. 867 (oben Anm. 170). Zur Islamwahrnehmung Ados vgl. Bade, Muslims in the Christian World Order, besonders zu den Berichten von 718 und 742. Liutprand von Cremona, Antapodosis 2,46, S. 54. Der Einfall wird ebd. 2,43–46, S. 53f., beschrieben. Italien litt gleichzeitig unter den Einfällen der Sarazenen aus La Garde-Freinet und der Ungarn, am meisten aber der „Afrikaner“, nämlich der von Byzanz herbeigerufenen, aus Afrika kommenden Sarazenen.
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anfänglichen Niederlagen erstarken und kämpfen, anstatt zu fliehen.210 Landulf von Benevent riet dem Papst zum Kampf gegen die Sarazenen unter dem Schutz Gottes (Deo protectore): „Siegen wir, so soll nicht der überlegenen Zahl, sondern Gott der Sieg zugeschrieben werden; wenn aber der Sieg den Puniern zufällt, so soll dies unseren Sünden zugeschrieben werden, nicht unserer Trägheit.“211 Die vereinten Kräfte der Italiener und Byzantiner feierten daraufhin einen großartigen Sieg. Von einem schließlichen, wenn auch unter großen Verlusten errungenen Erfolg der Christen über die aus Afrika in Spanien einfallenden Sarazenen weiß auch Rodulf Glaber zu berichten.212 Später siegten die Christen vor Cluny trotz Unterzahl über das Sarazenenheer Mudjahids, weil sie Gott um Hilfe anriefen, auf Maria und alle Heiligen vertrauten und darüber hinaus, wie der cluniazensische Chronist herausstellt, gelobten, im Falle eines Sieges alle erreichbaren Gelder dem Kloster Cluny zu stiften.213 „Wie Gott diesen Ort den Sarazenen ent210
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Ebd. 2,46, S. 54: Sed ne Saraceni diutius insultarent et dicerent: ‚Ubi est Deus eorum?‘, convertit Deus corda christicolum, adeo ut amplior iis pugnandi quam fugiendi prius esset cupido. Ebd. 2,51, S. 56: Si vincimus, non multitudini, sed Deo victoria imputetur; si vero vicerint Poeni, peccatis nostris et non inherciae deputetur. Rodulf Glaber, Historiae 2,18, S. 82: Subsequente namque tempore gens Sarracenorum cum rege suo, Almuzor nomine, egressa est ex Africanis partibus, ocupans pene uniuersam Hispanie regionem usque in australes Galliarum fines, plurimasque Christianorum dedere strages. [...] tandem concessa Christianis uictoria, post grande suorum dispendium, qui superfuere Sarracenorum ad Africam fecere confugium. Sed et in illis diutinis conflictibus preliorum constat Christianorum religiosos plures ocubuisse, qui potius ob fraterne˛ caritatis amorem cupierant decertare quam propter aliquam gloriolam laudis ponpatice. Ebd. 4,22, S. 206: Illi presumentes confidebant in rabida feritate immense sue multitudinis, uictores sese fore existimabant, nostri uero, licet admodum pauci numero, Dei omnipotentis auxilium inuocantes, per interuentum genitricis ipsius Marie sanctique apostolorum principis Petri omniumque sanctorum sperabant de illis fiducialiter obtinere triumphum, precipue quoque in uoto quod in ipsius procinctu belli uouentes sese obstrinxerant, ut, si uidelicet manus Domini ualida gentem illa perfidissimam in manus illorum concluderet, potito de illis triumpho, quicquid auri argentique seu cetere suppellectilis ex eisdem capere contigisset, totum omnino ad locum Cluniaci apostolorum principi Petro destinarent. Zu Rodulfs Sarazenenbild vgl. jetzt ausführlich Norman Bade, Stereotype Vorstellungen? Die christlich-abendländische Wahrnehmung der Sarazenen im Spiegel der französischen Historiographie zu Beginn des 11. Jahrhunderts, in: Bade/Freudenberg (Hg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern, S. 13–53.
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riß,“ so überschreibt die Chronik von Montecassino den bereits erwähnten Sarazeneneinfall in Rom im Jahre 846 und betont damit noch unmittelbarer Gottes Geschichtshandeln.214 „Mehr dank göttlicher denn menschlicher Tapferkeit“ siegten die Christen nach Otto von Freising unter ihrem König Balduin bei Askalon.215 Viele weitere Belege ließen sich anführen,216 nicht zuletzt aus den Kreuzzugsschilderungen.217 Wie im Heidenkampf,218 so vertraut man auch gegenüber den Sarazenen auf Gottes Beistand (wenn dem die Sünden der Christen nicht entgegenstehen). Die Auseinandersetzungen werden damit zumindest indirekt als – im frühen Mittelalter zumeist defensiver – Glaubenskrieg stilisiert. Der Untergang der Sarazenen wird entsprechend als Gottesurteil empfunden: Als die Sarazenen, die den Petersdom in Rom beraubt hatten, auf der Rückfahrt, „mit verpestetem Mund“ Gott und Christus lästerten, folgte auf der Stelle die göttliche Strafe, indem ein Wirbelsturm ihre Schiffe vernichtete.219 214
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Chronica monasterii Casinensis 1,27, S. 14 (Überschrift): Qualiter Deus a Saracenis locum istum eripuit. Vgl. auch Thietmar von Merseburg, Chronicon 7,45, S. 452/454, zum Einfall der Sarazenen in Longobardia: Respexit tandem Deus gemitu piorum placatus et odientes se fugavit et in tantum devicit, ut nec uno de hiis relicto interfectorum et eorundem spoliorum multitudinem victores numerare nequirent. Otto von Freising, Chronica 7,10, S. 322: Commisso etiam cum Sarracenis prelio cum paucis, id est IIII milibus, divina magis quam humana virtute, uno principe eorum capto, altero occiso, L milia fudit. Vgl. ebd. 7,4, S. 314: egressi Sarracenos non sua, sed Christi virtute fuderunt. Vgl. etwa Hermann von Reichenau, Chronicon a. 718, S. 97, zur Zeit Kaiser Leos: Cuius tempore Saraceni, qui iam multas pervaserant provincias, triennio urbem ipsam obsidentes, divino tandem auxilio fame, peste, ferro naufragioque repelluntur. Vgl. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 10,33, S. 77ff.: et obsecrantes Deum ut suum defenderet populum et Christianitatem exaltaret ac paganismum deponeret; ebd. 3,9, S. 21, zur Schlacht von Dorylaeum 1097 gegen eine riesige Übermacht: Sed omnipotens Deus pius et misericors qui non permisit suos milites perire nec in manibus inimicorum incidere, festine nobis adiutorium misit. Vgl. bereits Adefonsi tertii chronica, Version Rotensis 11, S. 130: Et quantum cresceuat Xpi nominis dignitas, tantum tabesceuat Caldeorum ludibriosa calamitas. Vgl. Kapitel 1.2.d, oben S. 119ff. Annales Bertiniani a. 847, S. 54: Saraceni, oneratis thesaurorum multitudine, quos ex basilica beati Petri apostoli asportarant, nauibus, redire conati, cum inter nauigandum Deo et Domino nostro Ihesu Christo eiusque apostolis ore pestifero derogarent, orto repente ineuitabili turbine, conlisis in sese nauibus, omnes pereunt; quaedam thesaurorum in sinibus defunctorum, quos mare littoribus reiecerat, inuenta ad beati Petri apostoli memoriam reuehuntur.
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Die christliche Einstellung gegenüber den Muslimen spiegelt sich nicht minder im Verhalten wider. Den „Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum“ erscheint es völlig selbstverständlich, wenn Kreuzfahrer wie Raymund von Toulouse nach der Einnahme von al Bara im Sommer 1098 dort alle Sarazenen, und zwar Männer wie Frauen, Erwachsene wie Kinder, umbringen ließ. Von entscheidender Bedeutung ist ihm allein die Wiederherstellung der Kirchen, die zuvor als Moscheen genutzt worden und daher zu „Tempeln des Teufels“ geworden waren.220 Ähnlich ging man in Jerusalem und anderen Städten vor.221 Nur in Antiochia handelten die Sarazenen mit Boemund den Abzug ihrer Leute aus, sofern sie nicht Christen werden wollten.222 (Auch hier folgten Christen und Muslime unterschiedlichen „Gesetzen“.) Daß die Pferde der Christen bei der Einnahme Jerusalems nach der berühmten Schilderung Frutolfs von Michelsberg bis zu den Knien im Blut der Sarazenen wateten, ist für den christlichen Chronisten keinerlei Anlaß zur Kritik an dem grausamen Vorgehen, sondern ein Beweis dafür, daß Gott auf Seiten der Christen stand.223 Die Deutung sarazenischer Bedrohungen als Gottes Strafe an den Sünden der Christen verleiht den Sarazenen aber doch einen Platz im göttlichen Heilsplan. In diesem Zusammenhang ist mehrfach auch ihre Bedeutung im 220
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Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 10,31, S. 74f., zum Vorgehen Raymunds in terra Saracenorum: et occidit omnes Saracenos et Saracenas, maiores et minores, quos ibi repperit. […] et de domo diabolica templum Deo uiuo et uero et oracula sanctorum consecraret. Vgl. auch ebd. 10,30, S. 73: Apprehenderunt igitur omnes illius loci colonos, et qui christianitatem recipere noluerunt, occiderunt; qui uero Christum recognoscere maluerunt, uiuos conseruauerunt. Ebd. 10,38, S. 92, zur Einnahme Jerusalems 1099: et inuaserunt Saracenos masculos et feminas, decollantes eos nudis ensibus. Ebd. 9,29, S. 71: et iniit pactum cum domino Boamundo, ut pagani qui uellent Christianitatem recipere essent cum eo, et qui uellent abire, sanos et absque ulla laesione abire permitteret. Consensit ille quicquid ei postulauit, et continuo misit suos seruientes in castellum. Non post multos dies baptizatus est ammiralius, cum illis qui Christum recognoscere maluerunt. Illos uero qui suas uoluerunt tenere leges, fecit dominus Boamundus conduci in Saracenorum terram. Frutolf von Michelsberg, Chronicon a. 1098, S. 210: De hostibus vero ibi repertis quid actum sit, si quis nosse querit, sciat, quia in porticu quae dicitur Salomonis et in templo eius victores equitabant in sanguine Sarracenorum usque ad genua equorum. […] Nec mora; clamantibus ad se Deus affuit atque tantas audaciae vires ministravit, ut, qui eos in hostem currere videret, fontem aquae vivae sitientem cervum segnem adiudicaret.
4. Religiöse Wahrnehmung und Kennzeichnung: Das Wissen über den Islam
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eschatologischen Endzeitdenken betont worden,224 eine Vorstellung, die vor allem im islamischen Spanien (bei Eulogius und Paulus Alvarus) auftaucht.225 Jean Flori folgert zwar: „L’islam joue en revanche un rôle majeur dans la seconde méthode de détermination du temps de la fin, bien plus répandue et plus conforme à la nature même de l’Apocalyptique: la chronologie donnée par Dieu dans ce but même. Or, dès l’apparition de l’islam, toutes les données apocalyptiques tenues pour signes de la fin concourent à lui attribuer un rôle eschatologique important.“226 Tatsächlich mochten die Kämpfe gegen die Muslime immer wieder eschatologische Erwartungen wecken oder (mehr noch) prophetisch auf die Endzeit anspielen. Gerade die breit angelegte Monographie Floris zeigt letztlich aber, daß der Islam nicht im Mittelpunkt des eschatologischen Denkens stand.227 Ein solcher Eindruck entsteht erst dann, wenn man die (oft eher vagen) Anspielungen auf die Endzeit konkret auf die Sarazenen bezieht. Die in all diesen Beispielen deutlich werdende Wahrnehmung des Islam als Religion aber wirft die Frage auf, was man überhaupt von dieser anderen Religion wußte.
4. Religiöse Wahrnehmung und Kennzeichnung: Das abendländische Wissen über die Anfänge, die Ausbreitung und die weitere Geschichte des Islam a. Das Wissen über Mohammed und die Anfänge des Islam Durch eine Reihe überblicksartiger und spezieller Arbeiten ist das christliche Mohammedbild bereits recht gut bekannt.228 Es lohnt sich dennoch, es, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne genauere Analyse der jeweiligen Abhängigkeiten, noch einmal zu verfolgen und mit Beispielen zu veranschaulichen, vor allem soweit diese das abendländische Islambild an sich 224
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Vgl. dazu ausführlich Flori, L’Islam et la Fin des temps; vgl. auch Sénac, L’Occident médiéval S. 33ff., zu den Beatuskommentaren. Vgl. Southern, Western Views of Islam S. 21ff. Flori, L’Islam et la Fin des temps S. 407. Auch Wolf, Muhammad as Antichrist S. 14ff., betont, daß zwar die islamische Gesellschaft insgesamt als antichristlich betrachtet wurde, das aber nicht zwingend eschatologisch zu verstehen sei. Vgl. oben Anm. 33.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
charakterisieren, weil es die ganze Vielfalt christlicher Polemik aufzeigt. Die wichtigsten, bereits von anderen bearbeiteten Mohammedbilder des Orients und des mozarabischen Spanien werden als Hintergrund für einen Vergleich vorangestellt. Dabei scheint sich die Forschung darin einig zu sein, daß ein christliches (zunächst christlich-orientalisches und spanisch-mozarabisches) Mohammedbild auf islamische Mohammedviten zurückgreift,229 die ihrerseits relativ spät, nämlich erst seit dem 8. Jahrhundert, verbreitet werden.230 Deren Darstellung wird allerdings negativ umgedeutet. In der christlichen Tradition brandmarkt Johannes von Damaskus (ca. 650–750) Mohammed [Mamed] als Pseudopropheten und schafft damit eines der immer wieder aufgegriffenen Kennzeichen des Mohammedbildes, enthält sich ansonsten aber noch einer scharfen Polemik, wie sie später üblich wurde, wenngleich auch er den Islam verurteilt.231 Zwei weitere Merkmale fügt der griechische Autor Theophanes (um 760–817/818) hinzu, wenn er Mohammed nicht nur als Waisenkind – eine Deutung, die auf Sure 93,6 ff. zurückgeht – kennzeichnet, das in den Dienst der reichen Witwe Khadidja trat und diese später heiratete, sondern auch als Epileptiker, der die Visionen Gabriels erfand, um seine Krankheit vor seiner Frau zu verschleiern. Solche Stereotype wirkten im christlichen Mittelalter vielfach weiter. Im Orient und in der spanischen Tradition tritt als viertes (aber wohl selteneres) Element noch das Bild Mohammeds als Antichrist hinzu.232 Solche Berichte stehen der islamischen Tradition durchaus nah, werden jedoch tendenziös verfärbt.233 Zurückhaltender berichten christliche Chroniken wie die Chronica Byzantia-Arabica (Chronik von 741) mit der einfachen, noch nicht abwertenden Nachricht, Mohammed (Mahmet), ein edler, kluger und zukunftsträchtiger Mann aus
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Vor allem auf die Mohammedbiographie des Ibn Ishaq. Wie schwierig und allmählich sich die islamische Mohammedüberlieferung ausgestaltet hat, zeigt jetzt Tilman Nagel, Allahs Liebling. Ursprung und Erscheinungsformen des Mohammedglaubens, München 2008; zu Mohammed selbst Ders., Mohammed – Leben und Legende. Nach Engels, Bild des Propheten Mohammed S. 252 erfindet Johannes nichts Neues, sondern wendet die islamische Überlieferung ins Negative. Zur Deutung Mohammeds als Pseudoprophet seit dem 12. Jahrhundert vgl. Daniel, Islam and the West S. 47–78. Vgl. Tolan, Saracens S. 45ff.; Ders., Étude comparée S. 354ff.; Kenneth Baxter Wolf, Muhammad as Antichrist in Ninth-Century Córdoba, in: Meyerson/ English (Hg.), Christians, Muslims and Jews S. 3–19. So Engels, Bild des Propheten Mohammed S. 256.
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ihrem Volk, der sogar gewisse künftige Geschehnisse voraussah, übe den „Prinzipat“ über die Sarazenen aus,234 die ihn als Apostel und Propheten Gottes verehrten und seinen Gesetzen gehorchten.235 Im mozarabischen Spanien sind auch die frühesten lateinischen Mohammedviten entstanden236 (‚Istoria de Mahomet‘; ‚Tultusceptru de libro domni Metobii‘; Eulogius von Córdoba, der auf der ‚Istoria de Mahomet‘ fußt, aber auch auf Johannes von Damaskus zurückgreift; im 12. Jahrhundert dann die Mohammeddarstellung im fünften Kapitel der ‚Dialogi‘ des Petrus Alfonsi). Die wichtigsten Etikette – Mohammed wird als Häresiarch, Pseudoprophet und Antichrist charakterisiert – entstammen inhaltlich der Kontroverse mit Arius und der arianischen Häresie237 (und haben in der Folge gelegentlich zu einer Parallelisierung beider Glaubensrichtungen geführt). Die beiden ältesten, recht kurzen „Mohammedviten“ hat Kenneth Wolf bearbeitet und ediert.238 Beide sind anonym in einer Handschrift des 234
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Chronica Byzantia-Arabica 13, 1973, S. 9: Adgregata Sarracenorum copiosissima multitudo Syriae, Arabiae et Mesopotamiae prouincias inuaserunt, supra ipsos principatum tenente Mahmet nomine, de tribu illius gentis nobilissima natus, prudens admodum uir et aliquantorum futurorum prouisor gestorum. Danach wörtlich Chronica Muzarabica 13, S. 9. Ebd. 17, S. 9: Quem hactenus tanto honore et reuerentia colunt, ut Dei apostolum et prophetam eum in omnibus sacramentis suis esse scriptisque adfirment. Vgl. oben Anm. 106 und 107 zu den sich anschließenden Berichten über die ersten Kalifen. Deutlich schärfer demgegenüber das nordspanisch-christliche Chronicon Albeldense 14,24, S. 160: Tunc nefandus Mahomat in Africa nequitiam legis stultis populis praedicabat. In einer Randnotiz, ebd. 18,7, S. 185, heißt es ähnlich abwertend: Mahomat nequissima profeta. Vgl. Kenneth Baxter Wolf, The Earliest Latin Lives of Muhammad, in: Michael Gervers/Hamzi Jibran Bikhazi (Hg.), Conversion and Continuity. Indigenous Christian Communities in Islamic Lands, Eighth to Eighteenth Centuries (Papers in Mediaeval Studies 9), Toronto 1990, S. 89–101; Ders., Christian Views S. 93f. und 100f; Tolan, Étude comparée S. 361f. Zu Eulogius und seinen Quellen: Janna Wasilewski, The ‚Life of Muhammad‘ in Eulogius of Córdoba: some evidence for the transmission of Greek polemic to the Latin west, in: EME 16, 2008, S. 333–353; vgl. auch Christys, Christians in al-Andalus S. 62ff. Vgl. dazu Wolf, Earliest Spanish Christian Views S. 291ff. Wolf, The Earliest Latin Lives, dem ich hier folge. Edition nach dem Codex von Roda und Übersetzung der ‚Istoria‘ ebd. S. 96ff., des ‚Tultusceptru‘ S. 99f. Beide Viten hat schon vorher auf der Grundlage aller Handschriften ediert: Manuel Cecilio Díaz y Díaz, Los textos antimahometanos más antiguos en codices españoles, in: Archives d’Histoire Doctrinale et Littéraire du Moyen Âge 37, 1970, S. 149–164
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11. Jahrhunderts aus Roda überliefert, so daß Autor und Entstehungszeit unsicher bleiben, gehören aber wohl dem 9. Jahrhundert an. Die ‚Istoria de Mahomet‘ ist jedenfalls älter als die Mohammedvita des Eulogius von Córdoba, der sie benutzt und in seinen ‚Liber apologeticus martyrum‘ eingefügt hat (und demnach vor 850 enstanden).239 Ihr Autor stammt vielleicht aus Andalusien, möglicherweise aber auch dem christlichen Norden, die Handschrift jedenfalls aus Navarra (Leyre). Die ‚Istoria‘ bezeichnet Mohammed wieder als „Pseudopropheten“ und stellt ihn, als Waisen, in den Dienst einer reichen Witwe, die er später heiratete. Auf seinen Handelsreisen erhielt er Kenntnis des Christentums. Nach seinen Visionen des Erzengels Gabriel befahl er seinen Anhängern – sie werden hier, wie dann vielfach in den Chroniken Alfons’ III. und anderen spanischen Chroniken, „Chaldäer“ genannt – den Kampf gegen Byzanz und errichtete Damaskus als Hauptstadt. Die Vita bringt gegenüber den griechisch-orientalischen Versionen zwar nichts überraschend Neues, ist aber eindeutig und stärker negativ gefärbt: Mohammed ist „Häresiarch“, „ein schlauer Sohn der Finsternis“ (astutior tenebre filius), er hatte Visionen „aus dem Geist des Irrtums in Gestalt eines Geiers“ (erroris spiritus in specie uulturis), der sich als Erzengel Gabriel ausgab. Darüber hinaus wird ihm moralische Verwerflichkeit vorgeworfen, wenn er Ehebruch mit der Frau seines Nachbarn Zayd beging (ein Vorwurf, der sich ebenfalls schon bei Johannes von Damaskus findet). Bemerkenswert ist außerdem die Darstellung seines Todes: Mohammed hatte (in deutlicher Anlehnung an Tod und Auferstehung Christi) vorausgesagt, daß er binnen drei Tagen wiederauferstehen werde. Diese Prophezeiung erfüllte sich jedoch nicht. Sein Leichnam zerfiel, und die Anhänger zogen ab, um den Engeln freien Zutritt zu gewähren. Statt dessen kamen jedoch Hunde und zerfleischten den Leichnam. Hinter solch deutlicher Polemik schimmert gleichwohl auch ein Wissen um die islamische Tradition durch.240 Wenn Mohammed seinen Anhängern befahl, ut ab idolorum cultura recederent et Deum corporeum in celis adorarent, dann hebt der Autor
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(Edition der Vita S. 157–159, des Tultusceptru S. 163f.). Die „Mohammedvita“ des Eulogius findet sich in Eulogius, Liber apologeticus martyrum 16, ed. Juan Gil Fernandez, Corpus scriptorum Muzarabicorum 2, Madrid 1973, S. 483ff.; vgl. auch Ders., Memoriale sanctorum 2,2, ebd. S. 398f. Zur Datierung in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts vgl. Isabel Benedicto Ceinos, Apendice: Sobre la data y origen de la Historia de Mahoma, ebd. S. 165–168, die mit Díaz y Díaz eine Entstehung im Riojagebiet annimmt. Das betont zu Recht Wolf, Earliest Latin Lives S. 90.
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die Muslime vom bisher dort vorherrschenden Heidentum ab, läßt sie jedoch weiterhin einen „körperlichen Gott“ verehren. Gleichzeitig transformiert er Mohammed in das „Gegenbild eines Propheten“, der die Muslime vom Heidentum in die Hölle führt. Der Islam wird dadurch „the diabolical message of a deluded false prophet“.241 Petrus Alfonsi greift solche (und weitere) Traditionen im frühen 12. Jahrhundert auf und macht sie in seiner weit verbreiteten Schrift damit im Abendland bekannt.242 Auch hier ist Mohammed Waise, der unter der Obhut seines noch heidnischen Onkels Manephus stand, ehe er in den Dienst der reichen Witwe Khadidja trat, ihr Vertrauen gewann und sie heiratete. Dadurch wurde er reich und überheblich. Petrus fügt dem nun eine politische Variante der (absichtlichen) Täuschung hinzu: Mohammed habe tatsächlich König der Araber werden wollen, fürchtete aber, daß seine mächtigen Stammesleute ihn nicht anerkennen würden, und gab deshalb vor, Prophet zu sein. Bei diesem Vorhaben wurde er von einem christlichen, aber häretischen Archidiakon namens Sergius in Antiochia und zwei jüdischen Häretikern (Samaritern) namens Abdia und Chabalahabar unterwiesen. Petrus benennt sogar die Häresie: Sergius ist Jakobiter (eine Sekte, welche, wie er eigens erklärt, an der Beschneidung festhält und die Gottheit Christi bestreitet). Diese drei mischten nun das „Gesetz“ Mohammeds zusammen, der seine häretische Lehre anschließend mit Waffengewalt verbreitete. Im Gegensatz zu den (wahren) Propheten vollbrachte er keinerlei Wunder – im Koran werde nicht ein einziges berichtet –, sondern lebte ein Leben voller Ungerechtigkeit und Raub, sexueller Begierde und Prunksucht und schreckte selbst vor einem Ehebruch mit Zanad, der Frau Zayds, nicht zurück. Die Todespolemik greift Petrus in gemäßigterer Form auf, ohne seine Todesart zu schildern: Die Erwartung einer Auferstehung nach drei Tagen erfüllte sich nicht, so daß seine Anhänger bereits zu zweifeln begannen, als Mohammeds Vertrauter Ali das damit erklärte, daß die Engel die Leiche nicht am dritten Tag nach dem Tod, sondern erst am dritten Tag nach der Beerdigung
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So ebd. S. 94. Das ‚Tultusceptru‘ beschränkt sich im Wesentlichen auf die Visionen, die es einem „Papst Osius“ zuschreibt, dessen Name von dem Engel in Mohammed verändert wurde. Petrus Alfonsi, Dialogi 5, S. 62–73. Vgl. dazu Tolan, Petrus Alfonsi S. 29ff.; Hotz, Mohammed S. 60–70. Anlaß des 5. Titulus dieses „Zwiegesprächs“ zwischen Moyses und Petrus (dem vormals jüdischen und dem zum Christentum konvertierten Autor) ist die Frage des Moyses, weshalb Petrus zum Christentum und nicht zum Islam übergetreten ist.
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holen würden, man ihn also bestatten müsse. Petrus mag weitgehend rational und emotionslos argumentieren. Doch auch für ihn ist Mohammed, wie er gleich zu Beginn klarstellt, nur aus schlauer Verstellung Prophet (callida simulatione prophetam se confinxerit) und seine Lehre nichtig (doctrinam inanem).243 Mohammed, so schließt Petrus den Diskurs, ist kein Prophet, sondern ein Lügner, der Christus leugnet.244 Erstaunlich detailliert, aber abgrenzend und diffamierend ist das Mohammedbild in einer späteren Quelle zusammengefaßt und erweitert, die als Fortsetzung der Chronik Isidors von Sevilla überliefert ist und von Migne noch dem 7. Jahrhundert zugeordnet und möglicherweise Ildefons von Toledo zugeschrieben wurde, tatsächlich jedoch dem 3. Buch der Weltchronik des Lukas von Tuy aus dem 13. Jahrhundert entstammt (um 1240).245 Sie soll dennoch berücksichtigt werden, nicht nur, weil die bisherigen Traditionen hier zu einem bissigen Gesamtbild verdichtet sind, sondern weil der Abschnitt auf eine ältere Quelle zurückgehen muß, deren Datierung und Darstellung wir allerdings nicht kennen.246 „Damals erhob sich ein ungerechter (Volks-)Prediger, der aus Arabien stammte, namens Mohammed. Als dieser schlimme Verführer sah, daß Zwietracht zwischen Orientalen und Römern herrschte, erhob er sich gegen Gott und das Reich der Christen, ermunterte verführerisch das Volk der Araber und sagte, sie müßten sich nicht der Herrschaft eines anderen Volkes unterwerfen, weil Gott sie dafür vorgesehen habe, ihnen einen wohl-
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Petrus Alfonsi, Dialogi 5, S. 65. Ebd. S. 73: Omnibus ergo modis, o Moyses, possumus agnoscere eum neque verum prophetam esse neque dicta illius vera fore. […] Quomodo ergo illum mendacem me credere hortaris, cum in omnibus fallacem inveneris? Vgl. dazu die Einleitung von Emma Falque, Lucae Tudensis Chronicon mundi, CCM 74, Turnhout 2003, S. XLIXff. Nur der erste Teil dieses Buches geht auf Ildefons von Toledo zurück. Zu den hier zu besprechenden Abschnitten vgl. ebd. S. LIff. Zum Autor vgl. Matthias Maser, „Hispania“ und al-Andalus. Historiographische Selbstpositionierungen im Spannungsfeld von Identität und Alterität, in: Tischler/Fidora (Hg.), Christlicher Norden – Muslimischer Süden S. 363–388, hier S. 366ff.; zum Mohammedbild Richard, L’islam et les musulmans S. 111ff. Dafür sprechen nicht zuletzt die Parallelen zu Hugo von Fleury, dessen Position gleich noch zu behandeln ist und dem eine solche Überlieferung bereits im 12. Jahrhundert vorgelegen haben muß. Vgl. unten Anm. 269. Zu den Traditionen der hier verarbeiteten Motive vgl. Fernando González Muñoz, La leyenda de Mahoma en Lucas de Tuy, in: Maurilio Pérez González (Hg.), Actas III Congreso Hispánico de Latín Medieval (León, 26–29 de Septiembre de 2002). Bd. 1, León 2002, S. 347– 358.
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wollenden Führer aus dem eigenen Volk zu gewähren, den sie als Bruder haben würden und mit dem Gott selbst spreche.“247
Hier werden alle wichtigen Elemente des Mohammedbildes aufgenommen und weiterentwickelt: Mohammed wird als Verführer verunglimpft, seine Religionsstiftung aber wie bei Petrus Alfonsi als eine politisch-taktische Tat hingestellt, die Spannungen zwischen Byzanz und dem Orient ausnutzt, um die Fremdherrschaft der Byzantiner abzuschütteln. Dank einiger, mit magischen Künsten bewirkter Wunder wurden die geistlosen, tierähnlichen Ismaeliten „vom Guten zum Bösen verwandelt“. Sie verließen den katholischen (!) Glauben, begannen Mohammed zu glauben und verehrten ihn dermaßen, daß sie ihn für einen von Gott gesandten Propheten hielten, ihn zum König erwählten und sich von seinen Verführungen und vorgetäuschten Tugenden täuschen ließen. „Er war nämlich schön, beredt und stark und mit magischen Künsten vertraut.“ 248 Der Islam tritt nach diesem Bericht also nicht an die Stelle des Heidentums, die Muslime sind vielmehr christliche Apostaten. Mohammed selbst – und hier greift der Autor die bekannte Genealogie auf – soll über Ismael aus dem Geschlecht Abrahams abstammen. In jungen Jahren war er Kaufmann gewesen, der mit seinen Kamelen häufig nach Ägypten und Palästina kam, dort mit Juden und Christen, vor allem mit einem Mönch aus Antiochien namens Johannes zusammentraf, von dem er etwas über das Alte und Neue Testament erfuhr. In der Provinz Corrozania (Khorazan nö. Persien) aber lernte er Khadidja (Hadiga) kennen, die der Autor zur Königin dieser Provinz macht (!) und die Mohammed mit seinen Beschwörungen ebenfalls verzauberte, indem er ihr vorgaukelte, er sei der Messias, auf den die Juden warteten. Mit ihrer und jüdischer Unterstützung konnte er alle Ismaeliten und Araber überzeugen, indem er ihnen 247
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Lukas von Tuy (Lucas Tudensis), Chronicon mundi 3,5, ed. Emma Falque, CCM 74, Turnhout 2003, S. 166: Tunc surrexit quidam iniquus concionator, ortus in Arabia, nomine Mahumet. Qui pessimus seductor uidens inter Orientales et Romanos ortam discordiam, se contra Deum erexit et Christianorum imperium, seductorie ortans gentes Arabum atque dicens non debere alterius gentis dominio subiugari, quia Dominus illis esset prouisurus, de suo genere ducem beniuolum concedendo, quem haberent ut fratrem, cum quo etiam Dominus loqueretur. Ebd.: Hec et his similia cum predicaret illis uerbis suasoriis et uirtutes quasdam simulatas et miracula artibus magicis facere uideretur, extimplo Hismahelite, sicut bruta animalia, quibus non est intellectus, paulatim de bono in malum mutati, derelicta fide catholica ceperunt ei credere. et eum in tanta ueneratione habere, ut eum prophetam predicarent a Deo missum, et sibi eligerent regem, simulatis illius seducti miraculis et facundia decepti. Erat enim pulcher, facundus et fortis et magicis artibus ualde inbutus.
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aus dem Alten und dem Neuen Testament ein neues Gesetz zusammenstellte und dabei die göttlichen Schriften entstellte. Die Sarazenen aber hielten das für das Gesetz Gottes und ihn selbst für ihren Gesetzgeber und Gottesboten. Alle, die sich dem entgegenstellten, sollten mit dem Schwert bestraft werden (womit zugleich die Angriffslust und der Siegeszug des Islam erklärt wäre).249 Khadidja aber heiratete ihn und machte ihn zum König, so daß er beides, den Titel eines Propheten und eines Königs, usurpierte.250 Täuschung, Heuchelei und politisches Kalkül bestimmen hier das Mohammedbild. Dem schließen sich weitere, oft aufgegriffene Elemente an: Mohammed verfiel immer mehr der Epilepsie. Um seine Frau darüber hinwegzutäuschen, gab er vor, daß der Engel des Herrn, Gabriel, ihm erscheine. Tatsächlich (so interpretiert der Autor) sei ihm jedoch der Teufel in Gestalt des Lichtengels erschienen und habe ihm die Zukunft vorhergesagt, darunter 249
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Ebd. S. 166f.: Iste Machometus Sarracenorum et Arabum princeps, ut fertur, fuit de genere Ismahel filii Abrahe. Qui cum in adolescencia cepisset esse mercator prouidus, pergebat frequenter cum camelis suis apud Egiptum et Palestinam, et morabatur cum Iudeis et Christianis, et maxime cum quodam monacho Antioceno supersticionis amico, qui uocabatur Iohannes, a quo tam Nouum quam Vetus superficialiter et supersticiose didicit Testamentum. Et cum hac illacque cum diuersis speciebus aromatum et diuiciarum causa lucri pergeret, contigit ut Corrozaniam ingrederetur prouinciam. Cuius prouincie domina, que Hadiga uocabatur, ut uidit iuuenem, primo in illius pulcritudine et eloquencia mente capta, cepit diuersas species, quas secum Machometus attulerat, contemplari et ei familiarius aderere. Quam Machumet caute incantacionum suarum perstrinxit fantasmate et astute paulatim cepit ducere in errorem, dicens ei, quod ipse esset Messias, quem uenturum expectabant Iudei. Auxiliabantur ei non solum regina Hadiga, que ab eo decepta erat, sed etiam multi Iudeorum, qui ad eum de diuersis partibus concurrebant. Omnes etiam Ismahelite et Arabes cateruatim confluebant ad illum, attoniti tanta nouitate rei. Quibus cepit nouas leges fingere, eisque tradere, adibens ipsis nefandis legibus de utroque Testamento corrupta testimonia. Ideo diuine pagine auctoritates peruertit, ut tam Christianis quam Iudeis cum Sarracenis aditum precluderet disputandi. Dedit etiam suis edictum, ut quicumque alia quam ea que ab illo acceperant, predicare[n]t, animaduersione gladii puniretur. Huius sacrilegas tradiciones Sarraceni Dei leges appellant, eumque suum legislatorem et nuncium Dei fatentur. Ebd. S. 167: Prefata quoque Hadiga cum uideret illum Iudeorum et Sarracenorum pariter contubernio uallatum, existimabat in illo diuinam latere potenciam, et cum esset uidua, accepit eum sibi maritum et ipse Mahumet nomen regis assumpsit sibi imposito diademate regni. Cepit deinde se in armis gerere strenue, et regis ac prophete sibi nomen et insignia usurpare.
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auch, daß er Spanien betreten und in Córdoba „die Sekte seines Untergangs belehren werde“.251 (Der spanische Autor sieht hier also eine frühe Wirkungsstätte des Propheten.) Er wurde von Erzbischof Isidor (!) verfolgt, konnte aber nach Afrika und Arabien fliehen, hier viele Völker verführen, die Herrschaft über die Ismaeliten übernehmen und mit ihnen das Römische Reich verwüsten. Dabei erkannte Mohammed die Jungfrauengeburt Jesu durchaus an, bestritt aber seine Göttlichkeit.252 Christusähnliche Züge schreibt der Autor Mohammed zu, wenn dieser glaubte, im zehnten Jahr seiner Herrschaft zu sterben, aber nach drei Tagen wiederaufzuerstehen. Daraufhin vergiftete ihn sein Schüler Albimor, um zu erkunden, ob diese Prophezeiung tatsächlich eintreffen werde (eine Parallele zum Verrat des Judas). Doch die Leiche entwickelte einen solchen Gestank, daß Mohammeds Jünger dort nicht länger verweilen konnten. Nach elf Tagen fand Albimor den Leichnam von Hunden zerfressen vor und bestattete die Knochen unter großer Anteilnahme der Sarazenen in Medina.253 Diese späte Nachricht greift alle bekannten Elemente des Mohammedbildes auf, um sie zugleich in einer geradezu sarkastischen Weise ins Negative zu verzerren.
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Ebd. S. 167f.: Post hec uero cepit cadere frequenter caduco morbo et epilentica passione. Quod regina Hadiga cernens, admodum tristabatur, eo quod nupsisset homini quem credebat arreptione demonum laborare. Ille autem astute leniendo decipiebat eam dicens: ‚quia angelum Domini Gabrielem mecum loquentem contemplor, et non ferens splendorem uultus eius, utpote carnalis homo, deficio et cado.‘ Hec dicens, quedam signa et miracula magicis artibus facere nitebatur. Verumtamen, ut fertur, diabolus transfigurans se in angelum lucis, quedam ei predicebat futura. Vnde est ut in exordio sue subdole predicationis adiret Yspaniam, et Cordube sue perditionis sectam doceret. Ebd. S. 168: Dicebat enim Ihesum Christum Dominum de uirgine esse natum operatione Spiritus Sancti, non tamen esse Deum. Ebd. 3,6, S. 169: Decimo autem regni sui anno, quia dixerat se moriturum et tercia die resurrecturum, Albimor discipulus eius uolens experiri utrum uere a morte resurgeret, callide Machometo efficacissimum uenenum obtulit, quo statim repentina mutatione Machumet mortis sue terminum sensit. Vnde quibusdam sibi astantibus dixit quod per aquam remissionem acciperent peccatorum, et statim mortuus est. Discipuli uero eius diligenter custodiebant corpus ipsius, exspectantes quod resurgeret. Sed nimio erumpente fetore, cum iam sustinere non possent, eis abscedentibus Albimor post undecimam diem reperit corpus eius a canibus dilaniatum, et diligenter colligens ossa illius cum magno Sarracenorum conuentu sepeliuit eum in Medina Rassul, que Latine ‚ciuitas nuntii‘ dicitur.
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Im Abendland hatte man zunächst nur eine ungenaue Kenntnis von Mohammed. Tatsächlich gibt es hier nur sporadische Zeugnisse. So schreibt noch Rodulf Glaber anläßlich der Gefangennahme des Abtes Maiolus von Cluny im Jahre 972 durch Sarazenen, diese läsen die Propheten der Hebräer und Christen und glaubten, daß die Weissagungen des Alten Testaments sich „in einem der ihren, den sie Mahomed nennen“ erfüllt hätten.254 Auch wenn – gegen die herrschende Forschungsmeinung – Mohammed selbst manchen Chronisten bekannt war, entwickelte sich eine genauere „Kenntnis“ über den Propheten nur langsam. Dabei richtete sich die Polemik auch hier zum einen gegen sein ausschweifendes, unmoralisches und betrügerisches Leben, zum andern bestritt man sein Prophetentum und machte den Islam damit zu einer falschen Lehre.255 Die Legendenbildung um Mohammed wurde vor allem über die lateinische Übersetzung der griechischen Chronographie des Theophanes durch den päpstlichen Bibliothekar (und zeitweiligen Gegenpapst) Anastasius Bibliothecarius im 9. Jahrhundert bekannt, der Mohammed anläßlich seines Todes als „Fürst und Pseudopropheten der Sarazenen oder Araber“ und als Epileptiker charakterisiert. Mit der Behauptung, der Erzengel Gabriel sei ihm erschienen, habe Mohammed diese Krankheit verschleiern wollen.256 Diese Charakterisierung griffen zunächst, in enger, weitgehend wörtlicher Anlehnung an Anastasius, Lan-
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Rodulf Glaber, Historiae 1,9, S. 20: Siquidem Sarraceni Hebreorum, quin potius Christianorum, prophetas legunt, dicentes etiam completum iam esse in quodam suorum, quem illi Mahomed nuncupant, quicquid de uniuersorum Domino Christo sacri uates predixerunt. Als ein Sarazene auf die Bibel des Maiolus trat, wurde er von den anderen streng bestraft: Der Fuß, mit dem er auf die Bibel getreten hatte, wurde ihm abgehauen. Vgl. dazu Engels, Bild des Propheten Mohammed 252. Seit Southern, Western Views S. 28, gilt das als die erste Erwähnung des Namens in einer lateinischen Chronik (vgl. unten Anm. 278). Wie gleich zu zeigen ist, ist diese Ansicht falsch. Vgl. Daniel, Islam and the West S. 47–106; Noth/Ehlert, Muhammad. Theophanis Chronographia, ed. Carolus de Boor, Bd. 2, Leipzig 1885, ND Hildesheim 1963, besonders a. 622, S. 208ff., zum Tod des Saracenorum, qui et Arabum, princeps et pseudoproheta. Vgl. dazu die Arbeiten Ekkehart Rotters sowie Tolan, Saracens S. 135–169. Zu Quellen und Quellenwert des Theophanes über die islamische, kaum zeitgenössisch überlieferte Geschichte (das Islambild wird daher nur am Rande berührt) vgl. Wolfram Brandes, Der frühe Islam in der byzantinischen Historiographie. Anmerkungen zur Quellenproblematik der Chronographia des Theophanes, in: Goltz/Leppin/Schlange-Schöningen (Hg.), Jenseits der Grenzen S. 313–343.
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dulfus Sagax in seiner vor 1023 (bzw. zwischen 976 und 1023) verfaßten „Historia Romana“257 und am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts, in Auszügen aus Landulfus, dann Frutolf von Michelsberg, Sigebert von Gembloux sowie Hugo von Fleury (in einem von Benjamin Kedar verfügbar gemachten Abschnitt seiner noch ungedruckten Chronik) auf.258 Auf diesem Wege – und nicht nur über die spanischen Mohammedviten – werden die aus den Kontaktzonen bekannten Charakterisierungen auch in das Abendland vermittelt. Alle diese Autoren bezeichnen Mohammed – Hugo nennt ihn arabisierend Mu(h)amet(h) – wieder als Pseudopropheten (pseudopropheta). Für Landulf ist er Arabum seu Saracenorum princeps, der bei den Persern lebte.259 Erst anläßlich seines Todes gibt er einen Rückblick auf sein Leben und Wirken: Dieser Mohammed war „Ismaelit“ und stammte von Abrahams Sohn Ismael ab (und Landulf verfolgt diese Linie von Ismaels Urenkel Nizarus weiter bis zu Asadus). Das ganze Geschlecht handelte mit Kamelen. Mohammed selbst war ein armer Waise, der in den Dienst seiner reichen Verwandten Khadidja trat und in ihrem Auftrag in Ägypten und Palästina mit Kamelen handelte. Dabei traf er mit Juden und Christen zusammen und lernte ihre Schriften kennen. Allmählich gewann er das Vertrauen der reichen Witwe, so daß sie ihn schließlich heiratete und er über ihre Kamele und ihren Besitz verfügte.260 Doch Mohammed litt an Epilepsie. Als seine Frau 257
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Landulfus Sagax, Historia Romana 20,58ff., S. 132ff. Zur Quelle und zu Landulfs Aussagen vgl. Rotter, Mohammed in Bamberg S. 287ff. Tolan und andere einschlägige Studien berücksichtigen diese wichtige Chronik nicht. Vgl. Rotter, Mohammed in Bamberg S. 337ff. Hugo von Fleury, Historia ecclesiastica, ist in zwei Versionen (von 1109 und 1110) in zwei Handschriften des 12. Jahrhunderts (BN lat 4963 und BN lat. 14625) überliefert. Die entsprechenden Passagen der noch unedierten Chronik sind bei Kedar, Crusade and Mission S. 208ff., in Paralleldruck der Versionen publiziert. In der jüngeren Version wird – neben stilistischen Glättungen – einiges hinzugefügt, anderes weggelassen. Landulfus Sagax, Historia Romana 20,51, S. 128 (gemäß Anastasius Übersetzung von Theophanes, Chronographia tripertita S. 204). Ebd. 20,59, S. 133 (nach Anastasius S. 209): Cum autem inops et orfanus predictus esset Muhammad, uisum est sibi ad quedam introire mulierem locupletem et cognatam suam, nomine Chadigam, mercennarius ad negotiandum cum camelis apud Egyptum et Palestinam. Paulatim autem fiducia penes ipsam perceptam mulierem, que uidua erat, et accepit eam uxorem et habuit camelos illius atque substantiam. Cumque ueniret in Palestinam, conuersabatur cum Iudeis et Christianis. Capiebat autem ab eis quasdam scripturas.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
darüber traurig wurde, suchte er sie mit der Ausrede zu beruhigen, er habe Visionen und höre den Engel Gabriel; dabei werfe er sich nieder, weil er dessen Glanz nicht ertragen könne. Als ihr ein verbannter Pseudomönch bestätigte, daß dieser Gabriel stets zu Propheten gesandt würde, glaubte sie ihm und verbreitete die Kunde zunächst unter den Frauen und dann auch unter den Männern, bis sie schließlich zu Ab Bakr, dem künftigen Nachfolger Mohammeds, gelangte.261 Zehn Jahre hielt sich die Häresie im Verborgenen, zehn Jahre herrschte Krieg, davon neun Jahre offen. Dabei lehrte Mohammed, wer einen Feind erschlage oder von einem solchen erschlagen werde, gelange ins Paradies.262 Frutolf greift diesen Bericht nahezu wörtlich mit wenigen inhaltlichen Änderungen auf.263 So verkürzt er die Genealogie auf den Hinweis der Abstammung von Ismael und betont zusätzlich, daß das Handeln mit Kamelen in illis locis mos erat, erweitert die Charakterisierung als Pseudoprophet vor allem aber um die Ansicht, Mohammed sei von den Arabern
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Ebd. 20,60, S. 134 (nach Anastasius S. 209): Porro habebat passionem epylempsye. Quo comperto huius coniux oppido contristabatur, utpote nobilis et que se huiusmodi copularit egeno scilicet et epylemptico. Procurat uero ipse placare illam taliter dicens, quia: ‚Uisionem quandam angeli Gabrihelis‘ dicti contemplor et haud ferens huius aspectum mente ‚deficio et cado‘. Ipsa uero cum haberet alterum quendam propter infidelitatem ibidem exulem habitantem amicum suum, indicauit ei omnia et nomen angeli. At ille uolens eam reddere certam dixit ei: ‚Ueritatem locutus est; etenim iste angelus mittitur ad cunctos prophetas.‘ Ipsa ergo prima suscepto pseudomonachi uerbo credidit ei et predicauit id aliis mulieribus contribulibus suis prophetam eum esse; et aliter ex feminis fama uenit ad uiros, primo dumtaxat ad Ebubeher quem et successorem dimisit. Ebd. 20,61, S. 134: Et tenuit heresis eius partes Ethribi, postremo per bellum; nam primum quidem occulte annis decem, et bello similiter decem, et manifeste nouem. Docuit autem auditores suos quod qui occidit inimicum uel ab inimico occiditur in paradysum ingrediatur. Dem Tod Mohammeds fügt Landulf noch einen (schließlich abgebrochenen) Angriff der Araber auf Christen an (ebd. 20,62, S. 134f.). Zur Bedeutung dieser Paradiesaussichten in der christlichen Polemik vgl. Flori, La caricature de l’Islam S. 249f. Die Lehre, wer einen Feind töte, gelange ins Paradies, geht ebenfalls auf Theophanes zurück; vgl. Brandes, Der frühe Islam S. 318f. Frutolf von Michelsberg, Chronicon a. 612, S. 153. Danach ähnlich, aber weit kürzer, Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 630, ed. Ludwig Bethmann, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 323, und Annales Magdeburgenses a. 626, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 16, S. 129. Vgl. Klueting, Quis fuerit Machometus S. 295; Daniel, Islam and the West S. 47–78; Rotter, Mohammed in Bamberg S. 337ff.
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dennoch hochverehrt und anfangs sogar für den von ihnen erwarteten Christus gehalten worden.264 Sigebert von Gembloux verkürzt das auf wenige Sätze, fügt aber hinzu, daß Mohammed, der durch seine Häresie vom Waisenkind zur Herrschaft (regnum) aufstieg, im regnum Saracenorum sechs Prätoren einsetzte, die er Emire nannte. Er selbst trug ebenfalls diesen Titel und nannte sich erster Ratgeber (protosymbolus).265 Auf derselben Tradition fußt Hugo von Fleury, der jedoch einige bezeichnende Änderungen und Erweiterungen aus anderen Vorlagen vornimmt, die auch Lukas von Tuy vorgelegen haben müssen: So war Mohammed, der hier nicht als Waise bezeichnet wird und später die Führung (ducatus) der Agareni qui et Sarraceni innehatte,266 auch nach Hugo bereits vorher Kaufmann (mercator), der mit Kamelen handelte und auf seinen Reisen nach Ägypten und Palästina mit Juden und Christen verkehrte und mit ihnen über das Alte und Neue Testament diskutierte.267 Erst hier lernte er eben jene Khadidja kennen, die nun nicht einfach eine reiche Witwe war, sondern die Hugo (wie dann Lukas von Tuy) zur Herrin von Khorazan macht, und wurde ihr Vertrauter. Als Khadidja ihn heiratete, wurde Mohammed der Fürst dieser Provinz. Er erzählte ihr seine Hirngespinste (fantasmata) und behauptete, der Messias zu sein, auf den die Juden warteten; mit Hilfe seiner zauberischen Gaukeleien wie seines schlauen Erfindungsgeistes täuschte
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Frutolf von Michelsberg, Chronicon a. 612, S. 153: Hic erat pseudopropheta, sed apud illos magnus estimabatur, ita ut eciam in principio adventus eius estimarent, hunc esse illum qui ab eis exspectatur Christus. Zu Frutolf vgl. Rotter, Mohammed in Bamberg S. 337ff. Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 630, S. 323: Hoc tempore Arabum sive Saracenorum princeps erat Muhammad, qui pseudopropheta ex orphano et inope, per heresis suae prestigia ad regnum provectus est. […] Hic in regno Saracenorum quatuor pretores statuit, qui amirei vocabantur. Ipse vero amiras dicebatur vel protosimbolus. Hugo von Fleury, Historia ecclesiastica, ed. Kedar, Crusade and Mission S. 198: Tunc Agareni qui et Sarraceni dicuntur, Muameth pseudopropheta eis ducatum prebente […]. Muameth autem pseudopropheta erat Ismahelita. Die neuere Version ersetzt das, wohl im Wissen aus den Gegnern des Ersten Kreuzzugs, durch Sarraceni qui et Turci und nennt Mohammed im folgenden Sarracenorum et Arabum princeps. Ebd. S. 208f.: Qui cum in primeva etate sua mercator existeret, pergebat frequenter cum camelis suis apud Egiptum et Palestinam. Conversabatur itaque cum Iudeis et Christianis et tam novum quam vetus testamentum sepe colloquens eis callide rimabatur.
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er seine Frau ebenso wie die Juden.268 Als ihm Juden und Sarazenen zuströmten, erfand er neue Gesetze, die er aus dem Alten und Neuen Testament zusammenstellte und (nach der zweiten Version) leges Ysmahelite nannte.269 An dieser Stelle geht Hugo kurz auf deren Inhalt und auf die Glaubensinhalte ein, die er durch den Glauben an den Schöpfergott, den Beschneidungsritus und, wie Landulf und Frutolf, den Glauben an ein fleischliches Paradies charakterisiert sieht. Wer einen Feind dieses Gesetzes töte, sei ein Freund Gottes.270 Die Verbreitung des Glaubens über ganz Arabien wird hier übergangen, die Ausbreitung seiner Herrschaft über das Perserreich und bis nach Alexandrien erst in der zweiten Version beschrieben.271 Einen eigenwilligen Bericht bietet schließlich auch Hugo von Flavigny anläßlich der Geburt Mohammeds (Mahamet) im 5. Kaiserjahr des Hera268
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Ebd. S. 209: Tunc Muameth sumpta fiducia penes illam, cepit eam dementare, et incantationum suarum prestrictam fantasmate, paulatim in errorem inducere. Cepit enim predicare quod ipse esset Messias, quem esse venturum Iudei expectant, et astruebat sibi testimona de utroque testamento. Suffragabantur quoque ei tam incantationum prestigia quam calliditatis eius ingenia copiosa. Die inhaltlichen Parallelen zu Lukas von Tuy (vgl. oben Anm. 246) verweisen auf eine gemeinsame Quelle oder Tradition. Ebd.: Confluebant etiam ad eum Sarraceni cum Iudeis. Tunc cepit novas quasdam leges fingere et eis tradere. Der Satz stimmt fast wörtlich wieder mit Lukas von Tuy, Chronicon 3,5, überein; vgl. oben Anm. 249. Dem schließt sich bei Hugo S. 210, wie bei Landulf (oben Anm. 261), die Geschichte der Epilepsie und die – hier verkürzte – Vergewisserung Khadidjas an, daß Gabriel wirklich ein Engel sei. Die zweite Version übergeht die Nachfragen Khadidjas und schließt schlicht mit den Worten: Credidit ergo mulier et omnes Arabes et Hismahelite quod ex ore archangeli Gabrihelis illas susciperet leges. Ebd. S. 209f.: In quibus erat insertum creatorem Deum esse precipue colendum et circuncisionis ritum penitus observandum. Amenitatem etiam paradisi suis promittebat auditoribus et astruebat ‚paradysum carnalis cibi ac potus vini‘ scilicet ‚lactis et mellis et commixtionis mulierum‘ habere sufficientiam utpote ‚affluentem voluptatibus‘ omnium delitiarum. Docebat quoque illum esse Dei amicum qui legis ipsius inimicum interficeret. Ebd. S. 210: Demum vero Arabes ei adherentes regnum Persidis ceperunt infestare ac postmodum orientalis imperii fines usque ad Alexandriam super Heraclium invadere. Schon vorher hatte Hugo, an dieser Stelle chronologisch fehlplaziert, aber historisch richtiger, die Ausbreitung unter ‘Umar verkündet; ebd. S. 208: Unde divino iudicio Agareni, qui et Sarraceni dicuntur, Himmaro duce eius imperium graviter ceperunt lacerare. Nam Himmarus Damaschum et regionem Phenicis et Iherusalem totamque Syriam occupavit et Antiochiam comprehendit.
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kleios. Der Waise begab sich nach dem Tod von Vater und Mutter in die Obhut einer Witwe. Als er heranwuchs, besuchte er christliche Schulen, nahm an ihren Versammlungen teil und erzählte zu Hause den Männern seines Volkes, was er dort gehört hatte. Diese bewunderten wiederum seine Weisheit. Bis dahin sind die Elemente des Berichts bekannt, wenngleich sie hier wiederum neu und anders zusammengestellt sind. Dann aber greift auch Hugo, ohne auf Mohammeds Epilepsie anzuspielen, den Visionsbericht in einer ähnlichen Form auf, wie sie erst später bei Lukas von Tuy272 und schon vorher in der Passio der beiden Christenkinder Nunilo und Alodia begegnet:273 Als er eines Tages von einer solchen Versammlung zurückkehrte, erschien ihm der Teufel mit einem goldenen Mund und behauptete, er sei der Erzengel Gabriel und von Gott zu ihm gesandt, damit er seinem Volk predige, was er gehört habe und wisse. Daraufhin begann Mohammed zu predigen, und seine Zuhörer verließen die handgefertigten Götzen und beteten den Schöpfer an, der geschaffen hatte, was existiert. Als er viele Anhänger um sich gesammelt hatte, die ihn als Propheten verehrten, rief er sie zu den Waffen und unterwarf als König und Prophet, wen immer er zu unterwerfen vermochte. Er herrschte in Damaskus und die Hauptstadt seines Reichs war Babylon.274 Dem schließt sich der Fredegar entnommene Bericht über die Auseinandersetzungen mit Herakleios an.
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Vgl. oben S. 300f. Pasionario Hispánico 5, ed. Pilar Riesco Chueca (Filosofia y Letras 131), Sevilla 1995, S. 286–304, hier S. 288. Vgl. ausführlich zu den Aussagen dieser Legende über den Islam: Claudia Valenzuela, The Faith of the Saracens. Forms of Knowledge of Islam in the Christian Kingdoms of the North of the Iberian Peninsula until the 12th Century, in: Millennium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends nach Chr. 10, 2013, S. 311–330; Dies., Die Sarazenen als religiöse Feinde? Vielstimmigkeit und ambivalente Vorstellungen am Beispiel ausgewählter Schriften des 12. Jahrhunderts aus dem Norden der Iberischen Halbinsel, in: Bade/Freudenberg (Hg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern, S. 55–85. Hugo von Flavigny, Chronicon 1, S. 323: Anno Heraclii imperii 5. natus est Mahamet, qui cum esset infantulus, defunctis patre et matre, adhesit viduae quae et nutriebat. Cumque adolevisset cepit per scolas christianorum ire et auditoriis interesse, et quae ibi audiebat, domi hominibus gentis suae referebat. At illi mirabantur iam tum in eo sapientiam, cum audirent ab eo quae audierant. Die igitur quadam cum reverteretur ab auditorio, obviam habuit diabolum habentem os aureum, et dicentem se esse Gabrielem archangelum missum a Deo ad ipsum, ut praedicaret genti suae quae audierat et sciebat. Tunc cepit praedicare Mahamet, ut derelinquerent idola manu facta et adora-
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Hugo hat hier Elemente, die bei Landulf anklingen, aus anderen und zum Teil unbekannten Nachrichten erweitert und zu einem insgesamt eigenständigen Bericht verarbeitet. Neu in der abendländischen Wahrnehmung sind vor allem die Teufelserscheinung – der „Lichtengel“ wird hier zu einem Teufel mit goldenem Mund –, aber auch die – ganz unhistorische – Herrschaft in Damaskus und Babylon, mit der Hugo das Zentrum der Abbasiden (Bagdad) bereits in die Zeit Mohammeds verlegt. (Die mozarabische Chronik hatte nur von der Eroberung von Damaskus berichtet; die Bedeutung von Damaskus als Hauptstadt stammt aus der ‚Istoria de Mahomet‘.275 König von Babylon wurde Mohammed dann später auch bei Adelphus.) Mohammeds Lehre bleibt auch hier eine vom Teufel inspirierte Irrlehre, während Hugo andere polemische Elemente oder intentionale Verzerrungen (wie die mit Visionen verschleierte Epilepsie) wegläßt. Die Ausbreitung des Islam verfolgt Hugo dann nicht mehr weiter und berichtet nur noch, daß Kaiser Konstantin den Sarazenen Tribute zahlen mußte.276 Die Ansicht, man habe bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts grundsätzlich keine genaueren Kenntnisse über Mohammed gehabt,277 ist demnach nicht richtig. Und wenn Southern einen schlagartigen Wandel seit dem Ersten Kreuzzug feststellt und den Namen Mohammeds vor dem Jahr 1100 nur einmal in der mittelalterlichen Literatur außerhalb Spaniens gefunden hat (nämlich bei Rodulf Glaber) und meint, daß ungefähr vom Jahr 1120 an im Westen jedermann irgendeine Vorstellung davon hatte, was Islam bedeutete
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rent creatorem qui fecit quae sunt. Cumque plures adhererent illi et ut prophetam eum haberent, congregatis qui secum erant arma sumpsit, et ut rex et propheta quos poterat sibi subiciebat, et regnavit in Damasco, et caput regni eius Babylonia civitas fuit. Vgl. oben S. 296. Zur mozarabischen Chronik von 754 vgl. unten Anm. 313. Hugo von Flavigny, Chronicon 1, S. 324. In seinem zwischen 1137 und 1155 entstandenen Gedicht „Otia de Machomete“ (ed. Robert B. C. Huygens, in: Sacris Erudiri 8, 1956, S. 287–328) beschreibt auch Walter von Compiègne Mohammed als einen ungebildeten Hirten, der durch seine Heirat mit der Witwe eines reichen Händlers zu Reichtum und Einfluß gekommen sei und die Eingebungen Gabriels erfunden habe, um seine Epilepsie zu verheimlichen, tatsächlich aber ein ausschweifendes Leben führte. Seine Anhänger täuschten nach seinem Tod eine Himmelfahrt vor, indem sie sein Grab mit Hilfe von Magneten in der Luft schweben ließen. Walter greift damit die bereits bei Embricho vorhandenen Motive auf. Zu Walter vgl. Hotz, Mohammed S. 51–60. So Klueting, Quis fuerit Machometus S. 293f.
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und wer Mohammed war,278 dann sind beide Aussagen überspitzt. Weit vorsichtiger äußert sich Svetlana Lutchitskaja. Auch sie stellt fest, „direct contacts with the East created the need for a fuller and clearer image of Islam. In their attempts to satisfy this need the writers of the twelfth and thirteenth centuries drew attention to Muhammad’s life, full of exotic details and adventures.“ Diese Entwicklung sei allerdings sehr langsam und keineswegs geradlinig verlaufen.279 Man mag zudem darüber streiten können, ob die „exotic details“ wirklich ein klareres Bild ergeben. Sehr kurz, aber nichtsdestotrotz bezeichnend, berichtet Otto von Freising, Mohammed, „den die Sarazenen bis heute verehren“, stamme väterlicherseits vom Stamm Ismaels ab und habe einen heidnischen Vater und eine jüdische Mutter gehabt (und erklärt damit unausgesprochen auch die Nähe zum Judentum).280 Für Petrus Venerabilis ist Mohammed „der Abstammung nach Araber, dem Stand nach niedrig geboren, zunächst Anhänger des alten Götzenkultes wie die anderen Araber seiner Zeit und nahezu vollkommen ungebildet“. Durch seine Schlauheit wurde er reich und berühmt, durch List, Raub und Überfälle übte er zunehmend Schrecken aus.281 Für Petrus ist die gesamte Religionsstiftung Mohammeds (wie für seinen „Infor278
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Southern, Western Views of Islam S. 27ff. (das Zitat S. 28): „Before 1100 I have found only one mention of the name of Mahomet in medieval literature outside Spain and Southern Italy. But from about the year 1120 everyone in the West had some picture of what Islam meant, and who Mahomet was.“ Luchitskaja, Image of Muhammad S. 115. Otto von Freising, Chronica 5,9, S. 241: Circa idem tempus Mahmet, quem Sarraceni hactenus colunt, ex stirpe Ismahelis patre gentili et matre Iudea fuisse dicitur. Danach ähnlich Gottfried von Viterbo, Pantheon 28, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 22, Hannover 1928, S. 196. Petrus Venerabilis, Summa 4, S. 6: Fuit autem iste, sicut etiam chronica ab Anastasio Romanae ecclesiae bibliothecario de Graeco in Latinum translata apertissime narrat, tempore imperatoris Heraclii, paulo post tempora magni et primi Gregorii Romani pontificis, ante annos fere quingentos et quinquaginta, Arabs natione, vilis genere, antiquae primum idolatriae cultor, sicut et alii Arabes tunc adhuc erant, ineruditus nullarum paene litterarum, strenuus in saecularibus, et calliditate multa de ignobili et egeno in divitem et famosum provectus. Hic paulatim crescendo et contiguos quosque ac maxime sanguinis propinquos insidiis, rapinis, incursionibus frequenter infestando, quos poterat furtim, quos poterat publice occidendo terrorem sui auxit, et saepe in congressionibus factus superior ad regnum suae gentis aspirare coepit. Zum Mohammedbild des Petrus Venerabilis vgl. Tolan, Saracens S. 155ff., und Hotz, Mohammed S. 71–81.
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manten“ Petrus Alfonsi) politische Berechnung und Falschheit: Als er sah, daß niedere Herkunft und mangelnde Macht nicht zur Herrschaft legitimierten, verschleierte er das mit religiösen Motiven und gab sich, da er von den Propheten gelesen hatte, als Prophet Gottes aus, weil er, als Barbar unter Barbaren und als Götzendiener unter Götzendienern lebend, wußte, wie leicht seine Volksgenossen zu verführen waren. So brachte er sie zwar vom Götzendienst ab, ohne sie allerdings zum wahren Gott zu bekehren.282 Dabei wurde er von dem häretischen Nestorianermönch Sergius geleitet, der ihn mit dem Alten und dem Neuen Testament bekannt machte, aber Christus nicht als Gott anerkannte und ihn zu einem christlichen Häretiker machte.283 Auch für Petrus ist Mohammed jedoch nur Pseudoprophet,284 und genau das möchte er in seinen Schriften, sicherlich mit rationalen Argumenten, vor allem beweisen. Stephan Hotz sieht mit Petrus Alfonsi und Petrus Venerabilis einen qualitativen Wandel aus einer verbesserten Quellenbasis (aus arabischem Schriftgut) erreicht.285 Im Hinblick auf ein vermehrtes Wissen (das gleich noch näher zu behandeln ist) wird man dem zustimmen
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Petrus Venerabilis, Summa 5, S. 6: Cumque universis pari modo resistentibus eiusque ignobilitatem contemnentibus videret se hac via non posse consequi quod sperabat, quia vi gladii non potuit, religionis velamine et divini prophetae nomine rex fieri attemptavit. Et quia inter barbaros barbarus, inter idolatras et ipse idolatra habitabat atque inter illos, quos utpote prae cunctis gentibus tam divinae quam humanae legis expertes et ignaros faciles ad seducendum esse noverat, conceptae iniquitati dare operam coepit. Et quoniam prophetas dei magnos fuisse homines audierat, prophetam eius se esse dicens, ut aliquid boni simularet, ex parte illos ab idolatria, non tamen ad deum verum, sed ad suae quam parturire iam coeperat haeresis fallaciam traducere conabatur. Ebd. 6, S. 8: Cum interim iudicio illius, qui ‚terribilis in consiliis‘ dicitur ‚super filios hominum‘ et qui ‚miseretur cui vult et quem vult indurat‘, dedit Satan successum errori et Sergium monachum, haeretici Nestorii sectatorem, ab ecclesia expulsum ad partes illas Arabiae transmisit et monachum haereticum pseudoprophetae coniunxit. Itaque Sergius coniunctus Mahumeto, quod ei deerat supplevit, et scripturas sacras tam Veteris Testamenti quam Novi secundum magistri sui Nestorii intellectum, qui salvatorem nostrum deum esse negabat, partim prout sibi visum est ei exponens simulque apocryphorum fabulis eum plenissime imbuens Chistianum Nestorianum effecit. Ebd. 9, S. 10. Vgl. auch Richard von St. Viktor, Liber exceptionum 1, 9, 9, S. 195: Hac praeterea tempestate Sarraceni, qui et Turci dicuntur, Muhamet pseudopropheta ducatum eis prebente, a suis sedibus exierunt, Heracliique imperium devastare ceperunt. Porro Muhamet iste Sarracenorum et Arabum princeps, et pseudopropheta fuit de genere Ismael filii Abrahe. Hotz, Mohammed S. 83–93, zum Vergleich der behandelten Autoren.
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können. Die Züge des Mohammedbildes bleiben jedoch nahezu unverändert, und angesichts der Polemik des Petrus Venerabilis wird man kaum mit Hotz von einer „sachlichen“ Argumentation sprechen können.286 Elemente der christlichen, polemischen Legendenbildung um Mohammed fließen, ähnlich den gleich noch zu besprechenden Mohammedviten, bei Guibert von Nogent ein, demzufolge der von Haus aus arme Mohammed – Guibert nennt ihn Mathomus – nach Reichtum strebte. Glaube und Heirat mit einer reichen Witwe gingen hier auf die Einflüsterungen eines arianischen Eremiten zurück.287 Um das Volk zu überzeugen, inszenierte Mohammed selbst ein „Wunder“ und befestigte das Gesetz an den Hörnern einer abgerichteten Kuh, die es ihm dann zutrug.288 Schließlich fand er einen unwürdigen Tod, als er inmitten eines seiner epileptischen Anfälle von einer Schweineherde bis auf wenige Reste aufgefressen wurde.289 „Nun seht“, so kommentiert Guibert, „wie dieser beste aller Gesetzgeber, selbst ein Schwein, Schweinen zum Fraß vorgesetzt wird (während Epikur, den die wahren Stoiker, nämlich die Verehrer Christi, getötet haben, sich abgemüht habe, ein Schwein wiederauferstehen zu lassen), auf daß seine Lehre des
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Ebd. S. 79. Vgl. dazu unten S. 392 ff. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 1,4, S. 94ff. Guiberts Bericht beruht nach eigenen Angaben auf plebeia opinio (ebd. 1,3, S. 94). Vgl. Engels, Bild des Propheten Mohammed S. 254f.; Hotz, Mohammed, S. 42–50, der Guibert einer „ätzenden Polemik“ bezichtigt (ebd. S. 50). Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 1,4, S. 97f.: Interim vaccam habebat, quam ita manui suae assuefecerat, ut quotienscumque aut eius vocem audiret vel videret presentiam vix eam vis ulla teneret, quin ad eum intolerabili quadam aviditate concurreret. Factum igitur libellum cornibus animalis circumligat et in tentorio quo versabatur illud occultat. Tercio denique die super omnem qui convenerat populum eminens tribunal ascendit et declamare productis vocibus ad populum cepit. Quae cum, ut ita dixerim, summa aure verborum sonitum attigisset, e tentorio subteriacenti confestim egreditur et per medias coadunatarum gentium turmas, volumine cornibus imposito, ad pedes loquentis quasi congratulatura vacca contendit. Mirantur omnes, raptim volumen evolvitur, anhelanti turbae exponitur, petulantia turpi lege permissa gaudenter excipitur. Guibert greift auch die Legende der Verschleierung seiner epileptischen Anfälle als Visionen zur Beschwichtigung seiner Frau auf. Ebd. S. 99: Cum subitaneo ictu epylenseos sepe corrueret, quo eum superius diximus laborare, accidit semel, dum solus obambulat, ut morbo elisus eodem caderet et inventus dum ipsa passione torquetur a porcis in tantum discerpitur, ut nullae eius preter talos reliquiae invenirentur.
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Unflats durch ein unflätiges Ende beschlossen würde, wie es auch eintrat.“290 Die polemisch-ironischen Überspitzungen haben eine Parallele in den hochmittelalterlichen Mohammedviten, deren Motive Guibert offensichtlich aufgreift. Aus den kurzen, polemischen Mohammedbiographien des frühen Mittelalters aus dem Orient und Spanien entwickelten sich neben den chronikalischen Nachrichten seit dem späten 11. Jahrhundert auch im Abendland verschiedene, christlich-polemische Lebensbeschreibungen Mohammeds (wie Embrichos von Mainz oder des Adelphus), die aber keine größere Verbreitung erlangten. Nach Embricho,291 der vor 1100, vielleicht schon 1072/73, nicht eigentlich eine „Vita“ Mohammeds schreibt, sondern anekdotenhaft die unseligen Anfänge des Islam schildert, verehren die Sarazenen nicht Gott, sondern Mohammed selbst. Danach beruhte diese Religion von Anfang an auf einem Betrug, der auf einen (namenlosen) häretischen und mit dem Teufel im Bund stehenden Magier zurückging (damit aber auch christliche Ursprünge erhält).292 Tatsächlich steht dieser ins Exil zu den Heiden verbannte Magier im Mittelpunkt der Vita. Mohammed, der eigentlich Mammutius hieß und hier zum Sklaven eines ägyptischen Konsuls und nach dessen gewaltsamen Tod zum Ehemann von dessen Witwe wird, ist bloßes Werkzeug dieses Magiers (und man fragt sich, weshalb dieser nicht selbst die ihm angebotene Herrschaft übernahm). Der Magier bewirkte nämlich, 290
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Ebd.: Ecce legifer optimus dum Epicureum, quem veri Stoici, Christi scilicet cultores, occiderant, porcum resuscitare molitur, immo prorsus resuscitat, porcus ipse porcis devorandus exponitur, ut obscenitatis magisterium obscenissimo uti convenit, fine concludat. Embricho von Mainz, Vita Mahumeti, ed. Fritz Hübner, in: Historische Vierteljahrsschrift NF 29, 1935, S. 441–490; ed. Guy Cambier, Embricon de Mayence. La Vie de Mahomet (Collection Latomus 52), Brüssel 1961. Eine deutsche Übersetzung des Textes bietet Hotz, Mohammed S. 101–128. Zum Autor vgl. Ekkehart Rotter/ Franz Staab, Anhang: Der Autor Embricho, in: Staab (Hg.), Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern S. 123-137. Zu Embricho vgl. Rotter, Embricho S. 92ff.; John Tolan, Anti-Hagiography: Embrico of Mainz’s Vita Mahumeti, in: JMH 22, 1996, S. 25–41 (abgedr. in: Ders., Sons of Ishmael S. 1–18); Hotz, Mohammed S. 27–42; zu möglichen Quellen ebd. S. 33ff. Nach Tolan verknüpft Embricho die beiden Traditionen der spanisch-byzantinischen, antiislamischen Polemik mit hagiographischen Tendenzen der Dichtungen Hildeberts von Lavardin. Nach Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 328f., zeichnet Embricho ein ins Monströse überzogenes Zerrbild Mohammeds. Das und den Häresiecharakter betont Hotz, Mohammed S. 36ff.
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daß Mohammed König von Libyen wurde, weil ein vorher von klein auf abgerichteter und in einer Höhle versteckter Stier in dem Augenblick, als man einen neuen König suchte, freigelassen wurde und sich von Mohammed besänftigen ließ. Damit wird in einer breit ausgemalten Episode eine islamische Überlieferung, derzufolge Mohammed das Gesetz durch einen Stier überbracht wurde, pervertiert. Als König aber erließ Mohammed auf Anstiften des Magiers, der ihn als Gesandten Gottes deklarierte, unsittliche Gesetze: Er hob das Gesetz des Evangeliums auf und ersetzte das Verbot des Ehebruchs durch die freie Liebe. Auch Embricho erwähnt Mohammeds Epilepsie (die der Magier als Zeichen seiner Entrückung deutet) und betont seine Geilheit, um ihn zu verunglimpfen, und er gestaltet die Todesszene dramatisch aus, wenn er den Propheten bei einem seiner epileptischen Anfälle von einer Schweineherde zerfleischen läßt, zeigt aber – bei aller Pervertierung der Vorgänge – gleichzeitig mehrfach Kenntnisse der islamischen Religion,293 indem er aus dieser Szene etwa das islamische Verbot des Genusses von Schweinefleisch ableitet. Der Magier balsamierte Mohammeds Leiche ein und verbreitete das Gerücht, er sei in den Himmel eingegangen (also gewissermaßen auferstanden); sein durch magnetische Kraft in der Schwebe gehaltener Sarg überzeugte das Volk von der Richtigkeit dieser Behauptung. Der Islam wird in solcher, letztlich auf wenige, aber breit ausgemalte Elemente konzentrierter Erzählung als bewußt geplante, teuflische Magie entlarvt, mit der die Menschen verführt wurden.294 Die polemische Vita des Adelphus,295 die aus den Kreuzfahrerstaaten stammt und sich als Erzählung eines arabisch- und lateinkundigen Griechen ausgibt, macht Mohammed, der mehrfach als monstrum horrendum bezeichnet wird296 – auch hier bewerkstelligen Schweine seinen Tod – von Anfang an zu einem Schweinehirten (porcarius) und den in die Einöde des Libanon verbannten Häresiarchen Nestor selbst (und nicht nur einen nestorianischen Häretiker) zu seinem Berater. Mohammed selbst wird hier als schlauer
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Das betont Rotter, Embricho S. 106ff. So zu Recht ebd. S. 114. Zu Adelphus vgl. Bischoff, Ein Leben Mohammeds S. 106–122, mit Edition des Textes ebd. S. 113–122. Ferner Tolan, Saracens S. 137ff.; Engels, Bild des Propheten Mohammed S. 255. Zur späteren Zeit: Daniel, Islam and the West S. 79–108. Adelphus, Vita Mahumeti v. 9f. und 14, S. 113; v. 32, S. 114.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Magier charakterisiert,297 sein Volk (die Agarener) waren weder Christen noch Götzenanbeter, sondern Anhänger eines unbekannten Kultes, die alles Sichtbare für göttlich und heilig hielten.298 Durch ein (scheinbares) präpariertes Wunder (Wasserversorgung durch verborgene Schläuche) und das ihm von einer Kuh entgegengebrachte, schriftliche Gesetz (in Anlehnung an und als Pervertierung der von Gott dem Moses offenbarten Gesetzestafeln) gelang es ihm, die Araber zu überzeugen. Daß Nestor bei den Agarenern noch mehr Ansehen genoß als er selbst, löste in Mohammed jedoch Neid aus, und er ermordete seinen Lehrer, so daß ihm der ganze Ruhm fortan allein zufiel.299 Als schließlich der König von Babylon starb und er seine Witwe als Erbin des Reichs heiratete, wurde Mohammed König und konnte so seine Verehrung durch Zwang erreichen, was ihm freiwillig nicht gelungen war.300 Der congruu(s) vite˛ sue˛ exitu(s) trat auch hier ein, als eine Schweineherde seinen Leib bis auf den rechten Arm auffraß: Unde per universos Agarenos decretum est, ut ex illo nemo deinceps in perpetuum porcis utatur.301 Die ruchlose Pervertierung der tradionellen Elemente wird hier gleichsam auf die Spitze getrieben. Iste est Mahometa, so schließt der Autor, qui ab Agarenis doctor honoratus, rex atque propheta vocatur et ut deus adoratur.302 Mohammed wird von den Agarenern demnach nicht nur als Lehrer, König und Prophet, sondern geradezu als Gott verehrt.
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Ebd. v. 89f., S. 116: Erat enim porcarius ille artis nequissime˛, mentis callose˛, nicrologice˛ vir peritie˛, diabolice˛ alumnus doctrine˛, magus super omnes, ‚quem non herba nocens nec vox occulta fefellit‘. Ebd. v. 115ff., S. 116: Nam dum Nestorius sepius a Machometa gentis sue˛ fidem inquireret percepissetque Agarenos nec Christicolas fore nec idolatras, sed quodam ignoto cultu circumductos omne quod liberet licitum sibi e˛stimare, omne quod viderent eque deum, eque sanctum putare, facile eos sue˛ doctrine˛ cessuros cogitavit, quos nullius culture˛ veritatis solidavit. Ebd. v. 258–275, S. 120f. Auch Wilhelm von Tripolis, De statu Sarracenorum 2, S. 271, beschreibt Mohammed als Kamelwächter aus dem Geschlecht Ismaels, der für den Mord an seinem Lehrer Bahı¯ ra¯ verantwortlich ist (ebd. 3, S. 275). Adelphus, Vita Mahumeti v. 276–304, S. 121. Vgl. v. 301ff.: Postquam ergo in regno satis convaluit, predictam sectam artibus auxit et evexit omnesque in regno suo eam colere, quos sponte non poterat, vi coegit. Ebd. v. 305–315, S. 121f., das Zitat v. 312f. Ebd. v. 318f., S. 122. Einen der ausführlichsten Mohammed-Kommentare bietet in der Folgezeit Gottfried von Viterbo, Pantheon (der Abschnitt ist aber nicht gedruckt); vgl. dazu Rotter, Mohammed in der Stadt S. 201ff.). Aus dem 13. Jahr-
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Eine nachhaltige Beschäftigung mit Mohammeds Leben setzte im lateinischen Abendland nicht erst im 11./12. Jahrhundert im Zusammenhang mit den Kreuzzügen ein, wie Hotz und noch Tischler meinen.303 Sie erreichte hier allerdings eine weit größere Intensität. Dabei konnte man sich auf die vorhandene Tradition stützen, um sie zugleich noch weiter polemisch zu übertreiben. Das Reservoir der abendländischen Vorstellungen über Mohammed konzentriert sich merklich auf bestimmte, immer wiederkehrende, oft jedoch abgewandelte Motive und Episoden: die niedrige (aber unterschiedlich dargestellte) Herkunft und den sozialen Aufstieg durch die Heirat mit einer reichen Witwe (oder gar Königin), die Ausbildung bei einem christlichen, aber häretischen Mönch (doch verschiedener Häresien), das Selbstverständnis als Prophet – für die christlichen Autoren ist Mohammed hingegen Pseudoprophet –, die Mischung seines Gesetzes aus dem Alten und Neuen Testament, die Offenbarungen, mit denen Mohammed seine Epilepsie verschleiert, die moralische Verwerflichkeit (Ehebruch), die bewußt täuschende Inszenierung von „Wundern“ (wie die abgerichtete Kuh) und den unwürdigen Tod des Pseudopropheten.304 Der „christliche“ Mohammed wird damit zu einem Betrüger, der seine häretischen Lehren als Eingabe des Erzengels Gabriel ausgab, und schließlich zu einem Scharlatan, der mit seinen Lügen eine Herrschaft über die Araber (aber in ganz unterschiedlichen Zentren) errichten wollte.305 Die prinzipiell auf die islamische Überlieferung zurückgehende Tradition wird dabei nahezu durchweg und auch dann, wenn man ein besseres Wissen erlangte, wie Guibert von
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hundert stammen Wilhelm von Tripolis, ‚Notitia de Machometo‘, und die Schrift ‚De statu Sarracenorum‘ (ed. Peter Engels [Corpus Islamo-Christianum, Series latina 4], Würzburg-Altenberge 1992). Auf Petrus Venerabilis beruht die „Mohammedvita“ im ‚Speculum historiale‘ (IV,23,39–67) des Vinzenz von Beauvais. Vgl. dazu Tarayre, L’image de Mahomet. Zu dominikanischen Mohammedviten des späten Mittelalters (und deren Vorläufern) vgl. Matthias M. Tischler, Orte des Unheiligen. Versuch einer Topographie der dominikanischen Mohammed-Biographik des 13. Jahrhunderts zwischen Textüberlieferung und Missionspraxis, in: Archa Verbi 5, 2008, S. 32–63. Hotz, Mohammed S. 95; Tischler, Orte des Unheiligen S. 45f. Vgl. zu diesem letzten Aspekt John Tolan, Un cadavre mutilé: le déchirement polémique de Mahomet, in: MA 104, 1998, S. 53–72 (englische Fassung: A Mangled Corpse. The Polemical Dismemberment of Muhammad, in: Ders., Sons of Ishmael S. 19–34). Vgl. Engels, Bild des Propheten Mohammed S. 249f. und 254f.; Klueting, Quis fuerit Machometus S. 304.
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Nogent, von Polemik überlagert und, vor allem in den Legenden, durch fiktionale Elemente (wie die Todesumstände und den schwebenden Sarg) erweitert. Im späteren 13. Jahrhundert macht der ‚Liber Nicolai‘ Mohammed sogar zu einem ursprünglichen Christen und Kleriker, der die Lehre erfand, weil er nicht, wie vom Vorgänger vorgesehen, zum Papst gewählt wurde.306 Bei aller Ähnlichkeit der Motive und der polemischen Einstellung entsteht hier insgesamt ein erstaunlich vielfältiges Bild, das kaum je unmittelbare Abhängigkeiten widerspiegelt, sondern jedem Bericht ein eigenständiges Gepräge mit neuen und teilweise sogar originellen Nuancen verleiht. Die Hidschra von Mekka nach Medina spielt im christlichen Wissen über Mohammed hingegen keine Rolle, ja, beide Städte wurden sogar verwechselt, weil die Übersetzer Medina (richtig) mit „Stadt“ (madı¯na) übertrugen und damit den Ortsnamen verschleierten. Das führte, wie Ekkehart Rotter aufgezeigt hat, dazu, daß Medina seit dem 8. Jahrhundert zunehmend aus dem Blick der abendländischen Autoren geriet (zumal der ältere Ortsname Yathrib nicht mehr auf Medina bezogen wurde), obwohl man anfangs noch einige Kenntnisse darüber besaß, und zur Fokussierung auf Mekka. Dorthin wurde auch Mohammeds Grab „verlegt“.307
b. Das Wissen über die Ausbreitung des Islam und die islamischen Herrschaften Manche der zitierten Quellen, die über Mohammed berichten, nehmen auch die Ausbreitung des Islam zur Kenntnis. Ein etwas detaillierteres Wissen über die Anfänge und die Verbreitung des Islam und die islamischen Herrscher finden wir vor allem wieder in orientalisch-byzantinischen und mozarabischen Schriften. Die sogenannte Chronica Byzantia-Arabica von 741 erweckt geradezu den Eindruck einer Geschichte der Araber (mit der westgotischen Vorgeschichte), in der Byzanz eigentlich nur dort erwähnt wird, wo es zu Berührungen mit den Sarazenen kam. Die frühen Kalifen (Abu Bakr, ‘Umar, ‘UtmÇn, Mu‘Çwiya) werden, jeweils kapitelweise, mit ihren 306
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Vgl. dazu Melville, Fiktionen, der diese Fiktion (S. 43f.) als Ergebnis eines christlichen Umdenkens angesichts der Realitäten deutet, den Islam in die herkömmliche Ordnung zu integrieren. Ekkehart Rotter, Mohammed in der Stadt. Die Kenntnis um die Stadt Medina und das dortige Prophetengrab im mittelalterlichen Europa, in: ZHF 36, 2009, S. 183– 233.
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Herrschaftszeiten und Eroberungen genannt,308 ebenso die omayyadischen Nachfolger (während die Abbasiden nach ‘Abd AllÇhs Tod bezeichnenderweise nicht mehr erwähnt werden).309 Die Chronik schließt, nach einem Bericht über Einfälle in Südgallien und die verlustreiche Schlacht bei Toulouse,310 mit der Nachfolge Hi‰Çms (724) und nach diesem seines Neffen al-Wal¥d II.311 Ganz offensichtlich stehen hier die arabischen Herrscher im Vordergrund. Die davon abhängige, schon weniger „neutrale“ mozarabische Chronik von 754 berichtet von der Eroberung Syriens, Arabiens und Mesopotamiens noch zu Zeiten Mohammeds, betont aber, daß sie mehr verstohlen als durch die Tüchtigkeit ihres Führers Mammet erfolgt sei, der zum Aufstand aufrief, und daß die Sarazenen die römischen Provinzen nicht offen, sondern heimlich, nicht dank ihrer Tapferkeit, sondern ihrer Verstellung erobert hätten.312 Dann heißt es: 308
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Chronica Byzantia-Arabica 17, S. 9 (Habubeccar, 3 Jahre, Perserkrieg); 19, S. 9 (Hamer regni Sarracenorum gubernacula suscipit annis X), der seine Heere in fast alle Gegenden des Ostens und Westens schickte (ebd. 21, S. 10); 23, S. 10 (Sarracenorum principatum Etheman suae gentis suscepit et gubernacula praerogauit annis XII), der Libyen, Marmarica und Äthiopien unterwarf; 24, S. 10 (Sed mox Moabia eius sortitus est sedem regnatque annos XXV). Yazı¯d I. (Yzit: ebd. 28, S. 11, 3 Jahre); dessen Sohn Mu‘a¯wija II. (Moabia: ebd. 29, S. 11, ein halbes Jahr); nach dessen Tod kam es zu einem Schisma zwischen Marwa¯n (Maroan) und ‘Abd Alla¯h (Abdella), der Marwa¯n zunächst nach Damaskus vertrieb, nach einer verlustreichen Schlacht schließlich aber unterlag (ebd. 31, S. 11f.). Marwa¯n teilte sein Reich (Hismaelitarum prouincias) unter seine Söhne ‘Abd al-Malik (Habdelmele), der den Orient, und ‘Abd al-‘Aziz (Habdellaziz), der Afrika erhielt (ebd. S. 12). ‘Abd al-Malik regierte 20 Jahre; zu seiner Zeit wurde ‘Abd Alla¯h getötet (ebd. 34, S. 12). ‘Abd al-Malik folgte dessen Sohn al-Walı¯d (ebd. 36, S. 13: Hulit, 9 Jahre), der sogar bis Indien vordrang und im Westen durch seinen Feldherrn Musa Spanien bezwang. Ihm folgte sein Bruder Sulayma¯n (ebd. 38, S. 13: Zoleiman, 3 Jahre), der bis an die Grenzen Asiens vordrang, diesem sein Vetter ‘Umar II. (ebd, 40, S. 14: Amer, 3 Jahre), der weder Günstiges noch Nachteiliges tat; diesem folgte Yazı¯d II. (ebd. 41, S. 14: Yzit, 4 Jahre), dessen Verwandtschaftsverhältnisse (Bruder Sulayma¯ns) der Autor nicht mehr kennt und der sich gegen einen gleichnamigen Rebellen durchsetzen mußte, aber viel Günstiges gegenüber Rom erreichte. Ebd. 42, S. 14. Ebd. 43, S. 14: Igitur Yzit rex Sarracenorum quarto explicato anno ab hac luce migrauit fratri regnum relinquens Hesciam nomine; et post fratrem natum proprii seminis regnaturum adsciscit nomine Hulit. Chronica Muzarabica 8, S. 28: Sarraceni in Era DCLVI, anno imperii Eraclii VII, Siriam, Arabiam et Mesopotamiam furtim magis quam uirtute Mammet eorum duca-
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„Gestützt auf ihren Propheten Mohammed, errichteten sie öffentlich eine Herrschaft über Damaskus, nachdem sie die Furcht vor dem römischen Namen bereits ganz abgelegt hatten. Nach einer zehnjährigen Herrschaft dieses Mohammed setzten sie im Jahre 666, im 17. Jahr der Kaiserherrschaft des Herakleios, den schon genannten Ab Bakr aus demselben Stamm an dessen Stelle, und mit dem Schwert unterwarfen die Araber das von der Römerherrschaft bereits verlassene Persien.“313
Die weitere Geschichte stützt sich weithin, mit Abweichungen und Zusätzen, auf die Chronica Byzantia-Arabica. Ab Bakr folgte die zehnjährige rigide Herrschaft ‘Umars, der Alexandria eroberte und viele Siege im Osten wie im Westen errang, bevor er beim Gebet von einem Sklaven ermordet wurde.314 Im 25. Jahr der Araberherrschaft folgte, wie der Autor weiß, ‘UtmÇn (Attuman), der seinerseits weite Teile Afrikas (Libyen, Marmarica und die Pentapolis, Gazaniam und Aethiopien) unterwarf.315 Die Geschichte der Araber und der Westgoten in Spanien werden in dieser Chronik durch zeitliche Zuordnungen miteinander verwoben, neben der spanischen Ära und den Regierungsjahren der byzantinischen Kaiser wird zur zeitlichen Orientierung durchweg das Jahr der Araberherrschaft und zusätzlich das Kalifenjahr angegeben, bezeichnenderweise auch dort, wo byzantinische oder gar spanische Verhältnisse betroffen sind, die hier nun deutlicher in den Vordergrund rücken. Im folgenden weiß der Autor von der Nachfolge Mu‘Çwiyas in (nach fünfjährigem Bürgerkrieg) glücklicher Regierung und
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tore rebellia adortante sibi uindicant atque non tantum publicis irruptionibus quantum clanculis incursationibus perseuerando uicinas prouincias uastant. Sicque quoquo modo arte, fraude, uirtute cunctas adiacentes imperii ciuitates stimulant et postmodum iugum a ceruice excutientes aperte rebellant. Ebd. 11, S. 30: regnumque apud Damascum, propheta eorum Mammet innitente, excusso iam Romani nominis metu, publice collocant. Post cuius Mammet decem regni expletis annis in era DCLXVI, anno imperii Eraclii XVII, iam dictum Abubaccar de tribu ipsa in loco prioris subrogant Persidamque sub imperio Romani derelictam Arabes gladio feritant. Zuvor hatte der Autor in chronologischer Unordnung allerdings bereits die Herrschaft über Damaskus (c. 9, S. 30) und die Nachfolge Abu¯ Bakrs vermeldet (c. 10, S. 30). Ebd. 12, S. 30/32: Huius Eraclii temporibus in era DCLXVIIII, anno imperii sui XX, Arabum incipiente XIIII, uite terminum expleto triennio Abubaccar dato Amer dereliquid in solio. Sicque Amer gubernacula prioris suscipiens omnia populo decem per annos rigidus mansit in regno. Hic Alexandriam antiquissimam ac florentissimam ciuitatem metropolim Egipti iugo subiecit censuario. Qui cum de omnibus partibus, Orientis scilicet et Occidentis, triumphum uictorie deportaret tam in terrestri quam in equoreo prelio, a quodam seruo orationi instans uerberatus est gladio. Ebd. 21, S. 38.
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von weiteren Eroberungen zu berichten.316 Ihm folgte sein Sohn Yaz¥d I. (Yzit), vir nimium gratissime habitus,317 diesem sein Sohn Mu‘Çwija II., paternis moribus similis.318 Nach dessen Tod war „das Heer der Araber“ vier Jahre lang zwischen zwei Fürsten gespalten, von denen nur MarwÇn namentlich genannt wird,319 dem dann 20 Jahre lang sein Sohn ‘Abd al-Malik (Abdilmelic) folgte.320 Das weitere ähnelt inhaltlich wieder der Vorlage von 742, beschränkt sich aber auf das Wichtigste,321 während Spanien nun stärker in den Vordergrund tritt. Das Ganze liest sich wie ein rein chronikalischer Bericht, an dem nur schwer Wertungen zu erkennen sind: Selbst in Spanien 316
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Ebd. 28, S. 46: Huius temporibus in era DCLXL, anno Arabum XXXV, Moabia precessoris sortitus est sedem, regnans in ea annis XXV. Sed quinquem ex eis annis cum suis bella ciuilia gessit, uigintim uero omni plebe Smahelitarum obediente summa cum felicitate peregit. Die Belagerung Konstantinopels war hingegen vergeblich (ebd. 29, S. 46). Ebd. 31, S. 50. Ebd. 32, S. 50. Ebd. 33, S. 50, und noch einmal ebd. 37, S. 56. Ebd. 34, S. 52; noch einmal 40, S. 58. Der Autor übergeht hier die in der Chronica Byzantia-Arabica berichtete Reichsteilung. Vgl. oben Anm. 309. Herrschaft al-Walı¯ds (Ulit: ebd. 50. S. 66), der über Rom siegte und Lybien und Mauretanien unterwarf (ebd. 51, S. 66/68) und überhaupt omnia prospera gerens war (ebd. 57, S. 74). Ihm folgte sein Bruder Sulayma¯n (Zuleiman: ebd. 58, S. 76; noch einmal ebd. 61, S. 78), der seinen Neffen ‘Umar II. (Humar) und dessen Bruder Yazı¯d II. (Izit) in die Herrschaft aufnahm (ebd. 63, S. 80; deren Herrschaftsantritt ebd. 67, S. 82), wie es bei den Arabern überhaupt zur Norm wurde, den Nachfolger bereits zu Lebzeiten zu bestimmen (so ebd. 73, S. 86). Yazı¯d II. wird für diesen Chronisten zum Idealherrscher, dem „bis heute“ soviel Ehre und Lob zuteil wird, daß er nicht nur von den Seinen, sondern auch von den Ausländern mehr als die vorangehenden Herrscher verherrlicht wird (ebd. 67, S. 82: ut hactenus tantus ei honor lausque referatur, ut non solum a suis, sed etiam ab externis pre cunctis retroactis principibus beatificetur). Während sein Bruder ‘Umar nil prosperum captant, sub Izit uero proelia multa exagerant (ebd. 72, S. 86). Ihm folgte sein Bruder Hisˇa¯m (Isca) mit Yazı¯ds Sohn al-Walı¯d II. (Alulit), zugleich sein Nachfolger, der gegen die Römer nonnulla prospera ausrichtete und in occuduis quoque partibus prope nihil clarum peregit (ebd. 76, S. 90; zur Nachfolge al-Walı¯ds – Alulit pulcher Emir Almuminim – ebd. 87. S. 112). Außerdem kam es zum Bürgerkrieg mit ‘Abd al-Malik (ebd. 84, S. 106). Al-Walı¯d folgte Ibra¯him (Abrahim), der aber von Marwa¯n II. (Maroan) getötet wird (ebd. 90f., S. 120/122). Dieser wird seinerseits von (dem Abbasiden) ‘Abd Alla¯h vertrieben, verfolgt und schließlich getötet (ebd. 94, S. 124). Das Weitere, so der Autor, habe er in einem anderen Werk niedergelegt.
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wurde der Islam zunächst, bis zum Ende des 8. Jahrhunderts, offenbar keineswegs als Bedrohung empfunden, sondern als koexistentes Gesetz anerkannt,322 zumal der christliche Glaube als solcher erlaubt blieb. Erst mit der durchgreifenden Islamisierung im 9. Jahrhundert und den zunehmenden Konversionen von Christen zum Islam entstand hier eine neue Situation.323 Demgegenüber fehlen Nachrichten über die Frühgeschichte des Islam in den asturischen Chroniken des späten 9. Jahrhunderts. Hier treten die Sarazenen erst mit der Eroberung Spaniens in das christliche Blickfeld. Erstaunlich ausführlich berichtet demgegenüber wieder die späte Fortsetzung der Chronik Isidors von Sevilla in der Weltchronik des Lukas von Tuy, die der Darstellung Mohammeds den Siegeszug des Islam anfügt (und manches kann dabei auf die orientalisch-byzantinischen Versionen zurückgreifen): Mohammed selbst eroberte mit seinem Heer danach im Jahr 618 (656 der spanischen Ära) Teile Arabiens, Syrien und Mesopotamien, und er besiegte das sich ihm entgegenstellende byzantinische Heer. Dadurch noch kühner geworden, nahmen die Agarener Damaskus, „die einst so edle Stadt der Christen“, ein, machten sie zu ihrem Herrschaftssitz und wiesen sie dem Glauben Mohammeds zu.324 Nach dessen Tod wählte man aus seinem Geschlecht Ab Bakr zum König, der die Sarazenen drei Jahre lang kraftvoll regierte. Anschließend herrschte ‘Umar (Homer), der viele Triumphe feierte und die Metropole Alexandria unterwarf. Nach solchen Erfolgen zu 322
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So Wolf, Earliest Spanish Christian Views S. 293, gegen Southern und Kedar. Dabei war die Chronik von 754 negativer eingestellt als die Chronik von 741. Insgesamt war die spanische Chronistik aber besser informiert. Vgl. dazu Tolan, Saracens S. 78ff. Vgl. oben Anm. 43 zur sogenannten Märtyrerbewegung. Selbst in der Apologetik des 9. Jahrhunderts (Eulogius) war nach Millet-Gérard (S. 141) jedoch nicht die Zurückweisung des Islam, sondern das Heil der Christen das Ziel. Zur Sicht der Mozaraber vgl. ebd. S. 125–143. Lukas von Tuy, Chronicon mundi 3,6, S. 168: Era DCa.La.VI.a Machometus cum exercitu suo partes Arabie, Syriam et Mesopotamiam hostiliter inuasit, et tam ipsas quam uicinas patrias funesta depredatione occupauit. Quod cum nunciatum fuisset Theodoro, fratri Eraclei, qui tunc preerat partibus orientis, mox apud Gabatam cum magno exercitu obuiam illi preliaturus occurrit; ubi, dum inter se acrius dimicarent, Theodorus interfectus est, et exercitus Christianorum maxima pars occubuit diro gladio, et ceteri fuga lapsi sunt. Tunc Agareni de Romanorum fuga ualidiores effecti, audacius appetunt Syriam, et depopulantes patriam apud Damascum, nobilem condam Christianorum urbem, sibi regni solium firmauerunt, et dictis Machometi tribuebant fidem, diuinam in eo latere potenciam asserentes.
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Lande und zur See wurde er nach zehnjähriger Herrschaft von einem Sklaven ermordet.325 Dabei bezieht der Autor nun klar Stellung: „Und so nahm der Irrtum der Sarazenen seinen Anfang, und sie hielten in verschiedenen Weltgegenden viele Provinzen der Römer in ihrem Besitz.“326 Die nefarii ritus Mahometi deuten auf den Schwanz des Drachens, von dem es in der Apokalypse heißt, er habe ein Drittel der Sterne vom Himmel geworfen.327 (Nach diesem „Exkurs“ wendet sich der Autor wieder der Geschichte der Goten zu.) Im Abendland bleibt ein Wissen um die Ausbreitung des Islam zunächst beschränkt, ist aber grundsätzlich ebenfalls vorhanden, auch wenn es nur selten deutlicher hervortritt. Der Islam ist hier eher als aktuelle Bedrohung, gelegentlich aber auch in seiner historischen Entwicklung von Bedeutung. Fredegar, der noch häufig Byanz in den Blick nimmt, beschreibt den Siegeszug des Islam nur kurz (wobei er sich – zwangsläufig fälschlich – auf Orosius beruft und tatsächlich wohl byzantinische Quellen gehabt hat), um dann, wie auch die Gesta Dagoberti, von den Kämpfen mit Byzanz unter Herakleios zu berichten (der daraufhin vom Christentum abfiel); die Sarazenen nahmen Jerusalem ein und zerstörten andere Städte, suchten Ägypten heim, eroberten Alexandrien und Afrika. Nur Konstantinopel und die Inseln verblieben noch im Besitz des Kaisers, der den Sarazenen einen Tribut zahlen mußte. Danach aber begannen die Rückeroberungen.328 Über 325
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Ebd. 3,7, S. 169: Era DCa.LX.aVI.a, anno Eraclei XVII post Mahumet, Abubucar de cognatione eius electus in regem Arabes fortiter rexit per triennium. Post hunc Amer regnauit, qui multas strages Christianorum gessit et de multis preliis triumphauit. Alexandriam ciuitatem metropolim suo imperio subiecit. Post multas uictorias in mari et in terra ab ipso factas, dum quadam die orationi uacaret, a quodam seruo suo sagitatus interiit, expletis in regno decem annis. Ebd.: Sicque error Sarracenorum exordium habuit, et de Romanis per diuersas orbis partes multas obtinuerunt prouincias et uictorias. Ebd. S. 169f.: unde oportunitate male habita eorum dominium quam cicius a suis ceuruicibus excusserunt, se nefariis ritibus Machometi miserabiliter implicantes. Hic enim fuit cauda drachonis, de qua legitur in Apocalipsi quod deiecit de celo terciam partem stellarum (Apoc 12,4). Fredegar, Chronicon 4,66, S. 153f.: Agarrini, qui et Saracini, sicut Orosiae liber testatur, gens circumcisa ad latere montes Caucasi super mare Cypium terram Ercoliae coinomento iam olem consedentes, in nimia multetudine crevissent, tandem arma sumentis, provincias Aeragliae emperatores vastandum inruunt […]. Saracini more quo ceperant provincias Aeragliae emperatores adsiduae vastandum pergebant. Cum iam Hierusolemam propinquassint, Eraglius vedens, quod eorum violenciae non potuissit
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
den Siegeszug berichten an einigen Stellen auch Paulus Diaconus und, danach, bezeichnenderweise allerdings zum Teil chronologisch falsch in die vorislamische Zeit eingeordnet, Regino von Prüm.329 Die Eroberung Spaniens läßt Regino weg. Vereinzelte Nachrichten über sarazenische Angriffe und über die Auseinandersetzungen mit Byzanz greift bereits für das 7. und frühe 8. Jahrhundert Ado von Vienne in seiner Chronik auf.330 Solche Berichte bleiben zwar Ausnahmen, zeugen jedoch von einem im frühen Mittelalter zumindest gelegentlich vorhandenen Interesse an und von Kenntnissen über die Sarazenen. Auf die islamische Religion wird hier hingegen wiederum in keiner Weise angespielt. Vor diesem Hintergrund mag es überraschen, wenn die Xantener Annalen (zum Jahre 868) nicht nur von der Eroberung Jerusalems durch die Sarazenen berichten – die Mönche auf dem
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resistere, nimia amaretudines merorem adreptus, infelex Euticiana aerese iam sectans, Christi cultum relinquens, habens uxorem filiam sorores suae, a febre vexatus, crudeleter vitam finivit. Vgl. auch ebd. 4,81, S. 162. Zu Fredegars Kenntnissen der Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und den Sarazenen und zu seinen möglichen Quellen vgl. ausführlich Rotter, Abendland S. 145–182. Zu Fredegars Sicht der Ausbreitung des Islam zur Zeit Dagoberts und Herakleios‘ vgl. jetzt auch Esders, Herakleios. Ein Horoskop über den Einfall beschnittener Völker deutet Herakleios falsch und bezieht es nicht auf die Araber, sondern auf die Juden und ließ die Juden zwangstaufen; vgl. ebd. S. 244ff. zu Fredegar, Chronicon 4,62–66. Vgl. auch Gesta Dagoberti 24, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 2, Hannover 1888, S. 409: Et rex quidem hoc summo peregit studio; sed Eraclio non de Iudaeis, sed de Agarrenis, id est Sarracenis, circumcisis gentibus, fuerat demonstratum, quoniam ab ipsis eius imperium postmodum noscitur esse captum atque violenter vastatum. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 5,13, S. 150 (Ägypten und Sizilien); 6,10, S. 168 (Afrika); 6,46f., S. 180f. (Spanien, Aquitanien, Konstantinopel); Regino von Prüm, Chronicon a. 576, S. 30 (Ägypten und Sizilien); a. 605, S. 32 (Afrika); a. 655, S. 36f. (Konstantinopel und Aquitanien). Vgl. Ado von Vienne, Chronicon a. 669, Sp. 114 C: Saraceni Siciliam invadunt, et, praeda nimia secum ablata, mox Alexandriam redeunt; ebd. a. ebd. 686, Sp. 115 D, zu Justinian II.: Hic constituit pacem cum Saracenis terra marique decennio. Sed et provincia Africa quae fuerat tenta a Saracenis, Carthagine capta atque destructa, Romano imperio subiugata est; ebd. a. 718, Sp. 120 A: Leo Imperator, annos novem. Saraceni cum immenso exercitu Constantinopolim venientes triennio civitatem obsident; ebd. Sp. 121f.: Sarraceni multis copiis navibusque plurimis longe lateque plurimas urbes tam Septimaniae quam Viennensis provinciae vastant. […] Sarraceni pene totam Aquitaniam vastantes.
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Ölberg seien dort Torturen unterzogen und eingekerkert worden –,331 sondern auch die Bedeutung des Falls erkennen: „Höret nun, alle Verehrer des katholischen Glaubens, indem ihr sprecht: ‚Weint, ihr Priester und Diener Gottes und betet: ‚Schone, o Herr, Dein Volk, damit nicht die Völker darüber herrschen und sagen können: ‚Wo ist denn ihr Gott?‘“332
Die Abgrenzung vom christlichen Glauben ist dem Autor damit ebenso bewußt wie die heilsgeschichtliche Bedeutung des Vorfalls. Mehr erfahren wir wieder aus der lateinischen Übersetzung der griechischen Chronik des Theophanes durch Anastasius Bibliothecarius im 9. Jahrhundert und deren Benutzung durch Landulfus Sagax im 10. Jahrhundert, die ausführlich über die arabische Ausbreitung und die Kämpfe mit den „Römern“ (Byzanz) berichten:333 Unter Ab Bakr wurden Ran, Gaza und Caesarea in Palästina erobert.334 Ab Bakrs Herrschaft (principatus) währte zweieinhalb Jahre; ihm folgte ‘Umar (Haumar), der schrittweise Teile Arabiens und Syrien gewann und dann Ägypten, Palästina mit Jerusalem, Antiochia, Mesopotamien und schließlich das Perserreich eroberte,335 bis dieser Saracenorum dux im vierten Herrschaftsjahr des Herakleios durch Betrug starb. Ihm folgte sein Verwandter ‘UtmÇn;336 unter seiner Herrschaft drangen die Sarazenen bis Afrika vor, zogen Tribute ein und kehrten zurück, während Mu‘Çwiya Zypern eroberte. Nach dem Tod ‘UtmÇns zehn Jahre später, der erneut auf eine List zurückging, berichtet Landulf sogar von den Nachfolgestreitigkeiten: Die einen wollten Mohammeds Neffen, die anderen seinen Schwiegersohn, während man in Syrien und Ägypten zu 331
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Annales Xantenses a. 871, S. 30: Civitas sancta Ierusalem et mons Oliveti atque omnia loca sancta in circuitu a Sarracenis invasa et possessa sunt. Ebd.: Audite enim haec omnes catholicae fidei cultores dicentes: ‚Plorate, sacerdotes, ministri Domini, et dicite: Parce, Domine, parce populo tuo, ne dominentur eis nationes et dicant: Ubi est Deus eorum (Joel 2,17)? Von „Heiden“ – so Raus Übersetzung – ist hier allerdings nicht die Rede, da der Autor nicht von gentes, sondern von nationes spricht. Zur Wendung vgl. auch Liutprand von Cremona, Antapodosis 2,46 (oben Anm. 210). Landulfus Sagax berichtet in den Büchern 20 bis 22 ausführlich und zumeist rein „chronistisch“ ohne dezidierte Wertung. Landulfus Sagax, Historia Romana 20,63, S. 135 (nach Anastasius S. 210). Ebd. 20,64–70, S. 136ff. (nach Anastasius S. 210ff.). Die einzelnen Eroberungen werden hier detailliert geschildert. Nach ebd. 21,1, S. 140 (nach Anastasius S. 214), ließ ‘Umar einen Tempel in Jerusalem errichten. Ebd. 21,2, S. 141 (nach Anastasius S. 215).
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dem erfolgreichen Mu‘Çwiya tendierte,337 der sich gegen Ali durchsetzte und den Römern (Byzantinern) infolge des inneren Streits Geldzahlungen machte. Landulf erwähnt sogar eine Häresie der Araber, die Charurgiten.338 Im persischen Aufstand gegen Byzanz umwarben dann beide Parteien Mu‘Çwiya, der mit dem Kaiser Constans paktierte.339 Auch mit dessen Sohn und Nachfolger Konstantin schloß man Frieden. All das berichtet Landulf als Kriegsgeschehen, ohne klare Wertung oder religiöse Anspielung. Wenn Mu‘Çwiya das zerstörte Edessa samt der Kirche studio Christianorum wieder errichtete, dann wird die darin versteckte religiöse Abgrenzung durch das Zusammengehen gleichzeitig sogar relativiert.340 Anläßlich des Todes Mu‘Çwiyas differenziert Landulf zwischen dessen verschiedenen Funktionen: der protosimbolus Saracenorum war 20 Jahre lang Prätor und 24 Jahre lang Emir gewesen. Ihm folgte sein Sohn Yaz¥d (Hizid) in der Herrschaft.341 Im folgenden werden die arabischen Herrscher zumindest mit Antritt und Tod benannt, daneben werden innere Auseinandersetzungen und Kriege mit Byzanz vermerkt.342 Landulf weiß auch von der Usurpation
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Ebd. 21,7, S. 144 (nach Anastasius S. 217f.): Anno imperii Constantis quarto decimo dolo necatus est Hotmen Arabum dux, cum amiras decem fuisset annis. Fit interea perduellio in medio ipsorum. Quotquot enim penes heremum erant, alii uolebant consobrinum, alii generum existentem quondam Muhammad, hi uero qui in Syria et Egypto Muhauiam cupiebant, qui et uicit et optinuit annis biginti quattuor. Ebd. 21,8, S. 145 (nach Anastasius S. 218). Ebd. 21,9–14, S. 146ff. (nach Anastasius S. 219ff.). Die Verhandlungen mit beiden Gesandten werden detailliert geschildert. Ebd. 21,17, S. 152 (nach Anastasius S. 225): Et construxit eum Muhauias studio Christianorum. Ebd. 21,17, S. 152 (nach Anastasius S. 225): Anno imperii Constantini undecimo mortuus est Muhauias Saracenorum protosimbolus qui fuit pretor annis biginti et amire functus officio annis quattuor et biginti, et principari cepit Hizid filius eius. Yazı¯d I. (Azid; Landulfus Sagax, Historia Romana 21,22, S. 156); Marwa¯n I. (Maruha, ebd. 21,23, S. 156); ‘Abd-al-Malik (Abimelech/Abdilmelic, ebd. 21,23ff., S. 157), der den Frieden mit Byzanz erneuerte, dann aber die Geldzahlungen verweigerte (ebd. 21,29, S. 159f.); al-Walı¯d (Ulid/Uhalid, ebd. 22,8, S. 167f.; 22,20, S. 175); Sulayma¯n (Zuleimin/Suleheman, ebd. 22,23, S. 176f.; Angriff auf Konstantinopel, ebd. 22,26, S. 179); ‘Umar II. (Haumar/Humar, ebd. 23,9, S. 188; 23,12, S. 189f.); Yazid II. (Hizid, ebd. 23,16ff., S. 192f.); Hisˇ a¯m (Hisam, ebd. 23,18, S. 193f.); al-Walı¯d II. (Uhalid, ebd. 24,4, S. 205f.); Hisˇ a¯m II. (Hiscem, ebd. 24,10, S. 209); Marwa¯n II. (Maruam/Marutham, ebd. 24,14, S. 211), der alle Verwandten Hisˇ a¯ms töten ließ (ebd. 24,15, S. 213).
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der Abbasiden gegen MarwÇn und das Geschlecht der Umayyaden zu berichten, das seit dem Pseudopropheten Mohammed regierte, und verfolgt die abbasidische Herrscherfolge noch bis zum Ende seiner Chronik, die mit der Erhebung des byzantinischen Kaisers Michael I. im Jahre 813 schließt.343 Scheint das zunächst ganz auf einen chronologischen Faktenbericht beschränkt, so werden religiöse Abgrenzungen doch deutlicher, wenn ‘Umar II. die Christen nach einem Erdbeben zum Glaubensübertritt zwang,344 wenn Hi‰Çm christliche Gefangene töten345 und al-Wal¥d II. dem Metropoliten Petrus von Damaskus die Zunge herausreißen ließ.346 Der gleichnamige Märtyrer Petrus ließ sich sogar zu den Worten hinreißen: „So ist auch euer
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Ebd. 24,19, S. 214 (nach Anastasius S. 277f.): Anno imperii Constantini octabo motus est in exterioribus Orientis partibus Persidis populus, qui dicuntur Chorosanite Maurophori, contra Maruam et omnem cognationem eius, qui principati sunt ab ipso Muamed pseudopropheta usque ad eundem Maruam, id est contra eos qui dicuntur filii Humaiha. Dem schließt sich ein ausführlicher Bericht der Vorgänge an, der mit dem Tod Marwa¯ns und der Herrschaft Abul Abba¯s (Abulabas) endet, translato quoque principatu sub se Persarum, während die überlebenden Verwandten Marwa¯ns nach Spanien flüchteten (ebd. 24,21, S. 215f.). Danach verfolgt Landulf den Prinzipat der Abbasiden: die Thronkämpfe nach dem Tod des Abul Abba¯s, aus denen Abdalla¯h Ben ‘Ali (Abdela) als Sieger hervorging (Muamed qui et Abulabas: ebd. 24,25f., S. 218f.); zum Tod Abdalla¯hs Ben ‘Ali (ebd. 24,42, S. 228, und noch einmal ebd. 24,59, S. 237); zur Nachfolge al-Mahdis (Madi), unter Übergehung al-Mansu¯rs (ebd. 25,1, S. 239), der Syrien und Byzanz angreifen ließ (ebd. 25,5f., S. 241f.); zum Tod al-Mahdı¯s und zur Nachfolge seines Sohnes Mu¯sa¯ al-Ha¯dı¯ (Moses, ebd. 25,12, S. 246; ebd. 25,14, S. 247); zu dessen Tod und zur Nachfolge seines Bruders Ha¯ru¯nar-Raschı¯d (Aaron, ebd. 25,19, S. 250), der danach aber nur noch zweimal erwähnt wird; zum Angriff auf Zypern (ebd. 25,26, S. 253f.) und, im folgenden, zu weiteren Auseinandersetzungen mit Byzanz; zum Tod Ha¯ru¯ns und zur Nachfolge seines Sohnes (Muamed, tatsächlich al-Amı¯n) und zum Thronfolgestreit (ebd. 26,10, S. 271). Danach versiegen die Nachrichten über das Abbasidenreich. Ebd. 23,14, S. 191 (nach Anastasius S. 258): Eodem uero anno terremotu magno in Syria facto Humar a ciuitatibus uinum inhibuit et Christianos apostatare coegit. Et apostatantes quidem sine tributo esse faciebat, at uero non consentientes interimebat, ac per id multos martyres operatus est. Ebd. 23,33, S. 203 (nach Anastasius S. 268): Eodem quoque anno Hisam interfecit Christianos captiuos in omni ciuitate. Ebd. 24,5, S. 206 (nach Anastasius S. 270f.).
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Mohammed Pseudoprophet und Vorläufer des Antichrist.“347 Landulfus Sagax’ ‚Historia Romana‘, die in der früheren Forschung unter dem Titel ‚Historia miscella‘ fungierte, bildet zweifellos die abendländische Chronik mit den ausführlichsten Nachrichten über die Sarazenen, die sich weithin aber, gemäß seiner Quelle (Theophanes-Anastasius), auf die Herrscherfolge und die Auseinandersetzungen mit Byzanz beschränken. Sie fügt sich darüber hinaus ganz in die Tradition eines fast durchweg kommentarlosen Herrschafts- und Kriegsberichts ein, in dem die Religion in den Hintergrund tritt und nur bei Auseinandersetzungen eine gewisse Rolle spielt. Einige Nachrichten von der Bedrängung von Christen, vor allem im Abbasidenreich, lassen jedenfalls erneut erkennen, daß dem Autor die Religionsdifferenz durchaus bewußt war. Die anfangs kaum verbreitete, dann aber einflußreiche Schrift 348 bildet zudem eine große Ausnahme und gewinnt später durch die – wenngleich sehr verkürzte – Rezeption in den Chroniken Frutolfs von Michelsberg und Ekkehards von Aura sowie vor allem Sigeberts von Gembloux an Bedeutung. Während Frutolf die Kalifen und die Ausbreitung ihrer Herrschaft ganz übergeht (darin also offenbar noch nicht eine frühe Vorgeschichte des von ihm ausführlich dargestellten Ersten Kreuzzugs erblickt) und erst wieder zum Jahre 716 von den Kämpfen Karl Martells gegen die Sarazenen in Aquitanien und von der Belagerung Konstantinopels im Jahre 721 sowie einem erneuten Einfall in Gallien zum Jahre 739 berichtet,349 erwähnt Sige347
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Ebd. 24,6, S. 207 (nach Anastasius S. 271): Talis est et Muhamed pseudopropheta uester et Antichristi precursor. Zur Bedrängung der Christen unter Abdelas Ibinalim ebd. 24,42, S. 228 (nach Anastasius S. 289). Al-Mahdı¯ läßt Juden und Christen kreuzigen (ebd. 25,6, S. 242, nach Anastasius S. 300). Später flohen viele Christen, Mönche wie Laien, vor der Bedrängung durch die Araber nach Zypern (ebd. 26,40, S. 287, nach Anastasius S. 336f.). Neben dem Autograph (oder einer von Landulfus selbst durchgesehenen Handschrift) aus dem 10. Jahrhundert sind aus dem späten 11. und 12. Jahrhundert weitere zehn vollständige und vier verkürzte Handschriften bekannt (und weitere 21 bis zum Ende des 15. Jahrhunderts). Vgl. dazu, neben der Einleitung von Crivellucci, Lars Boje Mortensen, The Diffusion of Roman Histories in the Middle Ages. A List of Orosius, Eutropius, Paulus Diaconus, and Landolfus Sagax Manuscripts, in: Filologia mediolatina. Studies in Medieval Latin Texts and Their Transmission 6/7, 1999, S. 101–200, besonders S. 104f., 117f. und 165–200 (Verzeichnis der Handschriften). Frutolf von Michelsberg, Chronicon S. 157f. Später greift Frutolf Nachrichten der fränkischen Quellen zu den (danach bereits oben erwähnten) Gesandtschaften von Sarazenen auf. Danach ist erst wieder in den Kreuzzügen von Sarazenen die Rede.
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bert, ganz auf Landulf gestützt, nach dem Tod Mohammeds immer wieder, wenn auch nur kurz, Auseinandersetzungen mit Byzanz350 und Eroberungen,351 und er verfolgt nicht nur (nahezu) die gesamte Herrschaftsabfolge der Kalifen (die er durchweg Emire nennt), auch wenn er sich dabei nach 678 weitgehend und recht stereotyp auf Tod und Herrschaftswechsel beschränkt,352 sondern gesteht den Sarazenen in seiner chronographischen
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Beispielsweise Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 633 und 634, S. 323. Vgl. ebd. a. 635, S. 323: Saracenis Syriam infestantibus; a. 636, S. 323: Saraceni capta Damasco, Fenicem et Aegyptum occupant; a. 639, S. 324: Saraceni Syriam occupant; a. 640, S. 324: Saraceni Anthiochiam capiunt; a. 641, S. 324: Saraceni Persis iterum bello victis, fugato rege eorum Ormisda, totam Persidem sibi subiugant; a. 648, S. 324: Saraceni Africam occupant; a. 672, S. 326: Saraceni Italiam invadunt, et omnibus direptis Alexandriam redeunt. Zum Jahr 644 (ebd. S. 324) berichtet Sigebert vom Tempelbau ‘Umars in Jerusalem. Andererseits gibt es auch Friedensschlüsse: ebd. a. 660, S. 325: Muhavias Saracenorum amiras cum Constantino imperatore firmat pactum, ut Saraceni Romanis solvant tributum, scilicet per singulos dies nomismata mille et servum et equum; ebd. a. 687, S. 327, zum Frieden zwischen ‘Abd-al-Malik und Justinian. Vgl. ebd. a. 632, S. 323: Muhammad, amiras Saracenorum moritur; post quem Ebubeher tribus annis principatur; a. 635, S. 323: Ebebeher amiras moritur, post quem Haumar annis 12 principatur; a. 647, S. 324: Persa quidam simulans se velle adorare Haumar amiram Saracenorum, infixo in ventrem eius gladio peremit eum; cui Hutmen substitutus, annis 10 principatur; a. 657, S. 325: Hotmen amira Saracenorum perempto, Muhavias ex amireo amiras factus, principatur annis 24; ebd. a. 682, S. 327: Muhavias Saracenorum amiras moritur; post quem Gizid filius eius tribus annis principatur; ebd. a. 685, S. 327: Gizid mortuo Marhuan principatur Saracenis anno 1; ebd. a. 686, S. 327: Saracenis principatur Habdalan anno uno; ebd. a. 687, S. 327: Habdimelich amiras principatur Saracenis annis 22; ebd. a. 709, S. 329: Habdymelich amiras Saracenorum moritur, post quem Ulid annis 7 principatur; ebd. a. 716, S. 329: Ulid amiras moritur, post quem Zuleymen annis 3 Saracenis principatur (der 718 dann wieder Konstantinopel angreift); ebd. a. 719, S. 330: Zuleyman amiras moritur. Post quem Haumar principatur Saracenis annis 2 (auch er greift sogleich Konstantinopel an); a. 721, S. 330: Haumar amiras moritur; post quem Gizid Saracenis principatus annis 4. Trotz dieser Angabe einer vierjährigen Herrschaft zählt Sigebert 23 Herrschaftsjahre ‘Umars II. und übersieht damit Hisˇa¯m und al-Walı¯ d II., dessen Tod er gleichwohl vermeldet: ebd. a. 744, S. 331: Elvelid amiras moritur; Gyzid Saracenis anno uno principatur; ebd. a. 745, S. 331: Gyzid perempto, Hisces principatur Saracenis anno uno (hier zählt Sigebert dann aber zwei Jahre); a. 746, S. 331: Marvan principatur Saracenis annis 6; a. 752, S. 332: Marvan amira perempto, Muhamath principatur Saracenis annis 5; a. 757, S. 332: Habdallas principatur Saracenis annis 21. Mit dieser kurzen Nachricht übergeht Sigebert die innere Spaltung und den Übergang der
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Darstellung, die zu jedem Inkarnationsjahr die Herrscherjahre in den wichtigsten Reichen verzeichnet und durchzählt, hier vom Jahre 632 an sogar eine eigene Rubrik anstelle der Perser zu, deren Reich nun unter der Herrschaft der Sarazenen stand.353 Die inhaltlich sämtlich Landulf entnommenen Nachrichten erhalten dadurch bei Sigebert eine chronologische und narrative Systematik. Zum Jahre 820 (mit dem Ende Landulfs) bricht die Reihe der Sarazenen wieder ab, weil Sigebert dafür die Quellen fehlen.354 Religiöse Anspielungen sind auch in Sigeberts Berichten zwar nur indirekt, aber doch deutlich genug vorhanden, um ein Bewußtsein religiöser Abgrenzung erkennen zu lassen. So ging dem Siegeszug des Islam als schlimmes Vorzeichen ein Erdbeben und ein dreißig Tage währendes Himmelszeichen in Form eines Schwertes voran.355 Darüber hinaus spielt nur die Gegenüberstellung mit den Christen auf einen religiösen Gegensatz an; auch hier dürfte der
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Herrschaft auf die Abbasiden, denen er jedoch anschließend folgt, nachdem er zum Jahr 766 noch von der Christenverfolgung Abdallahs berichtet hat; a. 776, S. 334: Habdallas etiam amiras moritur, post quem Mady annis 9 Saracenis principatur (auch er macht – a. 781 – viele Christen zu Märtyrern); a. 785, S. 335: Mady amiras moritur; post quem Moyses Saracenis annis duobus principatur; a. 787, S. 335: Moyses amiras moritur; post quem Aaron frater eius Saracenis annis 23 principatur; a. 808, S. 337: Aaron amiras moritur; post quem Muhamad annis 5 principatur; a. 813, S. 337: Muhamad amiras fratri suo Habdallae congreditur; a quo superatus, eum sibi conregnare invitus patitur; et hoc bello regnum Saracenorum per aliquot annos discinditur. Ebd. a. 632, S. 323: Saraceni, qui hactenus fuerant sub Persarum regno, eos bello victos versa vice sub suo redigunt dominio. Ab hinc pro regno Persarum titulandum est regnum Saracenorum. Mit der Kaiserkrönung Karls des Großen (a. 800) rücken die Sarazenen von der dritten an die vierte Stelle hinter das römische Kaisertum, Franken und Konstantinopel. Ebd. a. 820, S. 337: Deficiente historiarum relatione, cessat etiam relatio de regno Bulgarum et Saracenorum. Danach sind Sarazenen noch, ohne weitere Kommentare, bei ihren Einfällen in Italien erwähnt (a. 830 und 831, S. 338; a. 837, S. 339; a. 841, S. 339; a. 891, S. 343; a. 910, S. 345; a. 916, S. 346; a. 941, S. 348; a. 963, S. 350; a. 982, S. 352); einzelne Nachrichten beziehen sich auf Konstantinopel (a. 936, S. 347), Spanien (a. 944, S. 348; a. 1063, S. 361; a. 1088, S. 366), den Nahen Osten (a. 1079, S. 364) und den Ersten Kreuzzug (a. 1098/99, S. 367f. Ebd. a. 632, S. 323: Terremotus factus est, et per triginta dies apparuit in caelo signum in modum gladii, portendens imminentem Saracenorum potentatum.
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Untergang der sarazenischen Schiffe nach der Belagerung Konstantinopels aber als Strafe verstanden sein.356 Im 12. Jahrhundert betont Guibert von Nogent die Ausbreitung „des heidnischen Irrglaubens“ über Palästina, Jerusalem und das Grab des Herrn, Armenien, Syrien und Teile Griechenlands bis zum Marmarameer (usque ad illud mare, quod Brachium Sancti Georgii dicitur), schließlich auch über das Perser- und Partherreich.357 Eine große Bedeutung gesteht vor allem der Abt Petrus Venerabilis der – als bedrohlich empfundenen – Ausbreitung des Islam über weite Teile Asiens, ganz Afrika und Teile Spaniens zu, während das Römische Reich im Niedergang begriffen war: Diese „Seuche“ habe den Untertanen mit der Herrschaft auch den Irrtum gebracht.358 Petrus verfolgt die Ausbreitung allerdings nicht im einzelnen, sondern betont in einer langen Aufzählung pauschal deren Ergebnis: Ausgehend von den Arabern, habe der furor Mahumeticus Perser, Meder, Syrer, Armenier, Äthiopier, Inder und die übrigen Teile Asiens „verdorben“, indem diese sich entweder vom Christentum oder von ihren alten Irrtümern abwandten und sich dem Teufel darboten. Nicht durch Überzeugung, sondern in gewaltsamen Einfällen seien nach Unterwerfung fast des gesamten Orients auch Ägypten, Libyen und ganz Afrika dieser weltlichen Religion unterstellt worden, so daß nach der Besetzung zweier Erdteile nun auch der dritte, Europa, in Spanien von Christus und den Christen verlassen worden sei.359 Über 356
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Vgl. ebd. a. 675, S. 326: Stolus Saracenorum contra Constantinopolim applicuit. Qui dum per aliquot annos christianis inaniter concurrissent, in redeundo ex multa parte dimersi interierunt. Vgl. ebd. a. 677, S. 326: Saracenis et Arabibus cum Romanorum exercitu congressis, occiduntur Saracenorum 30 milia; ebd. a. 678, S. 326, greift die Nachricht vom erfolgreichen „griechischen Feuer“ auf. Vgl. ebd. a. 719, S. 330, zum Angriff ‘Umars II. auf Konstantinopel: Saraceni fame, frigore, bello, pestilentia sine numero pereunt. Obwohl man die Belagerung aufgab, starben im folgenden Jahr 300000 Sarazenen an der Seuche. Ebd. a. 720, S. 330, zur Christenverfolgung ‘Umars. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 1,5, S. 100. Petrus Venerabilis, Summa 11, S. 14: Nam statim Romano languescente immo paene deficiente imperio – permittente eo ‚per quem reges regnant‘ – Arabum vel Saracenorum hac peste infectorum surrexit principatus, atque vi armata maximas Asiae partes cum tota Africa ac parte Hispaniae paulatim occupans in subiectos sicut imperium sic et errorem transfudit. Wörtlich auch Ders., ep. 111 (an Bernhard von Clairvaux), S. 297f. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum prol. 11, ed. Glei, S. 46: At Mahumeticus furor ab Ismaelitis Arabibus sumens exordium Persas, Medos, Syros, Armenios, Aethiopes, Indos ac reliqua Orientis regna ipsamque in tribus orbis partibus maximam
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
diese Erfolge war schon Papst Gregor VII. erschreckt, als er aus den Gebieten jenseits des Meeres hörte, wie sehr die Christen dort bedrängt und gleichsam wie Vieh abgeschlachtet und das Christenvolk bis zum Nichts verringert würde, so daß er flehte, den bedrängten Brüdern zu Hilfe zu eilen, damit der christliche Glaube dort nicht ganz zugrunde gehe.360 (Hier liegt der „Auslöser“ für Gregors angeblichen, ersten Kreuzzugsplan.361) Es gebe aber keinen Teil der Welt, so argumentiert hingegen Petrus Venerabilis, in dem gemäß der biblischen Prophezeiung, ob nun als Herrscher oder Beherrschte, nicht auch Christen lebten.362
c. Die Eroberung Spaniens Bei dem Siegeszug des Islam fand, vor allem natürlich auf der Iberischen Halbinsel selbst, die Eroberung Spaniens besondere Beachtung, mit der die Sarazenen, wie Petrus Venerabilis an der soeben zitierten Stelle betont, auf Europa übergriffen. In der frühen mozarabischen Chronik von 754 tritt Spanien zunehmend in das Zentrum, doch berichtet der Autor hier noch erstaunlich „reserviert“ und (fast) teilnahmslos: Unter al-Wal¥d machte
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Asiam paene totam corrupit, et vel a Christianismo avertens vel a quibuslibet antiquis erroribus ad perditi hominis sectam convertens subtraxit Christo, substravit diabolo. Hinc non miti ratione, sed violenta incursione toto fere ut dictum est armis Oriente subacto Aegyptum, Libyam Africamque universam profanae religioni subiecit, et sic duabus mundi partibus occupatis nec tertiam, quae Europa vocatur, Hispania pervasa Christo vel Christianis suis integram dereliquit. Gregor VII., ep. 2,31 (oben Anm. 186). Diesen Beleg übersieht Drews, Hilfe für die Glaubensbrüder?, wenn er eine solche Hilfe als Motiv bestreitet. Andererseits beweist ein vereinzelter Beleg nicht, daß es sich dabei wirklich um ein verbreitetes Motiv handelt. Daß auch die normannische Eroberung Siziliens seit 1060 von den Zeitgenossen bereits als Kreuzzug bzw. als religiöser Krieg verstanden wurde, betont Chevedden, „A Crusade from the First“. Petrus Venerabilis, Adversus Iudeorum inveteratam duritiem 4, ed. Yvonne Friedman, CCM 58, Turnhout 1985, S. 109: Totum uero orbem dixi, quia licet gentiles uel Saraceni super aliquas eius partes dominatum exerceant, licet Iudei inter Christianos et ethnicos lateant, non est tamen aliqua uel modica pars terrae, non Tyrreni maris nec ipsius oceani remotissime insulae, quae uel dominantibus vel subiectis Christianis non incolantur, ut verum esse appareat quod Scriptura de Christo ait: ‚Dominabitur a mari usque ad mare et a flumine usque ad terminos terrae‘ (Ps 71,8).
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Msa das alte, stabile Westgotenreich, das 350 Jahre Bestand hatte und seit Leovigild fast 140 Jahre lang in Frieden lebe, tributpflichtig.363 Als er bald darauf zusammen mit TÇriq und anderen Heerführern den Westgotenkönig Roderich besiegte und dieser fiel, „verlor dieser gleichzeitig Reich und Vaterland in schlechtem Untergang der Eifersüchtigen.“364 Die vielfachen Datierungen machen allerdings deutlich, welche Bedeutung der Autor dem Vorfall beimißt. Die Chronik berichtet über die Ausbreitung der neuen Herrschaft über das „diesseitige und jenseitige Spanien“ bis nach Zaragoza und die Errichtung Córdobas als Herrschaftssitz.365 Trotz chronikalischer Berichterstattung bleibt die Schilderung nicht völlig emotionslos: „Wer vermag denn so große Gefahren zu schildern, wer von so unglücklichen Schiffbrüchen zu erzählen?“366 Angesichts der Reichtümer Spaniens suchte alWal¥d hier selbst Einfluß zu nehmen, verurteilte Mza zunächst zum Tod, begnügte sich dann aber mit einer hohen Geldzahlung.367 Mzas Sohn ‘Abd al-‘Aziz „befriedete“ ganz Spanien und unterwarf es der Zinszahlung.368 Der Versuch Zamas, auch Südgallien zu erobern, endete in der Schlacht bei Toulouse mit seinem Tod.369 Die Entwicklung in Spanien rückt von nun an ganz in den Mittelpunkt. ‘Anbasa (Ambiza) erweiterte den Prinzipat 363
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Chronica Muzarabica 51, S. 68: in occiduis quoque partibus regnum Gothorum antiqua soliditate pene per trecentes quinquaginta annis ab exordio et principio sui firmatum, aput Spanias uero a Liuuigildo pene per XCL annos pacifice usque in era DCCL porrectum per ducem sui exercitus nomine Muze adgressum edomuit et regno ablato uectigale fecit. Ebd. 52, S. 68: Huius temporibus in era DCCXLVIIII anno imperii eius quarto, Arabum LXLII, Ulit sceptra regni quinto per anno retinente, Rudericus tumultuose regnum ortante senatu invadit. Regnat anno uno. Nam adgregata copia exercitus adversus Arabas una cum Mauros a Muze missos, id est Taric Abuzara et ceteros, diu sibi provinciam creditam incursantibus simulque et plerasque civitates devastantibus, anno imperii Iustiniani quinto, Arabum nonagesimo tertio, Ulit sexto, in era DCCL Transductis promonturiis sese cum eis confligendo recepit eoque prelio fugatum omnem Gothorum exercitum, qui cum eo emulanter fraudulenterque ob ambitionem regni advenerant, cecidit. Sicque regnum simulque cum patriam male cum emulorum internicione amisit, peragente Ulit anno sexto. Ebd. 54, S. 70/72. Ebd. 55, S. 72: Quis enim narrare queat tanta pericula? Quid dinumerare tam inportuna naufragia? Ebd. 57, S. 74/76. Ebd. 59, S. 76. Ebd. 69, S. 84. Den Prinzipat übernahm vier Jahre lang Ambiza (ebd. 74, S. 88).
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
und verdoppelte die Steuerlast der Christen,370 während „der schreckliche Machthaber“ Yahya (Iaie) Sarazenen und Mauren grausam verfolgte und den Christen viel „restaurierte“.371 Der uir belliger Abd-ar-RahmÇn schloß zunächst Frieden mit den Franken, kämpfte dann aber gegen Eudo und Karl Martell, die Europenses.372 Auch ‘Abd al-Malik zog vergeblich über die Pyrenäen: „von der Macht Gottes besiegt, von dem die wenigen Christen endlich die Gipfel behaupten konnten und Gnade erlangten.“ 373 Die Folgezeit ist von kurzen Regierungszeiten und vielen Aufständen geprägt.374 Auch im christlichen Asturien, im (gegen 881/883 entstandenen) Chronicon Albeldense, wird die islamische Eroberung Spaniens zunächst zwar nur kurz erwähnt, aber doch als ein entscheidendes Datum gewertet375 und spä-
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Ebd. 74, S. 88. Ebd. 75, S. 90: Saracenus Iaie nomine monito principum succedens terribilis potestator fere triennio crudelis exestuat atque acri ingenio Ispanie Saracenos et Mauros pro pacificis rebus olim ablatis exagitat atque Xpistianis plura restaurat. Ebd. 79f., S. 94–100. Ebd. 81, S. 102: Conuictus de Dei potentia, a quam Xriani tandem preparui pinnacula retinentes prestolabant misericordiam. Vor dem Nachfolger ‘Abd al-Maliks, ‘Uqba (Aucupa), erzitterte Spanien; auch er zog vergeblich gegen die Franken und kehrte wegen einer Rebellion der Mauren nach Córdoba zurück (ebd. 82, S. 104). Nach seinem Tod konnte ‘Abd al-Malik seine Herrschaft erneuern. Daß – in einem langen Bericht – infolge des Bürgerkriegs in den islamischen Kernlanden ein Drittel des Heeres nach Spanien geschickt wurde, kommentiert der Autor mit dem Ausruf: heu pro dolor (ebd. 84, S. 108)! Spanien wurde von einem intestinus furor erschüttert (ebd. 88, S. 114). Der Kalif schickte daraufhin Abu¯-l-Jatta¯r al-Husam (Abulcathar) nach Spanien, der al-Sumayl (Ismael) vertrieb (ebd. 88, S. 114/116); dessen Nachfolger Tuwa¯ba (Toaba) herrschte, regni Abulcathar cum adiutore Zmael ablato, nur ein Jahr als uir belliger. Nach seinem Tod wurde Yu¯suf al-Fihrı¯ (Iussif) ut senior et longeuus patrie adclamatur in regno, mußte sich aber verschiedener Rebellionen erwehren, die „viele Seelen zur Hölle schickten“, um anschließend die Christen zu verfolgen (ebd. 91, S. 122). Nur in solchen Zusammenhängen werden Christen erwähnt. Ebd. 93, S. 124, berichtet der Autor noch von dem begnadeten Sänger und Diakon Petrus in Toledo. Chronicon Albeldense 13,69 S. 166 (allerdings nur in einigen Handschriften): Tunc Sarraceni Spania obtenta regnum Gotorum exterminatur. Am Rand findet sich die Ergänzung: Tunc Sarrazeni Spaniam possederunt et regnum Gotorum era DCCLII. Vgl. ebd. 17,3, S. 183: Tarik prelio agente cum Ruderico ingressus est […] et periit regnum Gotorum. Nach einer anderen Version führte man noch sieben Jahre Krieg.
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ter in einem eigenen Kapitel noch einmal aufgegriffen.376 Nur wenig später gibt die sogenannte Chronik Alfons III. den Westgotenkönigen selbst die Schuld, weil sie das Gesetz Gottes verlassen hätten,377 und präzisiert, daß Witizas Söhne die Sarazenen gegen Roderich zu Hilfe gerufen, diese aber dann ihrerseits die Macht ergriffen hätten.378 Aus asturischer Sicht werden natürlich der Widerstand und die rettende Flucht Pelayos (Pelagius), der als Begründer des westgotisch-christlichen asturischen Reichs um Oviedo im Norden Spaniens gilt, vor den Sarazenen hervorgehoben, die ihn gefangennehmen wollten.379 Aus der Perspektive der Religion ist hier besonders ein vielfach behandeltes (fiktives) Gespräch Pelayos mit einem Bischof Oppa erwähnenswert, der den König (vergeblich) davon zu überzeugen sucht, daß Widerstand zwecklos sei und er lieber die Gemeinschaft der „Chaldäer“ (der Sarazenen) genießen solle, während Pelayo sich dem verweigert und (prophetieartig) voraussagt, daß von diesem kleinen Teil Spaniens einst die Rettung Spaniens ausgehen werde.380 Der
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Ebd. 17, S. 182ff. Zur nordspanischen Sicht vgl. Valenzuela, „Ritu Mamentiano“ S. 153ff., sowie Matthias Maser, „Islamische Welt“ und „christliche Welt“ im Spiegel arabischer und lateinischer Quellen aus dem mittelalterlichen Spanien. Konditionen der Wahrnehmung zwischen Topos und Beobachtung, in: Cristiani, ebrei, musulmani nell’Occidente medievale (= Rivista di storia del cristianesimo 2007/1), S. 7–28, hier S. 22ff. Adefonsi tertii Chronica. Version Rotensis 5, S. 120: et quia reges et sacerdotes Domino de(re)linquerunt, ita cuncta agmina Spanie perierunt. In der Version Ad Sebastianum, ebd. S. 121, heißt es: omnia agmina Gotorum Sarracenorum gladio perierunt. Ebd. 6, S. 121: Quo Uuittizane defuncto Rudericus a Gotis eligitur in regno. Iste nempe in peccatis Uuittizani ambulabit et non solum zelo iustitie armatus huic sceleri finem inposuit, sed magis ampliauit. Filii uero Uuittizani inuidia ducti eo quod Rudericus regnum patris eorum acceperat, callide cogitantes missos ad Africam mittunt, Sarracenos in auxilium petunt eosque nauibus aduectos Yspaniam intromittunt. Sed ipsi, qui patrie excidium intulerunt, simul cum gente Sarracenorum gladio perierunt. Vom Verrat berichtet auch die Version Rotensis 7, S. 120/122. Vgl. Valenzuela, „Ritu Mamentiano“ S. 156ff. und 163ff. Die Bemerkungen von Tischler, Discovering Islam S. 158, einer zunehmenden Akzeptanz der Muslime in den einzelnen Handschriften dieser Chronik, bleiben leider unbelegt. Adefonsi tertii chronica. Version Rotensis 8, S. 122/124. Ebd. 9, S. 124/126: Predictus uero Oppa episcopus in tumulo ascendens ante coba dominica Pelagium sic adloquitur dicens: ‚Pelagi, Pelai, ubi es?‘ Qui ex fenestra respondens ait: ‚Adsum.‘ Cui episcopus: ‚Puto te non latere, confrater et fili, qualiter
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König beruft sich nach dieser Anekdote also – gegen den mozarabischen Bischof! – auf das Christliche und verweigert eine Unterwerfung unter Nichtchristen. Natürlich ist das in Zeiten eines inzwischen konsilidierten Nordens Spaniens und einer bereits beginnenden (sehr frühen) Reconquista niedergeschrieben, und es kritisiert mit Oppa zugleich die Haltung einer „mozarabischen“, an die arabische Herrschaft angepaßten christlichen Kirche im islamischen Spanien. Damit grenzt man sich vom Islam ebenso ab wie vom mozarabischen Christentum und beruft sich, wenn auch nur indirekt, auf die eigene christliche Identität im Dienste einer eher politischen Identitätsfindung. Nach dem Chronicon Albeldense war Pelagius gar nicht vor den Sarazenen geflüchtet, sondern bereits von dem Westgotenkönig Witiza vertrieben worden, wurde nach der islamischen Eroberung des Westgotenreichs dann aber geradezu zum Freiheitskämpfer und Helden stilisiert, der Asturien vor den iudicio Dei angreifenden Sarazenen rettete, den Bischof Oppa gefangennahm, „nach Gottes Vorsehung“ das Königtum Asturien errichtete381 und
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omnis Spania dudum in uno ordine sub regimine Gotorum esset ordinata et pre ceteris terris doctrina atque scientia rutilaret. Et quum, ut supra dixi, omnis exercitus Gotorum esset congregatus, Ismaelitarum non ualuit sustinere impetum; quamto magis tu in isto montis cacumine defendere te poteris, quod michi difficile uidetur! Immo audi consilium meum et ab hac uolumtate animum reuoca, ut multis uonis utaris et consortia Caldeorum fruaris.‘ Ad hec Pelagius respondit: ‚Non legisti in scripturis diuinis quia eclesia Domini ad granum sinapis deuenitur et inde rursus per Domini misericordia in magis erigitur?‘ Episcopus respondit: ‚Uere scriptum sic est.‘ Pelagius dixit: Spes nostra Xps est quod per istum modicum monticulum quem conspicis sit Spanie salus et Gotorum gentis exercitus reparatus. Confido enim quod promissio Domini impleatur in nobis quod dictum est per Dauid: „Uisitavo in uirga iniquitates eorum et in flagellis peccata eorum; misericordia autem meam non abertam ab eis.“ Et nunc ex oc fidens in misericordia Ihesu Xpi hanc multitudinem despicio et minime pertimesco.‘ Vgl. dazu Barkai, Cristianos y musulmanes S. 38ff. Chronicon Albeldense 15,1, S. 173: Primum in Asturias Pelagius rg. in Canicas an. XVIII. Iste, ut supra diximus, a Uittizzane rege de Toleto expulsus, Asturias ingressus. Et postquam a Sarracenis Spania occupata est, iste primum contra eis sumsit reuellionem in Asturias, regnante Iuzep in Cordoba et in Iegione cibitate Sarracenorum iussa super Astures procurante Monnuzza. Sicque hab eo hostis Ismahelitarum cum Alcamane interficitur et Oppa episcopus capitur postremoque Monnuzza interficitur. Sicque ex tunc reddita est libertas populo Xpistiano. Tunc etiam qui remanserunt gladio de ipsa oste Sarracenorum in Libana monte ruente iudicio Dei opprimuntur et Astororum regnum diuina prouidentia exoritur. Obiit quidem predictus Pelagius in locum Canicas era DCCLXXV.
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viele Siege über die Sarazenen errang.382 Der Autor gibt ebenfalls der Hoffnung Ausdruck, daß von Asturien aus schließlich, „sofern es Gott gefällt“, die ganze Sarazenenherrschaft des Emirs Mohammed von Córdoba vernichtet werde.383 Diese Hoffnung wird nur wenig später in der sogenannten Cronica Profética (von 883) in eine Weissagung umgedeutet: Schon bald würden die Feinde ins Nichts aufgelöst und der Friede der Kirche wiederhergestellt.384 Der Autor dieser Chronik hatte vorher allerdings auch bereits die islamische Eroberung Spaniens als Erfüllung einer biblischen Prophetie gedeutet, indem er „Ismael“ mit den Sarazenen (Ismaeliten) und Gog mit den Goten identifizierte.385 Und er fügt eine Liste der „Könige von Córdoba“ bis zu Mohammed ein.386 Die beiden Versionen der Chronik Alfons’ III. (Ad Sebastianum und Rotensis) berichten in der Folgezeit jeweils vorzugsweise davon, ob die asturischen Könige Krieg gegen die Sarazenen führten oder mit ihnen in Frieden lebten, und heben die christlichen Siege hervor,387 zeigen sich über die Herr382 383
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Ebd. 15,9, S. 174: Super Ismahelitas uictorias plures gessit. Ebd. 15,12, S. 176: uenit duce Almundar filio de Abderhaman rege, fratre de Mahomat Cordouense rege; ebd. 16,43, S. 182: Mahomat qui nunc rex in Cordoua extat, sub quo Caldeorum regnum dirutum erit, si Domino placuerit. Chronica Profética (Fragment ediert im: Chronicon Albeldense 19,2, S. 187: spes nostra Xps est quod, conpletis proximiori tempore annis de quod in Spaniam ingressi sunt, inimici ad nichilum redigantur et pax Xpi ecclesie sancte reddatur, quia tempora pro annis ponuntur. Vgl. dazu Valenzuela, „Ritu Mamentiano“ S. 159ff. Ebd. 18,8, S. 185f.: Quod autem Sarraceni terram Gotorum erant possessuri, inuenimus exinde dicta in libro Panticino Ezezielis profete: ‚Tu, fili ominis, pone faciem tuam contra Ismael et loquere ad eos dicens: Fortissimum gentibus dedi te, multiplicaui te, corroboraui te et posui in dextera tua gladium et in sinistra tua sagittas, ut conteras gentes; et sternuntur ante faciem tuam sicut stipula ante faciem ignis. Et ingrediebis terram Gog pede plano et concides Gog gladio tuo, et pones pedem in cerbicem eius et facies eos tibi serbos tributarios. Uerum tamen, quia dereliquisti Dominum Deum tuum, derelinquam et ego te et circumagam te et tradam te in manu Gog; et fines Libie peries tu et omnis agmina tua in gladio eius. Sicut fecisti Gog, sic faciet tibi: postquam possederis eos serbitio.‘ Ebd. 19,1, S. 186f.: Et quia Gotorum gens ex Magog uenit; […] terra quidem Gog Spania designatur sub regimine Gotorum, in qua Smaelite propter delicta gentis Gotice ingressi sunt. Vgl. dazu Barkai, Cristianos y musulmanes S. 34ff. Chronica Profética 17/18, S. 183–185. Vgl. Adefonsi tertii chronica. Version Rotensis 10, S. 128 (Gefangennahme Oppas); 13, S. 132 (Siege der Christiani über die Arabes); 16, S. 134 (Sieg Fruelas über die Chaldäer bei Pontubio). Aurelio (ebd. 17, S. 136) und Silo (18, S. 136) hielten jeweils
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schaft in Córdoba aber durchaus unterrichtet, ohne näher auf die religiöse Abgrenzung einzugehen.388 Der Autor weiß ebenso, daß „Goten“ (von Christen spricht er hier nicht) zum islamischen Glauben übertraten (aber auch gegen den „König von Córdoba“ rebellieren konnten).389 Zumindest an einigen Stellen führt er die asturischen Siege auf Gottes Beistand zurück.390 Im frühmittelalterlichen Abendland nördlich der Pyrenäen spielen weit mehr die sarazenischen Angriffe auf Aquitanien und die Gegenwehr Karl Martells eine Rolle, während man die islamische Eroberung Spaniens zumeist mit Schweigen übergeht. Recht gut zeigt sich hingegen die aquitanische Chronik von Moissac über die Herrschaftsverhältnisse in Spanien informiert, eine bis 818 reichende Kompilation, die nicht nur über die Auseinandersetzungen mit Pippin und Karl dem Großen berichtet,391 sondern
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Frieden mit den Chaldäern bzw. Ismaeliten, während der rex magnus Alfons I. in der Schlacht von Lodos angeblich 54000 Chaldäer niedermachte. Auch Ramiro vernichtete ein ganzes Chaldäerheer (ebd. 23, S. 142). Ordoño cum Caldeis sepissime prelia habuit et semper triumfator extitit (ebd. 25, S. 144); ibique multitudinem Caldeorum gladio interfecerunt (ebd. 27, S. 148). Die Berichte der Version Ad Sebastianum weichen davon nur geringfügig ab. Ebd. 22, S. 140/142, zum Aufstand eines cives Mahamuth aus Mérida gegen den „König“ Abd-ar-Rahma¯n; jener floh dann zu Alfons, der ihn ehrenhaft aufnahm, bis er auch gegen ihn rebellierte und getötet wurde. Vgl. ebd. 6, S. 120: Corduba in ciuitate palatium est fabricatus, qui nunc a Caldeis Uallat Ruderici est uocitatus; ebd. 8, S. 122: Araues tamen regionem simul et regno opresso plures gladio interfecerunt, relictos uero pacis federe blandiendo siui subiugauerunt. ‚Urbs quoque Toletana, cunctarum gentium victris, Ismaeliticis triumfis uicta subcubuit et eis subiugata deseruit.‘ Zu den Kämpfen etwa ebd. 25, S. 144/146 (zu Ordoño): Cum Caldeis sepissime prelia habuit et semper triumfator extitit. Vgl. ebd. 25, S. 144/146: Muzza quidam nomine natione Gotus sed ritu Mamentiano cum omni gentis sue † deceptus, quos Caldei uocitant Benikazi, contra Cordobensem regem reuellavit eique multas ciuitates partim gladio, partim fraude inuasit. Ordoño treibt ihn in die Flucht. Vgl. ebd. 24, S. 144 zu den Siegen Ramiros: sed obitulante Deo uictor semper extitit; 25, S. 144: sed Deo fabente Caldeos in fugam uertit et Uascones proprio iure recepit. Vgl. Chronicon Moissiacense a. 734, S. 292: Ocupa, rex Sarracenorum, schickt Amor-Ibin-Balet mit einem Heer zum Schutz Narbonnes; ebd. a. 778, S. 296, zum Spanienzug Karls des Großen: Taurus, Saracenorum rex, übergab Karl seine Städte sowie Bruder und Sohn als Geiseln; a. 793, S. 300: Hisˇa¯m I. (Axam) schickte Abd-elMelec zur Verwüstung Galliens aus. Zumindest eine Handschrift berichtet a. 812, S. 309, noch von einer Gesandtschaft des rex Sarracenorum Abulasar (al-Hakam) an Karl und von einem Friedensschluß.
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im Verlauf der Berichte auch, wenngleich inexakt und unzusammenhängend, die dortige Herrscher- und gleichzeitig Sohnesfolge rekonstruiert: Okba (Ocupa), Iusf Ibn Abd ar-RahmÇn (Iusseph Ibin-Abderrahman), Abd ar-RahmÇn I. (Ibin-Mavia Abderrahman), Hi‰Çm I. (Axam) und al-Hakam (Abulaz), und sogar über innere Streitigkeiten zu berichten weiß.392 Solche Berichte zeugen erneut zumindest von gelegentlichen Kenntnissen über die spanisch-islamischen Verhältnisse. Sie stehen im zeitlichen Zusammenhang mit Karls Spanienpolitik und brechen danach ab. Im Hochmittelalter ist die islamische Eroberung Spaniens weitgehend „vergessen“. Während Frutolf sie wieder übergeht, berichtet Sigebert zum Jahre 720 von der Eroberung durch die Sarazenen (den Kalifensohn Abdyrama) und vom Ende des Westgotenreichs, dessen Jahreszählung er hier einstellt, ohne sie jedoch durch die Emire zu ersetzen (deren Folge ihm offenbar nicht mehr bekannt ist). Gleichzeitig ist ihm die Selbständigkeit Galiziens einer Erwähnung wert, die „bis heute unversehrt fortdauert und, dank des Glaubens an Gott geschützt, uneinnehmbar anhält“.393 Dem Fortsetzer Fredegars entnimmt er Nachrichten über den Sarazeneneinfall über die Garonne und die Gegenwehr Karl Martells mit göttlicher Hilfe, fügt dem aber hinzu, die Sarazenen seien mit ihren ganzen Familien gekommen, um in Gallien zu siedeln.394 Nach weiteren Erfolgen Karls fügt er an: „So 392
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Ebd. a. 751, S. 294, zur tyrannischen Herrschaft Iusu¯fs (Iusseph-Ibin-Abderramans). Abd ar-Rahma¯n I. (Ibin-Mavia Abderrahman) habe Sarazenen und Mauren getötet und Christen und Juden dermaßen mit Tributen belastet, daß deren Kinder ausgezogen und Spanien fast ganz entvölkert worden seien (ebd. a. 793, S. 300); sein Sohn Hisˇa¯m I. (Axam) und sein Enkel al-Hakam I. (Abulaz) herrschten ähnlich tyrannisch (ebd. a. 803, S. 307). Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 720, S. 330: Saraceni ex Africa, duce Abdyrama filio Muhaviae amirei, in Hispaniam transfretant, eamque sibi vindicant. Ita regnum Wisigothorum et Suevorum destructum est et redactum sub Saracenis, annis plus minus 346 evolutis, ex quo á Scithia expulsi sunt ab Hunis; […] Regnum vero tertiae partis Hispaniarum, quod dicitur Gallitiensium, quod nec tunc Wisigothae, nec postea Saraceni potuerunt subigere, adhuc viget incolume, et Dei protegente fide manet inexpugnabile. Ebd. a. 730, S. 330: Saraceni cum omnibus familiis suis quasi in Galliis habitaturi, Garunnam transeunt, omnia devastant, aecclesiasque Dei cremant. Quibus Karolus Dei auxilio fretus bello concurrit; et ex eis 375 milia cum rege suo Abdyrama peremit et 1500 suorum amisit. Ebd. a. 735, S. 331, berichtet Sigebert von der Rückeroberung Avignons durch Karl Martell, in den folgenden Jahren verhinderte Karl die Einnahme Narbonnes und gewann weitere Städte zurück.
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nahm Karl mit Gottes Hilfe, seiner eigenen Energie und der Tapferkeit der Franken den Sarazenen, die fast ganz Asien, ganz Libyen und einen großen Teil Europas in Besitz genommen hatten, jede Hoffnung, sich auch Galliens zu bemächtigen.“395 Ein Interesse, die islamische Geschichte in den Geschichtsverlauf (und die Geschichtsdeutung) einzubeziehen, ist bei manchen abendländischen Autoren also durchaus vorhanden. Dabei beruht man weitgehend auf der Tradition und konzentriert sich folglich auf die frühen Phasen, ohne das – sicher auch mangels Wissens – kontinuierlich weiterzuführen. In der Folge interessieren sich die Christen für die Sarazenen in der Regel nur noch dort, wo es zu Berührungen beider Kulturen kommt.
5. Das Wissen über die Religion: Die Wahrnehmung des Islam als Glaubensgemeinschaft War es den Autoren durchaus bewußt, daß es sich bei dem Islam um eine andere, häufig genug abgewertete Religion handelte, so hat man sich mit deren Inhalten, den Sarazenen als Andersgläubigen, im Abendland zunächst hingegen kaum befaßt. Doch zeigen die (oft beiläufige) Charakterisierung als pagani 396 oder gentiles397 und die häufige Gegenüberstellung mit den christiani 398 in den bereits zitierten und vielen weiteren Beispielen
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Ebd. a. 738, S. 331: Sic Saracenis, qui totam paene Asiam, totam Libiam multamque partem Europae invaserant, Karolus Dei auxilio, sua industria Francorumque fortitudine omnem spem invadendi Gallias abstulit. So zweimal in Hugeburgs Vita Willibaldi 4, S. 94 (pagani Sarracini) und S. 95. Vgl. auch Vita Pardulfi 15, S. 33; Vita Iohannis Gorziensis 122, ed. Pertz S. 372; ed. Parisse S. 148. Vgl. Rotter, Abendland, S. 261. Vgl. etwa Annales Xantenses a. 871, S. 30 (da Ludwig II. die Sarazenen nicht aus Benevent vertreiben konnte, war die katholische Kirche ringsum infestatione gentilium ausgesetzt); Annales Fuldenses Cont. Ratisb. a. 883, S. 110 (manu cum valida gentilium de gente Mauritanorum). Vgl. etwa Annales Bertiniani a. 847, S. 53f.; ebd. a. 852, S. 64; Annales Xantenses a. 846, S. 15f.; Andreas von Bergamo, Historia 14, S. 228; Landulfus Sagax, Historia Romana 25,6, S. 242; später Lampert von Hersfeld, Annales a. 1065, ed. Oswald Holder-Egger, MGH SSrG 38, Hannover-Leipzig 1894, S. 98. Vgl. aber auch den Wir-Bezug bei Johannes VIII., Registrum, ep. 31, S. 30, zur Schädigung der römischen Kirche durch Sarazenen und Christen: Non enim, sicut vos forsitan estimatis, mediocre malum tota nostra ecclesia patitur, minimis status rei publice˛ damnis affici-
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immerhin eine deutliche religiöse Abgrenzung (und zugleich eine bestimmte Zuordnung). Kapitularien berichten mehrfach, daß sich spanische Christen der Gewalt der Sarazenen entzogen und sich dem fränkischen König anvertraut hätten.399 Ähnliche Gegenüberstellungen finden sich häufig noch in den Kreuzzugsberichten, in denen sich Christen und Muslime erneut, jetzt allerdings infolge der christlichen Offensive feindlich gegenüberstanden.400 Der Glaubensgegensatz ist also durchaus bewußt, auch wenn er nur gelegentlich explizit thematisiert wird.401 Liutprand von Cremona zitiert eine allegorische Prophezeiung, wonach Löwe und Welpe den Wildesel vertreiben, lehnt aber die „griechische“ Deutung Hippolyts von Rom ab, daß in dem Löwen der griechische Kaiser, im Welpen der König der Franken – gerade das erscheint Liutprand unangemessen –, im Wildesel aber der afrikanische König der Sarazenen zu sehen sei.402
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tur, sed alia Saracenorum incursibus, alia autem Christianorum ita sunt exterminata et devastata tyrannide, ut non nostra sint, que˛ nostra fuerunt, quin potius solo nomine omnibus illis utamur et vel ad defensionem patrie˛ vel ad aliquam utilitatem nostre˛ ecclesie˛ quorumlibet solacia numquam inveniamus. Vgl. etwa Constitutio Hludowici de Hispania Secunda, MGH Capit. 1, Nr. 133, S. 263f., von 816. Vgl. auch Liber pontificalis 107: Vita Nikolaus I. 67, S. 164: ne gens iniqua Sarracenorum populum Domini in circuitu caperet aut interimeret. Vgl. etwa Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 9,12, S. 652: Ceciderunt hac die tria milia Sarracenorum, Christianorum uero pauci perisse inventi sunt; ebd. 9,21, S. 664: Sarraceni regionem ingressi fuissent ad insidiandum et trucidandum populum Filii Dei vivi, et ideo eum citius oportere in hac necessitate subuenire; Otto von Freising, Chronica 1,25, S. 57: Quae postmodum a Sarracenis destructa ac rursum a Christianis reedificata Xantis usque hodie vocatur; ebd. 7,5, S. 315: Christiani vero relictis in urbe sarcinis et infirmis contra Sarracenos procinctum movent. Soweit ich sehe, benutzt Fulcher von Chartres in seiner „Historia Hierosolymitana“ den Begriff Sarraceni ganz unbefangen und in der Regel ohne religiösen Bezug, doch grenzt auch er ihn gelegentlich von den Christiani ab (vgl. etwa Fulcher von Chartres, Historia Hierosolymitana 2,4,2f., ed. Heinrich Hagenmeyer, Heidelberg 1913, S. 372ff.; 2,44,5, S. 548). Abgrenzung von nos: ebd. 2,5,5, S. 379. Zur Abgrenzung von Christen und Sarazenen bei Fulcher vgl. Epp, Fulcher von Chartres S. 36ff. In seinem Bericht über Mohammed erwähnt etwa Landulfus Sagax, Historia Romana 20,58, S. 132f., dessen religio, die anfangs auch von einigen Juden angenommen worden sei, weil sie ihn für den prophezeiten Christus hielten. Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 40, S. 204: Et ex multis eius dictis, unum id proferamus in medium. Ait enim nunc completum iri scripturam, quae dicit: lewn kai skimnov ‘omodiwxousin ‘onagron. Grece ita; Latine autem sic: ‘Leo et catulus simul exterminabunt onagrum’. Cuius interpretatio secundum
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Zumindest in einigen Fällen zeigen sich die christlichen Autoren aber nicht nur über die Sarazenen selbst und ihre prinzipielle religiöse Abgrenzung, sondern auch über einzelne religiöse Merkmale informiert, gelangen hier freilich zu manchen Fehlurteilen oder Verzerrungen. Wie Christen, so glauben auch die Sarazenen an eine Erlösung im Jenseits, doch habe Mohammed dieses Paradies, wie Landulfus Sagax und Hugo von Fleury vermerken, fleischlich verstanden: mit Speise, Trank (Wein) und Verkehr mit Frauen sowie einem Fluß aus Wein, Honig und Milch.403 Landulfus bewertet das als dumm. Alle, die nicht an Gott und Mohammed glauben, schreibt der insgesamt gut informierte, zum Christentum bekehrte, spanische Jude Petrus Alfonsi, sind nach dieser Lehre zu endlosen Strafen in der Hölle verdammt, während alle, die ihr folgen, dank Mohammeds Fürsprache erlöst würden.404 Die Höllenqualen, so auch der Abt Petrus Venerabilis von Cluny, werden genau beschrieben. Ihr Paradies aber sei weder die Gemeinschaft
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Grecos: leo, id est Romanorum sive Grecorum imperator, et catulus, Francorum scilicet rex, simul his praesentibus temporibus exterminabunt onagrum, id est Saracenorum regem Africanum. Quae interpretatio eo mihi vera non videtur, quoniam leo et catulus, quamvis disparis magnitudinis, unius tamen sunt naturae et speciei seu moris; atque, ut mihi mea scientia suggerit, si leo Grecorum imperator, inconveniens est ut catulus sit Francorum rex. Quamvis enim utrique homines sint, sicut leo et catulus uterque animalia, distant tamen moribus tantum, non dico solum quantum species speciebus, sed quantum sensibilia insensibilibus. Landulfus Sagax, Historia Romana 20,61, S. 134: Paradysum uero carnalis cibi ac potus et commixtionis mulierum perhibebat fluuiumque uini ac mellis et lactis et feminarum non presentium daliarum et mixturam multorum annorum futuram et affluentem uoluptatem nec non et alia quedam luxuria et stultitia plena, compati tamen inuicem et auxiliari patienti. Zu Hugo von Fleury vgl. oben Anm. 266. Petrus Alfonsi, Dialogi 5, S. 64: He˛c bona dabuntur credentibus, non credentibus vero Deo et prophete˛ eius Mahometho erit infernalis pena sine fine. Quantiscumque autem peccatis quisque obligatus fuerit et in die mortis sue˛ Deo et Mahometo crediderit, in die iudicii Mahometo interveniente salvus erit. Nach Petrus Alfonsi versprach Mohammed fleischliche Gelüste im Paradies, weil er selbst die Frauen liebte; vgl. Tolan, Petrus Alfonsi S. 31. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts bezeugt Arnold von Lübeck, Chronicon 7,8, S. 270f., daß die Sarazenen an die Jungfrauengeburt durch einen Engel glauben und das Paradies auf der Erde suchen; dort gebe es vier Flüsse: einen aus Wein, den zweiten aus Milch, den dritten aus Honig und den vierten aus Wasser. Zu spätmittelalterlichen Bild islamischer Paradiesvorstellungen vgl. Akbari, Idols S. 248–279.
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mit den Engeln noch der Anblick Gottes noch das höchste Gut, sondern die Erfüllung aller fleischlichen Gelüste.405 Petrus Alfonsi zeigt in seinem kurzen Bericht noch mehrmals nähere Kenntnisse des Islam: So weiß er von dem fünfmaligen Gebet am Tag und den vorangehenden Waschungen, den Fasten- und Speiseverboten und Ehevorschriften (die Gewährung von bis zu vier Ehefrauen) und von der Pilgerfahrt nach Mekka und rekurriert dabei mehrmals auf den Koran.406 Was nützen aber die Waschungen, so fragt er polemisch dagegen, ohne innere Reinheit? Mit dem Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch habe Mohammed sich nur von den Christen, mit dem Verbot des Weingenusses von den Juden unterscheiden, mit der Erlaubnis, vier Frauen zu haben, nur seine eigene Wollust befriedigen wollen. Der Hadj (Hag˘g˘) aber ist für Petrus ein Rest der alten heidnischen Verehrung der Ka‘aba, an der Mohammed festhielt und nur die Idole verbarg, und er unterstellt der Ausbreitung des Islam rein politische Gründe.407 Warum, so sein Fazit, solle er selbst an ein Gesetz glauben, das voller Widersprüche steckt?408 Der – völlig ungeordnete Koran – sei nicht von Mohammed selbst, sondern erst nach seinem Tod von seinen Gefährten niedergeschrieben worden.409 Es ist kein Zufall, wenn sich genauere Vorstellungen nicht zuletzt bei bekehrten Juden finden, die in islamischen Gegenden gelebt haben, wie eben bei Petrus Alfonsi aus Andalusien, der dann in Aragón lebte, hier getauft wurde und schließlich Leibarzt des französischen Königs Heinrich I. wurde, oder, kurz zuvor gegen Ende des 11. Jahrhunderts, bei Samuel Marochianus aus Marokko. Auch wenn Christen und Sarazenen ihre Glaubensinhalte gegenseitig nicht zur Kenntnis nähmen, schreibt Samuel in seiner (ursprünglich arabischen und dann ins Lateinische übersetzten, an einen arabischen 405
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Petrus Venerabilis, Summa 9, S. 10: Inferni tormenta, qualia sibi libuit et qualia adinvenire magnum pseudoprophetam decuit, describit. Paradisum non societatis angelicae nec visionis divinae nec summi illius boni, quod ‚nec oculus vidit nec auris audivit nec in cor hominis ascendit‘, sed vere talem, qualem caro et sanguis, immo faex carnis et sanguinis, concupiscebat qualemque sibi parari optabat, depinxit. Vgl. dazu Guy Monnot, Les citations coraniques dans le „Dialogus“ de Pierre Alfonse, in: Islam et chrétiens du Midi (XIIe–XIVe s.) (Cahiers de Fanjeaux 18), Toulouse 1983, S. 261–277. Petrus Alfonsi, Dialogi 5, S. 62ff., 68, 70ff. Vgl. dazu Hotz, Mohammed S. 64ff. Petrus Alfonsi, Dialogi 5, S. 70: Dic michi, Moyses, legem, que˛ secum dissidet, quare me credere iubes? Ebd. S. 70f.
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Juden Isaak gerichteten) Schrift „De adventu Messiae“, trägt es doch zur Stärkung der Gläubigen bei, wenn man uns entgegenhält, was die Sarazenen über Jesus und seine Mutter Maria schreiben.410 Sie behaupten nämlich, daß Christus der prophezeite Messias sei und ziehen ihn genealogisch sogar Mohammed (den Samuel freilich als ihren Gott bezeichnet) vor, der von heidnischen Eltern aus dem Samen der Magd Hagar abstammt, während der Stammbaum Christi in direkter Linie von Isaak bis zu Maria reicht.411 Sie glauben auch an die Verkündigung Marias und daran, daß Christus von Gott die Fähigkeit erhalten habe, Wunder zu wirken, sowie an die Wahrheit dieser biblischen Wunder, wie es sogar im Koran festgehalten werde,412 und daran, daß Christus, den sie Eise nennen, das Wort Gottes ist.413 Noch mehrfach zeigt Samuel auf, wie der Koran biblisches Wissen festhält. Damit beweist der ehemalige Jude Bibel- und Korankenntnisse, doch kommt es ihm offensichtlich darauf an, das islamische Wissen vom Christentum aufzuzeigen und nicht seinerseits den Islam zu beschreiben. Mohammed selbst 410
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Samuel Marochianus, De adventu Messiae 27, Migne PL 149, Sp. 365 D: Certe, domine mi, licet nobis non opponant Christiani dicta Sarracenorum, praecipue quae traduntur in Alcorano et in expositionibus eius, scientes quod nos non reciperemus, sicut nec ipsi recipiunt, tamen ad fatigationem nostram esse et ad fortificationem credentium, si nobis opponerentur illa quae dicuntur a Sarracenis de Iesu et de beata Maria matre eius. Ebd. Sp. 365f.: Omnes enim Sarraceni dicunt quod ipse fuit ille Messias quem praedixerunt venturum, et praeponunt illum Mahometo eorum deo quantum ad genealogiam. Fatentur enim quod parentes Mahometi fuerunt idololatrae et pravi, ex semine Agar ancillae. Et dicunt quod Messias fuit filius Isaac et prophetarum et iustorum, et recta linea usque ad beatam Mariam virginem matrem eius. Ebd. Sp. 366 AB: De Maria vero dicitur sic in Alcorano de familia Adamar: Dixit angelus Gabriel ad Mariam: O Maria, Deus te elegit et docuit gratiam, et praeelegit super omnes mulieres omnium saeculorum, et posuit te quasi novum medium, dividens inter homines terrenos et angelos Dei in paradiso deliciarum. Dicunt etiam omnes Sarraceni quod Christus sive Messias habuit a Deo potestatem faciendi miracula, sanandi omnem languorem et infirmitatem, et eiciendi daemonia et suscitandi mortuos, et scivit omnia secreta cordium, et credunt omnia miracula Iesum fecisse quae Evangelium commemorat. Et hoc expresse testificatur Alcoranus ubi dicitur in capite praedicto quod Messias scivit et scit omnia, et etiam secreta cordium. Ebd. Sp. 366 BC: Dicunt etiam in Alcorano quod Eise, id est Iesus Christus, est Verbum Dei, et hoc scilicet esse Verbum Dei, est Iesu Christi apud Sarracenos quasi nomen proprium, ita quod nullus alius homo vocatur in hoc nomine, nisi Iesus, quem vocant Arabice Eise. Dicuntur etiam in Alcorano sic: ‚Dixit Deus ad Eise: Ego sum sufficientia tua, ego levabo te usque ad me, et purificabo te infidelibus.‘
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aber sei ein verdorbener Ignorant gewesen, dessen Schrift sich gegen Gott richte.414 Auch andere Autoren berichten kurz über islamische Riten. So sind Johannes von Würzburg auf seiner Pilgerreise nach Jerusalem in den 1160er Jahren die typischen Gebetsverrichtungen aufgefallen, auf die er allerdings nur beiläufig bei seiner Beschreibung des jüdischen Tempels eingeht: In diesem Tempel begäben sich auch die Sarazenen zu jenem Altar, vor dem in geringer Entfernung einst Zacharias den Märtyrertod erlitt und an dem die Juden des Alten Testaments Tauben zu opfern pflegten, den die Sarazenen nun aber in eine Uhr umgewandelt hätten, um dort bis heute, ihrer Gewohnheit gemäß, nach Süden gerichtet zu beten.415 Wenig später weiß auch Burchard von Straßburg, ein Gesandter Friedrich Barbarossas an Saladin im Jahre 1175, in seinem Reisebericht (‚Itinerarium‘) von rituellen Waschungen und Gebetszeiten sowie von verhüllten Frauen zu berichten, die nur in männlicher Begleitung anzutreffen seien.416 Bestattungssitten der Muslime 414
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Ebd. Sp. 367f.: Perfecte enim nosti quia ipse Mahometus, qui dixit se prophetam, nec ventura praedixit, et qui dixit se nuntium Dei, contra Deum eius Scripturam docuit ut corruptus homo penitus ignorans. Johannes von Würzburg, Descriptio terrae sanctae, ed. Robert B.C. Huygens, Peregrinationes tres, CCM 139, Turnhout 1994, S. 91f.: In templo ad altare quod extra erat sub divo, remotum a templo plusquam per XX duos passus, Zacharias filius Barachiae martyr occubuit, supra quod in veteri testamento Iudei turtures et columbas sacrificare solebant. Quod a Sarracenis postea mutatum est in horologium et adhuc videri potest et notari, quod plures Sarraceni etiam hodie causa orandi ad ipsum, versus meridiem dispositum, ad quem ipsi orare solent, veniunt. Vgl. zu diesem Reisebericht John Tolan, Veneratio Sarracenorum: dévotion commune entre musulmans et chrétiens selon Burchard de Strasbourg, ambassadeur de Frédéric Barberousse auprès de Saladin (v. 1175), in: Prouteau/Sénac (Hg.), Chrétiens et musulmans S. 185–195 (englische Fassung: ‚Veneratio Sarracenorum‘. Shared Devotion among Muslims and Christians, According to Burchard of Strasbourg, Envoy from Frederic Barbarossa to Saladin [c. 1175], in: Ders., Sons of Ishmael, S. 101–112), und Michael Borgolte, Augenlust im Land der Ungläubigen. Wie Religion bei Christen und Muslimen des Mittelalters die Erfahrung der Fremde steuerte, in: ZfG 58, 2010, S. 591–613, hier S. 607ff., der aus den jeweils unterschiedlichen Glaubensvorstellungen heraus eine unterschiedliche Wahrnehmung der jeweils anderen Religion bei Burchard und Ibn Dschubair herausstellt (wie auch später im Vergleich zwischen Ibn Battuta und Marco Polo), darüber Ähnlichkeiten aber vielleicht unterbelichtet. Fraglich für das 12. Jahrhundert bzw. einer Diskussion hinsichtlich der religiösen Wahrnehmung wert scheint mir auch Borgoltes Folgerung (ebd. S. 613) zu sein: „Das lateinische Christentum, das stets durch das Wechselspiel
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(oder zumindest ihrer Fürsten) bezeugt Albert von Aachen mit der Nachricht, der Leichnam des Fürstensohnes Mohammed von Azaz sei „nach Sitte der Heiden“ in ein kostbares Tuch gewickelt worden.417 Immer wieder erwähnt wird schließlich die Beschneidung. Schon Fredegar schreibt von der gens circumcisa,418 nach Aimoin von Fleury hat „das ungläubige Volk“ der Agarener (oder Sarazenen) diesen Ritus von Abraham übernommen,419 und Hermann von Reichenau stellt, seinerseits auf Fredegar gestützt, darin explizit die Parallele zum Judentum heraus.420 Die Ritentreue der Muslime erkennt selbst Papst Gregor VII. an, wenn er den Christen entgegenhält, daß jene, obwohl sie Heiden seien, ihre Gesetze besser befolgten als diese.421 Den Glauben an einen Gott und an Christus (aber eben nicht als Gott, sondern als Mensch) sowie an die Apostel, die Riten der Beschneidung, die tägliche rituelle Waschung der Geschlechtsteile und die Verehrung des Verführers Mohammed als großen Propheten sind auch für Otto von Freising die – verächtlich belachten – Kennzeichen der Saraze-
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von Weltzuwendung und Weltabwendung geprägt war, scheint seit dem hohen Mittelalter gegenüber Muslimen, aber auch im Vergleich mit Juden und Ostchristen, einen Vorsprung gewonnen zu haben.“ Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 5,32, S. 378: Quem iuxta morem gentilium precioso ostro inuolutum patri remisit, excusans se sub omni fidei puritate. Fredegar, Chronicon 4,66, S. 153f. Vgl. später auch Otto von Freising, Chronica 5,9, S. 242: Agareni, gens circumcisa, imperium vastant; Petrus Venerabilis, Summa 10, S. 12. Aimoin von Fleury, Historia Francorum 4,22, Migne PL 139, Sp. 783 BC: Agareni siquidem (qui et Sarraceni) gens perfida, ab Abraham cum origine ritum trahens circumcisionis, a radice Caucasi montis progressa, terras Heraclii populatum venerunt. (Die maschinenschriftliche kritische Edition von Le Stum von 1976 war mir nicht zugänglich.) Hermann von Reichenau, Chronicon a. 632, S. 93: Et peticione imperatoris, qui imperium suum a gente circumcisa vastandum praecognoverat, Iudei multi in regno Francorum, sicut et alibi in Romano imperio, profligati sunt. Nec multo post secutis temporibus crudelissima gens Saracenorum, et ipsa circumcisa, multas provincias inundans vastavit. Vgl. auch Hugo von Fleury (oben Anm. 266). Gregor VII, ep. 2,9, S. 139: Lex enim et religio christiana ita fere ubique deperiit, ut Sarraceni et quilibet pagani suos ritus firmius teneant quam illi, qui Christianum nomen acceperunt.
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nen, die damit zwar nicht Götzendiener, aber doch weit entfernt vom Heil sind.422 Eigene Riten schreibt auch Albert von Aachen den Sarazenen zu, ohne sie anzuerkennen oder zu konkretisieren, wenn er im Zusammenhang mit dem Sieg der Christen über Kerboga vor Antiochia und der Einnahme der Stadt von der Reinigung der Kirchen von allem Schmutz berichtet, welche die Sarazenen mit ihren gottlosen Riten entweiht hätten (sie hatten sie offenbar für ihre Gottesdienste gebraucht), sowie von der Wiederherstellung der zerstörten Altäre und der Wiederaufrichtung der Christus- und Heiligenbilder, um den Gottesdienst wiederherzustellen. Ansonsten hätten die Sarazenen die Kirchen jedoch unversehrt gelassen.423 Eine entsprechend abschätzige Wertung läßt Albert noch mehrfach erkennen: So fanden die Christen bei der Einnahme von Antiochia unzählige Codices mit den gotteslästerlichen Schriften dieser „Heiden“ und mit den gottlosen Liedern der Wahrsager und Opferschauer.424 Nach Rahewins Vorstellung erscheint der Sarazene schon äußerlich entstellt, wenn der Chronist einen sarazenischen Gesandten
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Otto von Freising, Chronica 7,7, S. 317f.: Quod ob fidem Christi passus sit, fidelissima traditio habet; quod autem ydola comminuerit, ex hoc credere difficile est, quia constat universitatem Sarracenorum unius Dei cultricem esse librosque legis necnon et circumcisionem recipere, Christum etiam et apostolos apostolicosque viros non improbare, in hoc tantum a salute longe esse, quod Iesum Christum humano generi salutem afferentem Deum vel Dei filium esse negant Mahmetque seductorem, de quo supra dictum est, tanquam prophetam magnum summi Dei venerantur et colunt. Cuius seductionis et, ut ipse mentitur, predicationis tale apud eos esse traditur exordium: ‚Inicium evangelii Mahmet filii Dei, prophetae altissimi‘: ‚Lavamini, mundi estote‘. Quod preceptum predicta gens stolide servans secretiores corporis partes cottidie abluere solet. Vgl. unten Anm. 559. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 5,1, S. 338: basilicam beati Petri apostoli quam Turci suis sacrilegis ritibus prophanauerant, ab omni inquinamento mundantes, altaria sancta que subuersa erant in omni honestate reedificauerunt, imaginem uero Domini nostri Iesu Christi et figuras sanctorum quas in modum uiuentis persone excecatas et cemento obductas obscurauerant summa reuerencia renouabant, cultores catholicos in exequendis ibidem diuinis mysteriis restituentes. […] Hoc idem oratorium breui interuallo distans ab ecclesia sancti Petri adhuc ab eisdem Turcis inuiolatum et intactum permansit, et Christianis inter se post sibi subiugatam urbem dono et licentia eorum commorantibus solummodo relictum est. Ebd. 4,56, S. 336: Codices uero innumerabiles in eisdem castris gentilium repererunt, in quibus sacrilegi ritus Sarracenorum, Turcorum, quarumque gentium inscripti erant, et nefanda carmina ariolum et aruspicum cum caracteribus execrabilibus.
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in Italien als alt, mißgestaltet und einäugig beschreibt.425 Umgekehrt macht sich ein Muslim nach einem Bericht Rodulf Glabers über die christlichen Riten der österlichen Lichtfeier (Osterfeuer) lustig (wird deshalb aber von einem göttlichen Strafwunder heimgesucht und stirbt).426 Das alles ist natürlich aus christlicher Perspektive geschildert, zeugt aber deutlich von gegenseitigen Mißverständnissen gegenüber der jeweils anderen Religion.427 Nur selten finden sich im christlichen Abendland des Mittelalters vor dem 12. Jahrhundert Äußerungen wie bereits im frühen 9. Jahrhundert im Matthäuskommentar des – ohnehin sehr originellen Denkers – Paschasius Radbertus (man denke nur an seine Interpretation der Eucharistie oder an seine Vita Walas), demzufolge die Kenntnis Gottes und des Evangeliums sehr wohl zu den Sarazenen gedrungen sei, die das aber nicht annehmen wollten, sondern, „von einigen Pseudoaposteln verführt“, „sich sowohl aus dem Alten wie aus dem Neuen ein eigenes Gesetz geschaffen haben und, obgleich unter dem Kult eines einzigen Gottes, weder mit uns noch mit den
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Rahewin, Gesta Frederici 4,45, S. 600: sive Hispanum sive Arabum Sarracenum, etate senem, facie deformem et luscum. Seine 20 discipuli seien malis consiliis et arte veneficia prioribus multo potentiorem. Rodulf Glaber, Historiae 4,19, S. 202: Eodem quippe tempore Odolricus, Aurelianorum presul, illuc pergens, quid uiderit nobisque narrauerit non pretermittendum uidetur miraculum. Die igitur magni illius sabbati quo ignis mirabili Dei potentia ueniens ab uniuerso populo prestolatur, ibi cum ceteris isdem presul adstabat. Iamque dies ipsa in uesperum transiens, repente penes horam qua sperabatur ignis affuturus, unus Sarracenorum scurra impudentissimus, ex plurima illorum multitudine que annuatim semper una cum Christianis adesse solet, exclamauit, ut Christianis mos, cum primum uidetur: ‚Aios Kyrrieleison!‘ Cauillanter cachinnum emisit, extensaque manu arripuit cereum de manu cuiusdam Christiani, aufugere temptans. Qui ilico arreptus a demonio turpiter nimium uexari cepit. Quem prosequens Christianus cereum abstulit. Ille uero tortus acerrime, protinus inter Sarracenorum manus exspirauit. Quod factum omnibus in commune terrorem immisit, Christicolis tamen gaudium et exultationem prebuit. Daß die abendländischen Islamkenntnisse von Anfang an von Mißverständnissen und Polemik bestimmt waren, betont Helmut G. Walther, Experiencia magistra docet: Muslime und Kreuzzüge als Probleme einer Neugestaltung der Welt seit dem 13. Jahrhundert, in: Nikolaus Staubach (Hg.), Exemplaris Imago. Ideale in Mittelalter und Früher Neuzeit (Tradition – Reform – Innovation. Studien zur Modernität des Mittelalters 15), Frankfurt/M.-Berlin-Bern-Brüssel-New York-Oxford-Wien 2012, S. 57–75, hier S. 61ff.
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Juden übereinstimmen wollten, sondern alles verkehrt haben.“ 428 Paschasius nimmt den Islam demnach durchaus als eine eigene, zwar aus den beiden Testamenten gespeiste, jedoch weder jüdische noch christliche, sondern irregeleitete Religion wahr (aus der, wie manche meinen, sogar der Antichrist aufgenommen wird).429 Als Religion wird der Islam hier, wie auch in den vorangehenden Beispielen, eindeutig negativ bewertet. Zugleich beklagt sich Paschasius darüber, daß die Sarazenen die christlichen Kirchen entweiht und dort, wo vorher Tempel und Glauben waren, Heiligtümer ihres Kultes errichtet hätten, die sie Moscheen nennen.430 Die Erfolge der Sarazenen deutet er als Erfüllung biblischer Prophetien, nämlich Daniels, denen zufolge die Verwüstungen bis zum Ende der Zeiten andauern würden. Gegenüber solchen, trotz aller Abwertung geradezu erstaunlichen Einsichten ist im Abendland ansonsten weit eher ein mangelndes Verständnis des Islam bezeichnend. Ein beredter, wenngleich exzeptioneller Fall für eine derartige Einschätzung und für die feste Überzeugung von der Wahrheit des eigenen Glaubens ist der bekannte Bericht über die langjährige Gesandtschaft des Abtes Johannes von Gorze an den Kalifenhof nach Córdoba im
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Paschasius Radbertus, Expositio in Matheo 11,24,12, ed. Beda Paulus, CCM 56 B, Turnhout 1984, S. 1163: Et ne quis mihi obiciat Sarracenos qui multa regna terrarum nutu Dei suis occuparunt armis et dominantur pene ubique in christianis quasi ad eos Euangelium Christi necdum peruenerit. Peruenit quidem et receperunt Dei notitiam sed male seducti a quibusdam pseudoapostolis ut ita loquar Nicolai discipulis propriam sibi tam ex Veteri Testamento quam et ex Nouo condiderunt legem ac si sub unius Dei cultu nec tamen nobiscum nec cum Iudeis quippiam sentire uolentes omnia peruerterunt. Die Zusammenstellung des islamischen Gesetzes aus Neuem und Altem Testament ähnelt auffällig der viel späteren Einschätzung Hugos von Fleury (vgl. oben Anm. 269). Paschasius Radbertus, Expositio in Matheo 11,24,12, S. 1163: A quibus forte quia primum iusto Dei iudicio susceperunt spiritum erroris ut multi putant suscipiendus est Antichristus. Damit werden im Abendland erstmals Elemente des Islambildes aufgegriffen, die im Orient und im islamischen Spanien kursierten. Zur Antichristpolemik gegenüber dem Islam vgl. Daniel, Islam and the West S. 184ff. Paschasius Radbertus, Expositio in Matheo 2,2,1, S. 146: Ac deinceps usque ad consummationem et usque ad finem iuxta eundem prophetam desolatio perseuerat. In tantum ut in loco quo prius templum et religio fuit Sarraceni phanum culturae suae habeant in modum sancti templi ad prophanationem sanctuarii quod sua lingua ut aiunt Myschydam uocant.
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Auftrag Ottos des Großen in den Jahren 953 bis 956.431 Der nach 974 vom Abt Johannes von Metz abgefaßte Bericht der Vita spiegelt gleichsam die Vorurteile und Ressentiments des Abtes wider, der Reich und Glauben verteidigt und hier keinen Schritt weit zurückweicht (und gerade das Letztere will die – durchaus tendenziöse – Vita herausstellen).432 Das beginnt schon mit der Einschätzung der Gefährlichkeit der Mission, denn mit Johannes wählte man einen Mann aus, der sich nach dem Martyrium sehnte (virum cupidum esse martirii).433 Der Auftrag war zudem durch politisch-diplomatische Schwierigkeiten geprägt, da die Gesandten fern vom Palast untergebracht wurden und als Strafe für die nachlässige Behandlung der islamischen Gesandten am Ottonenhof extrem lange bis zur Audienz warten mußten. Sodann geriet Johannes mit seinen Äußerungen über den fremden Glauben in Probleme, da (so der Autor) alte Gesetze dieses Volkes nie mehr abgeändert werden durften und eines dieser Gesetze die Bestimmung enthielt, daß jede Äußerung gegen den Islam, ganz gleich, ob sie ein „Bürger“
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Vita Iohannis Gorziensis 116–136, ed. Pertz S. 370-377; ed. Parisse 142–161. Vgl. dazu Christys, Christians in al-Andalus S. 109ff. Zur Gesandtschaft selbst vgl. etwa Fernando Valdés Fernández, Die Gesandtschaft des Johannes von Gorze nach Córdoba, in: Matthias Puhle (Hg.), Otto der Große, Magdeburg und Europa. Bd. 1: Essays, Mainz 2001, S. 525–536; zur Einordnung in die ottonische Diplomatie mit dem Islam: Helmut G. Walther, Der gescheiterte Dialog: Das Ottonische Reich und der Islam, in: Albert Zimmermann/Ingrid Craemer-Ruegenberg (Hg.), Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 17), BerlinNew York 1985, S. 20–44. Der Bericht ist bei Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter, Frankfurt/M.-BerlinWien 1973, S. 625–631, ausführlich, jedoch keineswegs angemessen interpretiert, da Borst vor allem das abschließende Gespräch des Johannes mit dem Kalifen in den Vordergrund rückt und aus dem diplomatischen Geplänkel schließt, der von Vorurteilen bestimmte Johannes habe plötzlich erkannt, daß kein Götze, sondern ein Mensch vor ihm stand, sei durch die zuvorkommenden Gesten des Kalifen schon halb besiegt gewesen und habe die Gesinnung von Andersgläubigen achten gelernt. Das ist modernes Wunschdenken. Der Bericht spiegelt im Gegenteil durchweg Johannes’ abschätzige Wertung des Islam wider, läßt aber auch den Zwiespalt einerseits zwischen der religiösen Differenz und dem politisch-diplomatischen Verkehr und andererseits zwischen der Einstellung der lateinischen und der mozarabischen Christen erkennen. Vita Iohannis Gorziensis 117, ed. Pertz S. 370; ed Parisse S. 144.
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oder ein Fremder kundtat, mit der Todesstrafe geahndet wurde.434 Die Beziehung zum Kalifen war zudem offenbar durch beleidigende Äußerungen gegenüber dem Islam im Begleitbrief Ottos I. empfindlich gestört, doch erfahren wir nirgends, um welche konkreten Beleidigungen es sich dabei handelte. Für den Autor der Vita aber ist der Kalif ein rex sacrilegus et profanus und „dem wahren Glauben fremd“ (a vera fide prorsus esset alienus), eben weil er Sarazene war (der gleichwohl die Freundschaft Ottos des Großen suchte und sich in seinem Gesandtschaftsbrief dennoch nicht aller Blasphemien gegen Christus enthielt).435 Hier wird der Sarazenenbegriff nun endgültig eindeutig religiös verstanden, zugleich aber als heidnisch eingeordnet. Zudem waren die Muslime, quod omni catholicae ecclesie detestabile est, Beschnittene.436 Ein Jude führte die Gesandten zunächst in die Volksbräuche ein, bevor der Kontakt mit dem Ortsbischof – auch er hieß Johannes – aufgenommen werden konnte, der die Unterwerfung der Christen unter die pagani als Sündenstrafe deutete. Man gehorche, soweit es der Glaube zulasse, während der Abt das Zusammenleben tadelte.437 In der Begegnung dokumentiert sich somit auch der Gegensatz zwischen der „Außensicht“ des Abendlandes und den auf Koexistenz angewiesenen und bedachten Christen im islamischen Spanien. Ein zweisprachiger Gegengesandter, der Christ Recemund, mußte zwischenzeitlich einen im milderen Ton verfaßten Brief vom Ottonenhof erwirken, um „in einem Bündnis Freundschaft und Frieden wegen der Anfeindungen der räuberischen Sarazenen zustande zu bringen“.438 Daß der „König“ den abendländischen Gesandten schließlich allein in seinem Schlafgemach empfing und in einem prachtvollen Bett lag, weil man „nicht nach der Sitte der übrigen Völker Throne oder Sessel
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Ebd. 120, ed. Pertz S. 371; ed. Parisse S. 146: Lex enim tam inprovocabilis eos constringit, ut quod semel antiquitus omni ei genti praefixum est, nullo umquam liceat modo dissolvi […]. Eis in legibus primum dirumque est, ne quis in religionem eorum quid umquam audeat loqui. Civis sit, extraneus sit, nulla intercedente redemptione capite plectitur. Ebd. 115, ed. Pertz S. 370; ed. Parisse S. 142. Ebd. 123, ed. Pertz S. 372; ed. Parisse S. 148. Ebd. 122, ed. Pertz S. 372; ed. Parisse S. 148. Johannes argumentiert damit ähnlich strikt wie die strengen Vertreter der Märtyrerbewegung in Córdoba im 9. Jahrhundert, die die Zusammenarbeit und Toleranz der Christen anprangerten. Ebd. 130, ed. Pertz S. 375; ed. Parisse S. 156: Iohanni de prioribus supprimendis rescribitur, tantum cum donis procedat, amicitiam pacemque de infestatione latrunculorum Sarracenorum quoquo pacto conficiat, reditumque maturet, edicitur.
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benutzte“,439 dürfte nicht nur als ethnographische Feststellung, sondern in diesem Kontext ebenfalls als Kritik zu verstehen sein (zumal eine solche „Privataudienz“ eher ungewöhnlich war und mißverstanden werden konnte). Geht es in dem Bericht vordergründig um eine schwierige Gesandtschaft (mit einem schwierigen Gesandten), so lassen sich aus den Äußerungen doch einige Einstellungen gegenüber den Andersgläubigen erkennen, ohne daß ein Wunsch nach Austausch und Erfahrung tatsächlich erkennbar wäre; Johannes selbst ging es weit mehr um das Schicksal der Christen im islamischen Spanien als um die fremde Religion. Eine geschlossenere Darlegung islamischer Glaubenselemente bieten im 12. Jahrhundert Petrus Venerabilis, der weiter unten noch ausführlicher zu behandeln ist, und am Ende des 12. Jahrhunderts (indirekt) Alanus ab Insulis im vierten Buch seiner Schrift über den katholischen Glauben gegen die Häretiker seiner Zeit, indem er Vorwürfe der Muslime gegenüber dem christlichen Glauben anführt, um sie zugleich zu widerlegen.440 Dabei sieht auch er in Teilen Übereinstimmungen mit Christen und Juden, wie auch Abgrenzungen von diesen Religionen: Die gemeinhin volkstümlich Sarazenen oder Heiden genannten Vertreter dieses Glaubens stimmten mit den Christen nämlich darin überein, daß sie einen einzigen Gott als Schöpfer von allem anerkannten; mit den Juden hätten sie hingegen gemeinsam, daß sie die Trinität ablehnten.441 So glaubten sie nicht (wie die Christen), daß
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Ebd. 133, ed. Pertz S. 376; ed Parisse S. 158: Rex ipse thoro luxu quam poterat magnifico accumbebat. Neque enim more gentium ceterarum soliis aut sellis utuntur, sed lectis sive thoris colloquentes vel edentes, cruribus uno alteri impositis, incumbunt. Alanus ab Insulis, De fide catholica contra haereticos, Buch 4: Contra paganos seu Mahometanos, Sp. 421–430. Zu dieser Schrift vgl. Marie-Thérèse d’Alverny, Alain de Lille et l’Islam S. 301–324, mit neuer Edition des 4. Buchs, ebd. S. 325–350. Zu Handschriften, Editionen und Quellen vgl. Nikolaus M. Häring, Alan of Lille’s De fide catholica or Contra haereticos, in: Analecta Cisterciensia 32, 1976, S. 216–237. Zu Alanus: H. Roussel/F. Suard (Hg.), Alain de Lille, Gautier de Châtillon, Jakemart Giélée et leurs temps, Lille 1980. Der Band enthält jedoch keinen Beitrag zu „De fide catholica“. Alanus ab Insulis, De fide catholica contra haereticos 4,1, ed. d’Alverny S. 332 (Migne Sp. 421 BC): quos communi vocabulo vulgus Saracenos vel paganos nuncupat; qui cum Christianis in hoc consonant, quod unum Deum, uniuersorum creatorem, affirmant; in hoc tamen cum Iudeis conueniunt, quod in diuina unitate trinitatem abnegant.
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Christus vom Geist Gottes empfangen wurde442 und daß er aber unvergänglich und unsterblich sei;443 sie stellten sich, mit den schon von Petrus Alfonsi her bekannten Elementen, vor, daß die Menschen in der ewigen Seligkeit Speise und Trank in materieller Form genießen würden,444 verteidigten die Vielehe445 und hielten das Waschen des Körpers für ausreichend zur Vergebung der Sünden (damit mißversteht auch Alanus die rituellen Waschungen).446 Das alles sind bekannte, hier aber erstmals – zu ihrer Widerlegung – kohärent zusammengetragene Vorstellungen. Weiter geht Alanus hingegen mit zwei anderen Bemerkungen, die ihrerseits auf muslimische Vorwürfe gegen Christen abzielen: Gemeinsam mit den Juden warfen die Sarazenen den Christen nämlich die Bilderverehrung in den Kirchen vor.447 Das Heil aber sei, wie sie glaubten, auf ihre „Sekte“ beschränkt.448 Damit erkennt Alanus, daß auch die Sarazenen, wie die Christen, ihren Glauben für den einzig wahren halten. Mit seinen Bemerkungen nimmt er zugleich indirekt bereits zu dem Problem der Gesamteinschätzung des Islam als Religion Stellung, das uns nun abschließend beschäftigen soll.
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Ebd. 4,1–2, ed. d’Alverny S. 332ff.; vgl. die Überschrift zu 4,1, ed. d’Alverny S. 331, unter a) (Migne Sp. 421 B): Quibus auctoritatibus et rationibus dicunt pagani, seu Mahometani, Christum conceptum fuisse de flatu Dei communi. Ebd. 4,3–4, S. 336f.; vgl. die Überschrift zu 4,3, S. 336 (Migne Sp. 423 D): Opinio paganorum, qui dicunt quod Christus fuit impassibilis et immortalis. Ebd. 4,5–6, S. 337ff.; vgl. die Überschrift zu 4,5, S. 337 (Migne Sp. 424 C): Opinio paganorum, qui dicunt homines in eterna beatitudine cibo et potu materiali reficiendos esse. Ebd. 4,7–8, S. 339ff.; vgl. die Überschrift zu 4,7, S. 337 (Migne Sp. 425 B): Opinio paganorum, qui asserunt, quod eis licitum est eis plures uxores simul habere. Ebd. 4,9–10, S. 341ff.; vgl. die Überschrift zu 4,9, S. 341 (Migne Sp. 426 B): Opinio illorum, qui dicunt quod sola ablutio corporis per aquam sufficit ad remissionem peccati. Ebd. 4,11–12, S. 343ff.; vgl. die Überschrift zu 4,11, S. 343 (Migne Sp. 427 AB): Opinio paganorum et Iudaeorum contra Christianos, quia fabricant ymagines in ecclesiis suis et quia plures sanctos adorant christiani. Ebd. 4,13–14, S. 346f.; vgl. die Überschrift zu 4,13, S. 346 (Migne Sp. 428 BC): Opinio paganorum, qui dicunt, quod neminem debent salutare, nisi fuerit eiusdem secte cum eis.
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6. Religiöse Einordnung der Muslime: Heiden oder Häretiker? a. Monotheisten? Wo die christlichen Autoren den Glauben der Sarazenen als eine andere, nicht-christliche Religion wahrnehmen – und das ist, auch wenn sie selten explizit werden, doch häufig genug der Fall –, betonen sie zugleich die Abgrenzung vom Christentum und damit vom wahren Glauben. Bereits im 9. Jahrhundert wirft Haymo von Auxerre den Sarazenen mangelnde Gotteskenntnis (und damit ein Kennzeichen der Heiden) vor (und er glaubt in demselben Zusammenhang in gewaltiger Übertreibung zudem, daß sehr viele Muslime mehr als sechzig Ehefrauen hatten).449 Sarazenen, so Haymo, würden weder das mosaische Gesetz noch die Evangelien kennen, sondern – und wieder ließe sich ergänzen: wie die Heiden – (noch) dem „Naturgesetz“ (der Stufe vor den göttlichen Geboten und damit vor dem Judentum) dienen und diese Gebote (wie das Verbot zu töten oder die Ehe zu brechen) nicht nach dem Schriftgesetz, sondern nach ihrem Herzen und in ihren Werken bewahren.450 Solche Urteile werfen die Frage nach der religiösen Einordnung der Muslime auf. Die Abgrenzung von den Christen legt dabei einen Vergleich mit anderen Religionen nahe. Mehrfach werden Muslime mit Juden parallelisiert. Wenn bereits Fredegar von dem „beschnittenen Volk“ (gens circumcisa) schreibt,451 zieht er bewußt eine Parallele zu den Juden und schafft (indirekt) zugleich eine Abgrenzung beider Gruppen von den Christen. Prudentius von Troyes brandmarkt den Glauben der Sarazenen und stellt ihn zugleich wieder an die Seite der Juden, wenn er, allerdings unter der Gefahr der Abtrünnigkeit
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Haymo von Auxerre, Expositio in epistolas s. Pauli. In epistolam I ad Thessalonicenses 4, Sp. 769 A: ‚gentes quae ignorant Deum‘. Gentes quae ignorant Deum fornicatrices sunt, et nimium libidini deditae, utpote non habentes cognitionem Dei, sicut sunt Mauri, Vandali, et maxime Sarraceni, intantum ut plurimi illorum sexaginta et eo amplius uxores habeant, et est sensus. Ebd. In epistolam ad Romanos 2, Sp. 381 B: Saraceni qui neque legem Moysi neque Evangelii habent, dum naturaliter servant legem, ne homicidium faciant, neque adulterium perpetrent, caetera quae lex in se scripta continet, ipsi sibi sunt lex, quoniam per opera quae faciunt, scriptam legem in cordibus suis ostendunt. Fredegar, Chronicon 4,66, S. 153.
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von Christen, bei beiden von „Wahnsinn“ (oder Wahnsinnsglauben), nämlich der dementia der Sarazenen und der insania der Juden spricht.452 Im 12. Jahrhundert erkennt Petrus Venerabilis zwar die Verknüpfungen des Islam zum jüdischen und christlichen Glauben an (während den Sarazenen vor Mohammed die Kenntnis des Gesetzes gefehlt habe),453 um sie jedoch sogleich zu verwerfen: Mohammed habe beide Religionen gutgeheißen, boshafterweise aber keine davon angenommen; er habe Moses als Propheten und Christus als von der Jungfrau geborenen Herrn, als Boten, Wort und Geist Gottes, nicht jedoch als Gottes Sohn anerkannt.454 So ist den christlichen Autoren zwar vielfach bewusst, daß die Muslime Monotheisten sind und nur einen Gott verehren. Wenn Albert von Aachen aber berichtet, daß Kerboga, der Atabeg von Mosul, „seinem Gott“ geschworen habe, nicht von der Belagerung Edessas abzulassen, unterscheidet er nicht nur Glauben und Ritus, sondern auch diesen Gott von dem christlichen:455 In solcher Diktion ist der muslimische Gott nicht der Christengott. Gleiches legen die „Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum“ in umgekehrter Richtung den Muslimen in den Mund, wenn sie Kerboga, auf die Frage der Franken, warum er und sein Volk das christliche Land erobert hätten und ob sie sich etwa zum Christentum bekehren wollten, antworten läßt: „Wir wünschen und wollen weder euren Gott noch euer Christentum und weisen euch mit ihnen ganz und gar ab.“ Die Christen könnten aber ihrerseits ihrem Gott und seinen Gesetzen abschwören, noch mehr Land erhalten und Türken und damit gleichberechtigte Krieger und Freunde wer-
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Annales Bertiniani a. 847, S. 53f., zum Übertritt des christlichen Diakons Bodo zum Judentum, der anschließend die spanischen Christen aufhetzte: in tantum mali profecit ut in omnes christianos Hispaniae degentes tam regis quam gentis Saracenorum animos concitare studuerit, quatenus aut relicta christianae fidei religione ad Iudeorum insaniam Saracenorumue dementiam se conuerterent aut certe omnes interficerentur. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum 1,40, S. 84. Petrus Venerabilis, Summa 8, S. 10: Sic plane impius ille fecit, quando et Christianam et Iudaicam legem collaudans, neutram tamen tenendam esse confirmans probando reprobus reprobavit. Inde est, quod Mosen optimum prophetam fuisse, Christum dominum maiorem omnibus exstitisse confirmat, natum de virgine praedicat, nuntium dei, verbum dei, spiritum dei fatetur – nec nuntium, verbum aut spiritum ut nos aut intelligit aut fatetur. Filium dei dici aut credi prorsus deridet. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 4,11, S. 266: Et indignatus super eius audacia obsidionem circa Rohas numquam se pretermittere in deo suo iurat, sed ammonito exercitu suo hanc in momento irrumpere, Baldwinum captiuum abducere.
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den. Andernfalls würden sie hingerichtet oder gefangengenommen und versklavt.456 Auch wenn das im Hinblick auf die Kriegssituation und die Tendenz des Autors stilisierte Reden sind, bleibt die Wortwahl bezeichnend: Der eine Gott der Christen und Muslime wird nicht zwangsläufig als derselbe Gott verstanden. Für Rupert von Deutz beten Sarazenen gar „bis heute“ den Teufel an. Das klingt auf den ersten Blick abstrus, paßt aber letztlich zu der Vorstellung, daß alle Ungläubigen Teufelsdiener sind.457 Umgekehrt unterstellen die „Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum“ den Sarazenen völlig verkehrte Ansichten über die Christen: In einem fiktiven Dialog zwischen dem schon erwähnten Kerboga und seiner Mutter hält diese das Christentum angeblich für die bessere Religion und warnt den Sohn vor einem Kampf gegen die Christen, da diese bei Tag und Nacht von ihrem mächtigen Gott beschützt würden, zumal sie in prophetischen Büchern über den Sieg der Christen gelesen haben will. Kerboga hingegen hält die Christen seinerseits für Heiden, die angeblich ihre Führer Bohemund und Tankred als Götter verehrten und bei einem Gelage 2000 Kühe und 4000 Schweine verspeisten.458 Gewiß sind beide Ansichten christ-
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Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 9,28, S. 66f.: ‚Deum uestrum et uestram christianitatem nec optamus nec uolumus, uosque cum illis omnino respuimus. […] Reuertimini ergo quantocius et dicite uestris senioribus, quia si per omnia cupiunt effici Turci, et deum uestrum quem uos inclini colitis abnegare uolunt et leges uestras spernere, nos illis hanc et satis plus dabimus de terra, et ciuitates et castella adhuc autem quod nemo uestrorum remanebit pedes, sed erunt omnes milites sicut et nos sumus; et habebimus semper eos in summa amicitia. Sin autem, sciant se per omnia capitalem subire sententiam, aut deducti in uinculis Corrozanam in captiuitate perpetua seruient nobis nostrisque infantibus per sempiterna tempora.‘ Rupert von Deutz, Commentarii in duodecim prophetas minores. Im Amos prophetam 3, Migne PL 168, Sp. 334 B: id est Luciferi, quam huc usque venerantur Saraceni. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 9,22, S. 53–56: Respondit ei mater sua: ‚O dulcissime fili, Christiani nequeunt uobiscum bellare, scio namque quod non ualent uobis pugnam inferre, sed deus eorum pro ipsis cotidie pugnat, eosque die noctuque sua protectione defendit, ei uigilat super eos sicut pastor uigilat super gregem suam […].‘ Curbaram denique ualde dolens intimis uisceribus, auditis maternis sermonibus, respondit: ‚Mater karissima, quaeso te quis dixit tibi ista de gente Christiana, quod deus eorum tantum eos amet, et quod ipse pugnandi uirtutem in se retinet maximam, et quod illi Christiani uincent nos in Antiochena prelia, et quod ipsi capturi sunt nostra spolia, nosque persecuturi magna uictoria; et quod in hoc anno moriturus sum morte subitanea?‘ Tunc respondit ei mater sua dolens: ‚Fili karissime, ecce sunt plus quam centum annorum tempora, de quibus inuentum est in nostra pagina et in gentilium uolu-
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liche Unterstellungen, die aber zeigen, wie fremd von der eigenen Religion der Islam wahrgenommen wird. In einer anderen fiktiven Rede des besiegten fatimidischen Emirs al-Afdal nach der Schlacht von Askalon läßt derselbe Autor dessen Christenbild durchblicken: Er sei von einem schutzlosen Volk bettelarmer Bedürftiger besiegt worden, die weder Sack noch Rucksack hätten. Tatsächlich offenbart der Autor wieder ein schiefes Islambild, wenn er den Emir „bei Mohammed und allen Göttern“ schwören läßt.459 Aber auch dort, wo den Muslimen der Glaube an einen (und denselben) Gott zugestanden wird, fehlt ihnen doch der Glaube an die Trinität. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist daher – wie bei den Juden – die Tatsache, daß Muslime Christus nicht als Gottes Sohn erkennen und anerkennen. Die Sarazenen, so schreibt Rodulf Glaber, würden die propheti-
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minibus, quoniam gens Christiana super nos foret uentura, et nos ubique uictura, ac super paganos regnatura; et nostra gens illis ubique erit subdita. Sed ignoro utrum modo, an in futuro sint haec euentura. Ego utique misera sum te secuta ab Aleph urbe pulcherrima, in qua speculando atque ingeniose rimando respexi in caelorum astra, et sagaciter scrutata sum planetas, et duodecim signa, siue sortes innumeras. In eis omnibus repperi quoniam gens Christiana nos ubique est deuictura, ideoque de te ualde timeo nimis maesta, ne ex te remaneam orbata.‘ Dixit illi Curbaram: ‚Mater karissima, dic michi omnia quae in corde meo sunt incredula.‘ Quae ait: ‚Hoc, karissime, libenter faciam, si sciero ea quae tibi sunt incognita.‘ Cui ille dixit: ‚Non, sunt igitur Boamundus et Tancredus Francorum dii, et non eos liberant de inimicis suis? et quod ipsi manducant in uno quoque prandio duo milia uaccas et quatuor milia porcos?‘ Respondit mater: ‚Fili karissime, Boamundus et Tancredus mortales sunt sicut alii omnes, sed deus eorum ualde diligit eos prae omnibus aliis, et uirtutem preliandi dat eis prae ceteris. Nam deus illorum, est Omnipotens nomen eius, qui fecit caelum et terram et fundauit maria et omnia quae in eis sunt; cuius sedes in caelo parata in aeternum, cuius potestas ubique est metuenda.‘ Ait filius: ‚Si ita est causa, cum eis preliari non desinam.‘ Itaque audiens mater eius quod nullo modo adquiesceret consiliis suis, maestissima recessit retrorsum in Aleph, deferens secum cuncta spolia quae conducere potuit.‘ Ebd. 10,39, S. 96f.: ‚Superatus sum a gente mendica, inermi et pauperrima; quae non habet nisi saccum et peram. Ipsa modo persequitur gentem Aegiptiacam, quae illi plerumque suas largita est elemosinas, dum olim per omnem nostram patriam mendicarent. Huc conduxi ad conuentionem ducenta milia militum, et uideo ipsos laxi frenis fugientes per uiam Babylonicam, et non audent reuerti aduersus gentem Francigenam. Iuro per Machumet et per omnia deorum numina, quod ulterius non retinebo milites conuentione aliqua, quia expulsus sum a gente aduena. Conduxi omnia armorum genera, et omnia machinamenta ut eos obsiderem in Hierusalem, et ipsi preuenerunt me ad bellum itinere dierum duorum. Heu michi, quid amplius dicam? Inhonoratus ero semper terra Babilonica.‘
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schen Schriften der Juden und Christen lesen, die Erfüllung der Prophetie aber nicht auf Christus, den Messias, sondern auf Mohammed beziehen.460 Damit gesteht er ihnen zumindest vergleichbare Moralvorstellungen zu. Das um 1088 entstandene ‚Carmen in victoriam Pisanorum‘ glaubt anläßlich des Kampfes der Pisaner gegen die Sarazenen im Jahre 1025, daß Mohammed (den die Agarener anriefen) durch seine Treulosigkeit den ganzen Weltkreis durcheinander gebracht habe, weil er als Feind der Trinität und des heiligen Glaubens bestritten habe, daß Jesus das Wort Gottes sei.461 Der erste, größte und verfluchenswerte Irrtum der Sarazenen sei es, so meint im 12. Jahrhundert Petrus Venerabilis, daß sie zwar an einen Gott glauben, nicht aber drei göttliche Personen anerkennen, so daß sie Gott zwar mit dem Mund bekennen, aber nicht wirklich kennen,462 weil sie sich die Geburt eines Sohnes nur durch Geschlechtsverkehr vorstellen können, obwohl sie Marias Empfängnis durch den Heiligen Geist ebenso akzeptieren wie die Auferstehung und Unsterblichkeit Christi.463 Sigebert von Gembloux glaubt sogar, daß die heidnischen Muslime Mohammed als Gott verehren würden.464 460
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Rodulf Glaber, Historiae 1,9, S. 20: Siquidem Sarraceni Hebreorum, quin potius Christianorum, prophetas legunt, dicentes etiam completum iam esse in quodam suorum, quem illi Mahomed nuncupant, quicquid de uniuersorum Domino Christo sacri uates predixerunt. Carmen in victoriam Pisanorum 32, v. 125, ed. Guiseppe Scalia, in: Studi di filologia romanza offerti a Silvio Pellegrini, Padua 1971, S. 565–627, hier S. 611: Et excelsi Agareni invocant Machumata, / qui conturbat orbem terre de sua perfidia: / inimicus Trinitatis atque sancte fidei, / negat Iesum Nazarenum Verbum Dei fieri. Petrus Venerabilis, Summa 1, S. 2: In primis primus et maximus ipsorum exsecrandus est error, quod trinitatem in unitate deitatis negant, sicque dum in una divinitatis essentia trinum personarum numerum non credunt in unitate numerum evitantes, dum ternarium inquam omnium formarum principium atque finem sicque rerum formatarum causam et originem atque terminum non recipiunt, deum licet ore confitentes ipsum penitus nesciunt. Ebd. 2, S. 2: Illi item caeci Deum creatorem patrem esse negant, quia secundum eos nullus fit pater sine coitu. Christum itaque, licet ex divino spiritu conceptum, Dei Filium esse non credunt – nec etiam Deum, sed prophetam bonum, veracissimum, omnis mendacii atque peccati immunem, Mariae filium, sine patre genitum, numquam mortuum (quia morte non est dignus) –, immo cum illum Iudaei interficere vellent, de manibus eorum elapsum, ascendisse ad astra ibique nunc in carne vivere in praesentia creatoris usque ad adventum Antichristi. Vgl. Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 630, S. 323: Hic est Muhammad, cui gentiles adhuc cultum deitatis exhibent. So auch Adelphus, Vita Mahumeti v. 10f., S. 113: pro deo adorantes, obwohl er gleichfalls von einer heresis multiformis spricht
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Dagegen attestiert ihnen Guibert von Nogent, daß sie Mohammed nicht, wie einige meinen, als Gott, sondern als Mensch und Verkünder der göttlichen Gesetze verehren465 (ohne daß seine Einstellung dadurch freilich freundlicher würde), und in England betont Wilhelm von Malmesbury ebenfalls, daß Mohammed für die Sarazenen, anders als für Heiden, nicht Gott, sondern dessen Prophet sei.466
b. Sarazenen als Heiden Trotz gelegentlicher, genauerer, oben bereits zitierter Einblicke in die Genese und das Wesen des Islam und trotz des Wissens um die Verehrung eines einzigen Gottes überwiegt tatsächlich durchweg, und zumal im lateinischen Abendland, die Anschauung, daß die Muslime Heiden seien;467 jedenfalls werden sie immer wieder als „Heiden“ bezeichnet. Das ist uns bereits in vielen Zitaten, etwa bei Johannes von Gorze, begegnet,468 und unzählige weitere Beispiele ließen sich anführen. So beklagte sich der Erzbischof Bernoin von Vienne beim Papst darüber, daß seine Provinz nach dem Tod Karls
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(v. 42, S. 114). Diese Vorstellung findet sich auch in den „Gesta Tancredi“ Radulfs von Caen; vgl. Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi S. 197ff. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 1,4, S. 100: hoc est insinuandum quod non eum deum, ut aliqui estimant, opinantur sed hominem iustum eundemque patronum, per quem leges divinae tradantur. Wilhelm von Malmesbury, Gesta regum Anglorum 2,189, ed. R. A. B. Mynors, R. M. Thomson und M. Winterbottom (Oxford Medieval Texts), Oxford 1998, S. 338/340: Nam Saraceni et Turchi Deum creatorem colunt, Mahumet non deum, sed Dei prophetam estimantes. Vgl. Rainer Christoph Schwinges, Wider Heiden und Dämonen – Mission im Mittelalter, in: Hubert Herkommer/Ders. (Hg.), Engel, Teufel und Dämonen. Einblicke in die Geisteswelt des Mittelalters, Basel 2006, S. 9–32, hier S. 11; Tolan, Saracens S. 276: „Far from these communities of dhimmis, Christians of northern Europe and of Byzantium could imagine their Saracen enemies as idolaters who practiced the discredited and colorful rites of the ancient pagans“. Tolans Kapitel über „Saracens as Pagans“ (S. 105–134) beschränkt sich aber auf wenige Beispiele (Hrotsvith von Gandersheim, Passio Thiemonis, Peter Tudebode, Chansons de Croisade). Pagani: vgl. oben Anm. 91, 93, 94, 109, 120, 141, 159, 181, 186, 217, 222, 360, 396, 421 und 441, unten Anm. 530, 533, 536–542, 549, 572, 575 und 617ff. Gentiles: oben Anm. 362, 397, 417, 424, 458 und 464; unten Anm. 538, 540, 542–547. Nach Khoury, Les théologiens byzantins S. 315ff., erschien der Islam auch den byzantinischen Autoren „comme une idolâtrie dissimulée“, gegen die sie vehement reagierten.
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des Großen schutzlos sowohl den inneren Streitigkeiten als auch den Angriffen der Heiden, nämlich der Normannen ebenso wie der Sarazenen, ausgeliefert sei.469 Mit dieser Gleichsetzung entfällt in diesem Kontext jeder Unterschied zwischen den monotheistischen Muslimen des Südens und den polytheistischen Heiden des Nordens. Die Päpste des 9. Jahrhunderts, wie Johannes VIII., warnten die Fürsten angesichts der Sarazenengefahr in Italien, wie schon erwähnt, immer wieder davor, Bündnisse mit diesen „Heiden“ einzugehen. Sie sollten ihre ganze Hoffnung vielmehr auf Gott und nicht auf die „Glieder des Teufels“ setzen, die „Söhne der Unzucht und Gefäße des Zorns“ seien.470 In dem schon erwähnten Gespräch zwischen dem mozarabischen Bischof Oppa und dem ersten asturischen König Pelayo läßt der Autor der Chronik Alfons‘ III. den ergebenen Bischof die Sarazenen bezeichnenderweise (neutral) als Ismaeliten bezeichnen, während Pelayo von Heiden spricht;471 Marianus Scotus läßt Papst Urban II. beim Kreuzzugsaufruf von 1096 in Clermont zum Kampf gegen „Türken, Sarazenen, Türkopolen und andere Heiden“ und zum Zug nach Jerusalem aufrufen,472 469
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Hlodowici regis Arelatensis electio, MGH Capit. 2, Nr. 289, von 890, S. 376f.: Anno incarnationis dominicae DCCCXC, indictione VIII. religiosus atque satis venerabilis Bernoinus sacrae sedis Viennensis archiepiscopus pro quibusdam ecclesiae suae sive generalibus totius regni necessitatibus sedem adiens apostolicam consultu ipsius dominii apostolici, cui cura et sollicitudo instat omnium ecclesiarum, digno quoque suo relatu de perturbatione huius regni retulit, quomodo post gloriosissimi Karoli imperatoris obitum aliquamdiu sine rege et principe existens valde undique afflictaretur, non modo a propriis incolis, quos nulla dominationis virga cohercebat, sed etiam a paganis: quoniam ex una parte Normanni cuncta penitus devastantes insistebant, ex alia vero Sarrazeni Provinciam depopulantes terram in solitudinem redigebant. Johannes VIII., Registrum, ep. 39, S. 38: Devotioni tue˛ pro labore fidei Christiane˛, quam excolis, gratiarum actionibus persolutis iterum et iterum exhortamur, ut magis ac magis satagere et decertare et ce˛ptum laborem ad perfectam ducere actionem procures, ut Christiani nominis viri paganorum fe˛dera fugiant et solum in Deum, qui eos creavit, et non in diaboli membra, que˛ sunt filii fornicationis et vasa ire˛, spem suam ponere discant. Adefonsi tertii chronica. Version Ad Sebastianum 9, S. 125/127: (Oppa): ‚Scio te non latere, frater, qualiter omnis Yspania dudum […] Smaelitarum non valuit sustinere impetum.‘ […] (Pelagius): ‚Unde hanc multitudinem paganorum spernimus et minime pertimescimus.‘ Marianus Scotus, Chronicon a. 1118, ed. Georg Waitz, MGH SS 5, Hannover 1844, S. 564: Urbanus papa venit in Galliam, et apud Clarum montem quadragesimali tempore synodo celebrata; ad Turcas, Sarracenos, Turcopolos aliosque paganos debellandos, Hierusalem proficisci hortatus est christianos.
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und auch der bei Guibert von Nogent überlieferte Kreuzzugsaufruf des Papstes spricht vom Heidentum im Osten, das wieder durch das Christentum verdrängt werden müsse.473 Immer wieder werden die Sarazenen als Heiden bezeichnet.474 Es mag bezeichnend sein, daß sich, trotz besseren Wissens mancher Zeitgenossen, nur diese Charakterisierung auch in der Kanonistik festsetzt.475 Auch der engere Kontakt auf Pilgerreisen und auf den Kreuzzügen hat an dieser Anschauung zunächst nichts ändern können, zumal letztere als kriegerische Unternehmungen zur Eroberung des Heiligen Landes eine religiöse Konfrontation geradezu provozierten.476 Wie schon die Vita Willibalds von Eichstätt, trotz ihrer distanzierten Berichterstattung, die Muslime als Heiden betrachtet hat,477 so empfinden es noch die Jerusalempilger des 11. Jahr473
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Urban II., Orationes in concilio Claromontano habitae. Oratio 3, Migne PL 151, Sp. 578 CD: Quod quidem nullatenus fieri poterit, nisi, ubi nunc paganismus est, Christianitas fiat. […] Quis non conicere potest quod Deus, qui universorum spem exuberantia virtutis exuperat, per scintillam vestram tantae paganitatis arundineta consumat, ut Ægyptum, Africam Æthiopiamque, quae a nostrae credulitatis communione desciscunt, intra huius rudimenta legis includat, et homo peccator, filius perditionis aliquos rebelles inveniat? (zitiert bei Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 2,4, S. 114). Ausführlich zu Urbans Kreuzzugsplänen: Alfons Becker, Papst Urban II. (1088–1099). Teil 2: Der Papst, die griechische Christenheit und der Kreuzzug (Schriften der MGH 19,II), Stuttgart 1988, S. 272–434 (zur Propagierung des Kreuzzugs selbst ebd. S. 376–413). Vgl., um nur noch einige exemplarische Belege anzufügen, etwa Andreas von Bergamo, Historia 15, S. 228; Brun von Querfurt, Vita sancti Adalberti episcopi. Passio Adalberti 10, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 4, Hannover 1841, S. 598; ed. Karwasin´ska S. 9, zu den Kämpfen Ottos II.: Quae tibi, magnanime iuvenis, dies illa erat, quando in potestatem Saracenam populum Dei traditum vidisti, sub pedibus paganorum christianum decus laceratum aspexisti?; Otto von Freising, Chronica 7,2, S. 310: orientalisque ecclesia gravem persecutionem a paganis passa fuit; ebd. 7,2, S. 311: fugato principe paganorum Solomanno (Suleiman). Vgl. dazu Benjamin Zeev Kedar, De Iudeis et Sarracenis. On the categorization of Muslims in medieval canon law, in: Rosalio Iosepho Card. Castillo Lara (Hg.), Studia in honorem Eminentissimi Cardinalis Alphonsi M. Stickler (Studia et textus historiae iuris canonici 7), Rom 1992, S. 207–213. Vgl. bereits Daniel, Islam and the West S. 45: „There was not, of course, any very subtle appreciation of the niceties of Islamic doctrine, and there was not usually a great desire to understand what was known.“ Es gab mehr christliche Propaganda als Versuche „to communicate over the frontier“. Vgl. oben Anm. 121 und 122.
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hunderts am Vorabend der Kreuzzüge. Lampert von Hersfeld stellt die Bewohner der Länder, welche eine erlauchte Schar deutscher Bischöfe und Fürsten, darunter Siegfried von Mainz, Wilhelm von Utrecht, Otto von Regensburg und Gunther von Bamberg, auf ihrer Pilgerfahrt ins Heilige Land im Jahre 1065 durchquerten, nicht nur als Barbaren hin, „die scharenweise aus Stadt und Land herbeiströmten, um so erlauchte Männer zu sehen“, sondern auch als beutegierige Räuber, die wehrlose Pilger niedermachten, während „die meisten Christen es für nicht vereinbar mit ihrem Glauben hielten, sich mit der Faust zu wehren und ihr Leben, das sie zu Beginn der Pilgerfahrt Gott geweiht hatten, mit irdischen Waffen zu schützen“.478 Hier handelt es sich noch um eine friedliche christliche Pilgerfahrt; gut 30 Jahre später sollten sich die christlichen Heere auf den Kreuzzügen bekanntlich ganz anders verhalten. Dennoch wird auch hier Bischof Gunther von Bamberg später den arabischen Anführer mit einem Faustschlag niederstrecken (und Lampert findet das durchaus angemessen). Bei Lampert werden die Arabites, deren anderer Glaube zunächst nur dadurch erkennbar wird, daß sie, die „Barbaren“,479 welche die Christen kurz vor Jerusalem ausgerechnet am Ostertag angegriffen haben, ebenso wie nach dem Parallelbericht der Altaicher Annalen, von den auf Gott vertrauenden christiani abgegrenzt werden,480 schließlich sogar zu blutrünstigen 478
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Lampert von Hersfeld, Annales a. 1065, S. 94–99 (die Zitate S. 93f.): Nam barbaros, qui ex urbibus et agris ad spectandos tam illustres viros catervatim profluebant, primo peregrini cultus ac magnifici apparatus ingens miraculum, dein, ut fit, non minor predae spes ac desiderium cepit. […] Plerique christianorum religiosum putantes manu sibi auxilium ferre et salutem suam, quam peregre proficiscentes Deo devoverant, armis corporalibus tueri, prima statim congressione prostrati, vulneribus multis confecti et omnibus quae habebant […] exspoliati sunt. Vgl. dazu den Parallelbericht in den Annales Altahenses maiores a. 1065, ed. Edmund von Oefele, MGH SSrG 4, Hannover 1891, S. 66–71. Vgl. zu dieser Pilgerfahrt Rotter, Mohammed in Bamberg, S. 316ff. zu den Annales Altahenses maiores und S. 329ff. zu Lampert; Aryeh Graboïs, Les pèlerinages du XIe siècle en terre sainte dans l’historiographie occidentale de l’époque, in: RHE 101, 2006, S. 531–546, hier S. 539–543. Zum Vorwurf der Gewalttätigkeit der barbarischen Muslime in den Kreuzzugschroniken vgl. Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi S. 178ff. und 245ff. Den Führer der Araber bezeichnet Lampert, Annales a. 1065, S. 96, als preter ingenitam morum barbariem. Nach den Annales Altahenses maiores a. 1065, S. 68, hatte Gott (Deo christianorum pro suis pugnante) die Pilger zuvor durch ein schweres Gewitter vor den Begehrlichkeiten des dux von Tripoli gerettet.
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Menschenfressern stilisiert, als ihr Führer die sich ergebenden Christen zurechtweist, er lasse sich von Besiegten keinerlei Bedingungen auferlegen: „sie sollten sich von keiner falschen Hoffnung täuschen lassen; er werde zuerst alles nehmen, was sie hätten, und dann ihr Fleisch essen und ihr Blut trinken.“481 Als er aus seinem Turban, „mit dem er nach der Sitte seines Volkes den Kopf umwunden hatte“, eine Schlinge machte und diese dem Bischof Gunther von Bamberg um den Hals legte, vergaß dieser sein Gelübde und schlug handgreiflich zu mit der Bemerkung, das sei die gerechte Strafe für den Frevel, daß er als Gottloser (profanus) und Götzendiener (idolatra) seine unreinen Hände gegen einen Priester Christi erhoben habe. Daß die Pilger ihrerseits das Recht brachen und die Unterhändler gefangennahmen, zählte demgegenüber wenig; die Araber wiederum waren nicht so barbarisch, daß der Sohn nicht um den Vater, die anderen nicht um das Leben ihrer Anführer gefürchtet hätten. Die staatlichen islamischen Gewalten waren hingegen keineswegs an einer Bedrängung der christlichen Pilger interessiert, und so eilte der Fürst dieser Gegend, „obwohl er Heide war, doch, wie man glaubte, von göttlicher Eingebung beseelt“, so Lampert, freilich auch gegen Zahlung einer Geldsumme, zu ihrem Schutz gegen die eigenen Glaubensbrüder herbei, „die das babylonische Reich schon viele Jahre lang mit dauernden Verwüstungen heimgesucht hatten“.482 Nach den 481
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Lampert von Hersfeld, Annales a. 1065, S. 96: Ille et victoria elatus et preter ingenitam morum barbariem accepta quoque tot congressionibus clade nimium efferatus ait se adversus eos iam triduo non sine grandi damno exercitus sui ea mente bellum gessisse, ut suis condicionibus erga victos uteretur, non quas ipsi constituissent; ne ergo falsa spe eluderentur, se, omnibus quae haberent sublatis, carnes eorum comesturum et sanguinem bibiturum. Die Annales Altahenses maiores a. 1065, S. 68f., sprechen mehrfach von Wölfen. Danach (S. 67) berichteten zurückkehrende Jerusalempilger von den Bedrängungen durch die sevissima gens Arabitarum, humanum sitiens sanguinem. Ihr Führer sei ein Barbar, der die Pilger mit dem Schwert abschlachten wolle (S. 67f.): et dux ille barbarus tantam multitudinem vidisset sperans se infinitas pecunias invenire, omnes pariter crudeli ense decrevit trucidare. Er wurde nur durch ein schweres Gewitter davon abgehalten. Am nächsten Tag aber fielen die Pilger in die Hände der Arabitae, die sie „wie heißhungrige Wölfe“ ausraubten und die ersten zerfleischten. Die Araber werden hier durchweg als Heiden bezeichnet. Dagegen berichtet später Ekkehard von Aura, Chronicon, Rec. I, a. 1099, ed. Georg Waitz, MGH SS 6, Hannover 1864, S. 216; ed. Franz-Josef Schmale, FSGA 15, Darmstadt 1972, S. 152, in Antiochia habe eine solche Hungersnot geherrscht, daß corpora Sarracenorum iam fœtentium a populo christiano comesta sint. Lampert von Hersfeld, Annales a. 1065, S. 98: Is amaritudine et metu confectis mentibus magnum attulit refrigerium, indicans ducem predictae civitatis, licet paganum,
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Altaicher Annalen fürchtete er, daß sonst keine Pilger mehr zum Gebet durch sein Gebiet reisen würden und man dadurch großen Schaden erleide. Nicht alle Sarazenen waren demnach gleichermaßen gefährlich und feindlich. Die Christen blieben dennoch zunächst mißtrauisch und fürchteten laut Lampert, „Satan mit Satan auszutreiben“ (Mt 12,26), indem „ein Heide den andern an Feindseligkeiten gegenüber den Christen hindern wolle“.483 Anschließend ließ man die Pilger jedoch unter bewaffnetem Schutz nach Jerusalem geleiten. Die Berichte erkennen immerhin an, daß nicht die Araber, sondern nur einzelne Horden blutrünstige Barbaren waren, doch Heiden484 waren alle diese Muslime, über deren Religion man sich weiterhin keinerlei Gedanken machte. Die Kreuzzüge haben an dieser Einstellung tatsächlich nichts geändert. Vielmehr greifen gerade Kreuzzugsberichte und Kreuzzugschroniken die Heidennomenklatur mit Vorliebe auf,485 und Gleiches gilt für die Kreuzzugsepik.486 Gerade hier werden die Besiegten zumeist entweder getauft oder
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divino tamen, ut putabatur, instinctu animatum, cum ingentibus copiis ad ipsos liberandos advenire. […] Quos cum aspexisset et quae facta fuerant ordine audisset, maximas christianis gratias egit pro magnifice gestis rebus et expugnatis rei publicae acerrimis hostibus, qui regnum Babilonium iam per multos annos assiduis populationibus infestassent et magnas plerumque adversum se instructas acies commisso certamine obtrivissent. Ebd.: suspensis tamen omnibus inter spem et metum, ne forte non sublata calamitas, sed hostis tantum mutatus esset, et propter novitatem rei difficile credentibus, quod ‚Satanas Satanan eicere‘ (Mt 12,26), hoc est paganus paganum ab infestatione christianorum cohibere vellet. Auch die Annales Altahenses maiores a. 1065, S. 67ff., sprechen von pagani. Der Heerführer des „Königs der Babylonier“ wird hier hingegen gentilis genannt. Zu chronikalischen Berichten über den 1. Kreuzzug vgl. Hans-Werner Goetz, Der erste Kreuzzug im Spiegel der deutschen Geschichtsschreibung, in: Franz Staab (Hg.), Auslandsbeziehungen unter den salischen Kaisern. Geistige Auseinandersetzung und Politik. Referate und Aussprachen der Arbeitstagung vom 22.–24. November 1990 in Speyer (Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer 86), Speyer 1994, S. 139–165. Zum Feindbild der Kreuzzugschroniken und Kreuzzugsbriefe ausführlich Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi; zur Kennzeichnung als Heiden ebd S. 189ff. Vgl. oben Anm. 36. Daniel, Heroes and Saracens, stellt hier ein absolutes Desinteresse an der Religion der Sarazenen fest, die weiterhin als Heiden betrachtet werden. Die jüngere Forschung urteilt zumindest teilweise differenzierter. Während Hartl, Feindbild der Kreuzzugslyrik, die Feinddarstellung der Sarazenen betont, hebt
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getötet (wenngleich auch hier differenzierte Muster möglich sind).487 Als treffendes Beispiel des Sarazenenbildes in der bereits gut aufgearbeiteten frühen „Kreuzzugsepik“ sei hier nur kurz auf das wohl um 1170 entstandene Rolandslied des Pfaffen Konrad verwiesen,488 das, zumal im Vergleich zur späteren Epik Wolframs von Eschenbach, trotz aller Komplexität der Erzählstrukturen in der Frage der Wahrnehmung Andersgläubiger recht einseitig und traditionell verfährt:489 Die Sarazenen sind hier die Feinde,
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Hensler, Ritter und Sarrazin, die differenzierte Sichtweise, Vielschichtigkeit und Funktionalisierung des Sarazenenbildes hervor: Die Sarazenen sind sowohl das Gegenbild (S. 178–314) als auch das Vor- und Ebenbild des christlichen Ritters (S. 315–371), stets aber Gegenwelt zum Eigenen (S. 379f.), zur Bestätigung ebenso wie zur Kritik (S. 384f.). Vgl. auch Susan B. Edgington, ‚Pagans‘ and ‚Others‘ in the Chanson de Jérusalem, in: Lambert/Nicholson (Hg.), Languages of Love and Hate S. 37–47. Zur – verbreiteten Vorstellung einer Gotteskindschaft der Heiden bei Wolfram von Eschenbach vgl. John D. Martin, Christen und Andersgläubige in Wolframs ‚Willehalm‘, in: Zs. f. deutsches Altertum 133, 2004, S. 45–48. Vgl. Marianne Ailes, Tolerated Otherness: The ‚Unconverted‘ Saracen in the Chansons de geste, in: Lambert/Nicholson (Hg.), Languages of Love and Hate S. 3–19. Es gibt verschiedene Ausgaben des Rolandsliedes (mit relativ geringen Abweichungen): ed. Friedrich Maurer (Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Geistliche Dichtung des Mittelalters 5), Leipzig 1940 (ND. Darmstadt 1964); ed. Carl Wesle, 3. Aufl., besorgt von Peter Wapnewski (Altdeutsche Textbibliothek 69), Tübingen 1985; ed. Dieter Kartschoke, Das Rolandslied des Pfaffen Konrad (Reclams Universal-Bibliothek 2745), Stuttgart 1993, dem ich folge. Zum Sarazenenbild im Rolandslied vgl. Diether Haacke, Weltfeindliche Strömungen und die Heidenfrage in der deutschen Literatur von 1170–1230, Diss. (masch.) Berlin (FU) 1951, S. 1–89; Herbert Backes, Teufel, Götter und Heiden in geistlicher Ritterdichtung. Corpus Antichristi und Märtyrerliturgie, in: Albert Zimmermann (Hg.), Die Mächte des Guten und Bösen. Vorstellungen im XII. und XIII. Jahrhundert über ihr Wirken in der Heilsgeschichte (Miscellanea Mediaevalia 11), BerlinNew York 1977, S. 417–441; Edith Wenzel/Horst Wenzel, Rückkehr ins Mittelalter? Zum ‚Heiligen Krieg‘ in mediävistischer Perspektive, in: Helen Fehervary/ Bernd Fischer (Hg.), Kulturpolitik und Politik der Kultur / Cultural Politics and the Politics of Culture. Festschrift für Alexander Stephan (German Life and Civilization 47), Oxford-Bern-Berlin-Brüssel-Frankfurt/M.-New York-Wien 2007, S. 95– 111. Zum geschichtstheologischen Hintergrund vgl. Eckart Conrad Lutz, Zur Synthese klerikaler Denkformen und laikaler Interessen in der höfischen Literatur. Die Bearbeitung einer Chanson von Karl und Roland durch den Pfaffen Konrad und das Helmarshauser Evangeliar, in: Ders./Ernst Tremp (Hg.), Pfaffen und Laien – ein mittelalterlicher Antagonismus? Freiburger Colloquium 1996 (Scrinium Friburgense 10), Freiburg/Schw. 1999. S. 57–76. Zur Rechtfertigung des Kampfes aus der
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deren zeitweiliger Erfolg (der Tod Rolands und seiner Genossen) aber auf Intrigen und Verrat in den eigenen Reihen (Genelon) beruht (und das ist dem Autor letztlich weitaus verwerflicher als der Unglaube des Gegners).490 Es gibt also keineswegs eine auf die Religionen verteilte Schwarz-WeißZuordnung, und als König und Heerführer wird der Sarazenenfürst (Marsilie) durchaus gewürdigt, auch wenn er zwangsläufig hinter der alles überstrahlenden Größe Karls des Großen zurückstehen muß. Falls man überhaupt von einer militärischen und politischen Gleichwertigkeit sprechen kann, so gilt das jedoch keinesfalls für die Religionen: Die Sarazenen können wie in der übrigen Kreuzzugsepik kühne Helden sein, aber sie sind Heiden (und damit ungläubige Feinde).491 Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Glauben des Gegners gibt es hingegen nicht. Im Hinblick auf das Sarazenenbild erscheint vielmehr zweierlei bezeichnend. Zum einen wird der Kampf immer wieder als ein Glaubenskrieg verstanden, wenn die Christen (als Christen) für ihren Gott und die Christenheit streiten, wie es mehrfach heißt492 (und gerade dieser Aspekt ist gegenüber der französischen Vorlage, dem „Chanson de Roland“, hinzugefügt). Man will für Gott bis zur völligen Unterwerfung kämpfen (und sich nicht mit einer bloßen Oberherrschaft begnügen).493 Vielmehr sind alle
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Gottesfriedensidee heraus vgl. Ulrich Ernst, ‚Kollektive Aggression‘ in der Chanson de Roland und im Rolandslied des Pfaffen Konrad. Die Idee des Gottesfriedens als Legitimationsmodell für Reconquista und welfische Expansionspolitik, in: Euphorion 82 (1988), S. 211–225. Wie Judas Christus verriet, so verkaufte Genelon viele edle Christen an die Heiden (Rolandslied v. 1937ff., S. 140: Genelûn verkouphte wider die heiden / mit ungetriuwen listen / manigen hêrlichen kristen). Ebd. v. 4600ff., S. 318: si wâren küene helde, / doch si wâren haiden. / gestaine über gestaine / habeten si mêre denne genuoc. Die älteren Ausgaben haben hier eine andere Versfolge. Vgl. ebd. v. 1788ff., S. 130/132: ez ist ein vröude der heiligen kristenheit / unde ist ein süeze arbeit (v. 1790f.); got ist selbe mit ime. / er gît ime crapht unde sin (v. 1808f.). Ebd. v. 891ff., S. 66/68 (Rede des Kaisers): jâ ne suoche ich nicht mêre, / wan daz wir sô gedingen, / daz wir gotes hulde gewinnen (v. 908ff.); (Rede Rolands): dô ich mich aller êrste ûz huop, / dô ophert ich den lîb. / swanne nu komet daz zît, / daz ich den verwandelen scole, / sô getriuwe ich gote vil wole, / ob ich in sînem dienest ersterbe, / daz der sêle etlîch rât werde (v. 930ff.).
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bereit, für Gott zu sterben und durch ihn zu Märtyrern zu werden.494 Entsprechend kämpft Gott für Karl und schützt ihn495 (so daß der schließliche Ausgang trotz der empfindlichen Niederlage nie zweifelhaft sein kann). Gott selbst hat Karl geboten, die Heiden zu bekehren.496 Karl aber, so heißt es gleich zu Beginn, habe schon viele heidnische Länder überwunden, um die Heiden zu bekehren.497 Zum andern werden die Sarazenen, wie an dieser Stelle, so im gesamten Epos, durchweg als Heiden bezeichnet,498 die nicht nur unkeusch leben, sondern tatsächlich einen abgot anbeten.499 Sie ziehen mit 700 Götzenbildern (abgot) in die Schlacht500 und bitten alle ihre Götter um Erfolg und Heil.501 Das Heidentum der Sarazenen gilt dem Autor (und seinem Publikum) offensichtlich als polytheistisches Heidentum (und die hohe Zahl der Götter pervertiert es letztlich noch gegenüber den „normalen“ Heiden). Wie wenig man hier nicht nur zwischen Sarazenen und Polytheisten, sondern auch zwischen den heidnischen Kulten an sich und verschiedener Zeiten differenziert, schlägt sich in der Erzählung nieder, in Tortona habe man „einen alten Gott“, nämlich einen Götzen namens
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Ebd. v. 3251ff., S. 228: si fuorten vaile den lîp. / si gerechten sich in alle zît / durch den heiligen gelouben ersterben. / durch got wolten si gemarteret werden; vgl. ebd. v. 3879ff., S. 272: Die Christen sind Märtyrer, die Heiden schon von Gott verurteilt (die haiden sint vor gote vertailet. / sô werdent aber mit bluote gerainet / die hêren gotes marterære). Ebd. v. 1807f., S. 132 (in einer Rede Genelons): deme kaiser ne mac nieman geschaden. / got ist selbe mit ime; v. 2286ff., S. 164: den keiser Karlen en mac / nieman erslahen. / got wil in selbe bewaren; ebd. v. 2351f., S. 168: deme keiser en mag nicht gewerren, / die wîle er got wil vlêhen. Ebd. v. 2252f., S. 162: wan ime ez got selbe geboten hât, / daz er die heiden bekêre. Zum Bekehrungsmotiv vgl. auch Haacke, Weltfeindliche Stömungen S. 6f. Rolandslied v. 17ff., S. 10: Karl der was Pipines sun. / michel êre unde frum / hât der hêrre gewunnen, / die grimmigen heiden betwungen / daz sie erkanten daz wâre liecht. Vgl. ebd. v. 276, 293, 300, 314, 321 usw. im gesamten Epos. Ebd. v. 31ff., S. 12: Dô der gotes dienestman / von Yspaniâ vernam, / wie unkiusclichen si lebeten, / die apgot an beteten. Ebd. v. 3465ff., S. 244: Haiden, die verworchten, / die got niene vorchten, / ir apgot si ûf huoben, / mit grôzer hôchvart si fuoren; vgl. ebd. v. 3492f., S. 246: dâ wâren siben hundert apgot, / Machmet was der hêrest under in. Ebd. v. 3513ff., S. 248: Haiden, di vertânen, / bî dem halse si sich ergâben / in des tiuveles gewalt. / si bâten die gote alle samt, / daz si in füre wæren / unt in sælde gæben.
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Apollo, verehrt.502 Diese Heiden wissen letztlich nichts von Gott, denn wenn Turpin von Christus und vom Evangelium berichten will,503 heißt das doch, daß man bei ihnen hier – ganz im Gegensatz zu gleichzeitigen theologischen Erörterungen, welche die Christuskenntnis der Sarazenen betonen – ein Wissen darum nicht erwartet, wie bei allen Heiden, denen die Gotteskenntnis fehlt.504 Damit sind die Sarazenen aber von Gott geschieden505 und nicht nur in der Gewalt des Teufels,506 sie kämpfen sogar für und mit dem Teufel, während die Christen für Gott und ihren Glauben streiten;507 sie sind „des Teufels“, während dem großen Karl ein Engel hilft.508 Daß diese „Heiden“ als Teufelsanhänger gelten, zeigt sich an vielen Stellen, nicht zuletzt in den Worten Rolands, als das feindliche Heer naht: Walter solle den anderen melden, des Teufels Schwarm sei da.509 Karls Wunsch ist es allerdings, die „Heidenschaft“ (die hier erneut mit dem Teufel im Bund steht) zu retten und dem Teufel zu entziehen,510 während es sein Ziel ist, das Heidentum zu vernichten und den christlichen Glauben zu verbreiten.511 Bekehrung oder Unterwerfung lautet daher die Devise bei der Eroberung der Städte.512 Ent502
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Ebd. v. 4679ff., S. 324: ienoch hêten si behalten / ainen got alten, / den sie von Tortulose ernerten / unt an in flîzeclîchen betten. / Apollo hiez sîn name. Ebd. v. 1332ff., S. 98. Vgl. Kapitel 1, oben S. 44 ff. Ebd. v. 725ff., S. 56, in einer Rede Blanscandiz’: nû bite wir dich, hêrre / durch des selben gotes êre. / wir birn heiden / leider von gote gescheiden. Ebd. v. 3513ff. (oben Anm. 501). Ebd. 4692ff., S. 324: nu sehet ir, wie die haiden / betent an des tiuveles getroc. / nû tuot irz durch den êwigen got. Das Motiv wiederholt sich noch mehrfach in der folgenden, langen Schlachtschilderung. Immer wieder werden die Heiden als „Teufelsknechte“ oder „Teufelsbrut“ bezeichnet. Zu diesem Motiv des Teufelsdienstes vgl. auch Haacke, Weltfeindliche Stömungen S. 30ff., und Backes, Teufel, besonders S. 419ff. Rolandslied v. 7065ff., S. 476/478; v. 7078ff., S. 478. Ebd. v. 3379f., S. 238: die ander du warne, / hie ist des tiuveles geswerme. Ebd. v. 41ff., S. 12: daz er die sîne erlœste, / daz er getrœste / die manicvaldigen haidenscaft, / den diu nebelvinstere nacht / den tœtlîchen scate bære, / daz er si dem tiuvel benæme. Ebd. v. 83ff., S. 14: Der keiser in dô sagete, / daz er willen habete, / die haidenscaft zerstœren, / di cristinhait gemêren. Ebd. v. 365ff., S. 32: dorf unde bürege / heret er al garewe, / türne unde mûre / veste unde tiure / muose zuo der erde, / sine wolten cristen werde.
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sprechend verlangt Roland als Herrscher Spaniens später die Taufe der Heiden, und erst sie würde die Sarazenen zu ebenbürtigen Mitmenschen machen.513 Man wird daher den Akzent nicht einseitig auf den einen Aspekt, die Vernichtung, legen dürfen,514 doch ist auf jeden Fall von vornherein an eine Zwangsmission gedacht. Wie sehr sich das Sarazenenbild des Rolandsliedes in das traditionelle Heidenbild einordnet und wie wenig es den Monotheismus des Islam wahrnimmt, zeigt sich noch einmal deutlich, wenn Karl der Große in einer Rede Apollo und Mohammed (Mahmet) in einem Atemzug nennt: Beide sind böse und machtlos – und ganz ähnlich wird das ja in unzähligen Quellen von den heidnischen Götzen behauptet –, weil der Teufel in ihnen wohnt.515 Man weiß also um Mohammed, der mehrfach erwähnt wird und für den die Sarazenen aus Liebe zu ihm in den Kampf ziehen, der ihnen aber doch nicht helfen kann.516 Dennoch macht man keinerlei Unterschiede zu anderen Heiden, ja Mohammed gilt geradezu als der höchste ihrer Götzen,517 dessen Idol die Sarazenen mit in die Schlacht nehmen.518 Der Sarazenenkönig Marsilie vertraut – ebenso vergeblich – auf Mohammed als seinem Herrn.519 „Wo bist Du nun, Mohammed? Wehr Dich!“ fragt Roland deshalb provokativ vor der scheinbar siegreichen Schlacht,520 und er stürmt gegen sein
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Ebd. v. 3157ff., S. 222: die rede wil ich bescaiden. / toufent sich die haiden, / swie mîn hêrre bescaidet, / sône werdent si niemer von mir gelaidet. / wellent si an got gelouben, / sône scol si niemen rouben, / sunter friden unte vristen / sam unsere lieben ebencristen. Das tun Wenzel/Wenzel, Rückkehr, vor allem S. 101f. Rolandslied v. 805ff., S. 60: iuwer gote, die ir anebetet, / Appollo und Machmet, / die sint vile bœse. / üppic ist ir gecôse, / die tiuvele wonent dar inne. Ebd. v. 4162ff., S. 290: dâ vielen Machmetes helede / zuo sîner gegenwürte, / daz er sich selben niene werte, / noch den sînen wolte helven, / swie viel si in an geriefen. Ebd. v. 3492f. (oben Anm. 500). Ebd. v. 3813ff., S. 268: Dô nam der zwelfe iegelîch / zwelf tûsent zuo sich. / zwelve wurden der scar, / Machmeten fuorten si dar, / daz iegelîchim vanen / volgôten zwelf tûsent man. Ebd. v. 3563ff., S. 250: Dô sprach der küninc Marsilie: / ‚nu sente dich mir widere / Machmet, unser hêrre.‘ Ebd. v. 4173ff., S. 290: ‚wâ bistu nû, Machmet? / nû were dich hie ze stete.‘ / die dîne sint alle erslagen, / daz hân ich dir ze lastere getân. / din hûs wil ich brechen. / macht dûz nu rechen, / die dîne blâsære?
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„Haus“ an: Die Moschee ist für den Autor nicht das Haus Gottes, sondern Mohammeds und daher ein „unreines Bethaus“.521 So „spezifisch“ dieses Mohammedbild des Rolandsliedes auch ist – Edeltraud Werner nennt es „bis zur Unkenntlichkeit verzerrt522 –, so typisch ist der Vorwurf der Vielgötterei doch gerade in den Kreuzzugsepen.523 So wenig hier an zutreffendem Wissen über den Islam durchscheint, so sehr wird mit solchen stereotypen Charakterisierungen deutlich gemacht, daß dieser dem Teufel geweihte Glaube heidnisch und zum ewigen Unheil verdammt ist. Heidentum „befleckt“. Selbst der tapfere König (Marsilie) kann im Tod nicht rein gemacht werden, sondern muß in der Hölle brennen.524 Wenn der Autor diese Worte in den Mund der (ebenfalls heidnischen, aber einsichtigen) Königin (Brechmunda) legt, dann erinnert das an Erzählungen über Heiden oder gar heidnische Priester, die selbst die Wahrheit erkennen und etwa die heidnischen Kultstätten zerstören (wie der Oberpriester Coifi bei Beda):525 Der christliche Autor legt ihnen in seiner Konstruktion des Vorfalls genau das in den Mund, was er selbst als Botschaft vermitteln möchte. Karl aber kann – wie in sächsischen Quellen nach der Integration Sachsens – als Retter der Heiden gefeiert werden, der sie die Wahrheit erkennen läßt. Auch die einsichtige Sarazenenkönigin macht wieder gut, was sie kann: Sie öffnet Karl die Stadttore und will für ihre Sünden büßen, die sie, unwissend und vom Teufel betrogen, begangen habe,526 und sie bietet damit ein Beispiel für die anderen. Sie und das Volk lassen sich taufen, und
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Ebd. v. 953, S. 70: ir vile unreine betehûs. Edeltraud Werner, Islambilder in Mittelalter und früher Neuzeit im Spiegel der Übersetzung, in: Bogdan Kovtyk/Hans-Joachim Solms/Gerhard Meiser (Hg.), Geschichte der Übersetzung. Beiträge zur Geschichte der neuzeitlichen, mittelalterlichen und antiken Übersetzung (Angewandte Sprach- und Übersetzungswissenschaft 3), Berlin 2002, S. 245–258, hier S. 255. Vgl. dazu ebd. S. 247ff. Rolandslied v. 8597ff., S. 576: Brechmundâ, diu künigin, / viel wainde über in. / si sprach: ‚mächt ich dich geraine, / dâ wære umbe vaile, / aldaz ich ie gesach. / vil lait ist mir dîn ungemach. / nune mac dich niemen wider gewinnen. / in der helle muostu brinnen.‘ Vgl. Kapitel 1, oben S. 87 ff. Ebd. v. 8622f., S. 578: ‚ich wil,‘ sprach si, ‚richten unt büezen / swâ ich mich versûmet hân.‘
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man errichtet ein Bistum.527 Mit dieser – völlig unhistorischen – Wendung ist zunächst an einer Person und dann an dem ganzen Volk der Sarazenen das eigentliche Ziel des ganzen kriegerischen Unternehmens erreicht. Ist die völlig ausnahmslose Einordnung der Sarazenen als Heiden im Rolandslied ganz traditionell (auch wenn hier nur einige Züge des stereotypen Heidenbildes ständig wiederkehren), so sucht man in dieser Dichtung nach jeglichem Hinweis auf die – in vielen Schriften dieser Zeit ja durchaus übliche – Einsicht, daß die Sarazenen an einen Gott glauben, vergeblich; sie erscheinen durchweg als Polytheisten, Mohammed wird schlicht in die Zahl der Götter eingereiht. Aus dem traditionellen Heidenbild aber erwächst hier (erstmals!) auch das Ziel der Bekehrung dieser sarazenischen Heiden, und mit diesem Erfolg endet das Epos (fast).528 Die Chronistik entbehrt zwangsläufig solcher Dramatisierungen des Geschehens, doch auch hier bleibt das Heidenmotiv vorherrschend. Ekkehard von Aura spricht in seinem Kreuzzugsbericht (1099–1101) zwar meist von Saraceni, mehrfach aber auch von „Heiden“,529 und nach Bernold von St. Blasien zogen die Kreuzfahrer „gegen die Heiden“, um die Christen zu befreien.530 Ekkehard weiß allerdings auch von einem Bündnisversprechen 527
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Ebd. v. 8631ff., S. 578: Daz liut sich toufte unt bekêrte, / alsô si got lêrte. / ir bistuom si stiften, / unt si sich ze gote richten. Dem schließt sich, an die eigene Ritterschaft und die inneren Werte gerichtet, noch das Urteil und die Bestrafung des christlichen Verräters Genelon an. Ekkehard von Aura, Chronicon a. 1099, ed. Waitz S. 212; ed. Schmale S. 134/136, zur Vorgeschichte des 1. Kreuzzugs: Der Tempel wurde sacrilege˛ paganorum religioni reservatur (den Christen wurde der Zutritt tam Sarracenorum quam Thurcorum tempore verwehrt); ebd. a. 1100, ed. Waitz S. 219; ed. Schmale S. 160: Antiochia hatte sich niemals den Heiden (paganis) ergeben; ebd. ed. Waitz S. 219, ed. Schmale S. 162: Balduin wurde zu Pfingsten zum König geweiht und gekrönt, quo maior paganis Christianorum timor incuteretur, und bekämpfte paganorum milia; ebd. a. 1101, ed. Waitz S. 223, ed. Schmale S. 176 (mehrmals pagani und barbari); ebd. a. 1102, ed. Waitz S. 224, ed. Schmale S. 182: Saraceni sind barbari. Ebenso Ekkehard in seiner Hierosolymitana (Ekkehard III), ebd., ed. Waitz S. 266f., ed. Schmale S. 330/332: latrocinantibus […] paganis. Die heiligen Orte (sacra loca) wurden vom „Schmutz der Heiden gereinigt“ (ab inveteratis paganorum spurcitiis mundantur). Bernold von St. Blasien, Chronicon a. 1096, ed. Ian Stuart Robinson, MGH SSrG n.s. 14, Hannover 2003, S. 527: maxima multitudo de Italia et omni Gallia et Germania Ierosolimam contra paganos, ut liberarent christianos, ire cepit. Vgl. ebd. a. 1098, S. 535: Herzog Gottfried, Robert, Bohemund, Raimund, Bischof Otto von Straßburg und Graf Hartmann aus Schwaben entrissen Nizäa und Antiochien der Gewalt
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des Kalifen mit den Kreuzfahrern zu berichten, falls diese die Türken aus Palästina und Jerusalem vertrieben.531 Sigebert von Gembloux spricht zwar von der Häresie Mohammeds, um jedoch kurz darauf zu verkünden, daß „die Heiden“ ihn als Gott verehrten.532 Otto von Freising vermeldet anläßlich des Zweiten Kreuzzugs, daß Edessa, das einst als einzige Stadt in dem von Heiden beherrschten Osten christlich geblieben war, wegen der Sünden des dortigen Volkes nun ebenfalls von den „Feinden des Kreuzes Christi“ eingenommen wurde.533 Anläßlich der Eroberung Edessas werden die Muslime hier als Feinde Christi (inimici Christi), Heiden (pagani) und Ungläubige (infideles) gekennzeichnet. In dem langen Bericht über Kreuznahme und Zweiten Kreuzzug kommen die Muslime hingegen praktisch gar nicht mehr vor.
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der Heiden (de potestate paganorum ereptis) und gelangten nach Jerusalem. Der Papst sandte Daimbert, um dort, wo die Heiden vertrieben worden waren, Kirchen zu errichten: Sed Constantinopolitanus rex scheute sich nicht, die Städte, quas nostri de manibus paganorum eripuerunt, mit Feuer zu vernichten vel paganis reddere. Ekkehard, Chronicon I, ed. Waitz S. 217; ed. Schmale S. 152. Helmold von Bosau, Chronicon 1,31, S. 128, spricht hingegen nur von Barbaren und – doppeldeutig – von gentes: Peter der Eremit mahnte ire Iherosolimam pro liberacione civitatis sanctae, quae tenebatur a barbaris. Protulit autem epistolam, quam de celo affirmavit allatam, in qua continebatur scriptum, quia impleta sunt tempora nacionum et liberanda esset civitas, quae calcabatur a gentibus. Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 630, S. 323 (oben Anm. 464). Andere Quellen bestätigen eine solche Anschauung, wie Robertus monachus, Historia Iherosolimitana 9,21, S. 878: O Mathome, Mathome, quis unquam venustiori te cultu colitur, in delubris auro argentoque insignitis, pulchrisque de te imaginibus decoratis et caerimoniis et solemnitatibus omnique ritu sacrorum? Vgl. dazu Flori, La caricature de l’Islam S. 251. Zu Roberts – traditionellem, aber auf die Kreuzzugssituation angewandten – Sarazenenbild vgl. Carol Sweetenham, Crusaders in a Hall of Mirrors. The Portrayal of Saracens in Robert the Monk’s Historia Iherosolimitana, in: Sarah Lambert/Helen Nicholson (Hg.), Languages of Love and Hate. Conflict, Communication, and Identity in the Medieval Mediterranean (International Medieval Research 15), Turnhout 2012, S. 49–63. Otto von Freising, Gesta Frederici 1,37, ed. Franz-Josef Schmale, FSGA 17, Darmstadt 1965, S. 202: Nunc autem nostris et ipsius populi peccatis exigentibus, quod sine magno dolore et gemitu proferre non possumus, Edissa civitas, que nostra lingua Rohais dicitur, que etiam, ut fertur, cum quondam in oriente tota terra a paganis detineretur, ipsa sola sub Christianorum potestate Domino serviebat, ab inimicis crucis Christi capta est, et multa Christianorum castella ab ipsis occupata.
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Ähnlich verhält es sich mit den eigentlichen Kreuzzugschroniken.534 Die „Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum“ sprechen, wie schon Urban II. (bei Marianus Scottus),535 in einer dann noch häufig begegnenden Wendung, von Türken, Sarazenen, Publikanern, Persern, Agulanern „und anderen Heiden“, um deren große Zahl zu verdeutlichen.536 Man mag daher verschiedene muslimische Völker, vor allem Türken und Araber, unterschieden haben – die „Sarazenen“ gliedern sich jetzt in solche Aufzählungen ein –, aber sie sind, hier wie noch an vielen anderen Stellen,537 allesamt 534
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Zu Muslimen als Götzenverehrern in Kreuzzugschroniken vgl. John V. Tolan, Muslims as Pagan Idolaters in Chronicles of the First Crusade, in: Blanks/Frassetto (Hg.), Western Views of Islam S. 97–117, zu den Kreuzzugschroniken Peter Tudebodes und Raimunds von Aguilers; Ders., Saracens S. 109ff.; Flori, La caricature de l’Islam S. 245ff., zu Muslimen als Heiden oder Apostaten in den Kreuzzugschroniken; danach (ebd. S. 252f.) betrachten alle frühen Chronisten des Ersten Kreuzzugs den Islam als Polytheismus; Loutchitskaja, L’image des musulmans; zum Spätmittelalter: Akbari, Idols S. 200–247, sowie Jennifer Bray, The Mohammetan and Idolatry, in: William J. Sheils (Hg.), Persecution and Toleration. Papers read at the Twenty-Second Summer Meeting and the Twenty-Third Winter Meeting of the Ecclesiastical History Society (Studies in Church History 21), Oxford 1984, S. 89–98. In diesem Aufsatz wird schön deutlich, wie wenig eine alternative Einordnung dem tatsächlichen Islambild gerecht wird. Auf jeden Fall gilt der Islam aber als fehlgeleitete Religion. Allgemein zu den Eigenarten und zum Verhältnis der Kreuzzugschroniken des Ersten Kreuzzugs zueinander: Jean Flori, Chroniqueurs et propagandistes. Introduction critique aux sources de la Première croisade (École pratique des Hautes Études. Science historiques et philologiques 5: Hautes Études médiévales et modernes 98), Genf 2010. Flori geht es hier aber weit mehr um die (traditionelle) Feststellung von Parteilichkeit und Unparteilichkeit als um eine Aufarbeitung der Ideen, die zwangsläufig gleichwohl immer wieder gestreift werden. Oben Anm. 472. Vgl. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 3,9, S. 19ff.: Erat autem numerus Turcorum, Persarum, Publicanorum, Saracenorum, Agulanorum aliorumque paganorum trecenta sexaginta milia extra Arabes, quorum numerum nemo scit nisi solus Deus. Danach wörtlich Peter Tudebode, Historia de Hierosolymitano itinere (2), S. 54. Vgl. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 9,21, S. 49: congregauit innumeras gentes paganorum, uidelicet Turcos, Arabas, Saracenos, Publicanos, Azimitas, Curtos, Persas, Agulanos et alias multas gentes innumerabiles; ebd. 9,29, S. 71: ut pagani qui uellent Christianitatem recipere essent cum eo; ebd. 10,33, S. 77f.: in qua maxima multitudo Saracenorum et Turcorum et Arabum aliorumque paganorum est congregata; […] Sed tam maxima uirtus paganorum erat, quod illa die nichil eos offendere aut nocere potuerunt; ebd. 10,34, S. 83: Quod castrum plenum erat innumerabili
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Heiden. Ähnlich häufig bezeichnet Albert von Aachen die Muslime als Heiden,538 und das Gleiche gilt für Peter Tudebode539 und andere Chroni-
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gente paganorum, uidelicet Turcorum, Saracenorum, Arabum, Publicanorum; ebd. S. 82: in quo erat congretata maxima paganorum multitudo; ebd. S. 83f.: Quae nimis erat munita multitudine paganorum […] Pagani uero timore perterriti nocte latenter fugerunt; ebd. 10,35, S. 84: quod innumerabilis paganorum gens rueret super nos ad certum bellum; ebd. 10,37, S. 89: Paganorum uero gens uidens Christi milites; ebd. 10,38, S. 91f.: et occidebant Saracenos […] Tandem superatis paganis […] Super Templum uero Salomonis erat maxima paganorum congregatio utriusque sexus; ebd. 10,39, S. 95: Pagani uero stabant parati ad bellum; ebd. S. 95: Paganorum multitudo erat innumerabilis. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 1,6, S. 12: et sic tutius Turcis cunctisque gentilium cuneis resistere ualerent; ebd. 2,21, S. 94, zu Suleyman: In hac urbe antiqua et robustissima, Solimannus unus de principibus Turcorum, uir nobilissimus sed gentilis, dominio preerat; ebd. 3,17, S. 164, über die Armenier: uolentes magis sub Christiano duce seruire quam sub gentili ditione; ebd. 3,24, S. 176: Post hec quia eque gentilibus et Christianis non conuenit, et inuicem semper sibi sunt suspecti; ebd. 3,51, S. 218: fama et clamor omnium in circuitu regionum ad aures gentilium primatum festinans; mehrfach ebd. 6,41, S. 454/456: audita fama exercitus gentilium; audire et intelligere de rebus et consiliis gentilium; uniuersa multitudo gentilium; auduta fama aduentantium copiarum et armorum gentilium; collectio gentilium Ascalona occupauerit. Vgl. auch ebd. 3,66, S. 246: ab ipsa die et deinceps gentilium animi ceperunt mollescere; ebd. 4.44, S. 318: et gentilium spurcitiis abrenunitaueris; ebd. 6,46, S. 464: Dum tandem bello ingrauato, et gentilium cuneis Deo opitulante, adtritis, totus exercitus regis Babylonie fugam iniit; ebd. 6,50, S. 468: commissum est hoc prelium a uiginti millibus Christianorum aduersus trecenta milia gentilium, Sarracenorum, Arabum, Publicanorum, Maurorum de terra Ethiopie; ebd. 7,21, S. 514/16: Mortuo igitur tam egregio duce et nobilissimo Christi athleta xv kalendas Iulii, maxima lamenta et nimius ploratus omnibus illic Christianis, Gallis, Italicis, Syris, Armenicis et Grecis, gentilibus plerisque Sarracenis, Arabitis, Turcis fuere per quinque dies. Vgl. Peter Tudebode, Historia de Hierosolymitano itinere (10,12), S. 103: Ita vero eramus obsessi et oppressi ab aliis paganis, inimicis Dei et sancte˛ Christianitatis, qui fuerunt numero cccti lxta vque milia, excepto amiralio Ierosolimitano, qui fuit cum eis cum sua gente; et rex Damasci advenit cum sua gente; ebd. (11,8), S. 112: Exclamaverunt Turci et alii pagani; ebd. (13,2), S. 121: quarto die, exeunte Novembrio, pervenit ad civitatem que˛ dicitur Marra, in qua maxima multitudo erat Sarracenorum congregata, et Turcorum et Arabum et plurimorum paganorum; ebd. (13,5), S. 123: Milites et clientes ita pugnabant; presbyteri quoque et clerici, sacris vestibus induti, stantes retro castrum, orantes et obsecrantes Dominum nostrum Ihesum Christum, ut suum defendat populum, et Christi militibus victoriam pre˛stet suamque sanctam Christianitatem exaltet et paganitatem destruat; ebd. (13,10), S. 128: Quod castrum plenum erat innumerabili paganorum gente, videlicet Turcorum, Sarracenorum et Arabum et Publi-
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sten.540 Als aber Christen mit den „heidnischen Frauen“ schliefen, so Peter Tudebode, sei ein gewaltiger Gestank zum Himmel aufgestiegen.541 Die „Heiden“ hatten, schreibt Balderich von Bourgueil, das Christentum aus der Bischofskirche von Antiochia vertrieben, um dort ihre abergläubischen Riten zu vollziehen; die Güter der Heiligen wurden verteilt und der heidnischen Tyrannei unterworfen, das Priestertum Gottes wurde mißachtet, sein Heiligtum entweiht.542 Nach Albert von Aachen mußten die heiligen Orte nach der Einnahme Jerusalems entsprechend erst von der Unreinheit des heidnischen Ritus gereinigt und die „ganze Heidenschaft“ aus der Stadt vertrieben werden.543 Dennoch bezeugt Albert später, daß der Sarazenenkönig die christlichen Stätten in Jerusalem, den Tempel und die Grabeskirche, nach seinem heidnischen Ritus verehrt und keinen Christen zum Abfall vom
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canorum et aliorum paganorum, qui mirabiliter munierunt illud castrum, et defendebant se fortiter, sowie an vielen weiteren Stellen. Vgl. Balderich von Bourgueil, Historia Hierosolymitana 1,2, S. 11: et dominati sunt filiis indigenis gentiles adventicii; ebd. S. 12: confluentes autem Christianos multimodis gentiles angariis affligebant; Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 4,4, S. 173: Interea Turci et Arabes, Sarraceni aliique gentiles […] cum infinito agmine Antiochiam properabant; ebd. 6,2, S. 258: quod quidem innumerabilis infercierat multitudo paganorum, Turcorum videlicet, Sarracenorum et Arabum, qui, preter originis munimentum, fortius illud omnimodis sua pluralitate reddiderant. Pagani et Saraceni begegnet später bei Johannes Codagnellus, Gesta obsidionis Dalmatiae, ed. Oswald HolderEgger, MGH SS 31, Hannover 1903, S. 463–503 (z.B. S. 468f., 480–489, 492ff.). Vgl. den Brief Ludwigs VII. an Suger: Suger von Saint-Denis, ep. 60, Migne PL 186, Sp. 1379 D: Vobis manifestum esse non dubitamus quod Orientalis Ecclesia quotidianis Saracenorum et infidelium persecutionibus desolata, adeo vocem suam exaltavit, ut nos Occidentalium partium incolas vocis suae clamore ad sui provocaret ultionem. Peter Tudebode, Historia de Hierosolymitano itinere (10,9), S. 99: Sed multam pravam rem faciunt multi Christiani, eo quod iacent cum paganis mulieribus, unde immensus fetor ascendit in caelum. Balderich von Bourgueil, Historia Hierosolymitana 1,4, S. 13: ecce in ipsa ecclesia gentiles suas collocavere superstitiones; et religionem Christianam, quam potissimum coluisse debuerant, ab aula Deo dicata turpiter eliminaverunt. Praedia sanctorum stipendiis dedita, et nobilium patrimonia sustentandis pauperibus contradita paganae tyrannidi subiciuntur, eisque in proprios usus redactis domini crudeles abutuntur. Sacerdotium Dei humotenus conculcatum est. Sanctuarium Dei, proh nefas! ubique profanatum est. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 5,44, S. 400: et loca sancta Ierusalem restauranda et ad auferendos gentilium ritus a loco sancto et eorum inmundicias; ebd. 6,39, S. 452: uniuersa gentilitas ab urbe sancta exterminata est.
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Glauben gezwungen habe.544 Man schloß mit diesen Heiden sogar Bündnisse (gegen die „Türken“) ab. „Wenn wir auch in Gesetz und Kult des Heidentums verharren,“ so läßt Albert den Emir al-Afdal von Ägypten sagen, „so soll doch das Bündnis, das wir gegenseitig geschlossen haben, keineswegs gebrochen werden,“ und er verspricht die Wiederherstellung der christlichen Stätten.545 Musliminische Fürsten machten auch Gottfried von Bouillon nach der Einnahme Jerusalems ein Friedensangebot und garantierten „trotz ihres Heidentums“ unter Androhung härtester Körperstrafen den Schutz christlicher Pilger.546 Während al-Afdal nach der zitierten Episode angeblich sogar nicht davor zurückschreckte, den christlichen Glauben anzunehmen, falls ein Meinungsaustausch ihn davon eher überzeugen würde als sein „heidnischer Ritus“ (ritus gentilitatis), lehnte Kerboga das Angebot Peters des Eremiten, Antiochia zu beherrschen, wenn er Christ würde, mit Verachtung ab und zeigte Peter statt dessen die Riten des Islam auf, indem er erklärte, er würde seinen Glauben niemals aufgeben.547 544
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Ebd. 6,32, S. 444: Hiis eiectis et conductum regis usque in Damascum habentibus, rex Ierusalem ingressus templum Domini iuxta ritum gentilium summa reuerentia et humilitate subiit, dein templum dominici sepulchri cum omni habitu religionis gentilis introiuit, omnia pacifice perlustrans, et nullum Christianorum a fide et ordine sui ritus auertens. Vgl. ebd. 3,59, S. 230: ‚Sed nunc uiribus nostris hanc ante aduentum uestrum recuperauimus, Turcos eiecimus, foedus et amiciciam uobiscum percutimus, genti Christianorum urbem sanctam et turrim Dauid, et montem Syon restituemus, de Christiane fidei professione discutiemus. Que si discussa placuerit, hanc apprehendere parati sumus. Si autem in lege et ritu gentilitatis perstiterimus, foedus tamen quod adinuicem habuerimus minime irrumpetur.‘ Ebd. 6,42, S. 458, zum Bündnisangebot eines muslimischen Fürsten, der Gottfried die List der Muslime verriet: Sed quidam nobilissimus ex Sarracenis, quondam urbis Ramnetis prefectus, qui pacem et foedus, superata Ierusalem, cum duce iniit, nunc in auxilium ipsius ducis, licet gentilis, fideli intentione adueniens, dolositates Babyloniorum enucleat, dicens Armenta non aliam ob causam Sarracenos, Arabitas cunctosque gentiles premisisse, nisi ut peregrinos impedirent, quo magis prede quam defensioni studerent. Hac premonitione gentilis principis dux et uniuersi rectores Christiani exercitus rem precauentes, edictum in omni catholica legione statuunt, ut, quicumque de peregrinis predam ante prelium contigerit, auribus et naribus truncatis puniatur. Zur Hilfe für Pilger als Motiv christlicher Politik in den Kreuzzügen vgl. Drews, Hilfe für die Glaubensbrüder? S. 34f. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 4,44, S. 318: Quod audire nedum facere contempsit. Petrum uero heremitam sacrilegos ritus suos et sectam gentilium edocet, asserens numquam se ab hac recedere.
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Kreuzzugschroniken entwickeln mit der Heidenthematik ein geradezu „monolithisches heidnisches Feindbild“.548 Polytheismus und Idolatrie bleiben daher, wie auch Nikolas Jaspert feststellt, in Kreuzzugschroniken weiterhin Kennzeichen der Muslime,549 denen darüber hinaus die Verunreinigung heiliger Stätten und Grausamkeit vorgeworfen werden:550 Muslime sind (und bleiben) traditionell Götzendiener, Ungläubige, Feinde Gottes und der Christen sowie Werkzeuge des Teufels.551 Die Muslime werden damit den antiken und biblischen heidnischen Kulten gleichgestellt und in die alten Traditionen eingegliedert.552 Neu gegenüber der frühen Salierzeit ist hingegen ein Abstreifen der früheren Gleichgültigkeit.553 Tolan begründet die Kennzeichnung als Heiden in Kreuzzugschroniken mit der Rechtfertigung des Kreuzzugs.554 Das ist ein gewichtiges Argument. Dem ist allerdings erstens hinzuzufügen, daß die Chroniken hier lediglich die traditionelle Wertung weitertradieren: Nicht die Kennzeichnung als Heide, sondern die gleich noch näher zu bespechende Charakterisierung als Häresie wäre überraschend. Zweitens hätte ein Heidenkrieg traditionell die Missionsabsicht bzw. Zwangstaufen eingeschlossen, die im Ersten Kreuzzug jedoch offenbar gar nicht intendiert waren. Das Ziel war die Vertreibung der – eben heidnischen – Elemente aus den christlichen Stätten. Und drittens war ein Krieg 548
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So Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi S. 256. Dem steht eine – so tatsächlich ganz und gar nicht zutreffende – Homogenität der Kreuzfahrer gegenüber (zusammenfassend ebd. S. 265). Diese Abgrenzung vom wahren Glauben hebt auch Adelphus, Vita Mahumeti v. 16ff., S. 113, hervor: Est enim aeterna inimicitia inter fidei sacrarium et paganismum, inter templum Dei et idolum, et qui de ancilla illum, qui de libera natus est, persequitur. Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 313–317. Ähnlich schon Becker, Papst Urban II. S. 404. Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 317ff. Ebd. S. 312f. Zur Verbindung mit dem Teufel vgl. auch Luchitskaja, Idoles musulmanes S. 288ff.; Rotter, Embricho S. 75ff. So Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 326f. So ebd. S. 327. Tolan, Saracens S. 109ff., explizit S. 109f. und S. 116. Vgl. auch Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi S. 268ff.: Die Delegitimierung des Feindes dient der eigenen Kreuzfahreridentität. Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 321ff., sieht die Funktionen der neuen Schwerpunktsetzung differenzierter in verschiedenen Aspekten: in einem Appell an das Abendland zur Hilfeleistung, im Wecken von Rachegefühlen, in der Kennzeichnung als Fremde („xenologische Funktion“) und in theologischen Erklärungen (die Muslime als Geißel Gottes).
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gegen Ungläubige – und als solche galten die Muslime allemal – per se gerechtfertigt. Es bedurfte daher nicht zwingend des Heidenmotivs, das mir vielmehr charakteristisch für eine prinzipielle Bewertung der Muslime insgesamt erscheint, an der auch die Kreuzzüge zunächst noch nichts geändert haben. Manchen Autoren war allerdings doch bewußt, daß es sich beim Islam nicht um ein wirkliches Heidentum handelte.555 Frutolf von Michelsberg vermeidet es zumindest, die Muslime pagani zu nennen (während Ekkehard von Aura, der Frutolfs Bericht überarbeitet und ergänzt hat, sie durchaus wieder als götzenanbetende Polytheisten betrachtet).556 Für Guibert von Nogent verkörpern sie eine fehlgeleitete monotheistische Religion, die nur Gottvater als einzigen Gott und Schöpfer anerkennt, Jesus aber für einen reinen Menschen hält;557 dennoch bezeichnet auch er ihre Religion nur wenig später als error ceptae gentilitatis,558 sieht also keinen Widerspruch zwischen beiden Einschätzungen. Und Otto von Freising schreibt anläßlich der Gefangennahme eines Bischofs auf dem Ersten Kreuzzug: „Unter anderem wurde auch der ehrwürdige Erzbischof Thiemo gefangengenommen, und er sollte, wie berichtet wird, zum Götzendienst gezwungen werden. Doch er erbat sich Bedenkzeit, ging in den Tempel und, überaus stark an Kräften des Geistes und des Körpers, schlug er die Götzenbilder, die er anbeten sollte, in Stücke und bewies dadurch, daß es keine Götter waren, sondern Menschenwerk. […] Daß er dies [den Märtyrertod] um seines christlichen Glaubens willen erlitt, das ist völlig zuverlässig überliefert; daß er aber Götzenbilder zertrümmert hat, ist schon deshalb schwer zu glauben, weil ja bekanntlich alle Sarazenen nur einen Gott verehren sowie das Gesetz und die Beschneidung übernommen haben; auch erkennen sie Christus an sowie die Apostel und die apostolischen Männer und sind nur insofern weit vom Heil entfernt, als sie
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Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi S. 244, betont, daß die Muslime als Heiden sich aus der eigenen Erfahrung der Chronisten heraus doch sehr von den antiken Heiden unterscheiden. Ein Wissen um den Monotheismus war hier durchaus vorhanden (ebd. S. 269). So Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 330ff. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 1,3, S. 94: Plebeia opinio est quendam fuisse qui, se bene eum exprimo, Mathomus nuncupetur, qui quondam eos a Filii et Spiritus sancti prorsus credulitate diduxerit, solius Patris personae quasi deo uni et creatori inniti docuerit, Iesum purum hominem dixerit et, ut breviter eius dogma concludam, circumcisione quidem decreta totius eis impudicitiae laxavit habenas; ebd. 1,4 (oben Anm. 465). Vgl. Flori, La caricature de l’Islam S. 253f.; Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 314f. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 1,5, S. 100.
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bestreiten, daß Jesus Christus, der Heiland der Menschheit, Gott und Gottes Sohn sei, und den Verführer Mohammed […] als den großen Propheten des höchsten Gottes verehren.“559
Die in diesem Text angesprochene, wenngleich von Otto verworfene Vorstellung einer islamischen Bilder- und Götzenverehrung, die sich tatsächlich in vielen Chroniken, Chansons de geste, Traktaten und Pilgerberichten findet und hier eine wichtige Rolle im Islambild spielt,560 rückt die Muslime vollends in den Bereich der Idolatrie: „De même que les auteurs du Moyen Âge ignoraient la religiosité paysanne en s’orientant vers l’image classique du paganisme, les chroniqueurs, eux aussi, ignorent la culture des musulmans en stylisant la figuration du monde musulman selon les principes de la tradition culturelle et en décrivant le culte des musulmans comme une espèce du paganisme.“561 Von dieser Ansicht setzt sich Otto hier allerdings dezidiert ab. Den Koran nennt er in Analogie zum Neuen Testament jedoch immerhin das „Evangelium Mohammeds“.562 Petrus Venerabilis, auf den gleich noch näher einzugehen ist und der den Islam dank der Koranübersetzung besser kannte als die abendländischen Autoren vor und neben ihm, schwankt dennoch, ob er in den Sarazenen Heiden oder Häretiker sehen soll.
c. Sarazenen als Häretiker? Die bei Otto von Freising angesprochenen Ähnlichkeiten hatten in besser informierten islamnahen Gebieten schon früh, wie bei Johannes von Damaskus in seiner Schrift über die Häresien, die Meinung aufkommen lassen, 559
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Otto von Freising, Chronica 7,7, S. 317f.: Comprehensus inter alios venerabilis presul Themo ad ydolatriam, ut tradunt, angariatur. Ille, inducias petens, fanum ingressus animi et corporis viribus robustissimus ydola, quae adorare debuit, non deos, sed opera manuum ostendens in frusta comminuit. Ob ea productus ac exquisitis suppliciis et tormentorum generibus affectus glorioso martyrio coronatus est. Zum Rest dieser Stelle vgl. oben Anm. 422. Vgl. dazu die diesbezüglichen Arbeiten von Svetlana Loutchitskaja (oben Anm. 35). So Luchitskaja, Idoles musulmanes S. 294f. Vgl. Dies. (Loutchitskaja), L’image des musulmans S. 727ff. Vgl. auch Rotter, Embricho S. 78ff. Otto von Freising, Chronica 7,7, S. 318: Cuius seductionis et, ut ipse mentitur, predicationis tale apud eos esse traditur exordium: ‚Inicium evangelii Mahmet filii Dei, prophetae altissimi: ‚Lavamini, mundi estote‘. Quod preceptum predicta gens stolide servans secretiores corporis partes cottidie abluere solet.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
daß es sich bei dem Islam um eine Art (jüdisch-christlicher) Häresie handelt.563 Im mozarabischen Spanien wurde die antiislamische Polemik gelegentlich geradezu zum Kampf gegen die Häresie.564 Im Abendland ist eine solche Einstellung zunächst hingegen selten anzutreffen, und sie hat sich hier auch später nie wirklich durchgesetzt. Anklänge finden sich schon bei Landulfus Sagax im 10.,565 bei Ademar von Chabannes566 im frühen 11. oder bei Frutolf von Michelsberg567 und Sigebert von Gembloux568 am Ende des 11. Jahrhunderts. Erst im 12. Jahrhundert wird die Kennzeichnung als Häresie überhaupt etwas geläufiger, wenngleich nicht derart, daß man folgern könnte: „The twelfth-century writers saw Islam as heresy because they perceived heresy to be the great menace.“569 Zumeist beschränkt sich das Häretische am Islam ohnehin auf den oben schon erwähnten Einfluß christlicher (und jüdischer) Häretiker, wie Sergius, auf Mohammed.570 In jedem
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Vgl. Tolan, Saracens S. 50ff.; Ders., Étude comparée S. 358ff.; zum 12. Jahrhundert Ders., Saracens S. 135–169. Nach Tolan, ebd. S. 147, war Mohammed für die überwiegende Mehrheit der frühmittelalterlichen Autoren von Johannes von Damaskus bis zu Paulus Alvarus von Córdoba ein „Erzhäretiker“. Für das Abendland träfe das, wenn es richtig ist, hingegen ganz und gar nicht zu. So Millet-Gérard, Chrétiens mozarabes S. 183–203, zu Spanien S. 189ff. Landulfus Sagax, Historia Romana 20,61, S. 134: Et tenuit heresis eius partes Ethribi, postremo per bellum. Vgl. dazu Michael Frassetto, The Image of the Saracen as Heretic in the Sermons of Ademar of Chabannes, in: Blanks/Frassetto (Hg.), Western Views of Islam S. 83–96, hier S. 89. Zu Ademars Wahrnehmung der Sarazenen jetzt ausführlich Bade, Stereotype Vorstellungen? Frutolf von Michelsberg, Chronicon S. 153: et taliter ex feminis fama venit ad viros, primo ad Hebuber, quem et successorem dimisit, et tenuit partem heresis eius et heredis. Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 630, S. 323; Hoc tempore Arabum sive Saracenorum princeps erat Muhammad, qui pseudopropheta ex orphano et inope, per heresis suae prestigia ad regnum provectus est. So Tolan, Anti-Hagiography S. 41 (in: Ders., Sons of Ishmael S. 17). Tolan, Saracens S. 143ff., führt vor allem Guibert von Nogent als abendländisches Beispiel an (der dennoch von Heiden spricht; vgl. oben Anm. 558). Zur Frage, ob der Islam als Heidentum, Häresie oder autonome Religion angesehen wurde, vgl. auch Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz S. 119ff. Vgl. Abschnitt 4.a., oben S. 295, 305, 310, 313f. Vgl. Frutolf von Michelsberg, Chronicon S. 153: Heraclius a Sergio patriarcha et ab Anastasio quodam aliisque hereticis circumventus, in Euthicianam incidit heresim, et mathematicus factus et astrologus.
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Fall reihen sich die Muslime in christlicher Wahrnehmung in die große Gruppe der Ungläubigen ein.571 „Als das Volk der Heiden die Streiter Christi sah,“ so berichten die „Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum“, „teilte es sich und bildete zwei Heere. Die unsrigen aber riefen den Namen Gottes an und griffen jene Ungläubigen derart heftig an, daß jeder Krieger seinen (Gegner) niederstreckte.“572
Für Albert von Aachen sind sie vielleicht sogar Apostaten, die vom rechten Glauben wieder abfielen (was allerdings nun gar nicht zuträfe und vermutlich darauf zurückgeht, daß die Bewohner des Byzantinischen Reichs vor dem Siegeszug des Islam überwiegend Christen waren);573 zumindest setzt Albert sie jenen parallel.574 Alanus ab Insulis, der in seiner Schrift „Über den katholischen Glauben gegen die Häretiker seiner Zeit“ am Ende des 12. Jahrhunderts auch den Islam behandelt (der für ihn folglich ebenfalls eine Häresie ist), begreift die Sarazenen nicht nur in der Überschrift zu Buch 4 (falls diese von ihm selbst stammt),575 sondern auch gleich zu Beginn seiner Schrift bezeichnenderweise dennoch als Heiden: quos communi voca-
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Vgl. etwa Fredegar, Chronicon Cont. 20, S. 177; Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 6,10 (oben Anm. 194); Lothar I., Capitulare de expeditione contra Saracenos facienda von 846, c. 9, MGH Capit. 2. Nr. 203, S. 67; Johannes VIII., Epistolae passim collectae, ep. 9, ed. Erich Caspar und Gerhard Laehr, MGH Epp. 7, Berlin 1928, S. 327; Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Amos prophetam 5, Migne PL 117, Sp. 117 A; Chronicon Salernitanum 107, S. 119; Chronica monasterii Casinensis 3,71, S. 453; im 13. Jahrhundert Saba Malaspina, Chronicon 10, ed. Walter Koller und August Nitschke, MGH SS 35, Hannover 1999, S. 318. Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 10,37, S. 89: Paganorum uero gens uidens Christi milites, diuisit se, et fecerunt duo agmina. Nostri autem inuocato Christi nomine, tam acriter inuaserunt illos incredulos, ut quisque miles prosterneret suum. Vgl. ebd. 10,37, S. 88: et preliati sunt Christi milites contra illos incredulos. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 10,48, S. 762: Quod domnus rex et omnis populus deplorantes, Deum celi flebili uoce inuocant, ut, aperiens fontem misericordie sue, apostaticis uiris et stultis Sarracenis demonstrare uelit, quod non recte agentes, diuinae maiestati blasphemiam inferre prasumpsissent. Mit den Apostaten könnten hier nämlich auch die später zum Islam übergetretenen Christen gemeint sein. Vgl. oben S. 350 f. mit Anm. 440.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
bulo vulgus Saracenos vel paganos nuncupat.576 Beides empfindet er offenbar gar nicht als Gegensatz.577
d. Häretiker oder Heiden? Die Position und Argumentation des Petrus Venerabilis Nicht so sehr in der Kreuzzugsstimmung als vielmehr in der geistigen Aufbruchsstimmung des 12. Jahrhunderts erwachte im Abendland ein gewisses Interesse an der Religion des Islam, das sich besonders bei Petrus Venerabilis, dem Abt von Cluny, beobachten läßt, der zwei Schriften über den Islam verfaßt hat.578 Nach seiner Spanienreise im Jahre 1142 beauftragte er ein Übersetzerteam mit der Anfertigung einer lateinischen Version der wichtigsten islamischen Schriften.579 In diesem Zusammenhang übertrug Robert von Ketton gegen einen hohen Preis erstmals den Koran ins Lateinische, 576
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Alanus ab Insulis, De fide catholica contra haereticos 4,1 (oben Anm. 441). Im Text ist dann an weiteren fünfzehn Stellen (einschließlich der Kapitelüberschriften) von pagani, aber nur zweimal von haeretici die Rede. Vgl. auch Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi S. 232ff., zur mangelnden Differenzierung zwischen Heiden und Häretikern. Sie sind mit weiteren Briefen zum Thema von Reinhold Glei mit deutscher Übersetzung herausgegeben, dessen Edition ich folge. Bereits vorher ediert von Kritzeck, Peter the Venerable S. 115–291. Vgl. dazu Dominique Iogna-Prat, Ordonner et exclure. Cluny et la société chrétienne face à l’hérésie, au judaïsme et à l’islam, 1000–1150 (Collection historique), Paris 22000, S. 324–359 (engl. Übers. Order & Exclusion. Cluny and Christendom face Heresy, Judaism, and Islam [1000–1500], Ithaca-London 2002), Kapitel 11 (S. 323–357). Zum Mohammedbild des Petrus vgl. Tolan, Saracens S. 155ff.; zu seiner „Konstruktion des Islam“ Christian Saßenscheidt, Die Konstruktion des Anderen am Beispiel des Islam in der ‚Summa totius haeresis Saracenorum‘ des Petrus Venerabilis, in: Borgolte/Dücker/Müllerburg/Schneidmüller (Hg.), Integration und Desintegration der Kulturen S. 228– 238, der zu Recht auf die Vielschichtigkeit des Islambildes des Petrus aufmerksam macht. Eine Art Gesamtbewertung gibt jetzt Stephanie Haarländer, Petrus Venerabilis, Abt von Cluny (1122–1156), und seine Beschäftigung mit dem Islam, in: Christoph Bultmann/Jörg Rüpke/Sabine Schmolinsky (Hg.), Religionen in Nachbarschaft. Pluralismus als Markenzeichen der europäischen Religionsgeschichte (Vorlesungen des Interdisziplinären Forums Religion der Universität Erfurt 8), Münster 2012, S. 75–86. Petrus Venerabilis, Epistola de translatione sua 2, ed Glei, S. 22/24 (Brief an Bernhard von Clairvaux, mit Bezug auf Petrus Alfonsi): Sed quia lingua Latina non adeo ei familiaris vel nota erat ut Arabica, dedi ei coadiutorem doctum virum, dilectum
6. Religiöse Einordnung der Muslime: Heiden oder Häretiker?
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vollzog das allerdings nicht wörtlich, sondern eher sinngemäß, indem er – aus der islamischen Exegese entnommene – Erläuterungen und Kommentare einflocht. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts fertigte Markus von Toledo eine weitere, ebensowenig vollkommene (und noch weniger verbreitete) Übersetzung an. Beide sollten für lange Zeit die einzige Grundlage christlichen Wissens über den Koran bleiben, waren allerdings nur spärlich verbreitet.580 Roberts Koranübersetzung läßt nach dem Urteil der Fachleute
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filium et fratrem Petrum, notarium nostrum, reverentiae vestrae ut aestimo bene cognitum. […] Sed et totam impiam sectam vitamque nefarii hominis ac legem, quam Alkoran id est collectaneum praeceptorum appellavit sibique ab angelo Gabriele de caelo allatam miserrimis hominibus persuasit, nihilominus ex Arabico ad Latinitatem perduxi interpretantibus scilicet viris utriusque linguae peritis, Roberto Ketenensi de Anglia, qui nunc Pampilonensis ecclesiae archidiaconus est, Hermanno quoque Dalmata, acutissimi et litterati ingenii scholastico, quos in Hispania circa Hiberum astrologicae arti studentes inveni eosque ad hoc faciendum multo pretio conduxi. Das Team bestand aus Robert von Ketton, Hermann von Dalmatien und Petrus von Toledo und, zur Kontrolle des Verständnisses, einem Sarazenen namens Mohammed. Vgl. auch Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum prol. 17, S. 54. Zu diesem fälschlich als „Opus Toletanum“ bezeichneten Werk vgl. Kritzeck, Peter the Venerable S. 73– 112; den Inhalt zählt kurz auf Haarländer, Petrus Venerabilis S. 79f. Ausführlich zu den Koranübersetzungen jetzt Burman, Reading the Qur‘a¯n, der (S. 64) von einer „erweiterten Übersetzung“ im scholastischen Rahmen spricht. Zu den beiden Übersetzern vor allem Kapitel 1–3, S. 12–87. Vgl. auch Tolan, Peter the Venerable; José Martínez Gázquez, Trois traductions médiévales latines du Coran: Pierre le Vénérable-Robert de Ketton, Marc de Tolède et Jean de Segobia, in: Revue des études latines 80, 2002, S. 223–236 (abgedr. in: Ders., Eum legentem vidimus. Selección de artículos y estudios. Bd. 1, Barcelona 2009, S. 377–390); Ders., Finalidad de la primera traducción latina del Corán, in: M. Barceló/Ders. (Hg.), Musulmanes y cristianos en Hispania durante las conquistas de los siglos xii y xiii, Barcelona 2005, S. 71–77 (abgedr. in: Ders., Eum legentem vidimus S. 391–297); Ders./Óscar de la Cruz/Cándida Ferrero/Nádia Petrus, Die lateinischen KoranÜbersetzungen in Spanien, in: Matthias Lutz-Bachmann/Alexander Fidora (Hg.), Juden, Christen und Muslime. Religionsdialoge im Mittelalter, Darmstadt 2004, S. 27–39. Roberts Übersetzung entstand am Ebro, vielleicht in Tarazona (Martínez Gázquez, Trois traductions S. 224); Tischler, Transfer- und Transformationsprozesse S. 342ff. Eine sprachliche Analyse der beiden ältesten Übersetzungen vor dem Hintergrund der Frage eines Kulturtransfers nimmt jetzt vor: Ulisse Cecini, Alcoranus latinus. Eine sprachliche und kulturwissenschaftliche Analyse der Koranübersetzungen von Robert von Ketton und Marcus von Toledo (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 10), Berlin-Münster 2012. Markus von Toledo bleibt dabei enger am arabischen Text als Robert von Ketton.
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durchaus das Bemühen um eine korrekte Übertragung erkennen, während Randnotizen und Kommentare, sofern sie nicht rein philologischer Natur waren,581 oft eine scharfe Zurückweisung der Lehre beinhalten, wie bereits in der umfänglich polemisch kommentierten Pariser Handschrift (Arsenal Bibl. 1162): „To read the Qur‘Çn as it appeared in the precious Arsenal manuscript was, then, to read a dangerous, heretical pseudoscripture – or so its many marginal notes instructed. But it was also to read a book that had been the object of careful and extensive linguistic analysis; a book that had been reconfigured to satisfy the reading methods of its new scholastic readers; a book that, translated into elegant, elevated Latin, had been laid out on the page in such a way that it mimicked the appearance of the canonical texts that these scholastic readers dedicated themselves to understanding.“582
Die spätere Nutzung (mit glossierten Abschriften) stellt sich dann ganz in antiislamische Kontexte. Sollte Robert von Kettons Übersetzung überhaupt je einem besseren Verständnis des Islam gedient haben, so erreicht die Rezeption jedenfalls das Gegenteil. Petrus Venerabilis selbst, der sich auf die christlich-arabisch-spanische Tradition stützt (vor allem RisÇlat al Kind¥ und die ‚Dialogi‘ des Petrus Alfonsi)583 und die frühere, krasse Polemik, wie schon Petrus Alfonsi, (angeblich) durch eine argumentative Auseinandersetzung ersetzt,584 geht es jedoch ebensowenig wie seinen Vorläufern um ein Verständnis des Islam, sondern von vornherein um dessen Widerlegung aus der Kenntnis der muslimischen Schriften heraus.585 Bezeichnenderweise hat man diesen Ansatz des Cluniazenserabtes Peter immer wieder als „scholastisch“ klassifiziert, ein Zeichen dafür, wie wichtig den Autoren des 12. Jahrhunderts, ganz unabhängig von ihrer jeweiligen Herkunft und institutionellen Bindung, eine rationale Erfassung war. Die Ablehnung des Islam ist bei Petrus unverkennbar: Ohne Bekenntnis zur Göttlichkeit Christi fehle den Muslimen der wahre Glaube; folglich sind auch sie dem Teufel verfallen. Sie erkennen zwar an, daß Christus der beste aller Menschen ist, der Teufel, der die halbe Welt 581 582 583 584 585
Vgl. dazu Burman, Reading the Qur’a¯n, Kapitel 4–5, S. 88–148. Ebd. S. 87. Vgl. Tolan, Peter the Venerable S. 346. Das betont Hotz, Mohammed S. 69f. Daß Petrus’ antiislamische Schriften nicht weniger polemisch sind als die antijüdischen, betont zu Recht Tobias Georges, Petrus Venerabilis – der antijüdische Polemiker als Botschafter des Friedens gegenüber dem Islam? Eine Untersuchung seiner Schrift ‚Contra sectam Saracenorum‘, in: ZKG 122, 2011, S. 1–19.
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mit ihnen angefüllt hat, aber läßt sie an der Gottessohnschaft Christi zweifeln,586 schreibt Petrus in seinem Brief an Petrus von St. Johannes (vermutlich Petrus von Poitiers), und genau diesen Irrtum will Petrus aufzeigen und ihre Lehre widerlegen.587 Petrus erblickt in Mohammed und im Islam, neben Arius und dem Antichrist, sogar eine der drei großen Gefahren, die der Teufel gegen das Christentum auffährt.588 Sie alle streiten nämlich die Gottheit Christi ab. Die kommentierte Pariser Handschrift der Koranübersetzung Roberts von Ketton, die Petrus vorlag, klassifiziert nun den Islam, eine alte, eben aus islamischen Gebieten selbst stammende Tradition aufgreifend, als Häresie.589 In seinem Brief an Bernhard von Clairvaux bekräftigt auch Petrus seine Absicht, der Vätersitte zu folgen, eine noch so leichte Häresie ihrer Zeit niemals mit Schweigen übergangen zu haben, sondern ihr mit allen Glaubenskräften zu widerstehen und aufzuzeigen, wie verachtens- und verdammenswert sie ist. Das will er nun im Hinblick auf „den Irrtum der Irrtümer“, „den Bodensatz aller Häresien, in der die Reste aller teuflischen Sekten, die seit der Ankunft des Heilands entstanden sind, zusammenfließen“, bewerkstelligen, „damit man erkennt, wie verfluchenswert diese tödliche Seuche ist, die fast der halbe Erdkreis anerkennt und die man niedertreten muß, indem man den Unwissenden ihre Torheit und ihre
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Petrus Venerabilis, Epistola ad Petrum de Joanne, Migne PL 189, Sp. 487–508, hier Sp. 489f. Zur Identifizerung vgl. die Edition der Briefe von Giles Constable, Bd. 2, S. 334f. Die Anhänger Mohammeds, so Petrus, Contra sectam Saracenorum prol. 17, S. 52/54, konnten ihren Irrtum nicht erkennen, weil sie kein Latein verstanden und die Schriften daher nicht lesen konnten. Petrus Venerabilis, Summa 13, S. 14/16: Quae quidem olim diaboli machinatione concepta, primo per Arium seminata, deinde per istum Satanan scilicet Mahumetum provecta per Antichristum vero ex toto secundum diabolicam intentionem complebitur. Cum enim dicat beatus Hilarius Antichristi originem in Ario exstitisse, dum, quod ille coepit, verum filium dei Christum esse negando et creaturam dicendo, Antichristus tandem nullo modo illum deum vel dei filium, sed nec etiam bonum hominem fuisse asserendo consummaturus est, merito impiissimus Mahumetus inter utrumque medius a diabolo provisus ac praeparatus esse videtur, qui et Arii quodammodo supplementum et Antichristi peiora dicturi apud infidelium mentes maximum fieret nutrimentum. Vgl. Tolan, Peter the Venerable S. 359. Vgl. ebd. S. 355f.
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Gräßlichkeit aufdeckt.“590 Denn sie verdient eine ähnliche Zurückweisung wie die anderen Häresien.591 In seiner Einleitung des Übersetzungswerks („Summa totius haeresis Saracenorum sive Ismaelitarum“),592 das Petrus eben hat anfertigen lassen, damit man erkenne, „was für eine schmutzige und lächerliche Häresie dieser Glaube ist“,593 sieht er den Islam ebenfalls als eine Häresie an, welche die Trinität in der Einheit Gottes verleugnet und daher keine wirkliche Gotteskenntnis hat,594 weil sie Christus, ähnlich den Arianern, nicht als Gottes Sohn, sondern nur als – allerdings von Sünden freien, reinen – Menschen und Propheten anerkennt.595
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Petrus Venerabilis, Epistola de translatione sua 3, S. 24: Fuit autem in hoc opere intentio mea, ut morem illum Patrum sequerer, quo nullam umquam suorum temporum vel levissimam ut sic dicam haeresim silendo praeterierunt, quin ei totis fidei viribus resisterent et scriptis atque disputationibus esse detestandam ac damnabilem demonstrarent. Hoc ego de hoc praecipuo errore errorum, de hac faece universarum haeresum, in quam omnium diabolicarum sectarum quae ab ipso salvatoris adventu ortae sunt reliquiae confluxerunt, facere volui, ut sicut eius letali peste dimidius paene orbis infectus agnoscitur, ita quam exsecrandus et conculcandus detecta eius stultitia et turpitudine a nescientibus agnoscatur. Ebd. 4, S. 26: ad scribendum contra tan perniciosum errorem illam vestram, quam nostris diebus deus vobis singulariter contulit, doctrinae magnificentiam animarem. Nam licet hoc perditis illis ut aestimo prodesse non possit, responsionem tamen condignam sicut contra alias haereses, ita et contra hanc pestem Christianum armarium habere deceret. Im Prolog von Contra sectam Saracenorem 5ff., S. 36ff., führt Petrus eine lange Reihe früherer Widerlegungen christlicher Häresien an. Vgl. unten Anm. 600. Die Argumentation der „Summa“ zeichnet ausführlich nach: Kritzeck, Peter the Venerable S. 115–152; vgl. auch Saßenscheidt, Konstruktion des Anderen. Petrus Venerabilis, Summa 18, S. 20: spurca et frivola haeresis. Ebd. 1, S. 2: In primis primus et maximus ipsorum exsecrandus est error, quod trinitatem in unitate deitatis negant. Vgl. dazu Kritzeck, Peter the Venerable S. 141–149. Petrus Venerabilis, Summa 2, S. 2; ebd. 13, S. 14: Summa vero huius haeresis intentio est, ut Christus dominus neque deus neque dei filius esse credatur, sed licet magnus deoque dilectus, homo tamen purus et vir quidem sapiens et propheta maximus; ähnlich Ders., Contra sectam Saracenorum prol. 13, S. 48/50: Nam cum quibusdam haereticis – scribente sic in Alkorano suo impio Mahumetus – Christum quidem de virgine natum praedicant, maiorem omni homine ipsoque Mahumeto dicunt, sine peccato vixisse, vera praedicasse, mira fecisse affirmant, spiritum dei, verbum dei fuisse fatentur – sed nec spiritum dei aut verbum ut nos aut intelligunt aut exponunt –, Christi passionem aut mortem non solum ut Manichaei phantasticam, sed nullam prorsus exstitisse vesaniunt.
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Die jüngere Schrift „Contra sectam Saracenorum“, zu der Petrus sich entschließt, weil er andere nicht zu einer Widerlegung anstacheln konnte – er hatte sich zuvor an Bernhard von Clairvaux gewandt,596 der dazu jedoch offenbar nicht bereit war –, richtet sich dem Wortlaut nach vielfach (scheinbar?) an die Muslime (aber nicht minder erneut an die Christen),597 um aufzuzeigen, daß Mohammed, gemessen an den alttestamentlichen Propheten, kein Prophet ist, und sie zum Heil einzuladen, indem er auf entsprechende Koranstellen verweist.598 Die contra sectam nefariam nefandi Mahumeti gerichtete Schrift sei notwendig, weil alle Abweichungen vom rechten Weg und von der richtigen Lehre (sana doctrina) zu widerlegen seien,599 und so stellt Petrus sich bezeichnenderweise wieder in eine Reihe mit all jenen – jetzt namentlich benannten – Kirchenvätern und Autoren, die gegen Häresien angeschrieben haben.600 Er bezeichnet seine Schrift als einen Angriff ohne Waffen, mit Vernunft und Liebe. Im vollen Bewußtsein, die einzig wahre Religion zu vertreten, möchte er den Muslimen den richtigen Glauben nahebringen (so wie Gott es einst gegenüber den Heiden tat, die er erkannte, bevor sie ihn erkannten),601 und er glaubt, sie mit seinen Argumenten überzeugen zu können, da gerade sie in den weltlichen Wissenschaften so gelehrt seien:602
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Ders., Epistola de translatione sua, S. 22–29. Spricht Petrus die Sarazenen eingangs und später unmittelbar an, so redet er bezeichnenderweise immer wieder auch über sie, informiert also letztlich doch eher die christlichen Leser; so auch Haarländer, Petrus Venerabilis S. 81. Teilweise wendet er sich mit seinen rhetorischen Worten aber auch an Mohammed selbst. Zur Argumentation in „Contra sectam Saracenorum“ vgl. Kritzeck, Peter the Venerable S. 155–199. Vgl. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum 1,26f., S. 64/66. Vgl. Tolan, Peter the Venerable S. 361ff. So Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum 1,1, S. 30. Ebd. prol. 5–7, S. 36–40. In seinem langen Prolog geht es vor allem um dieses Problem der Nachfolge antihäretischer Schriften, wobei Petrus zugleich rechtfertigen muß, daß er auf Latein und damit den Sarazenen gar nicht verständlich schreibt. Ebd. 1,24, S. 62. Ebd. 1,30, S. 68. Die folgenden Kapitel appellieren an die rationale Kreatur, die schließlich erkennen will, was sie nicht versteht, und nach der Wahrheit sucht. Nur im Islam werde derjenige mit dem Tod bestraft, der über den Schöpfer nachdenkt. Offenbar habe man Angst, daß dadurch die falsitas der Lehre aufgedeckt werde (ebd. 1,33f., S. 72–76).
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
„Es ist doch verwunderlich und sogar mehr verwunderlich, als ich sagen könnte, daß Menschen, die – wie ich oben bereits geschrieben habe – in weltlichen und menschlichen Dingen so klug sind, in ewigen und göttlichen Dingen ebenso dumm sind […].“603
Die Muslime selbst sind auch für Petrus weiterhin „Araber“, „Sarazenen“, „Söhne Ismaels“ 604 oder, an anderen Stellen, „Söhne der Hagar“ (Agareni), die dem sogenannten Gesetz Mohammeds folgen.605 Später bezeichnet Petrus Juden und Muslime als Brüder, weil jene von der freien Sara und Isaak, diese von der unfreien Hagar und Ismael abstammten, weil sie beinahe die gleiche Sprache und Schrift hätten und weil beide beschnitten seien.606 Dabei verfolgt der Abt mehrere Argumentationslinien. Zum einen betrachtet er den Islam, wie die oben zitierten Stellen zeigen, eben als eine – auf alten Irrlehren fußende – Häresie, in einer Reihe mit – wiederum namentlich aufgezählten und charakterisierten anderen Häresien, ganz besonders den Manichäern, Arianern, Donatisten, Pelagianern, Nestorianern und Eutychianern,607 die man, so auch Petrus von Poitiers, der hier den jüdischen Talmud einbezieht, als solche nicht dulden dürfe.608 Mohammed habe seine Anhänger zwar teilweise vom Götzendienst abgebracht, aber nicht
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So ebd. 1,62, S. 114: Mirum enim et supra quam dicere possim mirum est homines, ut supra iam scripsi, quantum ad temporalia et humana prudentes, quantum ad aeterna et divina tam hebetes […]. So ebd. 1,23, S. 62: Arabibus Ismaelis filiis legem illius qui Mahumetus dicitur servantibus. Agareni ebd. 1,44, S. 88; 2,151, S. 220 (Mahumetum legislatorem); 2,102, S. 164; 2,117, S. 182; 2,121, S. 186. Vgl. ebd. 1,55, S. 104: lex Mahumetica. Ebd. 2,145, S. 214. Ebd. prol. 3f., S. 32–36; ebd. 1,42, S. 86. Vgl. auch Ders., Summa 9, S. 10/12: Inter ista omnes paene antiquarum haeresum faeces, quas diabolo imbuente sorbuerat, revomens cum Sabellio trinitatem abnegat, cum suo Nestorio Christi deitatem abicit, cum Manichaeo mortem domini diffitetur, licet regressum eius non neget ad caelos. Ders., Contra sectam Saracenorum prol. 2, S. 30. Vgl. auch Petrus von Poitiers, Capitula libri quarti 5, ed. Glei, ebd. S. 238: Quod tota scriptura Mahumeti nihil aliud sit quam faeces horridae et reliquiae foetidae haeresum ante quingentos quam ipse nasceretur annos ab universali sacrosancta totius orbis ecclesia damnatarum atque sepultarum, maxime autem Manichaeorum et apocryphorum scriptorum praecipueque Talmud exsecrandi libri Iudaeorum. Quas scilicet Saraceni haereses, quia veraces historias et gesta ecclesiastica non legunt nec legere sciunt nec ipsa tempora nec ipsas haereses fuisse aliquando audierunt, et ideo istum Satanan quasi mira et nova dicentem animales et miseri susceperunt.
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zum wahren Glauben, sondern zur Falschheit seiner Häresie geführt.609 Mehr noch: Der Islam ist nicht nur eine schändliche (nefaria), sondern die erfolgreichste Häresie, erfolgreicher selbst als der weit verbreitete Arianismus, da sie zwei Erdteile, Asien und Afrika, fast ganz für sich bzw. für den Teufel gewonnen hat, und zwar durch kriegerische Eroberung, nicht durch Argumente, und nun den dritten, Europa, in Spanien bedroht.610 Häresie aber ist nicht nur Irrtum (error) – der Begriff kehrt ständig wieder – und Aberglaube (superstitio),611 ein sonst vor allem mit Heidentum in Verbindung gebrachter Begriff,612 sondern der Herrschaft des Teufels verschuldet.613 Andererseits trifft die Charakterisierung als Häresie nicht wirklich zu. Wenn der Apostel Johannes von Häresien sagt, sie seien aus uns hervorgegangen, sind aber nicht aus uns,614 so hat der Islam doch niemals zu uns gehört, also ist er auch nicht aus uns hervorgegangen, meint Petrus; folglich ist dieser duchweg als Irrtum charakterisierte Glaube keine Häresie, da jede Häresie zunächst aus der Kirche hervorgeht und dann gegen die Kirche angeht.615 609
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So Petrus Venerabilis, Summa 5, S. 6: Et quoniam prophetas dei magnos fuisse homines audierat, prophetam eius se esse dicens, ut aliquid boni simularet, ex parte illos ab idolatria, non tamen ad deum verum, sed ad suae quam parturire iam coeperat haeresis fallaciam traducere conabatur. Ders., Contra sectam Saracenorum prol. 10f., ebd. S. 44/46. Summa 16, S. 18/20, spricht Petrus sogar von fast der Hälfte der Welt, die der Teufel in die ewige Verdammung versenke. So Ders., Contra sectam Saracenorum 1,29, S. 66. Vgl. Kapitel 1, oben S. 159f. Vgl. Petrus Venerabilis, Summa 9, S. 10: diabolo imbuente, und häufig. Immer wieder wird der Islam in den Schriften auf das Wirken des Teufels zurückgeführt. Vgl. oben Anm. 200, 220, 251, 297, 359, 470, 588, 590, 607. 1. Joh 2,19 (ex nobis prodierunt, sed non erant ex nobis). Vgl. dazu Kapitel 4.5.a (Häresien), unten S. 625ff. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum prol. 12, S. 48: Sed forte dicet vel cogitabit quispiam: ‚Illis olim haeresibus respondit ecclesia, quae, ut Iohannes apostolus ait, „ex nobis exierunt, sed non erant ex nobis“. At error iste nec ex nobis exiit nec ex nobis fuit. Christianis enim de ecclesia, hoc est Chisti corpore, quolibet errore tractis vel recedentibus Patres suprascripti responderunt, alienos et extra ecclesiam vagantes errores silendo contempserunt. Quibus et hic error connumerari potest, qui nec ut dictum est de ecclesia exiit nec se de ecclesia exisse ut aliae haereses erroris, non haeresis nomine satis ostendit. Non enim haeresis dicitur, nisi exiens de ecclesia et agens contra ecclesiam.‘
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Tatsächlich machen die Gemeinsamkeit des Glaubens und die Abweichungen von der katholischen Lehre – als zweite Argumentationslinie – die Muslime letztlich auch bei Petrus (traditionell) zu Heiden (paganos aut ethnicos).616 Andererseits sind die Sarazenen wegen ihres Gottesglaubens aber auch keine wirklichen Heiden, und so folgert Petrus: „Doch ob man die Irrlehre Mohammeds Häresie und ihre Anhänger Häretiker oder aber Heiden nennen soll, kann ich nicht klar entscheiden. Ich sehe nämlich, daß sie einerseits nach Art der Häretiker vom christlichen Glauben einiges übernehmen, anderes verwerfen; andererseits tun und lehren sie Dinge nach Art der Heiden, die noch nie von irgendeiner Häresie berichtet worden sind.“617
Man sollte sie doch eher Heiden als Häretiker nennen, meint Petrus in der „Summa“, weil sie mehr Falsches als Wahres predigen und weder Taufe noch Opfer noch Buße oder ein anderes christliches Sakrament kennen, etwas, das nie ein anderer Häretiker gemacht hätte.618 Das wird in „Contra sectam Saracenorum“ wieder aufgegriffen.619 Entsprechend redet Petrus den Ismaelita als tu haereticus ut dixi aut ethnicus an.620 In jedem Fall aber sind sie zu bekämpfen. „Wähle also selbst,“ fordert Petrus den Leser auf, „was Dir lieber ist: Nenne sie entweder Häretiker wegen ihres häretischen Sinnes und weil sie teilweise mit der Kirche übereinstimmen, teils aber abweichen, oder nenne sie wegen ihrer hervorstechenden
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Ders., Summa 12, S. 14. Ders., Contra sectam Saracenorum prol. 13, S. 48: Sed utrum Mahumeticus error haeresis dici debeat et eius sectatores haeretici vel ethnici vocari, non satis discerno. Video enim eos hinc haereticorum more de fide Christiana quaedam suscipere, quaedam abicere, hinc ritu pagano, quod nulla umquam haeresis fecisse scribitur, facere pariter et docere. Vgl. Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz S. 120: „In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts herrschte also selbst bei einem Kenner des Korans noch keine Klarheit über den theologischen Standort der Muslime.“ Die Unentschiedenheit betont auch Haarländer, Petrus Venerabilis S. 77; zur Charakterisierung als Irrlehre ebd. S. 78. Petrus Venerabilis, Summa 12, S. 14: Hos licet haereticos nominem, quia aliqua nobiscum credunt, in pluribus a nobis dissentiunt, fortassis rectius paganos aut ethnicos, quod plus est, nominarem, quia, quamvis de domino vera aliqua dicant, plura tamen falsa praedicant nec baptismati, sacrificio, paenitentiae vel alicui Christiano sacramento, quod numquam ullus praeter hos haereticus fecit, communicant. Ders., Contra sectam Saracenorum prol. 14, S. 50: Haec quidem et similia cum haereticis sentiunt. Cum paganis autem baptisma abiciunt, sacrificium Christianum respuunt, paenitentiam cunctaque reliqua ecclesiae sacramenta derident. Ebd. 2,147, S. 216.
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Gottlosigkeit Heiden, mit der sie die Irrtümer aller Häresien in gottlosem Bekenntnis besiegen. Nennst Du sie Häretiker, so ist ihnen erwiesenermaßen über allen anderen Häretikern und Häresien entgegenzutreten. Nennst du sie Heiden, so beweise und zeige ich mit der Autorität der Väter, daß man sich ihnen nicht minder widersetzen muß.“621
Er selbst habe das, mehr ereifernd als erörtend, vorangestellt, damit der Leser es verstehen möge, und, wenn jemand gegen diese ganze Häresie anschreiben will und kann, er erkennen möge, mit welchem Feind er kämpfen werde.622 Petrus wirft den Sarazenen sogar wieder die Verehrung von Götzenbildern vor (allerdings ohne das näher zu begründen),623 schreibt jedoch an anderer Stelle: „Götzendiener seid Ihr zwar nicht, wie ich hörte, und ihr betet auch weder Holz noch Steine noch etwas Derartiges an. Ja und? so frage ich. Was soll’s? Was nützt es euch, daß ihr zwar nicht Geschöpfe statt des Schöpfers anbetet, wenn es euch nicht möglich ist, Gott so zu verehren, wie er es will und vorschreibt?“624
Und Petrus erinnert an die großen Gottesgerichte, wie die Sintflut, die immer dann eintraten, wenn man Gott nicht richtig verehrte. Auch die Sarazenen sollten daher ihren Irrtum einsehen und sich zu Gott bekehren: „Nicht allein die Heiden, von denen ich zuerst sprach, nicht allein die Juden, nicht allein die christlichen Häretiker, sondern auch ihr könnt euch geirrt haben, getäuscht worden sein und Finsternis für Licht, Falsches für wahr, einen Verführer für einen Propheten und, wie es die Juden am Ende der Welt machen werden, den Antichristen für Christus gehalten haben.“625
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Ebd. prol. 14, S. 50: Elige igitur quod malueris! Aut voca haereticos propter haereticum sensum et quo partim cum ecclesia sentiunt, partim dissentiunt, aut dic paganos propter excellentem impietatem, qua omnium haeresum errores professione impia vincunt. Si haereticos dixeris, probatum est supra omnibus haereticis vel haeresibus obviandum. Si paganos vocaveris, probo idque Patrum auctoritate ostendo non minus et illis resistendum. Ders., Summa 17, S. 20: Unde ego magis eligens contremiscere quam disputare ista breviter praenotavi, ut qui legerit intelligat, et si talis est, qui contra totam haeresim istam scribere et velit et possit, cum quali hoste pugnaturus sit agnoscat. Ders., Contra sectam Saracenorum 1,42, S. 86. Ebd. 2,90, S. 150/152: Idolatrae quidem ut audivi non estis nec ligna vel lapides aut huiusmodi talia adoratis. Sed quid? Quid inquam quid? Quid prodest vobis creaturam pro creatore non suscipere, si non datur deum ut se coli et vult et praecipit colere? Ebd. 2,93, S. 156: Ut sicut dicere coeperam cogitetis et recogitetis non solum illos quos praemisi paganos, non solum Iudaeos, non solum Christianos haereticos, sed etiam vos potuisse falli, potuisse decipi, potuisse tenebras pro luce, falsum pro vero, seductorem
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
In der „Summa“ hatte Petrus behauptet, Mohammed habe sich Prophet genannt, weil er vernommen hatte, daß Gottes Propheten große Menschen seien.626 Auf einer dritten Schiene sucht er im zweiten Buch von „Contra sectam Saracenorum“ daher nachzuweisen, daß Mohammed kein Prophet ist und die Sarazenen teuflischen Einflüsterungen erlegen sind.627 Dazu berichtet er zunächst von den wahren (biblischen) Propheten, die aus göttlicher Eingebung Vergangenes, Gegenwärtiges oder Künftiges offenbarten.628 Mohammed jedoch hat nichts geoffenbart, was nicht bereits bekannt gewesen wäre,629 und, wie er selbst zugibt, keinerlei Wunder vollbracht.630 Folglich ist er auch kein Prophet,631 auch wenn er selbst – auch das im Unterschied zu den wahren Propheten – sich ständig als den Propheten Gottes bezeichne,632 zumal auch sein Leben in keiner Weise ähnlich lobenswert wie das der wahren Propheten war.633 Außerdem könne es nach Christus keine „Universalpropheten“ mehr geben, deren Vorhersagen sich auf die ganze Menschheit beziehen, weil Christus bereits alles geoffenbart habe (der letzte dieser Propheten war Johannes der Täufer).634 Also, so lautet der letzte Satz, „ist Mohammed kein Prophet!“635 Damit ist das Beweisziel erreicht. Schließlich fragt Petrus, positiv gewendet, schon vorher, weshalb Mohammed, der Teile des Alten und des Neuen Testaments in den Koran aufnahm, diesen Lehren nicht ganz gefolgt sei.636 Denn damit habe er letztlich doch
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pro propheta, et, ut Iudaei circa mundi finem facturi sunt, Antichristum pro Christo suscipere. Ders., Summa 5, S. 6 (oben Anm. 609). Ders., Contra sectam Saracenorum 2,95f., S. 156/158. Ebd. 2,97–101, S. 158–164; ebd. 2,104–116, S. 166–182; ebd. 2,118, S. 184. Ebd. 2,102f., S. 164/166; ebd. 2, 117, S. 182/184; ebd. 2,119, S. 186. Prophezeiungen finden sich nicht im Koran, sondern in anderen Schriften, während Mohammed selbst nur dem Koran Autorität zugesteht (ebd. 2,120–122, S. 186/188). Ebd. 2,123f., S. 190. Ebd. 2,127, S. 192/194. Ebd. 2,128, S. 194. Ebd. 2,132. S. 200. Ebd. 2, 136f., S. 206; noch einmal ebd. 2,151f., S. 220–224. Ebd. 2,154, S. 224. Ebd. 1,55–57, S. 104–108. Im folgenden wendet sich Petrus ausführlich gegen den (möglichen) Einwand, die Bibel sei von den Menschen verfälscht und von Moham-
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zugegeben, daß das Christentum der wahre Glaube ist und daß die jüdischchristlichen Schriften von Gott selbst kommen; andernfalls hätte er überhaupt nichts davon übernehmen dürfen. Petrus hält damit für bewiesen, daß das christliche Gesetz das wahre, der Koran totam ex integro falsam vel dubiam ist.637 Die Anhänger Mohammeds haben, anders als Juden und Christen, kein Gesetz, das von Gott käme.638 Der Koran, der mit Irrtümern, Lügen und Gotteslästerungen besudelt ist, sei daher ganz zu verwerfen.639 Petrus Venerabilis widerlegt nicht die islamischen Glaubenslehren, sondern wendet sich – im Mißverständnis des Korans aufgrund der falschen Übersetzung – im ersten Buch zum einen in langen Kapiteln gegen dessen Verbot, über Gott nachzudenken, um damit ein „Streitgespräch“ überhaupt erst zu ermöglichen, das die Sarazenen seiner Meinung nach verweigern, indem sie statt dessen mit Waffen gegen andere vorgehen.640 Seine Schrift ist daher erst vor dem Hintergrund der „Renaissance“ des 12. Jahrhunderts verständlich, den Glauben mit Vernunftgründen erfassen zu wollen, auch wenn der Cluniazenserabt kein „Scholastiker“ im Wortsinn ist. Zum andern
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med auf die wahren Teile zurückgeführt worden. In den islamischen Schriften selbst gibt es dafür nicht einen einzigen Hinweis. Ebensowenig sei das jüdische Gesetz auf dem Weg aus der Babylonischen Gefangenschaft – in einer ironischen, wortspielerischen Seitenbemerkung auf den „Gesetzgeber“ – mit dem Esel, der es trug (ebd. 1,64, S. 116: asinum divinae legis latorem), verloren gegangen. (Petrus stützt sich dabei auf eine Randbemerkung des Arsenal-Manuskripts der Koranübersetzung.) So ebd. 1,75, S. 132. Das Folgende argumentiert ähnlich in bezug auf das Neue Testament, dessen echte Fassung laut islamischer Lehre in den Christenverfolgungen verloren gegangen sein soll (1,76–86, S. 132–146): Man kann nicht das Evangelium für falsch erklären, ohne zugleich den Koran für falsch zu erklären (ebd. 1,86, S. 144). Das Motiv wird später (ebd. 2,147f., S. 216/218) noch einmal aufgenommen: Wer aus anderen Büchern „stiehlt“, muß diese auch anerkennen (ein freilich ganz anders als heute begründeter Plagiatsvorwurf). Wenn der Koran Teile aus Schriften entnimmt, die er für falsch hält, ist er selbst falsch. Sind sie aber wahr, so sind sie ganz anzuerkennen. Ebd. 1,42, S. 86; ebd. 1,50, S. 98. Ebd. 2,125, S. 192: aufer falsa, aufer blasphema de libro tuo, immo quod sanioris consilii est, damna ut erroribus, ut mendaciis, ut blasphemiis respersum totum Alkoran tuum. So ebd. 1,43ff., S. 88ff. Wenn sie schon nicht streiten wollen, müssen sie wenigstens dem zuhören, was er aus Nächstenliebe zu sagen hat (ebd. 1,49, S. 96), und er fügt das Beispiel der Bekehrung der Angelsachsen an, die zum Christentum übergetreten seien, weil sie den Missionaren zugehört hätten (ebd. 1,51–54, S. 98–104).
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
sucht Petrus die islamische Glaubensgrundlage, den Koran, und damit auch den Gottesglauben der Muslime insgesamt als falsch, nämlich als nichtgöttlichen Ursprungs, und Mohammed als falschen Propheten zu erweisen641 und demgegenüber die von Gott offenbarten christlichen Schriften zu verteidigen, indem er dem Koran die christlichen Offenbarungen und Mohammed die christlichen Propheten entgegenhält.642 (Der weitaus größte Teil der Schrift beruft sich tatsächlich auf christliches Gedankengut.) Die ganze Schrift ist daher kein „Religionsdialog“,643 sondern ein Monolog und fügt sich letztlich in die Tradition Anselms von Canterbury und seiner Gottesbeweise mit Vernunftgründen ein, indem sie sich nun nicht allgemein an den „Narren“, sondern konkret an die Anhänger Mohammeds richtet. Wenn Du noch etwas vorbringen kannst, Dich zu rechtfertigen, so bring es vor, fordert Petrus am Ende den Sarazenen auf 644 (in der festen Überzeugung, ihn widerlegt zu haben). Eine Bekehrung aber kann auf diesem Wege kaum stattfinden. Entgegen seiner mehrfachen Beteuerung, vernünftig und ruhig argumentieren zu wollen, verunglimpft Petrus immer wieder den Religionsstifter Mohammed, der Arabs natione, aber von niedriger Herkunft (vilis) und 641
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Letzteres klingt ebd. 2,140, S. 210 an, wird im folgenden aber nicht weiter ausgeführt. Ebd. 2,146, S. 216, stellt Petrus noch einmal klar, daß die jüdischen Propheten auch muslimische seien. In der Überzeugung, daß die Muslime die hebräischen und christlichen Schriften als wahr anerkennen müssen, habe er ihnen die Propheten und Christus entgegengehalten (ebd. 2,150, S. 220). Seine Argumentation wird damit freilich zu einem Zirkelschluß: Sie kann sich nur durchsetzen, wenn man seinen Worten Glauben schenkt. So auch Haarländer, Petrus Venerabilis S. 78. Ebd. 2,153, S. 224: Dic si quid habes, ut iustificeris. […] Si quid magnum, si quid saltem vile vel modicum prophetico spiritu dictum vel scriptum ex Alkorano tuo totiens et usque ad taedium nominato proferre potes, profer, enarra! Mit dem letzten Satz (oben Anm. 635) hat Petrus sein Beweisziel erreicht. Wenn Glei in seinen Kommentaren immer wieder betont, daß die Schrift unfertig und unvollendet sei, so sprechen diese Passagen eher gegen eine solche Auffassung: Sie ist aus unserer Sicht gewiß unvollkommen, enthält aber wohl alle Argumente, die Petrus selbst vorbringen wollte. Zwar teilt sich die Inhaltsübersicht, um die der Abt Petrus von Poitiers gebeten hatte (ed. Glei S. 232–238), in vier Bücher, doch behandelt Petrus Venerabilis im zweiten Buch von „Contra sectam Saracenorum“ letztlich alle Argumente der Bücher 2–4 dieser Inhaltsübersicht. Für die Vollständigkeit der Schrift spricht sich auch Kritzeck, Peter the Venerable S. 155f., aus.
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ungebildet (ineruditus)645 sei und dessen Lehre und Leben verachtenswert seien (detestabilis).646 Mohammed sei ein Lügner (homo mendax),647 ein elender Mensch, ein Besessener (arrepticius) und Fallsüchtiger (cadens).648 Weil er sich mit dem Schwert nicht durchzusetzen vermochte, versuchte er sein Glück unter dem Schleier des Glaubens,649 wobei er sich der Hilfe des Teufels, des Nestorianermönchs Sergius und der Juden bediente.650 Er ist nicht der letzte und das Siegel aller Propheten, wie seine Anhänger glauben,651 sondern ein Betrüger, der sich nicht auf ein Streitgespräch einlassen wollte, weil er keine rationalen Argumente hatte.652 Es ist einer Verständigung gewiß nicht dienlich (und tatsächlich auch kaum intendiert, sondern Ausdruck des christlichen Selbstbewußtseins), wenn Petrus den Glauben Mohammeds beständig beleidigt, diesen selbst als stultum, crudele, insanum,653 als Verdammten und zu Verdammenden (o damnate atque damnande) 654 und sein Gesetz als lächerliche Sache (res ridiculosa) bezeichnet.655 Die Araber hingen hartnäckig ihrem Irrglauben an und verehrten, was sie ins Verderben führe.656 Noch stärker hatte Petrus von Poitiers es als Beweisziel einer Gegenschrift angesehen, „daß die ganze Schrift Mohammeds nichts anderes ist als ein häßlicher Bodensatz: die stinkenden Überreste von Häresien, die schon 500 Jahre vor seiner Geburt von der allgemeinen, heiligen Kirche auf der ganzen Welt verdammt und begraben worden sind“. Die Sarazenen, „diese elenden Tiere“, hätten sie aufgenommen, weil sie die wahren Ge-
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Alle diese Klassifizierungen bei Petrus Venerabilis, Summa 4, S. 6. Ebd. 3, S. 4. Ders., Contra sectam Saracenorum 2,123, S. 190. Ders., Summa 16, S. 18. Ebd. 5, S. 6. Ebd. 6f., S. 8. Die Berufung auf Sergius entstammt Petrus Alfonsi, der den Häretiker allerdings den Jakobitern und nicht den Nestorianern zurechnet. Ders., Contra sectam Saracenorum 1,28, S. 66. Ebd. 1,43, S. 88. Ebd. 1,88, S. 148, bezeichnet Petrus Mohammed als seductor et profanus. So ebd. 1,36, S. 80. Ebd. 2,130, S. 198. Ebd. 1,37, S. 80. Ebd. 2,152, S. 222: Sed quid errori tuo pertinacius militans et saluti tuae contrarius, quae salutis sunt refugis, quae perniciosa sequeris?
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
schichtsdarstellungen nicht lesen.657 Wenn Petrus’ Schrift tatsächlich ein rationaler Dialog mit einem intelligenten Partner sein wollte,658 dann macht seine Polemik, die den islamischen Glauben widerlegen möchte, ein solches Ziel wieder zunichte. Die Überzeugung des Abtes von Cluny von der alleinigen Richtigkeit des christlichen Glaubens, die daraus erwachsende, deutliche Polemik und sein Versuch der Bekehrung mit rationalen Argumenten spricht gegen die Ansicht, die Christen hätten aufgrund der islamischen Erfolge und der Ausbreitung dem Islam gegenüber ein Gefühl der Unterlegenheit entwickelt:659 Diese Erfolge werden von Petrus zwar angesprochen, aber kaum diskutiert. Petrus, so schreibt Christopher Taylor, hat zunächst den Islam verstehen wollen; danach hat er dieses Verständnis vor dem Hintergrund des Christentums bewertet und auf dieser Grundlage schließlich die Legitimität des Islam angezweifelt.660 Tatsächlich muß man diese Reihenfolge gerade umkehren: Ein „Verständnis“ bzw. (besser) ein Wissen über den Islam (dank der Übersetzungen) diente von vorherein dessen Widerlegung. Man wird Petrus daher auch kaum als friedfertigen Erforscher des Islam bezeichnen können, der den Islam habe verstehen wollen.661 Dank seiner Einordnung in 657 658
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Petrus von Poitiers, Capitula libri quarti 5, S. 238 (oben Anm. 608). So Matthias M. Tischler, Modes of Behaviour in Christian-Islamic Encounters in the Iberian Peninsula: Pseudo-Turpin versus Peter the Venerable, in: Lambert/ Nicholson (Hg.), Languages of Love and Hate S. 201–221, hier S. 217, der Petrus von der einseitigen Darlegung Pseudo-Turpins abhebt. Vgl. in diesem Sinn Blanks/Frassetto, Introduction, in: Blanks/Frassetto (Hg.), Western Views of Islam S. 3ff., zu einer entsprechenden These Richard William Southerns; Uta Bellmann, „Orientierungen“. Über die Entstehung europäischer Bilder vom Orient und von Arabien in der Antike. Einflussfaktoren und stereotype Fortführungen im Mittelalter (Islamkundliche Untersuchungen 295), Berlin 2009, S. 166f. (in einem Interviewbeitrag von Alexander Fidora). Christopher Taylor, Prester John, Christian Enclosure, and the Spatial Transmission of Islamic Alterity in the Twelfth-Century West, in: Frakes (Hg.), Contextualizing the Muslim Other S. 39–63, hier S. 54f.: „Peter and the Cluniacs, along with much of Latin Christendom, tried to understand the new faith by translating its holy book into Latin; they tried to map their understanding of Islam onto the structural plane of Catholicism; and then they tried to disavow the legitimacy of Islam by painting its tenets as diabolical perversions of Christianity onto which its belief system is grafted.“ Vgl. Kritzeck, Peter the Venerable S. 6f., mit Verweis auf den Forschungsstand. Zu seinen Absichten ebd. S. 24–36.
7. Bilanz: Das Islambild und die Islambildforschung
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die Tradition ist er ebensowenig „der Initiator der Islamstudien im Abendland“,662 wenngleich die Diskussion in den rein christlichen Gegenden mit ihm eine neue Dimension erreicht, weil er dank der Koranübersetzung Kenntnisse über den Islam erlangt hat, die sich über die stereotypen Vorstellungen der abendländischen Autoren herausheben, aber doch weder an solche der Christen etwa im islamischen Spanien selbst heranreichen (auf denen Petrus aufbaut) noch seine polemischen Töne abmildern: 663 Bei allem Bemühen um eine inhaltlich richtige Wiedergabe der Religion auf der Grundlage seiner Texte verfolgt Petrus doch zugleich strikt polemische Absichten.664 Mit dem bislang umfangreichsten Wissen des Abendlandes über den islamischen Glauben entfaltet Petrus vielmehr zugleich die schärfste Polemik. So stellen seine Schriften eine Mischung aus traditionellem, abendländischen Islambild und rationaler Argumentation weniger über (bestimmte) Glaubensinhalte als über den Glauben der Muslime an sich und die Stellung Mohammeds dar. Das Ganze ist vor allem von der Absicht geprägt, den Islam als Irrglauben zu erweisen. „If twelfth century Latin Europe ‚discovered‘ Islam,“ folgert John Tolan völlig richtig, und nicht zuletzt im Blick auf Petrus Venerabilis, „it viewed it through its own (rather thick) lenses.“ Die Schriften waren weder Dialog noch wenigstens ein informierter Monolog.665
7. Bilanz: Das Islambild und die Islambildforschung Hat die bisherige Forschung, mit Ausnahme der eher ethnographischen Perspektive Rotters und der insularen Betrachtung Becketts, bei der Frage nach dem Wissen vom Islam und seiner Bewertung das Interesse vor allem auf 662
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So Glei S. IX (Vorwort). Monnot, Citations coraniques S. 274, hatte seinerseits, ebenso überzogen, bereits Petrus Alfonsi zum „premier islamologue de l’Europe latine“ gemacht. Saßenscheidt, Konstruktion des Anderen, arbeitet die zunehmend polemische Argumentation in der „Summa“ heraus (die eben seine eigentlichen Absichten erkennen lassen). Die Polemik unterstreicht auch Haarländer, Petrus Venerabilis S. 81. Vgl. auch Walther, Experiencia magistra docet S. 64f., der eine Horizonterweiterung erst mit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ansetzt (ebd. S. 65ff.). So richtig Saßenscheidt, ebd. S. 238, zur „Summa“. Gleiches gilt aber auch für „Contra sectam Saracenorum“. So Tolan, Saracens S. 167.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
die besser informierten Schriften im orientalischen und spanisch-mozarabischen Bereich gerichtet (und hier wichtige Erkenntnisse zutage gefördert), so vermag der vergleichende Blick auf das „normale“ abendländische Islambild eine solche Sichtweise und ihre Ergebnisse durchaus zu relativieren. Ein „Wissen“ über die andere Religion beruht hier zunächst nicht nur weit mehr auf der überkommenen Überlieferung als auf eigener Anschauung,666 sondern es hält sich zudem (scheinbar) in engen Grenzen. Sieht man von der umfänglichen Auseinandersetzung bei Petrus Venerabilis ab, die an mozarabische und orientalische Traditionen anknüpfen und dank einer lateinischen Übersetzung – im Abendland erstmals – auf die Kenntnis des Korans zurückgreifen kann, so ist das abendländische Islambild nach allgemeiner Meinung zusammenfassend bis dahin im allgemeinen durch Unkenntnis und Desinteresse geprägt. Für den Islam als Religion mag das im großen und ganzen auch zutreffen: Ein Wissen um den Islam bleibt zwar begrenzt. Treffender ausgedrückt, ist es tatsächlich durchweg vorhanden, tritt jedoch nur dort stärker hervor, wo es der Zusammenhang verlangt, wo es nämlich zu Berührungen, diplomatischer ebenso wie kriegerischer Art, kommt (und ist schon deshalb in den Kontaktzonen im islamischen Spanien und im Nahen Orient größer). Mangelnde Kenntnisnahme bedeutet daher nicht zwangsläufig auch mangelndes Wissen. Zweifellos liegen die Muslime (und erst recht die Religion des Islam) den abendländischen Chronisten und Theologen „fern“, die vor dem 12. Jahrhundert kein (und auch danach nur in Ausnahmefällen ein) wirkliches Interesse an den Glaubensinhalten des Islam entwickeln. Es kann daher wenig überraschen, wenn der Islam nicht in seiner ganzen religiösen Tiefe ausgelotet und eingehend bewertet wird, wie Andreas Mohr im Hinblick auf die karolingische Historiographie richtig konstatiert.667 Zumindest einige Chronisten interessieren sich aber doch auch für die Anfänge und die Ausbreitung des Islams bis hin nach Spanien. Man wird das frühe Mittelalter im Hinblick auf ein Wissen über die Sarazenen daher nicht eigentlich als ein „Age of Ignorance“, wie Southern sein
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Vgl. Beckett, Anglo-Saxon Perceptions S. 229: „To summarise: surviving evidence suggests that most Anglo-Saxon perceptions of Arabs, Ismaelites and the more contemporary Saracens were formed in a Christian literary matrix, since most people had no chance to witness Islam for themselves or hear a first-hand report – and even a pilgrim to Jerusalem such as Arculf or Willibald had been informed to some extent by the Christian literary corpus before arriving in Saracen territory.“ Mohr, Wissen über die Anderen S. 120.
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erstes Kapitel über diese Epoche überschreibt,668 oder, wie bei Sénac, als „Schweigen“ bezeichnen können.669 Das vielfach beschworene Desinteresse abendländischer Schreiber an den Sarazenen betrifft zunächst weit eher die andere Religion als das Volk und die Geschichte der Sarazenen, die, von ethnographischen und etymologischen Nachrichten abgesehen – und fast die gesamte Terminologie der Muslime versteht sich biblisch-genealogisch –, immer wieder in das Blickfeld rücken. Entscheidend für die Einstellungen und Bewertungen ist offenbar die Art der Beziehungen und Kontakte, die ihrerseits keineswegs durchweg feindlich sind. Die Sarazenenherrschaft in fernen Ländern (und selbst in der Christusstadt Jerusalem) stört im Abendland vor den Kreuzzügen anscheinend niemanden wirklich. Entsprechend gibt es, ganz anders als im gleichen Zeitraum gegenüber den Normannen im Norden und den Slawen im Osten Europas, offenbar keine organisierten Missionsabsichten gegenüber den Sarazenen.670 In den Kontaktzonen geht es vielmehr um eine Selbstvergewisserung der Christen durch religiöse Abgrenzung, und die entsprechenden Schriften und Äußerungen richten sich in erster Linie an die Christen (wie schon die ausschließliche Abfassung in lateinischer Sprache zeigt). Sollte Petrus Venerabilis später tatsächlich entsprechende Absichten verfolgt haben, die Muslime zu bekehren, dann hätte schon seine Polemik jeglichen Erfolg vereitelt. Christliche Mission, so scheint es, wird nur dort bedeutsam, wo sie sich entweder mit politischer Unterwerfung verbindet und/oder es ein Zusammenleben verschiedener Religionen gibt. In den islamischen Gebieten ist man gegenüber dem Islam freilich in der Defensive und folglich kaum zur Ausbreitung des Glaubens fähig. Selbst in den Kreuzfahrerstaaten vermißt man aber entsprechende Initiativen größeren Ausmaßes, während man im Abendland selbst und aus dem Abendland heraus letztlich wenig Neigungen zur Mission oder auch zur Konfrontation bemerkt, solange die Sarazenen nicht ihrerseits an-
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Southern, Western Views of Islam S. 1–33. Sénac, L’Occident médiéval S. 13ff. Vgl. dagegen Kedar, Crusade and Mission S. 35. Vgl. auch Kedar, Crusade and Mission, Kapitel 1 (S. 3–41): „The Early Centuries: The Muslims beyond the Bounds of European Mission and Polemics“. Selbst die Kreuzzüge änderten daran zunächst nichts: Mission war nicht das Ziel der frühen Kreuzfahrer, sondern kommt erst in den späteren Berichten auf (vgl. ebd. S. 57ff.). Noch in den Kreuzfahrerstaaten werden Konversionen nach Kedar nicht zu einem Massenphänomen (ebd. S. 82). Erst im späten Mittelalter trifft man danach auf Missionsbestrebungen, vor allem seitens der Bettelorden. Vgl. oben Anm. 5.
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greifen. Erst im Rückblick des 12. Jahrhunderts (Rolandslied) werden schon Karl dem Großen bei seinem Spanienzug entsprechende Absichten unterstellt. Auch wenn dem mittelalterlichen Christen eine Anerkennung der anderen Religion kaum denkbar ist, werden Möglichkeiten eines Nebeneinanders der Religionen, jedenfalls in verschiedenen Räumen, von der frühmittelalterlichen Denkweise her, trotz des christlichen Universalanspruchs und trotz der Kritik des Johannes von Gorze an den mozarabischen Christen, anscheinend durchaus anerkannt. Zahlreiche Indizien eines friedlichen Umgangs miteinander sind auch im Abendland erkennbar (sowohl in den abendländisch-islamischen Beziehungen als auch im Zusammenleben von Christen und Muslimen in den Grenzzonen). Ebensowenig hat die (tatsächlich nur selten thematisierte, aber durchaus bewußte) Religionsdifferenz gute politische Kontakte und diplomatische Beziehungen behindert: So wenig wie man mit der älteren Forschung von „monolithischen Blöcken“ eines islamischen und eines christlichen Spanien oder einer „polarisierenden Scheidung“ einer muslimischen und einer mozarabisch-christlichen Kultur im islamischen Spanien ausgehen darf 671 – und das um so mehr, als es, wie Klaus Herbers kürzlich eindrücklich aufgezeigt hat, auch im islamischen Spanien tatsächlich vielfältige Formen des Zusammenlebens gegeben hat –,672 so wenig ist auch das Verhältnis der abendländischen Christen zum Islam durchweg von Spannungen und Antagonismen geprägt. Das relativiert eine ausschließliche Prädominanz des religiösen Aspektes. Dabei werden die Sarazenen besonders im frühen Mittelalter vor allem als ein (fremdes) Volk neben anderen wahrgenommen,673 das von einem König 671
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Vgl. Matthias Maser, Die Mozaraber – ein undefinierbares Phänomen? in: Maser/ Herbers (Hg.), Die Mozaraber S. 11–35, hier S. 11. Ähnlich prägnant äußerte sich Maser in seinen „Einführenden Überlegungen“ zu der Erlanger Tagung „Von Mozarabern zu Mozarabismen? Zur Vielfalt von kulturellen Ordnungen auf der Iberischen Halbinsel im Mittelalter (17.–19. Februar 2011) (im Druck). Klaus Herbers, Miteinander – nebeneinander – gegeneinander. Die vielen Facetten des Zusammenlebens im spanischen Mittelalter, in: Sonja Glauch/Susanne Köbele/ Uta Störmer-Caysa (Hg.), Projektion – Reflexion – Ferne. Räumliche Vorstellungen und Denkfiguren im Mittelalter, Berlin-Boston 2011, S. 239–261; Ders., Christen, Juden und Muslime. Kontakte und Abgrenzungen während des hohen Mittelalters auf der Iberischen Halbinsel, in: Tischler/Fidora (Hg.), Christlicher Norden – Muslimischer Süden S. 37–54. Vgl. ähnlich Tolan, Saracens S. 75.
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regiert wird und gegen das man sich verteidigen muß, mit dem man aber auch paktieren und diplomatische Beziehungen unterhalten kann. Dadurch haftet dem Sarazenenbild des Abendlandes durchaus eine ethnisch-politische, eine kulturelle und eine religiöse „Fremdheit“ in Form einer Abgrenzung von der eigenen, christlichen Gesellschaft an, wie sie sich auch in frühen Pilgerberichten niederschlägt: Wenn Pilger in das Heilige Land oder Gesandte an den Kalifenhof reisen, empfindet man sich gegenseitig als „fremd“ (wie in Hugeburgs Willibaldvita, im Bericht über die Gesandtschaft des Johannes von Gorze oder in den Berichten der Pilgerfahrt von 1065). Ansonsten erscheinen die Sarazenen zumeist nicht „fremder“ (oder „fremdartiger“) als andere fremde Völker auch, noch sind sie anscheinend so „unvertraut“, daß man den Lesern hätte erklären müssen, um wen es sich eigentlich handelt. Eine ansonsten oft nahezu vorurteilsfreie Berichterstattung, wie sich sich später im 13. Jahrhundert in der Historia Arabum des Rodrigo Jiménez de Rada findet,674 und eine politische Anerkennung kennzeichnet vielfach bereits das frühe Mittelalter. Behindert wird eine solche Einstellung nur dort, wo die Sarazenen, zunehmend im 9. und 10. Jahrhundert in Südeuropa, als Eindringlinge empfunden werden. Selbst dann erscheint eine „Fremdherrschaft“, wie der Bericht der Annales Fuldenses über die Einladung Ludwigs des Deutschen nach Aquitanien gezeigt hat, aber immer noch vorstellbar, wenngleich nicht gerade erstrebenswert. Möglicherweise erklärt eine solche Einstellung erst die insgesamt anscheinend recht schnelle und problemlose islamische Eroberung Spaniens im frühen 8. Jahrhundert, doch fehlen uns für diesen Zeitraum entsprechende, zeitgenössiche Quellen. Die Religionsdifferenz ist den Autoren dabei durchweg bewußt, wird in den Berichten aber oft zurückgedrängt oder „vergessen“ und nur im Bedarfsfall „aktiviert“ und kann dann von der nahezu teilnahmslosen Feststellung bis zur Diffamierung reichen. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Glauben der anderen findet im christlichen Abendland des frühen Mittelalters hingegen kaum statt. Wenn man dem frühmittelalterlichen Abendland daher (nicht ganz zu Unrecht) ein minimales Interesse, einen nicht allzu weit reichenden Erfahrungshorizont und nur spärliche Reminiszenen
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Vgl. dazu Maser, Rodrigo Jiménez de Rada, der herausstellt, wie unpolemisch diese Chronik berichtet, ohne daß sich daraus bereits eine Art Toleranz gegenüber dem anderen Glauben ableiten läßt.
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zugeschrieben hat,675 dann mißt das letztlich an dem, was man hätte wissen können (und was eben nur bei entsprechenden Anlässen aktiviert wird). Doch selbst im Hinblick auf ein religiöses Wissen um den Islam als Glaubensrichtung oder um die Darstellung seines Gründers Mohammed zeigen sich immer wieder nähere Kenntnisse, auch wenn das insgesamt auf einzelne Autoren (wie Paschasius Radbertus) beschränkte Einzelfälle sein mögen, die im hohen Mittelalter (seit Petrus Alfonsi) sichtbar zunehmen. Das bringt wieder ausführlichere Darstellungen hervor, die nicht erst gegen Ende des 11. und im 12. Jahrhundert, im Chronicon Wirziburgense, bei Frutolf von Michelsberg oder Sigebert von Gembloux, in der „Vorkreuzzugsstimmung“ entstanden sind,676 beruhen diese Quellen doch ganz auf Landulfus Sagax aus dem 10. und dieser seinerseits auf der Theophanes-Übersetzung des Anastasius Bibliothecarius aus dem 9. Jahrhundert. Wo die Sarazenen hingegen als Angreifer, Plünderer und Eroberer in christliche Gegenden (Aquitanien und Süditalien) übergreifen und somit zu einer Gefahr für die Christen werden, werden sie durchgängig von den Christen abgegrenzt und abschätzig als „niederträchtig“, „treulos“ oder „barbarisch“ oder auch nur als „kriegerisch“ abgewertet. Im Zuge solcher Auseinandersetzungen werden die Sarazenen nicht nur zu Feinden der Christen, werden nicht nur ihre Greueltaten an den Christen scharf gebrandmarkt, sondern sie werden auch als Andersgläubige wahrgenommen und als „Heiden“ und, wie bei Papst Leo IV.677 und wieder bei Ekkehard von St. Gallen, als „Teufelssöhne“ von den unter Gottes Schutz stehenden Christen abgegrenzt. Kriege wurden zwar nicht eigens als „Glaubenskriege“ geführt und sie dienen auch nicht in erster Linie der Hilfe für die Christen unter islamischer Herrschaft,678 doch werden die Auseinandersetzungen in 675 676 677
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So Rotter, Mohammed in Bamberg S. 343. So ebd. S. 343f. Liber pontificalis 105: Vita Leonis IV. 47, S. 117: Denique post nefandam et lucubrem omnique plena miseria Saracenorum depraedatione, quam in primo ecclesiarum omnium capite, sancta scilicet Romana ecclesia, ortatu diabolico peregerunt, voluerunt iterum ipsi Satane filii similia in Romanos fines et ecclesia beatissimi apostoli Petri ut olim dampna inferre. Zum Wandel der päpstlichen Haltung gegenüber den Sarazenen nach dem Angriff auf Rom von 846 (vgl. oben S. 281) vgl. Gantner, New Visions of Community. Leo bezeichnete den Kampf gegen Ungläubige danach als heilsträchtig (ebd. S. 417ff.). Darauf verweist Drews, Hilfe für die Glaubensbrüder, der zu Recht betont, daß noch in den Kreuzzügen andere Motivationen wichtiger waren. Im Vordergrund standen „raumbezogene Argumente“ (Befreiung der heiligen Stätten).
7. Bilanz: Das Islambild und die Islambildforschung
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solcher Gegenüberstellung zumindest gelegentlich doch als Kriege für und um den Glauben wahrgenommen. Dennoch zeichnet auch das 10. Jahrhundert nicht einfach ein düsteres Bild von den Muslimen, wie Philippe Sénac meint,679 denn auch jetzt werden durchweg ihre Taten, wird nicht ihre Religion an sich verurteilt. Eine „Sarazenenfeindlichkeit“ läßt sich somit vielfach im konkreten Einzelfall nachweisen, ohne jedoch generell vorzuherrschen. Auch bei näherer Kenntnis, so David Nirenberg, ist das christlich-mittelalterliche Islambild durchgängig vom 7. bis zum 15. Jahrhundert vor allem durch zwei Charakteristika geprägt: das Bild des Islam als einer falschen und als einer fleischlichen Religion, die Gewalt und Sexualität verherrlicht.680 So richtig diese Ansicht zweifellos ist – wobei der erste Faktor in der christlichen Wahrnehmung sicherlich bedeutend wichtiger erscheint als der zweite, der auf Autoren mit intimeren Kenntnissen der Religion beschränkt ist –, und so stereotyp das Islambild des abendländischen Mittelalters auch erscheinen mag, ist es insgesamt tatsächlich doch weit vielfältiger und differenzierter, und es ist vor allem, wie vorhin betont, auch nicht ausschließlich religiös geprägt. Selbst wo der Islam polemisch (und menschlich) diffamiert wird, wie im Mohammedbild, treten immer neue Elemente oder zumindest Stilisierungen hinzu, überrascht die jeweils individuelle, eigenständige Ausgestaltung, die ihren „Höhepunkt“ mit der skurrilen Darstellung bei Embricho sogar mitten im Abendland selbst erreicht. Es gibt, wie auch Nikolas Jaspert feststellt, keine einheitliche Wahrnehmung der Muslime. Neben einer verbreiteten Ignoranz stehen Spuren zutreffenden Wissens, Angst, Hass und Neugierde.681 Differenzierte Wahrnehmungsformen oder ein besseres Wissen sind grundsätzlich überall anzutreffen, finden sich nicht zufällig aber gerade dort, wo die Religionen aufeinandertrafen: nicht in Grenzräumen, sondern in Kontaktzonen.682 Ein Wissen über den Islam als Religion scheint aber auch in islamfernen Gegenden immer wieder durch und intensiviert sich im hohen Mittelalter zumindest bei einigen Autoren. Dabei greift man auf das
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Sénac, L’Occident médiéval S. 42ff. Vgl. ebd. S. 51: Der Islam sei „(u)ne hérésie coupable de violence et d’intolérance, l’expression du mal, le mal lui-même, Satan“. David Nirenberg, Christendom and Islam, in: Miri Rubin/Walter Simons (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 4: Christianity in Western Europe c. 1100–c. 1500, Cambridge 2009, S. 149–169, hier S. 151. So Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 333. So ebd. S. 339.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Tradierte zurück, um es zugleich den jeweils eigenen Vorstellungen und Absichten anzupassen. Die jeweils spezifische Zusammenstellung des Wissens bzw. der Rückgriff darauf ist eher eine Frage des einzelnen Autors als einer geradlinigen Entwicklung.683 Eine klare Abfolge der Beziehungen zum Islam von der eschatologischen Deutung über die Polemik zur „Entdeckung“684 läßt sich nicht bestätigen; die verschiedenen Deutungen durchdringen einander. Auch dort, wo ein größeres Wissen vorhanden ist oder wo in den Kreuzfahrerstaaten neue Kontaktzonen entstehen, ändert das wenig an der Einstellung gegenüber Sarazenen, und es vermindert keineswegs die Polemik.685 Im Gegenteil: In Spanien kennt man, wie John Tolan kürzlich (mit Blick auf Petrus Alfonsi) noch einmal hervorgehoben hat, die religiösen Schriften der anderen, wie den Koran), um sie mit eigenen Waffen zu schlagen.686 Iberische Quellen zeigen trotz besserer Kenntnis die gleiche (oder sogar eine noch größere) antiislamische Tendenz.687 Polemische Tendenzen durchziehen nicht nur die gesamte, hier behandelte Epoche, sondern sie treten gerade dort besonders hervor, wo man sich näher mit dem Islam als Religion befaßt, wie nicht zuletzt das Beispiel des Petrus Venerabilis zeigt (das in dieser Hinsicht aber keinen Sonderfall darstellt). Einsicht in den Glauben läßt sich, wie Nikolas Jaspert zu Recht betont, daher weder als multikulturell noch als tolerant kennzeichnen; vielmehr werden typische Feindbilder weitertradiert,688 herrscht gerade hier eine scharfe Polemik vor. In diesem Sinn mag es bezeichnend sein, wenn Sénac im hohen Mittelalter einerseits eine Vermenschlichung im Bild der vorher als wilde Tiere charakterisierten Sarazenen in der romanischen Kunst,689 andererseits aber eine zunehmende Polemik erkennen will.690 Tatsächlich stehen beide Positionen im ganzen Mittelalter nebeneinander und werden je nach Bedarf angewandt. 683
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Vgl. auch Tischler, Discovering Islam S. 160: „medieval writing on Islam was by no means a project of ever-growing knowledge about it.“ So ebd. S. 159. Das betont bereits Daniel, Islam and the West S. 45. Vgl. John V. Tolan, „Ipsius gladio occidere“. The use and abuse of Scripture in Iberian religious polemics, in: Tischler/Fidora (Hg.), Christlicher Norden – Muslimischer Süden S. 201–213. So Jaspert, Wahrnehmung der Muslime S. 335ff. So ebd. S. 339f. Sénac, L’Occident médiéval S. 73. Ebd. S. 99.
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Auch der – durchaus ebenfalls wahrgenommene – Monotheismus macht die Muslime den Christen keineswegs vertrauter. Das mag sich zum einen daraus erklären, daß sie einem fremden Kulturkreis entstammen (wie Heiden manchmal auch nach ihrer Bekehrung „Barbaren“ bleiben). Zum andern und vor allem aber macht man auch in religiöser Hinsicht kaum Unterschiede, betrachtet die Muslime ebenfalls als Heiden und stellt sie anderen heidnischen Völkern (wie Normannen oder Ungarn) gleich. So wenig die christlichen Autoren zwischen den einzelnen heidnischen Religionen differenzieren, so wenig machen sie in bezug auf die Heilsgewißheit, aber auch auf die Heilslehre, einen grundlegenden Unterschied zu den anderen monotheistischen Religionen. Eine religiöse Zuordnung der Sarazenen ist daher alles andere als eindeutig. Dabei lassen sich, wie Rainer Christoph Schwinges feststellt, grundsätzlich drei „Typen der Wahrnehmung“ unterscheiden: die erste betrachtet den Islam als eine Christentum und Judentum verwandte Religion – hier sollte man allerdings noch einmal zwischen diesen beiden Richtungen differenzieren: der (selten festgestellten) Verwandtschaft mit dem Christentum und der weit häufigeren Nähe zum Judentum –; die zweite wertet ihn als Häresie, die dritte deutet ihn als Heidentum.691 Im Hinblick auf die Häufigkeit dieser „drei Typen“ müßte man die Reihenfolge umkehren; der erste Typus kommt quasi nicht vor. Haben Beobachter wie Johannes von Damaskus schon früh den Eingottglauben der Muslime und die Ähnlichkeiten mit der christlichen Religion erkannt und sie daher als Häresie betrachtet – und eine solche Einschätzung findet sich auch im mozarabischen Spanien wieder, wird im Abendland aber erst im 11./12. Jahrhundert vereinzelt aufgegriffen –, so bleiben die Sarazenen, oft für dieselben Autoren, dennoch, und bis hin zu Petrus Venerabilis, gleichzeitig oder ausschließlich Heiden. Diese durchgängige Charakterisierung dominiert das frühmittelalterliche Abendland und herrscht hier weiterhin auch im hohen Mittelalter vor. Daran haben, wie mir scheint, folglich auch die frühen Kreuzzüge nichts geändert, die nach der islamischen Eroberung Spaniens im 8. Jahrhundert nun erstmals wieder neue abendländisch-christliche Kontaktzonen zu islamischen Gebieten geschaffen haben. Die dadurch zweifellos vermehrten Möglichkeiten, sich mehr Wissen über den Islam anzueignen, haben kaum, jedenfalls nicht schlagartig, zu einem Wandel der Einstellungen geführt. Gerade die (frühen) Kreuzzugchroniken wissen zwar zwischen verschiede-
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Schwinges, Wahrnehmung des Anderen S. 109f.
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nen ethnischen Gruppen zu unterscheiden, betrachten die Muslime aber durchweg als Heiden und betonen den religiösen Gegensatz. In diesen erneuten, kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen jetzt die Christen die Angreifer sind, verstärkt sich trotz der engeren Berührungen, vor allem in den Kreuzfahrerstaaten, der schon vorher vorhandene Vorwurf der Idolatrie sogar noch, verschärfen sich aber auch die feindlichen Einstellungen gegenüber den Sarazenen. Wenn man Wilhelm von Tyrus und seiner Geschichte des Königreichs Jerusalem in dieser Hinsicht eine größere Toleranz zugestanden hat,692 so bildet er auch in der Kreuzzugs- und Kreuzfahrerstaatenhistoriographie doch eher die Ausnahme als die „Regel“ chronikalischer Islambilder.693 Auch Wilhelm hält jedoch am absoluten Wahrheitsanspruch des Christentums fest und betrachtet den Islam als „Antitypus zum Christentum“.694 Auch wenn er die Muslime nicht als Heiden bezeichnet, so sind sie für ihn doch gleichermaßen Ungläubige,695 ein Begriff, der alle anderen Religionen, darunter nicht zuletzt aber gerade die Heiden kennzeichnet. Ähnliches gilt, wie wir sehen konnten, für den Abt Petrus Venerabilis von Cluny, der das bessere Wissen über den Koran und andere islamische Schriften strikt zur polemischen Widerlegung dieser Religion einsetzt. Das christ692
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Vgl. Christoph Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz, der gegenüber den frühen Positionen in der Ostkirche (S. 69ff.) und in Byzanz (S. 79ff.) im Laufe der Kreuzzugsbewegung einen Wandel von einem negativen zum positiven Islambild feststellen möchte (ebd. S. 105). Zur Position Wilhelms ebd. S. 105ff. Wilhelm bezeichnet die Muslime, mit Ausnahme zweier inserierter Briefe, ansonsten kein einziges Mal als pagani (ebd. S. 121), sondern als Ungläubige. Er betrachtet Mohammed nicht als Götzen und auch nicht als Antichrist, wohl aber Pseudopropheten (ebd. S. 123f.). Wilhelm, so Schwinges (ebd. S. 132 und zusammenfassend S. 282), verwirft die Dogmatik des Islam, erkennt darin aber doch eine verwandte Religion und überwindet damit den religiösen Abstand. Zu Wilhelm von Tyrus als Geschichtsschreiber vgl. Peter W. Edbury/John Gordon Rowe, William of Tyre. Historian of the Latin East (Cambridge studies in medieval life and thought, Fourth Ser. 8), Cambridge u.a. 1988. Daß auch Fulcher von Chartres als insgesamt „sarazenenfreundlicher“ eingestuft werden kann, betont Epp, Fulcher von Chartres S. 43. So Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz S. 116ff. So ebd. S. 126f. Kritisch zu Schwinges’ Toleranzthese: Thomas Rödig, Zur politischen Ideenwelt Wilhelms von Tyrus (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 429), Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1990, S. 68–86.
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liche Selbstverständnis läßt keine andere Einstellung gegenüber anderen Religionen zu, auch wenn man mit Ekkehart Rotter feststellen könnte: „Dass das Urteil über den Islam letztlich negativ ausfiel, lag nicht notwendigerweise an einer obsessiven Islamophobie oder unchristlichen Infamie der Betrachter. Es war vielmehr ihrer zeitbedingt strengen, nicht relativierenden Differenzierung zwischen Freund und Feind, Gläubigem und Ungläubigem geschuldet, und es lag am Objekt der Betrachtung selbst, dem Islam, den sie als antichristlich interpretierten und dessen Anhänger sie als feindselig und gefährlich erlebten.“ 696
Wenn zumindest einige Autoren ein differenzierteres Sarazenenbild entwickeln, so geben auch sie jedoch ihre abgrenzenden Reserven nicht auf, auch dort, wo man im Islam Anknüpfungen an das Christentum feststellt (aber wegen ihrer Nichtchristlichkeit ablehnt) oder, mehr noch, die Parallelen zum Judentum betont oder/und den Islam in die Nähe christlicher Häresien rückt (aber, wie Petrus Venerabilis, doch nicht wirklich als Häresie „anerkennt“). Die große Mehrzahl der Autoren, bis hin zu Petrus selbst, sieht den Islam dem Heidentum jedenfalls weit näher als den anderen monotheistischen Religionen. Deshalb scheint es mir nur bedingt, oder in der langfristigen Perspektive, richtig zu sein, wenn John Tolan schreibt: „This caricature of Saracen paganism was untenable for those with even a rudimentary familiarity with Islam, many of whom portrayed Islam as a Christian heresy“, und diese Entwicklung im Norden erfüllt sieht, als die Christen in engeren Kontakt mit dem Islam gerieten.697 Die Kontakte waren längst vorher da, ohne daß das zwangsläufig zu einer Abgrenzung oder zu einem Feindbild hätte führen müssen, das sich erst in den Auseinandersetzungen entwickelt, während im Abendland umgekehrt ein Heidenbild vom frühen Mittelalter bis weit in die Kreuzfahrerzeit hinein dominiert. Die Kontakte provozieren vielmehr eine innerchristliche Selbstvergewisserung, wie Christofer Zwanzig im Hinblick auf die Märtyrerbewegung von Córdoba im 9. Jahrhundert feststellt.698 Ob man das abendländische Islambild (im Sinn von Edward Saids „Orientalismus-These“) als Ausdruck eines durchgängigen Gegensatzes zwischen Orient und Okzident und einer durchgängigen Herabschätzung des
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Rotter, Mohammed in der Stadt S. 224. So Tolan, Saracens S. 277. Zwanzig, Kontakt zwischen Christen und Muslimen S. 40.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
Orients im westlichen Orientbild699 oder ob man das Verhältnis zum Islam auf dieser Grundlage gar als ein (durchgängiges) „clash of civilizations“ (Samuel Huntington) begreifen oder aber wie Yousefi und Braun aus diesem langfristigen, abschätzigen Islambild gerade umgekehrt ein Plädoyer auf interkulturelle Toleranz ableiten will:700 es handelt sich dabei stets um politische, nicht um wissenschaftliche Folgerungen. Eine geschichtswissenschaftliche Analyse der mittelalterlichen Wahrnehmung des Islam kann sich von den heutigen Verhältnissen inspirieren,701 sollte sich davon aber nicht wertend beeinflussen lassen. Geschichtswissenschaftlich ist die zeitgemäße Aufarbeitung des Islambildes vielmehr Voraussetzung reflektierter, moderner Folgerungen und Einschätzungen. Vor dem Hintergrund eines christlichen (wie auch eines muslimischen) Absolutheitsanspruchs im Hinblick auf die Religion ist eine Anerkennung des Islam als Religion und eine religiöse Verständigung im frühen und hohen Mittelalter kaum denkbar.702 Die Politik berührt das allerdings nur in Zeiten harter Auseinandersetzungen. Schon deshalb kann es keinen durchgängig abwertenden „Orientalismus“ geben, wohl aber stereotype Vorurteile und Abwertungen dort, wo es um die andere Religion geht. Hier ist das Islambild des früheren Mittelalters durchweg polemisch, wenngleich nur in Teilen, wie in einigen Zügen des Mohammedbildes oder auch bei Petrus Venerabilis, fanatisch verzerrt; es bleibt eher
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Edward W. Said, Orientalism, London-Henley 1978. Für das frühere Mittelalter wird die „Orientalismus-Theorie“ weitgehend zurückgewiesen; vgl. ausführlich mit berechtigter, moderater Kritik Beckett, Anglo-Saxon Perceptions S. 231–243; Tolan, Saracens S. 280ff. Eine gründliche Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Forschungen über das Verhältnis und die gegenseitige Wahrnehmung von Christen, Juden und Muslimen bietet Lassner, Jews, Christians, and the Abode of Islam S. 1–128. Hamid Reza Yousefi/Ina Braun, Interkulturelles Denken oder Achse des Bösen. Das Islambild im christlichen Abendland (Bausteine zur Mensching-Forschung. N.F. 8), Nordhausen 2005, plädieren gegen ein über lange Zeiten kultur- und religionsgeschichtlich entstandenes, von Vorurteilen geprägtes Islambild, das für das Mittelalter (ebd. S. 97–104) allerdings zwangsläufig sehr verkürzt und rein rezeptiv ausfällt. Zum heutigen theologischen Verhältnis des Christentums zum Islam vgl. Gerhard Gäde, Islam in christlicher Perspektive. Den muslimischen Glauben verstehen, Paderborn-München-Wien-Zürich 2009. Vgl. Hotz, Mohammed S. 92: „Eine Anerkennung Mohammeds als Propheten und des Islam als eigenständige Religion war den Autoren angesichts ihres christlichen Weltbildes nicht möglich.“
7. Bilanz: Das Islambild und die Islambildforschung
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ambivalent.703 Wie differenziert das früh- und hochmittelalterliche Islambild insgesamt gesehen werden muß,704 sollte jedenfalls ebenso deutlich geworden sein wie die Notwendigkeit, auch solche Quellen in die Betrachtung einzubeziehen, die dem Islam vordergründig wenig Beachtung zu schenken scheinen. Ob die umgekehrte Richtung, die islamische Wahrnehmung des Christentums, eher Ähnlichkeiten als Unterschiede birgt, wäre noch näher zu untersuchen. Soweit ich sehe, liegen dazu bisher nur kurze Überblicke vor.705 Das
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Vgl. Flori, La caricature de l’Islam S. 246: „on a souvent signalé l’ignorance qui régnait alors en Occident à propos de tout ce qui lui était extérieur […]. Cette indifférence n’est toutefois pas suffisante pour expliquer la création d’une image aussi radicalement fausse et aussi précise, et il faut admettre qu’elle a été volontairement créée et diffusée à des fins de propagande idéologique.“ Flori, ebd. S. 254f., unterscheidet eine ganze Palette unterschiedlicher (und unterschiedlich vorhandener) Islambilder: „ignorance“ („Mais on ne peut guère lui attribuer davantage“), „indifférence envers l’islam réél“ (vor allem in der Epik), déformation malveillante („C’est le cas de plusieurs traditions relatives à la ‚lubricité‘ du prophète“; nicht „déformation“, sondern „totale invention“), „répulsion instinctive“ („Elle n’est pas niable!“), „explication psychanalytique“ („n’est pas non plus totalement exclue“), „déculpabilisation“ („pourrait aussi avoir joué dans un autre domaine, celui de la violence“) und noch weitere Positionen. Vgl. etwa Peter Thorau, „Die fremden Franken“ – al-farang˘ al-g˙ ulaba¯’. Kreuzfahrer und Kreuzzüge aus arabischer Sicht, in: Alfried Wieczorek/Mamoun Fansa/ Harald Meller (Hg.), Saladin und die Kreuzfahrer. Begleitband zur Sonderausstellung „Saladin und die Kreuzfahrer“ im Landesmuseum für Vorgeschiche Halle/Saale (Publikation der Reiss-Engehorn-Museen 17 = Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch, Oldenburg, 37), Mainz 2005, S. 115–125; zu Spanien vgl. vor allem Maser, Islamische Welt, dem es vor allem aber um die ethnographischen Beobachtungen hinter der „literarischen Repräsentation“ geht und der hier interessante Vergleiche zieht (zusammenfassend S. 26ff.). Dabei war das ethnographisch-historische Interesse an dem Anderen auf islamischer Seit stärker als auf christlicher. Zur „topischen“ religiösen Wahrnehmung ebd. S. 11ff. Allerdings scheint mir Maser für mittelalterliche Verhältnisse hier zu strikt zwischen religiöser Topik und ethnographischer Beobachtung zu trennen. Sätze wie „Eine Beschäftigung mit der fremden Kultur hatte daher allenfalls geschichtsphilosophischen Wert“ (ebd. S. 27) unterschätzen die Bedeutung theologischer Geschichtsdeutung für das christliche Weltbild. Zu den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen christlicher und islamischer Wahrnehmung treffend ebd. S. 9ff. Barkai, Cristianos y musulmanes, Kapitel I/2 (S. 59–104) und III/2 (S. 254–282), bearbeitet auch arabisch-sprachige Chroniken.
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Kapitel 2: Die Wahrnehmung des Islam
kann hier, schon aus mangelnder Kompetenz, nicht geleistet werden. Einzelne Studien heben aber immerhin vergleichbare Einstellungen hervor. So stellt Aleya Khattab in ihrer Untersuchung über das Bild der „Franken“ in der arabischen Literatur fest: „Doch der christliche Gegner wurde nicht in erster Linie als religiöser Gegner angesehen, sondern vor allem als politischer Feind, der laufend Verstärkung aus dem fernen Europa bekam.“ 706 Kreuzritter werden nach eigenen Werten beurteilt. Die islamische Polemik gegenüber dem Christentum dürfte tatsächlich kaum weniger scharf ausgefallen sein als die christliche Polemik gegenüber dem Islam.707 Ein differenziertes Wissen der islamischen Historiographie um die Christianisierung des Abendlandes hat jetzt Daniel König herausgearbeitet.708 Dabei ergeben sich 706
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Aleya Khattab, Das Bild der Franken in der arabischen Literatur des Mittelalters. Ein Beitrag zum Dialog über die Kreuzzüge (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 505), Göppingen 1989, S. 19. Zur Wahrnehmung der Christen im islamischen Spanien vgl. Alessandro Vanoli, Immagini dell’‚altro‘ nelle fonti arabo-spagnole tra i secoli X et XI, in: Marco Meschini (Hg.), Mediterraneo medievale. Cristiani, musulmani ed eretici tra Europa e Oltremare (secoli IX–XIII), Mailand 2001, S. 29–50. Vgl. David Thomas (Hg.), Anti-Christian Polemic in Early Islam. Abu¯ ‘I¯ sa¯ al-Warra¯q’s „Against the Trinity“ (University of Cambridge Oriental Publications 45), Cambridge-New York-Port Chester-Melbourne-Sydney 1992, S. 3ff. Schon an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert gab es umfassende Widerlegungen des Christentums (ebd. S. 31–50). Wie rational man dabei vorgehen konnte, zeigt dieser von Thomas edierte und ins Englische übersetzte Traktat „Gegen die Trinität“ Abu¯ ‘I¯ sa¯s aus dem 9. Jahrhundert, der in dieser Form allerdings auch eine Ausnahme darstellt. Hier widerlegt der Autor auf philosophischem Weg die Vorstellungen der christlichen „Sekten“ von der göttlichen Substanz und deren Folgerungen auf die Gottessohnschaft Christi mit logischen Argumenten. Daniel König, The Christianisation of Latin Europe as Seen by Medieval ArabIslamic Historiographers, in: The Medieval History Journal 12, 2009, S. 431–472, in Auseinandersetzung mit Bernard Lewis, The Muslim Discovery of Europe, New York 2001. Zum islamischen Wissen über das Ostfränkisch-deutsche Reich und das Papsttum vgl. Ders., Ausstrahlung – transkulturelle Datenmigration – Dokumentation. Arabisch-islamische Gelehrte und die Herausforderungen der Dokumentation Lateineuropas am Beispiel des Papsttums und des ostfränkisch-deutschen Reiches (7.–15. Jahrhundert), in: Michael Borgolte/Matthias M. Tischler (Hg.), Transkulturelle Verflechtungen im mittelalterlichen Jahrtausend. Europa, Ostasien, Afrika, Darmstadt 2012, S. 207–240. Zur Wahrnehmung der eigenen und der anderen Religion (Juden) im islamischen Spanien vgl. auch Ross Brann, Power in the Portrayal. Representations of Jews and Muslims in Eleventh- and Twelfth-Century Islamic Spain (Jews, Christians, and Muslims from the Ancient to the Modern World), Princeton-Oxford 2002.
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interessante Berührungspunkte: Auf beiden Seiten scheint man den Prozeß der Ausbreitung kaum als Ganzes wahrgenommen zu haben, während in der frühislamischen Historiographie das Interesse am Christentum als Religion anscheinend größer war als das Interesse der Christen am Islam. Europa wurde in islamischer Sicht zwar als eine Vielzahl von Völkern und Reichen wahrgenommen, die aber aus dem Imperium Romanum erwachsen und christlich waren.709 Bis zu einem interreligiösen Vergleich der gegenseitigen Wahrnehmung bleibt allerdings noch viel zu tun.
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Vgl. Daniel König, Arabic-Islamic Historiographers on the Emergence of LatinChristian Europe, in: Pohl/Ganter/Payne (Hg.), Visions of Community S. 427–445.
Kapitel 3
Die Wahrnehmung der Juden
1. Einleitung: Probleme, Perspektiven, Forschungsstand Anders als mit dem Islam, der, abgesehen von Angriffen und Grenzkämpfen, andere Gegenden beherrschte als das abendländische Christentum (obwohl die meisten Regionen bereits vorher christlich gewesen waren und hier auch weiterhin Christen lebten), gab es mit den in der Diaspora im Abendland lebenden Juden ständig intensive Berührungen. Die Juden bildeten hier eine zwar kleine, mancherorts jedoch keineswegs einflußlose, religiöse Minderheit, die mit ihren Tätigkeiten bald zu einem wichtigen oder sogar notwendigen Bestandteil der christlichen Gesellschaft, aber auch als Gefahr angesehen und immer wieder angefeindet wurde,1 sei es wegen ihres Einflusses, etwa am Hof, sei es wegen der vielfach sichtbaren religiösen Differenzen, sei es wegen der immer wieder bezeugten Bekehrungen von Christen zum Judentum (Proselyten).2 „Judentum und Christentum waren und blieben Konfrontationskulturen im genauen Sinne des Wortes.“3 Im jüngsten
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Zur Bedeutung der Juden im frühen Mittelalter ebenso wie zu den Spannungen vgl. Kenneth R. Stow, Alienated Minority: The Jews of Medieval Latin Europe, Cambridge, Mass.-London 1992, S. 41–64. Vgl. Wolfgang Giese, In Iudaismum lapsus est. Jüdische Proselytenmacherei im frühen und hohen Mittelalter (600–1300), in: Historisches Jahrbuch 88, 1968, S. 407– 418. Den gegenseitigen Missionsaspekt betont vor allem Bernhard Blumenkranz, Juifs et chrétiens dans le monde occidental 430–1096 (École Pratique des Hautes Études. Sixième Section: Sciences économiques et sociales. Études juives 2), ParisDen Haag 1960, S. 65–211. So Amos Funkenstein, Juden, Christen und Muslime. Religiöse Polemik im Mittelalter, in: Wolfgang Beck (Hg.), Die Juden in der europäischen Geschichte, München 1992, S. 33–49, hier S. 33, der betont, daß der Vielzahl der Schriften christlichjüdischer Polemik nur wenige islamisch-jüdischer Polemik gegenüberstehen. Funken-
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Überblick spricht Anna-Sapir Abulafia von einer „uneasy position of Jews in the early centuries of the Common Era“.4 Vor diesem Hintergrund des theologischen Verhältnisses von Juden und Christen einerseits und der sozialen Situation der Juden im Abendland andererseits ist auch das christliche Judenbild zu betrachten und zu bewerten, das sowohl religiös wie sozial geprägt ist und in der Mischung von Verbundenheit und Abgrenzung von vornherein als ambivalent zu gelten hat. Die Zusammenhänge und Verbindungslinien dieser beiden Traditionen sind bisher jedoch noch wenig gründlich untersucht. Judentum und Christentum sind durchaus verwandte Religionen. Mit der Berufung auf das Alte Testament verehrt das Christentum nicht nur denselben Gott und folgt zumindest teilweise nicht nur derselben religiösen Richtschnur, sondern es sieht sich unmittelbar aus dem Judentum und dessen Prophezeiung des Messias hervorgegangen, die sich in Christus erfüllt hat. Das Judentum ist dem Christentum von seiner Herkunft und Tradition her also erheblich enger verbunden als Heidentum und Islam. Daher ist, anders als gegenüber den Muslimen, von vornherein nicht zu erwarten, daß auch Juden als Heiden betrachtet, sondern, wie schon im Alten Testament, von diesen abgegrenzt werden. Da die Juden Christus jedoch ebenfalls nicht als Gottes Sohn erkennen und anerkennen, haben sich die Wege seither getrennt, ist das Judentum in den Augen der Christen nicht mehr die wahre Religion (und Ähnliches gilt im übrigen für die christlichen Häresien), sondern eine der Vergangenheit angehörende Stufe des Gottesvolkes, das nun in den Christen repräsentiert wird. Diese Sichtweise mußte aber gerechtfertigt werden und provozierte, wie bei den anderen Religionen, Abgrenzungen. Dank griechischer und römischer Einflüsse hatte sich die christliche Liturgie zudem so weit vom jüdischen Usus entfernt, daß hier vieles als fremd empfunden werden mußte, während die Juden strikt an den alten, alttestamentlichen Bräuchen festhielten. Das Bewußtsein der gemeinsamen, religiösen Wurzeln trat daher hinter eine – distanzierte bis feindliche – Abgrenzung zurück. Diese Ambivalenz wirkte auf das Verhältnis von Juden und Christen zurück. Wie in jüngerer Zeit immer häufiger betont wird, war das frühere Mittelalter vielleicht eine Zeit durchgängiger latenter Judenfeind-
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stein, ebd. S. 34, betrachtet diese Konfrontation eher als eine historische denn als eine dogmatische. Anna-Sapir Abulafia, Christian-Jewish Relations, 1000–1300: Jews in the Service of Medieval Christendom (The Medieval World), Harlow 2011, S. 30.
1. Einleitung: Probleme, Perspektiven, Forschungsstand
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schaft, die gelegentlich auch offen zum Ausdruck kam, sich vor dem ersten Kreuzzug allerdings nur selten zu größeren Exzessen oder gar Pogromen auswuchs. Eine Untersuchung des Judenbildes hat solche Hintergründe nicht nur zu berücksichtigen, sondern muß das Ganze in den Blick nehmen und alle Aspekte beachten. Der Forschungsstand zum mittelalterlichen Judentum im Abendland darf insgesamt als sehr gut und umfassend angesehen werden. Aus nachvollziehbaren, zeitgeschichtlich bedingten Gründen hat sich die überaus reichhaltige Forschung, abgesehen von dem hier ausgeklammerten Aspekt der inneren Verhältnisse im Judentum selbst,5 neben breiten Gesamtüberblicken6 und zahlreichen Sammelbänden7 vor allem der sozialen und rechtlichen Stellung der Juden als religiöser Minderheit in der christlichen Gesellschaft,8 der
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Zur jüdischen Kultur vgl. Stow, Alienated Minority, besonders S. 65–88; zur jüdischen Identitätsfindung im Mittelalter vgl. Robert Chazan, Fashioning Jewish Identity in Medieval Western Christendom, Cambridge 2004. Vgl. Haim Hillel Ben-Sasson, Geschichte des jüdischen Volkes. Vom 7. bis 17. Jahrhundert. Das Mittelalter, 2 Bde., München 1998 (31995; 5., um ein Nachwort erweiterte Auflage 2007); kompakt Friedrich Battenberg, Das europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas. Bd. 1: Von den Anfängen bis 1650, Darmstadt 1990 (22000); Michael Toch, Die Juden im mittelalterlichen Reich (EDG 44), München 22003; Johannes Heil, Juden, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Handbuch der Religionsgeschichte im deutschsprachigen Raum. Bd. 1: Altertum und Frühmittelalter, Paderborn-München-Wien-Zürich 2011, S. 285–304. Vgl. Jeremy Cohen (Hg.), Essential Papers on Judaism and Christianity in Conflict. From Late Antiquity to the Reformation, New York-London 1991; Helmut Birkhan (Hg.), Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt. Protokoll einer Ring-Vorlesung gehalten im Sommersemester 1989 an der Universität Wien (Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie 33), Bern-Berlin-Frankfurt/M.-New YorkParis-Wien 1992; Diana Wood (Hg.), Christianity and Judaism. Papers read at the 1991 summer meeting and the 1992 winter meeting of the Ecclesiastical History Society, Oxford 1992; Michael A. Signer/John Van Engen (Hg.), Jews and Christians in Twelfth-Century Europe (Notre Dame Conferences in Medieval Studies 10), Notre Dame, Indiana 2001; Christoph Cluse (Hg.), Europas Juden im Mittelalter. Beiträge des internationalen Symposiums in Speyer vom 20. bis 25. Oktober 2002, Trier 2004. Vgl. Blumenkranz, Juifs et chrétiens; zum rechtlichen Hintergrund ebd. S. 291–371; Stow, Alienated Minority; zur Situation in England seit dem 12. Jahrhundert: Patricia Skinner (Hg.), The Jews in Medieval Britain. Historical, Literary and Archaeological Perspectives, Woodbridge-Rochester 2003.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Judenpolitik9 und dem Verhältnis von Juden und Christen10 und hier wiederum nicht zuletzt den Spannungen zwischen beiden Gemeinschaften11 zugewandt, die in den Pogromen der Kreuzzüge12 und des späten Mittelal-
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Vgl. Bernard S. Bachrach, Early Medieval Jewish Policy in Western Europe, Minneapolis 1977. Vgl. Jacob Katz, Exclusiveness and Tolerance: Studies in Jewish-Gentile Relations in Medieval and Modern Times, Oxford 1961, dessen jüdische Perspektive bereits im Titel in der Abgrenzung jüdisch – nicht-jüdisch („gentile“) deutlich wird und der „Christian and Jewish communities“ als „two distinct societies“ betrachtet (ebd. S. 11); zu verschiedenen Formen des Zusammenlebens (Apostaten, Märtyrer, Spirituale, Disputanten) ebd. S. 67ff.; Karl Heinrich Rengstorf/Siegfried von Kortzfleisch (Hg.), Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen und Juden. Darstellung und Quellen, Bd. 1, Stuttgart 1968 (dtv 4478, München 1988); Christof Geisel, Die Juden im Frankenreich. Von den Merowingern bis zum Tode Ludwigs des Frommen (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte. Studien und Texte 10), Frankfurt/M. 1998; David Malkiel, Jewish-Christian relations in Europe, 840–1096, in: JMH 29, 2003, S. 55–83; Bat-Sheva Albert, Christians and Jews, in: Thomas F. X. Noble/Julia M. H. Smith (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 3: Early Medieval Christianities, c. 600–c.1100, Cambridge 2008, S. 159–177; Ora Limor, Christians and Jews, in: Miri Rubin/Walter Simons (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 4: Christianity in Western Europe c. 1100–c. 1500, Cambridge 2009, S. 135–148; Abulafia, Christian-Jewish Relations; Robert Chazan, Reassessing Jewish Life in Medieval Europe, Cambridge 2010. Den jüngsten Überblick über das hohe Mittelalter gibt Abulafia, Christian-Jewish Relations (mit Rückblicken auf Augustin und das römische Recht, Gregor den Großen und das Kirchenrecht, nicht aber auf die Situation im frühen Mittelalter). Zeitlich übergreifend: Martin H. Jung, Christen und Juden. Die Geschichte ihrer Beziehungen, Darmstadt 2008; zu frühen christlichem Sichtweisen des Judentums ebd. S. 37–41, zum Mittelalter ebd. S. 69–98, zur antichristlichen Polemik der Juden ebd. S. 94–98. Vgl. Anna Sapir Abulafia (Hg.), Religious Violence between Christians and Jews. Medieval Roots, Modern Perspectives, Basingstoke-New York 2002, sowie die in Anm. 7 genannten Aufsatzsammlungen von Cohen und Wood. Vgl. Jung, Christen und Juden S. 32–37, zu den Kontinuitäten (Heilige Schrift, Gotteshäuser, Gottesdienste, Alltagskontakte, Theologie). Zur Situation der Juden während des Ersten Kreuzzugs (allerdings nicht zum Judenbild) ausführlich: Robert Chazan, European Jewry and the First Crusade, BerkeleyLos Angeles-London 1987, sowie Alfred Haverkamp (Hg.), Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge (Vorträge und Forschungen 47), Sigmaringen 1999. Ferner: Jonathan Riley-Smith, Christian Violence and the Crusades, in: Abulafia (Hg.), Religious Violence S. 3–20; Robert Chazan, The Anti-Jewish Violence of 1096:
1. Einleitung: Probleme, Perspektiven, Forschungsstand
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ters gipfelten.13 Einen interessanten Vergleich der Stellung der Juden im christlichen Abendland und im Islam bietet Mark Cohen.14 Jüngst wird zudem zunehmend gefragt, wieweit das Zusammenleben nicht nur zu einem Wissen über die andere Religion, sondern darüber hinaus zu gegenseitigen Beeinflussungen geführt hat, finden nicht nur die literarischen und kulturellen Berührungen zwischen Juden und Christen,15 sondern auch der Kulturtransfer16 und die wechselseitige Wahrnehmung Beachtung.17 Juden waren stets auch Vermittler geistigen Gedankenguts,18 dürften als Minderheit insgesamt aber sicher mehr von der christlichen Mehrheit übernommen haben als umgekehrt.
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Perpetrators and Dynamics, ebd. S. 21–43; Signer/van Engen (Hg.), Jews and Christians; Klaus Herbers, „Gott will es!“ Christlicher „Fundamentalismus“ im europäischen Mittelalter?, in: Helmut Neuhaus (Hg.), Fundamentalismus. Erscheinungsformen in Vergangenheit und Gegenwart. Atzelsberger Gespräche 2004 (Erlanger Forschungen Reihe A. Geisteswissenschaften 108), Erlangen 2005, S. 9–40. Vgl. dazu etwa Frantisˇ ek Graus, Pest – Geißler – Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit (Veröffentlichungen des MPI für Geschichte 86), Göttingen 1987. Mark R. Cohen, Under Crescent and Cross. The Jews in the Middle Ages, Princeton, N.J. 1994 (gekürzte deutsche Ausgabe ohne Anmerkungen: Unter Kreuz und Halbmond. Die Juden im Mittelalter, München 2005). Cohen geht der interessanten Frage nach, weshalb die Stellung der Juden im christlichen Abendland so viel schlechter war als im Islam. Zur interreligiösen Polemik ebd. S. 139–161. Vgl. dazu den Überblick von Rainer Berndt, Die Beziehungen zwischen Juden und Christen im Mittelalter. Theologische Deutungen einiger Aspekte, in: Theologie und Philosophie 68, 1993, S. 530–552; Gilbert Dahan, Les intellectuels Chrétiens et les Juifs au Moyen Âge, Paris 1990. Israel Yuval, Zwei Völker in deinem Leib. Gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur 4), Göttingen 2007 (engl. Univ. of California 2006); Martin Przybilski, Kulturtransfer zwischen Juden und Christen in der deutschen Literatur des Mittelalters (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 61 [295]), Berlin-New York 2010. Vgl. Ivan G. Marcus, Jews and Christians Imagining the Other in Medieval Europe, in: Prooftexts 15/3, 1995, S. 209–226. Vgl. dazu etwa Kurt Smolak, Die Juden als Mittler I: Petrus Alfonsi als Vermittler zwischen Judentum und Christentum und Übermittler orientalisch-arabischer Weisheit, in: Birkhan (Hg.), Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt S. 79–95; Heinrich Simon, Die Juden als Mittler II: Arabische, jüdische und europäische Wissenschaft, in: ebd. S. 97–107.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
In solchen Arbeiten wird das Judenbild zwangsläufig immer wieder gestreift, es steht erstaunlicherweise bislang jedoch selten im Mittelpunkt des Interesses. Regelrechte Studien dazu finden sich im wesentlichen vielmehr im Rahmen der genannten Themen und konzentrieren sich daher vor allem auf die Aspekte der Judenfeindschaft, des Antisemitismus oder Antijudaismus.19 Die hier fokussierte Wahrnehmung der Juden im frühen und hohen Mittelalter ist in diesem Rahmen ausführlicher vor allem in zweierlei Hinsicht im Blick der Forschung gewesen: zum einen im Hinblick auf die aus einer „Judenfeindschaft“ resultierende, christliche Polemik gegen die jüdische Religion,20 zum andern in der Analyse der sogenannten Religionsge19
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Über die Brauchbarkeit dieser Begriffe wird man endlos weiter streiten können. Vgl. dazu Robert Chazan, Medieval Stereotypes and Modern Antisemitism, BerkeleyLos Angeles-London 1997, S. 125ff., der „Antisemitismus“ auf die Moderne beschränkt, aber auch „Antijudaismus“ ganz vermeidet und von „antijüdischer Polemik“ spricht. Funkenstein, Juden, Christen und Muslime S. 40, betont, daß der moderne Antisemitismus (der Juden per se bekämpft, auch wenn sie gar nicht mehr als solche erkennbar sind) mit dem mittelalterlichen Antijudaismus, der den Kampf mit der Bekehrung als beendet ansah, wenig gemein hat. Das Problem diskutiert auch Irven M. Resnick, Marks of Distinction. Christian Perceptions of Jews in the High Middle Ages, Washington D.C. 2012, S. 1–12. Resnick will gegen verbreitete Überzeugungen zeigen, daß ein Antisemitismus im Sinne eines nicht vorwiegend religiös geprägten „sense of Jewish difference“ (so ebd. S. 12) bereits im Mittelalter vorhanden war. Vgl. den breiten Überblick von Heinz Schreckenberg, Die christlichen AdversusJudaeos-Texte und ihr literarisches und historisches Umfeld (1.–11. Jh.) (Europäische Hochschulschriften. Reihe 23: Theologie 172), 4. überarb. u. erg. Aufl. Frankfurt/M. u.a. 1999 (11982) (zitiert als Schreckenberg I), und Ders., Die christlichen Adversus Judaeos-Texte (11.–13. Jh.). Mit einer Ikonographie des Judenthemas bis zum 4. Laterankonzil (Europäische Hochschulschriften, Reihe 23: Theologie 335), 2., veränd. Aufl., Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1991 (zitiert als Schreckenberg II), der den Inhalt aller einschlägigen Texte wiedergibt, allerdings auch eher katalogartig und positivistisch zusammenstellt. Ferner: Blumenkranz, Juifs et chrétiens S. 75–84 und S. 213–289, dem es vor allem um die Inhalte und Methoden der Polemik geht; Ders., Patristik und Frühmittelalter. A. Die Entwicklung im Westen zwischen 200 und 1200, in: Rengstorf/Von Kortzfleisch (Hg.), Kirche und Synagoge, S. 84–135, mit vielen Textbeispielen (abgedr. in: Ders., Juifs et Chrétiens. Patristique et Moyen Âge [Variorum Collected Studies 70], London 1977, Nr. XXIII); Valerie I.J. Flint, Anti-Jewish Literature and Attitudes in the Twelfth Century, in: Journal of Jewish Studies 37, 1986, S. 39–57 und 183–205 (abgedr. in: Dies., Ideas in the Medieval West: Texts and their Contexts [Collected Studies Series 268], London 1988, Nr. XIV); Jung, Christen und Juden S. 37–41, zu den frühen christlichen Sicht-
1. Einleitung: Probleme, Perspektiven, Forschungsstand
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spräche. Antijüdische Äußerungen gehen vereinzelt bereits auf das Neue Testament zurück.21 Paulus bezeichnet die Juden als Feinde, die Christus und die Propheten getötet hätten (1. Thess 2,14/16), die Apostelgeschichte (2,8f.) spricht gar von einer Synagoge des Teufels. Die bei den Kirchenvätern erkennbare Polemik22 – auch für Augustinus sind die Juden Feinde der Christen – setzte sich im Mittelalter fort, vor allem im Rahmen der sogenannten Adversus Iudaeos-Traktate, die in die Spätantike zurückreichen und das ganze Mittelalter durchziehen.23 Die zweite Untersuchungsebene, die „Religionsgespräche“ zwischen Juden und Christen,24 sind in aller Regel keine
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weisen des Judentums; zum Mittelalter ebd. S. 69–98; Gavin I. Langmuir, The Faith of Christians and Hostility to Jews, in: Wood (Hg.), Christianity and Judaism S. 77– 92; zu den Forschungstendenzen Toch, Juden im mittelalterlichen deutschen Reich S. 126–132. Ausführlich Gilbert Dahan, La polémique Chrétienne contre le Judaïsme au moyen âge, Paris 1991 (engl. The Christian Polemic against the Jews in the Middle Ages, Notre Dame, Indiana 1998), der einen gerafften Überblick über den historischen Hintergrund (S. 3–18), die Polemik (S. 19–40), die wichtigsten Werke (S. 41– 80), die Art der Polemik (Strategie, Autorität, Vernunft) (S. 81–105) und die Thesen (Verus Israel, Bibelauslegung, Messias) (S. 105–116) gibt. Vgl. Schreckenberg I S. 82–154. Vgl. Blumenkranz, Patristik und Frühmittelalter; Schreckenberg I, S. 227–378. Zur Tradition vgl. Rosemary Radford Ruether, The Adversus Judaeos Tradition in the Church Fathers: The Exegesis of Christian Anti-Judaism, in: Cohen (Hg.), Essential papers S. 174–189; zu den Traktaten Ora Limor/Guy G. Stroumsa (Hg.), Contra Iudaeos. Ancient and Medieval Polemics between Christians and Jews Text and Studies in Medieval and Early Modern Judaism 10, Tübingen 1996. Zu Tertullian vgl. Geoffrey D. Dunn, Tertullian’s Adversus Iudaeos. A Rhetorical Analysis (Patristic Monograph Series 19), Washington D.C. 2008, dem es allerdings um die Form und Argumentation der Schrift und nicht um die Inhalte des Judenbildes geht; zu Prudentius vgl. Raúl González Salinero, Infelix Judaea. La polémica antijudía en el pensamiento histórico-politico de Prudencio (Escuela Española de Historia y Arqueologia en Roma. Series Histórica), Madrid 2010. Zu Augustin und seinen Vorläufern: Bernhard Blumenkranz, Die Judenpredigt Augustins. Ein Beitrag zur Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen in den ersten Jahrhunderten, Basel 1946, ND. Paris 1973; Alban Massie, Peuple prophétique et nation témoin. Le peuple juif dans le Contra Faustum manichaeum de saint Augustin (Collection des Études Augustiniennes. Série Antiquité 191), Paris 2011, mit einem ausführlichen Überblick über Augustins Judenbild vor „Contra Faustum“, ebd. S. 189–295. Insgesamt zu polemischen Äußerungen bei den Kirchenvätern vgl. Schreckenberg I, S. 333–339. Vgl. dazu Blumenkranz, Juifs et chrétiens S. 68–75; Marianne Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung im Zeitalter der Frühscholastik (Abhandlungen zum christ-
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Dialoge auf gleicher Ebene, sondern – zumeist fingierte – Widerlegungen jüdischer Ansichten und gliedern sich damit letztlich in die polemische Literatur ein und suchen den anderen (falschen) Glauben auf einer rationalen Ebene mit logischen Argumenten (und Autoritäten) zu widerlegen. Diese und weitere Arbeiten, die noch an Ort und Stelle zu erwähnen sind, bieten insgesamt bereits wichtige Informationen zum abendländisch-mittelalterlichen Judenbild, während ein hinreichender Gesamtüberblick über diesen Themenbereich ein Desiderat bleibt. Selbst die jüngste, vom Titel her scheinbar einschlägige Studie über „Christian Perceptions of Jews in the High Middle Ages“ von Irven Resnick25 geht detailliert nur einigen Aspekten nach und zeigt sich letztlich weniger an der christlichen Wahrnehmung, dem Judenbild, als vielmehr an den „markers of religious distinction“ interessiert.26 Daß antijüdische Äußerungen im Mittelalter gängig sind,27 ist nicht zu bestreiten, auch wenn sie bis zu den Pogromen des Ersten Kreuzzugs ein koexistentes Zusammenleben nicht verhindert haben28 und, trotz vereinzel-
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lich-jüdischen Dialog 8), München 1980; Anna Sapir Abulafia, Christians and Jews in Dispute. Disputational Literature and the Rise of Anti-Judaism in the West, c. 1000–1150 (Variorum Collected Studies Series 621), Aldershot-Brookfield-Singapur-Sydney 1998; Dies., Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance, London-New York 1995; Michael Borgolte, Christen und Juden im Disput. Mittelalterliche Religionsgespräche im „spatial turn“, in: HZ 286, 2008, S. 359–402. Resnick, Marks of Distinction. So ebd. S. 166f. Resnick bespricht Beschneidung, Lepravorschriften, Speisegebote, Melancholie und Physiognomie als wichtige Unterscheidungsmerkmale und zieht dazu – ohne chronologische Ordnung – Belege aus allen Jahrhunderten des Mittelalters heran, konzentriert sich vor allem aber auf das 13. Jahrhundert. Dabei geht es ihm nicht nur um die christliche Wahrnehmung, sondern auch um die – meist gesundheitlich bedingten – Funktionen der jüdischen Gebote. Allerdings erscheint mir die in dieser Studie durchweg betonte Bindung an die Sexualität übertrieben. Die christlichen Autoren betonen mit solchen Vergleichen weit eher fleischliche Auslegung, Unreinheit und Unglauben. Zur Forschung vgl. Toch, Juden im mittelalterlichen deutschen Reich S. 126–132. Nach Toch, ebd. S. 128 haben sich „(d)ie wesentlichen Entwicklungen in der christlichen Polemik, ablesbar an der rasch wachsenden Zahl von Streitschriften, […] nur ausnahmsweise auf deutschem Boden zugetragen“. Das gilt auch für die Religionsgespräche, jedoch nicht für andere Schriftgattungen (ebd. S. 129). Die soziale und kulturelle Integration der Juden im hohen Mittelalter betont auch Jonathan Elukin, Living Together, Living Apart. Rethinking Jewish-Christian Relations in the Middle Ages (Jews, Christians, and Muslims from the Ancient to the
1. Einleitung: Probleme, Perspektiven, Forschungsstand
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ter Vorfälle, die Pogrome des Ersten Kreuzzugs eher unerwartet einsetzten.29 Ein einseitiger Blick auf Judenfeindschaft und Polemik, deren Bedeutung gewiß nicht zu unterschätzen ist, dürfte die Perspektive und die Ergebnisse jedoch verzerren. Einer umfassenden Studie zum Judenbild am nächsten kommt Robert Chazan mit seinem Überblick über die Stereotypen des Judenbildes (in ihrer Beziehung zum modernen Antisemitismus), dem es um die Entwicklung antijüdischen Denkens geht und der dabei eine immer schärfere Polemik und ein sich vor allem seit dem 12. Jahrhundert verschlechterndes Judenbild erkennen möchte,30 eine seither mehrfach aufgegriffene These. Die meisten übrigen, einschlägigen Studien sind auf kleinere Komplexe beschränkt: So hat Wolfram Drews mustergültig das Judenbild in Isidors Traktat „De fide catholica contra Iudaeos“ analysiert (zugleich aber umfassend in das weitere
Modern World), Princeton, NJ 2007. Vgl. auch einige Beiträge in Signer/Van Engen (Hg.), Jews and Christians. Zu den Hintergründen der Verfolgungen vgl. Abulafia (Hg.), Religious Violence. Verschwörungstheorien gehören tatsächlich erst dem 14. Jahrhundert an; vgl. dazu ausführlich Johannes Heil, „Gottesfeinde“ – „Menschenfeinde“. Die Vorstellung von jüdischer Weltverschwörung (13. bis 16. Jahrhundert) (Antisemitismus: Geschichte und Strukturen 3), Essen 2006. Zur Entstehung der Ritualmordlegende vgl. Gerd Mentgen, Über den Ursprung der Ritualmordfabel, in: Aschkenas. Zeitschrift für Geschichte und Kultur der Juden 4, 1994, S. 405– 416 (zur Entstellung der Fabel); Marie-France Rouart, Scheinbares Argumentarium, archetypische Realität: Die Ritualmordbeschuldigungen im Abendland, in: Susanna Buttaroni/Stanislaw Misial (Hg.), Ritualmord. Legenden in der europäischen Geschichte, Wien-Köln-Weimar 2003, S. 21–40 (die übrigen Beiträge dieses Bandes behandeln spätere Zeiten). Zur Diskussion um die Historizität der ersten Erwähnung in der Wilhelmsvita des Thomas von Monmouth vgl. John M. McCulloh, Jewish Ritual Murder: William of Norwich, Thomas of Monmouth, and the Early Dissemination of the Myth, in: Speculum 72, 1997, S. 698–740, der sich gegen eine Erfindung der Geschichte durch Thomas ausspricht. Auch der Vorwurf der Hostienschändung ist (etwas) früher bezeugt als Ende des 13. Jahrhunderts, wie man gemeinhin annimmt; vgl. dazu Miri Rubin, Desecration of the Host: the Birth of an Accusation, in: Wood (Hg.), Christianity and Judaism S. 169–185. Malkiel, Jewish-Christian relations, unterzieht die wenigen Belege tatsächlicher Ausschreitungen gegenüber Juden vor 1096 einer kritischen Überprüfung mit dem Ergebnis, daß die Pogrome des Ersten Kreuzzugs sich nicht bereits längst angekündigt hatten. Chazan, Medieval Stereotypes. /
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Umfeld und die Traditionen eingeordnet).31 Paula Fredriksen und Albin Massie haben das Judenbild Augustins untersucht. Vergleicht man ihre Ergebnisse, so steht den judenfeindlichen Predigten ein eher freundliches, zukunftsweisendes Judenbild in der figürlichen Exegese gegenüber.32 Ebenso wegweisend und umfassend hat Johannes Heil das Judenbild in der karolingischen Exegese analysiert,33 und kürzlich hat Simone Haeberli das christliche Bild vom jüdischen Gelehrten aufgearbeitet.34 Schließlich widmen sich einzelne Aufsätze bestimmten Autoren.35 Mehrfach ist außerdem das Judenbild der mittelalterlichen Dichtung, allerdings vor allem des späten Mittelalters,36 das Judenbild in der mittelalterlichen Kunst hingegen lediglich nach
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Wolfram Drews, Juden und Judentum bei Isidor von Sevilla. Studien zum Traktat De fide catholica contra Iudaeos (Berliner Hist. Studien 34), Berlin 2001. Bearbeitete englische Fassung: Ders., The Unknown Neighbour. The Jew in the Thought of Isidore of Seville, Leiden-Boston 2006. Vgl. auch Ders., Jews as Pagans? Polemical definitions of identity in Visigothic Spain, in: EME 11, 2002, S. 189–207. Paula Fredriksen, Augustine and the Jews. A Christian Defense of Jews and Judaism, New Haven-London 2010 (die das Thema in sehr weitem Rahmen behandelt); Massie, Peuple prophétique; Blumenkranz, Patristik und Frühmittelalter. Johannes Heil, Kompilation oder Konstruktion? Die Juden in den Pauluskommentaren des 9. Jahrhunderts (Forschungen zur Geschichte der Juden A6), Hannover 1998. Eine spätmittelalterliche Ausweitung dieses Ansatzes bei thematischer Zuspitzung auf den Vorwurf der Weltverschwörung bietet Ders., „Gottesfeinde“, vor allem S. 9–64. Simone Haeberli, Der jüdische Gelehrte im Mittelalter. Christliche Imaginationen zwischen Idealisierung und Dämonisierung (Mittelalter-Forschungen 32), Stuttgart 2010. Vgl. etwa Avril Keely, Arians and Jews in the Histories of Gregory of Tours, in: JMH 23, 1997, S. 103–115; Sophia Menache, Matthew Paris’s attitudes towards Anglo-Jewry, in: JMH 23, 1997, S. 130–162; Peter von Moos, Les Collationes d’Abélard et la „question juive“ au XIIe siècle, in: Journal des savants 1999, S. 449– 489; Wanda Zemler-Cizewski, Rupert of Deutz and the Law of the Stray Wife: Anti-Jewish Allegory in De sancta Trinitate et operibus eius, in: Recherches de Théologie et Philosophie médiévales. Forschungen zur Theologie und Philosophie des Mittelalters 75, 2008, S. 257–269; Elisabeth Lapina, Anti-Jewish rhetoric in Guibert of Nogent’s Dei gesta per Francos, in: JMH 35, 2009, S. 239–253. Vgl. Gaby Knoch-Mund, Das Judenbild in der erzählenden Literatur des Mittelalters, in: Berliner Theologische Zeitschrift 8, 1991, S. 31–50; Winfried Frey, Das Bild des Judentums in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Karl E. Grözinger (Hg.), Judentum im deutschen Spachraum, Frankfurt/M. 1991, S. 36–59; Hel-
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bestimmten Aspekten behandelt worden.37 Von einer Untersuchung der mittelalterlichen Stereotypenbildung aber sind wir, wie Alexander Patschovsky feststellt, noch weit entfernt.38 Erstaunlicherweise kaum erörtert ist auch die Frage nach den Zusammenhängen von (judenfeindlichem) Judenbild und den politischen, sozialen und religiösen Ausschreitungen gegenüber Juden, die immer wieder zu Vertreibungen, Zwangsbekehrungen und Ermordungen geführt haben. Das christlich-polemische Judenbild mag zwar nicht die Absicht verfolgt haben, zu Judenverfolgungen aufzurufen, und in den Schriften finden sich nirgends unmittelbare Aufforderungen zu gewaltsamem Vorgehen,39 doch bleibt eine reservierte bis feindliche Haltung kennzeichnend. Die antijüdischen Einstellungen mögen daher doch den Boden für die vielfach aufbrechenden antijüdischen Stimmungen und die zeitweisen Judenverfolgungen bereitet und zur Legitimierung der Ausschreitungen beigetragen haben. Solche Zusammenhänge wären aber noch genauer zu untersuchen. Erst in Ansätzen ist auch das jüdische Christenbild erarbeitet.40
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mut Birkhan, Die Juden in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Ders. (Hg.), Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt S. 143–178; Ursula Schulze (Hg.), Juden in der deutschen Literatur des Mittelalters. Religiöse Konzepte – Feindbilder – Rechtfertigungen, Tübingen 2002. Vgl. den Überblick bei Schreckenberg II S. 447–635. Zur künstlerischen Gegenüberstellung von Synagoge und Ecclesia vgl. Wolfgang Seyferth, Synagoge und Kirche im Mittelalter, München 1964. Zur gotischen Kunst im spätmittelalterlichen Spanien: Paulino Rodriguez Barral, La imagen del judío en la España medieval. El conflicto entre cristianismo y judaísmo en las artes visuales góticas (Memoria artium 8), Bellaterra-Barcelona-Girona-Lleida-Tarragona 2008. Alexander Patschovsky, Feindbilder der Kirche: Juden und Christen im Vergleich (11.–13. Jahrhundert), in: Haverkamp (Hg.), Juden und Christen S. 327–357, hier S. 343. Menache, Matthew Paris’s attitudes, stellt noch bei Matthäus Paris im 13. Jahrhundert ein ambivalentes Verhältnis gegenüber den Juden fest, deren Leiden Matthäus trotz aller Abwehr anerkennt und deren körperliche Bestrafung er ablehnt; seine Sicht spiegelt zugleich die soziale Situation des Zeitalters wider. Vgl. etwa David Novak, The Image of the Non-Jew in Judaism. An Historical and Constructive Study of the Noahide Laws (Toronto Studies in Theology 14), Lewiston-New York 1983; Jung, Christen und Juden S. 94–98, zur antichristlichen Polemik der Juden. Zur Wahrnehmung der Juden im Islam des hohen Mittelalters in Spanien vgl. Ross Brann, Power in the Portrayal. Representations of Jews and Muslims in Eleventh- and Twelfth-Century Islamic Spain (Jews, Christians, and
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Neuere Studien zum Kulturtransfer haben demgegenüber aber auch die Blickrichtung radikal verändert. Die wichtige und anregende Studie von Israel Yuval behandelt, anders als es der Titel nahelegt, weniger die gegenseitige Wahrnehmung von Juden und Christen – das bleibt ein noch zu untersuchender Aspekt41 – als vielmehr die gegenseitige Beeinflussung.42 Das Buch, das auch einen wertvollen Beitrag zur Entpolemisierung des jüdisch-christlichen Dialogs leistet, bietet folglich eine ganz andere Perspektive als die hier verfolgte. Vor allem die Erkenntnis, daß man mit den Schriften des Gegners durchaus vertraut war, ist als Hintergrund aber auch für unsere Frage wichtig. Interessant ist darüber hinaus die – auch anderwärts erarbeitete – Feststellung, daß das Christenbild der Juden nicht weniger feindselig war als das Judenbild der Christen.43 Ähnliche Wege geht Martin Przybilski, der das Mittelalter als „Kontaktraum und Kontaktzeit“ zwischen Juden und Christen betrachtet44 und die verschiedenen Formen des Kulturtransfers vor allem in der Dichtung untersucht.45 Das kulturell Fremde (und Feindliche), so sein Ergebnis, rief Abwehrreaktionen herauf, führte aber nicht zu einer strengen Scheidung zwischen jüdischer und christlicher Alltagswelt: „Diese schier endlos erscheinende Geschichte der Verfol-
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Muslims from the Ancient to the Modern World), Princeton-Oxford 2002. Zu Einzelfragen vgl. Norman A. Stillman (Hg), Encyclopedea of Jews in the Islamic World, 4 Bde., Leiden-Boston 2010. Vgl. aber Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung, die sowohl christliche wie jüdische Quellen behandelt. Yuval, Zwei Völker in deinem Leib, sucht an ausgewählten Aspekten (wie der Esau und Jakob-Auslegung, der Pessach-Haggada oder der gegenseitigen Feindschaft wie auch der späteren Standardvorwürfe des Ritualmords und der Hostienschändung) den Nachweis zu erbringen, daß die jüdische (und christliche) Lehre des Abendlandes sich nicht unabhängig voneinander entwickelten, sondern immer wieder aufeinander Bezug nahmen. Ihm geht es also nicht um die Inhalte der Wahrnehmung, sondern um den Austausch solcher Inhalte, vor allem um den Nachweis des Einflusses christlichen Denkens auf das aschkenasische Judentum. Vgl. ebd. Kapitel 3, S. 104ff. Przybilski, Kulturtransfer zwischen Juden und Christen S. 71–138. Im 11./12. Jahrhundert nahm ein Interesse am Hebräischen zu (ebd. S. 117–136). Przybilski geht es dabei nicht zuletzt um eine formale Unterscheidung der Transferwege: mündlich-vorschriftlich-direkt, verschriftlicht in Form von kultureller Übersetzung und indirekt teilweise verschriftlicht (ebd. S. 137ff. und zusammenfassend S. 280–285). Ebd. S. 176–279.
2. Terminologie
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gung verdunkelt zumeist den Blick der heutigen Interpreten für die Spuren des Kulturtransfers zwischen Juden und Christen während der Jahrhunderte des Hoch- und Spätmittelalters.“ Sie sind vor allem in der deutschsprachigen Literatur zu finden.46 Mit solchen Studien werden gegenüber der früheren, das Trennende betonenden Forschung wieder stärker die verbindenden Elemente herausgestellt. Vor diesem Hintergrund kann auch hier gewiß kein Gesamtüberblick über das christliche Judenbild des Mittelalters geboten noch soll angesichts des vorhandenen Forschungsstandes die Judenpolemik noch einmal insgesamt erörtert werden. Vielmehr ist angezielt, die bisherige Forschung um einige Akzente zu erweitern und die antijüdischen Äußerungen in den größeren Kontext des (allgemeinen) Judenbildes und der Wahrnehmung der jüdischen Religion einzuordnen. Dazu ist – exemplarisch und mit Rückgriff auf einzelne Autoren und ihre Schriften – zu untersuchen, in welchen Kontexten, in welcher Weise und mit welchen Absichten man überhaupt über Juden schreibt, wieweit das religiös verstanden (und bewertet) wird und was man hier über die Religion der Juden wußte (oder wissen wollte). Zunächst ist wieder von der Begrifflichkeit auszugehen.
2. Terminologie Terminologisch bietet sich die Wahrnehmung der Juden nicht ganz so einfach dar, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Zwar scheint „Jude“ von vornherein religiöse Inhalte zu implizieren und die Träger (zumindest auch) als Mitglieder einer bestimmten Religion zu kennzeichnen, doch hat sich das Judentum stets auch als eine auf die Nachfahren Abrahams und Isaaks beschränkte „Gentilreligion“ verstanden. Tatsächlich ist ein ethnisch-politisches Selbstverständnis anfangs offenbar vorherrschend gewesen und erst seit dem 1. Jahrhundert vor Christus durch ein religiöses verdrängt worden.47 Der Begriff, der sich von Jakobs Sohn Juda ableitet und
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So ebd. S. 285. Vgl. dazu Shaye J. D. Cohen, The Beginnings of Jewishness: Boundaries, Varieties, Uncertainties, Berkeley-Los Angeles-London 1999; Stephen G. Wilson, „Jew“ and related terms in the ancient world, in: Studies in Religion/Sciences Religieuses 33, 2004, S. 157–171.
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auf dessen Nachkommen bezieht,48 bezeichnet im antiken jüdischen Reich dann die Bewohner des danach benannten Stammesgebiets, aber auch alle Nachkommen Abrahams und Israels.49 Bereits im Neuen Testament wird ,Juden‘, neben Heiden und Griechen, zum abgrenzenden Gegenbegriff gegenüber den Christen. Vor diesem Hintergrund beinhaltet Iudaeus noch im Mittelalter teils religiöse, teils „ethnische“ Assoziationen, und oft auch beides gleichzeitig, teils spiegelt es nun aber auch „soziale“ Inhalte im Hinblick auf die jüdische Minderheit in der christlichen Gesellschaft wider. Auch wenn diese drei Bedeutungen sich nicht ausschließen, sondern im Gegenteil sämtlich in einem Beleg mitgedacht werden können, sind die mit dem Begriff tatsächlich transportierten Konnotationen doch jeweils aus dem Kontext zu eruieren. Nicht immer ist „Jude“ jedenfalls von vornherein religiös konnotiert. Neben Iudaei (oder Iudei), dem in mittelalterlichen Quellen am weitaus häufigsten begegnenden Terminus,50 finden noch zwei weitere Begriffe Ver48
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Vgl. Cassiodor, Expositio in psalterium. In ps. 75, v. 2, ed. Mark Adriaen, CCL 98, Turnhout 1958, S. 692: Quamvis enim in duodecim tribubus Iudaeorum fuerit populus distributus, a Iuda tamen filio Iacob Iudaeos constat esse vocitatos; Gallus, Sermo (habitus Constantiae), Migne PL 87, Sp. 16 C: Iuda, a qua et Iudaei sunt appellati. Vgl. Augustinus, De civitate Dei 15,8, CCL 48, S. 464: neque enim et Iudas primogenitus fuit, a quo Iudaea cognominata est et Iudaei. In der POR-Datenbank stehen 119 Belege für Iudaei (davon 117 in der Schreibweise Iudei) 39 Belegen für Hebraei und 18 Belegen für Israelites gegenüber. Das Verhältnis mag anders aussehen, wenn man ausschließlich exegetische Kommentare zum Alten Testament durchsucht. Doch im Kommentar des Hrabanus Maurus zu den Königsbüchern der Bibel zählt auch Jean-Louis Verstrepen, Raban Maur et le judaïsme dans sons commentaire sur les quatre livres des rois, in: Revue Mabillon. Revue internationale d’histoire et de littératures religieuses 68 (n.s. 7), 1996, S. 23–55, hier S. 27–44, 88mal Iudaeus (plus 22mal iudaicus und 7mal Iudaea) gegenüber zwölf Israelites-Nennungen (plus 31mal Israel) und nur zwei Hebraei-Belegen. Die Library of Latin Texts hat für Iudaei/Iudaei (in allen grammatischen Fällen) 16.632 Belege, für Hebraei (einschließlich der Sprache) 3.775 und für (H)Israelites 1.258 Belege. Der Migne (Patrologia Latina Database) zählt 32.161 Belege für Judaei/Judei, 13.790 Belege für Hebraei und 2.938 Belege für (H)Israelites. Die Reihe „Scriptores“ der dMGH vermerkt 2.805 Belege für Jud(a)ei, 709 für Hebraei und 254 für Israelites. Als Übersicht: Iudaei Israelites Hebraei LLT 16.632 1.258 3.775 PLD 32.161 2.938 13.790 dMGH 2.805 254 709.
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wendung für dieselbe Gruppe, nämlich Israelitae (bzw., viel seltener, Israelites), das sich von Jakob/Israel ableitet und auf das – von Gott auserwählte – Volk Israel bezieht (aber auch von den Ismaeliten abgrenzt), und Hebraei/ Hebrei, das sich von Noahs Enkel Heber ableitet und zunächst auf die vormonarchische Epoche Israels verweist, sich dann aber (synonym) ebenfalls auf das ganze Volk Israel bezieht.51 Alle drei Begriffe sind somit bereits alttestamentlichen Ursprungs und vielfach synonym. Thesen, nach denen sie sich in ihren Bedeutungen oder Implikationen unterscheiden, wie man für das Frühchristentum und die Patristik behauptet hat,52 indem Israelitae und Hebraei nicht nur vorzugsweise auf die alttestamentlichen Juden (vor Christus) bezogen werden, sondern damit zugleich eine positive Bewertung erfahren – eine solche Einschätzung ergibt sich natürlich zwangsläufig dort, wo vom „Volk Israel“ als Gottesvolk die Rede ist – und Hebraei, sofern es sich nicht einfach auf die Sprache bezieht, in den frühen christlichen Schriften zudem die gutwilligen und bekehrungswilligen Juden meint,53 aber auch neutral zwischen den anderen Begriffen stehen kann,54 während unter „Juden“ eher das „fleischliche“ Israel verstanden wird, das vom vorchristlichen Israel gerade abgesetzt und entsprechend abgewertet wird,55 solche Thesen erscheinen mir für das frühe und hohe Mittelalter äußert fraglich.56 Zum einen sind die Begriffe bereits im Alten Testament mehrdeutig. Gewiß
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Zur frühen Terminologie vgl. Wilson, „Jew“; Graham Harvey, The True Israel. Uses of the Names Jew, Hebrew and Israel in Ancient Jewish and Early Christian Literature (Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums 35), Leiden-New York-Köln 1996 (S. 11–103 zu Juden, S. 104–147 zu Hebräern, S. 148–266 zu Israel). Vgl. Blumenkranz, Judenpredigt Augustins S. 181–186 (Exkurs 1), zu den Kirchenvätern bis Augustin. So ebd. S. 185; zum positiven Verständnis auch Wilson, „Jew“ S. 166f.; Harvey, True Israel S. 147. Nach Harvey, ebd. S. 270ff., haftet den „Hebräern“ das Etikett des „traditionellen“, konservativen Juden (im positiven Sinn) an. Israel ist oft der Adressat göttlicher Offenbarungen. So Blumenkranz, Judenpredigt Augustins S. 182f., zu Augustin. Vgl. ebd. S. 183, 185f.; Heil, Kompilation S. 57f. und S. 82–84. Nach Wilson, „Jew“ S. 164, und Harvey, True Israel S. 267f., ist Israel die interne, Juden die externe Bezeichnung (Selbst- und Fremdbezeichnung). Nach Harvey ist „Jude“ aber durchaus neutral und nicht durchweg abwertend gebraucht. Vgl. auch Haeberli, Der jüdische Gelehrte S. 45: Es gibt in den Quellen keine konsequente Handhabung der Begriffe Israelit, Hebräer und Juden.
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sind die Israeliten mit ihren zwölf (oder, mit den beiden Söhnen Josephs, dreizehn) Stämmen hier das auserwählte Volk Gottes, mit dem der Herr seinen „Bund“ schloß. Seit der Teilung unter die Söhne Salomos in die Reiche Israel und Judäa bezeichnet der Begriff aber auch einschränkend die Bewohner des Königreichs Israel. Ähnlich verhält es sich mit den Hebräern, während Iudaei nach der Teilung des Reiches Salomos zwar eben vom Königreich Israel abgehoben werden kann, doch verwischen sich solche Unterschiede spätestens nach dessen Untergang (722 v. Chr.). Das Reich von Jerusalem werde, weil es die beiden Stämme umfaßt, die aus dem Geschlecht Juda stammen, das Reich der Juden genannt, schreibt Fredegar im 7. Jahrhundert, von hier ausgehend erweitere sich der Begriff aber auch auf das ganze Volk der Juden.57 Israel vero, id est populus Iudaeorum, definiert Peter Abaelard.58 Nach Harvey bezieht sich „Israeliten“ tatsächlich bereits im biblischen Sprachgebrauch sowohl auf das Nordreich als auch auf das ganze Volk, auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie auf gute und böse Juden.59 Im Mittelalter verschwimmen solche Unterschiede meines Erachtens vollends. Das zeigen bereits deutlich die Definitionen Isidors von Sevilla, die quasi einen Begriff durch den anderen erklären und damit synonymisieren: „Die Hebräer sind nach Heber benannt, einem Urenkel Sems. Die Israeliten (leiten sich) hingegen von Isaaks Sohn Israel ab. Denn Israel war der Patriarch der Hebräer; von ihm bestimmen sich (durch Los) die zwölf Stämme der Juden unter dem Begriff ‚Israel‘. Diesen Namen legte man bei der Teilung den Juden von zehn Stämmen bei. Vorher wurden sie nämlich Hebräer oder Israeliten genannt. Danach wurde das Gottesvolk in zwei Reiche geteilt, von denen die zwei Stämme, die Könige aus dem Geschlecht Judas hatten, den Namen ‚Juden‘ wählten. Die übrigen zehn Stämme, die sich einen König in Samaria einsetzten, bewahrten wegen der Größe dieses Volkes den Namen Israel.“ 60
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Fredegar, Chronicon 2,16, S. 50: regnum Hierusolimis duobus tribus tantum, quae vocantur Iudaeorum, quia ex Iuda stirpe discenderunt, unde et universa gens illa nomen Iudaeorum est. Petrus Abaelardus, Commentaria in epistulam Pauli ad Romanos 4,9, S. 247, und ebd. 4,11, S. 256: Israelita, id est Iudaeus. Harvey, True Israel S. 148–188, zusammenfassend S. 186ff. Isidor von Sevilla, Etymologiae 9,2,51ff., S. 350: (51) Hebraei uocati sunt ab Heber, qui pronepos fuit Sem. (52) Israelitae vero ab Israel filio Isaac. Nam patriarcham Hebraeorum fuisse Israel, a quo duodecim Iudaeorum tribus Israelis vocabulum sortitae sunt. Iudaeis autem scissura decem tribuum nomen inposuit. Nam antea Hebraei sive Israelitae nuncupabantur. (53) Ex quo autem in duo regna Dei populus est divisus,
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Bei allem Bemühen, die Begriffe etymologisch zu unterscheiden, belegt Isidor mit seinen Erklärungen tatsächlich deren inhaltliche Synonymität. Und was die „fleischliche“ Bedeutung anbelangt, so schreibt Augustin, auf den sich die obigen Thesen nicht zuletzt berufen, sie ausdrücklich Juden und Israeliten zu (um beide vielmehr gegenüber den Christen abzuheben).61 Umgekehrt sind für Hieronymus die Juden die (damaligen) Vertreter des rechten Glaubens.62 (Nicht Juden, sondern nur) die Juden, die nicht dem Glauben Abrahams folgen, sind nach einem anonymen Pauluskommentar des 12. Jahrhunderts keine Israeliten mehr.63 Die verschiedenen Begriffe für Juden können in ihrem Gebrauch, ihrer Bedeutung und ihrer Bewertung jedenfalls völlig gleichbedeutend verwendet werden. Die jeweiligen Konnotationen ergeben sich auch hier nicht schon aus dem Begriff, sondern aus dem Kontext.
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tunc duae tribus, quae de stirpe Iuda reges habebant, Iudaeorum nomen sortitae sunt. Reliqua pars decem tribuum, quae in Samaria regem sibi constituit, ob populi magnitudinem pristinum nomen retinuit Israel. Augustinus, ep. 196,4, ed. Aloys Goldbacher, CSEL 57, Wien 1911, S. 227: quae cum ita se habeant, non tamen debemus consuetudinem sermonis humani inepta loquacitate confundere et in rebus discernendis frequentata uocabula perturbata significatione miscere, ut eos, qui, cum christiani sunt, et appellatione usitatissima christiani uocantur, inusitato uocabulo aliquis affectet appellare Iudaeos uel, cum sit ipse uoceturque christianus, Israhelitae potius nomine delectetur et, quod in mysterio debet semper intellegere, parcius autem ore proferre, hoc in cotidiana loquendi consuetudine magis eligat frequentare inepta insolentia et, si dici potest, inperita scientia. […] sciebant utique ista multo sapientius certiusque quam nos et tamen in loquendi consuetudine Iudaeos et Israhelitas eos appellabant, qui secundum carnem de Abrahae stirpe uenientes ab omnibus uocitabantur hoc nomine. Hieronymus, In Hieremiam prophetam 1, ed. Siegfried Reiter, CSEL 43, Turnhout 1960, S. 33: domus ‚Iuda‘, id est ‚confessionis‘ et uerae fidei. Expositio Pauli epistolae Ad Romanos 9,9, ed. Gerard de Martel, CCM 151, Turnhout 1995, S. 79: Caeteri uero Iudaeorum qui non sequuntur fidem per quam iustificatus est Abraham, nec Israhelitae nec filii promissionis dicendi sunt.
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3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, sozial oder religiös? Daß die Juden, das „Volk Israel“, als ein Volk wahrgenommen werden, ist wenig verwunderlich. Sie behielten diesen Charakter aber auch nach der Vertreibung und der Zerstreuung über zahlreiche Gegenden. „Wieder einmal begann der neidische Teufel den Verehrern des wahren Glaubens wie gewöhnlich durch das Volk der Juden das Gift seiner Nichtswürdigkeit einzugeben,“ schreibt Rodulf Glaber im Hinblick auf die Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahre 1010 (nach Rodulf 1009) und die Arroganz der Juden in Orléans.64 Immer wieder ist von der gens Iudaeorum die Rede.65 Wie die Juden selbst sich auch in der Diaspora weiterhin als eine religiöse und ethnische Einheit betrachteten,66 so wurden sie auch von den Christen als eine (ethnische) Gruppe wahrgenommen (ohne daß dadurch allerdings ein Gegensatz zur religiösen Abgrenzung erwächst). Das wird besonders bei den zum Christentum konvertierten Juden deutlich, die jetzt Christen sind, oft aber auch weiterhin als Juden oder, wie später in den Annales Egmundani, gar als Iudeus christianus bezeichnet werden, eine aus rein religiöser Sicht völlig unmögliche Formel.67 Daß Juden in den Quellen vornehmlich in bestimmten Berufen, als Ärzte, Geldverleiher, vor allem aber als Kaufleute bezeugt sind, mag gelegentlich einem Klischee nahekommen, entspricht aber auch der sozialen Realität, jedenfalls im Hinblick auf die Berufsgruppen, die überhaupt Eingang in die
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Rodulf Glaber, Historiae 3,24, S. 132: rursus coepit inuidus diabolus per assuetam sibi Iudaeorum gentem uere˛ fidei cultoribus uenenum sue˛ nequitie˛ propinare. Vgl. etwa Fredegar, Chronicon 2,2, S. 44; Hrabanus Maurus, Enarrationes in Deuteronomium 2,24, Migne PL 108, Sp. 914 B; Frutolf von Michelsberg, Chronicon, S. 46 (anläßlich der Teilung des Reiches Israel); Heimo von Bamberg, De cursu temporum 3,5, ed. Hans Martin Waikmann, MGH QGG 19, Hannover 2004, S. 266; Gerhoh von Reichersberg, De investigatione Antichristi 1,33, S. 342; Aelred von Rievaulx, Sermo 10,1, ed. Gaetano Raciti, CCM 2A, Turnhout 1989, S. 81, und öfter. Vgl. Wolfram Drews, Diaspora Jewish Communities in Early Medieval Europe: Structural Conditions for Survival and Expansion, in: Pohl/Ganter/Payne (Hg.), Visions of Community S. 391–401. So mehrfach Annales Egmundani a. 1137, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 16, Hannover 1859, S. 454.
3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, sozial oder religiös?
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erzählenden Quellen finden.68 So gesteht Dhuoda in ihrem „Handbuch“ für ihren Sohn Wilhelm, daß sie in manchen Notlagen nicht nur von Christen, sondern auch von Juden Geld geliehen (bzw. Güter empfangen) habe,69 und es mag bezeichnend sein, wenn später, im Privilegium maius, der – allerdings im 14. Jahrhundert gefälschten – „Gründungsurkunde“ des Herzogtums Österreich, in einer Wendung von „Juden und öffentlichen Wucherern“ die Rede ist.70 Vor allem aber begegnen Juden so häufig als (Fern-)Händler, daß sie geradezu als die Fernhändler schlechthin erscheinen oder zumindest besonders herausgehoben werden können, wenn etwa das Kapitular Karls des Großen von Nimwegen aus dem Jahr 806 einfach von negotiatores Iudaei necnon et alii sprechen kann;71 oft werden aber auch jüdische Kaufleute von christlichen bewußt unterschieden.72 Der älteren Vita Adalberts von Prag zufolge hatte ein jüdischer Kaufmann „mit seinem unglücklichen Gold“ so viele christliche Gefangene und Hörige aufgekauft, daß der
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Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß Juden nicht auch in anderen Berufen zu finden waren. Vgl. dazu Michael Toch, Geldleiher und sonst nichts? Zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Juden im deutschen Sprachraum des Spätmittelalters, in: Shulamit Volkov/Frank Stern (Hg.), Zur Sozial- und Begriffsgeschichte des Mittelalters (Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 22), Gerlingen 1993, S. 117–126; ausführlich jetzt Ders., The Economic History of European Jews. Late Antiquity and Early Middle Ages (Études sur le Judaïsme Médiéval 56), Leiden-Boston 2012. Dhuoda, Manuale 10,4, ed. Pierre Riché, SC 225, Paris 1975, S. 117: Pro multis uero necessitatibus, non solum de Christianis, uerum etiam de Iudaeis, multa ex illorum rebus manibus meis frequenter recepi. DF I 1040, ed. Heinrich Appelt, MGH Diplomata Regum et Imperatorum Germaniae Bd. 10. Die Urkunden Friedrichs des Ersten, Teil 1; 1152–1158, Hannover 1975, S. 348, von 1156 (unecht). Capitulare missorum von 806, MGH Capit. 1, Nr. 46, c. 4, S. 131; auch bei Ansegis 2,117, S. 410. Zu jüdischen Händlern im Frankenreich vgl. Jean-Pierre Devroey/ Christian Brouwer, La participation des Juifs au commerce dans le monde franc (VIe–Xe siècles), in: Alain Dierkens/Jean-Marie Sansterre (Hg.) avec la collaboration de Jean-Louis Kupper, Voyages et voyageurs à Byzance et en occident du VIe au XIe siècle. Actes du colloque international organisé par la Section d’Histoire de l’Université Libre de Bruxelles en collaboration avec le Département des Sciences Historiques de l’Université de Liège (5–7 mai 1994) (Bibliothèque de la Faculté de Philosophie et Lettres de l’Université de Liège 278), Genf 2000, S. 339–374. So im Kapitular Ludwigs des Frommen, MGH Capit. 1, Nr. 146, c. 2, S. 298: sive in mercato sive aliubi negotientur, tam christianorum quam et Iudaeorum.
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Bischof sie nicht wieder freikaufen konnte.73 Aber auch „hausierende“ Kleinhändler sind bezeugt. Nach einem Kapitular Lothars I. schleppten Juden ihren Besitz bzw. ihre Güter und Waren von einem Haus zum andern, zu den Versammlungen oder zum Heer mit.74 Juden wurden sogar als königliche Gesandte in den Orient geschickt (wie Isaak, der im Auftrag Karls des Großen zum Kalifen Harun-ar-Rashı¯d nach Bagdad reiste).75 Besonders Karls Sohn und Nachfolger Ludwig der Fromme hat Juden – trotz seiner immer wieder betonten Religiosität – sogar privilegiert.76 Die angeführten exemplarischen Belege geben immerhin zu erkennen, daß „Juden“ vielfach integriert sein können und keineswegs ausschließlich als religiöse Gruppe wahrgenommen werden, auch wenn dieses letzte Element immer mitgespielt haben mag.77 Bezeichnend für die Komplexität sind zwei, hier etwas ausführlicher betrachtete Erzählungen: ein Bericht Gregors von Tours über einen jüdischen Arzt und eine bekannte Anekdote Notkers von St. Gallen über einen jüdischen Kaufmann. Der Archidiakon Leonast von Bourges, so berichtet Gregor von Tours,78 wurde durch ein Wunder des heiligen Martin von seiner drei Monate zuvor eingetretenen Blindheit weitgehend, aber doch nicht vollständig geheilt. Als er sich deshalb noch einmal von einem jüdischen Arzt behandeln ließ, um noch besser sehen zu können, erblindete er „wegen seiner Sünden“ erneut, und dieses Mal endgültig (und erhielt sein Augenlicht auch nicht mehr durch ein zweites Martinswunder zurück). Die Geschichte soll zunächst natürlich zum Vertrauen auf Gott mahnen: Das Wunder trat ein, als die Ärzte nicht helfen konnten; also können sie auch nicht über das Wunder hinaus wirksam werden, wie Gregor im 73
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Johannes Canaparius, Vita antiquior Adalberti episcopi 12, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 4, Hannover 1861, S. 586: tertia propter captivos et mancipia christianorum, quos mercator Iudaeus infelici auro emerat emptosque tot episcopus redimere non potuit. Lothar I., Constitutiones Papienses a. 832, c. 19, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH LL 1, Hannover 1835, S. 363: Similiter et Iudeis, qui si negotiandi causa substantiam suam de una domo sua ad aliam aut ad placitum aut in exercitum ducunt. Annales regni Francorum a. 801, S. 114/116. Vgl. unten S. 454. Vgl. zu solchen Fragen auch Anna Aurast, Verwandte Feinde. Christliche Vorstellungen von Juden und ihrer Religion in ausgewählten erzählenden und Rechtszeugnissen des frühen Mittelalters, in: Dies./Goetz (Hg.), Wahrnehmung anderer Religionen S. 169–208, besonders S. 177ff. Gregor von Tours, Historiae 5,6, S. 203.
3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, sozial oder religiös?
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Anschluß eigens betont. Daß Leonast nun ausgerechnet einen jüdischen Arzt hinzuzog, mag in diesem Zusammenhang auf den ersten Blick bedeutungslos sein – Juden waren eben vielfach als Ärzte tätig –, zeigt (auf der sozialen Ebene) aber doch das Vertrauen an, daß man auf ihre Heilkraft setzte, nachdem weder die christlichen Ärzte noch der Heilige den Archidiakon vollständig hatten heilen können; es mag jedoch gleichermaßen bezeichnend sein, daß Leonast die Hinzuziehung eines jüdischen Arztes erst als letztes Mittel in Betracht zog. Gleichzeitig deutet Gregor an, daß Juden, als „Ungläubige“, keinen Respekt vor dem göttlichen Wunder hatten (freilich genauso wenig wie hier der von Gregor dafür getadelte christliche Archidiakon!). Eindeutig ist jedenfalls Gregors Deutung: „Denn er wäre gesund geblieben, hätte er nach dem göttlichen Wunder nicht einen Juden hinzugezogen.“79 Gregor identifiziert den „Ungläubigen“ (infidelis) mit Ungerechtigkeit, Finsternis, ja mit dem Teufel selbst. Er schließt seinen Bericht bezeichnenderweise nämlich mit der biblisch-paulinischen Mahnung (2. Kor 6,14–17) ab, nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen zu ziehen: „Wie kann Christus mit Belial verkehren? Oder was teilt der Gläubige mit dem Ungläubigen?“80 Zwar lehrt die Episode, wie der Schlußsatz zeigt, auf einer allgemeineren Ebene vor allem, daß ein Christ, dem eine himmlische Heilung zuteil geworden ist, nicht mehr nach irdischen Wissenschaften verlangen soll.81 Dennoch bleibt die Episode bezeichnend für Gregors Einstellung gegenüber den Juden. Der zunächst „unscheinbare“ oder jedenfalls scheinbar ganz auf Leonast gemünzte Bericht erhält dadurch eine eminent religiöse Funktion und zeugt von Gregors strikter Abgrenzung von den Juden (keine Gemeinschaft) – wie sie sich im übrigen auch in anderen Erzählungen des Bischofs von Tours zeigt – ebenso wie von ihrer Abwertung: Als „Ungläubige“ stehen sie mit dem Teufel im Bund.
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Ebd. S. 203: Nam perstiterat hic in sanitate, si Iudaeum non induxisset super divinam virtutem. Ebd.: Quae autem communicatio Christi cum Belial? Aut quae pars fideli cum infidele? Gegen Bernhard Blumenkranz, Juden und Jüdisches in christlichen Wundererzählungen. Ein unbekanntes Gebiet religiöser Polemik, in: Theologische Zeitschrift 10, 1954, S. 417–446 (abgedr. in: Ders., Juifs et Chrétiens. Patristique et Moyen Âge, Nr. IX), demzufolge sich die Geschichte gegen den Beistand jüdischer Ärzte an sich richtet (ebd. S. 429), betont Keely, Arians and Jews S. 113f., zu Recht, daß Gregor hier keine Polemik gegenüber jüdischen Ärzten insgesamt entwickelt. Es kommt ihm vielmehr auf die Strafe an, weil die Hilfe bei ihnen statt bei Gott gesucht wird.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Zeigt Gregor von Tours im späten 6. Jahrhundert eine betont negative Einstellung, so vertritt Notker im späten 9. Jahrhundert nahezu die gegenteilige Perspektive (ohne daß man das allein auf die zeitliche Entwicklung zurückführen darf):82 Hier bedient sich der weise Karl der Große, der Idealherrscher schlechthin, eines jüdischen Händlers (cuidam Iudeo mercatori), der öfter nach Übersee ins Heilige Land (terram repromissionis) fuhr und von dort kostbare und unbekannte Waren herbeibrachte, um einen ebenso habsüchtigen wie geizigen Bischof öffentlich bloßzustellen. Der Jude bot dem Bischof daraufhin eine gewöhnliche, aber mit Gewürzen einbalsamierte Hausmaus als ein bisher unbekanntes Tier an und verkaufte sie ihm nach einigem Feilschen für einen ganzen Scheffel Silber. Die gewiß erfundene Anekdote hat erneut zahlreiche Facetten. Sie benutzt zunächst das „Klischee“ des feilschenden jüdischen Fernhändlers. Der Jude mag einerseits zwar als Betrüger erscheinen, der den Bischof übers Ohr haut, doch handelt er andererseits in höchstem Auftrag und für einen guten Zweck und damit für Notker (und seine Leser) durchaus lobenswert. Der religiöse Gegensatz scheint dabei zunächst keine Rolle zu spielen, wird aber sichtbar, wenn der Jude beim Feilschen den Gott Abrahams anruft. Er ist dem Autor und den Lesern also zweifellos bewußt (und wird gleichsam vorausgesetzt). Es mag daher nicht unwahrscheinlich sein, daß auch Notker nicht zufällig einen Juden ins Spiel zieht: weil er als Überseehändler mit seltenen Waren zu tun hat und weil er als Andersgläubiger dem christlichen Bischof um so deutlicher gegenübergestellt wird – erst dadurch „funktioniert“ die dem Kirchenfürsten erteilte Lektion –, aber sicher auch, weil das Fehlverhalten des Bischofs damit um so blamabler erscheint: Wenn Juden als habsüchtig gelten, so ist es der Bischof erst recht (zumal der Jude sich an dem Handel nicht selbst bereichert, sondern das erworbene Geld dem Kaiser bringt). Juden, so scheint es, können gewissermaßen christlicher sein als ein christlicher Bischof oder vielmehr, im eigentlichen Sinn der Anekdote, kann dieser unchristlicher sein als ein Jude (der dennoch Jude bleibt und die Maus regelrecht „verhökert“). Mit dieser Komplexität ist der Geschichte kaum ein klares „Judenbild“ zu entnehmen. Sie zeigt vielmehr dessen tatsächlichen Facettenreichtum.
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Notker Balbulus, Gesta Karoli Magni imperatoris 1,16, S. 19ff. (das Zitat auf S. 19). Vgl. dazu Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 442ff., der (S. 449) Notker als Beleg dafür wertet, daß antijüdische Stimmungen marginal gewesen sind, sowie Aurast, Verwandte Feinde S. 189ff. Im Folgenden zeigt sich allerdings auch die Komplexität dieser Erzählung.
3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, sozial oder religiös?
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Nicht zu verkennen ist aber auch eine verbreitete negative Einstellung gegenüber Juden. Sie schlägt sich bereits in entsprechenden Attributen und Kennzeichnungen nieder, die wiederum nicht ausschließlich religiöse Momente betreffen.83 Auch äußere Merkmale kennzeichnen Juden: Nach Burchard von Bellevaux (einem der Biographen Bernhards von Clairvaux) werden sie allseits wegen ihres Ziegenbartes verlacht.84 Allein im Psalmenkommentar Cassiodors85 wird den Juden ein breites Spektrum verschiedener Eigenschaften zugeschrieben, allen voran „Untreue“ (perfidia/perfidus, 23mal), sodann Wahnsinn (insania/insani 8mal, demens 5mal, vesania 1mal), Unglaube (infidelitas /infideles 4mal, incredulus/non credens 5mal), Ungerechtigkeit (iniquita[te]s /iniqui, 9mal) sowie Starrsinn (obstinatio, 5mal, contumacia 2mal, pertinacia 1mal) und Verhärtung (duritia /dur[issim]a corda), darüber hinaus aber noch (je ein bis dreimal) Verkehrtheit (perversitas, pravitas), Vorwurfsbereitschaft (increpatio), Verschlagenheit (dolositas), Falschheit (falsitas), Hinterlist (insidia), Unredlichkeit (improbitas), Nichtswürdigkeit (nequitia), Hochmut (superbia), Aberglaube (superstitiones), Unverschämtheit (protervia), Unfreundlichkeit (truculentia), Erbitterung (amaritudo), Wildheit (saevitia / saeviens) und Grausamkeit (crudelitas /crudelis). Juden sind unehrerbietig (indevotus), blasphemisch (blasphemantes), verzweifelt (desperantes), ruchlos (nefandus /nefarius), frevelhaft (scelerati), unmenschlich (immanis), grimmig (truculens), jähzornig (irascentes) und abscheulich (detestabilis). Das ist ein ganzes Arsenal durchweg negativer Eigenschaften. Vieles davon verdichtet sich im Gesamtbild.86 So mag es bezeichnend sein, wenn Rodulf Glaber (im Anschluß an einen Bericht über Naturkatastrophen und Zerstörungen in Orléans) die Habsucht beklagt, die zur Bestechung und zum Schaden der Seelen führt, und hinzufügt, daß sie zwar in vielen Völkern vorherrsche, am deutlichsten aber bei den Leviten und Prie-
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Zu jüdischen Eigenschaften (wie Kleingläubigkeit) vgl. auch Heil, Kompilation S. 174–181. Burchardus abbas Belleuallis, Apologia de barbis ad conuersos. Sermo 3, ed. Robert B.C. Huygens, CCM 62, Turnhout 1985, S. 184: Propterea Iudeus deridetur ab omnibus, quoniam, sicut dictum est, barba hirci dependet illi sub mento et non intelligit magnum pietatis sacramentum, quod manifestatum est in carne et assumptum est in gloria. Cassiodor, Expositio psalmorum, ed. Mark Adriaen, CCL 97/98, Turnhout 1958. Im folgenden seien jeweils nur wenige Beispielbelege angeführt.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
stern des jüdischen Volkes in Erscheinung trete.87 Wenn das nordspanische Chronicon Albeldense aus dem 9. Jahrhundert (in ethnographischer Tradition) den einzelnen Völkern bestimmte, hervorstechende Eigenschaften zuweist – den Griechen die Weisheit, den Goten die Tapferkeit, den Chaldäern die guten Ratschläge, den Römern Hochmut, den Franken Wildheit, den Briten Zorn, den Schotten Wollust, den Sachsen Härte und den Persern Leidenschaft (oder auch Herrschsucht oder Habgier: cupiditas) –, so wird in dieser Aufzählung der Neid (invidia) zu der Charaktereigenschaft der Juden.88 Nach Aelred von Rievaulx herrschen in dem einstigen Gottesvolk jetzt Hochmut, Genußsucht und überhaupt sämtliche Laster.89 Prudentius von Troyes bezeichnet Juden mehrfach als „Verräter“ (Iudaeis prodentibus).90 Juden gelten als hinterhältige oder verschmitzte Betrüger 91 oder als leichtfertig oder schelmisch (nequitia),92 während Attribute wie Wahnsinn (vecordia),93
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Rodulf Glaber, Historiae 2,10, S. 68/70: Nam et multiplicibus antiquorum patrum intimatur assertionibus quod, crassante auaritia, preteritarum iura uel ordines religionum ex eo unde consurgere debuere ad incrementi profectum, exinde sumpsere corruptionis defectum, illudque aliquibus uersum est in animarum detrimentum, quod quod quibusdam eo legitime utentibus fuit emolumentum. Siquidem, ut diximus, turpis lucri auaritia inperante, suffocatur sepissime censura iustitie˛. Cum enim in diuersarum gentium ac prouinciarum cultibus istud habeatur probabile, euidentius tamen in Israhelitice˛ plebis leuitis et sacerdotibus. Chronicon Albeldense 6, S. 155. Vgl. auch Beda Venerabilis, Expositio in Lucae euangelium 3,9, ed. David Hurst, CCL 120, Turnhout 1960, S. 197: Quanta Iudaeorum inuidia qui contra dominum malitiae furor extiterit ex omnibus paene locis euangelii docemur; ebd, 4,12, S. 250: qua propriae principes Iudaeorum et quique similis inuidiae peste corrupti maiestatem blasphemant sine fine peribunt; Claudius von Turin, Enarratio in epistolam Pauli ad Galatas 4, Migne PL 104, Sp. 885 B. Aelred von Rievaulx, Sermo 2,26, S. 25: Iam inter istos Iudaeos, qui solebant esse tuus populus, regnat superbia, luxuria, omnia uitia. Annales Bertiniani a. 848, S. 55; a. 852, S. 64. Vgl. Leges Visigothorum 12,2,14, ed. Karl Zeumer, MGH LL nat. Germ. 1, Hannover-Leipzig 1902, S. 421: calliditatis fraudulentia Hebreus infestus. Vgl. Rodulf Glaber, Historiae 3,24, S. 134 (unten Anm. 356) und öfter. Vgl. Firmicus Maternus, Consultationes Zachhei christiani et Apollonii philosophi 2,10,15 (11) (Quae haereticorum genera vel errores), ed. Jean-Louis Feiertag und Werner Steinmann, SC 402, Paris 1994, S. 78: Iudaeorum uecordia.
3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, sozial oder religiös?
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Dummheit (stultitia),94 Verstocktheit (obduratio) 95 sowie Treulosigkeit bzw. Unredlichkeit oder auch Unglaube (perfidia) 96 – und letzteres findet sich besonders häufig – sich bereits auf den mangelnden Glauben beziehen mochten. „Damals waren einige Juden nämlich, wie sie es noch heute sind, so treulos [oder ungläubig], daß sie Passion und Auferstehung Christi, die sie, weil es in den Schriften steht, nicht leugnen können, dennoch in keiner Weise auf Jesus beziehen und lieber den Antichrist erwarten, als an Jesus Christus glauben wollen,“
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Vgl. Hieronymus, Commentarii in prophetas minores. In Sophoniam 2, ed. Mark Adriaen, CCL 76A, Turnhout 1970, S. 685; Gregor der Große, Expositio in librum primum Regum 1,87, ed. Patric Verbraken, CCL 144, Turnhout 1963, S. 104; Ders., Moralia in Iob 2,6,2, CCL 143, S. 285: Stultus quippe Iudaeorum populus exstitit quia ipsam in carne praesentiam aeternae sapientiae spreuit. Vgl. etwa Gregor der Große, Expositio in librum primum regum 1,8, S. 60: Quae est ergo sterilitas annae nisi obduratio Iudaeae? Vgl. Hieronymus, Commentarii in Isaiam 13,49,6, ed. Mark Adriaen, CCL 73A, Turnhout 1963, S. 537; Ders., Commentarii in Ezechielem 10,33, S. 473; Ders., Commentarii in prophetas minores. In Jonam 2,9, CCL 76, S. 402; Ders., ep. 129,3, ed. Isidor Hilberg, CSEL 56, Wien 1996, S. 169; Cassiodor, Expositio psalmorum. In ps. 2, CCL 97, S. 43; ebd. In ps. 8,3, S. 91: ‚Inimicum‘ vero ‚et defensorem‘, Iudaeum perfidum specialiter dicit, qui dum Deum Patrem se putat defendere, Filio existit inimicus; Gregor der Große, Moralia in Iob 30,11, CCL 143B, S. 1508; ebd. 6,2, CCL 143, S. 285; ebd. 29,28, CCL 143B, S. 1473; Ders., Expositio in librum primum Regum 1,89, S. 105 – hier ist gleich dreimal von perfidia Iudaeorum die Rede –; Bonifatius, Sermo 10, Migne PL 89, Sp. 862 C; Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 4, S. 374; Heiric von Auxerre, Homiliae per circulum anni. Pars aestiua. Homilia 2,35, ed. Richardo Quadri, CCM 116B, Turnhout 1994, S. 330; Rather von Verona, Sermones liturgici. Sermo 3 (In cena Domini), ed. Peter L.D. Reid, CCM 46, Turnhout 1976, S. 99 (membra illius Iudeos uidelicet perfidos livoris sui participes adsciscit); Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica canticorum. Sermo 46,5, ed. Jean Leclercq, Charles Hugh Talbot und Henri Marie Rochais, Bd. 2, Rom 1958, S. 59; Gratian, Decretum pars 3, dist. 3, can. 12, S. 1355; mehrfach bei Johannes von Salisbury, Policraticus 2,15, ed. Katherine S.B. Keats-Rohan, CCM 118, Turnhout 1993, S. 95: ad confundendam perfidiam Iudaeorum, und öfter. Vgl. auch unten Anm. 99, 152, 154, 166, 167, 188, 265, 272, 297, 308, 495, 504, 506, 520, 539, 561, 605, 621 und 648. Vgl. Bernhard Blumenkranz, Perfidia, in: Archivum Latinitatis Medii Aevi 22, 1952, S. 157–170 (abgedr. in: Ders., Juifs et Chrétiens. Patristique et Moyen Âge, Nr. VII).
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
schreibt Beda zur Apostelgeschichte,97 und nach der Lorscher Chronik präsentierte der Bischof von Worms dem Abt, um dessen Treue zu prüfen, heimtückisch einen Juden (oder vielmehr einen Judas), der aber, Iudaica utens perfidia, nicht das tat, was von ihm erwartet wurde:98 Die treulose Unzuverlässigkeit eines Juden wird hier bezeichnenderweise wieder dem ganzen Volk angelastet. Häufig ist ferner vom Aberglauben der Juden die Rede.99 Hieronymus bringt solche Zuschreibungen in einen Zusammenhang, wenn er meint, die Hartherzigkeit (duritia) des jüdischen Volkes zeige sich in ihren lügnerischen und wahnsinnigen Propheten, die Gottes Wort nicht um seiner selbst willen verkündeten.100 „Oh unglückliches Judäa!“ klagt Gregor der Große. „Die Grenzen Deines Gebietes haben Dich Gott grüßen sehen, das ganze Land frohlockt aufgeregt, der ganze Erdkreis freut sich, die Flüsse klatschen in die Hände, und die Berge springen in die Höhe; doch
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Beda Venerabilis, Expositio actuum apostolorum 17, ed. M. L. W. Laistner, CCL 121, Turnhout 1983, S. 70f.: Erant enim quidam Iudaeorum, sicut et hodie sunt, ita perfidi ut, cum Christi passionem ac resurrectionem scripturis insertam negare non possint, haec tamen ad Iesum pertinere omnino negent magisque Antichristum expectare quam Iesum Christum credere uelint. Chronicon Laureshamense a. 1056, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 21, Hannover 1869, S. 414: Episcopus autem, ne nichil intemptatum omitteret, Iudeum quendam, immo Iudam, qui episcopi loculos habebat, callide subornat, eumque velut ex mandato regis abbati summo studio commendat. At Iudeus, Iudaica utens perfidia, nichil quod sui erat reliquum facere, singulos fratrum et maxime iuniores sollicitare, dein ab his qui ad abbatis auriculam erant singula queque scitari, quae fratrum cum abbate concordia, quae providentia, quae ordinis observantia, quis denique rerum et personarum status per abbatis vel industriam esset vel ignaviam, attentius indagare. Vgl. bereits Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 9,195, CCL 140A, S. 750, über einen „von ihrem Aberglauben zur Verehrung des christlichen Glaubens übergetretenen Petrus: Iudaei de civitate vestra hic venientes questi nobis sunt, quod synagogam eorum, quae Caralis sita est, Petrus, qui ex eorum superstitione ad christianae fidei cultum Deo volente perductus est. Später Gratian, Decretum pars 2, causa 28, quaest. 1, can. 10, S. 1087; Johannes von Salisbury, Policraticus 2,4, S. 77: forte significans Iudaicae perfidiae et superstitiosi erroris euersionem. Vgl. auch unten Anm. 158, 297, 347 und 514. Hieronymus, In Hieremiam prophetam 2,30, S. 74f.: per quod intellegimus duritiam populi Iudaeorum, quod quasi mendaces atque uaesanos habuerint prophetas, dum per occasionem et celebritatem loci audire coguntur uerba domini et non propter hoc, quod uerba sint domini.
3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, sozial oder religiös?
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die gottlosen Herzen der Juden glauben nicht; in der Dunkelheit ihrer Blindheit trifft sie die Strafe der Mißgunst.“101
Daß Gott alle erlöst, sei zu Recht gegen die Juden gesagt, die ihren Erlöser dreist verschmähen102 und statt dessen den Antichrist erwarten.103 Die Weltordnung gerät gewissermaßen durcheinander, wenn Christen ihrerseits zum Judentum übertreten. Bezeichnend dafür ist der Fall des Diakons Bodo, der offenbar völlig unerwartet zum Judentum konvertierte und damit, als Proselyt mit ehemals christlichen Weihen, großes Aufsehen erregte:104 Der alemannische, am Hof erzogene und gebildete Diakon hatte
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Gregor der Große, Expositio in librum primum Regum 1,89, S. 105: O infelix Iudaea! Fines terrae uiderunt salutare dei, omnis terra commota iubilat, gaudet uniuersus orbis, flumina plaudunt manibus, montes exultant; sed inpia Iudaeorum corda non credunt, in caecitatis suae tenebris liuoris poena feriuntur. Ebd. S. 106: Ille ergo omnes redemit, qui omnibus excellit. Quod recte contra Iudaeam dicitur, quae eo audacius redemptorem despicit. Ebd. 1,92, S. 107: Iudaei ergo per haec singula uerba feriuntur, qui, dum redemptorem contemnunt, antichristum expectant, qui deus non esse liquido conprobatur. Vgl. auch Alkuin, Interrogationes et responsiones in Genesin 231, Migne PL 100, Sp. 566 A: Plebs infidelis Iudaea, erroris suis laqueis capta pro Christo Antichristum exspectat. Zu Gregors Verhältnis zu den Juden vgl. Robert A. Markus, Gregory the Great and His World, Cambridge 1997, S. 76ff. Der Hauptbericht entstammt Prudentius von Troyes in den Annales Bertiniani a. 839, S. 27, und a. 847, S. 53f.; ferner Amulo von Lyon, Epistola seu Liber contra Judaeos ad Carolum regem 42, Migne PL 116, Sp. 171; Annales Augienses a. 838, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 1, Hannover 1826, S. 68: Puato diaconus palatii lapsus est in iudaismo. Vgl. die Erwähnungen in den Annales Einsidlenses a. 838, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 3, Hannover 1839, S. 139; später noch Hermann von Reichenau, Chronicon a, 838, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 5, Hannover 1844, S. 103; Marianus Scotus, Chronicon a. 860, ed. Georg Heinrich Pertz, ebd. S. 550. Der Fall ist vielfach behandelt worden, interessiert hier aber vor allem wegen der Zuschreibungen. Vgl. etwa Allen Cabaniss, Bodo-Eleazar: A Famous Jewish Convert, in: The Jewish Quarterly Review 43, 1952/53, S. 313–328; Bernhard Blumenkranz, Du nouveau sur Bodo-Eléazar?, in: Revue des études juives 112, 1953, S. 34–42 (abgedr. in: Ders., Juifs et Chrétiens. Patristique et Moyen Âge, Nr. XI); Heinz Löwe, Die Apostasie des Pfalzdiakons Bodo (838) und das Judentum der Chasaren, in: Gerd Althoff/Dieter Geuenich/Otto Gerhard Oexle/ Joachim Wollasch (Hg.), Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Karl Schmid zum fünfundsechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1988, S. 157–169, der nach den Motiven der Konversion fragt; Frank Riess, From Aachen to Al-Andalus: the journey of Deacon Bodo (823–76), in: EME 13, 2005, S. 131–157, vor allem zu
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
sich die Erlaubnis zur Romreise geholt und war im Gespräch mit Juden, die er eigentlich an die „Heiden“ (Sarazenen) verkaufen wollte, bekehrt worden und „von der christlichen Wahrheit zum jüdischen Unglauben“ abgefallen (christiana veritate derelicta ad Iudaeorum perfidiam concesserat). Solche Übertritte mögen zwar „keine ausgesprochene Seltenheit“ gewesen sein,105 doch sie bildeten, wie die große Aufregung zeigt, wohl dennoch überschaubare Fälle. Die Reaktion zeigt zugleich aber die Verunsicherung der Christen: Die Abkehr vom wahren Glauben verwehrte nicht nur das Heil, sondern widersprach dem Gang der Heilsgeschichte. Darüber hinaus verrät die Geschichte erneut, wie sehr Juden und Christen sich nicht nur in ihrer Religion, sondern, teilweise dadurch bedingt, auch äußerlich voneinander unterschieden: Um seinen Übertritt sichtbar zu machen, übernahm Bodo nämlich all die Kennzeichen, die offenbar Judentum ausmachten: Er ließ sich beschneiden, ließ Haar und Bart wachsen und nahm einen jüdischen Namen an (Eliazar): Langes Haar und Bartwuchs galten offenbar ebenso als „jüdische“ Kennzeichen wie die jüdische Namengebung. Wenn Bodo sich darüber hinaus mit einem Schwert gürtete, so deutet das wohl eher auf die Ablegung seiner christlichen Weihen (als Diakon war ihm das verboten).106 Daß er zudem eine jüdische Frau heiratete, bekräftigt, daß ein Konnubium zwischen Juden und Christen (beiderseits) verpönt war.107
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Bodos Briefwechsel mit dem Mönch Alvarus von Córdoba. Vgl. auch Aurast, Verwandte Feinde S. 200ff.; Dies., What Did Christian Authors Know about Jews and Judaism? Some Remarks Based on Early Medieval Sources, in: Millennium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends nach Chr. 10, 2013, S. 331–348. Vgl. in diesem Sinn Giese, In Iudaismum lapsus est S. 407: Bodos Fall „ist kein singuläres Ereignis, kein extravagantes Detail eines religionsgeschichtlichen Gemäldes“, sondern nur der bekannteste Fall. Giese stellt die Belege zusammen, die er auf eine intensive, durch das enge Zusammenleben bedingte Missionstätigkeit der Juden zurückführt, die wiederum die Verbote gesellschaftlichen Umgangs provoziert haben (ebd. S. 412ff.). Insgesamt gelangt er zu dem Ergebnis (ebd. S. 418): „Übertritte von Christen zum Judentum waren im frühen und hohen Mittelalter keine ausgesprochene Seltenheit, auch wenn es dafür verhältnismäßig wenig Belege gibt.“ Annales Bertiniani a. 839, S. 27f.: Bodonem diaconum, Alemannica gente progenitum et ab ipsis paene cunabulis in christiana religione palatinis eruditionibus divinis humanisque litteris aliquatenus inbutum, qui anno praecedente Romam orationis gratia properandi licentiam ab augustis poposcerat multisque donariis muneratus impetraverat, humani generis hoste pellectum, relicta christianitate ad iudaismum sese convertisse. Et primum quidem consilio proditionis atque perditionis suae cum Iudaeis
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Als ähnlich verwerflich gilt im frühen 11. Jahrhundert der bei Alpert von Metz überlieferte Fall des illusione diabolica seductus zum Judentum konvertierten Hofklerikers Wezelin,108 über den sich Alpert erregt:109 „Bei der Erfüllung dieses Versprechens [i.e. darüber zu berichten] zittere ich am ganzen Körper; die Haare stehen mir zu Berge, und ich bin erschüttert vor Schrecken, daß der Teufel einen Menschen derart zu überreden vermag, daß dieser es wagt, solchen Schmutz gegen Christus und seine Heiligen zu werfen.“110
Das veranlaßte Heinrich (den späteren Kaiser) zu einem Brief, in dem er den obstinenten Juden, die „ihr in der blinden Gottlosigkeit eures Unglaubens verdammt seid“, vorwarf, aus „hartnäckiger Schlechtigkeit jüdischer Bosheit“ den christlichen Glauben zu verschmähen. „Warum widerspricht du der Wahrheit, du Narr?“ fragt Heinrich; die Schuld werde ihn ins Verderben führen.111 Ein Wissen um die religiöse Differenz zwischen Juden und Christen war jedenfalls (selbstverständlich) schon im frühen Mittelalter vorhanden. Wie tief es war, lassen solche Erzählungen wie die bisher betrachteten nicht
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inito, quos secum adduxerat paganis vendendos, callide machinari non timuit; quibus distractis, uno tantummodo secum, qui nepos eius ferebatur, retento, abnegata – quod lacrimabiliter dicimus – Christi fide, sede Iudaeum professus est. Sicque circumcisus, capillisque ac barba crescentibus, et mutato potiusque usurpato Eleazari nomine, accinctus etiam cingulo militari, cuiusdam Iudaei filiam sibi in matrimonium copulavit. Vgl. auch Concilium Romanum a. 745, MGH Conc. 2,1, Nr. 3, c. 10, S. 32: Si quis Iudaeo non baptizato filiam suam uxorem dederit vel servum aut ancillam ei vendiderit, anathema sit. Alpert von Metz, De diversitate temporum 1,7, ed. Hans van Rij, Amsterdam 1980, S. 16: Istis etiam diebus, videlicet Heinrici regis qui postea benedictione apostolica imperator effectus est, quidam Wecelinus, qui fuerat Cuonradi ducis clericus, illusione diabolica seductus, errori Iudeorum consensit. Ebd. 2,22–24, S. 88–90. Ebd. 2,22, S. 88: Sed in ipsa promissione exsolvenda totus contremesco et horrentibus pilis capitis terrore concutior diabolum potuisse homini persuadere, ut tantas sordes ausus esset contra Christum et sanctos eius iactasse. Ebd. 2,24, S. 90: Respondere calumpniae tuae, o Iudee incredule, quam ex blasphemo ore in Christum eiusque sanctos nunc noviter evomuisti […]. […] toto seculo verbisque prophetarum et exemplis sanctorum eluceat, quam sit dampnata infidelitatis vestrae ceca impietas […]. tamen, quoniam adhuc non desperat de machinationibus suis Iudaicae malignitatis obstinata improbitas, et ad confutandam christianam religionem scelerato fastu inmurmurat. […] Dicis, Iudee: ‚Quare contradicis iusto insipiens?‘ Primum velim mihi respondeas, quem dicis iustum, te aut prophetam?
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
erkennen. Sie zeigen durch die Beiläufigkeit der Erwähnungen vielmehr an, daß auch hier das religiöse Element keineswegs durchweg das allein entscheidende war. Der religiösen Abwertung konnte sogar ein Respekt vor jüdischem Gelehrtentum gegenüberstehen,112 wenn etwa der Jude Josua in der Fortsetzung der Gesta Treverorum aus dem frühen 12. Jahrhundert als „äußerst gelehrt in der Naturlehre, ein überaus guter Rechner, vollkommen in der Hebräischen Schrift und der ganzen Wissenschaft vom Judentum“ charakterisiert wird. Einen solchen Juden suchte man allerdings auch ständig zu bekehren.113 Hebräisch zählte außerdem zu den drei heiligen (Bibel-) Sprachen. Nach Augustin ragte Hebräisch wegen der göttlichen Gesetze, Griechisch wegen der Weisheit, Latein wegen der römischen Herrschaft über die anderen Sprachen heraus.114 Dieser ambivalente Befund schlägt sich auch in dem Verhältnis von Juden und Christen in der christlichen Wahrnehmung nieder.
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Zur Anerkennung jüdischer Gelehrsamkeit seitens der Christen vgl. Haeberli, Der jüdische Gelehrte S. 76–124; zur mittelhochdeutschen Dichtung ebd. S. 126ff. Man beruft sich auf jüdische Gelehrte (ebd. S. 85–94) und zitiert sogar daraus (ebd. S. 103–112). Allerdings konnte der jüdische Gelehrte auch zur Witzfigur werden (ebd. S. 265–284). Gesta Treverorum 21 (add.), S. 195: Habebat autem inter eos Iudaeum quendam Iosuae nomine, phisicae artis eruditissimum, compotistam peroptimum, Hebraicarum litterarum et totius iudaismi scientia perfectissimum, quem circumdabat militaris habitus. […] semper illum ad conversionem deprecans et exhortans. Von solchen Bekehrungen ist immer wieder die Rede. So berichtet Venantius Fortunatus, Vita Germani ep. Parisiaci 62, MGH SSrM 7, Hannover 1920, S. 409f., von der Bekehrung des Juden Sigerich in Bourges, und Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 8,23, CCL 140A, S. 543, bestätigt, daß viele Juden bekehrungswillig waren: comperimus multos Iudaeorum ad christianam fidem diuina gratia inspirante uelle conuerti, sed esse necessarium ut aliquis illic ex nostro mandato debeat proficisci. Vgl. Augustinus, Tractatus in Iohannis evangelium 117,4, ed. Radbod Willems, CCL 36, Turnhout 1954, S. 653: hae quippe tres linguae ibi prae ceteris eminebant: Hebraea propter Iudaeos in Dei lege gloriantes, Graeca propter gentium sapientes, Latina propter Romanos multis ac pene omnibus iam tunc gentibus imperantes. Danach wörtlich Beda, Expositio in Lucae evangelium 6,23,38, S. 404; Alkuin, Commentaria in sancti Iohannis evangelium. Epistola ad Gislam et Rodtrudam, Migne PL 100, Sp. 981 B.
4. Judenfeinde – Judenfreunde?
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4. Judenfeinde – Judenfreunde? Das Verhältnis von Christen und Juden im Spiegel des Judenbildes Es kann nicht Absicht des folgenden Abschnitts sein, das vielbehandelte Verhältnis von Juden und Christen noch einmal ganz aufzurollen. Dieses ist, im Anschluß an die komplexe Wahrnehmung, vielmehr ausschließlich unter dem – insgesamt weniger bzw. nur unter bestimmten Perspektiven erforschten – Aspekt des Judenbildes zu betrachten. Daß eine einfache Schwarzweiß-Zeichnung den Realitäten nicht gerecht wird, daß vielmehr der Polemik und Judenfeindschaft in den Schriften in der Praxis ein Judenschutz und Privilegierungen gegenüberstehen und daß im frühen Mittelalter weithin eher Koexistenz als Judenverfolgung die Regel war, ist heute gängiger Forschungsstand:115 „I have no intention of arguing that Jewish life in medieval western Christendom was devoid of persecution and suffering. I will argue, however, that physical violence was by no means the whole of the story,“ schreibt Robert Chazan.116 Pogrome größeren Ausmaßes bleiben vor dem 1. Kreuzzug (wie auch danach) die Ausnahme, so daß man von „relations généralement paisibles“ gegenüber einer „minorité acceptée“ gesprochen hat,117 auch wenn man nicht so weit gehen darf, nun etwa die Karolingerzeit, sicherlich „l’une des plus favorables aux juifs“,118 als Epoche einer „judaisierenden Gesellschaft“ zu glorifizieren.119 Die convivencia (um einen gängigen Begriff für das Zusammenleben von Muslimen, Christen 115
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Vgl. Albert, Christians and Jews S. 162–167. (Zwangsbekehrungen), 167ff. (Privilegierungen), 169–177 (antijüdische Polemik). Zuletzt Chazan, Reassessing Jewish Life, besonders S. 158ff., der sich gegen jede einseitige Auswertung wendet. Ebd. S. 163. Vgl. ebd. S. 191: „In fact, the Jews of medieval Europe lived in relative security throughout much of the period between 1000 and 1500.“ So Gilbert Dahan, Saints, Démons et Juifs, in: Santi e demoni nell’alto medioevo occidentale (secoli V–XI), 2 Bde. (Settimane di studio del Centro italiano di studi sull’alto medioevo 36), Bd. 2, Spoleto 1989, S. 609–642, hier S. 609. So Verstrepen, Raban Maur S. 23. Jüdische Schriften zirkulierten und jüdische und christliche Scholaren tauschten Ideen aus (ebd. S. 24). Dazu neigt beispielsweise Geisel, Die Juden im Frankenreich (das Zitat auf S. 730). Auch für die Ottonenzeit hat man von einem „recht enge(n) Vertrauensverhältnis zwischen den ottonischen Herrschern und Juden“ gesprochen (so Friedrich Lotter, Zu den Anfängen deutsch-jüdischer Symbiose in frühottonischer Zeit, in: AKG 55, 1973, S. 1–34, hier S. 2).
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
und Juden im islamischen Spanien aufzugreifen und auf Juden und Christen im Abendland zu übertragen) ändert allerdings nichts an der Tatsache, daß die christlichen Schriften weithin von einer strikten Ablehnung des jüdischen Glaubens geprägt bleiben. Als ein (bekanntes) Beispiel früher Spannungen sei hier noch einmal auf den Bericht Gregors von Tours über die Juden in Clermont verwiesen (wobei Gregor die Episode vor allem erzählt, um das Verhalten des Bischofs Avitus herauszustellen):120 Der Bischof predigte den Juden andauernd, um sie zu bekehren. (Das war für Gregor offensichtlich das Ziel des christlichen Geistlichen.) Während die große Mehrzahl der Juden jedoch verstockt blieb, ließ sich einer zu Ostern taufen und prozessierte in weißen Gewändern mit den Christen. Ein Jude jedoch, wütend über den Abtrünnigen und zugleich in Pervertierung des Taufvorgangs, goß instigante diabolo ranziges Öl über
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Gregor von Tours, Historiae 5,11, S. 294–298: Sacerdos quoque orans, ut, conversi ad Dominum, velamen ab eis litterae rumpetur, quidam ex his ad sancta pascha ut baptizaretur expetiit, renatusque Deo per baptismi sacramentum, cum albatis reliquis in albis et ipse procedit. Ingredientibus autem populis portam civitatis, unus Iudaeorum super capud conversi Iudaei oleum foetidum, diabulo instigante, diffudit. Quod cum cunctus aborrens populus voluissent eum urguere lapidibus, pontifex ut fierit non permisit. Die autem beato, quo Dominus ad caelos post redemptum hominem gloriosus ascendit, cum sacerdos de aeclesiam ad basilicam psallendo procederet, inruit super sinagogae Iudaeorum multitudo tota sequentium, distructamque a fundamentis, campi planitiae locus adsimilatur. Alia autem die sacerdos eis legatos mittit, dicens: ,Vi ego vos confiteri Dei Filium non inpello, sed tamen praedicio et salem scientiae vestris pectoribus trado. Pastor sum enim dominicis ovibus superpositus; et de vobis ille verus Pastor, qui pro nobis passus est, dixit habere se alias oves quae non sunt ex ovili suo, quas eum oporteat adducere, ut fiat unus grex et unus pastor. Ideoque si vultis credere ut ego, estote unus grex, costodi me posito; sin vero aliud, abscedite a loco’. Illi autem diu aestuantes atque dubitantes, tertia die, ut credo, obtentum pontificis coniuncti in unum, ad eum mandata remittunt, dicentes: ,Credimus Iesum, filium Dei vivi, nobis prophetarum vocibus repromissum; et ideo petimus, ut abluamur baptismum, ne in hoc delicto permaneamus’. Gavisus autem nuntio pontifex, noctem sanctam pentecosten vigilias caelebratas, ad baptistirio forasmoraneum egressus est; ibique omnis multitudo coram eo prostrata, baptismum flagitavit. At ille prae gaudio lacrimans, cunctos aqua abluens, crismate liniens, in sinu matris eclesiae congregavit. Flagrabant caerei, lampades refulgebant, albecabat tota civitas de grege candido, nec minor fuit urbi gaudium, quam quondam, Spiritu sancto discendente super apostulos, Hierusalem videre promeruit. Fuerunt autem qui baptizati sunt amplius quingenti. Hii vero qui baptismum noluerunt discedentes ab illa urbe, Massiliae redditi sunt. Vgl. dazu auch Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 261ff.
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den Kopf des Getauften. Nur der Bischof verhinderte, daß der Jude daraufhin von den Christen gesteinigt wurde (auch das in Anwendung und Umkehrung altjüdischer Strafen), und zeigte damit an, daß nicht Gewalt, sondern Predigt zur Bekehrung führen sollte: „Mit Gewalt will ich euch nicht zwingen, den Sohn Gottes zu bekennen, wohl aber predige ich und streue das Salz des Wissens in eure Brust,“ läßt Gregor den Bischof wenig später verkünden. Ausgerechnet zu Ostern aber zerstörten Christen dennoch die jüdische Synagoge (auch nach damaligem Recht also eine keineswegs mehr angemessene Form der „Wiedergutmachung“). Angesichts der drohenden Gefahr stellte nun auch der Bischof die Juden vor die Wahl, sich zu bekehren oder die Stadt zu verlassen. Daraufhin ließen sich tatsächlich viele Juden – laut Gregor waren es mehr als 500 – taufen, die übrigen wanderten nach Marseille aus. Gregors Erzählung belegt – entgegen Meinungen, die eine nennenswerte Judensiedlung erst später ansetzen – nicht nur die Existenz von Juden mit eigener Synagoge (und nicht nur in den Hafenstädten), sondern zeigt darüber hinaus an, daß eine Duldung der Juden christlicherseits letztlich nur in der Hoffnung auf deren Bekehrung erfolgte, daß die Juden aber nicht minder fest an ihrem Glauben festhielten.121 Die Folge war eine latente Spannung, die bei einem entsprechenden Anlaß leicht eskalieren konnte: Solange die Juden in ihrer Religion verharrten, herrschten Mißtrauen und eine latente Judenfeindschaft. Während das Volk hier keine Geduld zeigte, ist die Haltung des Bischofs schwerer einzuschätzen. Auch wenn die spätere Alternative während des Ersten Kreuzzugs „Tod oder Taufe“ hier noch zu einer Alternative „Taufe oder Ausweisung“ abgemildert erscheint und der Bischof selbst jede Anwendung von Gewalt ablehnte, führten doch erst Gewalt und Drohungen seitens der Christen zur Taufe vieler Juden, während die Möglichkeit der Emigration zugleich dem Schutz des Lebens auch der übrigen Juden diente. Auch das symbolisiert eine nicht ganz eindeutige Haltung (obwohl die Juden sich offensichtlich nur taufen ließen, um der Gefahr zu entgehen, denn freiwillig hatte sich vorher ja nur ein Jude taufen lassen; seinen eigenen Worten nach war das gerade nicht im Sinne des Bischofs). Für Gregor selbst aber (wie wohl auch für Avitus) ist allein die Taufe der Juden entscheidend, die er als Verdienst des Bischofs und als Gottes Werk deutet. Wie sehr er das freudig erzählte Ergebnis bejubelt, zeigt sein ab121
Zur mangelnden Bekehrungsbereitschaft der Juden vgl. Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 247ff. Wenn Geisel, ebd. S. 277, für Clermont aber eine Bekehrungsabsicht bezweifelt, so stehen Gregors Nachrichten dem doch klar entgegen.
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schließender Kommentar, der den Vorfall mit der Apostelverklärung zu Pfingsten vergleicht: „Und keine geringere Freude war hier, als es einst Jerusalem zu sehen vergönnt war, da der heilige Geist auf die Apostel niederstieg.“ Einer solchen Einstellung mag auch die seit Fredegar bekannte und vielfach wiederholte Kritik an dem byzantinischen Kaiser Herakleios entsprechen, der eine Sterndeutung, daß Beschnittene sein Reich verwüsten würden, fälschlich auf die Juden bezog und diese in seinem Reich zwangstaufen oder ausweisen ließ – und das Gleiche im Frankenreich von König Dagobert erwartete –, während mit den Beschnittenen tatsächlich die Sarazenen gemeint waren, die Byzanz gerade zu seiner Zeit gefährlich bedrohten.122 Ein entsprechendes Judenbild spiegeln auch die gesetzlichen Bestimmungen wider, die bislang vor allem im Hinblick auf das Verhältnis von Juden und Christen sowie auf die Rechtsstellung und den sozialen Status der Juden ausgewertet worden sind,123 darin deutlich aber auch eine religiöse Wahrnehmung erkennen lassen. Das kann hier nur an wenigen Beispielen verdeutlicht werden. Das nach der Annahme des katholischen Glaubens durch König Rekkesvinth als besonders judenfeindlich bekannte westgotische Recht suchte zunächst die Christen und den christlichen Glauben zu schützen, indem es den Verkauf von Christen insgesamt124 oder den Besitz 122
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Fredegar, Chronicon 4,65f., S. 153; Cum esset litteris nimius aeruditus, astralocus effecetur; per quod cernens, a circumcisis gentibus divino noto emperium esse vastandum, legationem ad Dagobertum regem Francorum dirigens, petens, ut omnes Iudeos regni sui ad fidem catolecam baptizandum preciperit. Quod protenus Dagobertus emplevit. Aeraglius per omnes provincias emperiae talem idemque facere decrevit. Ignorabat, unde haec calametas contra emperium surgerit. Dem schließt sich der Bericht über die Bedrohung durch die Sarazenen an (ebd. 4,66, S. 153f.); vgl. Kapitel 2, oben S. 321. Am Ende gab Herakleios den christlichen Glauben ganz auf. Kurz faßt Regino von Prüm, Chronicon a. 605–611, S. 31, das Wesentliche zusammen: Eo anno legati regis Dagoberti Servatus et Paternus a Constantinopoli regressi sunt, petiitque imperator Dagobertum, ut omnes Iudeos regni sui secundum fidem catholicam baptizare preciperet aut de regno expelleret, siquidem in siderum signis cognoverat, quod a circumcisis gentibus divino nutu eius imperium esset vastandum. Et rex quidem hoc summo peregit studio, sed imperatori non de Iudeis, sed de Sarracenis circumcisis fuerat demonstratum. Zu den zeitgenössischen Berichten vgl. Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 340–357. Vgl. etwa Geisel, Juden im Frankenreich S. 73ff. (zur Lex Romana Visigothorum). Leges Visigothorum 12,2,9 (Gesetz Rekkesvinths), S. 416: ne Iudei questione christianos inscribant. Der Adalbertvita des Johannes Canaparius aus dem frühen 11. Jahr-
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und Verkauf 125 oder die Beschneidung christlicher mancipia verbot126 und es unter Strafe stellte, jemanden von der Taufe abzuhalten.127 Darüber hinaus wollte man ein rechtliches Vorgehen von Juden gegenüber Christen verhindern.128 Christen dürften sich nicht vom Besseren zum Schlechteren wenden und jüdische Bräuche annehmen, indem sie sich ihrerseits beschneiden ließen.129 Beschnittene Christen wurden daher bestraft, mancipia der Juden, die sich taufen ließen, hingegen aus der Herrschaft ihrer Herren befreit.130 Christen durften von Juden auch kein munus oder beneficium annehmen, sofern das contra fidem ging; 131 Juden sollten nicht über Christen herrschen132 und den christlichen Glauben nicht beleidigen.133 In solchen Verfügungen ging es offensichtlich – und zu Lasten jüdischer Herren – darum, eine Abhängigkeit der Christen von Juden (und die damit verbundene Gefahr für den Glauben) zu verhindern oder dem entgegenzuwirken. Darüber hinaus wurden Juden aber nicht nur den christlichen Gewohnheiten und Festen unterworfen, indem das Verbot der Sonntags- und Feiertagsarbeit auch für sie gelten sollte.134 Vielmehr schränkte das Gesetz in vielfacher Hinsicht auch die Religionsfreiheit der Juden ein: indem es den
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hundert zufolge verkaufte man mit einem Christen zugleich Christus selbst, dessen Leib und Glieder die Christen sind: Johannes Canaparius, Vita antiquior Adalberti episcopi 12, S. 586: Quando venduntur christiani Iudaeis, hanc venditionem patitur ipse Christus, cuius nos corpus et membra, a quo movemur et sumus. So mehrfach; vgl. Leges Visigothorum 12,2,13, S. 418ff.; 12,3,14, S. 420ff. Ebd. 12,3,13, S. 414f., regelt den Fall, daß ein Jude schwört, Christ zu sein, um christliche mancipia behalten zu dürfen. „Keinem Juden steht es zu, einen christlichen Unfreien in seiner Gewalt zu haben,“ hatte schon Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 4,21, S. 239, in einem Brief an den Bischof Venantius von Luna geschrieben: nulli Iudaeo liceat Christianum mancipium in suo retinere dominio. Leges Visigothorum 12,2,12, S. 417. Ebd. 12,3,3, S. 432f. Ebd. 12,2,10, S. S. 416f., verbot ein Zeugnis von Juden gegenüber Christen. Ebd. 12,2,16, S. 424. Ebd. 12,3,18f., S. 448. Nach ebd. 12,3,12, S. 438f., durften christliche mancipia überhaupt nicht Juden dienen. Ebd. 12,3,10, S. 437. Ebd. 12,3,17, S. 447. Ebd. 12,3,9, S. 436f. Ebd. 12,3,6, S. 434f.
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Passahtermin festlegte135 und nicht nur Inzest und Ehebruch, sondern auch Heiraten nach jüdischem Ritus136 und sogar die Beschneidung verbot137 und damit unmittelbar in zentrale Aspekte jüdischer Religionspraktiken und jüdischer Identität eingriff. So durften auch die jüdischen Feste (Sabbat, Neumondfest, Laubhüttenfest) nicht mehr nach jüdischem Ritus begangen werden,138 und die Unterscheidung von reinem und unreinem Fleisch wurde als perversitas verurteilt.139 Solche Irrtümer der Juden galt es auszurotten.140 Suchten die westgotischen Gesetze also vor allem zu verhindern, daß Juden den christlichen Glauben beeinträchtigten, so griffen sie mit solchen Bestimmungen restriktiv auch in das jüdische Leben ein und unterstellten Juden den christlichen Autoritäten. Juden, die in eine andere Stadt zogen, mußten sich dem Bischof oder Priester vorstellen,141 und auch sonst mußten Juden an bestimmten Tagen vor dem Bischof erscheinen und sich nach ihrem rituellen Bad sogar von ihm segnen lassen.142 Selbst nach der Taufe blieb eine gewisse Skepsis erhalten: So durfte kein getaufter Jude den christlichen Glauben entweihen oder wieder verlassen143 oder Christen von ihrem Glauben abbringen.144 Einmal bekehrte Juden durften nicht mehr in ihren alten Glauben zurückkehren.145 Einer solchen Einstellung entspricht es, wenn Juden hier tatsächlich auch nach ihrer Bekehrung Juden bleiben.146 Der
Ebd. 12,2,5, S. 414f. Ebd. 12,2,6, S. 415. 137 Ebd. 12,2,7, S. 415. 138 Ebd. 12,3,5, S. 434. Die Passahfeier sollte mit 100 Schlägen, Beschneidung mit Kastration geahndet werden (ebd. 12,3,4, S. 433). 139 Ebd. 12,3,7, S. 435. 140 Ebd. 12,3,1, S. 429: de cunctis Iudeorum erroribus generaliter extirpandis. 141 Ebd. 12,3,20, S. 449. 142 Ebd. 12,3,21, S. 450f. Auch das Recht, Juden zu züchtigen bzw. zu bestrafen (distringendi), stand danach nur dem Bischof zu (ebd. 12,3,23, S. 451f.). 143 Ebd. 12,2,4, S. 414: nullus Iudeorum sacre religionis christianam fidem, quam sancti percepit tinctione babtismatis, aut profanet aliquatenus aut relinquat. 144 Ebd, 12,3,4, S. 433: Ne Iudei more suo celebrent Pasca vel carnis circumcisiones exerceant ac ne christianum quemquam a fide Christi dimoveant. 145 Ebd. 12,2,18, S. 426f. 146 Ebd. 12,2,10, S. S. 416f.: Merito ergo testificari proibiti sunt Iudei, seu baptizati sive non extiterint baptizati. Hieronymus, Commentarii in Isaiam 17,60,1, S. 692, spricht bezeichnenderweise, allerdings ohne daß die Bedeutung eindeutig klar wird, von 135
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Begriff ist also erneut nicht ausschließlich religiös motiviert. (Hingegen sind bekehrte Juden für Isidor von Sevilla keine Juden mehr: Nach ihrer Taufe dürfe man sie nicht mehr Juden nennen.147) Die spanischen Konzilien gingen ganz ähnlich vor.148 Solche Verbote bezeugen das, was Kenneth Stow „a Christianizing society“ genannt hat.149 Das hinter den Bestimmungen durchscheinende, fundamental abwertende Judenbild wird deutlich, wenn in bezug auf die Speisen nach jüdischem Brauch vom „verabscheuungswürdigen Leben der Juden“ die Rede ist, „das durch die Reinlichkeit der haarsträubenden Trennung unreiner als der Irrtum allen Schmutzes ist“, den man widerlegen müsse,150 oder wenn den Juden (wieder) Nichtsnutzigkeit (nequitia),151 Unglaube und Irrtum (perfidia Iudaici erroris), Verschlagenheit (calliditas), Kriminalität und häufige Gesetzesverstöße unterstellt werden.152 Solche Gebote begründen sich hier, wie
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„Halbjuden“: Iudaei et nostri semiiudaei, qui auream atque gemmatam de caelo exspectant Hierusalem, haec in mille annorum regno futura contendunt, quando omnes gentes seruiturae sunt Israel. Nach Gratian behielten viele Juden nach ihrer Bekehrung nicht nur jüdische Riten, sondern auch den abscheulichen Brauch der Beschneidung bei (Gratian, Decretum, pars 3, dist. 4, can. 94, S. 1392): Plerique ex Iudeis, qui dudum ad Christianam fidem promoti sunt, nunc blasphemantes Christum non solum Iudaicos ritus perpetrasse noscuntur, sed etiam abhominandas circumcisiones exercere. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,10,4, S. 327: Post fidem autem non debere uocari gentes siue gentiles eos qui ex gentibus credunt; sicut post fidem dici iam non potest Iudaeus, testante Paulo Apostolo et dicente iam Christianis: ‚Quoniam cum gentes essetis,‘ hoc est, infideles. So bestimmte das 3. Konzil von Toledo, c. 14 (De Iudaeis), daß Juden weder christliche Frauen noch Konkubinen noch mancipia haben sollten. Daraus entstandene Kinder waren zu taufen; ed. José Vives (con la colaboración de Tomás Marín Martínez y Gonzalo Martínez Díez), Concilios visigóticos e hispano-romanos, Barcelona-Madrid 1963 (España cristiana 1), Nr. 12, c.14, S. 129. Das 12. Toletanum verbot ihnen unter anderem, Sabbat, Passahfest und Ostern nach ihrem Brauch zu feiern, Beschneidungen vorzunehmen, Speisen nach jüdischem Brauch zu bereiten oder am Sonntag zu arbeiten (ebd. Nr. 31, c. 9, S. 396). Stow, Alienated Minority S. 6–40. Leges Visigothorum 12,2,8, S. 415f.: merito Iudeorum detestabilis vita et discretionis horrende mundicia omni sordium errorem inmundior, et refelli oportet et habici debet. Ebd. 12,3,1, S. 429. Ebd. 12,3,1, S. 429: Perfidia Iudaici erroris sepe calliditas eo vehementius durescit in crimine, quod institutis contra se legibus nititur frequentius contraire. Vgl. ebd. 12,3,4, S. 433: obstinata Iudeorum perfidia; 12,2,15, S. 423: calliditas Iudeorum.
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die Attribute zeigen, durchweg religiös. Der Jude ist „Anhänger eines verkehrten Irrtums“.153 Ähnlich bezeichnend für das Judenbild sind weitere abfällige oder religiös abweisende Äußerungen. Allein im Abschnitt über Apostaten ist von der „Untreue“ (perfidia) der Juden, dem Irrtum ihrer Riten, der Nichtswürdigkeit ihres abscheulichen Unglaubens und vom elterlichen Irrtum und von den Juden die Rede, die in der Treulosigkeit ihres Herzens verharren.154 Ihre Gebräuche und ihr Lebenswandel seien abscheulich.155 Daß dieselben Ziele auch anders und weniger gewaltsam zu erreichen waren, zeigen fränkische Konzilien.156 So verfügt das Konzil von Orléans (541) für den Fall, daß die christlichen mancipia jüdischer Herren zur Kirche fliehen, man solle ihren Wert schätzen und den Juden entsprechend auszahlen.157 Ziel und Inhalt der Bestimmung bleiben die gleichen, doch sollte dem 153
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Ebd. 12,3,1, S. 430: ipse perversi erroris sectator. Im Anschluß werden die Gesetze wiederholt, die sich speziell gegen die Übertretungen der Juden richten (que in Iudeorum sunt transgressionibus posite), nämlich Passah- und Hochzeitsfeiern, Beschneidung, Speisegebote, Beschneidung oder Verkauf christlicher mancipia: et ne more suo celebrent Pasca, neque ut more suo fedus nuptiale copulare presumant, et ut carnis circumsiones non faciant, neque more suo indicent escas, ac ne questione christianos inscribant, neque contra christianos testificentur, et ne Iudeus christianum mancipium circumcidat; de mancipiis quoque christianis, que a Iudeis vendita aut libertati tradita esse noscuntur, qualiter statum libertatis obtineant, et ut nullo modo Iudeis mancipia deserviant christiana. Leges Visigothorum 12,2,18, S. 426f.: De perfidia Iudeorum; suorum rituum errorem; quos adhuc detestande incredulitatis fuscat nequitia et parentalis error manifestus retentat; de ceteris Iudeis, qui in perfidia cordis sui perseverantes. Nach ebd. 12,2,15, S. 423, hatten die früheren Gesetze die Absicht ad conterendam perfidiam Iudeorum. De perfidia Iudeorum handelt auch ebd. 12,2,18, S. 426. Vgl. Firmicus Maternus, Consultationes Zachhei christiani et Apollonii philosophi 2,20,1, S. 154; Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 1,1,2, Migne PL 83, Sp. 450f.; 1,4,12, S. 460 A: contra hae obicit perniciosa Iudaeorum perfidia. Leges Visigothorum 12,2,17, S. 425: Non ex omnibus, que Iudeorum usus et abominanda consuetudo vel conversatio agit, aliquatenus faciamus. Vgl. ebd. 12,3,7, S. 435: Iudeorum detestabilis conversatio. Zu deren Bestimmungen ausführlich Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 98–230. In karolingischer Zeit treten Synodalbestimmungen über Juden merklich zurück; vgl. ebd. S. 369ff. Konzil von Orléans 541, c. 30, MGH Conc. 1, S. 94: iusto praeto ab eorum dominio liberentur. Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 4,9, S. 225, bestätigt ein Auslösen, verbietet aber die Rückgabe christlicher Sklaven an jüdische Herren.
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Juden nicht zusätzlich noch ein materieller Schaden enststehen. Auch hier geht es um die Bewahrung des Glaubens: Wer einen Konvertierten (der Text spricht vom Proselyten) zum Juden machen oder einen zum Christentum Bekehrten „zum jüdischen Aberglauben“ führen will, eine christliche Magd heiratet oder einen gebürtigen Christen mit dem Versprechen der Freilassung zum Judentum bekehrt, wird mit dem Verlust der mancipia bestraft; wer aber als gebürtiger Christ zum Judentum übertritt, verliert seinerseits die Freiheit, „weil es ungerecht wäre, daß jemand, der von christlichen Eltern abstammt und zum jüdischen Kult übertritt, die Freiheit behält“.158 Auch fränkische Synoden verbieten Christen die Teilnahme an jüdischen Festmahlen, weil es ein Sakrileg wäre, ihre Speisen zu essen,159 und sie wiederholen das Verbot, Christen durch Gefangenschaft oder Betrug in den Dienst von Juden zu stellen.160 Da jetzt aber einige Juden in den Städten „sich zu solcher Unverschämtheit und Schamlosigkeit versteigen“, daß sie sich eines Freikaufs christlicher Knechte widersetzen, entscheidet das Konzil von Mâ158
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Konzil von Orléans 541, c. 31, S. 94: si quicumque Iudaeos prosilitum, qui advina dicitur, Iudaeum facire praesumpserit aut Christianum factum ad Iudaeicam superstitionem adducire vel si Iudaeo Christianam ancillam suam credediret sociandam vel si de parentibus Christianus natum Iudaeum sub promissione fecerit libertatis, mancipiorum amissione multetur. Ille vero, qui de Christianis natum Iudaeus factus est, si sub condicione fuerit manumissus, ut in ritu Iudaeico permanens habeat libertatem, talis condicio non valebit, quia iniustum est, ut ei libertas maneat, qui de Christianis parentibus veniens Iudaicis vult cultibus inherere. Noch Gratian, Decretum pars 2, causa 28, quaest. 1, can. 17, S. 1089, greift die Bestimmung auf, derzufolge die Heirat mit einem Juden oder einer Jüdin die Exkommunikation zur Folge haben sollte. So etwa das Konzil von Agde a. 506, c. 40, ed. Charles Munier, Conciliae Galliae 314–506, CCL 148, Turnhout 1963, S. 210: Omnes deinceps clerici siue laici Iudaeorum conuiuia euitent nec eos ad conuiuium quisquis excipiat: quia cum apud christianos cibis communibus non utantur, indignum est atque sacrilegum eorum cibos a christianis sumi; ferner das Konzil von Mâcon von 583, c. 15, MGH Conc. 1, S. 159: Et ut nullus Christianus Iudaeorum conviviis particepare praesumat. Vgl. auch das Konzil von Clichy a. 626 oder 627, c. 13, ebd. S. 199: Iudaeorum vero convivia penitus refutanda. Vgl. bereits Maximus von Turin, Collectio sermonum antiqua. Sermo 63,3, ed. Almut Mutzenbecher, CCL 23, Turnhout 1962, S. 267, im frühen 5. Jahrhundert: non solum autem gentilium sed et Iudaeorum consortia uitare debemus, quorum etiam confabulatio est magna pollutio. Konzil von Mâcon von 583, c. 16, MGH Conc. 1, S. 159: Et licet, quid de Christianis, qui aut captivitatis incursu aut quibuscumque fraudibus Iudaeorum servitio inplicantur, debeat observari, non solum cannonecis statutis, sed et legum beneficio iam pridem fuerit constitutum.
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con, daß fortan kein Christ mehr im Dienst eines Juden stehen dürfe (erneut aber werden die Christen für 12 solidi freigekauft), „weil es ein Frevel wäre, daß diejenigen, die Christus, der Herr, mit seinem Blut erlöst hat, in den Fesseln seiner Verfolger gefangen bleiben“,161 und es verbietet erneut, christliche mancipia „zum jüdischen Irrtum zu überzeugen“.162 Das Konzil von Clichy (Clippiacense) von 626/627 untersagt bei Androhung der Exkommunikation und Annullierung des Geschäfts entsprechend den Verkauf von Christen an Juden und Heiden.163 In solchen Bestimmungen fehlen die westgotischen Restriktionen, während die Tendenz, jüdischen Einfluß auf Christen zu unterbinden, auch hier erkennbar ist. Jenseits dieser Schwelle aber ließ man Juden offenbar freier walten. Schon Papst Gregor der Große hatte verfügt, daß Juden ihre Feste und Bräuche, die sie von alters her beachteten, auch hinfort frei ausüben können sollten.164 Mit jüdischen Frauen zu schlafen, ist für ihn hingegen gleichbedeutend mit häretischer Beschmutzung.165 161
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Ebd.: sed quia nunc ita quorundam quaerilla exorta est quosdam Iudaeos per civitates aut municipia consistentes in tanta insulentia et protervia prorupisse, ut nec reclamantes Christianos liceat vel ad praetium de eorum posse servitute absolvi: idcirco praesenti concilio Deo auctore sancimus, ut nullus Christianus Iudaeo deinceps debeat deservire, sed datis pro quolibet bono mancipio duodecim soledis ipsum mancipium quicumque Christianus seu ad ingenuitatem seu ad servitium licentiam habeat redimendi, quia nefas est, ut, quos Christus Dominus sanguinis sui effusione redemit, persecutorum vincolis permaneant inretiti. Ebd. c. 17, S. 159: ad errorem Iudaicum convictus fuerit persuasisse. Vgl. Konzil von Clichy von 626/627, c. 13, ebd. S 199: Wenn Juden ihre christlichen mancipia bekehrten, sollten diese in den Fiskus übergehen: Iudaei vero si Christiana mancipia ad Iudaismum vocare presumserint aut gravibus tormentis adflixerint, ipsa mancipia fisci ditionibus reformentur. Ebd. c. 13, S. 199: Christiani Iudaeis et gentilibus non vendantur. […] Nam si paganis aut Iudaeis vendiderint, communione priventur et emptio careat firmitatem. Vgl. auch Flodoard von Reims, Historia Remensis ecclesiae 2,5, S. 144. Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 13,13, S. 1013: Aut cur Iudaeis, qualiter cerimonia sua colere debeant, regulas ponimus, si per hoc eos lucrari non possumus? […] Itaque fraternitas tua eos monitis quidem, prout potuerit, Deo adiuuante ad conuertendum accendat et de suis illos sollemnibus inquietari denuo non permittat, sed omnes festiuitates feriasque suas, sicut hactenus tam ipsi quam parentes eorum per longa colentes retro tempora tenuerunt, liberam habeant obseruandi celebrandique licentiam. Das nimmt Gratian später in sein Decretum, pars 1, dist. 45, can. 3, S. 161, auf. Gregor der Große, Expositio in primum librum Regum 2,45, S. 146: Cum mulieribus quippe Iudaeis dormire est uariis heresibus pollui.
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Skepsis gegenüber taufwilligen Juden wird in einer (Cassiodor entnommenen) Erzählung Sigeberts von Gembloux über die Zeit des Westgotenkönigs Sigerich deutlich: Als ein Jude getauft werden sollte, verschwand, so oft man das Becken auch nachfüllte, immer wieder das Taufwasser. Das göttliche Wunder zeigte damit, so Sigebert, die perfidia der Juden an.166 Wie sehr man sich andererseits über die Taufe von Juden freute, mag eine Episode veranschaulichen, die, mit ähnlichem Hintergrund, Paschasius Radbertus in seinem Traktat über die Eucharistie berichtet: Ein ungläubiger Jude, der die Verkündigungen der Schrift weder hören noch lesen wollte und Christus zu überlisten trachtete, indem er (als Ungläubiger) das Abendmahl empfing, wurde vor den heiligen „Gottesmann“ Syrus geführt, der ihn fragte: „Du ungläubiger Geist voller Untreue, weshalb bist Du so erfüllt vom Rat des alten Feindes, daß Du den Leib Christi für so wertlos hältst?“ Als dann noch ein Wunder geschah – dem Heuchler wurde die Kehle zugeschnürt, so daß er die Oblate nicht herunterschlucken konnte, und er vermochte erst wieder zu sprechen, als der Heilige ihm die Oblate aus dem „gottesschänderischen“ Mund nahm –, wurde er gläubig und verlangte, getauft zu werden. Syrus aber dankte Gott, „der es nicht verschmähte, den jüdischen Unglauben zu bessern“. Mit diesem Juden wurden noch viele weitere getauft „und mit den Gläubigen Christi und der geistlichen Gesellschaft vereint“. Diese Episode, so Paschasius, aber habe er deshalb erzählt, damit kein Ungläubiger sich anmaße, die Eucharistie zu empfangen, bevor er nicht deren Bedeutung unterscheiden könne.167 Burchard von Worms greift bezüglich der Be-
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Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 416, S. 306: Iudeus quidam cum questus causa saepe in multis hereticorum aecclesiis baptizatus fuisset, venit etiam ad aecclesiam orthodoxorum, sub eadem intentione baptizandus. Et cum baptizari deberet, aqua fontis subito disparuit; et iterum atque iterum aqua allata et fonte repleto, iterum atque iterum aqua disparens, virtutem Dei et Iudei perfidiam ostendit. Paschasius Radbertus, De corpore et sanguine Domini 6,3, ed. Beda Paulus, CCM 16, Turnhout 1969, S. 36f.: Iudeus ergo hic incredulus nec audierat nec legerat ista praeconia Scripturarum, qui putauit Christo Sanctoque Spiritui stropham inducere. Quem uir Dei suo conspectui praesentari praecepit, atque aduenienti dixit: Incredula et perfidiae mens plena, quare tam iniqui hostis implesti consilium, ut aestimares corpus Christi uilissimum? Ecce quod clandestinus persuasor te miserum illexit ut faceres, cunctis fidelibus suis diuina uirtus ostendit. Iudeus autem, nimio dolore superatus, uoces emittere absque sermonibus non cessabat, habens in gutture malitiae suae cruciatum, quia secundum sanctissimi uaticinium Symeonis, sicut incredulis est pernicies ac ruina, ita fidelibus suis uita et exaltatio est Verbum Dei. Nam subtiliter aspicientibus miserabili libratione corpus Dominicum in ore uidebatur Iudei dependere, ita ut nec
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
kehrung von Juden das Gebot des Konzils von Agde auf, daß der Taufe ein achtmonatiger Katechumenat vorangehen müsse,168 lehnt aber eine Zwangsbekehrung ab.169 Getaufte Judenkinder aber sollten von ihren Eltern getrennt werden, um ihren Glauben nicht zu gefährden.170 Daß demgegenüber (einzelne) Juden eine bevorzugte Stellung und freien Zugang zum König genossen, bezeugt erneut bereits Gregor von Tours mit seinem „Religionsgespräch“ mit einem Juden, der familiaris am Hof König Chilperichs war und hier offenbar aus und ein ging. (Darauf ist später noch einzugehen.)171 Auch den Bischof Cautinus von Clermont stellt Gregor als judenfreundlich hin. Gregors eigene Einstellung wird jedoch wieder deutlich, wenn er diesen Bischof als einen durch und durch schlechten Menschen charakterisiert, der von allen verabscheut wurde und dem nichts heilig war. Daß er sich den Juden gegenüber zuvorkommend und ergeben (valde carus ac subditus) verhielt, indem er von ihnen Waren erhandelte, anstatt sie zu bekehren, wie es eigentlich die Sorge und Pflicht eines guten Hirten gewesen
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linguae subter compagi insideret, nec desuper immundo adhaereret palato. Postulantibus autem cunctis fidelibus pro eius miseria, uir Domini Syrus manum propriam tetendit, et sanctae Eucharistiae mysterium a sacrilego abstraxit ore, dicens: ecce nunc, incredule, liberatus es, de cetero caue huiusmodi simile ne facias et ne ulterius repetere haec praesumas, ne deterius tibi aliquid simile contingat. Iudeus ergo pedibus eius aduolutus clamabat, se Christo Domino crediturum, si sacri eum baptismatis unda perfunderet, ac pio eius conuentui eum copularet. Confitebaturque quoque intentione Dominicum corpus percipere temere praesumpsisset. Prioris etiam culpam incredulitatis ac deinceps uerae fidei firmitatem se habiturum. Tibi, inquit beatus pontifex Syrus, Deus omnipotens Pater, refero gratias, qui Iudaicam etiam perfidiam non dedignaris corrigere, sed ad tui Vnigeniti fidem ampla pietate illam convertis. Baptizato autem illo, multi etiam ex Iudeis in Christum credentes cum eo sacro sunt renati baptismate ac Christi fidelibus spiritalique coetui sunt uniti. Hanc autem ultionem cunctis diuinitus ostensam huic nostro opusculo ideo inseruimus, ne quis infidelis antequam corpus Domini diiudicet quid sit aut mortali crimine reus, priusquam Christo, per poenitentiam se ipsum probans, in pace reconcilietur, de hoc pane edere et de calice bibere temere ac negligenter praesumat. Haec pro assertione sacrae communionis dicta sufficiant, nunc ad propositum redeamus. Concilium Agathense a. 506, c. 34, Concilia Galliae 314–506, S. 207; danach Burchard von Worms, Decretum 4,81, Sp. 742. Ebd. 4,82, Sp. 742 AB: nemini deinceps ad credendum vim inferre (Conc. Toletan. 57). Ebd. 4,83, Sp. 742 C: ne parentum ultra involvantur erroribus (Conc. Tolet. 60). Gregor von Tours, Historiae 6,5, S. 268. Zum Gespräch vgl. unten S. 476ff.
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wäre (non pro salute, ut pastoris cura debet esse sollicita), wird hier zu einem weiteren Vorwurf gegenüber einem unwürdigen Amtskollegen.172 Den „Gesetzgebern“ ging es im Verhältnis von Juden und Christen weiterhin darum, die Sozialordnung nicht dadurch umzukehren, daß Juden Verfügungsgewalt über Christen erhielten. So hatte beispielsweise das Kapitular Karls des Großen „De Iudeis“ verhindern wollen, daß Kirchengut in die Hände oder Christen in die Schuldknechtschaft von Juden gerieten,173 aber auch den Münzverkehr und Handel von Wein und Getreide eingeschränkt.174 Der hier vorgeschriebene Judeneid auf den Pentateuch (in hebräischer oder notfalls in lateinischer Sprache) „bei dem lebendigen und wahren Gott und bei dem heiligen Gesetz, das der Herr dem seligen Moses auf dem Berg Sinai gab,“175 mag ein Mißtrauen gegenüber der Glaubwürdigkeit jüdischer Versprechen ausdrücken, nimmt aber doch zugleich Rücksicht auf den jüdischen Glauben. Nur bei einem Rechtsstreit zwischen Juden unterliegen diese ihren eigenen Gesetzen; bei einem Streit mit einem Christen sollen die Unterschiede gewahrt bleiben: Dem Juden stehen weder Eidhelfer noch ein Gottesurteil mit heißem Eisen zu. Während seines Eides werden ihm vielmehr ein Dornenkranz um den Hals gelegt und die Knie gefesselt, und zwischen seinen Schenkeln wird eine Dornenrute hindurch-
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Gregor von Tours, Historiae 4,12, S. 142 und 144. Capitulare de Iudeis c. 1f., MGH Capit. 1, Nr. 131, S. 258: Nemo Iudeus praesumat de ecclesia Dei aliquid recipere neque in wadio nec pro ullo debito ab ullo christiano, in auro sive in argento neque in ceteris rebus. […] Ut nullus Iudeus neminem christianum in wadium ab ullo Iudeo aut ab alio christiano mittere praesumat. Ausführlich zu diesem Kapitular: Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 402–442, der betont, daß die Bestimmungen an ältere Vorlagen anknüpfen, um sie als nicht zeitgemäß abzutun. Natürlich entsprechen Rechtsverordnungen nicht zwingend der Rechtspraxis, doch lassen sie in jedem Fall die Absichten der Gesetzgeber erkennen, auch dann, wenn dabei Älteres wiederholt wird. Capitulare de Iudeis c. 3, S. 258: Ut nemo Iudeus monetam in domo sua habeat et neque vinum nec annonam vel aliam rem vendere praesumat. Ebd. c. 4f., S. 258f.: De sacramento Iudeorum contra christanos. Mitte rumice bis a capite in circuitu pedum eius; ibi debet stare quando iurat sacramentum, et habere debet in dextro brachio quinque libros Moysi secundum suam legem, et si habere non potest secundum hebreum, tamen habeat latinitatem. […] ‚Adiuro te per Deum vivum et verum et in illam legem sanctam quam Dominus dedit ad beatum Moisen in monte Sinai […].‘
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gezogen. Bleibt er dabei unverletzt, gilt er als unschuldig.176 Mit dieser erniedrigenden Geste ist die religiöse Verachtung gegenüber dem Christusmörder ausgedrückt, doch wird das zugleich als Gottesurteil verstanden. Die Ungleichbehandlung ist gleichwohl unbestreitbar. Hatte Karls Kapitular solche (traditionellen) Beschränkungen der Juden zusammengefaßt und erweitert, so kehren die Privilegierungen Ludwigs des Frommen das ins Gegenteil um (und lesen sich geradezu wie eine Aufhebung jenes Kapitulars und der Konzilsbestimmungen):177 Den „Hebräern“ (die bald darauf in derselben Urkunde als iidem Iudei bezeichnet werden, ein weiterer Hinweis auf die Bedeutungs- und Bewertungsgleichheit beider Begriffe) werden nämlich Besitzgarantie, Abgabenfreiheit und Handelsfreiheit zugestanden, sie dürfen sogar mit fremden mancipia Handel treiben, stehen unter eigenem Recht und können sich bei Rechtsstreitigkeiten mit Christen ebenfalls mit sechs Zeugen reinigen (drei Christen und drei Juden; wenn sie selbst einen Christen verklagen, müssen das hingegen ausschließlich christliche Zeugen sein). Auch dürfen ihre Knechte nicht gezwungen oder überredet werden, sich taufen zu lassen, um sich auf diese Weise dem Dienst ihrer Herren zu entziehen. Gewiß wird man diese Sonderstellung einzelner, namentlich genannter Juden nicht verallgemeinern dürfen, doch zeigt schon ihre Aufnahme in das kaiserliche Formelbuch, daß hier mit Nachahmungen gerechnet wurde. Sie waren also sicher kein Einzelfall, und eine judenfreundliche Haltung ist auch später zumindest gelegentlich bezeugt, wie bei dem Bischof Adalbero II. von Metz, dessen Tod die Juden noch lange beweinten.178 Nach Thietmar von Merseburg kamen auch zu dem 176
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Ebd. c. 6, S. 259: Si Iudeus contra Iudeum aliquod negocium habuerit, per legem suam se defendat. Si vero contra Christianum, Christianus, si necesse fuerit, cum idoneis testibus super sanctorum pignora per sacramentum aut cum ferro ignito se exoniet. Iudeo vero circulus ex rubo in collo imponatur et stanti genua vinciantur eique virga ex rubo quinque habens cubitos manuales bene aculeata, dum sacramenti finem fecerit, inter coxas acerrime pertrahatur, et taliter se exoniet, si sanus evaserit. Daß der Judeneid in der Praxis aber sowohl auf christliche wie auf jüdische Bedürfnisse Rücksicht nahm, zeigt Annette Schmidt, so dir got helfe. Die Judeneide, in: Schulze (Hg.), Juden in der deutschen Literatur S. 87–105. Formulae Imperiales 30 und 31, MGH Formulae, ed. Karl Zeumer, Hannover 1886, S. 509ff. Beide Formeln sind sich inhaltlich sehr ähnlich. Vgl. dazu Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 497–550. Konstantin, Vita Adalberonis II. episcopi Mettensis 9, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 4, Hannover 1841, S. 661: Ergo beatus vir, cum quo, ut vere credimus, Deus erat, vere apostolicus omnibus omnia factus, ut omnes lucrifaceret, universis non modo
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Begräbnis des Erzbischofs Walthard von Magdeburg viele Juden und Waisen, „deren Vater er gewesen war, und zeigten mit lauten Klagen ihren Schmerz.179 Die bekannten Judenprivilegierungen Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms im 11. Jahrhundert knüpfen inhaltlich eng an die Formeln Ludwigs des Frommen an. Juden dürfen frei Handel treiben und nicht zur Taufe gezwungen werden. Auch hier wird es ausdrücklich untersagt, den Juden ihre mancipia […] pagana zum Zweck der Bekehrung zu entziehen, und sie dürfen auch ancillas et nutrices christianas habere et christianos ad opera facienda conducere (außer an Sonn- und Feiertagen), jedoch keinen christlichen Sklaven kaufen. Bei einem Streit zwischen Juden und Christen soll jeder nach seinem Recht schwören dürfen.180 Das alles hebt sichtlich alte gesetzliche Verbote auf. Eine entsprechende Einstellung in der Zeit Ludwigs des Frommen belegt nun gerade auch die bekannte, massive Kritik Agobards von Lyon an solcher Begünstigung von Juden (auch wenn Agobard seine Kritik gegen die kaiserlichen missi richtet und den Kaiser selbst damit – scheinbar – von den Vorwürfen ausnimmt),181 zumal sich darunter gerade auch Lyonneser Juden
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clericis sed et laicis, Iudaeis etiam dilectissimus erat, ita ut usque hodie, praetermittam christianos, ab ipsis nostrae etiam religionis infestissimis Iudaeis cotidianis luctibus et gravibus suspiriis defleatur. Thietmar von Merseburg, Chronicon 6,73, S. 362: clerus omnis flens adfuit, et Iudeorum magna et, quorum erat pater, orphanorum multitudo conveniens dolorem lamentando manifestat. DD H IV 411 vom 19. Februar 1090 für Speyer und D H IV 412 für Worms (ed. D. von Gladiss, MGH Diplomata Regum et Imperatorum Germaniae 6; Die Urkunden Heinrichs IV., Teil 1, Berlin 1941, S. 543ff.). Vgl. Agobard, De insolentia Iudeorum, ed. Lieven Van Acker, CCM 52, Turnhout 1981, S. 191–195, hier S. 192: Quos indiculos, licet ex sacro nomine uestro recitarentur, et uestro anulo essent signati, nullatenus tamen credidimus ex iudicio uestro tales prodisse. Zu Agobards Leben und Werk vgl. Allen Cabaniss, Agobard of Lyons. Churchman and Critic, Syracuse 1953, und vor allem Egon Boshof, Erzbischof Agobard von Lyon. Leben und Werk (Kölner Historische Abhandlungen 17), KölnWien 1969; zu Agobards Konflikt mit der Judengemeinde in Lyon ebd. S. 102–138. Zu Agobards Judentraktaten vgl. Cabaniss, Agobard S. 63–71; Geisel, Die Juden im Frankenreich S. 553–723; Manfred Kniewasser, Bischof Agobard von Lyon und der Platz der Juden in einer sakral verfaßten Einheitsgesellschaft, in: Kairos. Zeitschrift für Religionswissenschaft und Theologie n.F. 19, 1977, S. 203–227, der Agobards Originalität gering einschätzt; Johannes Heil, Agobard, Amolo, das Kirchengut und die Juden von Lyon, in: Francia 25, 1998, S. 39–76, der Agobards Schriften
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befinden: In seinem Brieftraktat „De insolentia Iudeorum“ beklagt sich Agobard nämlich über das Verhalten der kaiserlichen Gesandten (oder Sendboten), die sich in Lyon den Christen gegenüber schrecklich (terribiles), gegenüber Juden hingegen milde (mites) gezeigt hätten, wie auch über die Überheblichkeit oder Unverschämtheit (insolentia) der Juden, die Gott und Christus lästerten und ihn selbst anfeindeten. Das „verkehre“ die Norm,182 wie es eigentlich sein sollte, freue die Juden und mache die Christen traurig, wenn sie hörten, daß die Juden in den Augen des Kaisers nicht zu verabscheuen, sondern ihm teuer, ja teurer selbst als Christen seien.183 Die Juden brüsteten sich bereits mit solchen Privilegien (daß kein jüdischer Sklave gegen den Willen seines Herrn getauft werden durfte).184 Es geht Agobard zunächst also um die Einhaltung der (bestehenden) Judengebote und um die Abschaffung von Mißständen (so pflegten Juden nach seinem Bericht den Christen als unrein angesehenes Fleisch zu verkaufen). Der Kaiser solle wissen, wie der christliche Glaube durch die Juden geschädigt werde.
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und die Polemik ganz aus der konkreten Situation heraus betrachtet. Agobards Judenbild wird in diesen Arbeiten durchweg nur indirekt angesprochen. Vgl. aber Aurast, Verwandte Feinde S. 198ff.; Dies., What Did Christian Authors Know. Ausführlich zur antijüdischen Polemik Agobards: Anna Beth Langenwalter, Agobard of Lyon. An Exploration of Carolingian Jewish-Christian Relations, Diss. Toronto 2009 (online verfügbar unter: https://tspace.library.utoronto.ca/handle/ 1807/19051), der es (S. 128–143, zusammenfassend S. 217f.) dabei aber vor allem um den Nachweis geht, daß Agobard nicht in der westgotischen, sondern in der Tradition der karolingischen Reform stand (was freilich seinerseits die Frage nach Agobards Sonderstellung in diesem Kreis bezüglich seiner Judenpolemik aufwirft). Zu Recht macht Langenwalter (ebd. S. 177ff.) darauf aufmerksam, daß die Judenfrage insgesamt nur einen kleinen Teil in Agobards Schrifttum ausmacht und daß es ihm vor allem um die Einheit und Reinheit seiner Kirche geht (ebd. S. 186ff.). Dabei bereiten ihm die Juden allerdings die größten Sorgen (ebd. S. 211). Agobard von Lyon, De insolentia Iudeorum S. 192: Roboratur quoque haec peruersitas ex uerbis missorum. Ebd.: His causis laetificati sunt Iudaei ultra modum, et contristati christiani […]. […] dicentes, quod Iude˛i non abhominabiles, ut plerique putant, sed cari essent in oculis uestris, et hominibus eorum dicentibus ex parte meliores eos habitos quam christianos. Zu Agobards Plädoyer für eine Trennung vgl. auch Langenwalter, Agobard S. 154. Agobard von Lyon, Contra praeceptum impium de baptismos Iudaicorum mancipiorum, ed. Lieven Van Acker, CCM 52, Turnhout 1981, S. 185: Quoddam praeceptum Iudaei circumferunt, quod sibi datum ab imperatore gloriantur, in quo continetur, ut mancipium Iudaicum absque uoluntate domini sui nemo baptizet.
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Demgegenüber besteht Agobard auf einer Einhaltung der Normen und auf der Scheidung beider Religionen im täglichen Zusammenleben (de discretione utriusque religionis, ecclesiastice˛ et Iudaice), hatte er doch selbst den Christen gepredigt, daß Juden keine christlichen Unfreien verkaufen, keine Christen nach Spanien weiterverkaufen oder christliche Tagelöhner haben sollten, daß Frauen mit ihnen nicht den Sabbat feiern und statt dessen am Sonntag arbeiten oder in der Fastenzeit mit ihnen speisen sollten, daß ihre Beschäftigten in der Fastenzeit nicht Fleisch essen oder daß Christen ihnen nicht Opferfleisch abkaufen und an Christen weiterverkaufen oder ihren Wein trinken sollten.185 (Das alles war, wenn Agobard dagegen anpredigte, tatsächlich allerdings wohl gängige Praxis.186) Mit Juden, die Christus verhöhnten, dürfe es, so Agobard (mit Hieronymus), keine Speiseund Trinkgemeinschaft geben.187 Die Begünstigung von Juden berge Gefahren für die Christenheit,188 wenn sie sich gegenüber einfältigen Christen nämlich damit brüsten können, wie lieb sie dem Kaiser der Patriarchen wegen seien und wie ehrenvoll sie bei ihm ein- und ausgingen und daß selbst herausragende Persönlichkeiten ihre Predigt und ihren Segen erheischten, oder wenn sie (nach Agobard falsche) kaiserliche Schutzbriefe vorweisen könnten und wenn unerfahrene Christen sogar meinten, sie predigten besser
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Ders., De insolentia Iudeorum S. 192f.: Haec passi sumus a fautoribus Iude˛orum, non ob aliud, nisi quia praedicauimus christianis ut mancipia eis christiana non uenderent, ut ipsos Iude˛os christianos uendere ad Hyspanias non permitterent nec mercennarios domesticos habere, ne femine˛ christiane˛ cum eis sabbatizarent et ne diebus dominicis operarentur, ne diebus xlme˛ cum eis pranderent et mercennarii eorum isdem diebus carnes manducarent, ne quilibet christianus carnes a Iude˛is immolatas et deglubatas emeret et aliis christianis uenderet, ne uinum illorum biberent, et alia huiusmodi. Vgl. Bat-Sheva Albert, Adversus Iudaeos in the Carolingian Empire, in: Limor/ Stroumsa (Hg.), Contra Iudaeos S. 119–142, hier S. 135ff. Agobard, Amolo und Florus scheiterten daran, die strikt antijüdischen westgotischen Einstellungen in das Frankenreich einzuführen (so ebd. S. 142). Agobard von Lyon, De insolentia Iudeorum S. 193: Et ideo, cum procul dubio nouerimus blasphematores et, ut ita dicam, maledictores esse Iudeos Domini Dei Christi et fidelium eius christianorum, non debemus eis coniungi participatione cyborum et potuum, iuxta modum dumtaxat a sanctis patribus et exemplis datum et uerbis praeceptum. Agobard zitiert hier Hieronymus, Commentarii in prophetas minores. In Amos 1,1,12, S. 225. Agobard von Lyon, De insolentia Iudeorum S. 194: Haec, piissime domine, de multis pauca dixi de perfidia Iudeorum, de ammonitione nostra, de lesione christianitatis, que fit per fautores Iudeorum, nesciens, utrum peruenire possit ad uestram notitiam.
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als unsere Priester (und all das trete ein, wenn christliche Märkte um ihretwillen vom gewohnten Samstag auf einen anderen Tag verlegt würden).189 Agobard fügt dem noch den Bericht eines aus Córdoba entflohenen Christen ein, der vor 24 Jahren als Kind von einem Juden dorthin verkauft worden sein soll, und das sei kein Einzelfall gewesen.190 Allerdings betont Agobard (mit Hieronymus) auch, daß man gegenüber Juden keinerlei Gewalt gegen ihr Leben, ihre Gesundheit oder ihren Reichtum anwenden dürfe, sondern Vorsicht und Menschlichkeit walten lassen müsse.191 Agobards Invektiven bezeugen nicht nur die sehr gegensätzlichen Einstellungen – und offenbar ist nicht Agobards Meinung die vorherrschende –, sondern auch eine tatsächlich gängige Praxis des (ungezwungenen) Zusammenlebens, das gleichwohl Kirchenfürsten wie dem Erzbischof von Lyon völlig „gegen den Strich“ geht. Dieselben Forderungen stellt Agobard auch in einem Brief an den Erzbischof Nibridius von Narbonne: Wie das Gesetz einst den Juden Heiraten und Gastmähler mit Heiden verboten habe, damit sie durch solch enge Kontakte nicht etwa vom Gotteskult zum Götzenkult abfielen, so müßten jetzt gleichermaßen die Christen davon abgehalten werden, mit den ungläubigen Juden Speise-, Trink- oder Wohngemeinschaften aufrechtzuerhalten, um nicht „den Fallen ihrer Irrtümer zu erliegen“ und vom christlichen Glauben abzuweichen.192 Das Judenbild selbst bleibt in 189
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Ebd.: Tamen summopere necesse est, ut sciat piissima sollicitudo uestra, quomodo nocetur fides christiana a Iudaeis in aliquibus. Dum enim gloriantur mentientes simplicibus christianis, quod cari sint uobis propter patriarchas, quod honorabiliter ingrediantur in conspectu uestro et egrediantur, quod excellentissime persone cupiant eorum orationes et benedictiones […], dum ostendunt praecepta ex nomine uestro aureis sigillis signata […]; ad hoc peruenitur, ut dicant imperiti christiani melius eis praedicare Iudeos quam presbiteros nostros, maxime cum et supradicti missi, ne sabbatismus eorum impediretur, mercata, que in sabbatis solebant fieri, transmutari praeceperint, et quibus diebus deinceps frequentari debeant, in illorum optione posuerint. Ebd. S. 195. Ebd. S. 193: Ceterum, quia inter nos uiuunt, et maligni eis esse non debemus, nec uite aut sanitati uel diuitiis eorum contrarii, obseruemus modum ab Eclesia ordinatum, non utique obscurum, sed manifeste expositum, qualiter erga eos cauti uel humani esse debeamus. Nach dem Editor folgt die Stelle wieder Hieronymus, ep. 129,4, doch ist der Wortlaut dort nicht zu finden. Agobard von Lyon, De cavendo convictu et societate Iudaica, ebd. S. 232: ut, quomodo ipsis quondam lex Dei praecipiebat, ne cum gentibus matrimonium copularent neue cum eis commune conuiuium celebrarent, ne uidelicet per consortia nuptiarum et communionem cyborum a diuino quidem cultu deficerent, idolatriae autem iugo liberta
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Agobards Schriften, denen es um das konkrete Zusammenleben geht, allerdings eher undeutlich, die Wahrnehmung der Religion erschöpft sich weitgehend, aber doch nicht vollständig, in Vorstellungen des Unglaubens (also der Abgrenzung vom Christentum) und bezieht sich auf solche Elemente, die ein christlich-jüdisches Zusammenleben beeinflußten. Darauf ist im nächsten Abschnitt noch einmal zurückzukommen.
5. Religiöse Wahrnehmung: Wissen über den jüdischen Glauben Vor diesem Hintergrund ist nun das Wissen um die andere Religion genauer zu betrachten. Dabei kann es in diesem Zusammenhang nicht darum gehen, christliches Wissen über die jüdische Religion und deren Quellen im einzelnen nachzuweisen und zu bewerten.193 Den Talmud etwa bezog im frühen 12. Jahrhundert zuerst der konvertierte Jude Petrus Alfonsi in die Diskussion ein, der ihn natürlich kannte.194 Petrus Venerabilis zitiert dann sogar aus dem Talmud und setzt sich mit seinen Aussagen auseinander.195 Hier ist lediglich aufzuzeigen, daß ein solches Wissen durchaus vorhanden war, obwohl es nirgends (und nicht einmal in den Religionsgesprächen) geschlossen oder gar um solcher Kenntnisse willen zusammengetragen wurde, sondern wiederum nur um ganz anderer Zwecke willen durchscheint. Ein solches, zwangsläufig eher heterogenes und ausgewähltes Wissen um Feste und Riten, Schrifttradition, Sprache und Geschichte Israels ist beispielsweise in der karolingischen Bibelexegese, wie Johannes Heil betont, durchaus vorhanden, steht aber selbst dort stets in einem funktionalen Zusammen-
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tem animi inclinarent, ita nunc et noster populus inhibeatur, ne cum Iudeis infidelibus uescendi participium, consortium bibendi, habitandi contubernium habere praesumant, ne sub praetextu societatis huius a simplicitate quidem christiane fidei exorbitent, Iudaicis uero fabulis adtendentes inextricabilibus errorum laqueis implicentur, cumque nos neminem illorum humanitate tanta et benignitate, qua erga eos utimur, ad spiritalem fidei nostrae uirtutem ualeamus adducere, pars aliqua ex nostris, dum libenter carnalibus eorum uictibus communicat, spiritalibus epulis capiatur. Vgl. dazu vor allem die Arbeiten von Yuval, Zwei Völker in deinem Leib, und Przybylski, Kulturtransfer. Vgl. Abulafia, Christian-Jewish Relations S. 210. Petrus Venerabilis, Aduersus Iudeorum inueteratam duritiam 5, S. 125f. (und öfter).
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hang.196 Daß ein solches Wissen existierte, hat sich ebenso bereits an der westgotischen Gesetzgebung gezeigt, die sich, bei aller antijüdischen Tendenz, über die Formen und Rituale des jüdischen Glaubens und Kultes informiert zeigt. Man weiß dort (natürlich) nicht nur von Passah und Sabbat, von Beschneidung und Speisegeboten, sondern kennt auch die wichtigen jüdischen Feste (Sukkot/Laubhüttenfest und Neumondfest).197 Ganz ähnlich kennt Agobard von Lyon die Hintergründe der „Mißstände“, die er anprangert, und er weiß um die jüdischen Schlachtbräuche und die Unreinheit bestimmter Tiere, auch wenn er manches mißverstanden haben mag:198 Juden, so schreibt er, töten ihre Tiere mit drei Schnitten. Das Fleisch gilt als unrein, wenn die Leber verletzt wird, wenn sich die Lunge zur Seite neigt oder noch vom Atem aufgebläht wird, wenn man die Galle nicht findet und anderes mehr (und, wie erwähnt, beklagt Agobard, daß die Juden dieses unreine Fleisch den Christen verkaufen).199 Ähnliches gilt für den Umgang mit Blut.200 Juden würden manche Tiere essen, manche verschmähen,
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Heil, Kompilation S. 188–206. Leges Visigothorum 12,3,5, S. 434. Wahrscheinlich liegt bei chosch (und) chodesch, die eher auf Speisen verweisen, eine Verwechselung vor; gemeint ist offenbar das Neumondfest (Rosch hadesh) oder das Neujahrsfest (Rosch ha-Schana). Die wichtigen Feste der Juden beschreibt schon Isidor von Sevilla, De natura rerum, ed. Jean Fontaine, Isidore de Séville, Traité de la nature 1,3 (Bibliothèque de l’École des Hautes Études Hispaniques 28), Bordeaux 1960, S. 173ff. Vgl. Albert, Adversus Iudaeos S. 137: „Agobard’s information on Jewish mystical beliefs was totally original, and was based on Jewish sources“; Przybilski, Kulturtransfer zwischen Juden und Christen S. 76f. Zu möglichen jüdischen Quellen Agobards vgl. Langenwalter, Agobard S. 169ff., allerdings mit dem Ergebnis, daß es letztlich unsicher bleibt, woher der Erzbischof seine Informationen bezogen hat. Zu Agobards „Wissen“ über die Religion der Juden hinter seiner Polemik vgl. auch Aurast, What did Christian authors know. Agobard von Lyon, De insolentia Iudeorum S. 193: Est enim Iude˛orum usus, ut, quando quodlibet pecus ad esum mactant, ut subactum idem pecus tribus incisionibus non fuerit iugulatum, si apertis intraneis iecur lesum apparuerit, si pulmo lateri adhe˛serit uel eum insufflatio penetrauerit, si fel inuentum non fuerit, et alia huiusmodi, he˛c tamquam inmunda a Iude˛is repudiata christianis uendantur, et insultario uocabulo christiana pecora appellentur. Ebd.: de humore uero, quod et ipsi inmundum fatentur, et non eo utuntur, nisi ad uendendum christianis, si contigerit, ut in terram defluat quolibet loco licet sordido, festinantes auriunt iterum de terra et ad conseruandum in uasa remittunt. Qualiter uero et alia improbanda circa illud agant, non solum de christianis, sed et de Iudaeis
5. Religiöse Wahrnehmung: Wissen über den jüdischen Glauben
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schreibt weit unbestimmter bereits Augustin.201 Eine Reihe abgrenzender Beobachtungen flicht im 12. Jahrhundert Andreas von St. Viktor in seinen Heptateuchkommentar ein: Juden folgten nicht dem Sonnenjahr mit zwölf, sondern dem Mondjahr mit dreizehn Monaten,202 sie beachteten bestimmte, alttestamentliche Speisegebote,203 äßen kein Fleisch und keine Milchprodukte von Tieren, die gehen können204 oder die sie Gott opferten, wie Rind, Schaf und Ziege,205 und sie benutzten in ihren Synagogen bis heute quadratische Tücher mit hyazinthfarbenen Fäden.206 (Die Juden, meint kritisch dazu Wilhelm von Saint-Thierry, sündigten, indem sie unreine Speisen nicht äßen.207)
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multi sunt testes. Jüdische Speisegewohnheiten spricht mehrfach auch Christian Druthmar von Corvey in seinem Matthäuskommentar an; vgl. Christian Druthmar, Expositio in Matthaeum evangelistam 20, Migne PL 106, Sp. 1331 D (Juden würden Schweine nicht nur nicht essen, sondern nicht einmal berühren); ebd. 31, Sp. 1362 AB (zur Bereitung von Sabbatspeisen). Augustinus, Sermo 149, Migne PL 38, Sp. 800: Iudaei enim acceperant certa animalia quae manducarent, et certa a quibus abstinerent. Andreas von St. Viktor, Expositio super Heptateuchum. In Exodum 12,2, ed. Charles Lohr und Rainer Berndt, CCM 53A, Turnhout 1986, S. 111: Nos, qui secundum cursum solis annum terminamus, menses duodecim, Iudaei uero, qui lunam sequuntur, quandoque tredecim menses habent. Ebd. In Exodum 12,26, S. 113: Alii caerimonias proprie in obseruationibus Iudaeorum credunt, abstinentiam scilicet quarundam escarum secundum ueterem legem, eo quod obseruantes careant his rebus, quibus se abstinuerunt. Zu jüdischen Speisegeboten in christlicher Wahrnehmung vgl. Resnick, Marks of Distinction S. 144–174. Andreas von St. Viktor, Expositio super heptateuchum. In Exodum 23,19, S. 137: Obseruant usque hodie Iudaei, ut nullius gressibilis animalis carnes – in lacte uel cum aliquo eorum, quae de lacte fiunt, ut caseo uel butyro et huiusmodi, coctas – comedant. Ebd. In Leuiticum 3,17, S. 173: Non est intelligendum, quod omnino adipem sicut et sanguinem Dominus Iudaeis interdixerit, sed illorum tantum animalium, de quibus oblatio Domino fieri solet, sicut et bos, ouis et capra. Ebd. In Numeros 15.38, S. 197: Quadratae formae palliis utebantur Iudaei, tamquam si quis in tela quattuor ulnarum in medio capitium faciat, qua indutus duas ulnas habeat ab anteriori parte et duas a posteriori. In huiusmodi uestis quattuor angulis usque hodie in synagogis suis habent Iudaei fimbrias hyacinthinas ob recordationem legis caelitus datae. Wilhelm von Saint-Thierry, Expositio super epistulam ad Romanos 7,14, ed. Paul Verdeyen, CCM 86, Turnhout 1898, S. 183: Sicut enim idolothyta, quae immunda erant, munda efficiebat fideliter sumentium conscientia, sic quae munda erant, infi-
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Das Wissen um jüdische Feste und Gebräuche verbindet sich meistens mit einer Kritik. So moniert schon Isidor von Sevilla, daß die Juden den Sabbat falsch, nämlich wörtlich statt geistlich verstehen und deshalb nicht begreifen, was er eigentlich bedeutet.208 Beschneidung, Sabbat, ungesäuertes Brot, Ostern: alles verstehen sie weltlich und verkennen damit die im Neuen Testament offenbarte Gnade Christi.209 Nicht der Sabbat, sondern der Sonntag sei zu feiern, verkündet das Konzil von Friaul, für dessen Text Paulinus von Aquileja verantwortlich ist.210 Hinkmar von Reims zitiert aus einem Brief des Papstes Nikolaus I. über Vorwürfe der Griechen gegenüber der lateinischen Kirche. So behaupteten jene (natürlich zu Unrecht), die Lateiner würden Ostern nach dem Brauch des jüdischen Passahfestes feiern und über dem Altar mit dem Leib des Herrn zugleich ein Lamm segnen und opfern.211 Ebenso fallen Oster- und Passahfest nicht nur zeitlich auseinan-
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deliter sumentium aestimatio faciebat immunda. Hoc propter Iudaeos, qui cibos per legem uetitos tangere recusantes, peccabant in non comedendo. Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 2,15,1, Sp. 522 AB: Merito Sabbatum carnaliter Iudaei custodirent, si quid sit Sabbatum nossent. Nomen quidem Sabbati usurpant, sed quid ipsum valeat ignorant. Legem carnaliter custodire delectantur, dum tota spiritualiter intelligatur, dicente Domino per prophetam: Aperiam in parabolis os meum, loquar propositiones ab initio saeculi (Ps 77,2). Ergo si lex et prophetae in parabolis et in aenigmatibus constat, non est accipienda Sabbati observatio nisi spiritualiter. Ders., Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Uetus Testamentum. In Genesim 6,10, Migne PL 83, Sp. 225 AB: Id est, ideo populum Iudaeorum maledictum agnoscit, et ostendit Ecclesia, quoniam, occiso Christo, adhuc operatur terrenam circumcisionem, terrenum Sabbatum, terrenum azymum, terrenum pascha, quia omnis terrena operatio habet occultam virtutem intelligendae gratiae Christi, quae non datur Iudaeis in impietate et infidelitate perdurantibus, quia Novo Testamento revelata est. Vgl. Alkuin, Enchiridion seu expositio pia ac brevis in psalmos poenitentiales. In ps. CXVIII et graduales v. 98, Migne PL 100, Sp. 610 B: Inimici prophetae Iudaei sunt, qui spiritualiter non intelligunt. Concilium Foroiuliense a. 796/97, c. 13, MGH Conc. 2,1, Nr. 21, S. 194f.: Ipsum est enim sabbatum Domini delicatum, de quo scriptura dicit: Qui fecerit in eo opus servile, id est peccati, morte moriatur. Porro si de illo sabbato diceret, quod Iudaei caelebrant, quod est ultimum in ebdomada, quod et nostri rustici observant, diceret tantum ‚sabbatum‘ et nequaquam adderet ‚delicatum‘ et ‚meum‘. Annales Bertiniani a. 867, S. 139: dicentes etiam, quod in pascha more Iudaeorum super altare pariter cum dominico corpore agnum benedicamus et offeramus (nach Nikolaus I., ep. 100, ed. Ernst Perels, MGH Epp. 6, Berlin 1925, S. 603).
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der, wie Beda feststellt,212 sondern auch in ihrer (symbolischen) Bedeutung: Am Passahfest der Juden wird ein Lamm geopfert, meint Aelred von Rievaulx, am Passahfest der Christen wird Christus geopfert, am Passahfest der Heiligen aber werde Christus verherrlicht.213 Denn Ostern werde anders gefeiert, seit nicht einzig die Juden, sondern das gesamte Menschengeschlecht vom Tod zum Leben, vom Teufel zu Christus übergegangen sei.214 Immer wieder angesprochen wird die Sitte der Beschneidung215 als Kennzeichen der Juden, die sich, wie Isidor von Sevilla ausführt, dadurch seit Abraham von den anderen Völkern unterscheiden sollten, mit denen sie zusammen lebten (um zugleich klar zu machen, daß dieses Zeichen nur bis zur Ankunft Christi seinen Sinn hatte).216 Tatsächlich übten die Juden, so lautet ein häufiger Vorwurf, daher nicht nur die Beschneidung des Fleisches, sondern auch die Beschneidung des Herzens.217 Origenes hatte sogar danach 212
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Beda, Historica ecclesiastica 3,4, SC 490, S. 34: quem tamen et antea non semper in luna quarta decima cum Iudaeis, ut quidam rebantur, sed in die quidem dominica, alia tamen quam decebat, ebdomada celebrabant. Aelred von Rievaulx, Sermo 61,4, S. 139: In Pascha Iudaeorum immolatus est agnus; in Pascha Christianorum immolatus est Christus; porro in Pascha sanctorum glorificabitur Christus. Ders., Sermo 62,3, S. 145: Celebratum est et aliud Pascha quando non modo Iudaei, sed et humanum genus transiuit de morte ad uitam, de iugo diaboli ad iugum Christi, de seruitute tenebrarum ad libertatem gloriae filiorum Dei, de immundis cibis uitiorum ad panem illum uerum – panem utique angelorum – qui de se ipso ait: Ego sum panis uiuus qui de caelo descendi. Vgl. dazu auch Heil, Kompilation S. 181–188, zur Exegese des 9. Jahrhunderts; Resnick, Marks of Distinction S. 53–92. Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 2,16,1, Sp. 524f.: Accipe ergo primum causam circumcisionis. Quia enim ex semine Abrahae secundum carnem futurus erat Christus, in quo cunctarum gentium fuerat benedictio repromissa, et ab Abraham usque ad Christum multa erant saecula post futura, praevidens Deus ne genus Abraham reliquis gentibus misceretur, et paulatim propago eius fieret incerta, populum Iudaicum circumcisionis signo notavit, ut viventes inter Aegyptios atque Assyrios, inter Babylonios, sive Chaldaeos, hoc signaculo ab iis, vel a caeteris gentibus nationibusque distinguerentur. Vgl. Augustinus, Enarrationes in psalmos. Ps. 75,1, ed. Eligius Dekkers und Jean Fraipont, CCL 39, Turnhout 1956, S. 1035: sunt ergo Iudaei in circumcisione carnis, et sunt Iudaei in circumcisione cordis; Ders., De spiritu et littera 8,13, ed. Carl F. Urba/Joseph Zycha, CSEL 60, Wien 1913, S. 165: Iudaeus est et circumcisione cordis, qui spiritu, non littera, cuius laus non ex hominibus, sed ex Deo. Der Bezug geht auf den Römerbrief des Paulus (2,29) zurück und wird noch vielfach aufgegriffen.
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unterschieden, ob jemand (tatsächlich) Jude war (nämlich derjenige, der heimlich durch die Beschneidung seines Herzens beschnitten war) oder sich nur Jude nannte (nämlich sichtlich fleischlich beschnitten war).218 Man weiß ferner um die Opferbräuche, die, wie Hieronymus kritisch vermerkt, jüdische Rituale sind, die dem christlichen Gesetz widersprechen,219 oder um Unterschiede im Psalmengesang, der auch von den Christen weitergeführt werde, dem die Juden jedoch nur dort ein Alleluja anfügen, wo es der Psalter ausdrücklich vorschreibt.220 Kritisch wird es betrachtet, wenn jemand die Witwe seines Bruders heiratet (weil die Heirat mit Verschwägerten für die Christen ebenfalls Inzest ist); das sei „Judaismus“, vermerkt die Synode von Rom von 745.221 Die wenigen Beispiele sollen genügen, um zu verdeutlichen, daß es durchaus ein Wissen um die jüdischen Gebräuche gab,222 das zweifellos nicht nur
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Origenes, In epistulam Pauli ad Romanos explanatio 2,8 (in der lateinischen Übersetzung Rufins), ed. Caroline P. Hammond Bammel (Aus der Geschichte der lateinischen Bibel 16), Freiburg 1990, S. 141: Primo namque hoc obseruandum est quod non dixit de eo: si autem tu Iudaeus es, sed Iudaeus cognominaris; quia non idem est esse Iudaeum et cognominari Iudaeum. Ipse etenim Paulus docet in consequentibus quia uere Iudaeus ille sit qui in occulto circumcisus est circumcisione cordis qui spiritu non littera legem custodit, cuius laus non ex hominibus sed ex Deo est. Qui autem in manifesto in carne circumcisus est legem ad hoc obseruans ut uideatur ab hominibus iste non est uere sed cognominatur Iudaeus. Das wird aufgegriffen von Sedulius Scottus, Collectanea in omnes beati Pauli epistolas 1: In epistolam ad Romanos 2,17, Migne PL 103, Sp. 184 D (ed. H. J. Frede und H. Stanjek, Sedulii Scotti Collectaneum in apostolum, Vetus Latina. Aus der Geschichte der lateinischen Bibel 31, 1996, S. 61; diese Edition war mir leider nicht zugänglich). Hieronymus, Commentarii in Isaiam 18,66,3, S. 771f.: qui offert oblationem et sacrificium, quasi qui sanguinem suillum offerat. quod et ipsum lege prohibetur, tales sunt caeremoniae Iudaeorum. Hieronymus, Commentarioli in psalmos. Ps. 104, ed. Germain Morin, CCL 72, Turnhout 1959, S. 229f.: alleluia. usque hodie consuetudinis Iudaeorum est, ut nulli alteri psalmo alleluia in canendo subnectant, nisi ei qui in psalterio alleluia praescriptum aut subiectum habet. nos autem indifferenter uti solemus, etiam in his psalmis alleluia dicentes, qui aut historiam replicant, aut per paenitentiam lacrimabiliter ingemescunt, aut de inimicis uictoriam postulant, aut ut de angustia liberemur precantur. Concilium Romanum 5, MGH Conc. 2,1, Nr. 5, S. 40. Eine Kenntnis des jüdischen Milieus entnimmt Verstrepen, Raban Maur S. 48–51, auch dem Kommentar des Hrabanus Maurus zu den Königen. Hraban informiert über die wörtliche jüdische Exegese ebenso wie über die verschiedenen Kontroversen
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aus der (gemeinsamen) Tradition, sondern auch aus dem Zusammenleben resultierte. Die christliche Wahrnehmung ist folglich keineswegs von Unkenntnis der jüdischen Religion bestimmt. Gerade wenn sich Agobard und andere über ein (zu) enges Zusammenleben beklagten und verhindern wollten, daß Juden und Christen zwanglos miteinander verkehrten, enthüllt der kritisierte Umgang zugleich Kenntnisse über die jüdischen Bräuche. Damit ist allerdings keineswegs gewährleistet, daß man die jüdischen Bräuche auch richtig verstanden hat oder gar über ihre religiösen Hintergründe und den jüdischen Glauben an sich informiert war, soweit das nicht traditionell auf den alttestamentlichen Vorschriften beruhte. Das Wissen impliziert nicht zwangsläufig auch ein Verständnis des anderen Glaubens (und manches ist tatsächlich mißverstanden worden). Entscheidend ist den Autoren vielmehr, daß sich alle diese Bräuche, von denen man wußte, aus christlicher Sicht überlebt hatten. Das Wissen darum verbindet sich daher mit der Kritik, daß die Juden das Neue Gesetz, das Christus in die Welt brachte, nicht verstanden hätten. Juden, so Isidor von Sevilla, hätten ihren Glauben, ihr Gesetz und das Zeichen der Beschneidung unter den heidnischen wie unter den christlichen Königen beibehalten, während alle anderen Völker im Römischen Reich nach und nach zum römischen Kult übergetreten seien: erst zum heidnischen, dann zum christlichen.223 Solche Bewertungen des Judentums müssen daher noch näher betrachtet werden.
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aus christlicher Sicht (ebd. S. 53f.). Dabei zeigt er sich über die Debatten der beiden religiösen Gemeinschaften ebenso auf dem Laufenden wie über die Deutungen der biblischen Christusprophetien und den theologischen Stand der Juden (ebd. S. 55). Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Uetus Testamentum. In Genesim 6,17f., Sp. 226 BC: Hoc revera mirabile est, quemadmodum omnes gentes quae a Romanis subiugatae sunt, in ritum Romanorum sacrorum transierint, eaque sacrilegia observanda et celebranda susceperint; gens autem Iudaeorum sive sub paganis regibus, sive sub Christianis, non amiserit signum legis et circumcisionis suae, quo a caeteris gentibus populisque distinguitur; sed et omnis imperator vel rex qui eos in suo regno invenit, cum ipso signo suo invenit et non occidit. Danach nahezu wörtlich: Hrabanus Maurus, Commentaria in Genesim 2,1, Sp. 507 A.
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6. Bewertung und Abschätzung: antijüdische Einstellungen und Anschuldigungen a. Die Grundzüge antijüdischer Polemik Solches Wissen wird vor allem in polemischer Absicht angewandt, um das Judentum als falsche Religion zu erweisen. Feststellungen über religiöse Differenzen werden so zu Vorwürfen und Anschuldigungen. Juden werden immer wieder als Feinde der Christen224 oder als Feinde der Kirche225 charakterisiert: „Sie vernichteten in den Städten, die sie durchzogen, die gottlosen Reste der Juden,“ schreibt Frutolf von Michelsberg anläßlich der Judenverfolgungen des Ersten Kreuzzugs, „als wahrhaft innere Feinde der Kirche, entweder vollständig oder zwangen sie zur Rettung durch die Taufe; viele aber kehrten später, wie Hunde zum Erbrochenen, zu (ihrem früheren Glauben) zurück.“226
Deutlicher kann eine Stellungnahme kaum erfolgen, obwohl Frutolf das Vorgehen der Christen durchaus nicht billigt und die incerti duces dieser sogenannten Volkskreuzzüge tadelt und als Heuchler abtut227 und obwohl gerade er vielfach als besonnener und in seinem Urteil zurückhaltender Chronist gelobt wird und das Geschehen selbst (leicht) in Frage stellt: „Ob das nach Gottes Urteil geschah oder ob ihm das gefiel, muß ihm selbst überlassen bleiben.“228 Man wird aus solchen Worten zumindest eine Un-
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Vgl. etwa Quodvultdeus, Sermo 4 (Contra Iudaeos, paganos et Arianos) 18, ed. R. Braun, CCL 60, Turnhout 1976, S. 253: o Iudaei Christi inimici, ut ex ipsis alii pagani conuincantur inimici; Columban, ep. 2, ed. Wilhelm Gundlach, MGH Epp. 3, Berlin 1892, S. 163; ed. G. S. M. Walker, Sancti Columbani opera, Dublin 1970, S. 18/20. Vgl. Gregor der Große, Expositio in librum primum Regum 1,87, S. 104: Qui enim inimici ecclesiae alii quam Iudaei intellegendi sunt? Vgl. Frutolf von Michelsberg a. 1096, S. 208: Qui et ipsi nefandissimas Iudaeorum reliquias, ut vere intestinos hostes aecclesiae, per civitates quas transibant aut omnino delebant aut ad baptismatis refugium compellebant, quorum tamen plurimi, sicut canes ad vomitum, postea retro rediebant. Ebd.: Quibus, ut dictum est, subvenire statuentes, sicut diversis agminibus, ita diversis et incertis plerique ducibus properabant. Primi namque Petrum quendam monachum sequentes, quem tamen postea multi hypocritam fuisse dicebant, ad 15000 estimati, per Germaniam indeque per Baioariam atque Pannoniam pacifice transiebant. Ebd.: Quod quo Dei iudicio actum sit, ipsi relinquendum erit.
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sicherheit, aber wohl auch eine Kritik am christlichen Vorgehen herauslesen dürfen. An Frutolfs Einschätzung der Juden ändert das jedoch nichts. Abwertende Urteile zeigen sich in vielen Kontexten und Schriftgattungen, am deutlichsten aber natürlich in den – von der bisherigen Forschung bevorzugt herangezogenen – Adversus Iudaeos-Traktaten sowie in den verschiedenen „Religionsgesprächen“.229 Die „Adversus Iudaeos-Traktate“ haben tatsächlich eine lange, in die Spätantike zurückreichende Tradition.230 Auch die frühe antijüdische Polemik ging gerade von den Judenchristen aus und wollte zeigen, daß Christus der Messias ist (was die Juden nicht erkannten).231 Die früh- und hochmittelalterlichen Vorwürfe gegen die Juden232 richteten sich vor allem gegen den Unglauben gegenüber der Göttlichkeit Christi (Christus als der Messias und als Inkarnation Gottes) und damit gegenüber der Trinität:233 Ihr Unglaube bestand eben darin, daß sie Christus nicht als Gott erkannten (in der Argumentation bezog man dabei biblische Prophetien auf die Juden). „Die Juden verleugnen in ihrer gottlosen Ungläubigkeit, daß Christus der Sohn Gottes ist,“ so beginnt Isidor von Sevilla seine Schrift „De fide catholica contra Iudeos“,234 und Beda Venerabilis verkündet ganz analog: „Die Eigenart der Juden ist eben diese Verleugnung, daß sie sagen, Jesus sei nicht Christus.“235 „Was nützt dem ungläubigen Volk der Juden der Reichtum ihrer Schriften, wenn man darin nicht Christus erkennen kann?“ fragt Beda.236 Sie sind verlassen, meint Eusebius von Ver229
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Einen Überblick über die Werke der Auseinandersetzung mit Juden gibt Dahan, Les intellectuels S. 351–422, zur Methode ebd. S. 423–471, zu den Themen ebd. S. 473–508. Die Ansichten stellt umfassend Schreckenberg I S. 155–378 zusammen. Vgl. oben Anm. 23. Vgl. Jung, Christen und Juden S. 37–41 und 47–51. Vgl. dazu Schreckenberg I S. 379–573; Schreckenberg II. Vgl. Blumenkranz, Juifs et chrétiens S. 256ff. und 262ff. Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 1,1, Sp. 449: Iudaei nefaria incredulitate Christum Dei Filium abnegantes; vgl. Drews, Juden und Judentum S. 298f. Zu Isidors Judenbild ebd. S. 298–330. Beda Venerabilis, In epistolas septem catholicas, ep. 4: In primam epistolam Ioannis 2,22, ed. David Hurst, CCL 121, Turnhout 1983, S. 297: Propria autem Iudaeorum est haec negatio, ut dicant, quoniam Iesus non est Christus. Beda Venerabilis, In prouerbia Salomonis 2,17, ed. David Hurst, CCL 119 B, Turnhout 1983, S. 95f.: Quid prodest populo Iudaeorum infideli habere diuitias scripturarum, cum in his Christum intellegere non possit?
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celli (in Ausdeutung der semitae deserti als Juden, weil sie in ihrem Irrtum nicht erkennen, daß Christus der vor allen Zeiten aus der Substanz des Vaters geborene, wahre Gott ist (während Häretiker nicht die gleiche Substanz der drei göttlichen Personen anerkennen).237 Isidor von Sevilla verflucht das ungläubige Volk der Juden,238 und Hilarius von Arles urteilt, mit Blick auf die Juden, kurz und knapp: „Gottlos ist, wer den Glauben an die Trinität verleugnet.“239 Weil sie bezweifeln, daß Christus der Sohn Gottes ist, bleibt ihr Wissen nach Hildegard von Bingen vernebelt.240 So warteten sie, wie die von einem Juden namens Serenus, der sich als Messias ausgab, verführten Juden im islamischen Spanien nach der mozarabischen Chronik von 754, immer noch auf den Messias (der in Christus doch längst erschienen ist).241 Die Juden tragen in gewisser Weise auch die Verantwortung für den Tod Christi. „Das ist der Grund für die Geburt Christi,“ schreibt Isidor von Sevilla, „den die Juden, obwohl sie seine Geburt zuließen, dennoch auf skandalöse Weise gekreuzigt und getötet
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Eusebius von Vercelli (?), De trinitate 5,37, ed. Vincent Bulhart, CCL 9, Turnhout 1957, S. 74: et semitas deserti Iudaei sunt, qui semper errantes Christum Deum uerum de substantia patris ante cuncta saecula natum non agnouerunt; uolatilia autem caeli heretici sunt, qui omni uento doctrinae huc adque illuc sicut aues circumferuntur et unitam iussionis uocem substantiae patris et fili et sancti spiritus esse non confitentur. Semitae deserti mag sich auf Is 40,3 oder Mt 3,3 bzw. Mc 1,3 oder Lc 3,4 beziehen. Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum. In Genesim 6,8, Sp. 224 C: Maledictus est enim populus Iudaeorum infidelis a terra, id est, ab Ecclesia. Hilarius von Arles, Tractatus in septem epistulas catholicas. In epistolam Petri I, ed. Robert E. McNally, CCL 108B, Turnhout 1973, S. 96: Impius et peccator ubi parebunt? id est, Iudas et Iudaei. Impius est qui fidem trinitatis negat. Hildegard von Bingen, Liber divinorum operum 3,4,7, ed. Albert Derolez und Peter Dronke, CCM 92, Turnhout 1996, S. 396: Iudei uero aliique multi ipsum uidentes filium Dei esse dubitabant atque in hoc scientiam suam obnubilabant; nec mirabilia ipsius in fide capiebant, sed in duriciam saxorum conuersi sunt, quemadmodum coluber in cauerna petre˛ latet. Chronica Muzarabica (Chronik von 754), S. 88: Huius etiam tempore Iudei temptati, sicuti iam in Theodosii minoris fuerant, a quodam Iudeo sunt seducti, qui et per antifrasim nomen accipiens Serenus nubilo errore eos invasit Messiamque se predicans illos ad terram repromissionis volari denuntiat atque omnia, que possidebant, ut amitterent, imperat. Zur Messiaserwartung der Juden auch nach Christus vgl. Blumenkranz, Juifs et chrétiens S. 243–256.
6. Bewertung und Abschätzung
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haben, weil sie nicht begriffen haben, daß er, so wie er zur Erlösung der Menschen geboren werden sollte, auch leiden mußte.“242
Die Juden, so Gregor der Große, sind die Gottlosen, die sich, der Frömmigkeit des wahren Glaubens entfremdet, dem grausamen Mord ihres Erlösers zugewandt haben.243 Wer aber den Sohn verleugnet, versagt trotz Beachtung des Schriftgesetzes auch dem Vater den Gehorsam.244 Kein Volk, so folgert Hrabanus Maurus im 9. Jahrhundert (verallgemeinernd), sei nach Ausweis der Apostel und heiligen Kirchenlehrer jemals so willfährig und geneigt zur Tötung Unschuldiger gewesen wie das Volk der Juden, die mit ihren befleckten Händen nicht nur das Blut der Propheten, sondern auch des Herrn vergossen hätten.245 Rather von Verona schätzt die Schuld der Juden am Tod Christi größer ein als die der Römer, die ihn eigentlich getötet haben; die volle Schuld aber treffe diejenigen, die das angeraten hatten.246 Für die Heiden war das Dummheit, für die Juden aber ein Skandal, meint Aelred von Rievaulx.247 Autoren wie Isidor wollen den Juden allerdings nicht eigent-
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Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 1,5,11, Sp. 462f.: Haec est causa nativitatis Christi, quem Iudaei, etsi patiantur natum, scandalizantur tamen crucifixum et mortuum: non intelligentes quia sicut propter redemptionem mundi illum decuit nasci, ita et pati oportuit. Vgl. auch Cassiodor, Expositio psalmorum. Ps. 108, CCL 98, S. 1003: Iudaei sunt qui insurrexerunt aduersus dominum saluatorem, ut neci eum traderent, qui ad eos uenerat pro sua pietate saluandos; ebd. Ps. 67, S. 585: Iudaei, qui resurrectionis eius videndo potentiam, sceleris sui facinora formidabant. Gregor der Große, Expositio in librum primum Regum 1,107, S. 118: Qui enim inpii hoc loco nisi Iudaei intelleguntur, qui a pietate uerae fidei sunt extranei et redemptoris morte cruenti? Ebd. S. 119: In tenebris ergo tacent inpii: quia, etsi Iudaei diuinae scripturae uerba in Dei laudibus proferunt, dum filium negant, Deo patri nulla uocum obsequia consecrant. Hrabanus Maurus, Enarrationes in Deuteronomium 2,24, Sp. 914 AB: Unde apostoli et doctores sancti, qui in iudicum nomine et maiorum natu designantur, sacrarum Scripturarum attestatione perceperunt quod nulla gens, nulla natio sic prompta ac sic prona fuit unquam ad caedem innocentium conficiendam quam gens Iudaeorum, quae non solum prophetarum, sed et ipsius Domini sanguinem maculatis manibus fudisse dignoscitur. Rather von Verona, Praeloquia 1,27, ed. Peter L.D.Reid, CCM 46A, Turnhout 1984, S. 28: Cogita quia dicamus Iudeos Christum crucifixisse, cum non ipsi sed milites Romani eum crucifixerunt, ut intellegas ei totum criminis pondus incumbere, qui consilium super hoc non dubitauit dare. Aelred von Rievaulx, Homiliae de oneribus propheticis Isaiae. Homilia 29,10, ed. Gaetano Raciti, CCM 2D, 2005, S. 267: Quoniam et Iudaei signa quaerunt et Graeci
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lich die Schuld am Tod Christi anlasten als vielmehr herausstellen, daß mit Christus eine neue Zeit angebrochen ist, deren Zeichen die Juden nicht verstanden haben.248 In diesem Sinne wird den Juden immer wieder Blindheit vorgeworfen,249 wird die Synagoge in der Kunst mit einer Augenbinde dargestellt.250 Sie sei augenlos und verberge ihre Hände unter den Achseln, erläutert später Hildegard von Bingen, weil sie nicht in das wahre Licht blicke und den eingeborenen Gottessohn mißachte.251 Juden verschmähen, was sie wissen, und weisen zurück, was sie sehen, meint Hildegard.252 Die Blindheit resultiert
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sapientiam requirunt, nos autem praedicamus Christum crucifixum, Iudaeis quidem scandalum, gentibus autem stultitiam. Ähnlich Ders., Sermo 3,31, ed. Gaetano Raciti, CCM 2A, 1989, S. 34: Immo hinc paganus nobis opponit stultitiam, hinc sibi Iudaeus scandalum sumit. So Drews, Juden und Judentum S. 412f. Vgl. beispielsweise Augustinus, Contra Faustum 22,62, ed. Joseph Zycha, CSEL 25, Wien-Prag 1891, S. 658: ipsorum Iudaeorum inmanitatem et caecitatem legant; Quodvultdeus, Sermo 2 (De symbolo II),5, S. 342: O caecitas Iudaeorum!; Caesarius von Arles, Sermo 142,5, ed. Germain Morin, CCL 103, Turnhout 1953, S. 585: noli mirari caecitatem Iudaeorum de Christo. Ecce transit quod dicitur de sponso, incipit dici et de sponsa; et quomodo in sponso mirabaris caecitatem Iudaeorum, sic in sponsa miraberis caecitatem haereticorum. Iam modo miremur caecitatem Iudaeorum; Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 8, CCM 174A, S. 760; Hugo von Fleury, Historia ecclesiastica 4 prol., ed. (excc.) Georg Heinrich Pertz, MGH SS 9, Hannover 1825, S. 355: Arguam denique cecitatem Iudeorum, qua nolunt in Christum credere, quem sciunt sibi a prophetis pronuntiatum fuisse; Bernhard von Clairvaux, ep. 241,2, Bernardi Opera Bd. 8, Rom 1977, S. 126: Iudaica caecitate, aut non videns aut invidens adimpletam. Zu den Gegenüberstellungen von Ecclesia und Synagoge in bildlichen Darstellungen und Skulpturen vgl. Seyferth, Synagoge und Kirche; zu den Abbildungen insgesamt Schreckenberg II S. 447–635. Hildegard von Bingen, Scivias 1,5,1, ed. Adelgundis Führkötter und Angela Carlevaris, CCM 43, Turnhout 1978, S. 93 (De synagoga): POST HAEC uidi uelut quandam muliebrem imaginem a uertice usque ad umbilicum pallidam, et ab umbilico usque ad pedes nigram, et in pedibus sanguineam, circa pedes suos candidissimam et purissimam nubem habentem. Oculos autem non habebat, manus uero suas sub ascellas suas posuerat, stans iuxta altare quod est ante oculos Dei, sed ipsum non tangebat. Zu Hildegards Judenbild vgl. Schreckenberg II S. 225–231. Hildegard von Bingen, Liber vitae meritorum 3,52, ed. Angela Carlevaris, CCM 90, Turnhout 1995, S. 157: unde Deus cadere eos permittit, quia in stabilitate stare nolunt, uelut Iudei nolebant, qui quod sciebant spernebant et quod uidebant recusabant.
6. Bewertung und Abschätzung
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wiederum nicht zuletzt aus einem wörtlichen Bibelverständnis, das den geistlichen Sinn mißachtet und damit die vielen Anspielungen auf Christus als Erfüllung aller biblischen Prophetien nicht erkennt.253 Die Juden erkennen nicht, daß das Neue Testament enthüllt hat, was im Alten noch verschleiert war, meint Augustin, daß wir Gott nämlich nicht um irdischer und weltlicher Wohltaten, die die göttliche Vorsehung Guten und Bösen gleichermaßen gewährt, sondern um des ewigen Lebens und der ewigen Güter sowie der Gemeinschaft in der himmlischen Stadt selbst willen verehren sollen.254 Für Beda (oder einen Autor aus seinem Umkreis) symbolisiert Kain die Juden, weil diese gemäß dem Alten Testament die körperlichen Sakramente ausüben.255 Ohne die Anerkennung des neuen Gesetzes der Gnade Christi verharren die Juden auf der wörtlichen Befolgung des Alten Testaments. Sie sind gleichsam durch die bemessenen göttlichen Gebote „vermessen“ und bemessen danach auch die Strafen, meint ein Mönch des 12. Jahrhunderts aus Admont.256 Durch ihr wortgetreues Bibelverständnis und das Einhalten der alten Gebote verkennen die Juden nicht nur die vielen Hinweise auf Christus, sondern sie zeigen auch keinerlei Neigung, sich zu bekehren. Schon Augustin hatte moniert, daß sie trotz richtiger Erkenntnis ihrer Propheten das, was die Christen richtig verstehen, zu „fleischlich“ auslegen.257 Sie begehen
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Vgl. Funkenstein, Juden, Christen und Muslime S. 36. Augustinus, De civitate Dei 5,19, CCL 47, Turnhout 1955, S. 154: unde etiam Iudaei, qui Christum occiderunt, reuelante testamento nouo quod in uetere uelatum fuit, ut non pro terrenis et temporalibus beneficiis, quae diuina prouidentia permixte bonis malisque concedit, sed pro aeterna uita muneribusque perpetuis et ipsius supernae ciuitatis societate colatur Deus unus et uerus, rectissime istorum gloriae donati sunt. Beda Venerabilis, Quaestionum super Genesim ex dictis patrum dialogus, Migne PL 93, Sp. 285 C: Cain typum gerebat Iudaeorum, quia illi corporalia sacramenta secundum vetus testamentum exercebant. Gottfried (oder Irimbert) von Admont, Homiliae festiuales. Homilia 58, Migne PL 174, Sp. 924 C: Per modium vero, quod quaedam mensura est, populus ille Iudaicus, per legem mensuratus accipitur, cui omnia mandata legis ita mensurata et ordinata erant, ut iuxta uniuscuiusque qualitatem culpae extendi deberet mensura poenae. Augustinus, ep. 36,3, ed. Aloys Goldbacher, CSEL 34,2, Wien 1898, S. 35: uacatio tantum homini a suis uel seruilibus operibus imperatur, quam prior populus in umbra accipiens futurorum sic uacauit ab operibus, quem ad modum nunc Iudaeos uacare conspicimus non, ut putatur, Iudaeis carnalibus non recte intellegentibus, quod recte intellegunt christiani. neque enim melius haec intellegimus quam prophetae, qui tamen
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den Sabbat nicht geistlich, sondern „sklavisch“ und nutzen ihn zu Vergnügungssucht und Trunkenheit.258 Bischof Avitus von Clermont, so berichtet Gregor von Tours, habe die Juden häufig zu bekehren versucht, indem er ihnen den geistlichen Sinn des Alten Testaments erläuterte, damit sie Christus als Gottes Sohn (an-)erkennen: Sie sollten die Decke des Mosaischen Gesetzes fallen lassen und geistlich verstehen, was sie läsen, und erleuchteten Sinnes in den heiligen Schriften in Christus den Sohn des lebendigen Gottes erkennen, den Propheten verheißen haben. Vor ihren Herzen sei jedoch nicht nur diese Decke, sondern eine feste Mauer geblieben.259 Nach Aelred von Rievaulx ließen sie sich vom Buchstaben des Gesetzes gar wie von altem Wein berauschen und gingen dadurch der Gnade verlustig.260 Was aber nützen den Juden all die getreulich eingehaltenen Gebote, Beschneidung, Sabbat, Opfer, heilsames Schlachtopfer oder wohlrichtendes Opfer, fragt Aelred, wenn das alles ohne Liebe geschieht: Erst wenn man die Liebe
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eo tempore, quo ita fieri oportuit, seruauerunt hanc sabbati uacationem, quam Iudaei putant adhuc esse seruandam. Vgl. auch Alkuin, Interrogationes et responsiones in Genesin 58, Migne PL 100, Sp. 522 CD: Reliquit patrem, quia non in ea forma apparuit hominibus, qua aequalis est Patri. Reliquit matrem, dum synagogam deseruit Iudaeorum, de qua secundum carnem natus est, ut adhaereret Ecclesiae, quam ex gentibus congregavit. Vgl. im 12. Jahrhundert den anonymen Pauluskommentar nach der Handschrift von Avranches: Expositio Pauli epist. ad Romanos 8,5, S. 55: Hic iam quasi inter nos et Iudaeos in medio legem constituens dicit: Iudaei ergo, qui secundum carnem sunt, hoc est qui legem secundum litteram intelligunt, quae carnis legis sunt sapiunt, carnalia utique bona pro summis bonis requirunt. So Augustinus, Tractatus in Iohannes evangelium 3,19, S. 29: obserua diem sabbati, magis nobis praecipitur: quia spiritaliter obseruandum praecipitur. Iudaei enim seruiliter obseruant diem sabbati ad luxuriam, ad ebrietatem. Vgl. auch Cassiodor, Expositio in psalterium. In ps. 17, v. 46, S. 167: Quod Iudaeis accidisse manifestum est, qui Vetus Testamentum carnaliter tenentes, Novi gratiam respuerunt: et hinc factum est, ut una parte debiles mentis suae gressibus claudicarent. Gregor von Tours, Historiae 5,11, S. 205f. (das Zitat S. 205): Et quia semper Deus noster sacerdotes suos glorificare dignatur, quid Averno de Iudaeis hoc anno contigerit pandam. Cum eosdem plerumque beatus Avitus episcopus commoneret, ut, relicto velamine legis Moysaicae, spiritaliter lecta intellegerent et Christum, filium viventis Dei, prophetica et legali auctoritate promissum, corde purissimo in sacris litteris contemplarent, manebat in pectoribus eorum, iam non dicam, velamen illud, quod facies Moysi obrumbrabantur, sed paries. Aelred von Rievaulx, Homiliae de oneribus propheticis Isaiae. Homilia 20,2, S. 177, zur Deutung der Philister: Per quos Iudaeos arbitror designari, qui legis littera quasi uino ueteri debriati, a gratia exciderunt.
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hinzufügt, wird nichts davon fehlen.261 Gott, so Hildegard von Bingen, hatte den Juden befohlen, ihrem Schöpfer Tieropfer darzubringen. Sie aber verschmähten seine Befehle, indem sie alles in einen fleischlichen Sinn umwandelten.262 Das gilt auch für die Endzeiterwartung: Juden und „judaisierende Christen“, so kritisiert Hieronymus, halten Gog für die unermeßlich zahlreichen Völker der Skythen, die sich jenseits von Kaukasus und Asowschem Meer bis hin nach Indien ausbreiten und nach tausend Jahren, vom Teufel angetrieben, ins Land Israel kommen und gegen die Heiligen kämpfen würden.263 Rodulf Glaber verdeutlicht das falsche Bibelverständnis an der vierzigjährigen Wanderung der Israeliten durch die Wüste Sinai nach dem Auszug aus Ägypten und am Einzug in das gelobte Land, quibus pene omnia in figura contingunt, indem er in christlicher Auslegung eben diese figürliche Bedeutung als göttliche Zeichen herausstellt: Der Übergang über den Jordan, mit dem auch das Manna ausblieb, symbolisiert die Taufe Christi, „des lebendigen Brotes“, das alle himmlischen Zeichen entbehrlich macht; das lebendige Brot wiederum versinnbildlicht das ewige Leben, das gelobte Land die Erlösung, die Gefäße, die Moses aus der Beute der Feinde anfertigen ließ, die Menschen, die von der Beute des Teufels zum Teil des Erlösers werden, indem sie durch das Wasser der Taufe und das Feuer des Martyriums gereinigt werden; die Schlange aber, die zum Stab Moses wird, kennzeichnet die Macht des aus dem Fleisch der Jungfrau Maria geborenen Gottes, Moses selbst wiederum ist das Volk Israel, das ungläubig flieht, als es den Herrn Jesus Christus, den wahren Gott und wahren Menschen, erblickt. Am Ende aber wird es ihn, symbolisiert durch den Schwanz der Schlange, empfangen. Der Übergang über das geteilte Rote Meer schließlich
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Aelred von Rievaulx, Compendium speculi caritatis 2, ed. Roel Vander Plaetse, CCM 1, Turnhout 1971, S. 176: o Iudaee, quid tantis opus est? hic circumcisio, hic sabbatum, hic hostiae salutares, hic odoriferum sacrificium, hic totius suauitatis incensum. tene caritatem, et nihil horum deerit. Hildegard von Bingen, Liber divinorum operum 3,5,16, S. 435: Deus enim genti Iudeorum precepit, ut sacrificia de animalibus creatori suo offerrent, sed illi iussa eius contempnentes in omnes carnales sensus se conuertebant. Hieronymus, Commentarii in Ezechielem 11,38, S. 525: igitur Iudaei et nostri iudaizantes putant Gog gentes esse Scythicas immanes et innumerabiles quae trans Caucasum montem et Maeotim paludem et propter Caspium mare ad Indiam usque tendantur – et has post mille annorum regnum esse a diabolo commouendas –, quae ueniant in terram Israel, ut pugnent contra sanctos, multis secum gentibus congregatis.
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symbolisiert die zeitliche Begrenzung des irdischen Reichs des Volkes Israel, das verblüht und zugrunde geht, während sich das Reich Christi, der über das Meer wandelt, aus allen Völkern zusammensetzt und in Ewigkeit herrschen wird. Wie so häufig, symbolisiert das Meer auch hier das irdische Dasein.264 Indem die Juden nun Christus nicht als Gottes Sohn anerkennen – so ein weiterer, häufiger Vorwurf –, verhöhnen sie ihn und machen sich damit der Blasphemie schuldig.265 264
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Rudolf Glaber, Historiae 5,10, S. 228/230: Postquam enim populus Hebre˛orum, pastus qudraginta annorum ce˛leste manna, Iordanem transiens in terram uenit Chanaan, cassauit celum pluere illud nec ultra usi sunt tali cibo filii Israhel. Quid igitur in hoc facto nobis innuit, quibus pene omnia in figura contingunt, nisi quod transito nostro Iordane, id est Christi baptismate, non ultra presagiorum celitus signa debere inquiri? Sed potius nobis debet panis uiuus ille sufficere, quo quis uescetur uiuet in e˛ternum possessurus terram uiuentium. Rursus uero ex precepto Domini constitutum est a Moyse ut que˛que uasa ex preda hostium illi populo prouenirent lignea aqua expiarentur et e˛ nea igne. Simili quoque modo figuraliter exprimit quoniam uasa, id est homines, qui ex preda hostis antiqui in partem cesserunt Saluatoris, aqua baptismatis atque igne martyrii purificandi essent. Non minus etiam uirgeus ille serpens, qui Moysi pauorem incussit, ita ut fugeret illum, et rursus accipiens illum caudetenus effectus est uirga, typice in hoc facto perspiciendus est. Signatur per serpentem ex uirga factum deitatis potentia ex sancte˛ Marie˛ Virginis carne induta. Per Moysen enim Iudaicus populus, qui cernens Dominum Ihesum uerum Deum et hominem, fugit ab eo incredulus; sed recipiet illum circa finem seculi, quod exprimitur per caudam serpentis. Ille quoque transitus maris Rubri, in quo illud mare diuisum uel exsiccatum est, deinde gentes ex precepto Domini gladio extirpate˛ euidenter signant regnum Israhelitice˛ gentis temporaliter subsistens marcescendo adnullari. In initio quippe noue˛ gratie˛ uel regni Christi stans Dominus Ihesus atque ambulans super fluctus maris, ac [Petro quem ecclesie sue prefecerat secum ambulare concessit; sed] quid hoc facto fidelibus uniuersis innuitur, nisi quod, subactis gentibus uniuersis et non funditus perditis uel extirpatis, ex eisdem stabilietur Christi regnum per secula mansurum? Est enim frequens adtestatio diuini sermonis quod uidelicet mare figuram gerat presentis se˛culi. Vgl. etwa Hieronymus, Commentarii in Isaiam 13,49,14, S. 544: ut non comprimar blasphemiis Iudaeorum; ebd. 14,52,11, S. 585: ut nequaquam cum Iudaeis blasphemantibus maneant; Fulgentius von Ruspe, Liber de trinitate ad Felicem 4, ed. Jean Fraipont, CCL 91A, Turnhout 1968, S. 638: Sed ne forte caecato corde filium aut spiritum sanctum Deum esse non credant, et more Iudaeorum blasphemantium Deum esse abnegent, sacrarum litterarum testimoniis conuincantur; Cassiodor, Expositio psalmorum. Ps. 13,3, CCL 97, S. 129: ita et os Iudaeorum maledictione et amaritudine plenum erat, quando pro bonis admonitionibus blasphemabant dominum Christum, et de eius nece tractabant; ebd. Ps. 91,9, S. 839: perfidia nefanda Iudaeorum; Beda Vene-
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„Fragt man vielleicht, auf welche Weise sich ihr Haß erweist,“ schreibt Salvian von Marseille im 5. Jahrhundert, „dann eben darin, wie sich der Haß der Juden auf Christus zeigte, als sie zu ihm sagten: ‚Du bist ein Samariter und hast einen Dämon‘, als sie ihn verlachten, schmähten, ihm ins Gesicht bliesen und über seinem Gesicht mit ihren Zähnen knirschten.“266
Sie haben Christi Hände verletzt, als sie seinen Wundern nicht glaubten, meint Cassiodor.267 Deshalb sind sie verachtenswert.268 Eine solche Einstellung wirkt auf das Verhalten zurück. Wipo, der Biograph Konrads II., lobt den Kaiser, weil er die Verhöhnung des Christusbildes durch Heiden gerächt hat, indem er solches Verhalten mit den antiken römischen Kaisern Titus und Vespasian (den Zerstörern Jerusalems im Jahre 70/71 n. Chr.) vergleicht, die als Sühne für den Herrn 30 Juden um ein Goldstück verkauften, weil die Juden Christus für ebenso viele Denare verkauft hatten.269 Die „Auflehnung“ gegen Gott wird in einem Maße mit den Juden verbunden, daß Rather von Verona sie (bei Christen) als Iudaicus ritus charakterisieren kann.270
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rabilis, Expositio in Marci evangelium 1,3, S. 477: quia non inuidentia diabolica, sed humana ignorantia ducti faciunt hoc irremissibilis blasphemiae crimine tenentur, qua proprie principes Iudaeorum et quique similis inuidiae peste corrupti maiestatem blasphemant sine fine peribunt; Bonifatius, Sermo 14, Migne PL 89, Sp. 869 C: Toleravit a perfidis Iudaeis multa blasphemia verborum et insuper flagella; Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 4, S. 363; mehrfach bei Heiric von Auxerre, Homiliae per circulum anni. Pars hiemalis. Homilia 22, S. 182; Ders., Homilia 31, S. 266: Multo enim deteriores sunt nunc Iudaei Christum in synagogis suis cottidie blasphemantes, quam essent olim in Aegypto idola colentes; Ders., Homilia 42, CCM 116A, S. 379; Ders., Homilia 56, ebd. S. 538, und öfter; Wilhelm von Saint-Thierry, Expositio super epistulam ad Romanos 6,16, S. 153: blasphemus populus Iudaeorum. Salvian, De gubernatione Dei 8,4, ed. Halm, S. 106; ed. Lagarrigue, S. 522: Sed quaeritur forsitan quibus modis probetur odium: illis scilicet, quibus etiam Iudaeorum odia conprobantur in Christum, cum dicebant ad eum: ‚Samaritanus es tu et daemonium habes‘, cum inridebant, cum maledicebant, cum insufflabant in faciem eius et frendebant dentibus super caput eius. Cassiodor, Expositio psalmorum. Ps. 21,17, CCL 97, S. 199: Manus christi Iudaei uiolauerunt, quando eius miraculis nullatenus credere maluerunt. Ebd. Ps. 68,27, S. 618: Sed hinc Iudaei detestabiles exstiterunt. Wipo, Gesta Chuonradi imperatoris 33, S. 53. Rather von Verona, Discordia, ed. Fritz Weigle, Die Briefe des Rather von Verona 29, MGH Briefe der deutschen Kaiserzeit 1, Weimar 1949, S. 163: te contra dominum ita dum uideam rebellare, ut ne, quod tibi mandauit, digneris saltem audire, sed Iudaico ritu mandata Dei relinquere hominum traditiones et usum tam obstinanter tenere, ut de te possit dictum haberi.
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Unbeschadet weiterer Vorwürfe und individueller Ausrichtungen in den Argumentationssträngen kreisen die Diskussionen fast immer um diese (dieselben) Elemente, und die jeweils verschiedenen Jahrhunderten entnommenen Beispiele belegen, daß es sich dabei um kontinuierlich weiter tradierte Vorstellungen handelt. Es genügt deshalb, das im folgenden an einigen Beispielautoren (in chronologischer Folge) zu veranschaulichen, um die christlichen Vorwürfe im Kontext vorzuführen. In den christlichen Schriften geht es zum einen darum, die Irrtümer der Juden offenzulegen und zu widerlegen, zum andern müssen sich die Christen aber auch gegen Vorwürfe der Juden verteidigen:271 daß sie mit der Trinität drei Götter anbeteten – „Wenn der Vater Gott ist und der Sohn Gott ist, gibt es folglich zwei Götter und nicht einen einzigen“, so wendet nach Isidor von Sevilla „die verderbliche Treulosigkeit der Juden ein272 –; daß Gott nicht wie ein Mensch von einer Frau geboren werden und den Tod erleiden könne, daß es keine Jungfrauengeburt geben könne und Ähnliches.
b. Die Polemik ausgewählter Autoren des 6. bis 12. Jahrhunderts Charakteristisch für die Argumentation ist bereits ein noch sehr frühmittelalterliches Streitgespräch, das Gregor von Tours am Hof König Chilperichs mit dem jüdischen Händler Priscus führt, der dort – und auch das ist be-
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Nach Schreckenberg I S. 564, sollten die Traktate die Gläubigen wappnen, im Gespräch mit Juden zu bestehen, die oft über eine bessere biblische Bildung und größere dialektische Gewandtheit verfügen als sie selbst. Die Widerlegung ihres Glaubens spielte dabei allerdings eine mindestens ebenso große Rolle. Zu jüdischen Christusvorstellungen und zur Ablehnung des Christusglaubens vgl. Chazan, Fashioning Jewish Identity (vor allem Kapitel 6–12; zur antichristlichen Polemik ebd. Kapitel 13/14), der die Frage anhand von fünf jüdischen Autoren untersucht: Die Bedrohung durch das Christentum führt zu antichristlichen Angriffen, vor allem gegen die Inkarnation Christi und die Irrationalität des Christentums. Zu den jüdischen Vorwürfen vgl. Bernhard Blumenkranz, Die jüdischen Beweisgründe im Religionsgespräch mit den Christen in den christlich-lateinischen Sonderschriften des 5. bis 11. Jahrhunderts, in: Theologische Zeitschrift 4, 1948, S. 119–147 (abgedr. in: Ders., Juifs et chrétiens. Patristique et Moyen Âge, Nr. XIX). Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 1,4,12, Sp. 460: Sed contra haec obicit perniciosa Iudaeorum perfidia, dicens: ‚Si Pater Deus est et Filius Deus est: ergo duo dii sunt et non unus Deus.‘
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zeichnend – familiaris war, weil er dem König vielfach Waren beschaffte.273 Der König befiehlt Gregor, den Juden zu segnen,274 doch als dieser sich sträubt, spricht Chilperich (mit den schon bekannten Vorwürfen): „O, über diesen harten Sinn und dies allzeit ungläubige Geschlecht, das nicht begreift, daß der Sohn Gottes ihm verheißen ist durch die Stimme der Propheten, und das nicht begreift, daß die Geheimnisse der Kirche in seinen Opfern vorgebildet sind.“275
Der König berührt damit den entscheidenden Glaubensunterschied und löst mit seiner Bemerkung eine Disputation aus: Indem der Jude sich verteidigt, greift er zugleich die christliche Lehre an. Gott, so antwortet er nämlich, habe keine Ehe geführt und könne daher weder einen Sohn noch einen Teilhaber an der Herrschaft (consortem regni) haben, da er sich Moses als der einzige Gott offenbart habe.276 Der König erklärt ihm daraufhin die christliche Lehre der spirituellen und ewigen Vaterschaft, die den Sohn mit Gott gleichaltrig und gleich mächtig mache, und belegt das (wie üblich) mit Prophetenworten des Alten Testaments. Der Jude zeigt sich gleichwohl nicht überzeugt: „Konnte wohl Gott Mensch werden oder von einer Frau geboren werden, Schläge erleiden und zum Tode verurteilt werden?“277 Hier weiß offenbar auch der König keine Antwort mehr, so daß Gregor selbst eingreifen muß: Gott sei ja in Christus Mensch geworden, nicht weil es für ihn, sondern weil es für die Menschen notwendig war, weil er den in der Sünde befangenen und vom Teufel geknechteten Menschen nur als Mensch erlösen konnte, und er belegt das wiederum mit dem Alten Testament, vor allem Jer 17,9, da der Jude den Evangelien ohnehin nicht glaube; dort aber werde alles Leiden Christi vorhergesagt. Welche Notwendigkeit, fragt der Jude dagegen, ohne die Prophetie der Bibelworte anzuerkennen, hätte es für Gott
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Gregor von Tours, Historiae 6,5, S. 268–272. Vgl. dazu Keely, Arians and Jews S. 109ff. Keely, ebd. S. 107, weist darauf hin, daß das Handanlegen auch ein Zeichen der Wiederaufnahme von Häretikern in die christliche Gemeinschaft darstellt. Gregor von Tours, Historiae 6,5, S.268f.: ‚O mens dura et generatio semper incredula, quae non intellegit Dei filium sibi prophetarum vocibus repromissum, non intellegit eclesiastica mystiria in suis sacrificiis figurata.‘ Ebd. S. 269: Haec eo dicente, Iudaeus ait: ‚Deus non egit coniugium neque prole ditatur neque ullum consortem regni habere patitur, qui per Moysen ait: ‚Videte, videte, quia ego sum Dominus, et absque me non est Deus.‘ (Deut 82,39). Ebd.: Ad haec Iudaeus respondit: ‚Numquid Deus homo fieri potuit aut de mulieri nasci, verberibus subdi, morte damnare?‘
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geben sollen, all das zu erleiden,278 worauf Gregor auf den Sündenfall verweist, der nur durch den Tod Christi gesühnt werden konnte: „Aber durch den Tod Christi, des eingeborenen Sohnes, ist er mit Gott dem Vater wiederum versöhnt worden.“279 Als der Jude einwendet, dazu hätte Gott doch auch Propheten oder Apostel schicken können, um den Menschen auf den Heilsweg zurückzuführen, kann Gregor schließlich mit Leichtigkeit kontern, daß all diese, gerade in der jüdischen Geschichte bezeugten Versuche vergeblich geblieben und die Menschen weder durch Plagen noch durch Propheten geschreckt worden seien, so daß es eben doch der Menschwerdung Gottes bedurfte, wie sie eben von den jüdischen Propheten verkündet worden sei. Bekehrt wurde der Jude durch diese Worte nicht (was offenbar immerhin die Absicht war, auch wenn es dabei nicht unbedingt um die Bekehrung der Juden, sondern eines dem König besonders verbundenen Juden ging). Die Argumentation ist aber in vielerlei Hinsicht typisch: Sie zeigt zunächst die wichtigsten Glaubensunterschiede auf: die Gottheit Christi und die jungfräuliche Geburt. Die jüdischen Einwände (mögen sie tatsächlich in dieser oder ähnlicher Weise vorgebracht oder ihnen unterstellt worden sein) bieten Gelegenheit, den christlichen Glauben gerade in seinen Unterschieden zu erläutern, und sie werden mit alttestamentlichen Aussagen widerlegt, weil sie allein die gemeinsame Glaubensgrundlage beider Religionen bilden. Sie „beweisen“ die christliche Lehre allerdings nicht in sich, sondern erst in entsprechender – christlicher – Auslegung. Insofern zielen die Diskussionen aneinander vorbei: Die Christen legen das Alte Testament völlig selbstverständlich aus der Sicht der Prophezeiung Christi und des Neuen Testaments aus, während die Juden genau das nicht anerkennen. Bezeichnender noch ist es, daß mit solchen Argumentationen nicht nur der jüdische Glaube widerlegt, sondern der jüdische Unglaube (Christus nicht als Gottes Sohn anzuerkennen) beseitigt werden soll, so daß es letztlich weit mehr um eine Selbsterklärung des Christusglaubens als um ein wirkliches Religionsgespräch geht.280 Der Bericht beweist zugleich, daß solche „Religiongespräche“ nicht erst ein Produkt des auf rationale Erörterung bedachten 12. Jahrhunderts sind. 278 279 280
Ebd. S. 270: ‚Quae Deo fuit necessitas, ut ista pateretur?‘ Ebd.: Qui mortem unigeniti Dei Christi Deo reconciliatus est Patri. Das betont auch Keely, Arians and Jews S. 114f.: „enhancing the self-identity of the Catholic community“; Arianer und Juden als „agents of differentiation and as instruments in strenghthening the self identity of Catholic Christians“.
6. Bewertung und Abschätzung
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Ganz ähnliche Ziele verfolgt Isidor von Sevilla mit seiner Schrift „Über den christlichen Glauben gegen die Juden“, die Wolfram Drews umfassend ausgewertet und in die Tradition eingeordnet hat, so daß hier wenige Bemerkungen genügen.281 In gottloser Ungläubigkeit, so schreibt Isidor bezeichnenderweise gleich zu Beginn, verleugnen die Juden Christus als Sohn Gottes. Daher sind sie gottlos, hartherzig, glauben nicht den alten Propheten, sondern werfen sich den neuen an den Hals und erkennen nicht die Ankunft Christi (und auch Isidor zeigt im folgenden die Göttlichkeit Christi auf).282 Erst ermorden sie ihn und dann glauben sie nicht, daß er bereits gekommen ist. Wenn sie aber nicht glauben wollen, daß er im Fleisch (als Mensch) gekommen ist, dann mögen sie doch die Schöpfungsgeschichte lesen (deren allegorische Ausdeutung auf Christus hier eben wieder christliche, nicht jüdische Exegese darstellt).283 Die Strafe für ihren Unglauben aber zeigt sich an ihrem Schicksal: Sie haben keinen Tempel, keinen Altar, kein Opfer, keinen König und keinen Priester mehr.284 Sie lesen ihre eigenen Bücher, ohne sie zu verstehen, so schließt Isidor sein erstes Buch; darin sei alles doch längst offenbart.285 Sie sind von Gott verstoßen und werden erst in der Endzeit bekehrt.286 Isidor faßt damit bereits Argumente zusammen, die im Mit281 282
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Drews, Juden und Judentum, S. 298–330. Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 1,1,1, Sp. 449 B: Iudaei nefaria incredulitate Christum Dei Filium abnegantes, impii, duricordes, prophetis veteribus increduli, novis obstrusi, adventum Christi malunt ignorare, quam nosse; negare, quam credere. Ebd. 1,5,9, Sp. 462 B: Sed, o duritia cordis Iudaici! quia ipsi Christum interemerunt, inde eum adhuc venisse non credunt. Probavimus Dominum nostrum Iesum Christum secundum carnem iam natum fuisse. Sed adiicit incredulus cur in carne venit? Audi ergo causam. Deus cum hominem fecisset, summa beatitudine praeditum, et divinae imaginis decore ornatum, posuit eum in paradiso, ut esset Deo subiectus, et caeteris creaturis praelatus. Ebd. 1,8,3, Sp. 465 A: Nec attendunt, mente caecati, simulationis suae mendacium detegi, quia iam sicut nullum templum, nullum altare, nullum sacrificium, ita nullus rex, nullus sacerdos remansit Iudaeis. Ebd. 1,62,1, Sp. 498 C: Tenent ista omnia libri Hebraeorum, legunt cuncta Iudaei, sed non intelligunt. Quia omnia signata sunt illis. Vgl. auch Cassiodor, Complexiones in epistolas apostolorum. Ad Romanos 26, Migne PL 70, Sp. 1328: Caeterum in fine saeculi Israeliticum populum misericordia Domini perhibet esse salvandum, postquam gentium praedestinata crediderit multitudo; nam sicut legem accipientibus Iudaeis prius gentes minime crediderunt, ita et salvatis gentibus, Iudaei credituri esse noscuntur; Gregor der Große, Expositio super
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telalter sämtlich wiederkehren werden. Auch ihm geht es um die Stärkung des christlichen Selbstverständnisses und die Propagierung des katholischen Glaubens.287 Die Linie ließe sich über die folgenden Jahrhunderte fortführen, auch wenn hier ähnlich geschlossene Angriffe auf den jüdischen Glauben fehlen. Besonders markant sind dann im 9. Jahrhundert die schon oben erwähnten Äußerungen des Erzbischofs Agobard von Lyon in seinen Brieftraktaten, in denen Agobard sich aktuell allerdings über die Bevorzugung und Privilegierung der Juden am Hof Ludwigs des Frommen beklagt und auf Einhaltung der kirchenrechtlichen Bestimmungen gegenüber den Juden drängt.288 Agobard selbst versteht seine Schreiben daher als Reaktion auf die Christenfeindlichkeit der Juden. Wenn er gleich zu Beginn seiner Schrift „De insolentia Iudeorum“ an den Kaiser als remedium gegen die „gefährlichen Zeiten“ appelliert, dann impliziert das eine Anspielung auf den Antichrist: Was zu seiner Zeit (in Lyon) geschieht, weckt in Agobard (wenn nicht Befürchtungen, so zumindest) Assoziationen an die Zustände vor dem Ende der Welt.289 Die Juden erscheinen ihm unverschämt (insolentia) und
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Cantica canticorum 6,14, Migne PL 79, Sp. 533 B: quia in quatuor mundi partes modo Iudaei dispersi sunt, qui ubicunque fuerint, ut dictum est, in fine mundi convertentur, sicut praedictum est per prophetam (Is 10,22); Beda, Expositio actuum apostolorum 1, ed. M. L.W. Laistner, CCL 121, Turnhout 1983, S. 12: At cum in fine mundi populus Iudaeorum qui dominum crucifixit reconciliandus ecclesiae creditur, uelut quinquagesimo die propinquante apostolorum est summa restaurata. Vgl. Drews, Juden und Judentum S. 322–330; zu eschatologischen Vorstellungen ebd. S. 331–334. Zur umfassenden Einordnung der Schrift in sein Gesamtwerk und in zeitgenössische Positionen ebd. S. 361–526. So zusammenfassend ebd. S. 532 und 537. Vgl. oben S. 455ff. Andere Briefsammlungen vermitteln, soweit sie in der Reihe Epistolae der MGH abgedruckt sind, kein geschlossenes Judenbild und kommen insgesamt sogar eher selten auf Juden zu sprechen. Agobard von Lyon, De insolentia Iudeorum S. 191. Vgl. dazu Schreckenberg I S. 491–499 (bei aller Polemik lasse Agobard aber auch jüdische Standpunkte zu Wort kommen, so ebd. S. 495); Kenneth Stow, Agobard of Lyons and the medieval concept of the Jew, in: Ders., Popes, Church, and Jews in the Middle Ages: Confrontation and Response (Variorum Collected Studies Series CS 876), Aldershot 2007, Nr. II (S. 58–65; zuerst in: Conservative Judaism 29, 1945, S. 58–65); Albert, Christians and Jews S. 174–177; Przybilski, Kulturtransfer zwischen Juden und Christen S. 75–81 und noch einmal (nahezu wörtlich) S. 248–251; Heil, Agobard.
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verabscheuenswert (abhominabiles).290 Wenn er wieder beklagt, daß sie ständig Christus und die Christen lästerten, dann beruft er sich dabei nicht mehr auf die Zustände in Lyon, sondern auf Hieronymus und greift damit traditionelle Muster auf.291 Auch wenn es dem Erzbischof in erster Linie um das praktische Zusammenleben und die Scheidung beider Religionen geht (de discretione utriusque religionis, ecclesiastice˛ et Iudaice),292 zeigt die letzte Wendung deutlich, daß er, gewiß aus christlicher Sicht, eine solche Scheidung erkennt und gerade durchgesetzt wissen möchte, indem er betont, wie verachtenswert und schlimmer als alle Ungläubigen diese Feinde der Wahrheit seien.293 In seinem Brief an den Erzbischof Nibridius von Narbonne warnt Agobard vor der Gemeinschaft mit solchen „Ungläubigen“ (infideles): „weil es uns unwürdig und unserem Glauben nicht angemessen scheint, daß die Söhne des Lichts sich mit der Gemeinschaft der Finsternis schwärzen und die Kirche Christi, die sich ohne Makel und Falte auf die Ankunft des himmlischen Bräutigams vorbereiten soll, durch die Gemeinschaft mit der Synagoge, befleckt, faltig und verschmäht, entstellt wird“ (wie auch eine Gott geweihte Jungfrau nicht mit Huren verkehrt).294
Juden sind für Agobard demnach Anhänger und Söhne des Teufels, deren Gemeinschaft zu meiden ist. Ein weiterer, noch längerer, gemeinsam mit den burgundischen Bischöfen Bernhard von Vienne und Faof von Châlons sur-Saône verfaßter Brief an
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Agobard von Lyon, De insolentia Iudeorum S. 192. Ebd. S. 193. Ebd. S. 194. Ebd. S. 194: Ex quibus demonstratur, quam detestabiles habendi sint inimici ueritatis, et quomodo peiores sint omnibus incredulis, Scripturis diuinis hoc docentibus, et quam indigniora omnibus infidelibus de Deo sentiant et rebus caelestibus. Agobard von Lyon, De cavendo convictu et societate Iudaica, ebd. S. 231f.: ut se, tamquam ueri cultores christiane fidei, omni obseruantia ab infidelium consortio segregarent […]. Quia et satis indignum ac fidei nostrae inconueniens esse uidebatur, filios lucis tenebrarum societate fuscari, et Ecclesiam Christi, quam decet sine macula et ruga sponsi caelestis amplexibus praeparari, maculose, rugose ac repudiate synagoge contubernio decolorari, et uere absurdum est, uirginem castam, uni uiro Christo desponsatam, meretricis dapes expetere, et per communionem cybi ac potus non solum in diuersa flagitia corruere, uerum etiam fidei periculum sustinere, dum ex familiaritate nimia et assidua cohabitatione aliqui de grege christiano sabbatum quidem cum Iudeis colunt, diem uero dominicam inlicita operatione uiolant, nec et ieiunia statuta dissoluunt.
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Ludwig den Frommen295 verfolgt die gleichen Ziele, eine zu enge Gemeinschaft von Juden und Christen zu verhindern,296 stützt sich dazu aber noch deutlicher auf Kirchenväter (Cyprian, Athanasius), frühere Bischöfe (wie Avitus von Vienne, Caesarius von Arles oder Priscus von Lyon), Konzilsbeschlüsse und Bibelzitate und wirkt insgesamt noch schärfer in seiner Polemik: Gleich zu Beginn werden die Christen vor der Treulosigkeit, dem Aberglauben und den unzähligen Irrtümern der Juden gewarnt, deren Gesinnung sie zu „Gefäßen des Teufels“ macht297 (und noch mehrfach wird der Teufelsbezug herausgestellt).298 Ihre überaus hartnäckige Gottlosigkeit und Ungläubigkeit übertreffe jeden Irrtum der Heiden,299 und ihre Gemeinschaft ist noch verabscheuungswerter als „die der übrigen Häretiker“, weil sie „Feinde der Wahrheit“ sind, zumal wenn sie große Feindschaft üben;300 als „Feinde des katholischen Glaubens“ seien sie, die Gott wie kein anderes Menschengeschlecht schmähen, mehr als alle anderen Ungläubigen und Häretiker zu verabscheuen.301 Wer also kann daran zweifeln, daß die Juden aus all diesen Gründen hassenswert sind? fragt Agobard (mit Berufung auf Psalm 295
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De Iudaicis superstitionibus et erroribus, ebd. S. 197–221. Zu dieser Schrift vgl. Langenwalter, Agobard S. 144–176, die, ebd. S. 144, diese Schrift eher einen Traktat als einen Brief nennt. Mit seinen Vorlagen wendet sich Agobard wieder gegen Speisegemeinschaften (S. 202), jüdische Amtshoheiten über Christen (S. 203) und Mischheiraten (S. 204). Von Gründonnerstag bis Ostern soll es Juden überhaupt untersagt sein, auf Märkten und Plätzen zu verkehren (S. 203). De Iudaicis superstitionibus et erroribus 1, S. 199: qualis esse debeat erga Iudaicam perfidiam et superstitiones atque innumerabiles errores, in quantum extremitas nostra inuenire potuit ex usu et institutione priorum Gallicanarum ecclesiarum rectorum. Et quidem si, sicut nunc multa necessitas poscit, ausi essemus aut ualuissemus auribus uestris ingerere dampna animarum, que per uasa diaboli, mentes uidelicet Iudeorum, fidelibus inferuntur, adhiberi omnino iuberet pietas uestra remedium. Vgl. ebd. 22, S. 216: sed et filii perseuerant diaboli. Ebd. 3, S. 201: infidelitatis eorum obstinatissimam impietatem supra omnem gentilium execrantur errorem. Ebd. 9, S. 205: Sed et ex supra scriptis statutis aduertat multo detestabilius execranda et uitanda consortia Iudeorum, quam ceterorum hereticorum, quia si omnes propterea detestandi sunt, quoniam inimici ueritatis existunt, multo illi magis, qui maiores exercent inimicitias. Ebd.: Si ergo hostes catholice fidei propterea execrandi sunt et cauendi, quia inimici sunt ueritatis, super omnes infideles, incredulos uel hereticos detestandi sunt Iudei, quia nullum genus hominum inuenitur, cui ita libeat maledicere Dominum.
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138,20ff.).302 Der Grund für diese Schmähungen aber ist wieder derselbe: Die Juden erkennen die Göttlichkeit Christi nicht an. Das macht sie – und damit steigert Agobard seine Polemik bis an die Grenze – mit Johannes 2,22f. zum Antichrist, denn wer Vater und Sohn leugnet, ist der Antichrist.303 So sind die Juden nicht nur Lügner, sondern der Antichrist selbst, der sie nur darin übertrifft, daß er selbst behauptet, der Messias zu sein, in dessen Gotteslästerungen sie – und insofern sind sie antichristi – aber mit ihm übereinstimmen.304 Juden verachten das Gesetz, schmähen die Propheten, verfolgen die Kirchen und lästern selbst den Gottessohn. Als „Diener der Sünde“ sind sie den Dienern Gottes, als „Söhne der Magd“ den Söhnen einer Freien“, als „Söhne des Teufels“ den Söhnen Gottes entgegengestellt und „enterbt“:305 Juden, besagt das, sind nicht (mehr) die Erben Gottes; sie erlangen nicht das Heil. Christen aber, die für das Reich Christi bestimmt sind, dürfen sich nicht durch die Gemeinschaft mit Juden und ihren Irrtümern verunreinigen.306 Agobards Briefe bilden, wie oben schon angesprochen, den Gegenpol zu der judenfreundlichen Politik Ludwigs des Frommen, auf die sie reagieren. Sie sind folglich unmittelbar aus diesem Kontext zu verstehen, und sie resul302 303
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Ebd. 10, S. 207: Pro quibus omnibus summo eos odio dignissimos esse quis ambigat? Ebd. 19, S. 214: In hoc cognoscitur spiritus Dei: omnis spiritus, qui confitetur Iesum Christum in carne uenisse, ex Deo est, et omnis spiritus qui soluit Iesum, ex Deo non est, et hic est Antichristus; itemque ibi: Quis enim est mendax, nisi is, qui negat quoniam Iesus non est Christus? Hic est Antichristus, qui negat Patrem et Filium. Omnis qui negat Filium, nec Patrem habet; qui confitetur Filium, et Patrem habet.‘ Ebd.: Ex quibus uerbis euidentissime declaratur non solum mendaces, sed et Antichristos esse Iudeos. […] In hoc ergo solo blasphemiam Iudeorum superat Antichristus, quod se praesumit nuncupare Christum. In hoc autem Iudei nequitiam equiperant Antichristi, quod Iesum negare audent fuisse Christum: in tantum igitur Antichristi, in quantum blasphemie ipsorum blasphemiis consonant Antichristi. Ebd. 22, S. 216: An non patris sui desideriis cotidie satisfaciunt, contempnentes legem, spernentes prophetas, persequentes Ecclesiam atque ipsum Dei Filium blasphemantes? Cum hec ergo ita se habeant, qua ratione seruis Dei serui peccati, filiis libere filii ancille, heredibus exheredati, Dei filiis filii diaboli praeferentur, quos Dominus per Esaiam prophetam tanta a seruis suis diuisione seiungit, ut et nomen pristinum eos amisisse et inter mortuos ostendat iam deputatos esse. Zur Sklavenrolle der Juden vgl. Langenwalter, Agobard S. 156ff. Agobard, De Iudaicis superstitionibus et erroribus 24, S. 218: Erepti igitur de potestate tenebrarum christiani et translati in regnum filii caritatis Dei, nullatenus debemus eorum conuictu et sotietate pollui, a quorum erroribus omni genere probamur absoluti.
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tieren sowohl aus praktischen Erfahrungen als auch der seelsorgerischen Sorge des Erzbischofs um die Christen. Dadurch mag manches überzeichnet sein. Dennoch bleibt Agobards dahinter stehende, judenfeindliche Einstellung unverkennbar. Repräsentativ für die Zeit ist sie allerdings nur bedingt, denn die in einer einzigen, eher zufällig erhaltenen Handschrift überkommenen Briefe haben keine Nachwirkung entfaltet. An Agobards Einstellung knüpft aber der Traktat „Contra Iudaeos“ seines Nachfolgers auf dem Erzbischofstuhl, Amulo, an,307 der Anlaß und Zweck seiner Schrift gleich zu Beginn verrät: „Der Unglaube der Juden ist zu verachten, und wie schädlich ihr Umgang mit Christen für die Gläubigen und wie gefährlich er für die Kirchenlehrer ist, ist vielen nicht bekannt, nicht nur beim einfachen Volk, sondern auch bei Adligen und Würdenträgern, Gebildeten gleichermaßen wie Ungebildeten.“308
Amulo beschuldigt die Juden immer wieder der Untreue oder Ungläubigkeit (perfidi Iudaei) und der Blasphemie gegenüber Christus und dem christlichen Volk – die heiligen Apostel betrachten sie als Apostaten309 –, er führt auch die Häresien, die es zunächst überhaupt nur bei den Juden gegeben habe, auf das Judentum zurück,310 das er quasi den Häresien zuordnet, oder er betrachtet sie als schlimmer als alle Häretiker und den Heiden nahe, in deren Umfeld sie im Ostergebet stehen:311 Häretiker glaubten teils Wahres, 307
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Amulo von Lyon, Contra Iudaeos, Migne PL 116, Sp. 141–184. Vgl. dazu Schreckenberg I S. 502–509; Heil, Agobard S. 65ff. Zu Amulos Wissen über die Juden vgl. Aurast, What did Christian authors know. Amulo von Lyon, Contra Iudaeos 1, Sp. 141 A: Detestanda Iudaeorum perfidia, et eorum inter Christianos conversatio quantum sit noxia fidelibus et ecclesiarum doctoribus periculosa, apud multos incognitum est, non solum vulgares et plebeios, sed etiam nobiles et honoratos, doctos pariter vel indoctos. Ebd. 10, Sp. 146 D. Ebd. 6, Sp. 144 C: Ad haec si forte aliquis dicit, Cerinthum haereticum fuisse, non Iudaeum, noverit temporibus apostolorum non fuisse haereticos nisi ex Iudaeis ac Samaritanis, sicut fuerunt Simon et Menander, Ebion et Nicolaus. Samariter, so schreibt Gottfried von Admont, Homiliae dominicales. Homilia 36, Sp. 246 A, später, sind bekanntlich weder richtige Juden noch richtige Heiden, weil sie teils jüdischen, teils heidnischen Riten folgten; Samaritani enim, ut notum est, nec ex toto Iudaei, nec ex toto gentiles sunt, sed ex parte Iudaismi, ex parte gentilitatis ritum observant. Amulo von Lyon, Contra Iudaeos 4, Sp. 143 AB, zu Augustin: et evidenter agnoscet Iudaeos falsos esse doctores, et inter caeteros haereticos deputari; et idcirco in omni colloquio atque convictu, consessu vel processu vel osculo (per quae plurimi eis adulan-
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teils Falsches über Christus, Juden hielten hingegen alles über Christus für falsch und betrachten ihn nur als einen von Mann und Frau gezeugten Menschen, nicht als Gott.312 Auf den jüdischen Glauben geht hingegen auch Amulo nicht näher ein. Entscheidend ist für ihn, daß ihr Unglaube die Juden zur Verdammung verurteilt: „Auch jetzt haben die Juden die verabscheuungswürdige Nacht des Unglaubens und der Blindheit, die ihnen Gott bereits durch den Propheten (Is. 6,10) angedroht hat.“313 (Wie schon bei Gregor von Tours, ist auch hier die Berufung auf alttestamentliche Prophetien und deren Bezug auf die Juden wiederum typisch für die frühmittelalterliche Argumentation.) Amulo bezeichnet sie daher als „tollwütige Hunde gegen Christus“ (rabidos adversum Christum canes)314 und als Handlanger des Teufels.315 Am Ende stellt er die kaiserlichen und königlichen Erlasse zusammen, die das Zusammenleben der Juden mit Christen beschränken sollen (Bekehrungsverbot, Versammlungsverbot zu Festzeiten). Das zeigt, so folgert er, „daß dieses Judenvolk verdientermaßen wegen seines Unglaubens und seiner Gottlosigkeit in allem geschmäht und verachtet werden muß“.316 Die von den Christen verbrannte, gegen die Kirche Gottes errichtete Judensynagoge sei kein Bethaus,
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tur) tanquam haereticos esse cavendos; imo et peiores haereticis: sicut eos Ecclesia catholica esse iudicat, quae in diebus Dominicae Passionis, post haereticos et schismaticos et prope paganos pro eis orat, hoc modo patenter ostendens eos et peiores esse haereticis et proximos paganis. Ebd. Sp. 143 B: Quia videlicet proprium esse solet haereticorum, de Domino Iesu Christo Dei Filio quaedam vera, quaedam falsa sentire; proprium autem Iudaeorum, cuncta de illo falsa credere; dum illum et Deum nullo modo esse credunt, et hominem tantum communis naturae, id est, ex viro et femina procreatum adhuc suspicantur venturum. Quod vero unum Deum conditorem omnium confitentur, etiam idolorum cultores negare non solent. Ebd. 32, Sp. 162C: Habent etiam nunc Iudaei noctem infidelitatis et caecitatis horrendam, quam eis Dominus per prophetam comminatus est. […] et illi remanserunt in nocte infelicitatis et caecitatis suae. Vgl. auch Heiric von Auxerre, Homiliae per circulum anni. Pars aestiua. Homilia 17, S. 158: Diues ergo iste in inferno sepelitur, quia Iudaicus populus qui in infidelitate mori elegit, profundae ac perpetuae damnationi post mortem deputatur. Amulo von Lyon, Contra Iudaeos 41, Sp. 170 A. Ebd. 42, Sp. 171 A. Ebd. 51, Sp. 178 BC: quae hunc populum Iudaicum, merito infidelitatis et impietatis suae, in omnibus maledictum et detestandum ostendit.
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sondern eine Räuberspelunke und (mit Apoc 2,9) eine „Synagoge des Teufels“ und dürfe nicht auch noch von Christen wiederhergestellt werden.317 Diese verlorenen Menschen, die ihr eigenes Verderben nicht erkennen, sollen sich nicht durch christliche Schmeicheleien und Liebkosungen oder gar Verteidigungen in Sicherheit wiegen dürfen.318 Ganz andere Ziele verfolgt die Bibelexegese. Hier wird der jüdische Glaube nicht geschlossen widerlegt, und entsprechende Äußerungen erscheinen alles andere als systematisch. Umso deutlicher aber fließen auch hier Vorstellungen von und Einstellungen gegenüber den Juden ein, weil sie zur Deutung der Bibelstellen herangezogen und somit (vom Autor wie auch bei seinen Lesern) bereits vorausgesetzt werden, auch wenn die Juden betreffenden Kommentare hier in aller Regel aus spätantiken Werken kompiliert sind319 und der Bibeltext vielfach typologisch gedeutet wird. Johannes Heil hat das für das 9. Jahrhundert bestens aufbereitet.320 Gängig ist auch hier die Vorstellung, wenn ich versuche, Heils differenzierte Ergebnisse kurz zusammenzufassen, daß die Juden, das einst von Gott auserwählte Volk Israel, das Heil verloren haben, das auf Christus und die Kirche übergegangen ist.321 Da sie Christus nicht als Gott anerkennen und ihnen folglich die Wahrheit fehlt, sind sie ungläubig,322 schuldig gegenüber Gott323 und werden
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Ebd. 54, Sp. 181 BC: Deinde omnes pariter intelligamus, quia synagoga eorum, synagoga utique Satanae, domus sacrilega est, contra ecclesiam Dei erecta, et non domus orationis, sed spelunca latronum. Unde omnino indignum erat, ut domum sacrilegii et blasphemiae eorum adversus Christum, Christiani erigerent. „Synagoge des Teufels“ auch bei Beda, Expositio in Lucae euangelium 2,4 (unten Anm. 638) und bei Petrus Damiani, ep. 69, Bd. 4,2, S. 307: Unde et in Apocalipsi de his, qui sibi credituri sunt, dicitur: Qui dicunt se Iudeos esse, et non sunt, sed sunt synagoga Sathanae. Amulo von Lyon, Contra Iudaeos 60, Sp. 184 A: Homines namque perditos, et perditionem suam non videntes (id est ipsos Iudaeos) non debemus nostris blanditiis et adulationibus, vel (quod absit) defensionibus reddere male securos. Man wird Exegeten wie Hrabanus Maurus deshalb aber nicht wenig reflektierte Traditionselemente unterstellen dürfen (so Schreckenberg I S. 507ff.). Vgl. Heil, Kompilation; vgl. auch Albert, Adversus Iudaeos. Vgl. Heil, Kompilation: „Verwerfung“ (S. 124–139) und „Erwählung“ der Juden (S. 140–158) stehen in der Exegese zwangsläufig (unverbunden) nebeneinander. Ebd. S. 84–92, bes. S. 87. Ebd. S. 111–118.
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erst in der Endzeit bekehrt.324 Bis dahin stellen sie eine Warnung für die Christen dar.325 Wirken diese und andere Kommentare noch weitgehend „neutral“, so finden sich abschätzig wertende oder polemische Äußerungen ansatzweise in der Vorstellung der Juden als Feinde Christi und der Christen326 und in der Schuldzuweisung für den Tod Christi. Im Verlauf des 9. Jahrhunderts mehren sich nicht nur die antijüdischen Äußerungen in exegetischen Schriften (etwa bei Angelomus von Luxeuil), sondern mit wachsendem Interesse an den Juden, so stellt Heil fest, verschärft sich gegenüber der Patristik zugleich der Ton: Bei Hrabanus Maurus, Florus von Lyon und Haymo von Auxerre gewinnt die Judenexegese nicht nur eine aus geschickter Kompilation resultierende Systematik, sondern auch eine bis dahin nicht gekannte Schärfe,327 so daß sich insgesamt ein „graduelles Ansteigen judenfeindlicher Äußerungen in den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts“ beobachten läßt.328 Auf der Suche nach exempla beschwört man eine immanente Bedrohung der Kirche durch eine umfassende Feindschaft, die so gar nicht gegeben war.329 Ob diese Verschärfung im exegetischen Judenbild von der Einstellung Agobards zu lösen und vielmehr auf die Suche nach neuen Wegen antijüdischer Polemik nach dessen Scheitern zurückzuführen ist, wie Heil meint,330 sei dahingestellt. Letztlich gliedert sich beides in vorhandene (nicht zwangsläufig auch vorherrschende) Strömungen ein. Ebensowenig läßt sich ein Bezug zur sozialen Wirklichkeit bestreiten331 (die Agobard ja erst zu seiner Replik provoziert hat). Es ist gut denkbar, daß gerade die vermehrte Bildung und der Aufschwung der Judengemeinden in dieser Zeit332 solche Reaktionen
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Ebd. S. 159–166. Vgl. auch Haeberli, Der jüdische Gelehrte S. 296. Heil, Kompilation S. 118–121. Ebd. S. 92–110. Zusammenfassend Heil, Kompilation S. 372ff. So ebd. S. 375. Verstrepen, Raban Maur S. 28–31, findet im Königskommentar des Hrabanus neben beleidigenden Äußerungen allerdings auch neutrale, zuweilen sogar respektvolle Töne vor. Allzu negative Wertungen seiner Vorlagen läßt Hraban weg (ebd. S. 42). So ebd. S. 379. So ebd. S. 384. Einen solchen Zusammenhang bestreitet Heil, ebd. S. 386. Auch das ist gängige Ansicht. Man wird allerdings hinzufügen müssen, daß uns für die Zeit zwischen Gregor von Tours (in der Juden ja zumindest in einer Reihe von
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hervorgerufen haben, die freilich auf ältere Traditionen zurückgreifen können. Von der Polemik der Schriften her war das 9. Jahrhundert jedenfalls kein „goldenes Zeitalter der Juden“, als das es seit Heinrich Graetz (1909) und Jean Régné (1912), mit Blick auf die Blüte, die königliche Förderung und die Stellung mancher Juden am Hof und in der Gesellschaft, gern gesehen wird.333 Die antijüdische Polemik schuf damit, vielleicht unbewußt und ungewollt, ein Potential zur Rechtfertigung von Ausschreitungen: „Die Exegese des 9. Jahrhunderts,“ so schließt Heil seine Untersuchung, „hat hinsichtlich der Juden ein letztlich heterogenes Motiv- und Stereotypenreservoir erschlossen und in Teilen zugespitzt, dessen Elemente künftig abrufbar und ganz verschiedenen Zusammenhängen einpaßbar waren. Mehr läßt sich nicht erkennen. Wenig ist das nicht.“334 Die Exegese hat die Judenfeindlichkeit weder geschaffen noch gar zu praktischen Auswirkungen aufgerufen, wohl aber, dank ihrer Verbreitung ebenso wie ihrer theologisch-wissenschaftlichen Autorität, wesentlich zu ihrer Ausbreitung und Verinnerlichung beigetragen, und sie kann dabei bereits vorhandenes Gedankengut aufgreifen. Das macht sie zu einem guten Indikator verbreiteter Vorstellungen. Allerdings ist es nicht minder auffällig, daß bis zu den ersten wirklich großen Ausschreitungen (im Vorfeld des 1. Kreuzzugs) noch gut zwei Jahrhunderte vergehen sollten.
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Städten bereits eine gewichtige Rolle spielten) und vor dem 9. Jahrhundert hinreichende Quellen fehlen, um einen Aufschwung zu einem gewichtigen sozialen Faktor erst im 9. Jahrhundert zu bestätigen. Unbestreitbar bleibt ihre Bedeutung in diesem Zeitalter. Vgl. dazu Heil, Kompilation S. 384, mit Bezug auf Jean Régné, Étude sur la condition des Juifs de Narbonne du Ve au XIVe siècle, Narbonne 1912 (ND Marseille 1981), S. 58; ebenso Heinrich Graetz, Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Bd. 5: Geschichte der Juden vom Abschluß des Talmuds bis zum Aufblühen der jüdisch-spanischen Kultur, Leipzig 1909, S. 234. Als „fundamentally pro-Jewish“ stuft Bachrach, Early Medieval Jewish Policy S. 139f., die Haltung der karolingischen Herrscher ein. Die bevorzugte Stellung der Juden in dieser Zeit, in der antijüdische Traditionen in Vergessenheit geraten seien und Juden in hohem Ansehen in der christlichen Bevölkerung gestanden hätten, hebt besonders Geisel, Die Juden im Frankenreich, zusammenfassend S. 730 und 734, hervor, ist mit seinen Thesen allerdings auf Kritik gestoßen. Tatsächlich ist die Einschätzung sehr widersprüchlich. Die antijüdischen Tendenzen der Exegese gerade dieser Zeit, hat Heil, Kompilation, deutlich herausgearbeitet. Heil, Kompilation S. 389f.
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In den folgenden Jahrhunderten führen verschiedene Schriften die Tradition bezeichnend fort, von denen hier aus dem 11. Jahrhundert Fulbert von Chartres, Rodulf Glaber und Petrus Damiani erwähnt seien, die in der bisherigen Forschung eher unberücksichtigt geblieben sind. Fulbert, ein Schüler Gerberts von Reims und seit 1006 Bischof von Chartres, ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie sehr sich tiefe theologische Bildung und antijüdische Einstellung verknüpfen (können). In seinem „Tractatus contra Iudaeos“335 kleidet er seine Anklagen geschickterweise in Selbstaussagen der Juden. Dabei geht es ihm in erster Linie darum zu zeigen, daß die irdische Macht Jerusalems vernichtet sei, seit ihr Königreich Jerusalem zerschlagen wurde. Damit greift Fulbert gegenüber der üblichen Tradition ein anderes, historisches Argument auf, das sich aber schon bei Isidor andeutet.336 Es sei nicht verwunderlich, so heißt es bei Fulbert, wenn die Juden Gefangene seien, seit sie Jerusalem verloren hätten und keinen eigenen König mehr besäßen. Wegen ihrer Sünden seien sie einst in die Babylonische Gefangenschaft gewandert und hätten erst nach ihrer Rückkehr wieder eigene Könige und Fürsten gehabt (und Fulbert läßt diese Erkenntnis die Juden selbst äußern).337 Einige behaupten jedoch, daß es in irgendeinem unbekannten Erdwinkel noch eine große Judengemeinschaft unter einem eigenen König geben könnte, die die Tradition des Königreichs Juda fortführt.338 Wieder andere sähen diese Tradition in den klugen und mächtigen Juden einiger Regionen fortgeführt. (Dann aber, so entgegnet Fulbert, käme der erwartete Messias nach ihrer eigenen Prophetie erst, wenn alle Familienväter tot oder so machtlos seien, daß niemand mehr sein eigenes Haus lenken könne – also erst am Ende der Welt –, und greift damit die eschatologische Perspektive über die Juden auf.)339 Im zweiten Kapitel wendet sich Fulbert gegen die
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Fulbert von Chartres, Tractatus contra Iudaeos, Migne PL 141, Sp. 305–318. Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 1,8,3 (oben Anm. 284). Fulbert von Chartres, Tractatus contra Iudaeos 1, Sp. 305 D: Filii Iudaeorum dicunt: Non est mirum si modo captivi sumus, si Ierusalem non tenentes regem proprium non habemus; fuimus enim similiter pro peccatis nostris in Babylone captivi, regem proprium non habentes, et postea reversi in patriam habuimus reges et principes. Ebd. 2, Sp. 306f.: Alii dicunt: Forsitan in aliqua parte mundi nobis incognita potest esse congregata multitudo Iudaeorum, quae habeat proprium regem, ideoque non ablatum adhuc est sceptrum de Iuda. Ebd. 3, Sp. 307 A: Alii dicunt esse in regionibus Iudaeos prudentes atque potentes, qui virga directionis optime gubernant domos et familias suas, ideoque non esse ablatum sceptrum de Iuda. Quibus nos primo respondemus, quoniam si ita accipienda est
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„Irrtümer der Gläubigen“ und verbindet das mit dem zitierten historischen Aspekt: Die Juden weichen von den Christen vor allem darin ab, daß sie die Dreiheit der göttlichen Personen in der Einheit der Gottheit nicht erkennen und vielmehr bestreiten, daß Christus Gott ist (und deshalb noch gar nicht auf die Erde gekommen sei).340 „Wenn ihr also seht, Juden,“ so folgert Fulbert, „daß das Szepter Judas in die Hand eines fremdstämmischen Königs übergegangen ist, erkennt das doch als ein sicheres Zeichen, daß Christus bereits gekommen ist.“341 Seit dem Einzug in das gelobte Land bis zu dem (bereits) fremdstämmischen König Herodes zur Zeit des Augustus hätten die Juden immer eigene Herrscher aus legitimem Geschlecht gehabt, und gerade in dieser Zeit, als es kein eigenes jüdisches Königreich mehr gab, wurde Christus geboren.342 Als die Juden das aber nicht erkannten und ihre Opfer erwürgten und Fleisch aßen, zähmte Gott kraftvoll ihren Aberglauben, indem er sie aus ihrem eigenen Königreich vertrieb, in dem allein (und nirgends sonst) das Gesetz ihnen Opfer zugestanden hatte.343 Die vielen
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prophetia illa, sicut illi dicunt, neque venit Messias neque venturus est, donec omnes Iudaei patresfamilias vel mortui sint vel ita impotentes, ut nullus eorum sit in mundo, qui sciat vel possit regere domum suam, quod quia futurum non est, usque ad illum diem qui est finis omnium mortalium, nec Messias ante veniet. Ebd. 2, Sp. 308 BC: Dissentiunt autem in his, quod Trinitatem personarum in unitate Deitatis non agnoscunt, et quod Christum negant Deum esse, et quod eum nondum venisse dicunt. Ebd. Sp. 309 B: Cum ergo videritis, o Iudaei, sceptrum Iuda in manu regis alienigenae transmutatum, hoc certo signo Christum venisse cognoscite. Ebd. Sp. 309 BC: Postquam enim Deus in terra promissionis elegit sibi locum regni sacerdotalis, sicut praescripserat Moyses, et sic David postea factum esse cecinit, non fuit in sorte tribus Iuda rector nisi de genere legitimo usque ad tempus Herodis alienigenae qui post Hircanum regnavit Hierosolymis sub Caesare Augusto. Quo tempore natus est Dominus Iesus in Bethlehem Iudae. Sed ex illo tempore ablatum est sceptrum de Iuda temporale, et dux de femore eius. Daß Herodes der erste fremdstämmische König war, betont schon Augustinus, Contra Faustum 12,42, S. 369: sunt enim litterae certissimae historiae ipsorum quoque Iudaeorum, quibus ostenditur primum alienigenam herodem regem fuisse in gente Iudaeorum, quo tempore natus Christus est. Danach Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones is Vetus Testamentum. In Genesin 31,22, Sp. 280 A. Fulbert von Chartres, Tractatus contra Iudaeos, Sp. 309 D: Sed cum Iudaei nullatenus eis acquiescere vellent, sed semper inhiarent iugulare victimas, et comedere carnes, compescuit Dominus superstitionem ipsorum magna vi, extrudens eos de loco regni, in quo solo et nunquam alibi sacrificare concesserat eis lex.
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göttlichen Zeichen während der Geburt, der Taufe und der Passion Christi (die Engelserscheinungen, der rote Stern, der die Magier zur Krippe geleitet hat), aber hätten nicht nur seine Ankunft bewiesen, sondern auch seine Wahrhaftigkeit offenbart (während man statt dessen alle Gleichaltrigen ermordet habe).344 Tatsächlich hätten die Juden gar keine Gegenargumente: Die Behauptung, Juda sei das Szepter nicht genommen worden, sei schlichtweg falsch, denn seit tausend Jahren seien die Juden über alle Himmelsrichtungen verstreut, während Fremde seinen Priestersitz beherrschen. Die Behauptung, sein Priestertum sei nicht erloschen, ist eine glatte Lüge, denn außerhalb Jerusalems haben sie keine Erlaubnis, innerhalb keine Möglichkeit zu opfern. Die Behauptung, das Testament sei noch nicht abgeschlossen, aber ist besonders falsch, weil das Alte Testament ohne Blutopfer keinen Bestand hat. Die Behauptung wiederum, die Zahl des heiligen Daniel sei in der Zeit noch nicht erfüllt, wird leicht durch die Argumente der Chroniken widerlegt. Die Behauptung schließlich, es sei nicht Christus, auf den der obige Bericht zutrifft, wird durch das Zeugnis der Propheten ebenfalls als falsch erwiesen, das nämlich auf niemanden sonst zutreffen kann.345 Im folgenden Kapitel betont Fulbert sowohl die Einigkeit im Glauben an den einen Schöpfergott als auch die zahlreichen Unterschiede, vor allem eben im
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Ebd. Sp. 311 BC: Item signa vel miracula, quae in nativitate et baptismo et passione Domini nostri Iesu quasi extrinsecus, sed tamen divinitus facta sunt, non modo venisse Christum, sed ipsum vere esse declaraverunt, sicut visiones angelorum laetantium in Nativitate eius, sicut stella nova rutilans ad indicium eius, sicut magi cum muneribus venientes ad cunabula eius, quae miracula sic turbaverunt regem abusivum, ut in aemulationem Christi nati coaevorum eius infantium crudelissimam stragem ederet. Ebd. Sp. 312 AB: Nec habet Iudaeus quid hiscere contra. Nam si dixerit sceptrum de Iuda non esse ablatum, perspicue falsus est, quia circiter annos mille dispersa est tribus Iuda in omnes ventos, et locum regni sacerdotalis alieni possident. Quod si dixerit sacerdotium eius non esse defunctum, mentitur plane, quia nec extra Hierusalem habet sacrificandi licentiam nec intra facultatem. At si dixerit testamentum non esse finitum, et hoc praecipue falsum est, quia sine sanguine sacrificii non stat ius Veteris Testamenti. Si dixerit numerum sancti Danielis in tempore supradicto non fuisse completum, hoc quoque falsum esse rationes chronicarum facile probant. Si dixerit illum non esse Christum, cui superius relata descriptio convenit, cum testimonio prophetarum, tum etiam eo falsus esse probatur, quod nullus est alius cui convenire possit. Anders als die Juden glauben, so führt Fulbert im folgenden noch weiter aus, beziehen sich die alttestamentlichen Prophetien auf Christus.
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Abstreiten der Trinität und der Göttlichkeit Christi,346 in dessen Hände das Szepter Judas übergegangen ist.347 Weder vor noch nach der Babylonischen Gefangenschaft, so wiederholt Fulbert noch einmal, hätte den Juden bis zur Zeit des letzten Priesterkönigs Aristobulus (III.) ein eigener König gefehlt.348 Herodes sei dann, so schreibt er noch ein weiteres Mal und gibt damit zu erkennen, wie bedeutend ihm dieses historische Argument ist, der erste fremde, vom römischen Kaiser durch Senatsbeschluß eingesetzte König eben zur Zeit der Geburt Christi gewesen; das zeigt den Wandel deutlich an.349 Schon Herodes habe keine Priester aus der legitimen Geschlechterfolge mehr eingesetzt. Endgültig nach der Zerstörung Jerusalems aber wurde das Volk der Juden bis zum heutigen Tag verstreut, und es blieb ihnen weder die Stadt noch ein König noch ein Priester, noch sind sie überhaupt ein Volk (und das wird bis zum Ende der Welt so andauern).350 Wenn die Juden also nicht an Christus glauben, weil sie meinen, das Szepter sei noch nicht von Juda genommen, so seien sie daran erinnert, daß es nirgends auf der Welt mehr einen jüdischen König gebe, und selbst wenn in Judäa irgendein Jude herrschte, wäre das Szepter doch von Juda genommen:351 Judäa existiert nur
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Ebd. 3, Sp. 313f.: Hi ergo nobis consentire dicunt in hoc: unum Deum confitemur omnium Creatorem; dissentiunt autem de multis, sed periculosius fere de his quod Trinitatem personarum in unitate divinitatis non agnoscunt et quod Christum Deum esse negant vel quod nondum venisse dicunt. Ebd. Sp. 314 B: est autem ex tunc revera ablatum sceptrum de Iuda, et transpositum in manus extraneas eiusdem Domini nostri Iesu Christi. Ex tunc igitur auctoritate prophetica patet venisse illum qui mittendus erat, id est Christum. Ebd. Sp. 314 C: Post reditum de Babylone fuerunt illi similiter de genere suo bene disciplinata regimina pontificum, usque ad Aristobuli tempus, qui pontifex Iudaici populi similiter de genere suo et rex ultimus fuit. Ebd. Sp. 314 D: Omnem vero Iudaeorum gentem ultimus pontifex per legitimam successionem generis fuit. Herodes primus ex alieno genere rex Iudaeorum factus est per senatusconsultum, imperante Augusto. Quo tempore Christus secundum prophetiae fidem in Bethlehem natus est. Hactenus ergo, id est, usque ad regnum Herodis et non postea, rectores habuit legitime populus Iudaicus de genere suo: regno namque Iudaeorum disrupto atque mutato, sacerdotium quoque disruptum atque mutatum est. Ebd. Sp. 315 A: destructa Hierosolyma et dispersa gente Iudaeorum, neque civitas illis neque rex neque pontifex neque populus fuit. Et ista desolatio iugis facta est usque in hodiernum diem. (Sp. 315f.): Falsi sunt igitur illi, qui dicunt prophetiam hanc ad finem talium rectorum respicere, quales certum est usque in finem saeculi perdurare. Ebd. Sp. 315 AB: dicentes ‚Non credimus venisse Christum, quia sceptrum de Iuda non putamus ablatum. Quis scit enim utrum in aliqua parte mundi sit congregata multitudo
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noch als Land, nicht mehr als Königreich. Sein Land hat das Reich verloren, als es in fremde Hände geriet; sein Volk fehlt ihm, seit das Volk über alle Völker verstreut ist; seinen legitimen König aber hatte es schon lange vorher verloren. Also hörte Judäa auf, ein Königreich zu sein; es hat sein Recht verloren und gehört anderen.352 Jeder König, der von außen kommt (rex extraneus) aber ist ein Fremder (alienus); einen eigenen König hat Judäa nicht mehr. „Niemand aber kann ein gemeinsames Wesen [oder auch: Gemeinwesen] haben, der nicht eine gemeinsame Bestimmung hat.“ Wo kein König ist, gibt es auch keinen Priester, der ihn weihen könnte.353 Das Königtum aber ist Judäa nicht nur genommen, sondern es wird auch in Zukunft nie mehr einen König haben.354 Mit solcher, noch ein viertes Mal wiederholter Argumentation355 steuert Fulbert einen neuen, aber ganz der geschichtstheologischen Denkweise der Christen entsprechenden Aspekt in die antijüdische Diskussion ein, indem er jüdische Ansichten über eine Wiederherstellung jüdischer Herrschaft zurückweist und die fehlende jüdische
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Iudaeorum quae regem unctum atque sacratum habeat super se de genere suo?‘ (Antwort): quod nullus utrinque nostrum scit nec audivit in diebus nostris Iudaeum regem in ulla regione mundi regnare, sed tamen si aliquis Iudaeus regnaret in Iudaea, nunc nihilominus ablatum esset sceptrum de Iuda. Ebd. Sp. 316 BC: Regnum autem Iuda terram suam perdidit, quando ipsa in manus extraneas venit; populo caruit, postquam in omnes nationes dispersus est populus; rege vero legitimo longe ante caruerat: sicque regnum Iuda, omnibus partibus suis amissis, regnum esse desivit; manifestum est igitur, et ad extranea regna nihil pertinere sceptrum de Iuda et de suo iure esse ablatum. Ebd. Sp. 316f.: omnis autem rex extraneus ab hac definitione alienus est. Nullus igitur ipsorum rex Iuda est. Non enim possunt habere communem essentiam, quae non habent communem definitionem. […] Nam si de tribu Iuda legitime rex esse non poterat nisi quem sacerdos, ipse quoque unctus atque sacratus, legitima unctione sacraret, sacerdos autem in gente Iudaeorum non fuit, postquam chrisma perdiderunt et exsulaverunt de loco in quo solo eis sacrificare licebat; postquam sacerdotes qui reges unxerunt non exstiterunt, nec reges quidem existere potuerunt. Ubi enim causae effectivae desunt, effectus earum minime esse possunt. Ebd. Sp. 317 A: Concluditur itaque non solum de Iuda sceptrum ablatum, sed ne regem quidem ibi postea fieri potuisse. Der Ansicht, die Babylonische Gefangenschaft halte an, der König sei in der Zukunft zu erwarten (ebd. Sp. 317 A), widerspricht Fulbert noch einmal (ebd. Sp. 318 A): sed sicut nunc deserta remanserat. Nunc vero non est vobis collectus populus, sicut tunc, neque rex, neque sacerdotes, neque prophetae, neque terra deserta vobis reservata, nec promissio data a Domino.
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Legitimität (und damit auch die Falschheit der jüdischen Religion) aus der historischen Entwicklung und aus der politischen Situation „beweist“: Wer keinen König hat, bildet auch keine Gemeinschaft. Damit wird auch der oben diskutierte und im allgemeinen akzeptierte Volkscharakter der Juden für Fulbert zu einem Element jüdischer Vergangenheit. Der Cluniazensermönch Rodulf Glaber versetzt Schuld und Strafe der Juden gleichsam in die eigene Gegenwart (und legitimiert ein Vorgehen gegen sie), wenn er (die neuerliche) Verstreuung und Verfolgung der Juden und das Verbot der Judengemeinschaft als Strafe für ihre Schuld an der Zerstörung der Grabeskirche in Jerusalem im Jahre 1008 hinstellt: „Nachdem, wie schon erwähnt, der Tempel zerstört war, wurde bald darauf völlig offenkundig, wie ein solcher Frevel allein durch die Verdorbenheit der Juden vollbracht wurde. Wie allgemein bekannt wurde, wurde im gesamten Erdkreis mit der Zustimmung aller Christen befohlen, daß alle Juden von ihren Ländereien und aus den Städten gänzlich vertrieben werden sollten. Und so waren alle von Haß erfüllt; sie wurden aus den Städten vertrieben, einige mit den Schwertern umgebracht, andere in Flüssen ertränkt und auf verschiedene Todesarten umgebracht; andere töteten sich gegenseitig selbst.“356
Auch die Devise „Tod oder Taufe“ ist nicht erst mit den Kreuzzügen erfunden worden.357 Rodulf liefert uns hier nicht nur einen Beleg für eine Judenverfolgung bereits vor dem Ersten Kreuzzug, sondern auch einen der (wenigen) Hinweise auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der judenfeindlichen Einstellung und den Ausschreitungen, indem er diese gutheißt und damit legitimiert: „Denn als auf diese Weise,“ so schließt er, „die würdige Rache an ihnen vollzogen war, fanden sich fortan nur noch wenige von ihnen im römischen Weltkreis. Damals aber erging von den Bischöfen der Befehl und das Verbot, daß kein Christ sich mit ihnen in irgendeiner Angelegenheit verbinden dürfe. Nur, so bestimmten sie, wenn einige von
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Rodulf Glaber, Historiae 3,24, S. 132ff.: rursus coepit inuidus diabolus per assuetam sibi Iudaeorum gentem uere˛ fidei cultoribus uenenum sue˛ nequitie˛ propinare. […] Euerso igitur, ut diximus, templo, post paululum manifeste claruit, quoniam Iude˛orum nequitia tantum sit nefas patratum. Vtque diuulgatum est, per orbem uniuersum communi omnium Christianorum consensu decretum est, ut omnes Iude˛i ab illorum terris uel ciuitatibus funditus pellerentur. Sicque uniuersi odio habiti, expulsi de ciuitatibus, alii gladiis trucidati, alii fluminibus necati, diuersisque mortium generibus interempti, nonnulli etiam sese diuersa cede interemerunt. Zum Beginn des Zitats vgl. oben Anm. 64. Vgl. Abschnitt 3.8., unten S. 557 ff.
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ihnen sich zur Gnade der Taufe bekehren wollten und alle jüdische Gewohnheit und Sitte ablegten, dürfe man sie aufnehmen.“358
Traditioneller geht der Kirchenreformer Petrus Damiani wenige Jahrzehnte später in zwei kurzen, aber einschlägigen Schriften vor. In seinem recht typischen, von der Forschung bislang jedoch weniger beachteten, an einen Honestus gerichteten „Antilogos contra Iudaeos“359 zeigt er dem Juden aus Bibelstellen (wie faciamus hominem ad imaginem im Schöpfungsbericht der Genesis) auf, daß Gott Einheit und Trinität zugleich ist: Handelnde im Plural, aber ein und dieselbe (göttliche) Substanz, und er lädt den Juden ein, die Schriften daraufhin gemeinsam durchzusehen.360 Dazu führt er (wie einst schon Gregor von Tours) Belege aus dem Alten Testament gegen den Unglauben der Juden an, daß Christus Gott ist.361 Diese Argumention soll „die Irrtümer der Juden“ widerlegen:362 Überall spreche man von Gott, nie von einem einfachen Menschen als dem höchsten Wesen. (Erneut „beweisen“ diese Stellen aber wieder nur die Ankündigung des Messias, die kein Jude bestreitet, nicht jedoch die Göttlichkeit Christi, die erst bei entsprechender Auslegung zu erkennen ist.) Was könne der Jude dagegen wohl vorbringen, fragt Petrus dennoch,363 um folgerichtig zu schließen:364 „Sieh, wem es nach so viel durchsichtigem Licht unserer Beispiele immer noch an Beweisen mangelt, der möge darauf bestehen, in der strahlenden Mittagssonne nach Lampenlicht zu verlangen, um das genauer zu betrachten. […] Wenn du doch so viele Strahlen göttlicher Sterne in vollem Glanz vor dir schimmern siehst, Judäa, frage ich
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Ebd.: ita scilicet, ut digna de eis ultione peracta, uix pauci illorum in orbe reperirentur Romano. Tunc quoque decretum est ab episcopis atque interdictum, ut nullus Christianorum illis se in quocumque sociaret negocio. Si qui tamen de illis ad baptismi gratiam conuerti uoluissent omnemque Iudaicam respuere consuetudinem uel morem, illos tantum suscipere decreuerunt. Petrus Damiani, ep. 1 (Antilogos contra Iudaeos), Bd. 4,1, S. 63–102. Ebd. S. 67: numquid in eis aliquid huic nostrae assertioni reperies discrepare. Ebd. S. 70: De Christo, qui est Filius Dei (als Überschrift in einigen Handschriften). Vgl. Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung S. 88–91. Refutantur Iudaeorum errores (so als Überschrift c. 3 bei Migne PL 145, Sp. 51ff). Petrus Damiani, ep. 1, S. 81: perpende, quia altissimus ubique de Deo dicitur et nusquam dictum de simplici homine reperitur […]. Quid ad haec, Iudee, iam temptabis obicere? Confirmatur Christum vere esse Filium Dei (Überschrift c. 4, bei Migne, Sp. 53ff.).
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mich verwundert, wie es in den leeren Augenrundungen Platz für soviel dichte, blinde Dunkelheit geben kann.“365
In dem noch kürzeren „Dialog zwischen einem fragenden Juden und einem darauf antwortenden Christen“366 setzt Petrus Damiani sich mit der Hartnäckigkeit der Juden auseinander, die den Christen dumme, verfängliche Fragen stellen.367 Im Mittelpunkt seiner Argumentation steht dabei durchweg die Frage, weshalb die Christen denn die jüdischen Bräuche aufgegeben haben: Warum ehrt der Christ den Sabbat nicht,368 weshalb mißachtet er die jüdischen Speisegebote,369 weshalb verlangt Christus keine Schlachtopfer? Sie dienen nur unserem Opfer, nicht aber unserem Heil, lautet hier die Antwort.370 Weshalb verwenden die Christen kein ungesäuertes Brot? (Was damals Gesetz war, ist jetzt „Zeugnis“, antwortet Petrus, um damit zu sagen: Christus selbst bezeugt es.371) Weshalb opfern Christen kein Osterlamm?372 usw. Die Antworten lauten jeweils gleich: daß Christus, der in all dem präfiguriert war, das alles nun erfüllt hat. Die Menschwerdung Christi wurde den Propheten vorhergesagt und hat sich verwirklicht.373 Damit
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Petrus Damiani, ep. 1, S. 88: Ecce qui post tam perspicuam exemplorum lucem adhuc testimoniis indiget, restat ut ad contemplandum radiantem in meridie solem lucernae lumen efflagitet. Nam cum tot astrorum caelestium radios coram te, Iudaee, videas enitescere, miror, quae tam densae tenebrae caecitatis locum etiam in vacuis oculorum orbibus valeant obtinere. Petrus Damiani, ep. 1, S. 88ff. (als eigener Dialogus inter Iudaeum requirentem et Christianum e contrario respondente, bei Migne PL 145, Sp. 57–68). So überschreibt der Editor den Text (Migne, Sp. 57 A): Argumentum: Eorumdem Iudaeorum pertinaciam adhuc vehementius coarguit, dum quasdam captiosas quaestiones, quas frivole in Christianos obiciunt, dissolvit. Ebd. (ep. 1), S. 89: Cur omittit Christianus Sabbatum colere, si Christus non venit legem solvere, sed implere. Resp.: A nobis Sabbatum ideo non servatur, quia quod tunc erat in figura praemissum, per exhibitionem rei iam videmus impletum. Ebd. S. 89: Si Christus non venit legem solvere, sed implere, cur Christianus negligit ciborum differentiam, quae in lege praecipitur observare? Resp.: Immo idcirco haec a Christianis ciborum differentia non admittitur, quoniam a Christo, quod per hanc figuratur, impletur. Ebd. S. 89f. Ebd. S. 90: Tunc enim erat legis Scriptura praeceptum, nunc est testimonium. Ebd. S. 90. Ebd. S. 99.
6. Bewertung und Abschätzung
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hat das Judentum keine Berechtigung mehr. Da das den Juden jedoch nicht überzeugt, will Petrus allein ratiocinatione, mit rationalen Überlegungen, argumentieren.374 Welche Sünde der jüdischen Väter, so geht er schließlich ganz in die Offensive, wog wohl schwerer und erregte am meisten Gottes Zorn: das Murren, die Unruhe, der Götzendienst oder die Unzucht? Tatsächlich seien doch alle verdammenswert.375 Die „unheilbare Schuld“ (insanabilis culpa) und die mit keinem Mittel mehr zu mildernde Strafe (irremediabilis poena) aber bestehe darin, daß sie Christus, den Sohn Gottes, getötet haben; das übertreffe die Unmenschlicheit aller anderen Vergehen (omnium superat immanitatem criminum).376 Wenn Petrus schließt, nur eine Bekehrung könne zur Vergebung führen,377 lädt er die Juden gleichzeitig zur Konversion ein. Der Kirchenreformer Petrus Damiani hat keine neuen Argumente (und auch nicht wirklich neue Methoden), doch weisen die rationale Auseinandersetzung mit dem jüdischen Unglauben – denn nach wie vor geht es nicht um eine Diskussion des jüdischen Glaubens, sondern einzig des Unglaubens gegenüber der Gottheit Christi – und die Zurückweisung jüdischer Vorwürfe gegenüber dem Christentum bereits auf das Schrifttum der folgenden, gern als „Renaissance des 12. Jahrhunderts“ bezeichneten Epoche voraus. Im 12. Jahrhundert verdichten sich die rationalen Diskussionen, in „Religionsgesprächen“ ebenso wie in Traktaten (und tatsächlich sind beide Formen letztlich nicht strikt auseinanderzuhalten, sind die „Gespräche“ letztlich nichts anderes als in eine Dialogform gekleidete Traktate, wie sie seit der griechischen Philosophie der Antike bekannt sind). Ein frühes Beispiel bilden die „Dialoge“ des zum Christentum konvertierten, spanischen Juden Petrus Alfonsi,378 der sich hier, wie er eingangs betont, unter seinem bei der 374 375
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Ebd. Ebd. S. 99: Age igitur, reponde mihi, quod gravius peccatum patres vestri perpetrasse noscuntur, unde Dei iram magis accenderent, et eius in se vindictam acrius provocarent? Murmurationem, inquies, idolatriam, fornicationem. Nam et ego hoc tecum sentio, et haec tria illorum delicta damnabiliora fuisse perpendo. Dem schließen sich biblische Beispiele an. Ebd. S. 101. Ebd.: Esto proculdubio securus de venia, si ad Christi fidem conversus sacri baptismatis fueris unda perfusus. Petrus Alfonsi, Dialogi. Vgl. dazu Schreckenberg II S. 69–84; John Tolan, Petrus Alfonsi and His Medieval Readers, Gainesville u.a. 1993, S. 19–27 („The Attack on Judaism“); Marcel Müllerburg/Britta Müller-Schauenburg/Henrik Wels, „Und
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Taufe angenommenen Namen Petrus mit dem Repräsentanten seiner eigenen jüdischen Vergangenheit, als er noch Moses hieß, (tatsächlich nicht nur über den Glauben, sondern) über alle möglichen Aspekte des Weltbildes, wie Philosophie, Mensch und Natur, unterhält (und dabei, wie bereits im vorigen Kapitel besprochen, auch auf die Abgrenzungen zum Islam zu sprechen kommt):379 „Ich habe das ganze Buch in einen Dialog unterteilt, damit der Geist des Lesers es leichter verstehen kann. Indem ich auch die Vernunftgründe der Christen schütze, trage ich den Namen, den ich jetzt als Christ habe; um das vernunftgemäß zu widerlegen, nehme ich als Gegner den Namen an, den ich vor meiner Bekehrung hatte, nämlich Moses.“380
Daß es auch bei diesem „Selbstgespräch“ keineswegs um eine rationale Erörterung gleichwertiger Partner geht, zeigt sich, wenn Petrus wenig später verkündet: „Ich möchte in der Folge Eurer törichten Erklärung [oder: Auslegung] voranschreiten, da ihr der Hilfe sowohl der Schrift als auch der Vernunft ermangelt.“381 Im Folgenden ist der Jude daher eher Stichwortgeber für die Erklärungen des Christen. In den ersten Büchern geht es wieder um Bibelauslegung, Ursache und Dauer der Gefangenschaft (die einige überlebten, weil einige Juden zum Glauben an Gott finden würden) und um den jüdischen Glauben, dass der Messias sie aus dieser Gefangenschaft befreie. Erst die letzten sieben Bücher behandeln unmittelbar die (üblichen) religiösen Aspekte: das Wesen Gottes und die Pluralität der göttlichen Personen, die Rolle Marias und der Jungfrauengeburt – wie ist das rational verstehbar? wie ist es durch Autoritäten abgestützt? –, den Beweis, daß Christus der von den alttestamentlichen Propheten angekündigte Messias ist, den Teufel sowie Kreuzigung und Auferstehung Christi. Die Erfüllung durch Christus
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warum glaubst Du nicht?“ Zur ambivalenten Funktion der Vernunft in Religionsdialogen des 12. Jahrhunderts. in: Borgolte/Dücker/Müllerburg/Schneidmüller (Hg.), Integration und Desintegration S. 299–310. Vgl. Kapitel 2, oben S. 297 und 340f. Petrus Alfonsi, Dialogi prol., S. 2: Librum autem totum distinxi per dialogum, ut lectoris animus promptior fiat ad intelligendum. In tutandis etiam Christianorum rationibus nomen, quod modo Christianus habeo, posui, in rationibus vero adversarii confutandis nomen, quod ante baptismum habueram, id est Moysen. Ebd. 1, S. 6: Secundum vestre stulte explanationis seriem, qui et scripture et rationis iuvamine caret, progredi libet. Vgl. Tolan, Petrus Alfonsi S. 19: „Despite the calm, polite tone of Peter’s and Moses’ arguments, the Dialogi present a radically new attack on Judaism, far more negative than the Latin works of the Augustinian tradition.“
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macht, wie schon bei Petrus Damiani, zugleich die jüdischen Bräuche (wie die Beschneidung) hinfällig; der Tag der Auferstehung (Sonntag) tritt an die Stelle des jüdischen Sabbat. Inhaltlich fügt sich das alles durchaus noch in die Tradition ein. Das letzte und 12. Buch aber erklärt, wie es zur Bekehrung des Petrus gekommen ist, indem es erläutert, weshalb das Christentum die Erfüllung jüdischer Prophezeiungen ist, und endet mit der Hoffnung, „Moses“ (der mehr und mehr zu verstehen beginnt) möge ein besseres Ende als seinen Anfang erleben (was mit der Bekehrung ja bereits geschehen wäre). Nimmt man die den Gesprächspartnern zugewiesenen Rollen wörtlich, dann hat Petrus hier seine Bekehrung vom falschen zum richtigen Glauben aus der Richtigkeit christlicher Lehren begründet. Inhaltlich nicht weniger traditionell, aber viel weiter in seiner Polemik geht wenige Jahrzehnte später der Abt Petrus Venerabilis von Cluny in seinem „Tractatus contra Iudaeos“, wenn er polemisch bezweifelt, daß Juden überhaupt Menschen seien: „Zu bekennen, daß du ein Mensch bist, wage ich nämlich nicht, um nicht zu lügen, denn in dir erkenne ich ausgelöscht, ja geradezu begraben, was den Menschen von den übrigen Tieren und Bestien trennt: die Vernunft.“382 Warum solle man ihn dann nicht ein wildes Tier, eine Bestie oder ein Vieh nennen, denn was unterscheide ihn von einem Esel als dem dümmsten aller Tiere? Der Esel nämlich verstehe ebensowenig wie der Jude, der Christus verleugnet.383 Hintergrund dieser höchst judenfeind382
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Petrus Venerabilis, Aduersus Iudeorum inueteratam duritiem 5, S. 125: Quod si omni homini, tunc et tibi, si tamen homo es. Hominem enim te profiteri, ne forte mentiar, non audeo, quia in te extinctam, immo sepultam, quae hominem a caeteris animalibus uel bestiis separat eisque praefert rationem agnosco. Vgl. ebd. 3, S. 57f.: Nescio plane utrum Iudeus homo sit, qui nec rationi humanae caedit, nec auctoritatibus diuinis et propriis adquiescit. Zu Petrus Venerabilis vgl. Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung S. 177–196; Schreckenberg II S. 180–193; Dominique Iogna-Prat, Ordonner et exclure. Cluny et la société chrétienne face à l’hérésie, au judaïsme et à l’islam, 1000–1150 (Collection historique), Paris 2001, S. 272–323 (engl. Übers. Order and Exclusion: Cluny and Christendom Face Heresy, Judaism and Islam [1000–1500], Ithaca-London 2002). Zu den Judenstereotypen bei Petrus vgl. Patschovsky, Feindbilder S. 344f.: Hartnäckigkeit (pertinacitas); Verrat, Mord und Blutgier; eingeschränkte Sicht der göttlichen Wahrheit. Petrus Venerabilis, Aduersus Iudeorum inueteratam duritiem 5, S. 125: […] de te tamen hoc specialiter, de te hoc singulariter, in quo omnis ratio obruta est, dictum esse negare non potes. Cur enim non dicaris animal brutum, cur non bestia, cur non iumentum? Adhibe tecum bouem, uel, si mauis, asinum, quo nichil in pecoribus stolidius est […]. Quid referet, quid distabit inter auditum tuum et asini? Audiet nec intelliget asinus, audiet nec intelliget Iudaeus.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
lich anmutenden Äußerung und Inhalt der Polemik ist eben wieder die mangelnde Gotteserkenntnis der Juden: Wer aus den biblischen Prophetien Christus nicht als Gottes Sohn erkennt, dem fehlt offensichtlich der Verstand.384 Wer aber keine ratio besitzt, ist mehr Tier als Mensch, so lautet gleichsam die (unterschwellig transportierte) Argumentation. (Eigentlich, so Petrus, sei er selbst wahnsinnig, wenn er einem wahnsinnigen oder aber vom Teufel wütend gestimmten Menschen überhaupt antworte …).385 Auch ansonsten ist Petrus alles andere als zimperlich in seiner Wortwahl, um die (bekannten) Vorwürfe zu charakterisieren.386 So gelte es, die „Pest“ auszutreiben, mit der die Juden wegen ihrer Verstandeslosigkeit und ihrer Blasphemie durchtränkt seien. Ist die Verstandeslosigkeit zwar Sündenstrafe, aber keine Sünde, so ist die Blasphemie nicht nur eine unerträgliche Sünde, sondern zugleich Strafe für sämtliche vorangegangenen Sünden.387 Er finde keine Worte bei soviel Wahnsinn.388 Die Juden hätten Gott von seinem Thron gestürzt und erkennen seine Allmacht nicht an. Solche „dämonischen Worte“ eines „verlorenen und zu verlierenden Volkes“ müsse man nicht nur scharf mit Autoritäten und Vernunft zurückweisen, sondern verspotten, verfluchen und bespucken.389 Petrus will das Judentum nicht verstehen, sondern unglaub384
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Vgl. ebd. S. 126: ille, ille Christus, quem negas, illa ueritas denudauit falsitatem tuam, discooperuit ignominiam tuam. Ebd. S. 126: Si huic insaniae uel caeteris similibus respondere coepero, pene et ipse insanus uidebor. Annon iudicaretur insanus, qui homini uel maniam patienti vel impulsu demonis furioso, quando aliena uel absurdissima loquitur, responderet? Bei ihm gleite, so Schreckenberg II S. 188, „die Judengegnerschaft aus der rein apologetisch-theologischen Sphäre weit in den Bereich der Feindschaft und Gruppenpolemik hinüber“. Iogna-Prat, Ordonner et exclure S. 281 spricht von einer „Dämonisierung der Juden“. Petrus Venerabilis, Aduersus Iudeorum inueteratam duritiem 5, S. 127: Qui fecibus iam dictis longo tempore apud Iudeos infecti, ad Christi ecclesiam transeuntes, tali antidoto plenius defecari poterunt et hac lectione peste, quam imbuti fuerant, expurgari. Audi ergo, Iudee, tuam tuorumque insaniam et, quod deterius est, blasphemiam. Nam quam supra tetigi furiosorum insaniam, poena peccati est, sed peccatum non est. Blasphemia vero non solum intolerabile peccatum est, sed et quantum ad hanc tuam pertinet, precedentium peccatorum poena est. Ebd. S. 132: Iam ego tecum, Iudee, non ago. Non sufficio, non praeualeo, non inuenio uerba congrua ad tantam insaniam confutandam. Ebd. S. 141: Depositus est a Iudaeis Deus, proiectus est a Iudeis, nec omnipotens nec omnia sciens probatur a maioribus eoque sapientioribus Iudaeis. Et noui quidem, quia plusquam furiosa vel demonica uerba ista non essent auctoritate uel ratione refellenda,
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würdig machen.390 „Aber was soll ich noch erwarten, ihr Juden, die ihr mit eurem vergeistigten Auge die geistlichen (Inhalte) nicht erkennt, wo ihr mit eurem körperlichen nicht einmal das Körperliche wahrnehmt?“391 Nicht einmal die alten göttlichen Gebote hätten die Juden eingehalten. Allein Hiob, der kein Jude und Beschnittener war, sei vor Gott gerecht geblieben.392 Völlig falsch sei auch die Vorstellung, Gott würde im Himmel sitzen und ständig den Talmud lesen oder darüber mit den verstorbenen Juden disputieren. Wer, so fragt Petrus ironisch, solle denn den Streit entscheiden?393 Hinter diesen scharfen Angriffen verbergen sich deutlich die gängigen Vorwürfe der Blindheit und des mangelnden geistlichen (Bibel-)Verständnisses. Ein Gespräch ist auf dieser Grundlage freilich kaum mehr möglich, auch wenn Petrus glaubt, daß seine Vernunftgründe zwar nicht allen, aber vielleicht doch einigen Juden nützen könnten394 (und damit wiederum auch eine Bekehrungsabsicht andeutet). In seiner Argumentation aber zeigt sich ein Judenbild, das den Glauben der Juden nicht nur in keiner Weise anerkennt, sondern Vorwürfe und Beschimpfungen freisetzt, weil die Juden in ihrer Leugnung der Göttlichkeit Christi ihrerseits den wahren Glauben nicht erkennen. „Weil ihr in allen euren Werken und in allen euren Arbeiten,“ so resümiert Petrus am Schluß, „und im gesamten Gewebe eurer gottlosen Lehren, nichts vollbracht habt, das den Sterblichen nützlich sein könnte, habt ihr ein Spinnengewebe erstellt. Wahrhaft vergeblich und wahrhaft nichtig sind die Mühen so vieler Jahrhunderte, in denen ihr seit der Zeit der Propheten, das heißt, seit kein Prophet mehr in Israel erschienen ist, nichts anderes hergestellt und bewirkt habt und durch keine andere Lehre die jüdischen Bücher erfüllt habt als durch ebenso lächerliche wie falsche Blasphemie und Sakrileg. So lange kämpft ihr mit teuflischen Büchern gegen die göttlichen Bücher und arbeitet
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sed condigna, si posset fieri, subsannatione et execratione conspuenda. Sed quia ista a uobis, o gens perdita et perdenda, creduntur, dicuntur, scribuntur, quis taceat? So Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung S. 192. Petrus Venerabilis, Aduersus Iudeorum inueteratam duritiem 5, S. 144: Quid ultra queror, o Iudei, uos spirituali oculo non agnoscere spiritualia, cum nec ipso corporali agnoscatis corporalia? Ebd. 4, S. 102: Iam uero lege data uel proxime danda uideo Iob non Iudeum, sed a Iudeorum genere pene alienum, absque circumcisione, absque Sabbati cultu, absque omni legali instituto uoce diuina simplicem, rectum, timentem Deum, recedentem a malo uocari. Ebd. 5, S. 127 und 132f. Ebd. 5, S. 126f.: Illa certe ratio, qua et si non omnibus Iudeis hac mea disputatione prodesse, tamen fortassis aliquibus proficere potero.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
daran, die himmlische Lehre durch den Rauch des Höllenschlundes zu untergraben und zu verdunkeln. Wenn ihr euch nicht in euren eigenen Netzen verfangt, versucht ihr, dummen Tieren und unbesonnenen Vögeln mit trügerischen Fallen aufzulauern. Doch eure Hirngespinste, die jüdischen Gewebe jener Kunst und Tugend, sind nicht so, daß ihr auch nur den letzten Vierfüßler oder Vogel in eure Stricke zu ziehen vermögt. Nicht männliche oder weibliche Netze habt ihr zusammengeflickt und hergestellt, sondern, gemäß dem wahren Propheten, habt ihr in den erwähnten und ähnlichen mythenvollen Zauberliedern lediglich Spinnengewebe gewebt. Auch wenn sie in langer Arbeit erstellt wurden, werden sie in ihrer großen Hinfälligkeit niemand anderen als einen Juden wie eine wertlose Fliege täuschen und fangen können.“395
Diese Invektive enthält demnach immerhin auch den Vorwurf (oder die Unterstellung), daß Juden andere überzeugen wollen (und zeugt damit immer noch von einer ähnlichen Gefahr, wie sie schon Agobard zu seinen Repliken provoziert hatte). Es scheint, daß man die jüdische „Konkurrenz“ durchaus ernst nehmen mußte (und nicht zuletzt deshalb immer wieder gegen den Glauben der Juden anging), auch wenn Petrus mit seinem Gleichnis von Spinnengewebe und harmloser Fliege hier vordergründig das Gegenteil behauptet. Entsprechend faßt er sein Kapitel am Ende folgendermaßen zusammen: „Zuerst seid ihr mit göttlichen, hernach aber mit fabulierenden Büchern gegen uns vorgegangen. Mit den göttlichen Büchern aber besiegen wir euch, und wir zeigen, daß die fabelhaften keinen Einfluß haben. Was also bleibt? Doch nur, daß ihr diese Fabeln von euch weist und die göttlichen so versteht, daß ihr glaubt, betet und rühmt, daß in und aus ihnen Christus, also in euren Worten, der Messias, nicht falsch, sondern wahr ist, daß er nicht derjenige ist, der erst zum Gericht kommen wird, sondern schon gekommen ist, und daß er durch seine Geburt aus einer Jungfrau ohne jede Sünde mit seinem
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Ebd. S. 186f.: Quia in cunctis operibus uestris, in uniuersis laboribus uestris, in omni contextu impiarum doctrinarum nichil mortalibus utile perfecistis, quia telas araneae texuistis. Vere irritus, uere cassus labor tantorum saeculorum, in quibus a prophetarum tempore, id est ex quo propheta in Israhel non apparuit, nichil aliud texuistis, nichil aliud operati estis, nulla alia doctrina libros Iudaicos implestis, nisi blasphema, sacrilega, ridiculosa et falsa. Pugnastis tanto tempore contra diuinos libros diabolicis libris et caelestem doctrinam infernalis putei fumo suffundere et obfuscare laborastis. Nisi estis irretire telarum uestrarum retibus, animalia stulta et aues incircumspectas dolosis laqueis occupare conati estis. Sed non est tale, non est tale uestrum commentum, non est illius artis uel uirtutis Iudaica textura, ut quadrupedem uel avem saltem ultimam illaqueare ualeat. Non uiriles uel muliebres telas orditi estis, non uiriles uel muliebres perfecistis, sed iuxta ueridicum prophetam, in iam dictis et similibus fabulosis neniis aranearum solummodo telas texuistis. Quae multo longoque labore compactae nimia fragilitate sui nullum preter Iudaeum uelut muscam uilissimam fallere uel capere potuerunt.
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Lebenswandel in der Welt, mit seiner himmlischen Predigt und seinen göttlichen Wundern nicht durch gemeinen, wie ihr glaubt, sondern durch seinen kostbaren Tod, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt die zum ewigen Leben vorherbestimmte Welt erlöst, geheilt und verherrlicht hat. Ich meinerseits glaube, daß ihr vor so vielen (Text-) Zeugen und vernünftigen Argumenten von der Wahrheit überschüttet und überführt seid, daß ihr nichts weiter entgegnen und nichts weiter fragen müßt.“396
Petrus, hieße das, hat den jüdischen Unglauben damit ein für allemal widerlegt. Zumindest ist das offensichtlich seine Absicht gewesen. Ein eigener (und eigenartiger) Fall ist die ebenfalls ins 12. Jahrhundert zu setzende Bekehrungsgeschichte des (einstigen) Juden Hermann,397 deren schwierige Einordnung erst kürzlich von Jean-Claude Schmitt aufgearbeitet worden ist.398 Der lange Streit darüber, ob der Konvertit Hermann hier wirklich seine Bekehrungsgeschichte, stilisiert nach dem autobiographischen Vorbild Augustins,399 erzählt oder ob ein Christ das erfunden hat,400 ist für die Auswertung gewiß nicht unwichtig, verliert aber an Bedeutung, wenn es ohnehin um die (anti-)jüdischen Einstellungen der Christen geht. Wichtiger, so zu Recht Schmitt, ist die Frage nach der Einordnung des Textes. Mit der Selbstbezeichnung als quondam Iudaeus distanziert sich der Autor von sei-
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Ebd. S. 187: Libris diuinis prius, postmodum fabulosis contra nos agere nisi estis. Libris diuinis uos uicimus. Fabulosos nullius momenti esse ostendimus. Quid igitur restat? Hoc scilicet, ut fabulosis abiectis diuinos sic intelligatis, ut in eis et ex eis Christum, hoc est iuxta uos Messyam, non fallacem sed ueracem; non uenturum nisi ad iudicium, sed eum qui iam uenit, qui iam de uirgine natiuitate sua absque aliquo peccato in mundo conuersatione sua, caelesti praedicatione sua, diuinis miraculis suis, non uili, ut putatis, sed pretiosa morte, resurrectione, ascensione sua mundum ad aeternam uitam praedestinatum redemit, saluauit, glorificauit, credatis, adoretis, glorificetis. Credo enim iam uos tantis testibus, tantis rationibus ita obrutos confutatosque esse ipsa ueritate, ut nichil ultra repugnare, nichil quaerere debeatis. Hermannus quondam Iudaeus, Opusculum de conversione sua. Vgl. dazu Schrekkenberg II S. 256–269. Jean-Claude Schmitt, La Conversion d’Hermann le Juif. Autobiographie, histoire et fiction, Paris 2003 (dt. Die Bekehrung Hermanns des Juden. Autobiographie, Geschichte und Fiktion, Stuttgart 2006, nach der ich im folgenden zitiere). Vgl. ebd. S. 69–98. Vgl. dazu ebd. S. 25–68. Eine Konversion Hermanns, so stellt Schmitt zu Recht zusammenfassend (ebd. S. 275) fest, ist möglich, aber ebensowenig beweisbar wie das Gegenteil. In jedem Fall aber gibt der Text Auskunft über die Kultur des 12. Jahrhunderts und den jüdisch-christlichen Austausch.
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nem (früheren) Judentum401 zugunsten einer christlichen Gesinnung402 (und zeigt das, wie schon Petrus Alfonsi, durch seinen Namenswechsel an;403 allerdings ist „Hermann“ nicht, wie Petrus, ein ähnlich dezidiert christlicher Name). Wenn er vordem – mit vornehmer Abstammung aus dem Stamm von Davids Sohn Levi – eigentlich Judas hieß,404 ist dieser „stilisierte Zufall“ sicherlich um so bezeichnender, enthält er doch den Judennamen schlechthin ebenso wie die Anspielung auf den Christusverräter. Wenn Hermann gleich zu Beginn schreibt, daß alle Juden dem Handel und dem Geldverleih gegen ein Pfand verschrieben seien,405 bestätigt er darüber hinaus gängige mittelalterliche Stereotypen. Der Jude hält seinerseits die Christusfigur für „ein monströses Götzenbild“,406 ein vielfach bezeugter (und, äußerlich betrachtet, ja auch recht nahe liegender) jüdischer Vorwurf.407 Die Bekehrung selbst ist durch eine Vision, Hermanns Zusammentreffen mit König Lothar III. (dem er Geld geliehen hatte!) in Mainz und seinen Aufenthalt am Hof des Münsteraner Bischofs vorbereitet und wird durch die Erläuterungen Ruperts von Deutz, aber auch die Faszination, die erlebte Wunder und der Lebenswandel der Mönche auf Hermann ausüben,408 gleichsam vollendet. In diesem Rahmen flicht Hermann ein Religionsgespräch mit Rupert ein, das, mehr als gewöhnlich, beide Seiten zu Wort kommen läßt. Hier beklagt sich der Jude über die Behandlung der Juden durch die Christen: Diese, so Hermann, tun den Juden unrecht, die schließlich das von Gott auserwählte
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Nach Schmitt S. 268–272 behält Hermann auch nach seiner Bekehrung eine jüdische Identität (so wie er beschnitten bleibt). Religiös hat er sie allerdings abgelegt. Vgl. ebd. S. 240–268. Ausführlich zum Namenswechsel ebd. S. 206–239. Hermannus Iudaeus, Opusculum 1, S. 70. Ebd. 2, S. 72f. Ebd. S. 75. Vgl. zu diesem jüdischen Christenbild Katrin Kogmann-Appel, Christianity, Idolatry, and the Question of Jewish Figural Painting in the Middle Ages, in: Speculum 84, 2009, S. 73–107, bes. S. 86–90. Danach änderte sich die verbreitete Einschätzung des Christentums als Götzen- und Bilderverehrung seitens der Juden (anders als gegenüber dem Islam) erst seit dem Ende des 12. Jahrhunderts und öffnete das Judentum gleichzeitig bzw. seit den 1230er Jahren erneut bildlichen Darstellungen (das ist das eigentliches Thema dieses Aufsatzes). Hermannus Iudaeus, Opusculum 5f., S. 83ff.
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Volk seien, denen Gott sein Gesetz gegeben habe.409 In ihrem Neid aber haßten die Christen die von Gott mehr als alle anderen geliebten Juden ihrerseits mehr als alle anderen, während sie selbst das göttliche Gesetz, in törichter Vermessenheit und völlig willkürlich, teils befolgten, teils zurückwiesen und die Sätze des Alten Testaments „nach Belieben“ deuteten410 (eine Anspielung auf die übertragene Bibelexegese, welche die Christen bei den Juden gerade vermissen). Den Christen wird damit eine Abkehr vom göttlichen Gesetz vorgeworfen, die Bilder in den Kirchen werden als Götzendienst interpretiert; zudem verehrten die Christen ausgerechnet einen Gekreuzigten. Das Christentum sei daher Götzendienst und Aberglaube, Hermann spricht vom „Wahnsinn eures Aberglaubens“ (superstitionis vestre dementiam).411 Damit sind kurz und bündig die jüdischen Vorwürfe gegen das Christentum zusammengefaßt, auf die der Christ (Rupert bzw. der konvertierte Autor Hermann) antworten und mit denen er sich auseinandersetzen muß. Rupert erklärt – und er hat das letzte Wort –, daß der angebliche christliche „Götzendienst“ tatsächlich voller Glaube, Frömmigkeit und Wahrheit sei. Die Christen verehrten nur den einen und wahren Gott; sie beteten nicht das Bild des Gekreuzigten an, sondern vergegenwärtigten sich durch das Zeichen des Kreuzes die verehrungswürdige Passion Christi, um sich stets daran zu erinnern, wie sehr sie als Sünder aus Liebe zu ihm zu ertragen verpflichtet sind. Die Bilder aber dienten vor allem der Kenntnis des ungebildeten Volkes, das die Schriften nicht selbst lesen kann (eine in der Forschung längst umstrittene Deutung). Üblicherweise rechtfertigt Rupert das mit einer Geschichte des Alten Testaments (der Errichtung eines Altars nach dem Einzug in das Land Israel nach Jos 22,9ff.): Wie damals ein Altar zum Zeichen des Bundes mit Gott errichtet wurde, so verehrten die Christen das Kreuz als Zeugnis, ohne es als Gott anzubeten. Ein echtes Streitgespräch ist das Ganze nicht. Vielmehr sollten hier – mit Erfolg – die jüdischen Vorwürfe widerlegt und die christliche Trinität gesichert werden, und so folgert Hermann: „Auf diese Weise begegnete Rupert allen meinen Einwänden sowohl mit den herrlichsten Vernunftgründen als auch mit den überzeugendsten
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Ebd. 3, S. 76ff. Ebd. S. 77f.. Hermannus selbst legt das Alte Testament aus fester Überzeugung heraus wörtlich aus, während Juden die christliche Auslegung als „Altweibergeschwätz“ (fabulae aniles) abtäten (ebd. 9, S. 97). Ebd. S. 79.
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Autoritäten der Heiligen Schrift.“412 Die spätere Diskussion mit Klerikern läßt Hermann aber auch an der Richtigkeit der wörtlichen Bibelauslegung zweifeln,413 die er nach seiner Bekehrung dann als „abergläubische Kommentare“ bezeichnet.414 Nicht minder bezeichnend ist aber auch die Reaktion der Juden auf Hermanns christenfreundliche Annäherungen an das Christentum: Vor dem Übertritt gab es Drohungen und Beschimpfungen seitens seiner Glaubensgenossen, nach der Bekehrung sogar Nachstellungen.415 Hermann aber trat in das regulierte Prämonstratenserstift Cappenberg ein (und an diese Adresse sieht Schmitt auch seine Schrift gerichtet). Über Probleme der Taufwilligen mit den eigenen Glaubensgenossen berichten auch die Annalen von Egmond: Der Sohn eines reichen Juden sympathisierte heimlich mit dem christlichen Glauben, wagte es aus Angst vor dem Vater (aber auch vor einer möglicherweise drohenden Armut) jedoch nicht, offen Christ zu werden. Auch der Archidiakon, an den er sich bei einer längeren Abwesenheit des Vaters wandte, zögerte das bis zu dessen Rückkehr hinaus. Die Eltern aber suchten ihren Sohn mit allen Mitteln vom Christentum abzubringen. Erst ein Wunder (und nur diesem verdanken wir wieder, daß die Erzählung überhaupt aufgeschrieben wurde) konnte viele überzeugen.416
c. Die sogenannten Religionsgespräche des 12. Jahrhunderts Ruperts Dialog mit Hermann fügt sich in die Reihe der bereits vielfach behandelten und gut aufgearbeiteten „Religionsgespräche“ des 12. Jahrhunderts ein.417 Solche Religionsdiskussionen (im weitesten Sinn) zwischen 412
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Hermannus Iudaeus, Opusculum 4, S. 82: Sic itaque Robertus omnibus obiectionibus meis tam pulcherrimis rationibus quam validissimis scripturarum auctoritatibus obvians. Ebd. 9, S. 96f. Ebd. 16, S. 113: superstitiosa super vetus testamentum commenta. Ebd. 10, S. 98ff.; 14ff., S. 109ff. Schon Gregor von Tours, Liber in gloria martyrum 9, S. 44, berichtet von einem Juden, der seinen Sohn verbrennen wollte, weil dieser zusammen mit Christen die Kommunion erhalten hatte, der dann aber selbst den Flammen übergeben wurde, während der Junge bekehrt wurde. Annales Egmundani a. 1137, S. 454f., über diesen Vorfall, den der Autor ex ore cuiusdam Iudei christiani, eiusdem civitatis notissimi, certissime comperimus. Vgl. dazu Abulafia, Christians and Jews in Dispute; Dies., Christians and Jews in Twelfth-Century Renaissance; Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung; Bernard
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Christen und Juden sind, wie das Beispiel Gregors von Tours gezeigt hat, tatsächlich schon früh (und nicht erst in der Frühscholastik) überliefert, wenngleich sie vorher (wie noch bei Hermann) durchweg in andere Schriften integriert und nicht als selbständige Werke verfaßt wurden. Selbst die rationale Argumentation zum Beweis des Glaubens ist kein Novum,418 sondern schon bei Gregor vorzufinden, gliedert sich jetzt aber in frühscholastische Denkweisen ein,419 während die polemische Absicht nicht nur erhalten blieb, sondern letztlich Zweck dieser Schriften war,420 in denen nicht die jüdischen
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Lewis/Friedrich Niewöhner (Hg.), Religionsgespräche im Mittelalter, Wiesbaden 1992; Matthias Lutz-Bachmann/Alexander Fidora (Hg.), Juden, Christen und Muslime. Religionsdialoge im Mittelalter, Darmstadt 2004; Wolfram Drews, Potentiale des Dialogs. Chancen und Risiken der Grenzüberschreitung, in: Matthias M. Tischler/Alexander Fidora (Hg.), Christlicher Norden – Muslimischer Süden. Ansprüche und Wirklichkeiten von Christen, Juden und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel im Hoch- und Spätmittelalter, Münster 2011, S. 249–266; Kurt Schubert, Möglichkeiten und Grenzen des christlich-jüdischen und des jüdischchristlichen Gesprächs, in: Birkhan (Hg,), Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt S. 3–23; Müllerburg/Müller-Schauenburg/Wels, „Und warum glaubst Du nicht?“ S. 261–324. Zu dem im Prinzip ähnlichen Religionsgespräch in der Silvesterlegende der deutschen Kaiserchronik vgl. Vera Milde, si entrunnen alle scentlîchen dannen. Christlich-jüdischer Disput in der Silvesterlegende der ‚Kaiserchronik‘, in: Schulze (Hg.), Juden in der deutschen Literatur S. 13–34. So Anna Sapir Abulafia, An Attempt By Gilbert Crispin, abbot of Westminister, at rational argument in the Jewish-Christian debate, in: Studia Monastica 26, 1984, S. 55–74 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. VIII). Vgl. dazu ausführlich Abulafia, Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance; ebd. S. 107: „So far we have traced the development of significant strands of thinking affecting Christian perceptions of Jews. As we have seen, twelfth-century renaissance scholars utilized a concept of reason which was imbued with all kinds of Platonic and Stoic connotations.“ Zur Rationalisierung der Polemik auch Amos Funkenstein, Perceptions of Jewish History, Berkeley-Los Angeles-Oxford 1993, S. 172–201 (zuerst auf hebräisch Ders., in: Zion 33, 1968, S. 125– 144). Vgl. Abulafia, Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance S. 133: „This book has concentrated on an analysis of the intellectual marginalization of Jews. We have examined the anti-Jewish disputational material from the end of the eleventh and the first half of the twelfth centuries within the contexts of twelfthcentury Christian humanism. Our examination has yielded intertwining patterns of exclusion from the vantage-point of reason, exegesis and socio-economic conditions.“
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Glaubenswahrheiten diskutiert werden, sondern die, wie die Traktate, wieder einzig darauf ausgerichtet sind, den jüdischen Unglauben durch die christlichen Wahrheiten zu widerlegen. Es geht also von vornherein nicht um einen offenen „Dialog der Religionen“, sondern um die Darlegung des rechten Glaubens zur Widerlegung der anderen.421 Die Gespräche sind den Traktaten daher inhaltlich sehr ähnlich. Sie mögen durchaus die Absicht gehabt haben, die Juden von ihrem (Un-)Glauben abzubringen, wie das in den Schriften selbst mehrfach anklingt, aber wohl nirgends von Erfolg gekrönt war.422 Guibert von Nogent etwa hat gar keine Hoffnung mehr, daß Juden sich bekehren könnten; er fragt vielmehr, weshalb sie sich nicht bekehren lassen.423 Die „Religionsgespräche“ richten sich in erster Linie vielmehr an die christliche Leserschaft. Bereits im frühen 11. Jahrhundert überliefert Alpert von Metz in seiner Schrift „De diversitate temporum“ einen Brief Heinrichs II. an den zum Judentum konvertierten herzoglichen Hofkleriker Wezelin, der sich mit dem
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Ein „entschränkter Dialog“ war erst in der Moderne (letztlich erst im 20. Jahrhundert) möglich. Vgl. dazu Peter Hünermann, Der „entschränkte“ Dialog. Reflexionen zum Dialog zwischen Juden – Christen – Muslimen, in: Theologische Quartalschrift 188, 2008, S. 245–262. Zuvor wurden die anderen (monotheistischen) Religionen danach entweder (zunächst) als Häresien oder (seit der Renaissance) als unaufgeklärte Ausgestaltungen des christlichen Glaubens verstanden. Wir werden sehen, daß die mittelalterlichen Dialoge etwas differenzierter zu betrachten sind. Ademar von Chabannes, Chronicon 3,47, S. 166, berichtet, daß Bischof Hilduin von Limoges Juden zur Taufe zwang und anschließend Kirchenlehrer einen Monat lang mit ihnen disputieren ließ, um sie zu bekehren. Nur drei oder vier Juden ließen sich daraufhin taufen: Ipso anno Alduinus episcopus Iudeos Lemovice ad baptismum conpulit, lege prolata, ut aut christiani essent aut de civitate recederent, et per unum mensem doctores divinos iussit disputare cum Iudaeis, ut eos ex suis libris revincerent; et tres vel quatuor Iudei Christiani facti sunt. So Anna Sapir Abulafia, Theology and the Commercial Revolution: Guibert of Nogent, St Anselm and the Jews of Northern France, in: David Abulafia/Michael Franklin/Miri Rubin (Hg.), Church and City 1000–1500. Essays in Honour of Christopher Brooke, Cambridge 1992, S. 23–40, hier S. 37f. (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. XI). Charakteristisch sind hier auch die Schriften Gilbert Crispins: In der ‚Disputatio Christiani cum gentili‘ verläßt der Heide den Raum (bevor der Christ die Trinität erklären kann); in der ‚Disputatio Iudei cum Christiano‘ inszeniert er die Unbeweglichkeit der Gesprächspartner in ihrem Verhältnis zueinander (so Müllerburg/Müller-Schauenburg/Wels, „Und warum glaubst Du nicht?“ S. 286).
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jüdischen Unglauben auseinandersetzt.424 Auch die Religionsgespräche des frühen 12. Jahrhunderts,425 wie die schon oben behandelten Dialoge des Petrus Alfonsi, die „Disputatio Iudei cum Christiano“ Gilbert Crispins von Westminster, eines Schülers Anselms von Canterbury,426 die „Disputatio
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Alpert von Metz, De diversitate temporum 2,22–24, S. 88–90. Vgl. oben S. 439. Vgl. Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung S. 86ff., und Anna Sapir Abulafia, An Eleventh Century Exchange of Letters between a Christian and a Jew, in: Journal of Medieval History 7, 1981, S. 153–174 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. III). Wenn Abulafia, vom Text her zu Recht, betont, daß beide Disputanten von der Richtigkeit der Religion überzeugt sind und die Debatte ein Wissen über die christliche Bibelauslegung voraussetzt, so bleibt doch zu bedenken, daß es sich hier erstens um eine christliche Darlegung handelt und der Gegner schließlich christlicher Kleriker war, bevor er konvertierte. Die Kenntnis christlicher Exegese kann daher nicht überraschen. Nur aus christlicher Sicht handelt es sich hier um ein Zeugnis, wie man miteinander disputierte (so Abulafia, An Eleventh-Century Exchange of Letters S. 164). Außer Acht bleiben können hier die seitens anderer Religionen aufgezeichneten Religionsgespräche, da sie die Vorstellungen der anderen, nicht die der abendländischen Christen widerspiegeln. Gilbert Crispin, Disputatio Iudei cum Christiano, ed. Bernhard Blumenkranz, Utrecht-Antwerpen 1956; ed. Anna Sapir Abulafia und Gillian R. Evans, The Work of Gilbert Crispin Abbot of Westminster (Auctores Britannici Medii Aevi 8), London 1986; mit deutscher Übersetzung: ed. Karl Werner Wilhelm und Gerhard Wilhelmi (Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters 1), Freiburg-Basel-Wien 2005 (nach dieser Ausgabe wird im folgenden zitiert). Zu Gilbert vgl. Anna Sapir Abulafia, Christians Disputing Disbelief: St Anselm, Gilbert Crispin and Pseudo Anselm, in: Lewis/Niewöhner (Hg.), Religionsgespräche im Mittelalter, S. 131–148 (abgedr. in Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. V); Dies., The ars disputandi of Gilbert Crispin, Abbot of Westminster (1085–1117), in: C. M. Cappon u.a. (Hg.), Ad fontes. Opstellen aangeboden aan Prof. Dr. C. Van de Kieft, Amsterdam 1984, S. 139–152 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. VI); Dies., An Attempt By Gilbert Crispin; vgl. auch Bernhard Blumenkranz, La „Disputatio Judei cum Christiano“ de Gilbert Crispin, abbé de Westminster, in: Revue du moyen âge latin 4, 1948, S. 237–252 (abgedr. in: Ders., Juifs et Chrétiens. Patristique et Moyen Âge, Nr. XVI); Ders., Un pamphlet juif médiolatin de polémique antichrétienne, in: Revue d’histoire et de philosophie religieuses 34, 1954, S. 401–413 (abgedr. in: Ders., Juifs et Chrétiens. Patristique et Moyen Âge, Nr. XII); Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung S. 91–100; Müllerburg/Müller-Schauenburg/Wels, „Und warum glaubst Du nicht?“ S. 280–286. Zum Judenbild Anselms vgl. Anna Sapir Abulafia, St Anselm and Those Outside the Church, in: David Loades/Katherine Walsh (Hg.), Faith and Identity: Christian Political Experience
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contra Iudeum Leonem nomine de adventu Christi“ Odos von Cambrai,427 Rupert von Deutz’ „Anulus sive Dialogus inter Christianum et Judaeum“428 oder Guibert von Nogents „De incarnatione contra Iudeos“,429 rechtfertigen in der Regel – mit Vernunftgründen430 ebenso wie mit Bibelstellen, zumeist
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(Studies in Church History. Subsidia 6), Oxford 1990, S. 11–37 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. IV). Vgl. dazu Anna Sapir Abulafia, Christian Imagery of Jews in the Twelfth Century: a Look at Odo of Cambrai and Guibert of Nogent, in: Theoretische Geschiedenis 16, 1989, S. 383–391 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. X); Müllerburg/Müller-Schauenburg/Wels, „Und warum glaubst Du nicht?“ S. 293–299. Vgl. dazu Anna Sapir Abulafia, The Ideology of Reform and Changing Ideas Concerning Jews in the Works of Rupert of Deutz and Hermannus (quondam) Iudaeus, in: Jewish History 7, 1993, S. 43–63 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. XV); Schreckenberg II S. 100–109. Zu Ruperts antijüdischer Einstellung bereits in den Frühschriften vgl., am Beispiel der Synagogenallegorie, ZemlerCizewski, Rupert of Deutz. Vgl. dazu Schreckenberg II S. 90–95; Abulafia, Christian Imagery; Dies., Theology and the Commercial Revolution; Jan M. Ziolkowski, Put in No-Man’s Land: Guibert of Nogent’s Accusations against a Judaizing and Jew-Supporting Christian, in: Signer/van Engen (Hg.), Jews and Christians S. 110–122. Zu dem fälschlich Wilhelm von Champeaux zugeschriebenen Dialogus inter Christianum et Iudeum de fide Catholica vgl. Anna Sapir Abulafia, Jewish-Christian Disputations and the TwelfthCentury Renaissance, in: JMH 15, 1989, S. 105–125 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. IX), mit ähnlichen Themen; Müllerburg/Müller-Schauenburg/Wels, „Und warum glaubst Du nicht?“ S. 287–293. Zur antijüdischen Rhetorik in Guiberts bis dahin in dieser Hinsicht kaum beachteten Schrift „Gesta Dei per Francos“ aus der Kreuzzugsstimmung heraus vgl. Lapina, Anti-Jewish rhetoric. Vgl. Abulafia, Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance S. 107: „twelfth-century renaissance scholars utilized a concept of reason“. Wie „rational“ mittelalterliche Religiosität (und Argumentation) war, zeigt, wenngleich überwiegend mit spätmittelalterlichen Beispielen: David L. D’Avray, Medieval Religious Rationalities. A Weberian Analysis, Cambridge 2010, der eine wertorientierte und eine formorientierte Rationalität unterscheidet. Von einer ambivalenten Rolle der Vernunft sprechen Müllerburg/Müller-Schauenburg/Wels, „Und warum glaubst Du nicht?“, zusammenfassend S. 310, die aber zu Recht betonen, daß die Religionsgespräche sich hier nicht nur in die antijüdische Polemik einordnen (ebd. S. 261ff.). Sie gehen allerdings einen Schritt zu weit, wenn sie mit Bezug auf Petrus Alfonsi die Maximen eines Augustin und Anselm von Canterbury geradezu umgedreht sehen: „Es ist nicht der Glaube, der Einsicht sucht, sondern die Einsicht sucht einen Glauben.“ Dieser hänge nicht an den Dogmen, sondern sei kritische Selbstreflexion des Menschen (ebd. S. 310).
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in allegorischer Auslegung – das Christentum gegenüber den Vorwürfen anderer Religionen. Sie sind konstruiert,431 dienen in erster Linie zur Klärung des spezifisch christlichen Glaubens und lassen damit nur indirekt Vorstellungen über andere Religionen einfließen. Diese Dialoge drehen sich nach Abulafia in der Regel um die Fragen, ob das Alte Testament (das Gesetz Moses) noch gültig ist, ob Jesus der Messias ist und ob die Christen die Juden als Volk Gottes abgelöst haben.432 Ihnen geht es (wie Gilbert) nämlich darum, die Angriffsflächen des christlichen Glaubens begründend zu rechtfertigen: die Abweichungen von den Geboten des Alten Testaments (die eigentlich immer noch gültig sind), die allegorische Bibelauslegung, die Jungfrauengeburt433 und den Trinitätsglauben.434 Gegenüber jüdischen Vorwürfen ist vor allem die Göttlichkeit Christi zu beweisen. Aus welchem Grund hätte Christus denn Mensch werden sollen? fragt der Jude bei Gilbert Crispin. Nur ein Sündenloser kann von Sünden befreien, lautet die Antwort.435 Christus, so argumentiert schon Heinrich II. in seinem Brief gegenüber Wezelin nach Alpert von Metz,436 wurde nicht von einer Frau geboren, sondern hier nur inkarniert, ist tatsächlich aber 431
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Das betonen Müllerburg/Müller-Schauenburg/Wels, „Und warum glaubst Du nicht?“ S. 310. So Abulafia, An Eleventh Century Exchange of Letters S. 159. Bernold von St. Blasien, Chronicon a. 609, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 5, Hannover 1844, S. 414, berichtet in einer nachgetragenen Randnotiz von einem Blinden, der die an der Jungfrauengeburt zweifelnden Juden vor dem Papst damit überzeugen konnte, daß er am Marienfest ein eigens komponiertes Responsorium „Gaude Maria“ anstimmte und geheilt wurde: Huius papae tempore quidam cecus Romae legitur contendisse contra Iudeos de virginitate sanctae Mariae. Cui cum Iudei obicerent, cur matrem Christi tantopere defenderet, qui ipsum illuminare non posset: ‚Triduum,‘ inquit, ‚expectate, et magnalia Christi videbitis in me.‘ Erat autem post triduum purificatio sanctae Mariae, quae festivitas eo tempore Romae non ut modo ad Sanctam Mariam Maiorem, set ad Sanctam Mariam ad Martyres celebrabatur. Ad quam dum domnus papa et Iudeos et christianos in eadem sollemnitate convocasset, affuit et cecus, et responsorium, a se compositum, id est: ‚Gaude, Maria‘, ad octavam lectionem nocturnorum ipse cantavit, quo decantato et errorem Iudeorum confutavit et ipse lumen recepit, ipsa interveniente, cuius virginitatem in eodem responsorio defendit. Vgl. Schreckenberg II S. 58–65. Vgl. Abulafia, The ars disputandi of Gilbert Crispin, besonders S. 152. Alpert von Metz, De diversitate temporum 2,24, S. 96/98. Der Anteil Wezelins ist zwar gering, aber er bringt doch alle Vorwürfe der Juden vor, wie Abulafia, An Eleventh Century Exchange of Letters S. 164, betont.
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gleich Gott unveränderlich. Mit Prophetenworten sucht Heinrich die Göttlichkeit Christi zu beweisen. (Da die Prophezeiungen das aber nur in entsprechender Auslegung preisgeben, kann es auch hier nicht zu einer wirklichen Verständigung kommen.) Unglaube, Blindheit und Blasphemie sind erneut die wesentlichen Vorwürfe.437 Mit solchen Diskussionen geraten zunächst die Problempunkte christlicher Doktrin in den Blick, die den Christen von den anderen vorgeworfen werden, in der apologetischen Entgegnung werden zumindest aber auch einzelne Züge des Judenbildes der Christen verdeutlicht. So argumentiert Rupert (wie schon Fulbert von Chartres) historisch-heilsgeschichtlich unter anderem mit der Vernichtung Jerusalems und des jüdischen Heiligtums und der Zerstreuung der Juden über die ganze Welt, die auch er als göttliche Strafe für die Nichtanerkennung Christi deutet.438 Aelred von Rievaulx sieht die Juden aus dem gleichen Grund daher in den Philistern symbolisiert.439 Cassiodor betont demgegenüber, daß bereits die Juden des Alten Testaments vielfach von Gott abgestraft wurden.440 Die Argumentation nach Vernunft und Autorität 441 der hochmittelalterlichen Religionsgespräche sei kurz an Gilbert Crispins Dialog erläutert. Danach erbittet der Jude Auskunft über die christlichen Anschuldigungen, die dann in der bekannten Stereotypie begründet werden: daß die Juden die göttlichen Gesetze nicht einhalten, daß sie die Bedeutung der Schrift hinter dem Wortlaut nicht erkennen (Kapitel 1) und daß sie daher Christus und die
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Vgl. Alpert von Metz, De diversitate temporum 2,24, S. 90: quam sit damnata infidelitatis vestre˛ ceca impietas et quam glorificata assumpte˛ in Christo mortalitatis infirmitas. Mehrfach wird Wezelin stultitia vorgeworfen. Rupert von Deutz, Annulus sive dialogus inter Christianum et Iudaeum 3, Migne PL 170, Sp. 605f. Zur heilsgeschichtlichen Ausdeutung bei Honorius (vier Bräute) vgl. Schreckenberg II S. 114ff.; zu Hugo von St. Viktor ebd. S. 119ff. Aelred von Rievaulx, Homiliae de oneribus propheticis Isaiae. Homilia 22,1, S. 197: Per Philistaeos, qui cadentes poculo interpretantur, secundum typum futurorum, Iudaeos diximus designari, qui ob necem Domini Saluatoris a Romanis depressi et oppressi, effusi sunt et dispersi, quoniam Deus spreuit eos. Cassiodor, Expositio in psalterium. In ps. 73, v. 9, S. 677: Adhuc ipsa sunt verba desperantium Iudaeorum. Nam quoties antiquis temporibus Israelitae aliqua calamitate premebantur, euntes ad prophetas instruebantur ab eis iussu Domini quid facere debuissent; quibus tamen eorum duritia obedire contemnebat. Gilbertus Crispinus, Disputatio Iudei cum Christiano 1, ed. Abulafia/Evans S. 36; Nec hominum acclamationes curo, sed vincat cui ratio attestabitur et scripturae auctoritas contestabitur.
6. Bewertung und Abschätzung
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Trinität nicht anerkennen (Kapitel 2).442 Die folgenden Kapitel greifen das noch einmal im einzelnen auf und begründen die christliche Lehre: die Menschwerdung Christi bei gleichzeitiger Einheit Gottes (Kapitel 3), die buchstäbliche statt bildliche Bibelauslegung (Kapitel 4), die der Jude verteidigt: Die biblischen Prophetien wie Ies 7,4 (eine Frau wird einen Sohn gebären) besagten nichts über Christus und die Jungfrauengeburt (Kapitel 5). Den Einwand des Juden, Abweichungen im Verständnis des Alten Testaments resultierten aus Übersetzungsfehlern der Septuaginta, läßt der Christ nicht gelten (Kapitel 6). Ebenso entkräftet er den jüdischen Vorwurf, die Christen würden gegen das göttliche Gebot Bilder erlauben, damit, daß sie die Bilder nicht anbeteten (Kapitel 7). Wie schon bei Gregor von Tours rechtfertigt der Christ seine Lehre hier gegenüber jüdischen Vorwürfen, um damit zugleich die jüdische Lehre zu widerlegen. Insofern findet formal tatsächlich ein „Gespräch“ statt, das aber von gegenseitiger Nichtanerkennung geprägt ist und insgesamt einseitig den christlichen Standpunkt begründet darlegen und damit den jüdischen Glauben als falsch erweisen will. Ähnliches gilt auch für die anderen „Religionsgespräche“. Die Fortsetzung des Gespächs am zweiten Tag kann gewissermaßen das Fazit ziehen: Die Prophezeiungen des Alten Testaments aber hätten sich mit Christus sämtlich erfüllt; die Taufe hat die Beschneidung abgelöst. Es ist bezeichnend, daß Gilberts zweiter Dialog mit einem Heiden (Disputatio christiani cum gentili de fide Christi), nämlich einem Philosophen, letztlich ganz ähnliche Argumentationen enthält, die folglich unabhängig von der jeweiligen Religion geführt werden.443
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Ebd. S. 46: Christum credo prophetam quidem omni virtutum praerogativa excellentissimum, et Christo credam; sed in Christum neque credo neque credam, qui non credo nisi in Deum et unum. Die Kirchen, so argumentiert der Jude weiter (S. 48), seien allen möglichen Heiligen, nicht aber Gott geweiht. Hier wehrt sich der Christ gegen die Vorwürfe des „Heiden“, da Gott Urheber des alten und des neuen Gesetzes sei, müßten die Christen das Alte Testament genau so befolgen wie die Juden (Kapitel 2) – das hätte in derselben Weise ebensogut oder besser ein jüdischer Gesprächspartner einwenden können –, die Menschwerdung Gottes stehe im Widerspruch zu seiner Unveränderlichkeit (Kapitel 3), es habe auch gar keines Gesetzes bedurft (es war nötig, so der Christ, weil der Mensch seine Vernunft mißbrauchte; Kapitel 4), man sollte die Leidensgeschichte Gottes besser verschweigen (sie sei gerade die Einlösung des Gesetzes, kontert der Christ; Kapitel 5), ein sterblicher Gott sei gespalten und schwach (die Menschwerdung verhindere nicht die göttliche Einheit, so der Christ; Kapitel 6), die Dreifaltigkeit sei unerklärt und unerklärbar (und mit dieser Feststellung geht der Philosoph davon; Kapitel 7).
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Insgesamt ist die Diskussion, wie schon diese Beispiele zeigen, weit mehr von einer – im übrigen gegenseitigen444 – Polemik als von einer wirklichen Glaubensauseinandersetzung geprägt.445 Von einer neuen Offenheit gegenüber der Religion und religiösen Gesprächen zu sprechen,446 erscheint mir daher äußerst fraglich. Etwas, wenngleich nur bedingt anders gestaltet sich Abaelards berühmter, wohl 1125/26 abgefaßter „Dialog“, die „Collationes“, zwischen einem Philosophen, einem Juden und einem Christen,447 nicht nur, weil der „Dialog“ hier in ungewöhnlicher Weise zu einem Dreiergespräch ausgestaltet ist. Er ist letztlich jedoch ebenfalls weit davon entfernt, die Religionen zu vergleichen (obwohl das Gespräch zumindest streckenweise darauf zu sprechen kommt) und zeigt keine größere Toleranz als seine Zeitgenossen,448 spiegelt aber gut Abaelards eigene (religiöse) Vorstellungen wider. Das Werk versteht sich als philosophischer Traktat und will, im Gefolge der
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Im abschließenden achten Kapitel fragt deshalb ein Schüler nach, weshalb die Trinität überhaupt notwendig sei. Gott, so wiederholt der Christ (philosophisch gewiß unbefriedigend), sei ein Gott und doch unterschieden, wie Quelle und Bach aus demselben Wasser und doch unterschiedlich seien. Zur antichristlichen Polemik der jüdischen Exegese des 12. Jahrhunderts vgl. Abulafia, Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance S. 70f. So auch von Moos, Collationes S. 458. Leichte Hinweise auf ein gegenseitiges Verständnis findet im 12. Jahrhundert anhand von zwei Beispielen (Ephraim von Bonn und Caesarius von Heisterbach) Marcus, Jews and Christians Imagining the Other. So ebd. S. 223. Ed. Rudolf Thomas, Stuttgart-Bad Cannstadt 1970 (weitere Editionen: Carla Trovò, Mailand 1992; mit deutscher Übersetzung: Hans-Wolfgang Krautz, Gespräch eines Philosophen, eines Juden und eines Christen, Frankfurt/M.-Leipzig 1995). Vgl. dazu von Moos, Collationes; Stefan Seit, Dilectio consummatio legis. Abaelards Gespräch eines Philosophen, eines Juden und eines Christen und die Grenzen einer rationalen Gotteslehre, in: Lutz-Bachmann/Fidora (Hg.), Juden, Christen und Muslime S. 40–95; Anna Sapir Abulafia, Intentio Recta an Erronea? Peter Abelard’s Views on Judaism and the Jews, in: Bat-Sheva Albert/Yvonne Friedman/Simon Schwarzfuchs (Hg.), Medieval Studies in Honour of Avrom Saltman (Bar-Ilan Studies in History IV), Ramat-Gan 1995, S. 13–30 (abgedr. in: Dies., Christians and Jews in Dispute, Nr. XIII). Der eher 1125/1126 als am Ende der Lebenszeit (1141) entstandene „Dialog“ versteht sich nicht als solcher (der Titel stammt von dem ersten Editor Rheinwald), sondern als „Collationes“, „Vergleiche“. Vgl. Constant Mews, On Dating the Works of Peter Abelard, in: Archives d’Histoire doctrinale et littéraire du Moyen Âge 52, 1985, S. 73–134, hier S. 104–109. So richtig Abulafia, Intentio Recta an Erronea? S. 30.
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Gottesbeweise Anselms von Canterbury, vielmehr mit Vernunftgründen darlegen, daß und weshalb das Christentum die einzig wahre Religion ist,449 beginnt aber immerhin mit der Feststellung, daß drei Menschen verschiedenen Glaubens: ein heidnischer Philosoph, ein Jude und ein Christ, vor den „Richter“ treten, der über ihren Streit entscheiden soll (wobei weder eindeutig klar wird, ob dieser Richter Abaelard selbst oder der Leser ist, noch wird am Ende ein Urteil gefällt), und daß alle drei gleichermaßen einen einzigen Gott verehren.450 „Gewiß,“ sagt der Christ später, „verbietet niemand, der klug ist, unseren Glauben mit Vernunftgründen zu erforschen und zu diskutieren, und man beruhigt sich vernünftigerweise nicht mit dem, was zweifelhaft geblieben ist, wenn nicht ein Vernunftgrund vorausgeschickt worden ist, warum man sich beruhigen müsse.“451 (Und er diskutiert mit dem Heiden auf dieser Ebene, weil dieser schließlich nicht mit auf dem Glauben beruhenden Autoritäten überzeugt werden kann.) Die „Heiden“ werden deshalb durch einen Philosophen repräsentiert, der sich immer wieder auf die ratio beruft, aber die Gottheit als solche anerkennt. (Der Polytheismus spielt in diesem Gespräch also gar keine Rolle bzw. ist zu Recht vom Christentum verdrängt und ausgerottet worden.452) Schon gar nicht kann man hinter den Gesprächspartnern durchweg Verfechter ihrer Religion suchen. Wenn der Philosoph, der – letztlich in zwei aufeinanderfolgenden Dialogen453 – das Gespräch jeweils zuerst mit dem Juden und dann mit dem Chri449
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Deshalb ist es sicherlich falsch, den Dialog ausschließlich im – für Abaelard eher marginalen – antijüdischen Kontext zu betrachten, wie Von Moos, Collationes S. 484, zu Recht feststellt: „Le but essentiel est atteint: la démonstration de la rationalité de la foi chrétienne.“ Gleichwohl geht es Abaelard nicht minder um diese wahre Religion selbst. Abaelard, Dialogus inter Philosophum, Iudaeum et Christianum S. 8/9. Ebd. S. 97: Nemo certe nostram, qui discretus sit, rationibus fidem vestigari ac discuti vetat, nec rationabiliter his, que dubia fuerint, acquiescitur, nisi cur acquiescendum sit ratione premissa. So ebd. S. 92. Abaelard dürfte hier die großen griechischen Philosophen der Antike vor Augen gehabt haben, mit denen sich schon Augustin in „De civitate Dei“ besonders gründlich auseinandersetzt. Für eine Deutung des Philosophen als Muslim, wie immer wieder behauptet worden ist, gibt es letztlich keine Anhaltspunkte. So auch Von Moos, Collationes S. 456. Schon der Dialogpartner in Gilbert Crispins „Disputatio christiani cum gentili“ ist ein Philosoph (und kein Götzendiener). Von Moos, ebd. S. 454, spricht zu Recht von einer Teilung in zwei Dialoge des Philosophen zunächst mit dem Juden und dann mit dem Christen. Im ersten Teil hat der Philosoph die Initiative, im zweiten überläßt er sie dem Christen (ebd. S. 455).
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sten führt (während diese beiden im Gegensatz zu den üblichen Religionsgesprächen gar nicht unmittelbar konfrontiert werden),454 zwar kritische Fragen stellt, die anderen Religionen und die Bibel aber recht genau kennt, dann spiegelt das keine Realität wider, sondern ist deutlich eine literarische Fiktion, in der es bei allen Gesprächspartnern letztlich um christliche Vorstellungen geht (und damit gerade um das Anliegen dieser Studie). „Gewiß,“ sagt der Christ später mit vertrauten Argumenten zum Philosophen, der von dem „neuen Gesetz“ der Christen durch Christus anstelle des alten gesprochen hatte, „wie ich sehe, verurteilt dich nicht die Unkenntnis unseres Glaubens, sondern mehr die Hartnäckigkeit deines Unglaubens“455 (während er sich wundert, daß der Heide die Vollkommenheit des neuen Gesetzes kennt und sie dennoch nicht annimmt). Die Gesprächspartner wollen folglich nicht zanken, sondern disputieren456 (obwohl die Worte des Christen mehrfach beleidigend wirken). „Mein Vorhaben ist,“ sagt der Christ später zu dem Philosophen, „wie du weißt, nicht, dir meine eigenen Meinungen aufzudrängen, sondern dir den gemeinsamen Glauben oder die Lehre unserer Vorfahren zu erschließen.“457 Das Ganze dient demnach der christlichen Selbstdarstellung und Selbstbegründung. Man hat den „Dialog“ daher tatsächlich als ein Gespräch des Christen mit sich selbst458 bzw. Abaelards mit seinen christlichen Widersachern bezeichnet.459 Während der Jude sich eingangs über die Verfolgungen durch Heiden und Christen beschwert – erstere begründeten das mit der alten Besitznahme ihres Landes durch das Volk Israel, letztere mit der Ermordung Christi – und beklagt, daß die Juden ihren größten und zudem ungläubigen Feinden auf Gedeih und Verderb ergeben seien,460 werden solche Fragen fortan auf einer logischen Ebene diskutiert. Inhaltlich stehen die Argumentationen hingegen durchaus in der Tradition antijüdischer Traktate.461 Zum ersten Dialog vgl. im einzelnen ebd. S. 460ff., zum zweiten ebd. S. 469ff. Abaelard, Dialogus S. 88: Certe, ut video, non te ignorantia fidei nostre, sed magis tue infidelitatis obstinatio dampnat. 456 Ebd. S. 107. 457 Ebd. S. 145: Propositum mihi est, sicut nosti, non me tibi proprias inferre sententias, sed communem maiorum nostrorum tibi fidem seu doctrinam sperire. 458 So Seit, Dilectio consummatio legis S. 94. 459 So Von Moos, Collationes S. 458f. 460 Abaelard, Dialogus S. 51: Summis inimicis nostris vitam nostram committimus et infidelium fidei nos credere cogimur. 461 Vgl. Dahan, Les intellectuels S. 421. 454 455
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Für unsere Zwecke ist besonders der folgende Gedankengang interessant: Heidentum, Judentum und Christentum (und damit die drei Gesprächspartner) stellen bei Abaelard gewissermaßen drei Stufen der Entwicklung dar, die jeweils durch ein neues, jedoch nicht alternatives, sondern zusätzliches Gesetz geprägt sind462 (wie unter anderem schon Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis, Hugo von St. Viktor und Honorius Augustodunensis nach den drei Epochen des Naturrechts, des geschriebenen Rechts und der Gnade unterschieden haben).463 Deshalb beginnt Abaelards Philosoph mit den Worten: „Es ist meine Aufgabe, als erster die übrigen zu befragen, der ich mit dem natürlichen Sittengesetz, welches das erste ist, zufrieden bin.“464 Diese naturalis lex erkennen alle an, Juden und Christen haben sich aber – jeweils zusätzlich (!) – einer weiteren lex unterstellt. Dem (heidnischen) Philosophen reicht hingegen das Naturgesetz aus, und so sucht er zu beweisen, daß weitere (Religions-)Gesetze überflüssig seien (und muß darin von den anderen widerlegt werden). Gibt es Vernunftgründe für die leges jenseits des Naturgesetzes, so will er von den anderen wissen, oder ist das lediglich menschliche Vorstellung (hominum opinio) und Tradition? Daraufhin legt der Jude dar, daß sein Gesetz von Gott gegeben und somit zwangsläufig „vernünftig“ ist. Rituale (wie die Beschneidung) sind Zeichen des Bündnisses mit Gott und unterscheiden die Juden gleichzeitig von allen anderen, da der Bund mit Gott über den Samen des beschnittenen Gliedes auf alle Nachkommen übertragen wurde.465 Das erkennt der Philosoph allerdings 462
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Vgl. Von Moos, Collationes S. 452; vorher bereits Hans Liebeschütz, The Significance of Judaism in Peter Abaelard’s Dialogus, in: Journal of Jewish Studies 12, 1961, S. 1–18, hier S. 8f. Zu den drei Epochen vgl. Isidor von Sevilla, Liber numerorum qui in sanctis scripturis occurrunt 3,18, Migne PL 83, Sp. 182 D; ed. Jean-Yves Guillaumin, Isidore de Séville, Le livre des nombres/Liber numerorum 4,18 (Les Belles Lettres), Paris 2005, S. 25; Beda Venerabilis, Expositio in s. Iohannis evangelium 12, Sp. 784 CD; Hugo von St. Viktor, De sacramentis Christianae fidei 1,8,11, ed. Migne Sp. 313; ed. Berndt S. 203f.; Honorius Augustodunensis, Sacramentarium 1, Sp. 739 BC; ebd. 47, Sp. 771 C. Für Beda zählt es geradezu zur „Natur“ der Juden, daß sie unter dem Gesetz leben: Ders., Expositio super epistolas catholicas. In secundam epistolam Petri 1, Migne PL 93, Sp. 69 D: qui natura Iudaei, qui sub lege sumus nati. Ihr proprium aber ist es ebenso, daß sie Jesus nicht als Christus anerkennen (ebd. In primam epistolam Ioannis 2, Sp. 95 C). Abaelard, Dialogus S. 44: Meum est, inquit, primum ceteros interrogare, qui et naturali lege, qua prima est, contentus sum. Ebd. S. 62f.
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nicht an: Gott war schließlich auch vor der Beschneidung schon Gott der Menschen.466 Für ein sittliches Leben brauche man nicht auf die Vorschriften des Herrn zu warten. Die Autorität des jüdischen Gesetzes verpflichte ihn daher nicht zu diesem Glauben.467 Damit läßt Abaelard den Heiden gleichsam den jüdischen Glauben mit rationalen Argumenten widerlegen. Von hier an beginnt dann bis zum Schluß der Dialog mit dem Christen, in dem letzterer mehr und mehr die Oberhand gewinnt,468 indem er zunächst auf die Vollkommenheit des neuen Gesetzes (Testaments) verweist, das ergänzte, was dem alten zur sittlichen Vollkommenheit fehlte.469 Anders als in der Philosophie sind Morallehre und Gotteslehre (auf die alles zustrebt) im Christentum identisch,470 das in der Tat, wie der Philosoph zugibt, den Götzenkult ausgerottet hat.471 Anschließend begründet er die religiösen Ziele, Gott und das Jenseits, als christlich (im Unterschied zum Glauben der heidnischen Philosophen) und erklärt das mittels einer philosophischen Diskussion über das Gute: Der Heide denkt beim summum bonum an das höchste Gut des Menschen, der Christ aber sieht es in Gott472 (da es über dem höchsten Gut ja nicht ein noch höheres geben kann, eine Anselm von Canterbury verpflichtete Argumentation). Dem schließt sich eine lange Diskussion über das höchste Gut an, an deren Ende der Philosoph nahezu überzeugt ist,473 während der lange Schlußdialog des Christen eher überraschend und scheinbar unabgeschlossen endet, das eigentliche Ziel, der Beweis der Vernunftgemäßheit des christlichen Glaubens, aber erreicht ist.474 Denn darum geht es Abaelard, nicht um einen wirklichen Dialog der Religionen. Das zeigt gewiß seine philosophische Zielsetzung, fügt sich jedoch nicht minder ein in eine christliche Überzeugung von der alleinigen Richtigkeit des eigenen Glaubens, die gegenüber anderen Religionen (wie auch gegenüber Zweiflern im Innern) auf rationalem Wege erwiesen werden kann (und soll), aber nicht 466 467 468 469 470
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Ebd. S. 73f. Ebd. S. 80, 84. So auch Von Moos, Collationes S. 471. Abaelard, Dialogus S. 88. Ebd.: Quam quidem vos ethicam, id est moralem, nos divinitatem nominare consuevimus. Ebd. S. 92. Ebd. S. 107. Vgl. ebd. S. 159. Letzteres betont Von Moos, Collationes S. 484.
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zu einer inneren Auseinandersetzung mit anderen Glaubensrichtungen führt. Auch in dieser Hinsicht gleichen Abaelards „Collationes“ den in der formalen Argumentation recht unterschiedlichen „Religionsgesprächen“ seines Jahrhunderts. Eine Art Zusammenfassung der jüdischen Vorwürfe gegenüber Christen und deren christliche Widerlegung bietet gegen Ende des 12. Jahrhunderts Alanus ab Insulis im dritten Buch seiner Schrift „De fide catholica contra haereticos sui temporis“:475 Die Juden monieren vor allem die Mehrzahl der göttlichen Personen,476 sie betonen, daß das Mosaische Gesetz nicht abgeschafft, sondern unverändert zu beachten ist,477 daß die göttlichen Strafanordnungen von einst nicht mehr verändert werden dürfen,478 daß der Messias noch nicht gekommen ist,479 daß Christus nicht Gott ist480 und nicht von einer Jungfrau empfangen wurde.481 Demgegenüber belegt Alanus, daß vor der Ankunft Christi alle zur Hölle gehen482 und daß erst die Passion Christi die Menschen erlöst hat.483 Damit werden auch hier die jüdischen Vorbehalte gegenüber dem Christentum als Aufhänger benutzt, den jüdischen Unglauben aufzuzeigen. Der antijüdischen Polemik, „Religionsgesprächen“ und sonstigen Äußerungen, geht es in erster Linie um die Rechtfertigung des christlichen Glaubens, sie legt mit den wesentlichen Unterschieden 475
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Alanus de Insulis, De fide catholica contra haereticos sui temporis, Buch 3: Contra Iudaeos, Sp. 400–422. Vgl. dazu Joseph H. Pearson, The Anti-Jewish Polemics of Alan of Lille, in: Jean-Luc Solère/Anca Vasiliu/Alain Galonnier (Hg.), Alain de Lille, le docteur universel. Philosophie, théologie et littérature au XIIe siècle. Actes du XIe Colloque international de la Société Internationale pour l’Étude de la Philosophie Médiévale, Paris, 23–25 octobre 2003, Turnhout 2005, S. 83–106, der die von Gilbert Crispin unabhängigen Teile diskutiert. Alans antijüdische Polemik ist weit stärker in seinem exegetischen Glossar „Distinctiones dictionum theologicarum“ bemerkbar (ebd. S. 102ff). Zu Alanus vgl. oben Kapitel 2, Anm. 440. Alanus de Insulis, De fide catholica 3,1–5, Sp. 399 D: pluralitatem personarum divinarum impugnant. Ebd. 3,6–7, Sp. 407 B: dicunt quod lex Mosaica non est abolita, sed adhuc est observanda. Ebd. 3,8–10, Sp. 408: dicunt quod divinae sanctiones ut tunc non sint mutandae. Ebd. 3,11–12, Sp. 410: probant Iudaei Messiam non venisse. Ebd. 3,13–15, Sp. 413: probant Christum non fore deum. Ebd. 3,16–18, Sp. 415: dicunt Christum non esse conceptum de Virgine. Ebd. 3,19, Sp. 418. Ebd. 3,20, Sp. 419 D.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
zwischen den Religionen und der – teilweise sehr harschen – Abweisung des jüdischen Glaubens jedoch wichtige Elemente des christlichen Judenbildes offen.
7. Religiöse Einordnung: weder Heiden noch Häretiker, aber Ungläubige a. Das Verhältnis von Judentum und Christentum Die Frage der religiösen Kategorisierung stellt sich bei den Juden nicht in gleicher Weise wie bei den Muslimen: Juden sind für die christlichen Autoren weder Heiden noch Häretiker (und werden nirgends oder allenfalls höchst vage in dieser Weise charakterisiert). Das schafft von vornherein ein engeres Verhältnis zum Christentum. Wie Gottvater (anders als in der Wahrnehmung des Islam) für Juden und Christen zweifelsfrei derselbe Gott ist und das Alte Testament eine gemeinsame Grundlage des jüdischen und des christlichen Glaubens bildet, so sind den christlichen Autoren die Übereinstimmungen beider Religionen durchaus bewußt.484 Auch wenn sie jetzt uneins sind, meint schon Hieronymus, stimmen sie doch im Glauben an die Ankunft Christi überein.485 Es habe zwei Berge gegeben, schreibt Augustin (in allegorischer Anspielung auf Dan 2,34f.): der erste sei die Synagoge, der zweite die Kirche, der erste das Volk der Juden, der zweite das Volk der Christen, das zu einem großen Berg anwachsen wird, der die ganze Erde erfüllen und aus dem der Stein herausbrechen wird, der Christus symbolisiert. Christus aber kam aus dem Volk der Juden.486 Die Juden hätten, so Beda, auch nach Christus, ob unter heidnischen oder christlichen Königen, 484 485
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Vgl. Aurast, Verwandte Feinde S. 193ff. Hieronymus, Commentarii in prophetas minores. In Malachiam 4,5f., CCL 76A, S. 942: et cor filiorum ad patres eorum, ut et Iudaei et Christiani, qui nunc inter se discrepant, pari in Christum religione consentiant; Ders., Tractatus in psalmos. P. 84, ed. Germain Morin, CCL 78, Turnhout 1958, S. 105: proprie dicitur hoc de populo Iudaeorum, qui in Xpistum credituri sunt: hoc est, de aduentu Xpisti dicitur et de fide populi Iudaici, hoc est de apostolis et quicumque apostolis crediderunt. Augustinus, Sermo 45,6, S. 522; duo montes sunt ergo. primus mons synagoga, secundus ecclesia. primus, populus Iudaeorum; secundus mons, populus christianus. sed ut fieret populus christianorum magnus mons, et impleret uniuersam terram, de illo monte praecisus est lapis, quia de Iudaeis uenit Christus.
7. Religiöse Einordnung: weder Heiden noch Häretiker, aber Ungläubige
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stets ihr Gesetz bewahrt, um sich damit von den anderen Religionen abzuheben; kein Kaiser oder König, der sie mit diesem Zeichen in seinem Reich vorfand, habe je bewirkt, daß sie keine Juden mehr sind (abgesehen von jenen, die sich zum Christentum bekehrt haben).487 Das Judentum wird folglich als eigenständige Religion wahrgenommen, die nach ihren alten Gesetzen lebt. Bei aller Anerkennung gleicher Wurzeln und Ähnlichkeiten zwischen Juden und Christen überwiegen dennoch natürlich die Unterschiede, und gerade sie werden betont (und angegriffen).488 Während die Juden nur sich allein der Seligkeit würdig erachten, so Cassiodor, hält die Kirche eine allgemeine Auferstehung bereit.489 Die Kirche setzte sich, wie Augustin und viele andere betonen, entsprechend aus Juden- und Heiden(christen) zusammen.490 Schließlich entstammen die Christen (wie schon die Apostel), wie Hieronymus schreibt, nicht nur dem jüdischen Volk, sondern allen Völkern, und er fügt hinzu: „Und der einstige Schwanz ist jetzt das Haupt und das einstige Haupt wird zum Schwanz.“491 Die Juden, heißt das, waren einst die ersten und sind jetzt die letzten. Ihr Verhältnis zu Gott hat sich umgekehrt. Das ist eine klare Wertung. Haymo von Auxerre greift diese Deutung auf: 487
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Beda Venerabilis, In principium Genesis usque ad natiuitatem Isaac 2,4,14, S. 74: Habet gens Iudea, siue sub paganis regibus siue sub christianis, signum legis suae, quo a ceteris gentibus populisque distinguitur, et omnis imperator uel rex, qui eos in regno suo inuenit, cum ipso signo eos inuenit nec occidit, id est non efficit, ut non sint Iudaei, certo quodam et proprio suae obseruationis signo a ceterarum gentium communione discreti, nisi quicumque eorum ad Christum transierunt. Blumenkranz, Juifs et chrétiens S. 276, spricht von einem Bewußtsein der fundamentalen Unterscheidung von Christen und Juden aufgrund der Religion. Cassiodor, Expositio in psalterium. In ps. 65, S. 571: Contra persuasionem Iudaeorum, qui se dicebant solos ad beatam vitam prae omnibus pertinere, mater Ecclesia spem generalis resurrectionis interpositis tribus diapsalmatibus laeta decantat. Vgl. Augustinus, Contra Iulianum liber imperfectum 2,151, S. 274: scribens itaque ad Romanos eo iam tempore, quo gentium coeperat esse permixtio atque ideo tam ex Iudaeis quam ex gentibus complebantur ecclesiae. Viele weitere Beispiele ließen sich anführen. Hieronymus, Commentarii in Isaiam 18,66,21, S. 794: uel certe non dicit de apostolis et apostolicis uiris, qui principes fuerunt ecclesiae ex populo Iudaeorum, sed de enumeratis supra gentibus, de mari, de Africa, de Libya, de Cappadocia, de Italia, de Graecia, de cunctis insulis, quarum habitatores primum non audierant dominum, nec uiderant gloriam eius, et postea uertentur in sacerdotes, ut qui fuerant cauda, sint caput, et qui caput, uertantur in caudam.
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Vor der Predigt der Apostel seien die Heiden unfruchtbar gewesen, danach aber hätten sie sich bekehrt, während die Juden das verschmäht hätten (und deshalb vom Haupt zum Schwanz geworden seien).492 Daher stehen Heidenchristen, so wertet entsprechend Chromatius von Aquileja, zur Rechten, Judenchristen (nur) zur Linken Christi.493 Nach Aelred von Rievaulx empfingen die Heiden in dem Augenblick das Licht, in dem die Juden erblindeten.494 Nach Cassiodor hatten sich die Propheten und Apostel von den ungläubigen Juden ab- und den Heiden zugewandt:495 Mit Christus hat sich die – vorher bestimmende – heilsgeschichtliche Rolle Israels umgekehrt und den Heiden das Heil eröffnet: Die Heidenchristen treten gleichsam an die Stelle der Juden. Besonders deutlich wird eine explizite Gegenüberstellung von Juden und Christen bei Salvian von Marseille: „Juden hatten zwar einstmals den Schatten der (wahren) Dinge, wir (die Christen) aber haben die Wahrheit; Juden waren Sklaven, wir Adoptierte; Juden empfingen das Joch, wir die Freiheit, Juden den Fluch, wir die Gnade, Juden den tötenden Buchstaben, wir den belebenden Geist; den Juden wurde ein Sklave als Lehrer, den Christen der Sohn gesandt; die Juden wanderten über das Meer in die Wüste, wir gehen durch die Taufe ins Reich ein; die Juden lebten von Manna, wir von Christus, die Juden vom Fleisch der Vögel, wir vom Leib Christi; die Juden erhielten aus dem Himmel Schnee, wir den Himmelsgott, der sich in der Form eines Gottes selbst bis auf den Tod erniedrigt hat, wie der Apostel sagt.“ 496
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Haymo von Auxerre, Commentaria in Isaiam 2,29, Sp. 860 BC: Gentiles namque ante praedicationem apostolorum infructuosi erant, quia licet facerent fructus, tamen amari et acidi erant. Post ascensionem autem Domini, cum Iudaei praedicationem apostolorum sprevissent et venissent ad gentes, conversus est Libanus in Chermel, et Chermel in saltum, id est gentiles qui ante erant cauda, conversi sunt in caput, et Iudaei in caudam reputati sunt, qui quondam fuerunt in caput. Chromatius von Aquileja, Sermo 19, ed. Raymond Étiat und Joseph Lemarié, Turnhout 1974, CCL 9A, S. 91: Huiusmodi ergo arundo, id est populus gentium, in dextera domini collocatur, quia a sinistris iam habebatur populus Iudaeorum qui persequebatur Christum. Aelred von Rievaulx, Sermo 4,21, S. 41: Recipiunt hodie pagani ueram lucem, ad cuius praesentiam caecantur Iudaei. Cassiodor, Expositio in psalterium. In ps. 106, v. 33, S. 982f.: quia reprobata perfidia Iudaeorum, omnis plenitudo venit ad populum Christianum. Illa siquidem ‚flumina‘, id est prophetae vel apostoli non credentibus Iudaeis ad deserta gentium transierunt. Salvian von Marseille, Ad Ecclesiam siue Aduersus auaritiam 2,6,23, ed. Georges Lagarrigue, SC 176, Paris 1971, S. 202: Iudaei quippe habebant quondam umbram
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Die Juden haben den Christen zu dienen. „Was ist das Volk der Juden denn anderes als ein Sklave des Christenvolkes?“ fragt Beda.497 Gott verlangt von den Christen durch das Evangelium jetzt allerdings mehr als zuvor von den Juden durch deren Gesetz.498 Christen sind demnach nicht nur die Erben der Juden, sondern Erfüllung. Den Juden, so Augustin, wurde das Gesetz im Blick auf die Angst gegeben, den Christen der Heilige Geist in der Gnade.499 Caesarius von Arles vergleicht, mit Bezug auf Jakobs Kampf mit dem Engel (Gen 32,23f.), Christen und Juden mit Jakob, der auf einem Bein hinkt: Der hinkende Fuß symbolisiert die Juden, die nicht an Christus glauben, der gesunde hingegen diejenigen, die Christus als Herrn annehmen.500 Die Prophezeiung des Engels gegenüber Jakob, der dessen Segen erheischte, erfüllte sich, als die Juden Christus kreuzigten.501 Dem schließen sich zahlreiche ähn-
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rerum, nos ueritatem; Iudaei fuerunt serui, nos adoptiui; Iudaei acceperunt iugum, nos libertatem, Iudaei maledicta, nos gratiam, Iudaei litteram interficientem, nos spiritum uiuificantem; Iudaeis seruus magister missus est, nobis filius; Iudaei per mare transierunt ad heremum, nos per baptisma introimus in regnum; Iudaei manna manducauere, nos Christum, Iudaei carnes auium, nos dei corpus, Iudaei pruinam caeli, nos deum caeli, qui, cum, ut apostolus ait, in forma dei esset, humiliauit semetipsum usque ad mortem. Beda Venerabilis, Commentarii in Pentateuchum. Expositio in Genesim 9, Sp. 228 C: Quid enim aliud est populus Iudaeorum nisi quidam servus populi Christiani? Salvian von Marseille, Ad Ecclesiam siue Aduersus auaritiam 2,6,23, S. 202: Sed quaerit fortasse aliquis, quid sit istud, quod nunc plus exigat Deus a Christianis per evangelium quam a Iudaeis ante per legem. Certa istius rei ratio est: ideo enim maiora nunc domino nostro solvimus, quia maiora debemus. Augustinus, Sermo 272 B augm. 3, ed. François Dolbeau, Finale inédite d’un sermon d’Augustin (S. Mai 158), extraite d’un homéliaire d’Olomouc, in: Revue des Études Augustiniennes 44, Paris 1998, S. 181–203, hier S. 198: Lex data est Iudaeis in timore; spiritus sanctus datus est Christianis in gratia. Caesarius von Arles, Sermo 88,5, S. 364: Pes ille, in quo claudicabat, Iudaeos qui in Christo non crediderunt figuravit; ille vero, qui sanus remansit, illorum typum gessit, qui Christum dominum receperunt. Ebd.: Denique diligenter adtendite, quia Iacob in illa conluctatione et vincebat et benedictionem petebat. Cum enim ad eum dixisset angelus, dimitte me, respondit Iacob: ‚non dimittam te, nisi benedixeris mihi.‘ In eo quod vincebat Iacob, Iudaeos persecutores Christi significabat; in eo quod benedictionem petebat, illum populum figurabat, qui in Christo domino crediturus erat. Denique quid ei dixit angelus? si contra Deum fortis fuisti, quanto magis contra homines praevalebis? hoc tunc impletum est, quando populus Iudaeorum Christum dominum crucifixit.
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liche und doch immer neue Vergleiche an. Die Juden haben das Rind (als Opfer), die Christen aber Christus, meint Petrus Venerabilis, dessen Opfer um so herausragender ist, wie er sich von einem Rind abhebt.502 Juden pflegen nur Freunde zu lieben, Feinde aber zu hassen, während Christen (nach Mt 5,43f.) beiden gegenüber gleichermaßen Liebe walten lassen, meint Jonas von Orléans.503 Dabei waren sie doch ursprünglich ausersehen und hätten durch die Prophezeiungen wissend sein können. „Was sagst Du dazu, Jude,“ fragt Ildefons von Toledo, „was bringst Du vor, was kannst Du dem anfügen, was entgegnen oder entgegensetzen? Siehe, unsere Jungfrau stammt aus Deinem Geschlecht, aus Deinen Vorfahren, aus Deiner Wurzel, aus Deiner Weinranke, aus Deinem Stamm, aus Deinem Volk, aus Deiner Menge, aus Deiner Nation, aus Deinem Ursprung. Doch sie ist aus unserem Glauben […] Du aber, den Treulosigkeit abgewendet hat, den Verkehrtheit ergriffen hat, den Blindheit befällt, den Irrtum festhält, den Starrsinn verhärtet, sage mir: weshalb glaubst du nicht, daß in deinem Geschlecht eine Jungfrau ein Kind geboren hat? Warum glaubst du nicht, daß sie es ohne Mann empfangen hat? Warum glaubst du nicht, daß sie einen eigenen Sohn austrägt? Warum glaubst du nicht, daß sie auch nach der Geburt Jungfrau bleibt?“504
Damit sind – deutlich in der Tradition der Polemik – gemeinsame Herkunft und religiöses Auseinandergehen deutlich skizziert. Auch wenn manche jüdischen Bräuche ins Christentum übergegangen sind, haben sie doch einen
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Petrus Venerabilis, Contra Petrobrusianos haereticos 165, ed. James Fears, CCM 10, Turnhout 1968, S. 98: Habuit bouem Iudeus, habet Christum Christianus, cuius sacrificium tanto Iudaicis uictimis excellentius est, quanto Christus boue maior est. Jonas von Orléans, De institutione laicali 3,1, Migne PL 106, Sp. 233 B: Iudaeis nempe moris est amicum diligere, et inimicum odiis exsecrabilibus insectari. Christianis vero uterque, Domino praecipiente in Evangelio, aeque diligendus est: ‚Audistis,‘ inquit, ‚quia dictum est antiquis: Diliges proximum tuum, et odio habebis inimicum tuum.‘ Ildefons von Toledo, De virginitate sanctae Mariae, titulus. Contra Iudaeos, ed. Valeriano Yarza Urquiola, CCL 114A, Turnhout 2007, S. 165: Quid dicis, Iudaee, quid proponis, quid adstruis, quid obicis, quid obiectas? Ecce uirgo nostra ex stirpe tua est, ex genere tua est, ex radice tua est, ex traduce tua est, ex gente tua est, ex populo tua est, ex plebe tua est, ex natione tua est, ex origine tua est. Verumtamen ex fide nostra est, ex credulitate nostra est, ex adsensu nostra est, ex reuerentia nostra est, ex honorificentia nostra est, ex laude nostra est, ex glorificatione nostra est, ex dilectione nostra est, ex amore nostra est, ex praedicatione nostra est, ex praeconio nostra est, ex defensione nostra est, ex uindicatione nostra est. […] Tu autem, quem perfidia auertit, quem prauitas occupauit, quem caecitas adiit, quem error obtinuit, quem obstinatio indurauit, dicito: quare non credis in genere tuo puerperam uirginem? quare non credis sine uiro uirginem concepisse? quare non credis proprium uirginem gestare filium? quare non credis uirginem manere post partum?
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anderen Sinn erhalten. „Wenn wir nämlich etwas tun, was die Juden tun, um den ‚Judaismus‘ zu bewahren,“ schreibt Anselm von Canterbury, ‚judaisieren‘ wir nicht, wenn wir das nämlich nicht wegen des ‚Judaismus‘, sondern aus einem ganz anderen Grund tun.“505 Diese Umdeutung ist aber entscheidend. Für Gratian „judaisieren“ Christen, wenn sie etwa den Sabbat feiern oder den Ritus des jüdischen Gesetzes äußerlich befolgen und sich damit dem jüdischen Unglauben unterwerfen.506 Für Sedulius Scottus bedeutet „judaisieren“ Beschneidung und wörtliche Auslegung.507
b. Die Juden im göttlichen Geschichtsplan Daß das Volk Israel das auserwählte Gottesvolk des Alten Testaments ist, steht natürlich außer Frage und räumt den Juden eine entscheidende Funktion im göttlichen Heilsplan ein. Schließlich ist ihnen von Gott über Moses das für alle Zeit gültige Gesetz der zehn Gebote (und damit zugleich die Schrift) gegeben worden.508 Gleichwohl ist auch das jeweils unterschiedlich zu nutzen. „Unter dem Gesetz, im Gesetz oder ohne Gesetz (zu leben),“ schreibt Augustin, mache einen großen Unterschied:
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Anselm von Canterbury, Epistola de sacrificio azimi et fermentati 3, ed. Franciscus Salesius Schmitt, Opera Omnia, Bd. 2, Seckau 1946 (ND. Stuttgart-Bad Cannstatt 1968), S. 225: Cum enim facimus aliquid quod Iudaei, ut iudaismum servarent, faciebant, non iudaizamus, si non propter iudaismum, sed propter aliam causam hoc agimus. Vgl. auch oben Anm. 263; unten Anm. 506 und 564. Gratianus, Decretum pars 3, dist. 3, can. 12, S. 1355: Peruenit ad me, quosdam peruersi spiritus homines praua inter uos aliqua et sanctae fidei aduersa seminasse, ita ut in die sabbati aliquid operari prohiberent. […] Quia enim mori se et resurgere simulat, haberi uult in ueneratione dominicum diem; et quia populum iudaizare conpellit, ut exteriorem ritum legis reuocet, et sibi Iudeorum perfidiam subdat, coli uult sabbatum. Vgl. auch Sedulius Scottus, Collectanea in omnes beati Pauli epistolas 1: In epistolam ad Galatos 2, Sp. 184 D: Iudaizare. Id est, honorem dare circumcisioni et litteram observare. Zum „Judaisieren“ bei Guibert von Nogent vgl. Zilkowski, Put in No-Man’s Land. Vgl. Augustinus, De catechizandis rudibus 23,41, ed. Johannes-Baptist Bauer, CCL 46, Turnhout 1969, S. 165: per quem diffusa caritate in cordibus eorum, non solum sine onere, sed etiam cum iucunditate legem possent implere. quae data est Iudaeis in decem praeceptis, quod appellant decalogum; Ado von Vienne, Chronicon, Migne PL 123, Sp. 35 C: Per eumdem Moysem Iudaei simul cum lege et litteras habere coeperunt.
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„Unter dem Gesetz leben die fleischlichen Juden, im Gesetz sowohl die geistlichen Juden als auch die Christen, wodurch die ersteren die Vätersitte bewahren, den gläubigen Völkern aber keine ungewohnten Lasten auferlegt haben; deshalb sind sie beschnitten; ohne Gesetz aber sind die Völker, die noch nie geglaubt haben.“509
Alkuin betont in einem Brief an die Mönche in Salzburg, daß Christus seine Urkirche durch die Apostel eben in Judäa errichtet habe.510 Selbst Petrus Venerabilis, dessen scharfe antijüdische Polemik schon oben behandelt wurde, muß – gegenüber dem falschen Gesetz der Muslime – zugestehen, daß das jüdische Gesetz in den fünf Büchern Mose niedergelegt und fast tausend Jahre unverändert und unverfälscht ausschließlich von den Juden beachtet worden ist.511 Die Juden rühmen sich geradezu ihres Alters, schreibt Abaelard, und werfen den Christen deren novitas vor.512 Die Geschichte des Volkes Israel ist für Augustin daher der vorchristliche Repräsentant der Civitas Dei auf Erden. Außer wenigen Juden, so auch Otto von Freising, gehörten in der Zeit vor Christus alle Menschen, im Irrtum befangen und nichtigem Aberglauben hingegeben, der Civitas Mundi unter der Herrschaft des Teufels an.513 Bereits nach der Babylonischen Gefangen509
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Augustinus, De opere monachorum 11,12, ed. Joseph Zycha, CSEL 41, Wien 1900, S. 550: aliud ergo esse sub lege, aliud in lege, aliud sine lege. sub lege carnales Iudaei; in lege spiritales et Iudaei et Christiani, unde illi seruauerunt morem illum patrium, sed onera insolita credentibus gentibus non inposuerunt; et ideo et illi circumcisi sunt; sine lege autem gentes, quae nondum crediderunt. Alkuin, ep. 168, S. 276, von 799: Hanc primitiva per apostolos in Iudaea initiavit aecclesia. Petrus Venerabilis, Contra sectam Saracenorum 72, S. 126/128: Qualiter per mille fere annos, dum adhuc lex illa Dei ut creditis incorrupta maneret, a nullis praeter Iudaeos suscepta est et falsata usque ad ultimos mundi terminos per universos populos diffusa est? Sed quae in voluminibus illis falsitas notari potuit? In quibus suis partibus, in quibus versibus primus legis illius liber, qui Genesis vocatur, veritate mutata, falsitate admixta corruptus apparet? In quibus Exodus? In quibus Leviticus? In quibus liber Numeri? In quibus Deuteronomium? Nam in his quinque summa Iudaicae legis consistit. Petrus Abaelardus, Commentaria in epistulam Pauli ad Romanos 3,7, S. 188: et Iudaei adhuc de sua uetustate gloriantes, nostrae insultarent nouitati et amplius de operibus ipsis quam de fide Christi nonnulli considerent, quam sine operibus minime sufficere crederent. Otto von Freising, Chronica 3 prol., S. 130: Prioribus enim de civibus Christi pauca, multa vero de mundi civibus dicendi materiam habui, quia a primo homine ad Christum totus pene orbis, exceptis de Israelitico populo paucis, errore deceptus, vanis superstitionibus deditus, demonum ludicris captus, mundi illecebris irretitus sub principe mundi diabolo militasse invenitur.
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schaft zeichnete sich mit dem Ende der Propheten jedoch der Niedergang ab, weil nur noch wenige Juden (wie Hiob) wirklich dem Gottesstaat angehörten.514 Die Geschichte des Volkes Israel ist daher auch zentraler Bestandteil der mittelalterlichen Weltchroniken (und bietet schon bei Eusebius-Hieronymus das Grundgerüst in der ersten Spalte ihrer Chroniken). Ado von Vienne entnimmt die Geschichte des Volkes Israel der Bibel mitsamt den Makkabäerbüchern ebenso wie Josephus und Aphrikanos.515 Nach der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft, so hält er fest, wurden die Juden nicht mehr von Königen, sondern von Priestern beherrscht, bis Aristobolus die Königsherrschaft usurpierte und damit beide Würden auf sich vereinte.516 „Während der Teufel Gewalt über alle Völker hatte,“ schreibt Aelred von Rievaulx später, erfreute sich das Volk der Juden seines Glücks; es hatte einen Tempel, Altar, Ephod (das Hohepriestergewand), Hausgötter (teraphim), Priester und Opfer.“517 Diese gesegnete Stellung hat das Volk Israel allerdings längst verloren,518 auch wenn es sich nach Hieronymus im Selbstverständnis weiterhin seiner edlen Abstammung rühmt, sich selbst als Söhne Abrahams betrachtet und
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Ebd. 2,47, S. 122 (das Kapitel erzählt die Geschichte der Juden seit der Babylonischen Gefangenschaft): Quoniam autem Iudeorum mentionem fecimus, in quibus tunc tantum iuxta prophetam, exceptis paucis, qualis fuit Iob, notus fuisse Deus creditur, qualiter post prophetas et relaxatam captivitatem usque ad id temporis civitas Dei fuerit, paucis aperiam. Vgl. Ado von Vienne, Chronicon (aetas quinta) Sp. 52 B: Hucusque divina Scriptura temporum seriem continet. Quae vero posthaec apud Iudaeos sunt gesta, de libris Machabaeorum et Iosephi atque Africani scriptis exhibentur, qui deinceps universam historiam usque ad Romana tempora persecuti sunt. Ebd. Sp. 52 CD: Reversis de captivitate Iudaeis, non reges, sed pontifices praefuerunt usque ad Aristobulum, qui cum dignitate pontificis etiam regale sibi coepit usurpare vocabulum. Dem schließt sich noch eine Reihe von Berichten über die Juden an. Aelred von Rievaulx, Homiliae de honeribus propheticis Isaiae 20,5, S. 178: Itaque, fratres, quamdiu diabolus in omnes gentes habuit potestatem, populus Iudaeorum sua prosperitate gaudebat, habens templum, altare, ephod, theraphin, sacerdotes et sacrificia. Vgl. Gregor der Große, Moralia in Iob 31,25,46, CCL 143B, S. 1583: Iudaea, in sua sterilitate remanens, bene uiuendi ordinem amisit.
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für selig hält, wer seinen Samen in Zion und sein Haus in Jerusalem hat.519 Die Juden, einst das Gottesvolk, haben wegen ihres Unglaubens das Heil verloren, das nun an die Christen übergegangen ist.520 Sie besaßen die Heiligkeit, solange sie die Gebote Gottes voll und ganz erfüllten; dann aber begannen sie, „am Glauben zu fasten“, meint Cassiodor,521 und Gregor der Große lehrt, das einst auserwählte Volk der Juden ist in Ewigkeit verdammt, seit es sich selbst von der Erkenntnis der Wahrheit getrennt hat.522 Beider Heil gehört verschiedenen Epochen an, und daraus leiten sich nicht nur die anderen Unterschiede ab, sondern vor allem auch die negative Bewertung der Juden und die positive der Christen. Bereits mit der Gefangenschaft verloren die Juden nach Andreas von St. Viktor ihr Reich und werden fortan „Nicht-Gottesvolk“ genannt.523 Der endgültige Umschwung, so Ado, aber kam mit Herodes, mit dem Königtum und Priestertum der Juden endeten, da er nicht zu diesem Volk gehörte: väterlicherseits Askalonier, von der Mutter her Araber, erhielt er seine Herrschaft von den Römern. Um das zu verschleiern, habe er alle im Tempel verwahrten Bücher verbrennen
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Vgl. Hieronymus, Commentarii in Isaiam 15,56,3, S. 613: hoc autem, inquiunt, dicitur contra Iudaeos, qui nobilitatem iactant generis et filios Abraham esse se dicunt et beatos putant, qui habent semen in Sion et domesticos in Hierusalem. Vgl. Drews, Juden und Judentum S. 412f. Vgl. auch Heiric von Auxerre, Homiliae per circulum anni. Pars aestiua. Homilia 1, S. 14: Praecedam uos in Galilaeam, quod gratia Dei, hoc est annuntiatio sancti euangelii, quae per Christum mundo oblata est, a Iudaeis propter perfidiam erat auferenda, et ad gentes per apostolos migratura, ut sit sensus: ‚Praecedam uos in Galilaeam, hoc est in gentilitatem‘. Cassiodor, Expositio in psalterium. In ps. 68, v. 23, S. 616: Illam ergo sanctam habuerunt Iudaei, quando mandata Domini sub integritate coluerunt. Postquam vero a fide ieiunare coeperunt. Gregor der Große, Expositio in librum primum Regum 1,102, S. 115: mortificat quippe dominus, quia inconprehensibili iudicio quondam electum Iudaeorum populum a cognitione ueritatis separat et in perpetuum damnat. Vgl. Alkuin, Tractatus super tres s. Pauli epistolas ad Titum, ad Philemonem et ad Hebraeos 10, v. 10, Migne PL 100, Sp. 1078f.: Qui sunt inimici eius? Iudaei scilicet et omnes infideles, qui in die iudicii damnandi sunt ab eo. Andreas von St. Viktor, Super duodecim prophetas. In Osee 1,1,8, Turnhout 2007, S. 13: Quod recte intelligere possumus et in omni populo Iudeorum, qui propter offensam seminis Dei in captiuitatem traditus regnum perdidit et prouinciam, appellaturque ‚non populus Dei‘.
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lassen.524 Auch andere Autoren, wie Paschasius Radbertus, betonen die „fremdländische“ Herkunft (und damit unrechte Herrschaft) des Herodes, der „auf Geheiß des Augustus Caesar, nach gerechtem Gottesurteil, das Reich der Juden zu Unrecht innehatte.“525 „Im 10. Herrschaftsjahr des Augustus,“ so schreibt Frutolf von Michelsberg und versieht das zur Heraushebung als Epochendatum mit umfassenden Datierungen, „im 718. Jahr seit der Gründung der Stadt (Rom) und im Jahre 3922 nach dem Beginn der Welt, sind Königtum und Priestertum der Juden bis in die heutige Zeit erloschen und Christus, das ist der Gesalbte, auf den die Schrift Daniels vorauswies, nahm sein Ende.“526
Fredegar erwähnt kurz die Aufstände unter Kaiser Tiberius mit dem Kommentar: „Daraus mag man erwägen, wieviel Unglück seither das jüdische Volk niederdrückte.“527
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Ado von Vienne, Chronicon (aetas quinta) Sp. 73 AB: Herodes, cessante regno ac sacerdotio Iudaeorum, nihil ad eam gentem pertinens, utpote Antipatri Ascalonitae et matris Cypridis Arabicae filius, a Romanis Iudaeorum suscepit principatum, quem tenuit annos triginta sex. Qui ne ignobilis forte et a Iudaeorum semine argueretur extraneus, combussit libros omnes, quibus nobilitas gentis Iudaeae in templo servabatur ascripta, ut deiicientibus probamentis, et ipse ad hanc pertinere putaretur. Die genealogischen Informationen entstammen der Chronik des Eusebius-Hieronymus, der Rest folgt der Chronik Bedas. Paschasius Radbertus, Expositio in evangelium Matthaei 2, CCM 56, Turnhout 1984, S. 144: Legamus igitur Iosephi et Africani ceterorumque historias et inueniemus profecto hunc Herodem, qui tunc in Iudea regnasse scribitur, non esse ex Iudeorum gente neque ab eis ullam duxisse carnis originem, pro quo in eis recte dominari debuisset. Sed ex alieniginis natus auctoritate Augusti Cesaris iusto Dei iudicio regni Iudeorum iniuste potiebatur. Vgl. auch Petrus Venerabilis, Adversus Iudeorum inueteratam duritiem 3, S. 44. Vgl. oben S. 491ff. zu Fulbert von Chartres. Frutolf von Michelsberg, Chronicon S. 93: Ab hoc igitur anno, qui est decimus Octaviani Caesaris et 718us a conditione Urbis, ab origine vero mundi ter millesimus nongentesimus 22us, regnum et sacerdotium Iudaeorum usque in presens tempus defecit, et Christus, id est unctus, quem scriptura Danielis significat, finem accepit. Nam usque ad Hyrcanum, Alexandri Iamnei filium, iudices, sacerdotes, reges per successiones populo Iudaeorum prefuerunt. Zuvor schon ebd. S. 90: Ex hoc tempore, videlicet ex decimo anno Augusti, regnum et sacerdotium Iudaeorum et Christus, id est unctus, usque in presens tempus defecit, Hyrcano pontifice consilio Antigoni fratris sui, Aristoboli filii a Parthis capto, et eodem Antigono a Romanis occiso, et Herode alienigena rege constituto. Fredegar, Chronicon 2,34, S. 58: Haec prima sedicio et turbarum Iudaeis causa stetit. Aeclisiae Hierusolimarum primus episcopus ab apostolis ordenatur Iacobus, frater
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Ein oft beachteter Einschnitt bildet sodann natürlich die Zerstörung Jerusalems durch die römischen Kaiser Titus und Vespasian im Jahr 70/71 n. Chr., mit dem das Reich der Juden endgültig vernichtet war und die Juden, soweit sie nicht umkamen, ihre Heimat verloren hatten und fortan über alle Gegenden versprengt waren.528 Für Otto von Freising bilden der Tod Tausender Juden und die Verstreuung der Reste die vorhergesagte göttliche Rache an dem gottlosen Volk und die Zerstörung durch Vater und Sohn (Vespasian und Titus) das gerechte Gottesurteil an denen, die gegen Gottvater und Sohn gesündigt hatten.529 Chronisten wie Ado von Vienne und Hermann von Reichenau berichten auch danach noch über verschiedene Aufstände der Juden.530 Aber auch Kaiser Domitian, der Juden mar-
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Domini. Ex hoc considerandum, quanti deinceps calamitatis Iudaeorum gente oppresserint. Pilatus post supradicta sedicione, quae ob caesaris imagines fuit concitata, sacrum thensaurum, quem Corbana Iudaei vocant, in aqueducto Hierusolimarum reposuit. Secunda sedicio Iudaeorum fuit annus 22. imperiae Tiberiae. Vgl. auch Otto von Freising, Chronica 3,11, S. 146, zu Tiberius: Iudeos persecutores Christi in provincias gravioris caeli relegavit; ebd. 3,12, S. 147f., zu Caligula: ac Iudeis persequentibus ultor adhibitus videretur. Vgl. Fredegar, Chronicon 2,36, S. 60: Tunc Iudaeorum regnum finitum est. Titus, Iudaea capta et Hierusolimis subversis, sexcenta milia virorum interfecit. Undecies centena milia fame et gladio ex eis perisse et cento milia captivorum publice sunt captivata. Ob que ex omni gente Iudaeorum ad tempulens urbe quasi carcere sunt reclausi. Otto von Freising, Chronica 3,18, S. 157f.: Igitur cum Iudei post XL a passione Domini annos, quos in spacium penitentiae acceperant, de commisso in salvatorem scelere penitere nollent, immo in Stephano et in duobus Iacobis occisis peccatum peccato apposuissent, ultio divina, quae a Domino eis predicta erat, iam in populum impium exardescere debuit. Premonitis autem divino responso civibus Christi, ut de urbe sacrilega populoque impiissimo, tanquam Loth de Sodomis, trans Iordanem in oppidum Pella nomine transirent, urbs infidelis a Tito obsidione in ipsa paschali festivitate cunctis undecumque populis ad festum confluentibus cingitur tandemque cum multo Romanorum sanguine expugnatur. […] Sexcenta tunc milia Iudeorum interfecta fuisse referunt Cornelius et Suetonis. […] Reliqui Iudeorum, qui usque ad DCCCC fuisse dicuntur, per totum orbem usque in presentem diem sunt dispersi. […] Iusto id iudicio Dei factum creditur, ut, qui in patrem et filium peccaverant Deum, ab hominibus patre et filio plecterentur. Vgl. Ado von Vienne, Chronicon a. 120, Sp. 82f., zum Bar-Kochba-Aufstand unter Kaiser Hadrian (132/135): ultusque est Christianos quos illi, Cocheba duce, quod sibi adversum Romanos non assentarentur, excruciabant. Praecepitque ne cui Iudaeorum introeundi Hierosolymam esset licentia, Christianis tantum civitate permissa; quam ipse in optimum statum murorum exstructione reparavit, et Aeliam vocari de praenomine suo praecipit. Danach Hermann von Reichenau, Chronicon a. 136, S. 76. Vgl.
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tern und töten ließ, ereilte Gottes Strafe (und Ado begreift das als Zeichen des Künftigen).531 Dem nordspanischen Chronicon Albeldense zufolge befahl der Apostat Julian den Juden, den Tempel in Jerusalem wiederaufzubauen; Gott aber habe das nicht zugelassen.532 Was von der jüdischen Vergangenheit bleibt, ist vor allem die figürliche Aussagekraft, welche die jüdische Geschichte auf Künftiges vorausweisen läßt. Das sei hier nur noch exemplarisch an wenigen Beispielen angedeutet. So symbolisieren sich für Ado von Vienne in Kain und Abel mit deutlicher Wertung die „beiden Völker der Juden und Christen“: diese als Menge der Erwählten und zum Wahren und Ewigen Bestimmten, jene als „Söhne eines Mörders“, welche die Ordnung ihres Weges verdorben hätten und nach Gottes gerechtem Urteil hinweggerafft würden.533 Die Brüder Josephs, die ihren Bruder verkauften, vergleicht Ado mit den Juden, die Christus kreuzigten.534 „Denn im Volk der Juden ist das Volk der Christen vorgezeichnet,“ schreibt Augustin. „Dort ist es Figur, hier wahre Wirklichkeit, dort Schatten, hier Körper.“535 „Jude“ und „Israelit“ erhalten in diesem Sinn eine positive Wertung536 und können – als figuraler Vergleich – auf zu lobende
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ebd. a. 134, S. 76: Iudei in arma versi Palaestinam depopulantur; Iudei iterum commoti magnis ubique caedibus enecantur. Ado von Vienne, Chronicon a. 84, Sp. 81 A: Domitianus Iudaeos quoque acerbitate tormentorum genusque David interfici praecipit, quasi adhuc futurus esset ex semine qui regnum posset adipisci. Hic crudeliter in palatio a suis interfectus est; cuius cadaver populari sandapila per vespiliones exportatum, atque ignominiose sepultum est. Chronicon Albeldense 13,45, S. 163 (sed dominus non permisit). Ado von Vienne, aetas prima, Sp. 26 D: In Cain et Abel duorum populorum figuram, Iudaeorum et Christianorum, ubi sacrificium maioris respuitur et minoris placitum assumitur; electorum multitudinem ad veram et aeternam dedicationem transferendam et homicidae filios viae suae ordinem corrumpentes et iusto et manifesto iudicio omnipotentis Dei intercipiendos. Ebd. Sp. 41 BC (aetas tertia): Venerunt fratres Ioseph, qui eum vendiderant, fame compulsi, ad eum; venerunt et ad Christum Iudaei, qui eum crucifixerant, ut eius refecti cibariis, a fame animae liberarentur. Adorant illi, adorant et isti: sicque miris sacramentis, in actione fratrum, actio nobis apostolica praemonstratur. Augustinus, Tractatus in Iohannes evangelium 11,8, S. 114: in populo enim Iudaeorum figuratus est populus Christianorum. ibi figura, hic ueritas; ibi umbra, hic corpus. Die Juden heißen bei Daniel „Stärke“, schreibt Andreas von St. Viktor, Expositio super Danielem 2,8, ed. Marcus Zier, CCM 53F, Turnhout 1990, S. 73, weil sie die Verehrer des Himmelsgottes sind: Iudei dicuntur fortitudo quia Dei celi, qui est magnus et fortis super omnes deos, cultores sunt.
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Personen angewandt werden. So nennt Thietmar von Merseburg den Eremiten Wonlef „einen wahren Israeliten“.537 Gängig ist schließlich die eschatologische Wertung: Nach der Vernichtung des Antichrist nämlich würde das ganze ungläubige Volk der Juden endlich bekehrt.538 Der Antichrist aber stammt, wie unter anderem Adso von Montierender betont, aus dem Volk der Juden.539 Ihm strömen alle Juden zu, weil sie ihn für Christus halten (und empfangen tatsächlich den Teufel).540
c. Juden und Heiden Anders als gegenüber den Muslimen ist von vornherein nicht zu erwarten, daß auch Juden als Heiden betrachtet, sondern, wie im Alten Testament, ausdrücklich von diesen abgegrenzt werden. „Heiden aber unterscheiden 537
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Thietmar von Merseburg, Chronicon 6,90, S. 380/382: Eodem anno Wonlef heremita et verus Israhelita XV. Kal. Aprilis obiit. Vgl. etwa Cassiodor, Expositio in psalterium. In ps. 74, v. 9, CCL 98, S. 690: Hic significat (quod saepe diximus) Iudaeos in fine saeculi cum aliis peccatoribus de isto calice bibituros, quando credere meruerint seque Ecclesiae catholicae adunata fide coniunxerint; Otto von Freising, Chronica 8,7, S. 399: Percusso impiae civitatis capite infidelis Iudeorum populus iam se delusum cernens ad conversionem venire creditur, iuxta illud prophetae: ‚Si fuerit numerus filiorum Israel sicut harena maris, reliquiae salvae fient.‘ Vgl. zu solchen Vorstellungen Haeberli, Der jüdische Gelehrte S. 56– 65; Heil, Kompilation S. 159–166. Zu Juden in der Endzeit vgl. oben Anm. 286 und 324. Nach Gottfried von Admont, Homiliae festiuales. Homilia 11, Sp. 665, werden die Juden dagegen mit ihrem Fürsten, dem Antichrist, am Ende der Zeiten im Gericht verdammt: Et ideo sub nomine eorumdem Iudaeorum sive principum sacerdotum universa reproborum generatio exprimitur, quae cum principe suo diabolo in fine saeculi iusto iudicio condemnabitur. Adso von Montierender, De ortu et tempore Antichristi, ed. Daniel Verhelst, CCM 45, Turnhout 1976, S. 23: Sicut ergo auctores nostri dicunt, Antichristus ex populo Iudeorum nascetur, de tribu scilicet Dan. Danach die Alkuin zugeschriebene, jedoch erst dem 11. Jahrhundert angehörende „Vita Antichristi“, ebd. S. 118. Zum Antichristbezug vgl. auch die Synode von Meaux und Paris von 845/846, MGH Conc. 3, Nr. 11, c. 74, S. 123 (mit Berufung auf das vierte Toletanum): Multi quippe hucusque ex sacerdotibus atque laicis accipientes a Iudeis munera perfidiam eorum patrocinio suo fovebant; qui non inmerito ex corpore antichristi esse noscuntur, quia contra Christum faciunt. Ps.-Alkuin, Vita Antichristi S. 124: Tunc ad eum omnes Iudei concurrent et existimantes recipere se Christum, recipient diabolum.
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sich darin von den Juden,“ schreibt Gerhoh von Reichersberg, „daß sie Weltliches von vielen, falschen Göttern zu erlangen suchen und nicht, wie die Juden, von dem einen, wahren Gott.“541 „Wie die Juden sich von den Heiden im Glauben abheben, so heben sie sich gleichermaßen in ihrer äußerlichen Erscheinung von ihnen ab,“ meint ein Autor im Umkreis Bedas.542 Schon Augustin hatte geschrieben, anders als Heiden hielten Juden die Hoffnung auf Auferstehung und ewiges Leben aufrecht, da sie allein entsprechende Rechtfertigung der Schriften hätten.543 Im Gegensatz zu Juden und Christen hätten Heiden nämlich kein Schriftgesetz.544 Von ihren Vätern entartet, seien sie jedoch nur im Fleisch Juden, „im Herzen“ dagegen Heiden geblieben.545 Juden kämen aus einer langen Tradition und aus der Beschneidung, Heiden hingegen aus dem Götzendienst und der Vorhaut
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Gerhoh von Reichersberg, Commentarius aureus in psalmos et Cantica ferialia 1, Ps. 13, Sp. 815 AB: Pagani autem in hoc differunt a Iudaeis, quod a diis falsis et multis temporalia quaerunt, non a Deo vero et uno, sicut Iudaei. Beda Venerabilis (?), Liber aliquot quaestionum 14, Migne PL 93, Sp. 470 B: Iudaei distabant a gentibus in fide, ita distarent in habitu exteriori. Augustinus, Enarrationes in psalmos. Ps. 65,1, CCL 39, S. 530: tenebant ergo Iudaei spem resurrectionis mortuorum; et solos se ad beatam uitam resurrecturos sperabant propter opus legis, et propter iustificationes scripturarum, quas habebant soli Iudaei, et gentes non habebant. Vgl. ebd., Ps. 118, Sermo 25,2, S. 1748: disputabat enim de Iudaeis et Graecis, id est gentibus, non ad circumcisionem, sed ad praeputium pertinentibus; ideo sine lege eos dicens, quia non acceperant legem, quam se accepisse gloriabantur Iudaei; Ders., De gratia et libero arbitrio 3, Migne PL 44, Sp. 884: sed cum hoc de gentibus et de Iudaeis loqueretur, quia illi sine lege sunt, isti autem legem acceperunt; quis audeat dicere Iudaeos, qui in lege peccant, non esse perituros, cum in Christum non crediderint; quandoquidem de illis dictum est, per legem iudicabuntur? Augustinus, Enarrationes in psalmos. Ps. 70. Sermo 1,6, CCL 39, S. 946: sed duo habent genera peccatores isti: alii sunt, qui legem acceperunt, alii sunt, qui non acceperunt; omnes pagani legem non acceperunt, omnes Iudaei et Christiani legem acceperunt. Vgl. Wilhelm von Saint-Thierry, Expositio super epistulam ad Romanos 2, S. 33: Sed legem scriptam soli acceperunt Iudaei; legem uero naturalem tam gentiles quam Iudaei; ebd. 6, S. 142: Hoc autem proprium Iudaeorum est, sectantium legem iustitiae, quasi per opera iustificantem. Gentes uero non sectantur iustitiam, sed apprehendunt eam, proximam sibi eam inuenientes, praerogante eam sibi gratia fidei, naturali lege eam inuenientes insitam cordi suo. Augustinus, Enarrationes in psalmos. Ps. 75,1, CCL 39, S. 1036: remanserunt in carne Iudaei, in corde pagani.
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(und doch vereinigen sich beide im Christentum),546 und Herveus von Déols (Bourg-Dieu) erinnert daran, daß beide sich nicht nur durch die Beschneidung unterscheiden,547 sondern sich auch gegenseitig verachten.548 „Es ist leichter, daß ein Heide ohne Gesetz nicht an Christus glaubt, als daß ein Jude, der unter dem Gesetz lebt, den Herrn dieses Gesetzes leugnet,“ lehrt Chromatius von Aquileja.549 Beide sind blind,550 leugnen aber aus unterschiedlichen Gründen die Ankunft des Herrn, meint Johannes Scotus Eriugena: die Juden aus Neid, die Heiden aus Unwissenheit.551 Für die Heiden ist das Dummheit, für die Juden ein Skandal, meint Aelred von Rievaulx.552 Auch wenn beide Christi Blut verhökert haben, bestehen zwischen ihnen doch große Unterschiede, meint Berengosus von Trier.553 546
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Augustinus, De tempore. Sermo 252,3, Migne PL 38, Sp. 1173 C: uenit enim populus Iudaeorum ex alia longe consuetudine; uenit autem populus gentium ab idolis. Venit ex circumcisione populus Iudaeorum; uenit ex praeputio populus gentium. Ex diuerso uenerunt, sed in lapide angulari iunguntur. Herveus von Déols (Bourgdieu), In epistolam ad Ephesios 2, Migne PL 181, Sp. 1226 A: parietem intelligitur vocare circumcisionem, quae dividebat Iudaicum populum a gentili. Ebd. Sp. 1226 BC: Inimicitias vocat idololatriam. Iudaicus enim populus inimicabatur gentili idolis servienti, et gentilis Iudaico idola contemnenti. Et recte vocavit idololatriam inimicitias et non parietem, circumcisionem vero parietem. Circumcisio enim ante tempus correctionis fuerat in aedificio legis iustitiae, quia praeceptum erat in lege, ut circumcisio fieret; at idololatria nullo modo unquam in aedificio Dei fuit, quia Deo semper contraria fuit. Destruxit inimicitias, et hoc in carne sua, id est per incarnationem suam, scilicet quia incarnatus est, ideo evacuata est idololatria. Chromatius von Aquileja, Tractatus in Matthaeum 55,4, ed. Raymond Étaix und Joseph Lemarié, CCL 9A, Turnhout 1974, S. 475: quia facilius est gentilem sine lege Christo non credere quam Iudaeum sub lege uiuentem legis ipsius dominum denegare. Vgl. Bruno von Asti, Commentaria in Matthaeum 2, Migne PL 165, Sp. 155 C: Caecus enim est omnis infidelis: duo caeci sunt gentilis et Iudaeus. Johannes Scotus Eriugena, Homilia super ‚In principio erat uerbum‘ 20, ed. Édouard A. Jeauneau, CCM 166, Turnhout 2008, S. 37: Fideles credunt aduentum uerbi et libenter recipiunt dominum suum. Impii negant et contumaciter renuunt, Iudaei per inuidiam, pagani per ignorantiam. Aelred von Rievaulx, Sermo 10,24, S. 86: Hoc est signum cui totus contradixit mundus, scandalum Iudaeis, stultitia gentibus. Vgl. oben Anm. 247. Berengosus von Trier, Libellus insignis de mysterio ligni dominici et de luce visibili et invisibili per quam antiqui patres olim meruerunt illustrari, Migne PL 160, Sp. 997 B: quod inter gentiles ac Iudaeos magna versatur discretio; quamvis plures ex utroque populo Dominici sanguinis mercati sunt pretio.
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Selbst Agobard von Lyon macht einen Unterschied zwischen Juden und Heiden, wenn er in einem Brief an den Erzbischof Nibridius von Narbonne vor einer Gemeinschaft mit „Ungläubigen“ (infideles) mahnt: „nicht so sehr mit den Heiden, die keineswegs mehr unter uns wohnen, als vielmehr mit den Juden, die über unsere Stadt und einige Nachbarstädte verstreut sind.“554 Wenn Agobard in seinem Traktat „De Iudaicis superstitionibus et erroribus“ schreibt, ihre überaus hartnäckige Gottlosigkeit und Ungläubigkeit übertreffe jeden Irrtum der Heiden,555 dann hebt er die Juden, die doch an denselben Gott glauben, nicht gegenüber den Heiden heraus, sondern ordnet sie diesen sogar noch unter. Remigius von Auxerre vergleicht die demütigen, aber götzendienerischen Heiden entsprechend mit den Tälern, die hochmütigen, jedoch gottgläubigen Juden mit den Bergen und Hügeln (die mit der Ankunft Christi allerdings zu Tälern erniedrigt worden seien, während die Heiden demütig den neuen Glauben angenommen hätten).556 Ähnliches gilt für Ademar von Chabannes.557 Hingegen lehrt Rupert von Deutz im 12. Jahrhundert in einem Vergleich zwischen dem von der Lepra befallenen Juden und dem gelähmten Sohn des „Hauptmanns (centurio) von Kapernaum“ (Kafarnatum) (nach Mt 8,1ff.), das Volk der Heiden sei schlimmer als das Judenvolk, weil es vom Teufel besessen ist und Dämonen als Gott anbete und gar nichts von Gott wisse. Der Jude hingegen sei nicht dermaßen der Vernunft beraubt, sondern erkenne Gott und sei dem Gesetz unterworfen.558 554
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Agobard von Lyon, De cavendo convictu et societate Iudaica S. 231: non utique gentilium, qui inter nos minime commorantur, sed Iudeorum, qui in nostra hac et in nonnullis aliis uicinis urbibus uidentur esse diffusi. Ders., De Iudaicis superstitionibus et erroribus 3 (oben Anm. 299). Zur Überlegenheit der Juden gegenüber Heiden bei Isidor von Sevilla vgl. aber Drews, Juden und Judentum S. 317–322. Remigius von Auxerre, Homiliae 3, Sp. 881 AB: Potest etiam hoc intelligi dictum de Iudaico et gentili populo; gentiles enim erant valles, id est humiles, quia idolorum cultores erant, et diversis criminibus irretiti; Iudaei vero montes et colles, id est, superbi erant propter legis acceptionem, et Dei cognitionem. Sed in adventu Domini valles impletae sunt, et montes et colles humilitati, quia gentilis populus se humiliando per fidem donum gratiae suscepit, quod Iudaicus populus superbiendo a se repulit. Vgl. Michael Frassetto, Pagans, Heretics, Saracens and Jews in the Sermons of Ademar of Chabannes, in: Ders. (Hg.), Heresy and the Persecuting Society in the Middle Ages. Essays on the Work of R. I. Moore, Leiden, 2006, S. 79: „Ademar expresses a more negative view of the Jews than he did of the pagans.“ Rupert von Deutz, De gloria et honore filii hominis super Matthaeum 7,8, ed. Rhaban Haacke, CCM 29, Turnhout 1979, S. 212: Hoc enim secundum similitudinem
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In solchen Gegenüberstellungen zeigen sich zugleich Abgrenzung und Verbundenheit. Die beiden Völker der Juden und Heiden seien gleichsam wie zwei Söhne, meint Caesarius von Arles: Die Juden sind der ältere Sohn, der immer schon beim Vater war und das Gesetz erhielt, das er beachtete, auch wenn die Juden oftmals wieder zum Heidentum abgefallen seien; während der jüngere Sohn (die Heiden) stets die Götzen verehrt habe, haben die Juden die Gebote des Testaments stets gehalten559 und, so ergänzt Johannes Scotus Eriugena, doch niemals den Vater verleugnet.560 Rupert von Deutz sieht das wieder als Abfolge: Als die Heiden ihren Götzendienst betrieben, wurde in den Juden bereits die Synagoge geboren; als diese aber im Unglauben starb, wurde das Heidentum durch den Glauben an Christus geheilt.561
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illorum duorum hominum, plus mali habuit populus gentilis, quam populus Iudaicus quia possidebatur a diabolo, daemonia colens pro Deo, neque enim notus illi erat Deus. Iudaeus autem tamquam ratione non priuatus, in ipsa lepra sua Deum cognoscens legi erat subditus. Cui enim grauius quam leproso lex dominabatur? Scribuntur fuisse graues manus Moysi, et reuera nulli magis quam leproso grauis erat manus legis litteralis. Caesarius von Arles, Sermo 163,1, S. 668: In his duobus filiis duo populi designantur: senior Iudaeorum populus, iunior gentium. Filius ergo senior, id est, populus Iudaeorum ideo semper cum patre fuisse dicitur, pro eo quod et legem accepit et ad unius Dei cultum se tenuit; et quamvis frequenter Iudaei coluerint deos alienos, tamen iste senior filius illorum typum habuit, qui praecepta testamenti veteris servaverunt. Iunior vero filius, id est, populus gentium recedens a cultu Dei et daemonibus serviens, substantiam, quam a patre acceperat, cum meretricibus devoravit. Vgl. auch Bruno von Asti, Commentaria in Lucam 2, Migne PL 165, Sp. 407 C: Magna autem eius coena haec Evangelia sunt, quae ipse nobis praeparavit. Quae et nos quotidie legimus, legendo comedimus et mentem reficimus. Magna quidem est haec coena, cunctisque deliciis plena, quae omnia omnibus sufficienter ministrat. Ad hanc autem coenam vocavit Dominus multos, Iudaeos scilicet et gentiles; sed Iudaeos primum, deinde gentiles. Quia enim Iudaei venire noluerunt, gentiles vocati sunt. Johannes Scotus Eriugena, Periphyseon 5, ed. Édouard A. Jeauneau, CCM 165, Turnhout 2003, S. 208: Intelligitur enim generaliter de reditu totius humani generis propter uituli saginati occisionem (Christi uidelicet pro salute totius mundi passionem), et specialiter, ubi transitus parabolicae figurae incipit, de reditu gentilis populi (quasi iunioris filii) per fidem Christi ad patrem caelestem, cuius imaginem idololatriae sordibus monstruosisque imaginationibus contaminauit propter inuidiam Iudaici populi (ueluti senioris filii) de conuersione gentium ad fidem per apostolicam praedicationem. Qui uidelicet populus, quamuis saepissime cultu daemonum fuerit corruptus et praeuaricatus, nunquam tamen omnino Deum patrum suorum, ut ei uidetur, abnegauit. Abnegauit autem et adhuc abnegat Christum filium Dei esse ac per hoc et patrem eius. Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius. Commentaria in Genesim 7,42, CCM 21, S. 479: quia quando mulier coepit infirmari, tunc illa puella nata est et
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Daher erlaubt der falsche Glaube auch hier ständig einen Vergleich mit Heiden, zumal schon die Juden des Alten Testaments selbst immer wieder ins Heidentum zurückgefallen sind.562 Zwar seien Juden eigentlich die „Menschensöhne“, schreibt Augustin, da sie im Gegensatz zu den Heiden nur einen Gott verehren; da sie jedoch abgefallen sind, seien sie wie Heiden.563 „Auch wenn du Jude bist,“ so zitiert Petrus Damiani Gal 2,14, „lebst Du wie ein Heide und nicht wie ein Jude, so wie du die Völker zwingst, nach den Regeln des Judentums zu leben?“564 „Wenn Juden nämlich den Elementen dienten,“ fragt Smaragd von Saint-Mihiel, „was unterscheidet sie dann von den Heiden? Die Heiden verehren bekanntlich die Elemente, die Juden aber dienen nicht den Elementen, sie dienen vielmehr Gott unter den Elementen, wegen des Neumonds, des Sabbats, der Beschneidung und derglei-
quando mulier sanata est tunc puella mortua est in typum uidelicet gentilitatis et synagogae: quia quando gentes in idololatria fluere coeperunt, tunc in istis patribus Abraham Isaac et Iacob synagoga nata est, et quando gentilitas per fidem Christi sanata tunc synagoga prae inuidia et infidelitate mortua est. Ähnlich ebd., De operibus spiritus sancti 5,4, CCM 24, S. 1980: Quando enim synagoga in Abraham Isaac et Iacob nata siue uocata est, tunc gentilitas idololatriae sordibus quasi sanguine suo fluere incipiebat, et quando gentilitas eadem ad Christum conuersa est, tunc synagoga morte infidelitatis mortua est, circa finem saeculi, cum plenitudo gentium subintrauerit, ipsa quoque salua futura. Vgl. auch Garnerius von St. Viktor, Canonici regularis s. Victoris Parisiensis Gregoriani 7,1, Migne PL 193, Sp. 281 BC: Lapides itaque, duros perfidia gentiles vocans, per aquas vero mollia prius signantur corda Iudaeorum. Quia ergo primum Iudaea Deo credidit, gentilitate omni in perfidiae suae obstinatione remanente: postmodum vero ad fidem gentilium corda mollita sunt, et Iudaeorum infidelitas obdurata; Aelred von Rievaulx, Sermo 4,4, S. 37f.: Prius uiuebant Iudaei et mortui erant pagani; sed statim, quando utrique hunc odorem senserunt, reuixerunt pagani et mortui sunt Iudaei. 562 Vgl. Cassiodor, Expositio in Psalterium. In Ps. 7, v. 13, CCL 97, S. 86: Contumaces terret Iudaeos qui, Domini lege contempta, idolorum culturis nefandissimis serviebant. 563 Augustinus, Enarrationes in psalmos. Ps. 13,3, S. 86: super Iudaeos potest intellegi, ut honoratius eos appellauerit filios hominum, propter unius Dei cultum, in comparatione gentilium, de quibus arbitror superius dictum: dixit imprudens in corde suo: non est deus, et cetera. prospicit autem dominus, ut uideat per animas sanctas suas, quod significat id, quod dictum est: de caelo; nam per seipsum nihil eum latet. omnes declinauerunt, simul inutiles facti sunt, id est, Iudaei tales facti sunt, quales et gentes, de quibus supra dictum est. 564 Petrus Damiani, ep. 54, Bd. 4,2, S. 146: Si tu Iudeus cum sis, gentiliter vivis et non iudaice, quomodo gentes cogis iudaizare?
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chen.“565 Beide (und selbst zum Christentum bekehrte Juden) beachten die Gesetze nach Petrus Venerabilis fleischlich.566 Hildegard von Bingen wirft Juden und Heiden daher gleichermaßen Hinwendung zur Nichtigkeit der Welt vor.567 Um sich gegen die Wiedertaufe auszusprechen, reagiert Nikolaus I. in seinem Brief an den Bulgarienkönig auf die Geschichte von einem Juden, „von dem man nicht wisse, ob er Christ oder Heide sei“ oder sich später zum Christentum bekehrt habe und der bei den Bulgaren viele im Namen des Vaters getauft habe.568 Ein westgotisches Konzil hatte ungetaufte Judenkinder hingegen sogar ausdrücklich als Heiden bezeichnet.569 Seit dem 6. und frühen 7. Jahrhundert, so Drews, verlor das Judentum seinen Rang als religio licita „so that it found itself on a par with paganism“.570 565
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Smaragd von St. Mihiel, Collectiones. Epistola Pauli ad Galatas 4, Migne PL 102, Sp. 63 B (leicht abgewandelt aus Ambrosiaster, Quaestiones Ueteris et Noui testamenti 82, ed. Alexander Souter, CSEL 50, Wien 1908, S. 139): Si enim et Iudaei erant elementis servientes, quid differebant a paganis? Paganos elementa colere, omnibus notum est, Iudaeos autem non elementis, sed sub elementis Domino servisse, propter neomaenias et sabbata et circumcisiones et caetera talia. Vgl. auch Gerhoh von Reichersberg, Commentarius aureus in psalmos et Cantica ferialia 1. In epistolam ad Galatas 4, Sp. 134 C: Si itaque Iudaei sub elementis mundi erant, quid differunt a paganis? [Ambrosius]. Pagani non sub elementis serviunt, sed ipsis elementis. Petrus Venerabilis, Contra Petrobrusianos haereticos 22, S. 21: Ecce non solum gentiles sed et ipsos ad fidem Christianam conuersos Iudeos a carnali obseruantia legalium preceptorum exonerant, et qua auctoritate Iudeos, si ad Christum conuersi fuerint, ecclesia non circumcidat, ostendunt. Hildegard von Bingen, Liber divinorum operum 1,4,105, S. 259: Sic Iudei et pagani fecerunt, qui uanitatem seculi diligentes se putabant scire quod nesciebant et esse quod non erant, et illum qui eis carnem et spiritum dederat per fidem non attenderunt. Nikolaus I., Epistolae ad res orientales pertinentes, ep. 99, c. 104, S. 599: A quodam Iudeo, nescitis utrum Christiano an pagano, multos in patria vestra baptizatos asseritis et, quid de his sit agendum, consulitis. Hi profecto, si in nomine sanctae trinitatis vel tantum in nomine Christi, sicut in actibus apostolorum legimus, baptizati sunt – unum quippe idemque est, ut sanctus exponit Ambrosius –, constat eos non esse denuo baptizandos. Sed primum, utrum Christianus an paganus ipse Iudeus extiterit vel si postmodum factus fuerit Christianus, investigandum est, quamvis non praetereundum esse credamus, quid beatus de baptismo dicat Augustinus [De baptismo 4,15,22, ed. Michael Petschenig, CSEL 51, 1908, S. 247]: Iam satis, inquit, ostendimus ad baptismum, qui verbis evangelicis consecratur, non pertinere cuiusquam vel dantis vel accipientis errorem, sive de patre sive de filio sive de spiritu sancto aliter sentiat, quam doctrina caelestis insinuat. Vgl. dazu Wolfram Drews, Jews as Pagans? Ebd. S. 193.
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Eine explizite Gleichsetzung von Juden und Heiden gibt es demnach nicht,571 beide werden, wie die Beispiele zeigen, vielmehr deutlich gegeneinander abgegrenzt572 und dennoch durch solche Vergleiche immer wieder aneinandergerückt. Beide, Judentum und Heidentum, haben sich überlebt.573 Heidnische Menschen sind dumm, meint Hrabanus Maurus, weil sie nichtige Götzen anstelle des wahren Gottes verehren; das sind aber auch die Juden, die Gottes Sohn gekreuzigt haben, sein Evangelium mit den Zeiten der Gnade ablehnen und lieber dem Schatten eines Gesetzes dienen wollen.574 Beide, predigt Radulf Ardens, haben durchaus gute Sitten, doch fehlt ihnen der Glaube. Daher sind beide verworfen.575 Beide sind aber auch (durch Bekehrung) heilsträchtig. So kann Rupert von Deutz folgern, daß beide vor Gott gleich sind und sich nicht unterscheiden.576 Beide, so schon Gregor der Große, seien von Christus gleichermaßen zum Heil aufgeru-
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So auch ebd. S. 200. Drews geht meines Erachtens daher zu weit, wenn er feststellt: „Although Isidore’s definition of the terms paganus and gentilis does not mention the Jews explicitly […] it becomes obvious that it offers at least a basis for extending the meaning of these terms to include the Jews“ (ebd. S. 196). Sowohl inhaltlich als auch etymologisch werden beide gerade nicht identifiziert, biblisch ist gentilis der Gegensatz zum Juden. Vgl. ebd. S. 207: „By presenting Judaism as an outdated religion allegedly similar to ‚pagan‘ rites and practices which had long been outlawed, the authors of the Sevillian canon were trying to gloss over both the internal contradictions detectable in the text, and the political and theological problems posed by Sisebut’s unprecedented actions.“ Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 3,10, Migne PL 109, Sp. 861 CD: Homines stulti sunt pagani, qui idola vana colunt pro vero Deo; sunt et Iudaei, qui crucifigentes Filium Dei et, respuentes Evangelium eius temporibus gratiae, umbram legis servare volunt. Radulphus Ardens, Homilia 1,2, Sp. 1672 AB: Et gentilis aliquis vel Iudaeus habet bonos mores, sed non habet fidem; et ita uterque reprobatur. Sed si quis habet fidem et bonos mores, procul dubio ad salutem tendit. Rupert von Deutz, Commentarii in evangelium s. Ioannis 12, Turnhout 1969, S. 705: non tantum pro istis, quos dedisti mihi, rogo uel meipsum sanctifico, sed et pro illis omnibus, qui per uerbum eorum credituri sunt in me, ut siue Iudaei siue gentiles omnes unum sint et non sit eorum distinctio apud te. […] Nunc enim ad hoc tendit pax nostra, ut faciat utraque unum et duos condat in semetipso, uidelicet ut Iudaeorum et gentilium nulla sit distinctio, ut, inquam, duos condat in semetipso in unum nouum hominem faciens pacem et reconciliet ambos in uno corpore deo per crucem interficiens inimicitias in semetipso, ut per ipsum habeamus accessum ambo in uno spiritu ad patrem.
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fen.577 Denn Gott ist der Gott aller, schreibt Bruno der Kartäuser: der Juden und der Heiden; er hat beide erschaffen und sie durch die Beschneidung bzw. den Glauben (mit der Bekehrung) gerechtfertigt.578 Deshalb macht er zwischen ihnen im Hinblick auf das Heil auch keinen Unterschied.579 Ohne Bekehrung aber bleiben Juden und Heiden, je auf ihre Weise, ungläubig. Bezeichnend ist ein Vergleich, der die Lepra betrifft: Die nur teilweise von der Lepra Befallenen deuten nach Hrabanus Maurus auf die Juden, die das Gesetz teilweise brechen und vom Priester als unrein verbannt werden; die am ganzen Körper Befallenen weisen hingegen auf die Heiden, die das gesamte Gesetz überschreiten (auch wenn sie diesem gar nicht unterworfen sind).580 Auch hier werden beide Gruppen zwar unterschieden, sind aber sämtlich unrein.
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Gregor der Große, Homilia 1,14,4, ed. Raymond Etaix, CCL 141, Turnhout 1999, S. 100: Quasi ex duobus gregibus unum ouile efficit, quia iudaicum et gentilem populum in sua fide coniungit. Bruno der Karthäuser, Expositio in epistolas Pauli. In epistolam ad Romanos 3, Sp. 42 AB: An enim Deus creator est tantum Iudaeorum? Nonne sicut Iudaeorum ita et gentium creator est? Non solum Iudaeorum, imo etiam gentium Deus est. Quia si aeque gentiles creavit ut Iudaeos, constat Deum utrosque velle aequaliter salvare. Vere qui Deus est Iudaeorum, est Deus gentium; quoniam quidem unus est Deus omnium. Quia si unus tantum est Deus, constat eumdem esse Deum gentium quem et Iudaeorum. Quandoquidem unus gentium et Iudaeorum est Creator, constat quod hic unus idem est, qui iustificavit circumcisionem, id est Iudaeos ex fide, et non per legem, et qui iustificavit praeputium, id est gentiles similiter per fidem. Vgl. Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius 25. In librum psalmorum 5,12, CCM 22, S. 1393: Psalmo cxiii itidem praemittitur alleluia uidelicet ad laudandum dominum de conuersione infidelium ad fidem Iudaeorum atque gentium. Bruno der Karthäuser, Expositio in epistolas Pauli. In epistolam ad Romanos 10, Sp. 89 BC: Vere corde creditur ad iustitiam. Nam Scriptura dicit: Omnis, sive Iudaeus, sive gentilis, qui credit in illum, quem Deus excitavit a mortuis, non confundetur, id est non erubescet quasi male crediderit. Bene dico omnis. Nam non est distinctio apud Deum: Iudaei et Graeci, id est Deus in salvatione sua indifferenter accipit Iudaeum ut gentilem et gentilem ut Iudaeum. Vere apud Deum nulla est distinctio Iudaei et gentilis: nam idem est Dominus omnium. Qui enim creavit unum, creavit et alterum. Vgl. auch Andreas von St. Viktor, Super duodecim prophetas. Super Johel 2,28, S. 99: Spiritus mei gratiam et prophetandi scientiam uni populo precipue contuli, set in ultimis diebus super omnem carnem, gentilem scilicet et Iudeum – non enim erit distinctio –, abundanter et copiose, quod notat uerbum effusionis ‚effundam‘. Hrabanus Maurus, Expositiones in Leviticum 4,1, Migne PL 108, Sp. 372 CD: Ostendit sermo ex parte quidem leprosum Iudaeum populum, ut pote in parte trans-
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Die wahrgenommenen Unterschiede relativieren sich folglich durch solche Angleichungen. Beide seien seine Feinde, meint Bruno der Kartäuser, aber die Heiden geben das wenigstens offen zu und verstellen sich nicht.581 Für Gerhoh von Reichersberg sind Juden und Heiden gleichermaßen von Habsucht geprägt; bei den Heiden mit ihrem Götzendienst besteht sie darin, daß hier Recht um des weltlichen Gewinnes willen, bei den Juden aber darin, daß dort Recht nicht umsonst gesprochen werde.582 Vor allem aber sind beide gleich ungläubig und gleich sündig, nämlich Sünder in der Ursünde und in der aktuellen Sünde, und daher verloren: Die Juden haben das Schriftgesetz, die Heiden das Naturgesetz übertreten,583 wie es in dieser oder ähnlicher Form mehrfach heißt; beide, so Anselm von Laon, dienen dem Teufel, den erst Christus vertrieben hat; die einen durch ihren Götzendienst, die anderen durch Übertretung des Gesetzes.584 Keiner von beiden
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gressorem legis, propter quod eum sacerdos ut immundum expellit; toto autem corpore leprosum gentilem, qui totam transgreditur legem, verumtamen mundum eum sacerdos iudicat, ut qui videlicet legis iugo subiectus non fuit. Zur gedanklichen Verknüpfung von Lepra (als Sündenstrafe) und Judentum in christlicher Wahrnehmung und jüdischer Gesetzgebung vgl. Resnick, Marks of Distinction S. 93–143, zur Bibelexegese ebd. S. 121–132. Bruno der Kartäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 9, Migne PL 152, Sp. 882 CD: Quoniam si inimicus meus, gentilis populus, qui nunquam mentitus est esse se amicum meum, sicut tu plebs Iudaica mentiris […], qui gentilis populus aperte mihi inimicatur, non habens mei fidem, maledixisset mihi, non voce, sed re, id est, depressisset me in tribulatione, sicut tu maledices, id est, deprimes. Gerhoh von Reichersberg, De quarta vigilia noctis 8, S. 506: neque tamen hoc silendum videtur, quod in ipso regno Christi per mysterium iniquitatis regnat avaricia tam pagana quam iudaica; pagana, quae est idolorum servitus manifesta, quando contra iusticiam fabricantur consilia vel iudicia iniqua pro lucro aliquo terreno; iudaica vero est avaricia, quando vel iurisperitus recte consulendo vel iudex recte iudicando facit quidem pro iusticia, sed non gratis expetendo scilicet vel expectando inde indebita obsequia et lucra, non Dei, sed sua. So Cassiodor, Expositio s. Pauli Epistolae ad Romanos 3, Migne PL 68, Sp. 431 BC: Id est inter Iudaeum et gentilem, quia utraque pars in incredulitate conclusa est et egent gloria Redemptoris, quae in salutem credentium dilatatur. Nam Iudaei legem litterae, gentiles naturae legem transgrediendo, pariter peccatores inventi sunt, et per originale peccatum et per actuale. Vgl. etwa Anselm von Laon, Enarrationes in evangelium Matthaei 8, Sp. 1325f.: Uterque enim populus daemonibus deditus erat. Alter idola colendo, alter mandata legis transgrediendo. Vel quod notatur per unum, significatur etiam per duos, scilicet gentilis populus, qui de duobus filiis Noe processit, scilicet ex Cham et Iaphet; ebd.
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hat daher Grund sich zu rühmen, meint Atto von Vercelli: Die Heiden hätten sich durch den Götzendienst von Anfang an, die Juden allmählich von Gott zurückgezogen; indem sie sich vom Gesetz entfernten, wurden sie – beinahe – zu Heiden.585 Bruno der Kartäuser geht in seiner Auslegung des Römerbriefes auf einen Streit der (zum Christentum bekehrten) Römer ein, die teils Juden, teils Heiden gewesen seien und sich gegenseitig den Vorrang streitig zu machen suchten. Die Juden beriefen sich darauf, daß ihren Vätern das Heil versprochen sei und daß sie von Gott das Gesetz und die Propheten erhalten hätten, was den Heiden sämtlich fehlte. Diese hielten dagegen, daß die Juden alle diese Güter mißbraucht, ihr Gesetz übertreten, ihre Propheten mißachtet und schließlich ihren Messias gekreuzigt hätten; sie selbst aber hätten das alles vorher nicht wissen können, hätten dann, als sie davon erfahren haben, die Botschaft Christi aber als erste angenommen. Paulus aber kehrt das Selbstlob beider Gruppen in Tadel um und hält beider Argumente für nichtig (und argumentiert bezeichnenderweise mit dem Zustand vor der Bekehrung): Die Juden hatten Gesetz und Propheten und hätten daher die Wahrheit erkennen müssen. Die Heiden aber hatten ihr „natürliches Wissen“ und hätten daher ebenso den Schöpfer erkennen müssen. Daher sind daher beide unentschuldbar.586 Ähnlich urteilt die „Glossa
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Sp. 1327 AB: Mystice venit Iesus in regionem Gerasenorum, quia venit in mundum, in quo habitant Geraseni, id est homines tam Iudaei quam gentiles, qui prius a daemonio incolebantur, alii propter idololatriam, alii propter transgressionem legis, sed veniente Christo, fuerunt eicientes colonum, id est diabolum, et advenae appropinquantes ad Dominum, tunc occurrerunt ei per liberum arbitrium credendo duo daemoniaci, id est duo populi de monumentis, id est de operibus mortui corporis. Atto von Vercelli, Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola ad Romanos, Sp. 244 B: Denique quia poterant gentiles dicere: cui nobis hanc similitudinem scribis? Ebd. Sp. 246 B: Volens itaque ostendere, quia nec Iudaeus, neque gentilis de suis meritis gloriari potest, subiecit: Conclusit enim Deus omnia in incredulitate. Deus quidem ab aeterno disposuit per Filii sui passionem genus humanum redimere: verumtamen elegit tempus, quo eumdem dirigeret; illud videlicet, quo et gentilis et Iudaicus populus unus esset. Gentilis enim ab ipso mundi exordio colendo idola a Deo recesserat; Iudaicus autem paulatim a cognitione Dei et mandatis legis discedens, pene gentilis factus erat. Bruno der Karthäuser, Expositio in epistolas Pauli. In epistolam ad Romanos prol., Sp. 13 D (Die Erzählung steht nicht im Römerbrief und ist, soweit ich sehe, sonst nicht überliefert): Paulus nondum Romam venerat, sed per quosdam discipulos ibi praedicantes, fidem susceperant aliquot Romani, partim gentiles, partim Iudaei, inter quos erat inconveniens altercatio. Certabant enim Iudaei se debere praeferri gentilibus, et gentiles econtrario digniores Iudaeis debere se fieri asserebant. Causa Iudaeorum
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haec erat, quia repromissio huius salvationis facta erat patribus eorum, ut Abraham, David et caeteris; quia etiam et Deus illis dederat legem et prophetas, quae omnia praesignabant salvationem per Christum futuram, gentium autem in nullo horum meminerat; ideoque eos digne praeferendos esse gentibus in hac salvatione. Econtrario gentiles opponebant, ideo Iudaeos debere iudicari indigniores, quia si Deus tantam eorum diligentiam habuerat, ut quae praemissa sunt illis tribueret, ipsi in omnibus abusi fuerant bonis Dei: praevaricando legem quam dederat, contemnendo prophetas quos miserat, ad ultimum Salvatorem sibi missum damnantes crucis patibulo; quare potius in his deprimi quam exaltari deberent; sed ipsi gentiles merito praeferri deberent, qui, ut primum audierunt verbum Dei, fidem susceperunt, et si ante non crediderant, quia nec legem nec prophetas habuerant, excusabiles sese asserebant. Quam seditionem quia discipuli, quorum praedicatione conversi fuerant, sedare non sufficiebant, miserunt ad Paulum, ut per magistrum [id] efficerent, ad quod auctoritas eorum insufficiens erat. Hac autem Paulus accepta occasione, scribit ad illos hanc epistolam, in qua materiam habes Romanos, seu gentiles, ad fidem conversos; de quibus in hunc modum agit: comprimendo primum gentiles, ne efferendo se, seu de sapientia, seu de libertate arbitrii, sicque detrahendo gratiae Christi, arbitrentur se digniores in fide quibuslibet qui fidem susceperint, cum per gratiam Dei solam fides et salvatio tribuatur. Si enim de libero arbitrio se efferunt, in eo utique plurimum rei sunt, cum habuerint naturalem scientiam, qua cognoscere possent creatorem suum sine omni docente, negligentes Creatorem, creaturas adoraverunt, et caetera multa, ad deprimendam elationem gentilium ponit. In depressione autem Iudaeorum, quia eos magis obstinatos sensit, quasi qui plures causas obtenderent, diutius immoratur, probans non esse superbiendum eis si legem et prophetas habuerunt, cum, in quibus placare Dominum debuissent, praevaricando semper offenderint Deum. Haec et alia multa ad compescendos Iudaeos adducit, et eo fine sic agit, ut utrosque, Iudaeos et gentiles, subiciat gratiae Dei, credentes nihil provenire Iudaeis ex genere, lege vel prophetis; neque gentilibus ex ignorantia quam obtendunt, seu ex libero arbitrio. Ebd. 2, Sp. 28 D: Hoc autem de solis gentilibus dictum transfundit hic in utrosque, id est in Iudaeos et gentiles, dicens utrumque populum inexcusabilem. Quia si Iudaeus dicat se fuisse peculiarem populum Dei de genere Abrahae natum, legem et prophetas habuisse, cumque sic Deo dilectus sit, non esse credendum, quod Deus hunc permittat perire adeo dilectum, licet erraverit, improperetque gentili, quod salvatione indignus sit, cuius nec aliquando Deus memor fuerit; si vero econverso dicat gentilis Iudaeum salute indignum, quia cum Deum per legem cognoverit, sicut Deum glorificare noluit, seque ideo praeferendum putet Iudaeo, quia, ut primum de Deo audivit, statim credidit, neque reum esse eorum, quae per ignorantiam peccavit; contra utrumque agit Apostolus dicens gentilem de ignorantia inexcusabilem, quia naturalem habuit cognitionem; Iudaeum vero frustra in lege vel genere gloriari, cum semper deterior fuerit, unde meliorari debuerit, praevaricando legem, fide degenerando ab Abraham, et similia. Quasi diceret: Propter quod, id est quia qui faciunt et qui consentiunt, digni sunt morte: ideo tu, homo unanimiter vivens et intelligens, omnis Iudaeus et gentilis, inexcusabilis es, tu, dico, qui iudicas, id est damnas alium. Si enim tu, Iudaee, dicis te praeferendum gentili, quia dilectus Deo fueris, quem dicis nec aliquando memorem fuisse gentilis; vel si tu, gentilis, praeferas te excusatum per ignorantiam Iudaeo, qui Deum per legem sibi cognitum inhonoravit, uterque
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
ordinaria“: Wenn Juden die Heiden wegen des Götzendienstes verurteilten, so sind sie doch selbst Götzendiener; wenn der Heide den Juden wegen der Überschreitung des Gesetzes verurteilt, so bricht er doch selbst das Naturgesetz.587 Die jeweilige Schuld von Juden und Heiden ist gewiß unterschiedlich und dennoch gleich groß.
d. Juden und Muslime Gemeinsamkeiten der Juden mit Muslimen werden, wie bereits im vorigen Kapitel angesprochen,588 immer wieder hervorgehoben (allerdings auch nicht überbetont). Das bezieht sich zum einen auf den Ritus der Beschneidung,589 zum andern auf den jüdischen Einfluß auf Mohammed und, in diesem Zusammenhang, schließlich auf islamische Anleihen aus dem Alten Testament.590 Beide Religionen grenzen sich vom Christentum ab und bekämpfen es gemeinsam. Ein mehrfach wiederkehrender Vorwurf hat daher zum Inhalt, Juden machten mit Sarazenen gemeinsame Sache: schon gegenüber dem Konvertiten Bodo591 und dann auch während des Ersten Kreuzzugs.592 Odilo von Cluny vergleicht die gerechte Vertreibung der Juden
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inexcusabilis es: et gentilis, quia naturalem cognitionem habuit, et Iudaeus, quem lex et naturalis intellectus de Deo docuit. Vere uterque inexcusabilis es, quia in eo condemnas teipsum, in quo tu iudicas alterum, sive Iudaeus gentilem, sive gentilis Iudaeum. Ebd. 3, Sp. 41 C: Non enim distinguitur Iudaeus a gentili, cum omnes aeque peccaverint; ergo, o Iudaee, ubi est tua gloriatio? Glossa ordinaria. Epistola b. Pauli ad Romanos 2, Migne PL 114 (hier fälschlich unter Walahfrid Strabo), Sp. 474 B: Iudaeus iudicabat gentilem, propter priorem statum, gentilis Iudaeum, uterque homo, non spiritus. Si Iudaeus iudicat gentilem de idololatria, et ipsi idololatrae. Si gentilis Iudaeum de legis praevaricatione, et ipse praevaricator naturalis legis. Vgl. auch Herveus von Déols (Bourgdieu), Expositio in epistolam ad Romanos 2, Sp. 618 D: Si Iudaeus gentilem iudicat de idololatria, et multi Iudaeorum coluerunt idola. Si gentilis Iudaeum de legis praevaricatione, et ipse praevaricator est legis naturalis. Wörtlich auch Petrus Lombardus, Collectanea in omnes D. Pauli apostoli epistolas. In epistolam ad Romanos 2, Sp. 1336 C. Vgl. Kapitel 2.6.a, oben S. 352f. Vgl. Kapitel 2.6.a, oben S. 352. Vgl. Kapitel 2.4.a, oben S. 297, 306. Vgl. Kapitel 3.3, oben S. 437f. Vgl. etwa Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 7,24f., S. 520, zur Belagerung Haifas: Quibus Iudei ciues, commixtis Sarracenorum turmis, sine dilatione uiriliter
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durch die römischen Kaiser Titus und Vespasian mit der Vertreibung der Sarazenen aus den christlichen Gebieten durch den christlichen Fürsten Wilhelm (die Normannen), nachdem sie den Abt Maiolus von Cluny gefangengenommen hatten, und er schreibt das den Verdiensten dieses Heiligen zu.593 Für Agobard von Lyon sind beide nicht nur schlechter als Christen, sondern Juden sind wiederum schlimmer als Muslime, da diese das Gesetz gar nicht erst empfangen haben, jene aber den Gottessohn töteten, nachdem ihnen das Gesetz gegeben und Propheten geschickt worden waren.594 In einem (sehr indirekten) Vergleich mit Al-Mansur kommen auch bei Rodulf Glaber die Juden erheblich schlechter weg als der Muslim (der allerdings nicht als solcher, sondern persönlich gelobt wird, weil seine Mutter Christin war und die Grabeskirche wieder aufrichten ließ und sein Vater heimlicher Christ war). Den Juden wirft Rodulf hingegen Betrug vor und verurteilt Freundschaften mit ihnen. Gott habe sie nach der Vertreibung nur auf Zeit geschont, als sehr wenige wieder in den Städten erschienen, weil einige von ihnen auch in Zukunft nötig sein werden, entweder zur Bekräftigung des
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resistentes, a turri oleum, picem feruentem, ignem et stuppas opposuerunt, grande uidelicet incendium, per quod Christiani milites fumo et calore in machina extinguerentur, et urbs eiusque turris inuicta cum incolis suis remaneret. […] Altera dehinc die radiante et Domino Iesu suorum miserante, Iudei et Sarraceni uidentes Christianos insuperabiles nec suis flammis aut armis posse reprimi a turri et eius assultu, ipsam turrim mox relinquentes nec eam amplius retinere ualentes, fugam inierunt. Odilo von Cluny, De vita beati Maioli abbatis, Sp. 960 B: Sicut vero, post passionem Christi, Iudaei sunt a suis exsulati, ita, post captionem servi illius et fidelissimi eius famuli Maioli, Sarraceni a finibus Christianorum sunt expulsi. Et sicut per Titum et Vespasianum, Romanorum principes, Dominus a Iudaeis vindictam exercuit, ita per Willelmum illustrissimum virum et Christianissimum principem, meritis beati Maioli iugum Sarracenorum ab humeris Christianorum deposuit. Agobard von Lyon, Epistola de Iudaicis superstitionibus 21, S. 215f.: Frustra igitur fautores Iudaeorum, nos contristantes, et illos laetificantes, patriarcharum causa honorandos eos putant, et Christianis dicere audent meliores; cum legamus etiam Agarenos, qui nunc corrupto vocabulo Saraceni vocantur, Amalachitas quoque et Madianitas atque Afros, ex Abraham genus ducere, ideoque nec eos quisquam vel honorandos vel meliores Christianis debeat existimare. Non solum autem Iudaei meliores nobis esse nequeunt, sed et his, quas supra enumeravimus, nationibus peiores inveniuntur, quia ille quidem nec legem acceperunt, isti vero post datam sibi legem, post missos ad se prophetas, etiam Dei filium occiderunt.
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eigenen Frevels oder als Zeugnis für den Tod Christi.595 Petrus Venerabilis hält die Juden ebenfalls für weitaus schlimmer als Sarazenen, weil jene Christus nicht nur von fern, sondern mitten unter uns lästern. Wenn die Sarazenen daher zu verabscheuen sind, weil sie, obwohl sie an die Jungfrauengeburt glauben und manches mit den Christen teilen, doch die Gottessohnschaft und Auferstehung Christi leugnen, um wieviel mehr sind dann die Juden zu verfluchen und zu hassen, die gar nichts von Jungfrauengeburt und Erlösung wahrnehmen, sondern alles lästern und verlachen.596 Hingegen hält Papst Alexander II. einen Krieg gegen Sarazenen, die ständig die Christen 595
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Rodulf Glaber, Historiae 3,25, S. 136: Preterea, his ita gestis, predictus litterarum baiulus ad natiuum male securus repedauit solum. Coepit itaque sedule perquirere si forte quempiam gentis sue˛ [Iude˛orum] fraudis conscie˛ repperiret. Inuentis uero perpaucis in ciuitate Aurelianorum pauide admodum degentibus, rursus coepit illorum familiarius uti consortio. Accidit igitur ut peregrinus quidam eius in transmarino socius itinere atque certissime illius itineris conscius negocii illuc deueniret, rursusque illum Iude˛orum amicitiis nimis herere cerneret, palam uiuersis indicare cuaruit quanti mali gerulus ille esset homuntio, et cuius rei causa Iude˛orum potiretur opibus. Qui ilico comprehensus acrisque agitatus uerberibus proprie˛ delationis confietur crimen; moxque a ministris regis in conspectu totius plebis extra ciuitatem igni est traditus atque consumptus. Iude˛i tamen profugi ac uagabundi, qui in locis abditis delitescentes predicte˛ superfuerant cladi, post quinquennium euersionis templi ce˛perunt in urbibus apparare perpauci. Et quoniam oportet, quamuis ad illorum confusionem, ut ex illis aliqui in futurum supersint, uel ad confirmandum proprium nefas seu ad testimonium fusi sanguinies Christi, idcirco uero credimus Christianorum animositatem, diuina dispensante prouidentia, in eis ad tempus mansueuisse. Eodem nichilominus anno, diuina propitiante clementia, cepit mater ipsius principis, uidelicet Ammirati Babilonis, mulier christianissima, nomine Maria, ree˛dificare Christi templum, iusu eius filii euersum, politis et quadris lapidibus. Nam et uir ipsius, quasi alter Nichodemus, pater huius scilicet de quo presens est sermo habitus, occulte Christianus dicitur fuisse. Tunc quoque de uniuerso terrarum orbe incredibilis hominum multitudo, exulanter Iherosolimam pergentes, domui Dei restaurande˛ plurima detulerunt munera. Petrus Venerabilis, ep. 130, S. 328: Sed quid proderit inimicos Christianae spei in exteris aut remotis finibus insequi ac persequi, si nequam blasphemi, longeque Sarracenis deteriores Iudaei, non longe a nobis, sed in medio nostri, tam libere, tam audacter, Christum cunctaque Christiana sacramenta impune blasphemaverint, conculcaverint, deturpaverint? […] Si detestandi sunt Sarraceni, quia quamvis Christum de Virgine ut nos natum fateantur multaque de ipso nobiscum sentiant, tamen Deum Deique Filium, quod maius est, negant mortemque ipsius ac resurrectionem, in quibus tota summa salutis nostrae est, diffitentur, quantum exsecrandi et odio habendi sunt Iudaei, qui nihil prorsus de Christo vel fide Christiana sentientes, ipsum virgineum partum cunctaque redemptionis humanae sacramenta abiiciunt, blasphemant, subsannant?
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bedrängen und aus ihren Städten und Sitzen vertrieben, für gerecht, während die Juden bereitwillig dienen und man ihre Synagogen daher schützen sollte.597
e. Juden und Häretiker Werden Juden, trotz mancher Berührungspunkte, demnach als eigene Religion wahrgenommen und daher von allen anderen abgegrenzt und diesen doch durch Vergleiche wieder angenähert, so gilt das Gleiche für die Häresien. Das Judentum ist keine Häresie (es ist ja nicht christlich), wird aber immer wieder mit Häretikern verglichen. Wie mit Muslimen, können Juden auch mit Häretikern gemeinsam handeln: Nach der Vita des Caesarius von Arles machten sie mit den Goten gemeinsame Sache gegen den heiligen Bischof und verloren darüber jeden Glauben, jede Billigung und jedes reine Gewissen.598 Wenn Juden die Bibel nur nach dem wörtlichen Sinn auslegen, schreibt Gregor der Große – ein Vorwurf, der auch Häretiker trifft599 –, dann schaffen sie dort Häresien, wo sie zum geheimen wahren Glauben vordringen könnten.600 Wie die Juden damals die Werke des Heiligen Geistes lästerten und bestritten, daß Christus wahrer Gottessohn von gleicher Substanz ist, so bestritten später die Häretiker, daß Maria stets Jungfrau gewesen und die Geburt durch den Heiligen Geist von ebenso gleicher Sub-
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Alexander II., ep. 101 (Epistola ad omnes episcopos Hispaniae), Migne PL 146, Sp. 1387 A: Dispar nimirum est Iudaeorum et Sarracenorum causa. In illos enim, qui Christianos persequuntur et ex urbibus et propriis sedibus pellunt, iuste pugnatur; hi vero ubique parati sunt servire. Quemdam etiam episcopum synagogam eorum destruere volentem prohibuit. Vita Caesarii episcopi Arelatensis 1,29, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 3, S. 467f.: Quod ubi Gothi intrinsecus agnoverunt, inruunt in sanctum virum populari seditione, certe et Iudaeorum turba inmoderatius perstrepente atque clamante, quod in traditionem civitatis ad adversarios personam compatrioticam noctu destinasset antistes. Nihil ergo fidei, nihil probationis nihilque purae conscientiae reservatur, Iudaeis praesertim et haereticis id ipsum absque reverentia et moderatione ulla clamantibus. Vgl. Kapitel 4, unten S. 613ff. Gregor der Große, Expositio in librum primum Regum 2,45, S. 146: Iudaei autem, dum sacram scripturam iuxta litteram solam intellegunt, ibi hereses statuunt, unde ad secretum uerae fidei intrare potuerunt.
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stanz bewirkt worden sei, lehrt Beda Venerabilis.601 Die Juden wissen um die Ankunft Christi, schreibt bereits im 4. Jahrhundert der zum Christentum bekehrte römische Senator Firmicus Maternus, glauben aber nicht, daß er in dem Körper gekommen ist, den sie selbst getötet haben. Die Häretiker erkennen das an, stellen ihn aber unter den Vater. Daher ist beider Glaube gleich ungerecht.602 Daß sie an Gott glauben, so Eusebius Gallicanus im 8. Jahrhundert, können Juden und Arianer gleichermaßen sagen. Doch Juden können schon nicht mehr sagen, daß sie an Gottvater glauben, weil sie den Sohn nicht anerkennen. Wo aber kein Sohn ist, ist auch kein Vater.603 Für Hieronymus sind Häretiker deshalb eher Juden als Christen, da beide nicht das Mysterium der Trinität haben.604 Gregor der Große vergleicht den Unglauben der Juden mit dem häretischen Irrtum der Nestorianer, die zwar im Namen der Trinität getauft werden, aber nicht die beiden Naturen Christi anerkennen.605 An gängigen Kennzeichen sind beiden Gottlosigkeit (im601
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Beda Venerabilis, Expositio in Lucae euangelium 4,11, S. 236: Nam sicut tunc Iudaei sancti spiritus opera blasphemando uerum consubstantialemque patri Dei filium negabant, sic heretici postea negando Mariam semper uirginem sancti spiritus operante uirtute nascituro ex humanis membris unigenito deo carnis suae materiam ministrasse uerum consubstantialemque matri filium hominis fateri non debere dixerunt. Firmicus Maternus, Consultationes Zachhei christiani et Apollonii philosophi 3,7,6, S. 212: Ac primum Iudaeos idem totius perfidiae caput hac fallacia sibi subdet. Christum enim et uenturum sciunt, et sempiternum iudicem confitentur, sed, ut atrocitatem illati a se facinoris excusent, in corpore quod interfecerunt uenisse non credunt. Haereticis uero praedictus simulator deum esse quidem, sed minorem adseret Patre, ut eorum denique impietatem perditioni suae suscepturus admisceat, et in utrisque illa ex euangeliis sententiae compleatur: Credent, inquit, iniquitati, qui ueritati credere noluerunt. Eusebius Gallicanus, Collectio homiliarum. Homilia 9,2, ed. François Glorie, CCL 101, Turnhout 1970, S. 99: Credo in Deum dicere et Iudaei et Arriani possunt. Credo in Deum patrem iam Iudaei dicere non possunt. Quare? quia dicitur in euangelio: qui negat filium, filium non habet, nec patrem habet. Quomodo autem pater habetur, si filius, cum quo patris nomen natum est, non credatur? Hieronymus, Tractatuum in psalmos series altera. Ps. 91, ed. Germain Morin, CCL 78, 1958, S. 428: incipio non esse Christianus sed Iudaeus: quia et Iudaeus dicit unum Deum, sed quia patrem nescit et filium et spiritum sanctum, propterea mysterium non tenet trinitatis. Gregor der Große, Registrum epistularum, ep. 11,52, CCL 140A, S. 953: Nestoriani uero, quia in sanctae trinitatis nomine baptizantur sed eos Iudaicae perfidiae similes incarnatione unigeniti suae haereseos error obscurat, ad sanctam ecclesiam catholicam uenientes de uerae fidei firmitate et confessione docendi sunt, ut unum eundemque Dei et hominis filium Deum dominum Iesum Christum credant, ipsum exsistentem in
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pietas), Nichtswürdigkeit (nequitia) und Ungläubigkeit gemeinsam.606 Dabei werden erneut aber auch die Unterschiede in der christlichen Reaktion betont: Das Judentum, so Alexander Patschovsky, ist zuzulassen, Ketzer hingegen sind auszurotten.607 Trotz solcher Unterschiede bleibt erneut jedoch eine gleichlautende Ablehnung und Abwertung erhalten. Ebenso beliebt wie bezeichnend ist ein Vergleich von Juden und Häretikern im Spiegel der levitischen Gesetze, die den Juden den Verzehr jeglicher unreiner Tiere verboten. Rein waren danach nur Tiere mit gespaltenen Hufen und Wiederkäuer. Die Exegeten des Bibelbuches, voran Hieronymus, dann Isidor, Beda, Hrabanus Maurus und andere, nutzen das zum Vergleich, indem sie Juden und Häretikern zwar eines der beiden Kennzeichen zugestehen, nicht aber das andere (und damit zum wahren Glauben beides verlangten); deshalb seien, so Hieronymus mit Blick auf Juden und Manichäer, beide unrein.608 Juden würden zwar das Wort Gottes wiederkäuen, so Isidor und Hrabanus Maurus, hätten aber keine gespaltenen Hufe, weil sie nur ein (das Alte) Testament anerkennen, und seien deshalb unrein. Häretiker wiederum hätten zwar beide Testamente, würden sie aber nicht richtig wiederkäuen. Folglich sind sie genauso unrein.609
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diuinitate ante saecula et ipsum factum hominem in fine saeculorum, quia uerbum caro factum est et habitauit in nobis. So Patschovsky, Feindbilder S. 348f. Ebd. S. 329. Hieronymus, Tractatus in psalmos. Ps. 95, S. 151f.: Iudaeus habet unam ungulam, et propterea inmundus est. Manichaeus unam habet ungulam, et propterea inmundus est. et quia unam habet ungulam, non ruminat cibos suos, et id quod semel in uentrem miserit, rursum reducit ad guttur et ruminat illud et tenue facit, ut quod grossum fuerat, rursum tenue mittatur in uentrem; hoc quidem pertinet ad sacramenta diuina dicere. omne animal quod findit ungulam et ruminat, mundum est. Iudaeus unam ungulam habet: in unum enim tantum credit testamentum, et non ruminat. Zu diesen Vergleichen vgl. Hans-Werner Goetz, Discourses on Purity in Western Christendom in the Early and High Middle Ages, in: Nikolas Jaspert/Matthias Bley (Hg.), Discourses of Purity in Transcultural Perspective (300–1600) (im Druck). Isidor von Sevilla, Expositiones in Leviticum 9,3, Migne PL 83, Sp. 325f.: Denique hi homines mundi sunt qui ruminant, qui in ore semper portant, quasi cibum, divina praecepta. Hi et ungulam findunt, quia duo Testamenta legis et Evangeliorum credentes, firmo gressu innocentiae iustitiaeque incedunt. Item Iudaei ruminant quidem verba legis, sed ungulam non findunt: hoc est, quod nec duo Testamenta recipiunt nec in Patrem Filiumque fidei suae gressus statuunt. Propterea immundi habentur. Haereticiquoque licet ungulam findant, in Patrem et Filium credentes et duo Testamenta reci-
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
Trotz der Unterschiede zwischen Juden und Ketzern, so richtig Alexander Patschovsky, konnten die gegenüber der einen Gruppe entwickelten praktisch-politischen Verhaltensmuster mühelos auf die andere übertragen werden, so daß im Bewußtsein zumindest der theologisch geschulten Intellektuellen in Dingen des Glaubens das gemeinsame Feindbild gegenüber beiden religiösen Erscheinungsformen an Negativität nicht mehr zu überbieten ist.610 Agobard und Amulo von Lyon sprechen gar von Juden und anderen Häretikern.611 Hatte Agobard Juden gleichwohl schlimmer eingestuft als Muslime,612 so bewertet sie sein Nachfolger Amulo schlimmer auch als Häretiker, die wenigstens noch teilweise Richtiges über Christen lehren, während die Juden nur Falsches über ihn glauben. Vor den falschen Lehrern der Juden müsse man sich daher wie vor Häretikern hüten, und er rückt sie in die Nähe der Heiden, für welche die Kirche jedoch wenigstens noch am Ostersonntag betet, während Juden die Gottheit Christi völlig leugnen und ihn ganz normal von einem Mann und einer Frau gezeugt halten.613 Eher wird ein Jude zum Glauben bekehrt, als daß ein Häretiker Buße tut, meint hingegen Petrus Damiani.614 Auch Augustin schätzt Häretiker schlimmer ein
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pientes, sed quia doctrinam veritatis in ore non ruminant, nihilominus et ipsi immundi sunt. Danach wörtlich Hrabanus Maurus, Expositiones in Leviticum 3,1, Sp. 352 CD; Ders. Enarrationes super Deuteronomium 2,6, Sp. 882 D. Sehr ähnlich auch Beda, In Leviticum 11, Migne PL 91, Sp. 345 BC. Patschovsky, Feindbilder S. 356f. Vgl. oben Anm. 300 und 310. Vgl. oben Anm. 594. Amulo von Lyon, Contra Iudaeos, Sp. 143 A: legat librum beati Augustini, contra quinque haereses praetitulatum; id est, paganorum, Iudaeorum, Manichaeorum, Sabellianorum, Arianorum: et evidenter agnoscet Iudaeos falsos esse doctores et inter caeteros haereticos deputari; et idcirco in omni colloquio atque convictu, consessu vel processu vel osculo (per quae plurimi eis adulantur) tanquam haereticos esse cavendos; imo et peiores haereticis: sicut eos Ecclesia catholica esse iudicat, quae in diebus Dominicae Passionis, post haereticos et schismaticos et prope paganos pro eis orat, hoc modo patenter ostendens eos et peiores esse haereticis et proximos paganis. Quia videlicet proprium esse solet haereticorum de Domino Iesu Christo Dei Filio quaedam vera, quaedam falsa sentire, proprium autem Iudaeorum cuncta de illo falsa credere; dum illum et Deum nullo modo esse credunt et hominem tantum communis naturae, id est, ex viro et femina procreatum adhuc suspicantur venturum. Petrus Damiani, Vita Romualdi 35, ed. Giovanni Tabacco, Petri Damiani vita beati Romualdi, Rom 1957, S. 76: facilius possit Iudeus ad fidem converti, quam hereticus latro plene ad poenitentiam provocari.
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als Juden, weil diese einen Christus leugnen, den sie nicht anerkennen, jene aber die Kirche Christi bekämpfen.615 Im übrigen gab es auch im Judentum viele Häresien (Isidor von Sevilla bespricht sie ähnlich ausführlich wie die christlichen;616 Hieronymus bezeugt, daß es „bis heute“ unter den ganzen Synagogen des Ostens die von den Pharisäern verurteilte Häresie der Minäer oder Nazaräer gebe, die weder Christen noch Juden seien.617)
f. Juden als Ungläubige und Teufelssöhne Werden Juden daher vielfach mit Heiden, Muslimen und Häretikern verglichen, aber nicht gleichgesetzt, so haben sie mit diesen Gruppen doch ein alles entscheidendes Merkmal gemeinsam: Ihr Glaube ist „Irrtum“ (wie das Heidentum), und sind sie ebenso „Ungläubige“ (infideles) wie Heiden, Muslime und Häretiker. Firmicus Maternus spricht von der „ungläubigen Schar der Juden“,618 Gocelinus in seiner Augustinvita von „Juden und anderen Ungläubigen“ (Iudaei et caeteri increduli),619 Isidor von Sevilla von der „Unerfahrenheit der ungläubigen Juden“,620 Chromatius von Aquileja von
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Augustinus, Sermo (218 B), ed. Germain Morin, Sancti Augustini sermones post Maurinos reperti 1, Rom 1930, S. 451: peiores autem Iudaeis haeretici: nam illi Christum, quem non aspiciunt, negant; isti, quam uident, eius ecclesiam oppugnant. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,4, S. 307f. Hieronymus, ep. 112,13, CSEL 55, Wien 1912, S. 381f.: usque hodie per totas orientis synagogas inter Iudaeos heresis est, quae dicitur Minaeorum et a pharisaeis huc usque damnatur, quos uulgo Nazaraeos nuncupant, qui credunt in Christum, filium Dei natum de Maria uirgine et eum dicunt esse, qui sub Pontio Pilato et passus est et resurrexit, in quem et nos credimus, sed, dum uolunt et Iudaei esse et Christiani, nec Iudaei sunt nec Christiani. Ders., In Hieremiam prophetam 4,12, S. 184, deutet die Könige von Juda als Häretiker: reges autem Iuda, hoc est hereticorum patriarchae, implent locum quondam Dei sanguine deceptorum et innocentium […]. Firmicus Maternus, Consultationes Zachhei christiani et Apollonii philosophi 2,12,13, S. 90: incredula Iudaeorum turba. Vgl. Gerhoh von Reichersberg, De quarta vigilia noctis 8, MGH Ldl 3, S. 506: Infideli dico, sive pagano sive Iudeo. Gocelinus monachus, Vita Augustini prol., Migne PL 80, Sp. 43 D. Isidor von Sevilla, De fide catholica contra Iudaeos 1,1,1, Sp. 449: et infidelium Iudaeorum imperitiam probet.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
der „Untreue des jüdischen Unglaubens“;621 nicht aus Unwissen, sondern nur aus ihrem Unglauben heraus erkennen sie Christus nicht als Gottes Sohn an.622 Viele weitere Belege ließen sich anführen.623 Juden täuschen den Irrtum nicht vor, schreibt Augustin (das wäre nämlich ein Kennzeichen der Häretiker),624 sie irren wirklich, weil sie es (besser) wissen und doch den Irrtum predigen.625 Die Jungfrauengeburt, so meint Rufinus, könnten eigentlich selbst die „völlig ungläubigen“ Juden (infideles et increduli) glauben, weil sie ihnen prophezeit ist (während die Heiden sie verlachen).626 Adom-
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Chromatius von Aquileja, Tractatus in Matthaeum 24,2, S. 311: propter Iudaicae infidelitatis perfidiam. Ebd. (Tractatus 51A) S. 626: Ob quam rem Iudaei non iam ignorantia, sed infidelitate sola dei filium agnoscere non potuerunt. Vgl. etwa Arnobius iunior, Commentarii in Psalmos. Ps. 91, ed. Klaus-D. Daur, CCL 25A, Turnhout 1990, S. 137: populus incredulus Iudaeorum; Hieronymus, Commentarii in Isaiam 13,49,5, S. 536: in uacuum laboraui, sine causa et uane fortitudinem meam consumpsi, quia Iudaei credere noluerunt et iudicium meum cum domino est; Alkuin, Commentaria in s. Ioannis Evangelium 3,11, v. 37, Sp. 817 C: Iudaei vel magi, omnesque infideles, excaecatis mentibus veritatem divinitatis non possunt accipere; Heiric von Auxerre, Homiliae per circulum anni. Pars hiemalis. Homilia 63, CCL 116A, S. 601; ebd. Homilia 65, S. 647; Johannes Scotus Eriugena, Commentarius in Euangelium Iohannes 3,1, ed. Édouard A. Jeauneau, CCM 166, Turnhout 2008, S. 77; Angelomus von Luxeuil, Enarrationes in libros regum 1,2, Migne PL 115, Sp. 269 C: Iudaei, qui tenebris infidelitati et ignorantiae involvuntur; Otto von Freising, Chronica 8,7, S. 399 (oben Anm. 54). Vgl. Kapitel 4.3.a und 4.4.a, unten S. 602 und S. 619. Augustinus, ep. 82,3, CSEL 34,2, S. 377: nec dici timeo sic paulum defendere, quod non simularit errorem Iudaeorum, sed uere fuerit in errore, quoniam neque simulabat errorem, qui libertate apostolica, sicut illi tempori congruebat, uetera illa sacramenta, ubi opus erat, agendo commendabat ea non satanae uersutia decipiendis hominibus sed Dei prouidentia praenuntiandis rebus futuris prophetice constituta, nec uere fuerat in errore Iudaeorum, qui non solum nouerat, sed etiam instanter et acriter praedicabat eos errare, qui putabant gentibus inponenda uel iustificationi quorumque fidelium necessaria. Rufinus, Expositio symboli 9, ed. Marius Simonetti, CCL 20, Turnhout 1961, S. 146: Verum haec quia ex scripturis propheticis adseruntur, possunt fortasse Iudaeos, quamuis sint infideles et increduli, confutare. Sed pagani solent ridere nos, cum audiunt praedicari a nobis uirginis partum; propter quod paucis et eorum obtrectationibus respondendum est. Die Wendung auch bei Origenes, In epistolam Pauli ad Romanos explanatio 34,10,6, S. 801 (in der Übersetzung Rufins): hoc est incredulis et infidelibus Iudaeis. Vgl auch Chromatius von Aquileja, Tractatus in Matthaeum 51,1, S. 624:
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nan von Iona (der Verfasser einer Columbanvita) unterscheidet an der Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert angesichts eines Vorfalls, bei dem ein heiliges Leinengewand in die Hände ungläubiger Juden fiel, die, obwohl dessen unwürdig, es dennoch würdig aufnahmen, zwischen gläubigen und ungläubigen Juden; erstere wollten das Gewand annehmen.627 Als Ungläubige aber sind auch die Juden (wie Heiden, Muslime und Häretiker) „Söhne des Teufels“ und diesem verfallen:628 „Wieso sind Juden Söhne des Teufels?“ fragt Augustin und gibt – in einem dann vielfach wiederholten Diktum – zur Antwort: „Nicht durch Geburt, sondern durch Nachahmung.“629 Von Gott auserwählt, heißt das, haben sie sich dem Teufel zugewandt. Niemand verspottet das Kreuz Christi. Die Juden aber (die solches tun) sind von Dämonen besessen und verschlungen.630 Die menschliche Natur ist gut, ergänzt Alkuin in seinem Johanneskommentar, doch durch den bösen Willen wird sie lasterhaft und hat den Teufel zum Vater (wie Jesus sagt).631 Für Gratian stammen die Juden zwar nicht fleischlich, wohl aber
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Iudaei increduli et infideles nescientes sacramentum dominicae incarnationis, audita doctrina domini et uisis uirtutibus, mirabantur. Adamnan von Iona, De locis sanctis ex relatione Arculfi episcopi Galli 1,9, ed. Denis Meehan, Adamnan’s De Locis Sanctis (Scriptores Latini Hiberniae 3), Dublin 1958, S. 54: Sed post quintae tempore generationis annorum multis processibus transactis, eiusdem cognationis deficientibus haereditariis fidelibus, sacrum linteolum in manibus aliquorum infidelium devenit Iudaeorum: qui et ipsi, quamlibet indigni tali munere, tamen illud honorifice amplexi, divina donante largitione, nimis diversis locupletati opibus dites facti sunt. Iudaei vero credentes, orta in populo de sudario Domini certa narratione, coeperunt cum infidelibus Iudeis de sacro illo linteamine fortiter contendere, totis viribus illud appetentes in manus accipere. Vgl. Heil, Kompilation S. 159–175, zur karolingischen Exegese. Augustinus, Tractatus in Iohannis evangelium 42,10, S. 369: unde ergo Iudaei filii diaboli? imitando, non nascendo. Ebd. 42,9. S. 369: sed unde audire non poterant, nisi quia corrigi credendo nolebant? et hoc unde? uos a patre diabolo estis. quamdiu patrem commemoratis? quamdiu patres mutatis, modo Abraham, modo Deum? audite a filio Dei, cuius sitis filii: a patre diabolo estis (Joh 8,44). Ders., Enarrationes in psalmos. Ps. 46,2, S. 530: nemo ergo irrideat crucem domini; Iudaei sunt possessi a daemonibus et deuorati. Alkuin, Commentaria in s. Iohannis evangelium 4,22 v. 43, Sp. 872 AB, der zunächst Augustins Johanneskommentar folgt und dann (nach Beda Venerabilis, Expositio in s. Iohannes evangelium 8, Migne PL 92, Sp. 752 C) ergänzt: Deus itaque creator omnium creaturarum creavit hominem. Quomodo hic dicit: ‚Vos a patre diabolo estis?‘ (Joh 8,44). Quidquid a Deo creatum est, bonum est, et omnis homo, quantum creatura
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wegen ihrer Vergehen vom Teufel ab.632 Obwohl sie Söhne (Nachkommen) Abrahams sind, sind sie es nicht wirklich, weil sie ihn nicht nachahmen, sondern des Teufels, den sie nachahmen.633 „Ach Juden,“ klagt Quodvultdeus, „die Dämonen, die eure Herzen besitzen, haben gesagt: ‚Wir wissen, wer du bist; warum bist Du vor der Zeit gekommen, uns zu strafen?‘“634 Für Cassiodor sind die Juden in der Gewalt des Teufels verstrickt,635 für Isidor von Sevilla ist der Teufel ihr Lehrmeister, der sie bis heute beherrscht.636 Isidor vergleicht die Juden mit dem Menschen (von Mt 12,43ff.), aus dem ein unreiner Geist ausfuhr, um ihn sogleich wieder in Besitz zu nehmen, weil er nämlich fleischlichen Gelüsten und allen sieben Lastern ergeben war.637
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Dei est, bonus est; quantum vero se subicit per liberum arbitrium diabolo, a patre diabolo est. Bona est enim hominis natura, sed vitiata erat per malam voluntatem, et inde a patre erat diabolo. Quod fecit Deus non potest esse malum, si ipse homo non sit sibi malus. Inde ergo Iudaei dicti sunt filii diaboli, non nascendo, sed imitando. Vgl. Ders., De divinis officiis 18, Migne PL 101, Sp. 1213 A: Sicut e contra iniqui membra sunt diaboli, inter quae praecipuum locum tenent Iudaei persecutores Christi, quos luce clarius constat invidiose gavisos fuisse in morte Christi. Gratian, Decretum p. 2, causa 1, quaest. 1, can. 16, S. 362: Nam et Iudei ex patre diabolo sunt, non utique carnis successione, sed criminis. Vgl. auch Rupert von Deutz, De victoria verbi Dei 1,9, ed. Rhaban Haacke, MGH QGG 5, Weimar 1970, S. 16: Ecce hoc est mendacium, quod iste diabolus genuit, cuius patrem hunc esse pronuntiauit dominus Iesus Christus ueritas et uerbum dei dicens Iudeis: uos ex patre diabolo estis et desideria patris uestri uultis facere. Gratian, Decretum p. 2, causa 22, quaest. 2, can. 22, S. 874: Sic et Iudei, cum essent filii Abrahae carne, quia non fuerunt filii eius imitatione, non deputantur inter filios Abrahae, sed dicuntur filii diaboli, cuius filii sunt, non nascendo, sed imitando. Gottfried von Admont betont in seinen Homiliae dominicales gleich mehrfach, daß die Juden von maligni spiritus besessen seien. Quodvultdeus, Sermo 4 (Contra Iudaeos, paganos et Arianos) 17,10, S. 252: O Iudaei, daemones qui uestra corda possederunt, dixerunt: scimus qui sis; quid uenisti ante tempus punire nos? (frei nach Mt 8,29). Cassiodor, Expositio psalmorum. In ps. 16, v. 14, CCL 97, S. 148: Item fit oratio pro Iudaeis, qui diaboli potestate constricti, nefariis erant ausibus incitandi. Vgl. ebd. v. 12, S. 147: ‚Catulum‘ autem ‚leonis‘ dicit reliquum populum Iudaeorum, qui se diaboli filios effecerunt. Isidor von Sevilla, Etymologiae 7,10,10, S. 298: Barabba filius magistri eorum; absque dubio Iudaeorum magistri, qui est diabolus, homicidiorum auctor, qui usque hodie regnat in eis. Isidor von Sevilla, Allegoriae quaedam sacrae Scripturae. Ex Novo Testamento 164, Migne PL 83, Sp. 120: Homo de quo immundus spiritus exiens, rursus eum occupat,
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Noch heute behaupten einige, Juden zu sein, schreibt Beda, doch tatsächlich gehören sie der Synagoge des Teufels an.638 Der Teufel hat die Juden zu seinem Werkzeug gemacht: „Und wieder begann der neidische Teufel, gewohnheitsgemäß durch das Volk der Juden den Anhängern des wahren Glaubens das Gift seiner Verdorbenheit einzugeben,“ schreibt Rodulf Glaber anläßlich der schon oben erwähnten Judenverfolgung nach der Zerstörung der Grabeskirche in Jerusalem.639 Entsprechend versucht der Teufel bei Hildegard von Bingen Christus durch die Juden.640 Und nach Isidor von Sevilla haben „die verkehrten und unreinen“ Juden „die Taten des Teufels ausgeführt“, als sie Christus banden, täuschten, kreuzigten und töteten.641 Natürlich werden auch die Juden als Ungläubige, Teufelsdiener und Nichtchristen das Seelenheil nicht erlangen können. „Das ganze Unglück der Juden war es nicht, Sünden zu haben, sondern in Sünden zu sterben,“ schreibt Augustin.642 Heiden und Juden sind aus dem gleichen Grund verachtet, aus dem die Christen erlöst werden, meint Quodvultdeus; ihr Vergehen ist das Heil der Völker.643 Denn, so lehrt Hieronymus, der Mensch
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significat populum Iudaeorum, et hominem paenitentem, cui per subsecutam negligentiam acrius mentem occupat carnis voluptas, adiunctis secum aliis septem spiritibus vitiorum, id est, iracundia, avaritia, invidia, atque ventris ingluvie, inani gloria, fornicatione atque superbia. Beda Venerabilis, Expositio in Lucae euangelium 2,4, S. 110: Introierat enim diabolus unde Christus exierat, sicut etiam nunc quidam dicunt se Iudaeos esse et non sunt sed sunt sinagoga satanae. Zur „Synagoge des Teufels“ vgl. oben Anm. 317. Rodulf Glaber, Historiae 3,24 (oben Anm. 64). Hildegard von Bingen, Expositiones evangeliorum 25, ed. Beverly Maine Kienzle und Carolyn A. Muessig, CCM 226, Turnhout 2007, S. 258: Et dixit ei diabolus per Iudeos: Si Filius Dei es, quia multa signa circa terram in terrenis causis facis, fac etiam signa de celo, quae nobis incognita sint, et ita mitte te deorsum, in rumore descende ad homines. Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum. In Regem I, 20,4, Sp. 407 B: Quod si illud in Evangelio nos ideo non conturbat, quia Dominus voluit atque permisit, nulla diminutione suae potestatis et divinitatis id fieri, sicut ab ipsis Iudaeis, quanquam perversis atque immundis et facta diaboli facientibus, et teneri se et vinciri et illudi et crucifigi atque interfici passus est. Augustinus, Tractatus in Iohannis evangelium 38,6, S. 341: tota ergo infelicitas Iudaeorum ipsa erat, non peccatum habere, sed in peccatis mori. Quodvultdeus, Sermo 2 (De symbolo 2) 5,3, S. 341: Quod Iudaeus et gentilis detestatur, Christianus inde saluatur. Sed quare Iudaeus detestatur? quia, sicut apostolus dicit, illorum delicto salus gentibus.
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kann zwar aus freiem Willen, aber nicht ohne göttliche Hilfe zu Gott zurückkehren. Daher kehren Juden und Häretiker nicht zu Gott zurück.644 Schließlich kann niemand, so Otto von Freising, ohne Taufe und Sakramente das Heil erlangen (allerdings verteidigt er diese Meinung gegen „einige Theologen unserer Zeit“). „Mag es daher dem allmächtigen Gott möglich sein, einen Juden, einen Heiden oder einen anderen nicht Getauften ohne Blutopfer, wie gesagt, und ohne ausdrückliches Zeugnis zu erretten, so wird es mir doch unmöglich sein, das zu glauben.“645 Vielleicht nicht für Gott, wohl aber für Otto ist das Heil an diese Bedingungen geknüpft. Otloh von St. Emmeram erzählt von der Vision eines kranken Klosterhörigen in Regensburg, dem darin offenbart wird, wie der Jude Abraham (der tatsächlich gerade verstorben war) in die Hölle gezerrt wird. Zwar lastet Otloh das Schicksal nicht dem jüdischen Glauben an sich, sondern der „Bosheit des Herzens und dem Wahnsinn“ dieses Juden an, der Gott lästert, doch ist gerade Gotteslästerung, wie schon mehrfach betont, ein den Juden insgesamt häufig zur Last gelegtes Vergehen. So sei diese kurze Vision geeignet, alle, die an der ewigen Strafe zweifeln, zu erbauen.646 Ihre Ungläubigkeit (gegenüber Christus und den Christusprophetien) macht die Juden allen anderen Ungläubigen vergleichbar und bereitet ihnen dasselbe Schicksal. 644
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Hieronymus, In Hieremiam prophetam 1,63,3, S. 38: quamuis enim propria uoluntate ad dominum reuertamur, tamen, nisi ille nos traxerit et cupiditatem nostram suo roborauerit praesidio, salui esse non poterimus. intellegamus hoc et de Iudaeorum populo ad dominum reuertente et de hereticis, qui dominum reliquerunt. Otto von Freising, Chronica 4,18, S. 206: Quare, quamvis Deo tanquam omnipotenti Iudeum vel gentilem vel non baptizatum sine effusione sanguinis, ut dictum est, vel attestatione propria possibile sit salvare, mihi tamen hoc credere erit inpossibile. Et ita divina potentia in talibus non sibi, sed mihi alligatur. Otloh von St. Emmeram, Libri visionum, Vision 13, ed. Paul Gerhard Schmidt, MGH QGG 13, Weimar 1989, S. 82: Tunc ab astantibus interrogatus, quid videret, respondit et dixit: ‚Abraham Iudeum video igneis catenis trahi in infernum.‘ [….] Moxque missis nuntiis ad Abrahe˛ domum, agnoverunt eum noviter esse defunctum. Ego vero, qui eundem Iudeum satis agnovi, id de illo veraciter attestari valeo, quia in tanta cordis malitia et insania consistit, ut, si quispiam presente ipso loqueretur de domino nostro Iesu Christo, mox quasi canis oblatrans blasphemias nefandas contra Deum emitteret. Quamvis ergo brevis consistat visio talis, / Utilis tamen esse sentitur ad edificamen / Illis, qui penam dubitant restare futurum. Zum Judenbild Otlohs vgl. Anna Aurast, … ex Judaeo conversus, sed praecordialiter fidelis erat. Wie wurden Juden und ihre Religion im 12. Jahrhundert wahrgenommen? Eine Betrachtung der Werke Guiberts von Nogent und einiger seiner abendländischer Zeitgenossen, in: Bade/ Freudenberg (Hg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern, S. 87–108.
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8. Judenbild und Judenverfolgung Daß Gewalt gegenüber Juden eine zumindest latente Gefahr darstellte und auch im früheren Mittelalter immer wieder offen ausbrechen konnte, ist bekannt. Die in den christlichen Schriften vermittelte, strikte und bis zur Judenfeindschaft reichende Ablehnung der jüdischen Religion bildet dafür zweifellos einen geistigen Hintergrund, auch wenn es den Autoren dort strikt um die Widerlegung jüdischen Unglaubens (an der Gottheit Christi) geht und sie nirgends unmittelbar zu Gewaltmaßnahmen aufrufen.647 Von der oft nicht zimperlichen Ausdrucksweise her abgesehen, haben sie jedenfalls für eine Bekehrung der Juden plädiert. Dabei werden selbst Zwangsbekehrungen nicht nur geduldet, sondern, wie von Gregor von Tours, sogar gutgeheißen, wenngleich die Alternative hier (noch) nicht Tod, sondern Ausweisung lautet.648 Aber auch dieser letzte Fall konnte vereinzelt bereits eintreten. Von den vielen Juden, die König Chilperich taufen ließ, fielen doch einige, die mit der Taufe nur körperlich und nicht im Herzen reingewaschen waren, wie Gregor berichtet, bald wieder in ihren alten Unglauben zurück und belogen Gott, indem sie weiterhin den Sabbat feierten. Chilperich ordnete daraufhin Zwangstaufen an. Der reiche Jude Priscus, der seine Taufe hinauszuzögern suchte, aber wurde von einem bereits bekehrten Juden bei der Sabbatfeier getötet. Vom König nicht weiter verfolgt, wurde der Mörder bald darauf seinerseits von den Verwandten des Priscus umgebracht, während andere Juden sich selbst töteten, um der Zwangstaufe zu entgehen.649 Auch wenn es sich hier um einen begrenzten Einzelfall handeln
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Zum Zusammenhang von Ideologie und Verfolgung vgl. Jeremy Cohen, Christian Theology and Anti-Jewish Violence in the Middle Ages: Connections and Disjunctions, in: Abulafia (Hg.), Religious Violence S. 44–60. Gregor von Tours, Historiae 5,11, oben S. 443f. Vgl. Albert, Christians and Jews S. 162ff. Gregor von Tours, Historiae 6,17, S. 286f.: Rex vero Chilpericus multos Iudaeorum eo anno baptizare praecipit, ex quibus pluris excipit a sancto lavacro. Nonnulli tamen eorum, corpore tantum, non corde abluti, ad ipsam quam prius perfidiam habuerant, Deo mentiti, regressi sunt, ita ut et sabbatum observare et et diem dominicum honorare vidiantur. Priscus vero ad cognuscendam veritatem nulla penitus potuit ratione deflecti. Tunc iratus rex iussit eum custodiae mancipare, scilicet ut, quem credere voluntariae non poterat, audire et credere faceret vel invitum. Sed ille, datis quibusdam muneribus, spatium postulat, donec filius eius Massiliensim Hebraeam accipiat; pollicitur dolosae, se deinceps quae rex iusserat impleturum. Interea oritur intentio inter illum et Pathiren
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
mag, liest sich Gregors Bericht wie ein sehr früher Vorläufer der Pogrome vor dem Ersten Kreuzzug. Zwangsbekehrungen in Marseille bestätigt auch Gregor der Große.650 Im spanischen Westgotenreich ließ König Sisibut Juden zwangsweise taufen, nachdem sie sich durch Vernunftargumente nicht hatten überzeugen lassen, und auch hier lobt Isidor von Sevilla die königliche Weisheit.651 Fredegar berichtet von den Zwangsbekehrungen, die Kaiser Herakleios in Byzanz vornehmen ließ; dieser forderte den Frankenkönig Dagobert auf, Gleiches zu tun, der das (angeblich) sofort erfüllte.652 Die Nachricht wird von späteren Geschichtsschreibern mehrfach aufgegriffen und bleibt somit im historiographischen Bewußtsein.653 Nach den Gesta
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ex Iudaeo conversum, qui iam regis filius erat ex lavacro. Cumque die sabbati Priscus praecinctus orario, nullum in manu ferens ferramentum, Moysaicas legis quasi impleturus, secretiora conpetiret, subito Pathir adveniens, ipsumque gladio cum sociis qui aderant iugulavit. Quibus interfectis, ad basilecam sancti Iuliani cum pueris suis, qui ad propinquam plateam erat, confugit. Cumque ibidem resederent, audiunt, quod rex, dominum vitae cessum, famolos tamquam malefactores a basileca tractos iuberet interfici. Tunc unus ex his evaginato gladio, domino iam fugato, socios suos interficit, ipse postmodum cum gladio de basileca egressus; sed inruente super se populo, crudiliter interfectus est. Pathir autem, accepta licentia, ad regnum Guntchramni, unde venerat, est regressus; sed non post multos dies a parentibus Prisci interfectus est. Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 1,45, CCL 140, S. 59: Plurimi siquidem Iudaicae religionis uiri, in hac prouincia commanentes ac subinde in Massiliae partibus pro diuersis negotiis ambulantes, ad nostram perduxere notitiam multos consistentium in illis partibus Iudaeorum ui magis ad fontem baptismatis quam praedicatione perductos. Isidor von Sevilla, Historia Gothorum (De origine Gothorum), aera DCL, S. 291 (in Klammern Ergänzungen der Pariser Handschrift): Sisebutus post Gundemarum regali fastigio evocatur, regnans annis VIII mensibus VI. qui in initio regni (sui) Iudaeos ad fidem Christianam permovens aemulationem quidem (Dei) habuit, sed non secundum scientiam: potestate enim conpulit, quos provocare fidei ratione oportuit. sed, sicut scriptum est, sive per occasionem sive per veritatem Christus adnuntietur. fuit autem eloquio nitidus, ‚sententia doctus‘, scientia litterarum ‚ex parte‘ inbutus. Die Zwangsbekehrung der Juden unter Sisebut berichtet auch Ado von Vienne, Chronicon a. 583, Sp. 112 D. Fredegar, Chronicon 4,65, S. 153: Cum esset litteris nimius aeruditus, astralocus effecetur; per quod cernens, a circumcisis gentibus divino noto emperium esse vastandum, legationem ad Dagobertum regem Francorum dirigens, petens, ut omnes Iudeos regni sui ad fidem catolecam baptizandum preciperit. Quod protenus Dagobertus emplevit. Vgl. nahezu wörtlich Chronicon Moissiacense 51, S. 286; später etwa Hermann von Reichenau, Chronicon a. 632, S. 93; Otto von Freising, Chronica 5,9, S. 242.
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Dagoberti, die ansonsten Fredegar folgen, ließ Dagobert, „vom Eifer Gottes geleitet und mit dem Rat der Bischöfe und Weisen“, alle Juden, die die Taufe verweigerten, aus seinem Reich ausweisen.654 In Bourges sei der heilige Sulpicius seiner Vita zufolge derart um das Seelenheil der Christen besorgt gewesen, daß er weder Heiden noch Häretiker noch Juden, die in seiner Stadt wohnten, verschont habe, sondern alle taufen ließ und damit zugleich dem Befehl des Königs Dagobert nachkam, der dafür den Bürgern von Bourges als Belohnung sogar die drückenden Steuern erließ.655 Auch hier erscheint die Handlung den Chronisten vollauf gerechtfertigt (wenngleich sich die Weissagung des Herakleios, sein Reich werde durch Beschnittene bedroht, gar nicht auf die Juden, sondern auf die Sarazenen bezog).656 Unmittelbare Rekurse auf die Judenpolemik der Theoretiker finden sich in solchen Berichten nicht, doch bietet der falsche Glaube der Juden bereits eine (vermeintliche) Legitimierung. Aus den folgenden Jahrhunderten sind entsprechend rigide Maßnahmen gegenüber Juden nur selten bezeugt, obwohl die Polemik, wie oben dargestellt, keineswegs abnimmt und sich, trotz sozialer Ruhe, auch im 9. Jahr-
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Gesta Dagoberti I. regis Francorum 24, S. 409: Rex vero Dagobertus hac occasione nactus et Dei zelo ductus, cum consilio pontificum atque sapientium virorum omnes Iudaeos, qui regenerationem sacri baptismatis suscipere noluerunt, protinus a finibus regni sui pellere iussit. Et rex quidem hoc summo peregit studio. Nach Regino von Prüm, Chronicon a. 605–611, S. 31, hatte schon Herakleios die Alternative Bekehrung oder Ausweisung gefordert: Eo anno legati regis Dagoberti Servatus et Paternus a Constantinopoli regressi sunt, petiitque imperator Dagobertum, ut omnes Iudeos regni sui secundum fidem catholicam baptizare preciperet aut de regno expelleret, siquidem in siderum signis cognoverat, quod a circumcisis gentibus divino nutu eius imperium esset vastandum. Et rex quidem hoc summo peregit studio, sed imperatori non de Iudeis, sed de Sarracenis circumcisis fuerat demonstratum. Vita Sulpicii episcopi Biturigi 4, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 4, Hannover-Leipzig 1902, S. 374f.: Nec hoc pretereundum putavi, quod tempore suo vir sanctus Bethuricas in civitate nullum sinivit nec hereticum nec gentilem aut Iudaeum sine baptismi gratia habitare. Nam cum Iudaei illo e tempore in supradicta urbe esse viderentur, et ille eos sepius blandi aloqueretur [et praedicaret eis] verbum divinum, sicut in euangelio loquitur, quia qui renatus ex aqua et Spiritu sancto non fuerit, regnum Dei non possedebit, et diebus ac noctibus pro eorum conversionem Domini misericordia deprecabatur, illi obtemperantes ei, primo pauci, deinde omnes ad baptismi gratiam in eclesia convenerunt. Qui baptizati ab ipso pontifice, [hodieque] sub christiana traditione degere videntur. Vgl. Kapitel 2.4.b, oben S. 321.
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hundert fortsetzt. Auf der Synode von Erfurt von 932 monierte dann ein Brief des Dogen Petrus Dandianus II. von Venedig, des Patriarchen Marinus von Grado und der Bischöfe von Venedig an Heinrich I., Erzbischof Hildebert von Mainz und die deutschen Bischöfe, daß ein Jude, der in Jerusalem gewesen war, im deutschen Reich nun in figura Antichristi Christus lästerte und sagte, er hätte die Grabeskirche gern in eine Synagoge umgewandelt. „Damals gab es zwischen Christen und Juden nämlich einen Streit, über das jeweilige Gesetz, das sie verehrten.“ Als die Juden die Sarazenen mit Geld anstachelten, um ihren Namen zu erhöhen, verabredeten Christen und Juden, sowohl die Grabeskirche wie die Synagoge zu schließen und den Sarazenen als Wächtern zu übergeben; wem Gott daraufhin Wunder zeigte, dem sollten beide Völker glauben. Als Gott den Tempel und das Grab öffnete, während die Synagoge leer blieb, bekehrten sich viele Juden und wurden getauft. Der Patriarch von Jerusalem unterrichtete daraufhin den Kaiser in Konstantinopel von dem Wunder und bat ihn, ebenfalls alle Juden zu bekehren, wie es dann auch geschah. Wer sich nicht taufen ließ, sollte mit seinen befleckten Händen kein Kreuz mehr berühren dürfen.657 Die Verfas-
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Synode von Erfurt 932, Dokument C, ed. Ernst-Dieter Hehl, MGH Conc. 6,1 (Concilia aevi Saxonici 916–1001), Hannover 1987, S. 113f.: et fortiter sub fidei certamine dimicandum, ne iterum ad damnabilia reducamur peccata, audivimus, ut quidam Iudeus, qui fuerat in Hierosolima, advenisset in regionibus vestris in figura Antichristi et blasphemabat nomen domini nostri Iesu Christi et dicebat magnum scelus de sancto sepulchro, ita ut, si potuisset, evacuaret regnum christianorum et exaltaret sinagogam Iudeorum. […] Fuit namque contentio inter christianos et Iudeos de lege quam colebant. Sed Iudei invidia ducti congregaverunt aurum et dederunt principibus Sarracenorum, ut exaltarent nomen eorum. Christiani vero haec audientes fecerunt placitum cum Iudeis, ut clauderetur sinagoga Iudeorum, similiter clauderetur sanctum sepulchrum domini et ponerent principes Sarracenorum custodes suos, qui custodirent eos, et cui ostenderet deus virtutem et signa, illi de utroque populo crederent. Facta denique oratione christianorum aperuit deus templum et sanctum sepulchrum […]. Sinagoga vero Iudeorum vacua et inanis remansit. Hebrei vero confusi propter mirabilia domini nostri Iesu Christi, quae viderant, crediderunt et baptizati sunt. Inde vero Hierosolimitanus patriarcha suas literas et legatum suum Constantinopolim ad Romanum direxit imperatorem et omnia innotuit, quae deus ostendere dignatus est, commonendo, ut sicut Ierosolima omnes Iudei christiani facti sunt, ita et in suum imperium omnes Iudeos ad Christi fidem converteret. Quod vero ipse imperator (audiens) omnes Iudeos baptizari iussit, et ipsi Hebrei mirabilia dei audientes spontanea voluntate crediderunt et baptizati sunt. […] Si quis vero Hebreus baptizari noluerit, precipite, ut signum crucis in nullo metallo nec in ullo drappo aut aliqua spetie in vestro regno suis pollutis manibus contingat […].
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ser des Briefs forderten nun König und Bischöfe auf, die im Reich lebenden Juden ebenfalls zur Taufe oder zum Verlassen des Reiches zu veranlassen, wie es auch der byzantinische Kaiser getan hatte. Weitere Gewaltmaßnahmen sind aber nicht bezeugt. Trotz solcher, vereinzelter Vorfälle im 10. und dann im Frankreich des 11. Jahrhunderts, wo es vor allem 1010 in Orléans vor dem Hintergrund der Zerstörung der Grabeskirche in Jerusalem zu Ausschreitungen kam,658 sind die Juden von den Pogromen vor dem Ersten Kreuzzug daher völlig überrascht worden. Während die Vorgänge von 1096 selbst gründlich untersucht sind,659 ist dem Judenbild der Autoren kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden. Hier scheint es nun bezeichnend, daß die Chronisten in der Regel ohne Sympathie für die Juden berichten, obwohl die Bischöfe die Juden teilweise zu schützen suchten oder sich zumindest zurückhaltend verhielten.
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Vgl. Rodulf Glaber, Historiae 3,24 (oben Anm. 356). Einzelne Ausschreitungen gab es auch weiterhin. So fielen Juden 1049 in Lyon Unruhen zum Opfer. Ähnlich den Vorfällen vor dem Ersten Kreuzzug überfielen im Jahre 1063 französische Krieger, die auf dem Weg nach Spanien waren, um gegen die Muslime zu kämpfen, jüdische Gemeinden in Südfrankreich. Vgl. Helmut Greive, Die Juden. Grundzüge ihrer Geschichte im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa (Grundzüge 37), Darmstadt 1980, S. 65. Zu den Vorfällen während des Ersten Kreuzzugs vgl. die in Anm. 12 genannte Literatur. Ferner: Hannes Möhring, Graf Emicho und Judenverfolgungen von 1096, in: Rheinische Vierteljahresblätter 56, 1992, S. 97–111; Robert Chazan, In the year 1096. The First Crusade and the Jews, Philadelphia 1996; Ders., The Anti-Jewish Violence of 1096: Perpetrators and Dynamics, in: Abulafia (Hg.), Religious Violence S. 21–43; Ders., Christian and Jewish Perceptions of 1096: A Case Study of Trier, in: Jewish History 13,2, 1999, S. 9–22; Benjamin Z. Kedar, Crusade Historians and the Massacres of 1096, in: Jewish History 12,2, 1998, S. 11–31; Gerd Mentgen, Kreuzzüge und Judenpogrome, in: Hans-Jürgen Kotzur (Hg.), Die Kreuzzüge: Kein Krieg ist heilig, Mainz 2004, S. 64–75; David Nirenberg, The Rhineland Massacres of Jews in the First Crusade: Memories Medieval and Modern, in: Gerd Althoff/Johannes Fried/Patrick J. Geary (Hg.), Medieval Concepts of the Past: Ritual, Memory, Historiography (Publications of the German Historical Institute), Washington, D.C-Cambridge 2002, S. 279–309. Zu den Zwangstaufen vgl. Friedrich Lotter, „Tod oder Taufe“. Das Problem der Zwangstaufen während des Ersten Kreuzzugs, in: Haverkamp (Hg.), Juden und Christen S. 107–152; Benjamin Z. Kedar, The Forcible Baptism of 1096. History and Historiography, in: Enno Bünz/ Karl Borchardt (Hg.), Forschungen zur Reichs-, Papst- und Landesgeschichte. Peter Herde zum 65. Geburtstag von Freunden, Schülern und Kollegen dargebracht, Teil 1, Stuttgart 1998, S. 187–200.
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Die Stellungnahme gerade Frutolfs von Michelsberg, der in seinem sehr zeitnahen Bericht von den „verfluchten Überresten der Juden als den in Wahrheit inneren Feinden der Kirche“ spricht,660 ist überdeutlich. Für Cosmas von Prag fiel man im Rückblick „mit Erlaubnis Gottes“ über die Juden her und tötete alle, die sich nicht taufen lassen wollten.661 Cosmas erblickt darin offenbar kein Vergehen, sondern läßt Bischof Hermann von Prag noch auf seinem Sterbebett darüber klagen, daß es ihm als Bischof nicht gelungen sei, die getauften Juden davor zu bewahren, wieder zum Judentum abzufallen. Bereits getaufte, rückfällige Juden sind für ihn Apostaten.662 Eine vorsichtige Kritik findet sich in den zeitnahen Quellen nur bei Albert von Aachen, der „nicht weiß“, ob die Judenverfolgungen „nach Gottes Ratschluß oder aus irgendeiner Verirrung des Geistes“ resultieren.663 Später kommentiert Wilhelm von Tyrus die Verfolgungen durch Christen, die eigentlich in Gottesfurcht und für Christus die Pilgerfahrt hätten antreten sollen, mit den Worten: „sie bekehrten sich zum Wahnsinn“.664 Im Blick auf die feste Überzeugung des eigenen richtigen Glaubens zeigen die Chronisten, sofern sie es überhaupt ansprechen, auch keinerlei Verständnis für die jüdische Reaktion, sich lieber selbst gegenseitig umzubringen als vom Judentum abzufallen und sich taufen zu lassen,665 wenn-
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Frutolf von Michelsberg, Chronicon a. 1096 (oben Anm. 226). Cosmas von Prag, Chronicon 3,4, S. 164f.: permittente Deo irruerunt super Iudeos et eos invitos baptizabant, contradicentes vero trucidabant. Bischof Cosmas erkannte darin allerdings einen Verstoß gegen die kanonischen Statuten und versuchte das zu verhindern. Ebd. 3,49, S. 222: Apostraticem gentem dico Iudeos, qui per nostram negligentiam post baptismum relapsi sunt in Iudaismum. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 1,26, S. 50: Vnde nescio si uel Dei iudicio ut aliquo animi errore spiritu crudelitatis aduersus Iudeorum surrexerunt populum. Zum Bericht Alberts von Aachen vgl. Dietrich Lohrmann, Albert von Aachen und die Judenpogrome des Jahres 1096, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 100, 1995/96, S. 129–151. Wilhelm von Tyrus, Chronicon 1,29, S. 156: unde factum est ut, cum in timore Domini iter debuissent inceptum peragere et divinorum memores mandatorum, observata evangelica disciplina, pro Christo peregrinari, converterunt se ad insanias et Iudeorum populum in civitatibus et opidis, per que erat eis transitus, nil tale sibi verentem et se habentem incautius crudeliter obtruncabant. Selbst Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 1,27, S. 52, der das Vorgehen der Christen kritisiert, bezeichnet es bereits als Sünde, über den Selbstmord der Juden
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gleich das erst als allerletztes Mittel angewandt wurde, nachdem Flucht, Asyl bei den Obrigkeiten und Geldzahlungen nichts nutzten. Die jüdischen Quellen666 feiern hingegen gerade dieses Verhalten als religiöses Opfer für Gott, zur Heiligung des Gottesnamens nach dem Vorbild Abrahams und Isaaks und zur jüdischen Selbstfindung.667 Ob die Vorgänge von 1096 allerdings einen Wendepunkt im Verhältnis von Christen und Juden bedeuten, wird noch diskutiert.668 Für das Judenbild, das zwar nur in wenigen Äußerungen erkennbar ist, sich aber in die traditionellen Vorstellungen einordnet, gilt das ganz sicher nicht. So wenig Verständnis die Autoren auch für den Unglauben der Juden aufbringen, wird das Töten von Juden, gerade aus den Erfahrungen des Ersten Kreuzzugs heraus, vielmehr untersagt. Bernhard von Clairvaux ruft in einem Brief an Klerus und Volk in Ostfranken und Bayern, den Otto von Freising dann zitiert, zum Kreuzzug auf, verbietet
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zu berichten: quod dictu nefas est. Zur verzerrten Wahrnehmung des Vorgangs vgl. Israel Yuval, Vengeance and Damnation, in: Zion 58, S. 33–90 (hebräisch). Zu den nachträglich verfaßten, jüdischen Berichten Salomos bar Simson, Eliesers bar Nathan und des Mainzer Anyonymus vgl., mit Edition und Übersetzung: Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des Ersten Kreuzzugs, ed. Eva Haverkamp, MGH Hebräische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland 1, Hannover 2005. Zu Quellen und Selbstmord (Kiddusch ha-Shem) vgl. Anna Sapir Abulafia, Invectives against Christianity in the Hebrew Chronicles of the First Crusade, in: Dies., Christians and Jews in Dispute S. 66–72; Robert Chazan, The First Crusade as Reflected in the Earliest Hebrew Narrative, in: Viator. Medieval and Renaissance Studies 29, 1998, S. 25–38; Avraham Grossman, The Cultural and Social Background of Jewish Martyrdom in Germany in 1096, in: Haverkamp (Hg.), Juden und Christen S. 73–86; Simha Goldin, The Socialisation for Kiddush ha-Shem among Medieval Jews, in: JMH 23, 1997, S. 117–138; Jeremy Cohen, Sanctifying the Name of God. Jewish Martyrs and Jewish Memories of the First Crusade (Jewish culture and contexts), Philadelphia 2004; Ders., A 1096 complex? Constructing the First Crusade in Jewish historical memory, medieval and modern, in: Signer/van Engen (Hg.), Jews and Christians S. 9–26; Lena Roos, „God wants it!“. The Ideology of Martyrdom of the Hebrew Crusade Chronicles and Its Jewish and Christian Background, Diss. Uppsala 2003; Norman Simms, The Unspeakable Agony of Kiddush ha-shem: Forced Jewish Infanticide during the First and Second Crusades, in: Medieval History Journal 3, 2000, S. 337–362. Kritisch zu dieser verbreiteten These äußert sich, meines Erachtens zu Recht, etwa Robert Chazan, From the First Crusade to the Second: Evolving Perceptions of the Christin-Jewish Relations, in: Signer/van Engen (Hg.), Jews and Christians S. 46–62.
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aber ausdrücklich, Juden zu töten, weil sie Zeugen der Passion Christi sind.669 Weder Kirchenrecht noch Kreuzzugspropaganda rechtfertigen Judenmord und Zwangstaufe. Beides wird vielmehr verurteilt.670 Dennoch darf man nach Gratian auch von dem unfreiwillig angenommenen Glauben nicht wieder abweichen671 (was Heinrich IV den zwangsbekehrten Juden allerdings gestattet hatte).
9. Fazit: Das christliche Judenbild zwischen Apologetik und Koexistenz Das Verhältnis der katholischen Christen des Abendlandes gegenüber den Juden unterscheidet sich gegenüber dem Islam von vornherein in doppelter Weise: Juden teilen mit den Christen den Glauben an denselben Gott und an das Alte Testament, und sie leben als religiöse Minderheit mitten unter ihnen. Das bedeutet Kontakt und Zusammenleben ebenso wie die höhere Notwendigkeit einer Abgrenzung, die bis zur Anfeindung reichen kann. Die (religiöse) Einordnung der Juden erweist sich dabei ebenfalls als komplex und ist keineswegs nur einseitig zu sehen,672 wenngleich insgesamt wohl geradliniger als gegenüber dem Islam. Belege für ein vielschichtiges Verhältnis, wie sie Gilbert Dahan in der Hagiographie vorfindet, belegen auch die anderen Quellen: von ausgesprochener Judenfreundschaft und friedlicher
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Bernhard von Clairvaux, ep. 363,6, S. 316: Deus […] ostendit mihi super inimicos meos, ne occidas eos (Jes 61,2). […] Vivi quidam apices nobis sunt, repraesentantes iugiter dominicam passionem. Vgl. Otto von Freising, Gesta Frederici 1,43, S. 214: In quibus et circa eandem oratorum more vel ordine versatur materiam, et quod Iudei non sint occidendi, ratione probat et auctoritate. Zur differenzierten Sicht Bernhards gegenüber den Juden vgl. Chazan, Medieval Stereotypes S. 41–52; Schreckenberg II S. 168–178. So Rudolf Hiestand, Juden und Christen in der Kreuzzugspropaganda und bei den Kreuzzugspredigern, in: Haverkamp (Hg.), Juden und Christen S. 153–208. Gratian, Decretum p. 1, dist. 45, can. 4, S. 161: Iudei non sunt cogendi ad fidem, quam tamen si inuiti susceperint, cogendi sunt retinere. Zum vielschichtigen Judenbild auch der spätmittelalterlichen deutschen Literatur vgl. Knoch-Mund, Judenbild, zusammenfassend S. 48ff. Der Jude als Typus erscheint hier als geizig, klug, schlau, vorsichtig, geprägt von rationalem Denken und geübt in der Kunst des Argumentierens, aber auch als mächtig, neidisch und unbeherrscht (ebd. 34f.).
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Koexistenz über Spannungen bis hin zu Auseinandersetzungen und massiven Einschränkungen der Religionsausübung, Zwangsbekehrungen, Ausweisungen und regelrechten Pogromen.673 Die Bewertungen reichen entsprechend von freundlich oder neutral bis zur absoluten Abweisung und Diffamierung. Zwar schwingt, anders als bei den Sarazenen, eine religiöse Implikation der Judenterminologie in aller Regel stets mit, doch auch hier sind weder die Terminologie noch der Kontext durchweg religiös, sondern auch ethnisch und sozial geprägt, und sie sind auch nicht durchgängig abwertend. Juden werden vielmehr in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen erwähnt, die zugleich die engen Kontakte zwischen Juden und Christen belegen.674 Hat man in der Forschung vielfach, aber je nach Zeit unterschiedlich, entweder die verbindenden oder die trennenden Elemente zwischen Christen und Juden betrachtet,675 so ist für ein Gesamtbild beides zusammenzusehen. Infolge solch enger Kontakte und eines (nach dem Zeugnis Agobards von Lyon) zeitweise ausgesprochen engen Zusammenlebens ist das Wissen über die Juden und ihre Religion,676 ganz anders als gegenüber dem Islam, vergleichbar jedoch dem christlichen Wissen im islamischen Spanien über den Islam, erheblich größer und vor allem detaillierter als über Heiden und 673
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Vgl. Dahan, Saints, der bei der Auswertung der frühmittelalterlichen Hagiographie in seiner „Étude historique“ (S. 624–633) Belege für eine „coéxistence pacifique“ (ebd. S. 626–629) ebenso vorfindet wie Spannungen (ebd. S. 630f.) und Kontroversen (ebd. S. 631ff.). Die Spannbreite in der Hagiographie reicht von Verfolgern und Märtyrern zu Freundschaften, die Beschreibungen sind teils neutral, teils aktiv, teils passiv. Dahans „Étude ideólogique“ (ebd. S. 634–642) zeigt ein entsprechend widersprüchliches Judenbild (zwischen negativ und positiv). Vgl. schon Blumenkranz, Patristik und Frühmittelalter S. 132: „Was dürfen wir nunmehr als Ergebnis unserer raschen Übersicht […] verzeichnen? Vorerst die Feststellung, daß der theologische Gegensatz allein durchaus nicht notwendig in Feindschaft ausmünden mußte. Lange Epochen friedlichen Zusammenlebens sind der Beweis dafür, ohne daß jeweils darum die theologischen Ansprüche im geringsten verwässert worden wären […]. Gleichzeitig kam es häufig genug dazu, daß im Inneren des Christentums jede Sonderrichtung […] auf unnachsichtigste Weise mit Feuer und Schwert verfolgt wurde.“ Das betont Przybilski, Kulturtransfer zwischen Juden und Christen S. 35ff. Przybilski (ebd. S. 103–117) zeigt den Einblick in den jüdischen Glauben am Beispiel des Petrus Alfonsi und Hermannus Iudaeus auf, bei denen das, als zum Christentum konvertierten Juden, zwar wenig überrascht, doch ist dabei auch die Wirkung ihrer Schriften zu berücksichtigen.
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Muslime. Das konnte bis zu wechselseitigen Konversionen führen. Erneut ist dieses Wissen allerdings weder durchweg sichtbar, noch bedeutet besseres Wissen bereits Verständnis für die andere Religion.677 Vielmehr scheint dieses Wissen mit entsprechender Tendenz fast durchweg in der (polemischen) Auseinandersetzung mit dem jüdischen Glauben auf, bleibt hier zudem auf bestimmte Aspekte beschränkt und wird folglich gerade in diesen Kontexten angewandt: Bei allem Wissenstransfer bleibt es das Ziel, die Kultur bzw. weit mehr, die Religion des Anderen öffentlich abzuwerten und zu widerlegen.678 Dabei werden die heilsgeschichtliche Rolle des Volkes Israel in vorchristlicher Zeit, der Gesetzescharakter des Alten Testaments und damit die figürlich-allegorische Bedeutung der biblisch-jüdischen Geschichte durchaus anerkannt,679 doch sind sie längst durch Christus als Erfüllung der Prophezeiungen des Alten Testaments und durch die Christen abgelöst worden und daher „überholt“: Das Judentum (ohne Volk, ohne König, ohne gemeinsame Geschichte) wird zum Anachronismus des Weltgeschehens.680 Waren die Juden des Alten Testaments das Gottesvolk, so sind sie mit und nach dem Neuen Testament Gott entfremdet681 und seither falschgläubig.682 Die Juden verbleiben auf der Stufe des Gesetzes und werden von der neuen Epoche der (christlichen) Gnade nicht erreicht. Sie haben sich „vom Ebenbilde Gottes zum Werkzeug Satans“ gewandelt.683 Die Diaspora der über alle Gegenden verteilten Juden, die ihr politisches, kulturelles und religiöses Zentrum mit der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. verloren haben, gilt als der historische Beweis dieser Tatsache und wird daher gerade als Gottesstrafe für die mangelnde Einsicht gedeutet.684 677
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Das klingt bei Yuval, Zwei Völker in deinem Leib, an. Yuval spricht zwar von „gegenseitiger Wahrnehmung“, behandelt vor allem aber die Aufnahme christlichen Gedankenguts seitens der Juden. So Przybilski, Kulturtransfer zwischen Juden und Christen S. 284. Vgl. dazu auch Haeberli, Der jüdische Gelehrte S. 295–299. Zum Vorwurf, die Juden hingen einer veralteten Religion an, vgl. auch ebd. S. 27. „Im Disput sind die Juden jeweils hervorragend gebildet, doch als Anhänger des überholten Zeitalters sub lege ist ihre Gelehrsamkeit nutzlos“ (ebd. S. 298). Ebd. S. 45ff. Ebd. S. 57ff. So Patschovsky, Feindbilder S. 357. Vgl. etwa Hugo von Fleury, Historia ecclesiastica S. 353: Erumpnas quoque Iudaici populi, quas pro suis impietatibus passi sunt et quibus propagantibus christianismus per orbem diffusus sit, scribere procuravi.
9. Fazit: Das christliche Judenbild zwischen Apologetik und Koexistenz
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Sind die abendländische Einstellung und das Verhalten gegenüber den Juden an sich und deren Bewertung demnach noch als sehr unterschiedlich einzustufen, so wird die jüdische Religion durchweg verurteilt und bekämpft: durchgängig in Worten, immer wieder aber auch in Taten. In religiösen Traktaten wie auch in sogenannten Religionsgesprächen (in denen der Jude in der Regel aber kaum mehr ist als Stichwortgeber für die christliche Argumentation) wird das Judentum als falsche Religion und als Unglaube verurteilt. Solche Auseinandersetzungen erwecken durchaus den Eindruck, daß Juden „the object of considerable popular antipathy“ waren.685 Die Judenfrage, so Schreckenberg, bleibt letztlich ein unbewältigtes Problem des christlichen Selbstverständnisses.686 Die wesentlichen, immer wiederkehrenden Vorwürfe gegenüber Juden bestehen in dem mangelnden Glauben an die Gottheit Christi und an die Trinität (mit den zugehörigen Implikationen: der Jungfrauengeburt, der Passion und der Auferstehung). Das resultiert wiederum aus einer ausschließlich wörtlichen Bibelauslegung, welcher der allegorische Sinn folglich verborgen bleibt.687 Den Juden wird daher (in dieser Perspektive folgerichtig) Blindheit und Dummheit oder Verstandeslosigkeit vorgeworfen, weil sie die Gottheit Christi nicht sehen und erkennen (wollen). Daraus erwächst nun der andere gewichtige Vorwurf, die Blasphemie, weil die Juden durch die Leugnung der Trinität ständig Gott beleidigen. Aus der wörtlichen Bibelauslegung folgt gleichzeitig ein Festhalten an den alten, jetzt eben nicht mehr gültigen Riten, wie dem Passahfest, der Beschneidung oder den Speisevorschriften, die durch Christus längst durch das Osterfest, die Taufe und die Eucharistie abgelöst worden sind. Hier berühren sich deutlich heilsgeschichtliche Wertung und antijüdische Einstellung. Die Auseinandersetzungen mit der jüdischen Religion kreisen fast ausschließlich um solche Fragen.688 Sie spiegeln daher nicht eigentlich eine Aus-
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So Chazan, Medieval Stereotypes S. 17. Schreckenberg I S. 572. Mit Hugo und Andreas von St. Viktor gewann aber auch in der christlichen Exegese die wörtliche Auslegung wieder an Bedeutung. Vgl. Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung S. 215–230 (zu Hugo) und S. 231–234 (zu Andreas). Wenn Resnick, Marks of Distinction, besonders S. 268–319, in einem interessanten Ansatz nach antisemitischen Indizien etwa in Form physiognomischer Merkmale sucht, dann bleiben solche Spuren doch höchst marginal gegenüber den wahrgenommenen religiösen Differenzen.
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Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
einandersetzung mit dem jüdischen Glauben wider,689 sondern sind aus dem Bemühen erwachsen, diesen mit logischen Argumentationen und der Autorität des – allerdings eben allegorisch ausgelegten – Alten Testaments als Irrund Unglauben zu erweisen und zu widerlegen. Dahinter mag durchaus eine Bekehrungsabsicht stehen, die viele Religionsgespräche auch explizit ansprechen und die in den Bekehrungs- und Zwangsbekehrungsversuchen eine konkrete Realisierung findet. Doch erwachsen die Diskussionen nicht minder aus der Absicht, den eigenen, christlichen Glauben gerade in seinen – ja besonders heiklen – Kernpunkten, der Göttlichkeit Christi und der Trinität des einen Gottes in drei Personen, zu rechtfertigen und zu untermauern.690 „Theologische Traktate vom Judentum [dienen] weniger oder gar nicht der Judenmission, vielmehr vor allem der Entwicklung des eigenen christlichen Standpunktes in der verteidigenden Auseinandersetzung mit dem Gegner.“691 Sie richten sich also durchaus an eine christliche Leserschaft. Man wird deshalb bezweifeln dürfen, ob „the confrontation between the religions was first and foremost a historical process of alienation and antagonism rather than a dogmatic-theological clash of beliefs“.692 Die Polemik ist vielmehr aus der Abweisung jüdischen Unglaubens, aus dem Bemühen um christliche Selbstdarstellung des eigenen Glaubens, aber auch defensiv aus einer Verteidigung gegenüber jüdischen Vorwürfen, etwa der Vielgötterei und der Bilderverehrung, erwachsen. Daß das Judentum als Religion immer auch als eine – gewiß eher ideologische als reale – Gefahr betrachtet wurde, zeigen die Aufregung um die vereinzelten Konversionen von Christen zum Judentum, die, ob tolerant oder restriktiv, stets darauf bedachte Gesetzgebung, jüdischen Einfluß auf Christen und damit die Möglichkeit solcher Konversionen zu unterbinden, oder die gegen ein zu enges Zusammenleben gerichteten Invektiven eines Agobard von Lyon (obwohl die jüdische Min-
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Deshalb kann Dahan, Les intellectuels S. 538, folgern, die Kenntnis des Judentums sei letztlich sehr oberflächlich geblieben. Die „question juive“ habe bei den Denkern des Mittelalters keine große Rolle gespielt (ebd. S. 583f.). In diesem Sinn auch Chazan, Medieval Stereotypes S. 78–85: Festigung der eigenen Identität. Chazan benennt aber auch ein „Concern with Otherness“ als Motiv (ebd. S. 85–88). So Schreckenberg I S. 564. So Funkenstein, Perceptions of Jewish History S. 170.
9. Fazit: Das christliche Judenbild zwischen Apologetik und Koexistenz
569
derheit nicht wirklich eine Gefahr darstellte).693 Jüdische Erfolge werden aber als Gefahr für den göttlichen Heilsplan angesehen. Sind Eigenleben und Eigenwert der Juden und ihrer Religion den christlichen Autoren durchaus bewußt, so hat die antijüdische Polemik gerade diesen – dem christlichen eigentlich nahestehenden – Glauben besonders heftig als falsch gebrandmarkt: Juden werden durchweg als Ungläubige gesehen und bezeichnet (und rücken damit doch wieder nah an andere nicht-christliche Religionen heran, von denen sie grundsätzlich abgehoben werden). Auch wenn sie weder als Heiden noch als Muslime (trotz mancher Ähnlichkeiten mit den letzteren) noch als Häretiker wahrgenommen werden und man deshalb „immer […] ausdrücklich zwischen Heiden, Juden und Häretikern“ unterschieden hat,694 gelten sie doch als genauso ungläubig und dem Teufel verfallen wie alle anderen auch. Darüber hinaus sind die Juden vor allem selbst für ihren Unglauben verantwortlich, da ihnen die Wahrheit durch die Propheten (aus christlicher Sicht) klar offenbart worden war. Das macht sie schuldig und wertet sie gegenüber Heiden und anderen Religionen sogar noch ab. Eine solche Einstellung wirkt zweifellos auf das Verhältnis zwischen Juden und Christen zurück. Ob gewollt oder nicht, liefert die antijüdische Polemik – Abulafia spricht von einer „intellektuellen Marginalisierung der Juden“695 – in gewisser Weise, wenn nicht eine Rechtfertigung, so doch eine 693
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Das betont Abulafia, The ars disputandi of Gilbert Crispin S. 152: Eigentlich hatten die Christen nichts von der jüdischen Minderheit zu fürchten, die aber doch als Gefahr gesehen wurde. Daß Juden als Gefahr und Herausforderung empfunden wurden, bekräftigt auch Robert Chazan, Jews of Medieval Western Christendom, 1000–1500, Cambridge 2006, S. 70ff., materiell (Kapitel 6, S. 209–242) ebenso wie spirituell (Kapitel 7, S. 243–283). Chazan will demgegenüber zeigen, daß Juden nicht „disruptive and harmful“ waren (so zusammenfassend S. 285), sondern auch willkommen. Es gab Kontakte, zunehmend aber auch Anfeindungen und Verfolgungen. Nach Chazan, Medieval Stereotypes S. 129–134, war der Grad antijüdischer Einstellungen geradezu abhängig von der Größe der Gefahr, die von Juden ausging. Da das allerdings auch subjektivem Empfinden entspricht (wie bei Agobard), wird man daraus keine durchgängig gültige Formel ableiten können. Funkenstein, Juden, Christen und Muslime S. 35f., schließt aus der – nach innen gerichteten – antijüdischen Polemik, daß die Juden ein theologisches Problem darstellten, obwohl vom Judentum keine akute Gefahr mehr ausging. So Awerbuch, Christlich-jüdische Begegnung S. 78. Abulafia, Christians and Jews in the Twelfth-Century Renaissance S. 133: „intellectual marginalization of Jews“.
570
Kapitel 3: Die Wahrnehmung der Juden
ideologische Grundlage der von Zeit zu Zeit einsetzenden und manchmal massiven Ausschreitungen,696 auch wenn sie nicht unmittelbar dazu aufruft, sondern oft (und selbst bei Agobard) verurteilt wird. Zumindest eine Zwangsbekehrung wird aber von vielen Autoren gutgeheißen. Umgekehrt darf nicht übersehen werden, daß die der jüdischen Religion gegenüber so feindlich eingestellten Schriften vielerorts und zu manchen Zeiten eine bis zu judenfreundlicher Gesinnung reichende Einstellung im jüdisch-christlichen Zusammenleben keineswegs behindert haben (und manchmal, wie bei Agobard, auch erst deren reaktionäre Folge sind). Eine theologische Verurteilung der Juden macht den Autor, wie Haeberli feststellt, weder zwangsläufig zum „Judenfeind“, noch bedeutet ein Einlassen auf Glaubensdiskussionen umgekehrt eine Anerkennung der Religion.697 Diese Ambivalenz begegnet durchgängig. Eine Verschlechterung der Einstellung gegenüber Juden im und seit dem 12. Jahrhundert, wie sie in der Forschung gern und häufig vertreten wird698 – Dominique Iogna-Prat spricht geradezu von einem „tournant racial“ –,699 bestätigt das Judenbild selbst nicht wirklich (und nicht zufällig
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Einen – allerdings nicht offensichtlichen – Zusammenhang sieht auch Anna Sapir Abulafia, The Intellectual and Spiritual Quest for Christ and Central Medieval Persecution of Jews, in: Dies. (Hg.), Religious Violence S. 61–85, die zudem Parallelen zwischen der intensivierten Kirchenreform und einer wachsenden Verfolgung beobachten möchte. Haeberli, Der jüdische Gelehrte S. 68. Vgl. etwa Anna Sapir Abulafia, Christen und Juden im hohen Mittelalter: Christliche Judenbilder, in: Cluse (Hg.), Europas Juden im Mittelalter S. 33–44: Verschärfung der christlichen Haltung gegenüber Juden gegen Ende des 11. Jahrhundert; Chazan, Medieval Stereotypes S. 57: „Deteriorating image of the Jews“; ebd. S. 58– 73 (Kapitel 4: „Intensified Perceptions of Jewish Enmity: Principal themes“); ebd. S. 74–94 (Kapitel 5: „The Deteriorating Jewish Image and Its Causes“). Zu den Auswirkungen solcher Verschlechterung auf die Kirchenpolitik vgl. ebd. S. 95–105 (Kapitel 6: „The Deteriorating Jewish Image and Its Effects: Ecclesiastical Policies“), auf die weltlichen Mächte ebd. S. 110–124 (Kapitel 7: „The Deteriorating Jewish Image and Ist Effects: The Temporal Authorities“). Von einer deutlichen Verschlechterung im Verlauf des Mittelalters spricht auch Haeberli, Der jüdische Gelehrte S. 298. Elukin, Living together, unterscheidet ein durch convivencia, nämlich kulturelle und soziale Integration gekennzeichnetes früheres von einem durch Gewalt und Vertreibung geprägten Spätmittelalter. Zur Diskussion solcher Thesen vgl. Toch, Juden im mittelalterlichen deutschen Reich S. 110–120. Iogna-Prat, Ordonner et exclure S. 321f.
9. Fazit: Das christliche Judenbild zwischen Apologetik und Koexistenz
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hatte Johannes Heil eine solche Verschlechterung bereits im Verlauf des 9. Jahrhunderts festgestellt). Trotz einzelner Schärfen (wie bei Petrus Venerabilis) bleiben die Argumente letztlich dieselben (wie sich gerade aus einem Vergleich des von Gregor von Tours überlieferten Religionsgesprächs des 6. mit den Gesprächen des 12. Jahrhunderts ergibt). Wenn Robert Chazan resümiert, daß „every new stage in the evolution of anti-Jewish thinking is marked by dialectical interplay between a prior legacy of negative stereotypes and the realities of a new social context“,700 dann weist das trotz der hier postulierten, stufenweisen Entwicklung letztlich in dieselbe Richtung: nämlich eher einer insgesamt durchgängigen, allerdings schwankenden Einstellung als einer stufenweisen Eskalation des „dialectical interplay“. Die Annahme fehlender Judenfeindschaft im frühen Mittelalter erscheint vor diesem Hintergrund ebenso falsch oder einseitig wie die These einer starken Verschärfung im Zeitalter der Kreuzzüge.
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Chazan, Medieval Stereotypes S. 135.
Kapitel 4
Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
1. Zur Erforschung der Häresien und ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung Nur scheinbar (und anfangs) anders als mit den übrigen Religionen verhält es sich mit den christlichen Häresien. Der vom griechischen ‘airesiv abgeleitete, zunächst wertneutrale Begriff heißt eigentlich „Wahl“ oder „Auswahl“ und wurde erst in christlicher Zeit, etwa in der vor allem gegen die Gnosis gerichteten Schrift „Contra haereses“ des Irenäus von Lyon, auf Glaubenslehren bezogen.1 Da das Neue Testament keinerlei verbindliche Dogmatik hinterlassen hatte, mußte es zwangsläufig zu verschiedenen Interpretationen kommen, die zunächst sämtlich innerhalb der Kirche diskutiert, approbiert oder aber verworfen wurden. Dadurch bildeten sich unterschiedliche Glaubensrichtungen aus, die sich selbst jedoch als christen- und kirchengemäß betrachteten und die in den trinitarischen (Arianer) und christologischen Streitigkeiten (Monophysiten) der Spätantike ihren Höhepunkt erreichten. Solche Herausforderungen führten zu Kontroversen und Auseinandersetzungen, in denen man, zunächst noch offen, um den richtigen Glauben rang. Man denke nur an Augustins Auseinandersetzung mit dem Manichäismus, dem er selbst eine Zeitlang nahestand. Im Verlauf der Debatten schufen die Kirchenväter, vor allem Augustin, in ihren Traktaten überhaupt erst eine feste Lehre und eine – fortan gültige – rechtgläubig-
1
Zum Ursprung des Begriffs und zu den frühesten Häresien vgl. Einar Thomassen, Der Ursprung des Ketzerbegriffes und die ersten Ketzer, in: Thomas Hägg (Hg.), Kirche und Ketzer. Wege und Abwege des Christentums, Köln-Weimar-Wien 2010 (aus dem Norwegischen übersetzt von Frank Zuber), S. 15–39 (zuerst erschienen unter dem Titel Kjetterne og kirken fra antikken til i dag, Oslo 2008).
574
Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
christliche Dogmatik.2 Erst mit einer sich verfestigenden Dogmatik der katholischen Lehre in der Patristik aber wurden die davon abweichenden Lehren endgültig (und dann auch rückblickend) zu häretischen Irrlehren. (So etwa läßt sich das bis heute keineswegs eindeutig abgrenzbare Phänomen „Häresien“3 in seinem Kern und in seiner Entwicklung historisch beschreiben.) Später wandten sich einzelne Häresien selbst von der Kirche ab (wie die Katharer), andere wurden – gegen ihre Absichten – ausgeschlossen (wie die Waldenser). Langfristigen Erfolg hatten sie letztlich nur noch dort, wo sie eine eigene kirchliche Organisation aufbauen konnten (wie anfangs die Arianer oder später die Katharer oder die monophysitischen Richtungen des Orients). Die Art der Glaubensabweichungen sowie Ursachen und Hintergründe der Entfremdung von der Amtskirche sind tatsächlich vielfältig,4 und eine eindeutige Definition von „Häresie“ wird kaum oder nur auf allgemeiner Ebene gelingen. Wenn man Häresien allerdings als einen gescheiterten Versuch definiert hat, Christentum und Philosophie zu harmonisieren,5 dann erfaßt eine solch enge Definition nur einen, wenngleich nicht unwichtigen Teil möglicher häretischer Lehren, soweit sie nämlich philosophischen Ursprungs waren. Zudem erwächst die Häresie hier (wie auch sonst) nicht aus einer Harmonisierung mit der Philosophie, sondern aus dem Scheitern, 2
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5
Zum Rückgriff auf die spätantike Rechtsterminologie bei der patristischen Abgrenzung von Orthodoxie und Häresie vgl. Caroline Humfress, Orthodoxy and the Courts in Late Antiquity, Oxford 2007, S. 215–268. Zur frühen Häresiegesetzgebung vgl. Nicole Zeddies, Im Prokrustesbett der Juristen. Häresiegesetzgebung in der Spätantike und im frühen Mittelalter, in: Auffarth (Hg.), Religiöser Pluralismus im Mittelalter S. 59–77. Zur Entwicklung und Kritik des Begriffs aus moderner (evangelischer) Sicht vgl. Johannes Wirsching, Kirche und Pseudokirche. Konturen der Häresie, Göttingen 1990, S. 104–140, der auf die mangelnde Deutlichkeit (S. 104ff.) und die Vielfalt des Häresiebegriffs (S. 109ff.) hinweist. Gillian R. Evans, A Brief History of Heresy (Blackwell brief histories of religion), Malden-Oxford-Victoria 2003, unterscheidet prinzipiell zwei Hauptlinien der Abgrenzungen von der Orthodoxie: durch den Glauben (Kapitel 2, S. 23–46) und durch die Ordnung (Kapitel 3, S. 47–64). So Gerard Verbeke, Philosophy and Heresy: Some Conflicts between Reason and Faith, in: Willem Lourdaux/Daniel Verhelst (Hg.), The Concept of Heresy in the Middle Ages (11th–13 th C.). Proceedings of the International Conference Louvain May 13–16, 1973 (Mediaevalia Lovaniensia Series I Studia 4), Leuven-Den Haag 1976, S. 172–197, hier S. 197.
1. Zur Erforschung der Häresien und ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung
575
denn auch die christliche Doktrin der Kirchenväter war letztlich nichts anderes als eine Harmonisierung biblischer und (griechisch-römischer) weltlich-philosophischer Vorstellungen. Mit einer solchen Charakterisierung wiederum werden folgerichtig die erfolgreichen, nicht gescheiterten Versuche zur Norm erhoben. Aus theologisch-kirchengeschichtlicher Perspektive mag man die Abgrenzung von Häresien daher an deren falscher Lehre messen. Aus geschichtswissenschaftlicher Sicht mißt sich das „Scheitern“ jedoch nicht an theologischen Kriterien, sondern allein am historischen (Miß-)Erfolg: Als Häresien können, als ein Kriterium, auf Dauer nur solche (christlichen) Glaubensrichtungen gelten, die sich nicht durchsetzen. Andernfalls würden sie die orthodoxe Richtung repräsentieren und das kirchliche Christentum als Häresie betrachten (und sie haben das, soweit sie organisiert waren, in der Regel auch getan). Daraus ergibt sich als zweites Kriterium die Blickrichtung: „Häresien“ (bzw. christliche Häresien, um die es hier geht) definieren sich nie im Selbstverständnis als solche, „Häresien“ sind sie vielmehr ausschließlich in der Wahrnehmung der anderen, die sie nicht als wahres Christentum anerkennen. Langfristig aber sind sie es nur in der Sicht der jeweiligen Orthodoxie, von der sie (in durchaus verschiedener Hinsicht) so auffallend abweichen, daß sie nicht mehr als ihr Teil betrachtet werden, obwohl sie, als drittes Kriterium, im Gegensatz zu allen anderen, bisher behandelten Glaubensgemeinschaften, auf der gleichen christlichen Grundlage (den beiden Testamenten) beruhen und sich selbst als Christen betrachten.6 Diesen an sich banalen Sachverhalt sollte man sich stets vor Augen halten. Zweifellos stehen Häresie und Orthodoxie, trotz des oft erbitterten Kampfes, stets in enger Korrelation zueinander.7 Wieweit Häresien aber tatsächlich als „christlich“ erkannt und von Ungläubigen abgehoben werden, wie Herbert Grundmann meint,8 wäre noch zu überprüfen.
6
7 8
Vgl. die umfassende Definition von Herbert Grundmann, Ketzergeschichte des Mittelalters (Die Kirche in ihrer Geschichte 2 G, Teil 1) Göttingen 31978, S. 1: „Ketzer nennt man seit dem 13. Jh. auf deutsch alle Häretiker, d.h. die nach kirchlichem Urteil Irrgläubigen innerhalb der Christenheit, seien es Einzelne oder Sekten, die sich zwar alle auch auf die Evangelien und Apostelschriften berufen, sie aber anders verstehen und befolgen als die Kirche. Stets unterschied man sie von den Ungläubigen, von Heiden, Juden und Mohammedanern.“ So Verbeke, Philosophy and Heresy S. 197. Vgl. Anm. 6.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Die Geschichte der christlichen Häresien ist insgesamt recht gut erforscht. Wir verfügen über zahlreiche einschlägige Überblicke 9 ebenso wie über Studien zu einzelnen Häresien,10 zu einzelnen Epochen11 oder Regionen,12
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Zur Geschichte der Häresien im Mittelalter vgl. Malcolm D. Lambert, Medieval heresy: popular movements from Bogomil to Hus, London 1977 (dt. Ketzerei im Mittelalter. Häresien von Bogumil bis Hus, München 1981); die 2. Auflage erschien unter dem Titel: Medieval heresy: Popular movements from the Gregorian reform to the Reformation, Oxford 1995 (dt. Ders., Ketzerei im Mittelalter. Eine Geschichte von Gewalt und Scheitern, Freiburg 1991); Robert I. Moore, The Origins of European Dissent, London 1977 (Oxford-New York 21985); Grundmann, Ketzergeschichte; Ernst Werner/Martin Erbstößer, Ketzer und Heilige. Das religiöse Leben im Hochmittelalter, Wien-Köln-Graz 1986; Evans, A brief history of heresy; Christoph Auffarth, Die Ketzer. Katharer, Waldenser und andere religiöse Bewegungen (bsr 2383), München 2005; zuletzt Jörg Oberste, Ketzerei und Inquisition im Mittelalter (Geschichte kompakt), Darmstadt 2007. Angekündigt: Peter Segl, Mittelalterliche Häresien, Stuttgart. Aus der umfangreichen Literatur zu den Katharern seien (exemplarisch) genannt: Arno Borst, Die Katharer (Schriften der MGH 12), Stuttgart 1953 (Freiburg-BaselWien 61998); Jean Duvernoy, Le catharisme, 2 Bde., Toulouse 1976–1979; Gerhard Rottenwöhrer, Der Katharismus, 5 Bde., Bad Honnef 1982–2005; Malcolm Barber, The Cathars. Dualist heretics in Languedoc in the High Middle Ages (The Medieval World), Harlow 2000 (dt. Die Katharer. Ketzer des Mittelalters, Düsseldorf 2003); Malcolm D. Lambert, The Cathars, Oxford-Malden 1998 (dt. Geschichte der Katharer. Aufstieg und Fall der großen Ketzerbewegung, Darmstadt 2001); Pilar Jiménez-Sanchez, Les catharismes. Modèles dissidents du christianisme médiéval (XIIe–XIIIe siècles) (Collection „Histoire“), Rennes 2008. Zu den gelehrten Häresien des 12. Jahrhunderts: Heinrich Fichtenau, Ketzer und Professoren. Häresie und Vernunftglaube im Hochmittelalter, München 1992. Vgl. Raoul Manselli, Studi sulle eresie del secolo XII (Istituto storico italiano per il medio evo. Studi storici 5), Rom 1953; zum frühen Mittelalter: E. Ann Matter, Orthodoxy and deviance, in: Thomas F. X. Noble/Julia M. H. Smith (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 3: Early Medieval Christianities, c. 600–c. 1100, Cambridge 2008, S. 510–530; zum Hoch- und Spätmittelater: Peter Biller, Christians and heretics, in: Miri Rubin/Walter Simons (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 4: Christianity in Western Europe c. 1100–c. 1500, Cambridge 2009, S. 170–186. Vgl. an neueren Arbeiten etwa Claire Taylor, Heresy in Medieval France. Dualism in Aquitaine and the Agenais, 1000–1249 (RHS Studies in history New series), Woodbridge 2005; Jean-Louis Biget, Hérésie et inquisition dans le midi de la France (Les Médiévistes français 8), Paris 2007; Josep Amengual i Batle, Judíos, católicos y herejes: El microcosmos balear y tarraconense de Seuerus de Menorca, Consentius i
1. Zur Erforschung der Häresien und ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung
577
und erst kürzlich hat Robert Moore noch einmal ausführlich die kirchlichen Reaktionen (in Theorie und Praxis) auf die Häresien des 11. bis frühen 13. Jahrhunderts geschildert und nach den Gründen für die verbreitete Verfolgung gefragt.13 Häresien hat es zu allen Zeiten, wenngleich in unterschiedlicher Konzentration, gegeben. Vor dem 3. Jahrhundert fehlte der Kirche (neben einer festen Dogmatik) allerdings die institutionelle Einheit, um eine klare Abgrenzung vornehmen zu können, auch wenn bereits die frühen Kirchenväter einzelne Richtungen verurteilt haben. Die Geschichte der mittelalterlichen Häresien reicht somit von den dogmatischen Auseinandersetzungen der Spätantike (vor allem mit Arianern bzw. den verschiedenen arianischen Bekenntnissen und mit Manichäern, dann mit Donatisten und Pelagianern und schließlich mit den Monophysiten)14 über die großen Häresiebewegungen des hohen Mittelalters (vor allem Katharer und Waldenser) bis zu den vorreformatorischen und reformatorischen Umbrüchen am Ende des Mittelalters. Einige hatten zeitweise großen weiträumigen, wie die Arianer, oder zumindest regionalen, wie die Donatisten und später die Katharer, und in abgelegenen Gegenden teils sogar sehr langfristigen Erfolg, wie die Nestorianer oder die Kopten.15
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Orosius (413–421) (Biblioteca de humanidades. Chronica nove de estudios históricos 12), Granada 2008; Damian J. Smith, Crusade, Heresy and Inquisition in the Lands of the Crown of Aragon (c. 1167–1276) (The Medieval and Early Modern Iberian World 39), Leiden-Boston 2010. Robert I. Moore, The War on Heresy. Faith and Power in Medieval Europe, London 2012. Vgl. dazu den Überblick von Jan-Eric Steppa, Ketzerrhetorik und Definitionsmacht: Christologische Konflikte in der Spätantike (300–450), in: Hägg (Hg.), Kirche und Ketzer S. 57–91. Die allmähliche Entstehung von Häresien als Lehren, gegen die argumentiert wurde, von der Gnosis bis zum Arianismus und der Entstehung einer katholischen Lehre von Irenäus bis zu den Konzilien von Nicäa und Chalkedon, arbeitet jetzt heraus: Mark Edwards, Catholicity and Heresy in the Early Church, Farmham-Burlington 2009. Ausführlich zum Arianismus: Hanns Christof Brennecke, Studien zur Geschichte der Homöer: Der Osten bis zum Ende der homöischen Reichskirche (Beiträge zur historischen Theologie 73), Tübingen 1988, und Rowan Williams, Arius. Heresy and Tradition, London 22001 (11987). Zum Nestorianismus: Susan Wessel, Cyril of Alexandria and the Nestorian controversy: The Making of a Saint and of a Heretic (The Oxford Early Christian Studies), Oxford 2004, und John A. McGuckin, Saint Cyril of Alexandria and the Christological Controversy, New York 2004.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Im Abendland des früheren Mittelalters, der hier behandelten Zeit und des hier behandelten Raumes, hat es, nach der Katholisierung der zunächst vielfach noch arianischen „Germanenreiche“ und vor den Katharern des 12. Jahrhunderts, zwar immer wieder kleine, oft regional begrenzte Häresien,16 aber kaum größere Bewegungen gegeben.17 Dabei ging es zunächst um dogmatische Streitigkeiten innerhalb der Geistlichkeit. Größere Bedeutung als Volksbewegungen gewannen im 10. und 11. Jahrhundert allenfalls die antikirchlichen Bogomilen mit ihrer dualistischen Lehre im orthodoxen Bulgarien und im Byzantinischen Reich. In der Karolingerzeit erregte – neben den gegen die griechische Kirche gerichteten Auseinandersetzungen um die Bilderverehrung18 und dem filioque-Streit um die Ableitung des Heiligen Geistes aus Vater und Sohn, in dem sich die fränkische Kirche gegen das Papsttum durchsetzte19 – vor allem der in Spanien verbreitete, an die arianische Lehre anknüpfende Adoptionismus um Elipandus von Toledo und Felix von Urgel viel Aufmerksamkeit, der wieder eine Hierarchie zwischen Gottvater und Sohn betonte und lehrte, Christus sei von Gott in den göttlichen Rang adoptiert worden. Die Theologen und Synoden im Reich Karls des Großen wurden durch diese Lehre zu einer auffallend intensiven
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So wurden zur Zeit des Bonifatius zwei Wanderprediger, Aldebert und Clemens, verurteilt, die die Heilswirkung kirchlicher Praktiken (wie Beichte und Wallfahrt) leugneten. Vgl. Matter, Orthodoxy and Deviance S. 510. Moore, Origins of European Dissent, setzt die Anfänge der Häresie daher geradezu in das 12. Jahrhundert, andere, wie Christoph Auffahrt, Das Ende des Pluralismus: Ketzer erfinden, um sie zu vernichten, in: Ders. (Hg.), Religiöser Pluralismus im Mittelalter S. 103–142, hier S. 121 (und später auch Moore selbst) setzen sie in die Mitte des 11. Jahrhunderts. Daß Häresien hier eine neue Qualität erreichen, ist unbestritten, doch hat es auch vorher immer wieder Häretiker und Häresien gegeben, die nicht erst „plötzlich“ im 11. Jahrhundert auftauchten (so Auffarth, Das Ende des Pluralismus S. 121ff. („Plötzlich gab es Ketzer“). Vgl. dazu Helmut Nagel, Karl der Große und die theologischen Herausforderungen seiner Zeit (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 12), Frankfurt/M.Berlin-Bern-New York-Paris-Wien 1998, S. 141–202; Marie-France Auzépy, L’iconoclasme (Que sais-je? 3769), Paris 2006; Thomas F. X. Noble, Images, Iconoclasm and the Carolingians (The Middle Ages Series), Philadelphia 2009. Vgl. dazu ausführlich Peter Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse zwischen Ostund Westkirche im Frühmittelalter (Arbeiten zur Kirchengeschichte 82), BerlinNew York 2002.
1. Zur Erforschung der Häresien und ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung
579
und heftigen Auseinandersetzung und Widerlegung angeregt.20 Im 9. Jahrhundert fand in gelehrten Kreisen der pelagianische Streit um die göttliche Prädestination des Menschen eine Fortsetzung durch den Sachsen Gottschalk, gegen den sich ebenfalls gleich mehrere Schriften richteten.21 Zumindest an die Grenzen zur Häresie stießen auch die beiden Abendmahlsdebatten im 9. (Paschasius Radbertus) und dann wieder im 11. Jahrhundert (Lanfrank gegen Berengar von Tours), in denen es vor allem um das wörtliche oder figürliche Verständnis der Eucharistie ging.22 Vorläufer volkstümlicher Häresien, die nicht selten von Wanderpredigern ausgingen, hatte es, noch regional begrenzt, bereits im 11. Jahrhundert vor allem in Frankreich und Italien gegeben.23 Im Zuge der großen Kirchenreform wurde auch der Häresiebegriff selbst erweitert und auf die Angriffsziele der Reform, die verheirateten Priester (Nikolaiten) und vor allem die Simonisten, die ihr Amt käuflich erworben hatten, ausgeweitet. Die Parteiungen des sogenannten Investiturstreits führten schließlich dazu, daß die Gegner sich gegenseitig als Häretiker diffamierten, so daß die (frühere) Unterscheidung von Häretikern und Schismatikern verschwamm. Doch erst mit den – mit den Bogomilen „verwandten“ – Katharern setzte im 12. Jahrhundert auch in vielen Gegenden des katholischen Abendlandes, wie im Rheinland und dann vor allem in Südfrankreich mit dem Zentrum in Albi („Albigenser“), eine große, antikirchliche Bewegung ein, die den (manichäischen) Dualismus als Welterklärung wiederbelebte und das Gute und das Böse als zwei von Beginn an widerstreitende Prinzipien betrachtete.24 Im 12. Jahrhundert kam es außerdem zu ersten Theologenprozessen gegen Gelehrte (wie Peter Abaelard und
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Vgl. dazu Nagel, Karl der Große S. 19–138; John C. Cavadini, The Last Christology of the West. Adoptionism in Spain and Gaul, 785–820, Philadelphia 1993. Vgl. dazu Jean Jolivet, Godescalc d’Orbais et la Trinité. La méthode de la théologie à l’époque carolingienne (Études de philosophie médiévale 47), Paris 1958. Vgl. Burkhard Neunheuser, Eucharistie in Mittelalter und Neuzeit (Handbuch der Dogmengeschichte, Bd. IV, Fasz. 4b), Freiburg-Basel-Wien 1963; Jean de Montclos, Lanfranc et Bérenger: la controverse eucharistique du XIe siècle (Spicilegium Sacrum Lovaniense: Études et documents 37), Leuven 1971. Zu den sozial-religiösen Häresien des 11. Jahrhunderts (eine zeitweise heftig diskutierte Frage) vgl. Renate Gorre, Die Ketzer im 11. Jahrhundert: religiöse Eiferer – soziale Rebellen? Zum Wandel der Bedeutung religiöser Weltbilder, Konstanz 1981 (21985). Vgl. oben Anm. 10. Jiménez-Sanchez, Les catharismes, betont zu Recht Pluralität und Dynamik der Bewegung (und spricht deshalb von „Katharismen“ im Plural).
580
Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Gilbert von Poitiers), die infolge ihrer logisch hergeleiteten Formulierungen von der kirchlichen Dogmatik abweichender Lehren bezichtigt wurden.25 Die Reaktion der Kirche auf die Häresien reichte vom Verbot des Umgangs mit Ketzern bis zur Verurteilung und Bestrafung mit dem Tod, so daß Robert Moore das katholische Abendland des hohen Mittelalters als eine „persecuting society“ bezeichnet hat.26 Die Inquisition setzte erst mit Innozenz III. zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein.27 Die Eigenständigkeit häretischer Lehren und Bewegungen wird zudem oft dadurch verschleiert, daß die katholischen Autoren dazu neigen, sie mit bereits bekannten (früheren) Häresien gleichzusetzen und auch so zu benennen. Vor dem 13. Jahrhundert geben die Quellen keinen näheren Einblick in das häretische Milieu aus dessen Selbstsicht. Wir sind also ohnehin ganz auf die Perspektive der Nichthäretiker angewiesen, um die es in dieser Studie geht: nicht um die Geschichte der oder gar einzelner Häresien, sondern um die Frage, wie die katholischen Autoren des Mittelalters Häresie als solche wahrgenommen und was sie überhaupt darunter verstanden und mit diesem Begriff verbunden haben. Dazu fehlt es bisher nicht nur an einer grundsätzlichen, systematisch-theologischen Darstellung zum Thema,28 sondern auch an einer Aufarbeitung der mittelalterlichen Ansichten.29 Auch die einschlä-
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Vgl. Verbeke, Philosophy and Heresy; Jürgen Miethke, Theologenprozesse in der ersten Phase ihrer institutionellen Ausbildung: Die Verfahren gegen Peter Abaelard und Gilbert von Poitiers, in: Viator 6, 1975, S. 87–116; Fichtenau, Ketzer und Professoren; Constant J. Mews, Accusations of Heresy and Error in the Twelfth-Century Schools: The Witness of Gerhoh of Reichersberg and Otto of Freising, in: Ian Hunter/John Christian Laursen/Cary J. Nederman (Hg.), Heresy in Transition. Transforming Ideas of Heresy in Medieval and Early Modern Europe (Catholic Christendom, 1300–1700), Aldershot-Burlington 2005, S. 43–57. Robert I. Moore, The Formation of a Persecuting Society. Power and Deviance in Western Europe 950–1250, Oxford-New York 1987 (22007). Vgl. dazu Peter Segl (Hg.), Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter. Mit einem Ausblick auf das 20. Jahrhundert und einem Beitrag über religiöse Intoleranz im nichtchristlichen Bereich (Bayreuther Historische Kolloquien 7), Köln-Weimar-Wien 1993. So Wirsching, Kirche und Pseudokirche, S. 9, der mit seinen eigenen Überlegungen einen ersten Beitrag aus heutiger Sicht leisten will, die kirchlichen Abgrenzungs- und Ausschließungsvorgänge ihrem Wesen nach zu erfassen. Zur Diskussion des Ansatzes und zur Entwicklung eines Feindbildes vgl. aber Sita Steckel, Falsche Heilige. Feindbilder des ‚Ketzers‘ in religiösen Debatten der latei-
1. Zur Erforschung der Häresien und ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung
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gigen, gründlichen Studien über mittelalterliche Häresien (Lambert, Werner, Evans, Auffarth, Oberste) gehen auf die Frage, was man im Mittelalter unter „Häresie“ eigentlich verstanden hat, nicht oder allenfalls am Rande ein.30 Für das Frühchristentum berührt jetzt die Studie von Mark Edwards über die Einstellungen gegenüber Häresien vor der Patristik das Thema des Häresieverständnisses wenigstens beiläufig.31 Von wenigen, eher speziellen Arbeiten zu einzelnen Autoren oder Institutionen abgesehen,32 liegt für die hier behandelte Epoche ansonsten lediglich ein älterer, auf das hohe Mittel-
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nischen Kirche des Hoch- und Spätmittelalters, in: Alfons Fürst/Harutyun Harutyunyan/Eva-Maria Schrage/Verena Voigt (Hg.), Von Ketzern und Terroristen. Interdisziplinäre Studien zur Konstruktion und Rezeption von Feindbildern, Münster 2012, S. 17–43. Selbst Josep Amengual i Batle, Judíos, católicos y herejes, der sich auf drei spätantike Autoren aus den Balearen und aus der Tarraconensis beschränkt, die er gründlich auswertet, behandelt nicht deren Häresievorstellungen, sondern analysiert sie in bezug auf ihre Aussagen über (bestimmte) Häresien und deren Verbreitung. Edwards, Catholicity, der eingangs (S. 1ff.) „Orthodoxie“ zu bestimmen versucht. Vgl. etwa Dominique Iogna-Prat, Ordonner et exclure. Cluny et la société chrétienne face à l’hérésie, au judaïsme et à l’islam, 1000–1150 (Collection historique), Paris 2000 (engl. Übers. Order and Exclusion: Cluny and Christendom face Heresy, Judaism and Islam [1000–1500], Ithaca-London 2002), zu Petrus Venerabilis’ Schrift „Contra Petrobrusianos“, die allerdings nicht einer der ersten antihäretischen Traktate im mittelalterlichen Westen ist, wie Iogna-Prat schreibt; man braucht nur an die karolingischen Traktate gegen den Adoptionismus zu erinnern. Vgl. ferner Michael Frassetto, Pagans, Heretics, Saracens, and Jews in the Sermons of Ademar of Chabannes, in: Ders. (Hg.), Heresy and the Persecuting Society in the Middle Ages. Essays on the Work of R. I. Moore (Studies in the History of Christian Traditions 129), Leiden-Boston 2006, S. 73–91, der wiederum eher Ademars Haltung zu einzelnen häretischen Formen untersucht, um die Berechtigung der Anwendung des Begriffs „Manichäer“ auf Häresien seiner Gegend zu überprüfen. Vgl. auch Paul Antony Hayward, Before the Coming of Popular Heresy: The Rhetoric of Heresy in English Historiography, c. 700–1154, in: Hunter/Laursen/Nederman (Hg.), Heresy in Transition, S. 9–27 (die übrigen Aufsätze dieses Sammelbandes befassen sich mit dem Spätmittelalter). Hayward S. 17 zufolge gab es nach Beda in der englischen Historiographie kaum mehr eine „rhetoric of heresy“. Zum Häretikerbild bei Rupert von Deutz, Honorius und Gerhoh von Reichersberg vgl. Wolfgang Beinert, Die Kirche – Gottes Heil in der Welt. Die Lehre von der Kirche nach den Schriften des Rupert von Deutz, Honorius Augustodunensis und Gerhoch von Reichersberg. Ein Beitrag zur Ekklesiologie des 12. Jahrhunderts (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters, n.F. 13), Münster 1973, S. 368–377.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
alter beschränkter Sammelband von 1976 über Häresiekonzepte vor,33 und verschiedentlich ist der Häresiebegriff der hoch- und spätmittelalterlichen Kanonistik untersucht worden.34 Die Zeit zwischen der Spätantike und dem 12. Jahrhundert ist in dieser Hinsicht hingegen noch völlig unbearbeitet. Kürzlich hat nun allerdings Alessia Trivellone aus kunstgeschichtlicher Perspektive erstmals umfassend die Ikonographie der Häresie aufgearbeitet und Häretikerbilder von der Karolingerzeit bis ins 13. Jahrhundert analysiert.35 Dabei mußte sie feststellen, daß die Häresie im früheren Mittelalter, von der Bildkunst her gesehen, ein Randphänomen war und es in bezug auf solche Verbildlichungen keinerlei ikonographische Tradition gab, die Künstler also jeweils originäre Motive schufen.36 Sie besaßen vor dem 13. Jahrhundert, so Trivellone, zudem gar kein Konzept der Häresie,37 sondern stellten bestimmte (antike) Häretiker, oft in Disputation mit Rechtgläubigen vor einem Konzil, dar;38 erst danach lasse sich eine Entwicklung „vom Häretiker zur Häresie“ in einer enthistorisierten, eschatologischen Perspektive beobachten.39 Gleichzeitig stellt Trivellone eine sich verschärfende Entwicklung von einfacher Ablehnung hin zur Verteufelung der Häresie fest.40 Bildlich werden zwar überwiegend Häretiker der Vergangenheit (Spätantike), jedoch 33
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Lourdaux/Verhelst (Hg.), Concept of Heresy. Ferner Hans-Georg Beck, Vom Umgang mit Ketzern. Der Glaube der kleinen Leute und die Macht der Theologen, München 1993. Vgl. Othmar Hageneder, Der Häresiebegriff bei den Juristen des 12. und 13. Jahrhunderts, in: Lourdaux/Verhelst (Hg.), The Concept of Heresy S. 42–103; Helmut G. Walther, Haeretica pravitas und Ekklesiologie. Zum Verhältnis von kirchlichem Ketzerbegriff und päpstlicher Ketzerpolitik von der zweiten Hälfte des XII. bis ins erste Drittel des XIII. Jahrhunderts, in: Albert Zimmermann (Hg.), Die Mächte des Guten und Bösen. Vorstellungen im XII. und XIII. Jahrhundert über ihr Wirken in der Heilsgeschichte (Miscellanea Mediaevalia 1), Berlin-New York 1977, S. 286–314. Alessia Trivellone, L’hérétique imaginé. Hétérodoxie et iconographie dans l’Occident médiéval de l’époque carolingienne à l’Inquisition (Collection d’études médiévales de Nice 10), Turnhout 2009. Zusammenfassend ebd. S. 389f. Zusammenfassend ebd. S. 392f. Zusammenfassend ebd. S. 382f. Zusammenfassend ebd. S. 394f. („de l’hérétique à l’hérésie“). Vgl. ebd. S. 398: „Les images permettent donc de retracer l’élaboration et la mise au point progressive d’un discours sur l’hérésie au Moyen Âge.“ Zusammenfassend ebd. S. 389ff.
1. Zur Erforschung der Häresien und ihrer zeitgenössischen Wahrnehmung
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durchaus mit zeitgenössischen Bezügen dargestellt.41 Solche Thesen wären an den Schriftquellen zu überprüfen. Der magere Forschungsstand ist kein Zufall. Mittelalterliche Autoren geben nämlich ihrerseits selten Definitionen, so daß ihr Häresieverständnis sich nur indirekt aus ihren Kennzeichnungen und aus dem Kontext erschließen läßt. Auch terminologisch bietet sich hier eine andere Ausgangssituation als bei der Wahrnehmung der übrigen Religionen. Abgesehen von den Bezeichnungen für einzelne Häresien und gelegentlichen Umschreibungen gibt es letztlich nur einen, jedenfalls durchweg vorherrschenden Begriff: haeretici bzw. haeresis. Beide Termini aber sind immer religiös, im Sinne einer Abweichung vom wahren Glauben, aufgeladen. In diesem Fall muß also nicht erst untersucht werden, ob und wann die verwendete Terminologie überhaupt die andere Religion kennzeichnet. Außerdem verweisen die Begriffe auf ein ursprünglich jüdisch-christliches Milieu; heidnische Häresien kann es für die mittelalterlichen Autoren schlechterdings nicht geben. Die Begriffe selbst enthalten allerdings keinerlei nähere Kennzeichnung der Häresie, die vielmehr ausschließlich aus einer Analyse des Kontextes zu erarbeiten ist. Das erfordert ein gegenüber den bisherigen Kapiteln abweichendes Vorgehen. Eine terminologische Betrachtung erübrigt sich hier ebenso wie die Frage, was die katholischen Autoren von Häresien wußten; sie wäre nur im Hinblick auf bestimmte Häresien sinnvoll. Mangels mittelalterlicher Definitionen ist das Häresieverständnis vielmehr aus einer Vielzahl meist kurzer Äußerungen und Andeutungen und deren Kontext zu eruieren (wobei es zugleich Zirkelschlüsse zu vermeiden gilt), sind aber auch (neue) methodische Wege zu erkunden, es auf indirektem Wege zu erfassen. Hier wäre zu fragen, was der Begriff beinhaltet bzw. was die als Häretiker bezeichneten Andersgläubigen in den Augen der katholischen Autoren zu religiösen Abweichlern macht und wie sie und ihr Glaube wahrgenommen und bewertet werden. Vor allem die mittelalterlichen Bibelkommentare bilden dazu eine ergiebige, in dieser Hinsicht noch kaum ausgewertete Quelle. Erst die Fülle der tatsächlich über viele Autoren, Schriften und Zeiten verstreuten Äußerungen ergibt hier ein aussagekräftiges und insgesamt geschlossen wirkendes Bild, das dem einzelnen mittelalterlichen Autor selbst in dieser Weise nicht einmal bewußt gewesen sein muß. Dennoch deutet die Übereinstimmung der Einschätzungen, gewiß mit manchen Nuancen, auf ein weithin kohärentes Häretikerverständnis.
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Zusammenfassend ebd. S. 392f.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Die folgenden Ausführungen nähern sich dem Problem von verschiedenen Seiten, um dieses Häresieverständnis zu erfassen. Eingangs seien als Einstieg einige frühe (und in der Folgezeit einflußreiche) Positionen etwas näher betrachtet, bevor früh- und hochmittelalterliche Äußerungen, nach systematischen Gesichtspunkten geordnet, zusammengestellt und ausgewertet werden. Anhand von Attributen, Allegorien und Kontextualisierungen soll hier zunächst nach den Kennzeichen der Häresien in mittelalterlicher Wahrnehmung gefragt werden (was macht eine Häresie zu einer solchen?). Aus solchen Charakterisierungen und Abgrenzungen ist anschließend zu ermitteln, wer als Häretiker angesehen und wie Häresie bewertet wird, um schließlich die Folgerungen daraus hinsichtlich des Verhältnisses zur Kirche und zum Heil sowie, wie auch in den vorigen Kapiteln, im Hinblick auf die Einordnung der Häretiker in das Spektrum der Religionen zu betrachten. Dabei geht es um die Wahrnehmung der Häresie an sich und nicht um Traktate über oder gegen bestimmte Häresien,42 die von der bisherigen Forschung folgerichtig mit Vorliebe herangezogen wurden, merkwürdigerweise jedoch oft kaum systematische Äußerungen enthalten, die für ein allgemeines Häresieverständnis interessant wären, und auch den Begriff haeretici relativ selten verwenden.43 42
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Beispiele für den letzteren Ansatz wären etwa die zahlreichen karolingischen Traktate gegen den Adoptionismus oder im islamischen Spanien der (wohl auf Anregung des späteren Erzbischofs Eulogius von Toledo abgefaßte) Briefwechsel zwischen zwei mozarabischen Äbten in Córdoba, Speraindeo und seinem Schüler Paulus Alvarus (Migne PL 115, Sp. 959–966). In seiner Schrift gegen Eriugena greift Florus von Lyon, Adversus Joannis Scoti Erigenae erroneas definitiones liber 4,1, Migne PL 119, Sp. 125f., drei Häresien über den freien Willen an: die Pelagianer, die die Wirkung der Gnade abstreiten; solche, die die Wirkung allein der Gnade zuschreiben, sowie, als älteste und gottloseste Häresie, die Manichäer und Anhänger Markions, die zwei oder sogar drei Prinzipien bzw. Ursprünge und zwei Naturen der Engel und Menschen, eine gute und eine böse, annehmen. Aufgrund falscher Lehren ist jederzeit eine Brandmarkung als Häretiker möglich. So schreibt Gottfried von Vendôme, De corpore et sanguine Domini Iesu Christi, Migne PL 157, Sp. 213 B: Si quis autem aliam carnem praeter istam habuisse Dominum Iesum credit, desipit, non est catholicus, sed haereticus. Hac carne redemit hominem Christus; hac in carne Christum homo peremit. Für Hugo von St. Viktor, Summa sententiarum 1,7, Migne PL 176, Sp. 53 BC, ist schon die Frage, ob Gott seinen Sohn zwangsläufig oder willentlich gezeugt habe, häretisch: Nam quidam nostrum, cum eum interrogasset haereticus, utrum nolens an volens genuerit Pater Filium, laudabiliter respondisse fertur. Dic, inquit, et tu, haeretice, Deus Pater necessitate est Deus, an voluntate? Si dixisset necessitate, grandis absur-
2. Was ist Häresie? Patristische Grundlagen
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2. Was ist Häresie? Einige patristische und frühmittelalterliche Grundlagen und Herangehensweisen Nicht nur moderne Darstellungen setzen bereits ein Häresieverständnis voraus, ohne den Begriff zu definieren oder genauer einzugrenzen, sondern auch die christlichen Autoren des Mittelalters über- und umgehen, wie erwähnt, in aller Regel eine Häresiedefinition und handeln statt dessen entweder von Häresie im allgemeinen oder sie kennzeichnen bestimmte Häresien. Die Grundlagen für das mittelalterliche Häresieverständnis haben (ohne daß weitere Einflüsse geleugnet werden sollen) die spätantik-patristischen Autoren und ihre frühmittelalterlichen Rezipienten gelegt. An vier jeweils ganz unterschiedlichen, aber inhaltlich doch erstaunlich kohärenten Zugängen sollen solche Vorstellungen daher vorab beleuchtet werden: den ausführlichen, jeweils kurz kommentierten Häresielisten Augustins und, darauf fußend, Isidors von Sevilla, den moralisierenden Einschätzungen Salvians von Marseille, den Äußerungen über Häresien in exegetischen Zusammenhängen am Beispiel der „Moralia in Iob“ Gregors des Großen und den historiographischen Kontexten im Werk Gregors von Tours.
a. Die Häresielisten Augustins und Isidors von Sevilla In seiner Schrift „De haeresibus“ stellt Augustin eine Liste von 88 Häresien zusammen, die er nach ihrem Namen und ihren Verfehlungen charakterisiert (wobei einige Häresien auch namenlos bleiben).44 Es sei keineswegs ein-
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ditas sequebatur; si voluntate, respondebatur illi, ergo voluntate Deus est non natura. Itaque sicut Pater natura est Deus, ita natura genuit Filium. Für Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica canticorum. Sermo 80,7 (De errore Gilleberti Pictavensis episcopi), S. 281, ist Häretiker (nämlich Gilbert von Poitiers), wer abstreitet, daß Gott Gottheit ist: Sed dicit haereticus: ‚Quid? Deum divinitate esse negas?‘ Non; sed eamdem divinitatem, qua est, Deum nihilominus assero, ne Deo excellentius aliquid esse assentiar. Nam et magnitudine dico magnum, sed quae ipse est, ne maius aliquid Deo ponam; et bonitate fateor bonum, sed non alia quam ipse est, ne melius ipso aliquid mihi videar invenisse: et de ceteris in hunc modum. Augustinus, De haeresibus, ed. Roel Vander Plaetse u. Clemens Beukers, CCL 46, Turnhout 1969, S. 263–345. Eine Liste von 90 Häresien hat auch Augustins Zeitgenosse Arnobius Iunior, Praedestinatus 1,1–90, ed. François Glorie, CCL 25B,
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
deutig, so schreibt der Kirchenvater gleich zu Beginn, wer alles Häretiker sei45 (und so habe er in seinen Vorlagen sehr verschiedene Zusammenstellungen gefunden).46 Dabei erscheint es Augustin wohl nicht so sehr fraglich, was eine Häresie eigentlich ist, denn sonst hätte er, der sich in seinen sonstigen Schriften so sehr darauf bedacht zeigt, alles haargenau zu klären und zu erklären, diesem Problem auch hier sicherlich mehr Aufmerksamkeit gezeigt. Er setzt ein solches Verständnis bei seinen Lesern bzw. bei dem Adressaten, seinem Sohn Adeodatus, der ihn um eine Klärung gebeten hatte, einfach voraus. Vielmehr – und hier liegt für ihn das eigentliche Problem – ist es im Einzelfall oft keineswegs klar zu entscheiden, ob es sich tatsächlich um eine häretische Abweichung vom rechten Glauben handelt. Auf Augustins Schrift fußt weitgehend Isidor von Sevilla, dessen „Etymologiae“ weitreichenden Einfluß auf das mittelalterliche Häresieverständnis hatten, indem er (unter einigen Auslassungen und Hinzufügungen) einen kurzen Extrakt aus Augustins Darlegungen zusammen mit seinen etymologischen Erklärungen bietet und aus dieser Absicht heraus die Ansicht vertritt, daß bereits die Namen der einzelnen Häresien etwas über ihre Lehre aussagen.47 Isidors Ausführungen über die christlichen Häresien – Isidor benennt auch jüdische Häresien – seien deshalb im folgenden zugrunde gelegt. Haeresis, so belehrt er Mit- und Nachwelt etymologisch, heiße auf griechisch „Auswahl“ und bezeichne, was jeder für sich als das Bessere erwählt. Christen aber dürften gerade nicht nach eigenem Belieben wäh-
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Turnhout 2000, S. 12–56, in einer gegen Augustins Gnadenlehre gerichteten Schrift, zusammengestellt, in der er wohl Augustins Vorlage benutzt hat (und nicht umgekehrt). Augustinus, De haeresibus praef. 7, S. 289: Quid ergo faciat haereticum regulari quadam definitione comprehendi, sicut ego existimo, aut omnino non potest aut difficillime potest. Ebd., Epilog 1, S. 343. Es sei schwierig zu entscheiden, so schreibt Augustin auch in einem Brief an Hermogenianus, was aufzunehmen und was wegzulassen sei (Augustinus, ep. 222,2, ed. Klaus-Detlev Daur, CCL 31A, Turnhout 2005, S. 447f.: et re uera hoc omnino definire difficile est et ideo cauendum, cum omnes in numerum redigere conamur, ne praetermittamus aliquas, quamuis haereses sint, aut adnumeremus aliquas, cum haereses non sint). Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,3,1, S. 307: Haereticorum autem dogmata ut facile possint agnosci, causas eorum uel nomina demonstrare oportuit.
2. Was ist Häresie? Patristische Grundlagen
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len.48 (Isidor unterscheidet Häresien im folgenden von Sekten, Schismen und Aberglauben, deutet durch diese Zusammenstellung in einem Kapitel aber zugleich einen Zusammenhang dieser Gruppen an.) Während Augustin durch die sehr unterschiedliche Länge seiner Beschreibungen deutlich erkennen läßt, wo für ihn die größten Gefahrenherde liegen (nämlich, aus seinen eigenen Erfahrungen heraus, vor allem seitens der Manichäer, denen Augustin eine Zeitlang selbst nahestand, dann der Donatisten, mit denen er sich in Afrika auseinandersetzen mußte, sowie der Priscillianisten in Spanien und der Pelagianer, deren Betonung des freien Willens er scharf bekämpfte), handelt Isidor im Rückblick alle Häresien gleich knapp ab, weil es ihm auf die Zusammenstellung schlechthin und die Vielfalt ankommt. Wenn er in solcher Weise (Etym. 8,5) mehr als 70 verschiedene Häresien benennt und kurz charakterisiert, so geht es ihm von seinem Thema her auch hier zwar zuerst um die Ableitung und Erklärung des Namens, doch ergibt sich aus dieser Aufstellung indirekt – ganz unabhängig von der Richtigkeit der Kennzeichnung, die tatsächlich nicht in jedem Fall die entscheidenden Elemente berührt – recht gut, was christlicherseits alles als Häresie empfunden wird (wobei die folgende Aufstellung allerdings nicht der Reihenfolge bei Isidor folgt, sondern dessen Listen nach unterschiedlichen Kriterien der Häresie ordnet). Das waren einmal abweichende Vorstellungen von Gott, der Schöpfung und den Urprinzipien. So glaubten die Simonianer, die Welt sei nicht von Gott, sondern von einer himmlischen Tugend erschaffen worden (8,5,2). Die Menandrianer und Archontiaker schrieben die Schöpfung hingegen den Engeln oder Erzengeln zu (8,5,3/13), die Patritianer führten die fleischliche Substanz des Menschen (8,5,48), die Paternianer zumindest die unteren Körperteile auf den Teufel zurück (8,5,58); die Hermogenianer bezweifelten die Schöpfung der Materie (8,5,30). Die Gnostiker betrachteten die Seele als die Natur Gottes und sahen Gott als gut und böse zugleich an (8,5,6). Die Manichäer wiederum übertrugen das auf den Menschen, der eine gute und eine böse Natur und Substanz besitze, und sie glaubten an eine Emanation der Seele aus Gott (8,5,31). Zwei Prinzipien kannten auch die Kerdonianer (8,5,20) und die Marcioniten (8,5,21). Die Anthropomorphiten schrieben Gott Körperteile zu (8,5,32). Zum andern ging es natürlich um die Christologie: Die Basilidianer etwa bestritten die Passion Christi (8,5,4) – nach Augustin (4) glaubten sie an 365 Himmel –, die Karpokratianer die göttliche Natur Christi (8,5,7), die Valentinianer umgekehrt dessen 48
Ebd. 8,3,1f., S. 306: Haeresis Graece ab electione vocatur, quod scilicet unusquisque id sibi eligat quod melius illi esse videtur. […] Nobis vero nihil ex nostro arbitrio inducere licet, sed nec eligere quod aliqui de arbitrio suo induxerit. Zur Etymologie des griechischen Begriffs vom „Nehmen, Ergreifen“ zur Wahl und zur gegenkirchlichen Bewegung aus heutiger Sicht vgl. Wirsching, Kirche und Pseudokirche S. 109ff.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Körperlichkeit (8,5,11), die Paulianer die Gleichewigkeit Christi, der seinen Ursprung erst aus Maria nahm (8,5,29); die Photinianer lehrten, Christus sei im ehelichen Koitus Marias und Josephs gezeugt (8,5,37). Vielfach ging es um die genaue Deutung dieser göttlichen Natur Christi, der dem Vater als unähnlich galt wie bei den Aëtianern (8,5,39) und ihm jedenfalls nicht gleich war wie bei den Arianern (8,5,43) oder der den Vater nicht sehen könne (wie bei den Origenianern, 8,5,40), oder man schrieb den drei göttlichen Personen völlig verschiedene Naturen zu, wie die Arianer (8,5,43), oder sah diese gestuft, wie die Donatisten (8,5,51), während andere wiederum die drei Personen für identisch hielten, wie die Sabellianer (8,5,42) oder die Nötianer, die alle göttlichen Personen in Christus verkörpert sahen (8,5,41). Die Bonosianer erblickten in Christus nur einen Adoptivsohn Gottes (8,5,52). Andere, wie die Antidicomariten (8,5,46), bestritten die Jungfräulichkeit Marias, während die Nestorianer Maria nur für die Mutter des Menschen Christus hielten und damit die beiden Naturen Christi trennten (8,5,64) und die Eutychianer, Akephalen und Theodosianer die menschliche Natur Christi ganz bestritten (8,5,65–67). Die Makedonianer wiederum glaubten nicht an die Existenz des Heiligen Geistes (8,5,44). Die Tritheiten hielten die drei göttlichen Personen gar für drei Götter (8,5,68). Ein dritter Streitpunkt lag in der Lebensweise und in den Riten. So pflegten die Nikolaiten Unzucht durch Austausch der Ehepartner (8,5,5), die Kerinthianer übernahmen die Beschneidung und stellten sich die Ewigkeit voller fleischlicher Lüste vor (8,5,8); die Nazaräer befolgten sogar alle Vorschriften des Alten Testaments (8,5,9); die Adamianer ahmten die Nacktheit Adams nach und beteten nackt zu Christus (8,5,14). Die Severianer tranken keinen Wein, die Tatianer verabscheuten Fleisch (8,5,24f.). Die Herakliten nahmen nur Mönche auf und wiesen Eheleute zurück (8,5,33); die Circumcellionen suchten ein Martyrium durch Selbstmord zu erlangen (8,5,53). Dogmatischer Natur war wieder die Häresie der Pelagianer. Sie bestritten die Notwendigkeit der göttlichen Gnade gegenüber dem freien Willen des Menschen (8,5,63), ein im ganzen Mittelalter weiterdiskutiertes Problem. Eine andere Gruppe wich ganz vom christlichen Glauben ab. So verehrten die Ophiten die paradiesische Schlange (8,5,10), die Kainaner Kain (8,5,15), die Sethianer hielten Seth für Christus (8,5,16), die Angeliker verehrten Engel (8,5,18), die Severianer glaubten nicht an die Auferstehung (8,5,24), die Arabiker aber an den Tod der Seele (8,5,59). Die Tertullianisten hielten die Seele zwar für unsterblich, aber für körperhaft und glaubten, daß die menschlichen Seelen nach dem Tod zu Dämonen würden (8,5,60). Den Katharern wiederum – der Name kommt also keineswegs erst im Hochmittelalter auf – warf Isidor Überheblichkeit vor, weil sie sich selbst für rein und sündenlos hielten (8,5,28). Eine weitere Gruppe unterschied sich ekklesiologisch durch ihre Riten, wie die Donatisten (8,5,51), die konvertierte Katholiken noch einmal tauften. Andere trennten sich einfach von der Kirche, wie die Montaner (8,5,35) oder die Luciferianer (8,5,55).
Isidors und Augustins Listen bilden einen Maßstab, nach dem mittelalterliche Häresien erkannt und benannt werden. Sie belegen, unabhängig davon, daß viele dieser Häresien lediglich noch „historischen“ Wert besaßen,
2. Was ist Häresie? Patristische Grundlagen
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darüber hinaus zumindest zweierlei: daß man zwischen sehr verschiedenen Häresien zu unterscheiden wußte und daß Häresie sich von unterschiedlichen Kriterien her definieren konnte. Dennoch vereint sie sämtlich der Häresievorwurf. Bei aller Vielfalt, so schließt Isidor nämlich diesen Abschnitt, war den Häresien doch gemeinsam, daß sie sich unter einem gemeinsamen Namen gegen die Kirche Christi verschworen (8,5,70). Wenn er, mit Hieronymus, hinzufügt: „Aber auch jeder, der die Heilige Schrift anders versteht, als es der Sinn des Heiligen Geistes dringend erfordert, von dem sie abgefaßt worden ist, kann, mag er sich auch nicht von der Kirche getrennt haben, dennoch als Häretiker bezeichnet werden,“49
dann sind die Hürden prinzipiell sehr niedrig gelegt, weil letztlich jede abweichende Bibelauslegung den Keim der Häresie in sich trägt. Mit anderen Worten: Äußeres Kennzeichen ist die formale Trennung von der Kirche, aber auch innerhalb der Kirche ist Häresie möglich.
b. Die Morallehre Salvians Hatte Orosius, der spanische Priester und Zeitgenosse Augustins, in seinem Bestreben, das Glück der christlichen Zeiten aufzuzeigen, Christen und Römer bereits gleichgesetzt (und eine Integration der Barbaren zwar nicht gewünscht, aber für möglich gehalten), so hebt der spätantike Moralprediger Salvian von Marseille in seinem Sittenspiegel, in dem er (unter anderem) den unsittlichen (christlichen) Römern die (sittlichen) Barbaren entgegenhält, die christlichen (katholischen) Römer von allen anderen, den Barbaren, ab, die entweder Häretiker oder Heiden seien. Daher sind die Römer allen Barbaren in bezug auf die lex divina überlegen, nicht aber hinsichtlich der Lebensführung.50 Während man von Heiden die Einhaltung des göttlichen Gesetzes, das sie gar nicht kennen, kaum erwarten könne, müßten es
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Ebd. 8,5,70, S. 316: Sed et quicumque aliter Scripturam sanctam intellegit quam sensus Spiritus sancti flagitat, a quo conscripta est, licet de Ecclesia non recesserit, tamen haereticus appellari potest. Vgl. Hieronymus, Commentarii in IV epistolas Paulinas. Ad Galatas 3 (unten Anm. 172). Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 4,13,61, ed. Lagarrigue, S. 282; ed. Halm, S. 48: Duo enim genera in omni gente omnium barbarorum sunt, id est aut haereticorum aut paganorum. His ergo omnibus, quantum ad legem divinam pertinet, dico nos sine comparatione meliores: quantum ad vitam et vitae actus, doleo ac plango esse peiores.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
die Häretiker allerdings besser wissen, haben sie doch dieselben Propheten, dieselben Apostel und dieselben Evangelisten, und sie lesen dieselben Schriften; also müßten sie auch das Gesetz ebenso achten wie die Katholiken, bewerkstelligen das tatsächlich aber viel schlechter.51 Salvian erkennt das Christliche an den Häresien also durchaus an, doch macht sie das in seinen Augen keineswegs besser als die Heiden. Von den römischen Häretikern schweigt er ganz, weil er sie weder Römern noch Barbaren vergleichen möchte, da ihr Unglaube schlimmer ist als der der Römer und ihr Leben schlimmer als das der Barbaren.52 Durch die Schuld der Römer sind die (heidnischen) Barbaren überhaupt erst zu Häretikern geworden.53
c. Das exegetische Häresieverständnis: Die „Moralia in Iob“ Gregors des Großen Ausführlich setzt sich Papst Gregor I. in seinen „Moralia in Iob“ mit Häretikern auseinander und läßt dabei, in der Auslegung des Bibelbuches, das frühmittelalterliche Häresieverständnis erkennen: Wenn amici eius, die drei Freunde und Gesprächspartner Hiobs, die ihn in ihren Reden – wenngleich vergeblich – zurechtweisen und läutern wollen, für Gregor immer wieder
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Ebd. 5,2,5, ed. Lagarrigue S. 314; ed. Halm S. 56: Interim quia duo superius barbarorum genera vel sectas esse memoravimus, paganorum atque haereticorum: quia de paganis iam, ut arbitror, satis fecimus, de haereticis quoque, ut causa poscit, subiciamus. Potest enim quispiam dicere: etiamsi a paganis lex divina non exigat, ut mandata faciant, quae non sciunt, certe ab haereticis exigit, qui sciunt: eadem enim etiam illos legere, quae nos legimus, eosdem apud illos prophetas dei, eosdem apostolos, eosdem evangelistas esse, ac per hoc aut non minus ab illis legem neglegi quam a nobis, aut etiam multo magis, quia cum eadem legant scripta quae nostri, multo faciunt deteriora quam nostri. Ebd. 5,3,14, ed. Lagarrigue S. 320; ed. Halm S. 57f.: Omnes autem isti de quibus loquimur, aut Wandali sunt aut Gothi; nam de Romanis haereticis, quorum innumera multitudo est, nihil dicimus, neque aut Romanis eos aut barbaris comparamus, quia et infidelitate Romanis sunt deteriores et foeditate uitae barbaris turpiores. Ein Teil der Römer, so fährt Salvian fort, beleidigt Gott durch sein Leben, ein Teil sein Leben und seinen Unglauben. Ebd.: saluo eo quod etiam ipsae quondam haereses barbarorum de Romani magisterii prauitate fluxerunt, ac perinde etiam hoc nostrum crimen est quod populi barbarorum haeretici esse coeperunt.
2. Was ist Häresie? Patristische Grundlagen
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haereticorum figuram tragen,54 dann sieht der Papst in ihnen, modern gesprochen, frühe Vorläufer der christlichen Häretiker; zugleich sind diese Freunde mit jenen durch die typologische Beziehung engstens verbunden und erhalten durch die allegorische Deutung einen hohen Aussagewert über Häresien. Häretiker verführen, das besagt die zitierte Stelle, unter dem Schein des (guten) Rates. Häresie aber ist für Gregor Irrtum. Die drei Freunde tragen den typus haereticorum nämlich auch deshalb in sich, weil sie irren!55 Ein zweites Wesenselement ist das Streben der Häretiker, andere in diesen Irrtum hineinzuziehen. Für Gregor sind die Freunde außerdem deshalb Häretiker (die der Papst eben durch seine Erklärungen als solche kennzeichnet), weil sie Gott lästern, wo sie ihn verteidigen wollen, und dadurch die Wahrheit verkehren und sich von ihr entfernen, indem sie falschen Dogmen folgen56 und im Irrtum falscher Dogmen die Bibel falsch auslegen.57 Daher sind sie gottlos. Trotz guter Absichten machen sie sich schuldig,58 denn indem sie sich von der Wahrheit entfernen und in der Falschheit vereint sind, tun sie der Kirche Böses an.59 Die Deutung der drei Freunde als Häretiker verrät daher bereits viel über Gregors Häresiever54
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Vgl. Gregor der Große, Moralia in Iob praef. 6,15, CCL 143, S. 20: Amici uero eius qui dum consulunt inuehuntur, haereticorum figuram exprimunt, qui sub specie consulendi agunt negotium seducendi; nahezu wörtlich ebd. 23,1, CCL 143B, Turnhout 1985, S. 1145. Zu Gregors Vorstellungswelt vgl. Robert A. Markus, Gregory the Great and His World, Cambridge 1997. Gregor der Große, Moralia in Iob praef. 6,15, CCL 143, S. 20: Constat ergo eos haereticorum typum errando gerere. Vgl. ebd.: haereticorum figuram exprimunt, qui sub specie consulendi agunt negotium seducendi; […] quia uidelicet omnes haeretici Deum dum defendere nituntur, offendunt. […] Constat ergo eos haereticorum typum errando gerere quos sanctus uir redarguit cultui peruersorum dogmatum deseruire. Omnis uero haereticus in eo quod Deum defendere cernitur, ueritati illius aduersatur. Ebd. 18,13,20, CCL 143A, S. 898: Non absurde impii vocantur haeretici, qui per errorem praui dogmatis a cognitione sunt ueritatis alieni, quos sequenti uerbo etiam uiolentos appellat, quippe qui scripturae sacrae sententias recta dogmata continentes ad intellectum prauum conantur uiolenter inflectere. Ebd. 3,22,42, CCL 143, S. 142: In praefatione huius operis diximus quia amici beati Iob, etsi bona ad eum intentione conueniunt, haereticorum tamen idcirco speciem tenent quia ad culpam indiscrete loquendo dilabuntur. Ebd. 3,23,46, CCL 143, S. 144: Condicunt sibi haeretici, quando praua quaedam contra Ecclesiam concorditer sentiunt; et in quibus a ueritate discrepant, sibi in falsitate concordant.
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ständnis und verweist dabei auf ein ganzes Bündel von Kriterien und Kennzeichen. Das wird durch weitere Äußerungen zu Häretikern verstärkt, die deren Wesen und ihr Verhältnis zur Kirche beleuchten. Dabei sind Häretiker sehr redegewandt, um andere in den Untergang zu ziehen,60 sie sind im Glanz ihrer Redegewandtheit allerdings so überheblich, daß sich ihre Lehren durch keine Autorität der heiligen Schriften festmachen lassen.61 In ihrer Überheblichkeit aber verachten sie Gott und denken Falsches über ihn.62 Mit ihrer Eloquenz können sie manchmal sogar Priester und damit deren „Schafe“ überzeugen (die bei Gregor gemäß Hiob 24,3 zu „Ochsen“ werden).63 Das gelingt ihnen, weil sie zwar die guten Werke zerstören, das aber verbergen64 und mit schmeichelhaften Worten Verkehrtes verkünden.65 Sie halten sich selbst für weise, um zugleich die katholische Lehre zu verlachen.66 Daher ist die Lehre der Häretiker, in der Deutung der mulier pulchra et fatua von Prov 11,22 als Häresie, schön im Wort, aber dumm im Verständnis.67 Tatsächlich bringen sie durch ein verdrehtes Verständnis alles durcheinander (bzw. ent-
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Ebd. 16,5,8, CCL 143A, S. 802: Haeretici quo ueritatis soliditatem non tenent, eo nonnumquam student ut loquaciores appareant; et contra catholicorum fidem quasi de doctrinae scientia gloriantur; cunctos quos aspiciunt prauis ad se trahere sermonibus quaerunt et unde sibi alios ad interitum sociant, inde se agere aliquid uiuaciter putant. Ebd. 18,26,39, S. 910: Et quia haeretici sic de eloquii sui nitore superbiunt, ut nulla sacrorum librorum auctoritate solidentur. Ebd. 23,1,3, CCL 143B, S. 1145: Et quid aliud haeretici faciunt, nisi quod dum falsa de Deo sentiunt, eum superbiendo contemnunt? Ebd. 16,45,58, CCL 143A, S. 833, zu Hiob 24,3 (‚et abstulerunt pro pignore bovem viduae‘): Et saepe contingit ut haeretici peruersis suis dogmatibus ipsos etiam qui praedicatores uidebantur trahant. ‚Bouem ergo uiduae auferunt‘ (Hiob 24,3), cum de sancta Ecclesia etiam praedicantem tollunt. […] Et plerumque haeretici ideo eos conantur auferre qui praedicant, ut eorum etiam sequaces trahant. Ebd. 16,50,63, S. 835: Haeretici itaque cum in quorumdam mentibus bona opera destruunt, nimirum uelamina indumentorum tollunt. Ebd. 16,52,65, S. 836: Cum prosperitatem uitae praesentis haeretici non habent, infirmis mentibus uerbis blandioribus peruersa persuadent. Ebd. 16,8,12, S. 805: Haeretici autem, quia se esse sapientes arbitrantur, uerba contra catholicos irrisionis proferunt. Ebd. 31,2,2, CCL 143B, S. 1550: doctrina haeretica: pulchra per uerbum, fatua per intellectum.
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stellen es: confundere), sind untereinander aber keineswegs einig, sondern stimmen nur in ihrer Schuld, nicht jedoch in ihren Aussagen überein.68 Folgerichtig sind Häretiker für Gregor nicht nur durch die (falsche) Lehre, sondern auch durch den falschen Charakter und das Verhalten gekennzeichnet. Gregor wirft ihnen Arroganz als Wesensmerkmal (proprium) vor, weil sie die Einfachheit der wahren Lehre (der einfachen Gläubigen) verlachen.69 Häresie erschöpft sich auch für Gregor demnach nicht im dogmatischen Irrtum, sondern schließt den bösen Charakter (die Überheblichkeit) wie auch den Irrtum aus (ungläubiger) Unredlichkeit (perfidia) ein.70 Darüber hinaus verfolgen Häretiker die falsche Absicht, ja ein egoistisches Ziel, nämlich ein Trachten nach irdischem Ruhm.71 Sie hängen den irdischen Mächten an und verfolgen das Gemeinschaftsleben und die Eintracht der Guten.72 Deshalb können Häretiker auch keine Wunder vollbringen.73 Ihre Wirkung entspricht daher nicht ihrem Trachten, sondern erreicht, wie bei den drei Freunden Hiobs, das Gegenteil. Im Verhältnis zur Kirche sind Häresien jünger, da sie sich von der Kirche abgespalten haben und nicht umgekehrt.74 Anders als andere Anmaßende (in der Kirche) stehen Häretiker nicht nur außerhalb der Kirche, sondern sie arbeiten darüber hinaus gegen die Kirche,75 ja Gregor sieht die Häresien gerade in dieser Gegnerschaft vereint: Indem sie nämlich darin übereinstim-
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Ebd. 19,18,27, CCL 143A, S. 979: Vnde fit ut semper haereticis peruersa intellegentia confusis, uicissim sibi eorum nequitia et in culpa concordet et in sententia discrepet. Ebd. 14,28,32, S. 717: Habent hoc haeretici proprium ut de inani scientiae suae arrogantia inflentur, et recte credentium simplicitatem saepe derideant, et nullius esse meriti uitam humilium ducant. Ebd. 32,7,9, CCL 143B, S. 1634: perfidiae error. Ebd. 23,1,3, S. 1146: Bene autem omnes haeretici in his quae de domino loquuntur, dum non intentione recta, sed appetitione temporalis gloriae uideri praedicatores appetunt, uetustas sola nominantur. Ebd. 16,55,68, CCL 143A, S. 838f.: Haeretici igitur quia peruersis saepe huius mundi potentibus adhaerentes, bonorum socialem uitam atque concordiam persequuntur, recte nunc dicitur: ‚de ciuitatibus fecerunt uiros gemere‘. Ebd. 20,7,17, S. 1016. Ebd. 20,6,15, S. 1014: Omnes haeretici aetati uniuersalis Ecclesiae comparati, iuniores tempore congrue uocantur, quia ipsi ab ea, non autem ipsa egressa est ab illis. Ebd. 23,9,16, CCL 143B, S. 1156: Arrogantes enim intra Ecclesiam positi respondent contra eam, sed non sicut haeretici exterius constituti.
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men, der Kirche zu schaden, und indem sie in ihrer „Falschheit“ von der Wahrheit abweichen,76 richten sie sich gegen den wahren Glauben. Dabei bedienen sie sich sogar der weltlichen Gewalten, weil ihnen selbst die Macht fehlt.77 Häretische Lehren sind folglich von den katholischen Priestern mit aller Kraft und mit allen Argumenten zu unterdrücken.78 In der Abgrenzung vom wahren Christen rückt Gregor die Häresien in die Nähe der Juden, weil sie sich zwar in Christi Namen rühmen, mit den Juden aber die perfidia teilen.79 Sie verehren zwar Gott, widersprechen aber seinen Geheimnissen.80 Insofern vermischen sie Wahres mit Falschem, Richtiges mit Verkehrtem. Das heißt aber auch, daß nicht alles an ihren Lehren falsch ist.81 Vielleicht deshalb „entschuldigt“ Gregor manche Häretiker, weil sie zwar verkehrte Lehren aufnähmen, aber doch ein reines Herz hätten,82 und er hält ihnen die Wege offen, in die Kirche zurückzukehren: Erst dann geben sie ihren Hochmut auf und besitzen wieder die Gnade des Heiligen Geistes.83 76
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Ebd. 3,23,46, CCL 143, S. 144: Condicunt sibi haeretici, quando praua quaedam contra Ecclesiam concorditer sentiunt; et in quibus a ueritate discrepant, sibi in falsitate concordant. Ebd. 16,54,67, CCL 143A, S. 838: Haeretici autem cum per se potestatem persecutionis non habent, huius saeculi potentes commouent eorumque mentes ad persequendum trahunt; et quibus ualent persuasionibus accendunt. Ebd. 31,28,55, CCL 143B, S. 1590: Solent namque haeretici potentum mundi defensionibus, quasi quibusdam armis, se tegere. Vgl. Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 5,3, S. 268: Quamquam ergo haec ita se habeant et desideremus omnes hereticos a catholicis sacerdotibus vigore semper rationeque compesci. Ders., Moralia in Iob 6,2,3, CCL 143, S. 285: omnes haeretici, quorum tenere speciem amicos beati Iob diximus, cum de nomine Christi gloriantur, Iudaeorum perfidiam ex auctoritate reprehendunt. Ebd. 12,25,30, CCL 143A, S. 647: Saepe uero haeretici dum quasi uenerantur Deum, eius mysteriis contradicunt et humilitatem putant si ueritatem denegant. Ebd. 12,31,36, S. 650: Sed solent haeretici errorum suorum dictis uera aliqua permiscere; ähnlich Ders., Expositio Novi Testamenti 3,49, Migne PL 79, Sp. 1068 BC. Ders., Moralia in Iob 16,5,7, CCL 143A, S. 802: Et sunt nonnulli apud haereticos qui cordis quidem puritatem habent, sed tamen doctrinae eorum dogmata peruersa suscipiunt. Ebd. 35,8,14, CCL 143B, S. 1783: Quia igitur haeretici cum ad sanctam Ecclesiam redeunt, superbiae elationem deserunt […]. quia haeretici ad Ecclesiam reuertentes per humilitatis hostiam dona spiritus gratiae septiformis accipiunt.
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Die in Gregors Zusammenstellung sehr geschlossen wirkenden Äußerungen von Häresie und Häretikern verteilen sich tatsächlich auf viele Stellen, beweisen aber gerade dadurch bereits vorhandene und jeweils „aktivierte“ Vorstellungen. Mit seinen verstreuten, aber häufigen Anspielungen präsentiert Gregor ein ganzes Arsenal von Assoziationen, die allerdings nicht auf konkrete Verhältnisse und Lehren, sondern auf ebenso allgemeine wie stereotype Kennzeichnungen und Urteile abzielen. Sowohl Gregors exegetischer Ansatz als auch sein Verständnis von der Häresie als falscher Lehre und falschem Charakter sowie deren Verhältnis zur Kirche weisen, wie sich im folgenden zeigen wird, bereits sehr auf die mittelalterlichen Anschauungen voraus und haben diese entscheidend geprägt.
d. Das Glaubensbekenntnis Gregors von Tours Eine auffällig theologisch gefärbte und inspirierte Geschichtsschreibung bietet Gregor von Tours, ein Zeitgenosse Gregors des Großen, in seinen „Historien“, wenn er mit einem Glaubensbekenntnis beginnt, das die wesentlichen Merkmale der katholischen Überzeugungen gerade gegenüber den häretischen Arianern hervorhebt, und wenn er mehrfach Religionsgespräche mit Arianern und Juden führt. Im Prolog zum dritten Buch seiner Historien faßt Gregor zusammen, „was den Christen, welche die heilige Dreieinigkeit bekennen, zum Heil gereicht, und was die Häretiker, welche jene aufspalteten, ins Verderben bringt“84 (wobei er erneut die Arianer im Blick hat): „Arius, der erste, schändliche Urheber dieser schändlichen Irrlehre, wird, nachdem seine Eingeweide im Abtritt ihm ausgetreten, dem höllischen Feuer übergeben.“85 Der gebannte Katholik Hilarius hingegen sieht die Heimat wieder und geht ins Paradies ein. Dem Chronisten Gregor aber geht es um den historischen Erfolg des rechtgläubigen Christentums über die Häresien: Mit Chlodwigs Sieg über die Westgoten triumphierte der katholische Glaube über den Arianismus: „Chlodwig, der (die Trinität) bekannte, überwältigte mit deren Beistand die Häretiker und breitete seine Herrschaft über ganz Gallien aus; Alarich hingegen, der sie
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Gregor von Tours, Historiae 3 prol., S. 96: Vellim, si placet, parumper conferre, quae christianis beatam confitentibus Trinitatem prospera successerint et quae hereticis eandem scindentibus fuerint in ruinam. Ebd. S. 96f.: Arrius enim, qui huius iniquae sectae primus iniquosque inventur fuit, interiora in secessum deposita, infernalibus ignebus subditur.
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leugnete, verlor Reich und Volk und, was mehr ist, darüber hinaus sogar das ewige Leben.“86
Ebenso verloren die (arianischen) Burgunderkönige Godegisel, Gundobad und Godomar Land und Seele,87 nämlich sowohl ihr Reich (an die Franken) als auch ihr Seelenheil (an den Teufel): Der richtige Glaube entscheidet über das irdische ebenso wie das ewige Heil. In ganz ähnlicher Denkweise weist auch Isidor von Sevilla darauf hin, daß die (katholische) Kirche über die ganze Welt verbreitet sei (und eben deshalb „katholisch“ heiße), während die Häretiker nur in kleinen Teilen davon zusammengedrängt lebten, entweder in bestimmten Gegenden oder in bestimmten Völkern.88 (Isidor erkennt hier immerhin an, daß es auch eine „Kirche“ der Häretiker gibt.) Der Teufel aber beherrscht laut Gregor nicht nur die Häretiker, sondern dringt selbst in deren Sakramente ein (die eigentlich das Heil spenden sollen): Bei den Arianern sei es Brauch, so erzählt der Chronist beiläufig im Bericht über eine vom Teufel inspirierte Mordaffäre im ostgotischen Königshaus – Amalaswintha ließ ihre Mutter vergiften, weil sie sich deren Heiratsplänen nicht fügen wollte –, daß die Könige das Abendmahl aus einem anderen Kelch empfangen als das geringere Volk: „Was können also die elenden Häretiker dagegen sagen, daß der böse Feind sogar über ihren heiligen Ort Gewalt hat? Wir aber, die wir die Dreieinigkeit in einem einzigen, gemeinsamen Wesen und in Allmacht bekennen, werden keinen Schaden nehmen, auch wenn wir Todbringendes im Namen des Vaters, des Sohnes und heiligen Geistes, des wahren und unvergänglichen Gottes, trinken.“89
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Ebd. S. 97: Hanc Chlodovechus rex confessus, ipsus hereticos adiuturium eius oppraesset regnumque suum per totas Gallias dilatavit; Alaricus hanc denegans, a regno et populo atque ab ipsa, quod magis est, vita multatur aeterna. Ebd. S. 96f. Daß der „Arianismus“ tatsächlich eine Vielzahl abgewandelter Lehren umfaßt, spielt in Gregors Wahrnehmung keine Rolle. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,6a, ed. Pierre Cazier, CCL 111, Turnhout 1998, S. 56: Sancta ecclesia ideo dicitur catholica, pro eo quod uniuersaliter per omnem sit mundum diffusa. Nam hereticorum ecclesiae in partibus mundi coartantur; haec uero in toto orbe diffusa expanditur, Paulo adtestante apostolo: ‚Gratias‘, inquit, ‚ago Deo pro omnibus, quia fides uestra adnuntiatur in uniuerso mundo.‘ Hereses aut in aliquem angulum mundi, aut in unam gentem inueniuntur uersari. Ecclesia uero catholica sicut per totum mundum extenditur, ita et omnium gentium societate construitur. Gregor von Tours, Historiae 3,31, S. 127: Quid contra haec miseri heretici respondebunt, ut in sanctam eorum locum habeat inimicus? Nos vero Trinitate in una aequalitate pariter et omnipotentia confitentes, etiam si mortiferum bibamus in nomine Patres et Filii et Spiritus sancti, veri atque ‚incorruptibilis Dei‘, nihil nos nocebit.
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Gregors Häresieverständnis ist merklich konkreter als das des gleichnamigen Papstes und ganz gegen die häretischen Arianer ausgerichtet, aber genauso negativ geprägt. Von deren irdischen Scheitern ist Gregor ebenso überzeugt wie von ihrer ewigen Verdammung. Das bestätigt sich in den beiden Streitgesprächen, die Gregor mit zwei arianischen Bischöfen führt90 (wobei es im folgenden nicht primär um die unterschiedliche Trinitätslehre beider Glaubensrichtungen, die sich in den Diskussionen gut widerspiegelt,91 sondern um Gregors daraus erwachsendes Häresieverständnis geht). Den einen, Agila, einen Gesandten des Westgotenkönigs Leovigild an den Hof Chilperichs, bezeichnet Gregor gleich zu Beginn als „einen Mann ohne Geist und Erfahrung in verstandesmäßiger Einrichtung, aber voll verkehrter Gesinnung gegen die katholische Lehre“.92 Das Streitgespräch dreht sich zentral um die Rolle Christi in der Trinität. Während Agila, mit Berufung auf Joh 14,28 (Pater maior me est) die Gleichheit Christi mit dem Vater bezweifelt, sucht Gregor auf rationalem Wege nachzuweisen, daß beide gleich sind: Da Christus Gottes Sohn und die Weisheit, das Licht, die Wahrheit, das Leben und die Gerechtigkeit Gottes ist, Gott aber niemals ohne diese Eigenschaften ist, ist auch der Sohn ihm gleich.93 Gleichzeitig will er die Belege des Arianers durch eine andere Auslegung und eine Berufung auf weitere Bibelstellen entkräften (wobei beide von ihrem jeweiligen Verständnis her allerdings „aneinander vorbeireden“). Hier und im folgenden geht es um eine Auseinandersetzung mit einer bestimmten Häresie (dem Arianismus) und einer bestimmten Lehre (dem Trinitätsglauben), die daher an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden muß. (Gregor unterstellt dem Arianer, daß er Christus nicht für vollkommen halte, daß er glaube, Christus habe erst später die menschliche Natur angenommen und der Heilige Geist sei nicht gleichen Wesens mit Vater und Sohn bzw. überhaupt kein Gott.) Das Gespräch läßt aber gut erkennen, daß eben dieser falsche Glaube (daß der Sohn geringer als der Vater sei) den Arianismus in Gregors Augen zu einer Häresie macht. Wie bei Papst Gregor dem Großen wird das auf eine falsche 90 91
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Ebd. 5,43, S. 249–252; 6,40, S. 310–313. Vgl. dazu Hans-Werner Goetz, Gott und die Welt. Religiöse Vorstellungswelten des frühen und hohen Mittelalters, Bd. I/1: Das Gottesbild (Orbis mediaevalis. Vorstellungswelten des Mittelalters 13.1), Berlin 2011, S. 177–185 und die unten in Anm. 98 genannte Literatur. Gregor von Tours, Historiae 5,43, S. 249: virum nulli ingenii aut dispositiones ratione conperitum, sed tantum voluntatem in catholica lege perversum. Ebd. S. 249.
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Bibelauslegung und diese wiederum auf mangelnden Verstand zurückgeführt. Der Arianer versteht die Heilige Schrift zu wörtlich: Wer den Willen eines anderen erfüllt, muß geringer sein als dieser. Für Gregor ist das Torheit (stultitia).94 Wer nämlich die Vollkommenheit Christi bezweifelt, zweifelt an seiner Gottheit.95 Daß der Arianer, der sich soeben noch über Gregors Lästerungen über seinen Glauben beschwert und für Toleranz plädiert hat, sich weigert, von dem Katholiken Gregor den Segen zu empfangen, stößt bei Gregor auf Unverständnis. „Eher möge meine Seele aus den Banden des Leibes fahren, ehe ich von einem Bischof eures Bekenntnisses den Segen empfange,“ läßt Gregor den Arianer sagen, um ihm (in Abwandlung von Mt 7,6) zu antworten: „Noch möge der Herr unser Bekenntnis oder unseren Glauben so lau werden lassen, daß wir sein Heiligtum den Hunden austeilen und die kostbaren geweihten Perlen den schmutzigen Säuen aussetzen.“96 Eine Verständigung war auf dieser Ebene kaum zu erreichen. Das zweite Streitgespräch mit Oppila, der ebenfalls als Gesandter Leovigilds zu König Chilperich kam,97 zeigt, daß für den richtigen Glauben nicht nur die Lehre, sondern auch die Liturgie eine Rolle spielte. Denn Oppila selbst meint zwar, denselben Glauben zu haben (schließlich ist er Christ), und bekennt, daß die drei göttlichen Personen von gleicher Kraft (virtus) sind. Als er aber der Messe beiwohnte, verweigert er das Abendmahl, weil es heißt: Gloria Patri et Filio e t Spiritu Sancto, während die Arianer sagen: Gloria Deo Patri p e r Filium. Für Gregor wiederum ist er gerade aus diesem Grunde kein Rechtgläubiger (catholicus), weil er (wie Gregor glaubt) den Sinn der Apostelworte (1. Tim 1,17) mißversteht. Deshalb ist Oppila für ihn Häretiker, weil er dem Gottessohn die Ehre Gottes entzieht. (Gregor dreht dem Arianer die Worte im Mund herum und unterstellt ihm mit Verweis auf ein anderes Pauluswort [1. Kor 2,2] schließlich sogar, nicht an die Kreuzigung Christi zu glauben.) Das Streitgespräch wird ergebnislos abgebrochen, während Gregor, der am Ende folgert, daß Vater und Sohn derselbe Ruhm gebühre, weil sie dieselbe Göttlichkeit besäßen, sich gewiß als Sieger sieht.
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Ebd. S. 252. So ebd. S. 250. Ebd. S. 252: ‚Ante anima ab huius corporis vinculis emicet, quam ab ullo relegionis vestrae sacerdote benedictione accipiam.‘ Et ego: ‚Nec nostram Dominus religionem sive fidem ita tepiscere faciat, ut distribuamus sanctum eius canibus ac praetiosarum margaritarum sacra porcis squalentibus exponamus.‘ Ebd. 6,40, S. 310–313.
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Gregors Verhältnis zu den Arianern ist bereits mehrfach behandelt worden.98 Dabei hat man bestritten, daß der Arianismus zu Gregors Zeit noch eine Rolle spielte.99 Die vielen Anspielungen und Streitgespräche deuten aber wohl doch auf eine tatsächliche Gefahr im ehemals arianischen Westgotenreich südlich der Loire wie auch auf eine immer noch vom Toledanischen Westgotenreich ausgehende Bedrohung hin, das bis unmittelbar vor der Abfassung der „Historien“ gleichfalls arianisch war.100 Noch zu seiner eigenen Zeit, so Gregor, gab es in Narbonne einen arianischen Bischof Athaloch, der durch seine irrige Lehre und seine falsche Schriftauslegung (per propositiones vanas ac interpretationes falsas scripturarum) verstörte, aber wie Arius eines schlimmen Todes starb.101 König Rekkared aber brachte katholische und arianische Bischöfe seines Reichs zusammen (wobei letztere keine Wunder wirkten) und ließ sie die unterschiedlichen Glaubenssätze erörtern, damit der wahre Glaube gefunden und von allen angenommen werde. Daraufhin bekehrte er sich zum katholischen Glauben.102 Unbescha98
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Vgl. John Moorhead, Gregory of Tours on the Arian Kingdoms, in: Studi medievali 3. ser. 36, 1995, S. 903–915, der Gregors verfälschende, strikt antiarianische Tendenz betont; Avril Keely, Arians and Jews in the Histories of Gregory of Tours, in: JMH 23, 1997, S. 103–115, deutet die antiarianische und antijüdische Tendenz Gregors als Mittel zur Stärkung der Selbstidentität der katholischen Gemeinschaft. Vor allem im zweiten Buch der Historien stellt Gregor fast durchweg Ketzer und Heilige oder katholische Bischöfe paradigmatisch einander gegenüber; Martin Heinzelmann, Heresy in Books I and II of Gregory of Tours’ Historiae, in: Alexander C. Murray (Hg.), After Rome’s Fall. Narrators and Sources of Early Medieval History. Essays presented to Walter Goffart, Toronto 1998, S. 67–82; zur Gegenüberstellung von Heiligkeit und Häresie ebd. S. 74ff.; zuletzt Edward James, Gregory of Tours and „Arianism“, in: Andrew Cain/Noel Lenski (Hg.), The Power of Religion in Late Antiquity, Farnham-Burlington 2009, S. 327–338. Zu den Gesprächen bereits Raymund van Dam, Saints and Miracles in Late Antique Gaul, Princeton, N.J. 1993, S. 106–109. Vgl. Walter Goffart, The Narrators of Barbarian History (A.D. 550–800): Jordanes, Gregory of Tours, Bede, and Paul the Deacon, Princeton 1988, S. 213f.; Martin Heinzelmann, Gregor von Tours (538–594): „Zehn Bücher Geschichte“. Historiographie und Gesellschaftskonzept im 6. Jahrhundert, Darmstadt 1994, S. 112f.; Ders., Heresy S. 70; Moorhead, Gregory of Tours S. 913f. Gregor, Historiae 9,20, S. 440, sagt selbst, daß es keine Gefahr neuer Häresien gebe (Aeclesiae fides periculo ullo non quatitur; heresis nova non surgit). So auch James, Gregory S. 335. Gregor von Tours, Historiae 9,15, 429f. Ebd. S. 429.
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det dieser Frage einer realen Gefahr, die Gregor noch vom Arianismus ausgehen sieht, fügen sich diese Gespräche, wie Martin Heinzelmann herausstellt, in Gregors theologisches Konzept der Chronik ein;103 sie sind aber gerade deshalb keine „Exkurse“, wie Heinzelmann meint,104 sondern ganz in Gregors Konzept von Geschichtsschreibung integriert. Eine noch virulente Kraft des Arianismus schließt ebensowenig aus, daß die Religionsgespräche der Selbstidentität der katholischen Gemeinschaft dienen105 oder daß sie ein Teil des bischöflichen Selbstverständnisses und der Selbstdarstellung Gregors zur Verteidigung des rechten Glaubens sind,106 sondern gibt ihnen zusätzlich eine aktuelle Funktion. Anscheinend war es nicht nur gegenüber den Arianern notwendig, die Trinität und die Gleichheit der drei göttlichen Personen zu begründen; vielmehr war dieses schwierig(st)e Problem des christlichen Glaubens auch den katholischen Christen immer wieder aufzulösen und zu erklären. Gerade deshalb sind Gregors Angriffe auf den Arianismus Teil seines katholischen Selbstverständnisses. Die vier frühen Beispiele haben, auf je eigene Weise, bereits wichtige Merkmale spätantik-frühmittelalterlicher Häresiekonzepte offengelegt: die Vielfalt der Kriterien (bei Augustin und Isidor), die Verknüpfung mit den Barbaren (bei Salvian), die ausführliche und vielseitige Charakterisierung aus der Bibelexegese heraus (bei Gregor dem Großen) und die konkrete Anwendung solcher Vorstellungen auf eine Häresie, den Arianismus (bei Gregor von Tours). Inhaltlich aber weisen sie, unterschiedlich dicht, in gleiche Richtungen. Im folgenden ist solchen Kennzeichnungen nun systematischer nachzugehen.
3. Attribute und Allegorien als Mittel der Kennzeichnung von Häretikern a. Attribute Einen Ansatz zur Erfassung des Verständnisses von Häresien bilden die – bislang, soweit ich sehe, von der Forschung überhaupt noch nicht ins Auge gefaßten – Attribute, mit denen Häresien an zahlreichen Stellen, aber, wie 103 104 105 106
Heinzelmann, Gregor von Tours S. 112f. Ebd. S. 138. So Keely, Arians and Jews S. 114f. So James, Gregory S. 337f. Zu den Religionsgesprächen ebd. S. 334ff.
3. Attribute und Allegorien als Mittel der Kennzeichnung von Häretikern
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die folgende Tabelle zeigt, unterschiedlich häufig verbunden werden. Dabei steht – zahlenmäßig mit weitem Abstand – an erster Stelle die Verkehrtheit (im Denken und Handeln): pravitas haereticorum wird geradezu zu einer stehenden Redewendung.107 In die gleiche Richtung zielt ihre – vor allem in der Spätantike ebenfalls noch recht häufige – perversitas.108 Am zweithäufigsten 107
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Im Folgenden sei exemplarisch nur auf einige Belegstellen aus verschiedenen Jahrhunderten verwiesen: pravitas haereticorum sehr häufig bei Gregor dem Großen; vgl. Dialogi 3,31, ed. Adalbert de Vogüé, SC 260, Paris 1979, S. 388; ep. 6,15, S. 384; ep. 6,65, ebd. S. 440: haereticae pravitatis error; Taio Caesaraugustanus episcopus, Sententiae 2,5, Migne PL 80, Sp. 815 A; Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,5, S. 55; Beda Venerabilis, In Genesim 3, Migne PL 91, Sp. 214 C; Ders., Homiliae 3,44, Sp. 367 B; Alkuin, ep. 139, S. 221; ep. 202, ebd. S. 335; ebd. ep. 213, S. 356; Alkuin, Contra Felicem 2,5, Migne PL 101, Sp. 150 C; Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 4,12, S. 370; Ders., Commentaria in libros IV Regum. In librum secundum c. 17, Migne PL 109, Sp. 108 A; Haymo von Auxerre, Commentarium in Cantica Canticorum 2, Sp. 307 D; Ders., Homiliae de tempore. Homilia 120, Sp. 644 A; Paschasius Radbertus, Expositio in Evangelium Matthaei 7, CCM 56A, S. 707, 709 und 720; Hinkmar von Reims, De praedestinatione Dei et libero arbitrio posterior dissertatio adversus Gothescalcum 37,11, Migne PL 125, Sp. 416 A; Ders., ep. 169, ed. Ernst Perels, MGH Epp. 8,1, Berlin 1939, S. 160; Ders., De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae, Resp. 15, S. 209; Regino von Prüm, Chronicon a. 605, S. 31; Gesta pontificum Autissiodorensium 58, ed. L.M. Duru, Bibliothèque de l’histoire de l’Yonne 1, Paris 1850, S. 444; Bruno von Würzburg, Expositio psalmorum. Ps. 106, Migne PL 142, Sp. 396 C; Rodulf Glaber, Historiae 4,2, S. 176; Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 3,30, S. 236; Petrus Damiani, Liber gratissimus 22, ed. Lothar von Heinemann, MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 50; ebd. 39, S. 73; Werner von St. Blasien, Abbreviatae expositiones dominicalium. Dominica Quinta. Sermo de ecclesia, Migne PL 157, Sp. 1050 C; Gottfried von Vendôme, ed. Geneviève Giordanengo, Geoffrey de Vendôme, Œuvres (Sources d’histoire médiévale), Nr. 205, Turnhout 1996, S. 512; Ders., Libelli 1, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 682; Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius. Commentarii in Leviticum 2,28, CCM 22, S. 890; Ders., Commentaria in evangelium s. Ioannis 1, S. 9; ebd. 2, S. 68; Petrus Lombardus, Collectanea in omnes D. Pauli apostoli epistolas, praef., Sp. 1297 B; Richard von St. Viktor, In Apocalypsim 3,4, Migne PL 196, Sp. 781 C. Zum Beispiel: Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 6,65, CCL 140, S. 442: haereticae perversitatis macula; Alkuin, Contra Felicem 2,5, Sp. 150 D; Paschasius Radbertus, In threnos sive lamentationes Ieremiae libri quinque 4, Migne PL 120, Sp. 1205 B; Gesta episcoporum Autissiodorensium 58, S. 445; Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius 17. Commentaria in Numeros 2,12, CCM 22, S. 979. Im folgenden werden jeweils nur noch wenige, illustrierende Beispiele für die einzelnen Attribute angeführt.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
verbindet sich Häresie mit Irrtum (error),109 recht häufig auch noch mit Verschlagenheit (calliditas,110 versutia111, astutia112) und Falschheit (falsitas),113 mit Lüge (mendacium)114 und Betrug (fraus/fraudulentia),115 Treulosigkeit bzw. Unglauben (perfidia),116 sodann (nicht mehr ganz so häufig) mit Wut (furor)117 und Wahnsinn (vesania, insania, amentia)118 – alle Häretiker sind Nikolaiten, denn Nikolaus heißt stultus populus, schreibt Alkuin119 –,
109
110
111
112
113 114
115 116
117
118
119
Vgl. etwa Beda Venerabilis, Homiliae 3,34. In Dominica quarta post epiphaniam, Sp. 344 A. Haereticorum calliditas z.B. Isidor von Sevilla, Sententiae 3,12,6, S. 235; Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum 5,3, Sp. 908 C (malitiosam haereticorum calliditatem). Z.B. Beda Venerabilis, In Hexaemeron 3, Sp. 128 D; Ders., In Ezram et Neemiam allegorica expositio 3,19, ed. David Hurst, CCL 119A, Turnhout 1969, S. 357; Hrabanus Maurus, De clericorum institutione 3,20, S. 540; Ders., Commentarii in Ecclesiasticum 3,5, Sp. 844 D; Richard von St. Viktor, In Apocalypsim 2,6, Sp. 764 D. Vgl. Hrabanus Maurus, Commentarii in librum Sapientiae 1,9, Migne PL 109, Sp. 686 D. Vgl. Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 3,30, S. 236. Vgl. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,9, S. 57: Heretici ingenti studio mendacia sua discunt, et labore uehementi, ne ad unitatem Ecclesiae ueniant, decertantur; Remigius von Auxerre, Enarrationes in psalmos. Ps. 5, Migne PL 131, Sp. 168 D. Vgl. Bruno der Karthäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 90, Sp. 1127 C. Vgl. Gregor der Große, Dialogi 1,31, S. 388; Julian von Toledo, Commentarius in Nahum prophetam. Expositio 62, Migne PL 96, Sp. 734 D; ebd. 63, Sp. 735 B; Alkuin, Commentarii in Apocalypsim 2,2, Migne PL 100, Sp. 1101 D; Rupert von Deutz, Commentaria in s. Iob 24, Migne PL 168, Sp. 1064 A (die bereits für 2010 angekündigte CCM-Ausgabe ist noch nicht erschienen); Ders., Commentaria in Apocalypsim 2,2, Migne PL 169, Sp. 883 A; ebd. 9,16, Sp. 1122 A); Ders., De divinis officiis 11,19, S. 396. Vgl. Hinkmar von Reims, Opusculum LV capitulorum contra Hincmarum Laudunensem 36, ed. Rudolf Schieffer, Die Streitschriften Hinkmars von Reims und Hinkmars von Laon, MGH Conc. 4, Suppl. 2, Hannover 2003, S. 298. Vesania: Bonizo von Sutri, Libellus de sacramentis, Migne PL 150, Sp. 858 A; Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius 37. De operibus spiritus sancti 4,12, CCM 24, S. 1954. Insania: Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 23, Sp. 173 A; Rupert von Deutz, Liber de divinis officiis 12,24, S. 418. Amentia: Hadrian I., ep. 57, Migne 96, Sp. 1236 D. Alkuin, Commentarii in Apocalypsim 2,2, Sp. 1102 C.
603
3. Attribute und Allegorien als Mittel der Kennzeichnung von Häretikern
Hochmut (superbia)120 und Arroganz (arrogantia),121 wobei Betrug und Wut in der Spätantike häufiger begegnen als im Mittelalter. Demgegenüber relativ selten werden noch Blindheit (caecitas),122 Frechheit (improbitas),123 Unreinheit (immunditia)124 und Grausamkeit (crudelitas)125 sowie in Einzelfällen weitere Eigenschaften, wie Schwatzhaftigkeit (garrulitas)126 oder Starrköpfigkeit (pervicacia)127 – wie auch andere, hier nicht mehr aufgenommene Begriffe – mit Häretikern verbunden. Häretiker waren für die mittelalterlichen Katholiken demnach vor allem „verkehrt“, irrend, verschlagen und falsch, betrügerisch, treulos, wahnsinnig und hochmütig. Von den „Ungeheuern häretischer Ansichten und den frevlerischen (irreligiösen) wahnsinnigen Unwahrheiten“ spricht Alkuin.128 Tabelle 1: Übersicht über die Quantität der wichtigsten Attribute nach Belegstellen in der Patrologia Latina 129 und in der Library of Latin Texts (A), in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit: Migne Bd. 1–69
Bd. 70–217
Gesamt
LLT
Verkehrtheit pravitas perversitas Summe
62 32 94
586 30 616
648 62 710
254 57 311
Irrtum: error
87
151
238
170
120 121
122 123 124
125 126 127
128
129
Vgl. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros IV Regum. In librum primum 17, 53 C. Vgl. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Amos prophetam 7, Sp. 120 C. Vgl. etwa Beda Venerabilis, Expositio in Apocalypsim 2,13,9, S. 347. Vgl. etwa Petrus Lombardus, Sententiae 1, dist. 33 c. 1,9, S. 243. Vgl. etwa Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius 14. Commentarii in Leviticum 1,21, CCM 22, S. 829. Vgl. etwa Ders., Commentaria in s. Iob 17, Sp. 1036 C. Vgl. Hadrian I., ep. 57, Migne PL 96, Sp. 1236 C. Vgl. Werner von St. Blasien, Abbreviatae expositiones dominicalium. Dominica quinta. Sermo de ecclesia, Sp. 1050 C. Alkuin, Contra Felicem 42, Sp. 104f.: haereticarum monstra opinionum et insanarum sacrilegia falsitatum. Bei der elektronischen Suche im Migne konnten allerdings nur solche Stellen be-
604
Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Fortsetzung Tabelle 1: Verschlagenheit/Falschheit calliditas versutia astutia falsitas Summe
5 6 6 10 27
8 40 14 23 85
13 46 20 33 112
13 25 6 22 66
Lüge und Betrug: mendacium fraus/fraudulentia Summe
7 44 51
14 42 56
21 84 106
17 51 68
Treulosigkeit perfidia
12
73
85
58
Wut furor
33
16
49
30
Wahnsinn/Vernunftlosigkeit: vesania insania amentia Summe
3 9 1 13
20 7 2 29
23 16 3 42
7 24 3 34
Hochmut/Anmaßung: superbia arrogantia Summe
13 0 13
20 5 25
33 5 38
18 1 19
Blindheit: caecitas
5
3
8
9
Unredlichkeit/Frechheit: improbitas
3
5
8
4
Unreinheit immunditia
0
5
5
6
Grausamkeit crudelitas
1
6
7
2
rücksichtigt werden, in denen h(a)eresis oder h(a)eretici und Attribut (jeweils in allen grammatischen Fällen und in beliebiger Reihenfolge) unmittelbar aufeinander folgen.
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3. Attribute und Allegorien als Mittel der Kennzeichnung von Häretikern Fortsetzung Tabelle 1: Starrköpfigkeit pervicacia
0
3
3
1
Schwatzhaftigkeit: garrulitas
0
2
2
1
b. Allegorien Ein zweiter Ansatz ergibt sich aus den zahlreichen allegorischen Deutungen biblischer Begriffe und Nachrichten als Häretiker. Das ist ein weites, noch unerforschtes Feld, das hier nicht systematisch aufgearbeitet, sondern nur an einigen Beispielen verdeutlicht werden kann.130 Dabei sind in einigen Fällen die Worte selbst aufschlußreich, welche die mittelalterlichen Autoren mit Häretikern assoziieren, vor allem aber die Begründungen für diese Deutung, die ein implizites, konkretes Verständnis von „Häresie“ enthalten. Die „Freunde Jobs“ in der Auslegung Gregors des Großen131 haben uns hier bereits ein gewichtiges Beispiel vorgeführt. In dieser Weise seien – höchst exemplarisch – noch einige aussagekräftige Beispiele angefügt. Dabei werden Häretiker gern, aber keineswegs ausschließlich mit Frauen und Tieren identifiziert. Mulier illa, jene törichte Frau aus Prov 9,17, die im Sündenfall der Versuchung der Schlange erliegt, enthält für Isidor von Sevilla den Anschein (oder die Gestalt) eines Häretikers (haereticorum species tenens), weil alle Häretiker das Verdienst der Gottheit bekennen, aber durch das Versprechen auf Wissen – mit dem (und hier liegt der Anknüpfungspunkt für die Deutung) die Schlange Eva verlockt hatte – diejenigen täuschen und ergreifen, die leichtfertig Glauben schenken, ihnen aber nur äußerlich die Augen öffnen, während das innere Auge verschlossen bleibt.132 Häretiker
130
131 132
Die allegorischen Ausdeutungen des Hrabanus Maurus auf Häretiker sind ausgewertet bei Hans-Werner Goetz, Was wird im frühen Mittelalter unter „Häresie“ verstanden? Zur Häresiewahrnehmung des Hrabanus Maurus, in: Aurast/Goetz (Hg.), Wahrnehmung anderer Religionen S. 47–88. Vgl. oben S. 590ff. Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu quaestiones in Vetus Testamentum. In Genesin 4,9, Sp. 220 A: Sic et omnes haeretici divinitatis meritum profitentur, atque scientiae pollicitatione decipiunt et reprehendunt eos quos simpliciter credentes invenerint. Et quia omnino carnalia persuadent, quasi ad carnalium oculorum apertionem conantur adducere, ut interior oculus obscuretur.
606
Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
nutzen folglich, so darf man aus Isidors Worten folgern, ihr (durchaus vorhandenes, aber unvollkommenes) Wissen, um andere zu täuschen und zu verführen. Von den beiden Prostituierten (duae mulieres meretrices), die vor König Salomon treten (3. Reg 3,16), kennzeichnet für Angelomus von Luxueil eine die Kirche, die andere aber die Häresie, weil sie simuliert.133 Die „fremde Frau“ (mulier extranea) aus Salomos Sprüchen (Prov 2,16; 7,5) versinnbildlicht für Beda entsprechend die Verkehrtheit der Häretiker (haereticorum pravitas), weil sie den Gliedern Christi und der Kirche fremd ist und mittels ihrer sanften Beredsamkeit und ihrer einschmeichelnden Sprache die Herzen der Unschuldigen verführt.134 Gerade wegen ihrer verführerischen Worte stellen Häretiker eine Gefahr dar; Gregor der Große interpretiert die biblische mulier pulchra et fatua (Prov 11,22) daher als doctrina haeretica, weil sie schön in ihren Worten, aber einfältig in ihrem Geist ist.135 Allegorische Deutungen bestätigen damit den aus den Attributen gewonnenen Eindruck, um ihn zugleich erheblich anschaulicher zu machen. Dabei verknüpft sich die Deutung (bestimmter!) biblischer Frauen auffällig mit häretischer Verführung. Häretisches Verhalten kennzeichnen auch die beliebten Tierallegorien: Häretiker sind nach Alkuin die Heuschrecken (locustae) der Apokalypse (Apoc 9,3/7), weil diese Tiere weder wie Vögel fliegen noch sich richtig auf der Erde fortbewegen können, sondern auf dem Boden hüpfen und die Saat zernagen; ganz ähnlich fliegen Häretiker weder mit vollem Wissen, noch schreiten sie mit vernünftigen Werken, sondern bewegen sich mit hochmüti133
134
135
Angelomus von Luxeuil, Enarrationes in libros regum, In librum tertium 3, Sp. 397 C: Duae mulieres inter quas Salomon primum iudicium suum exercuit, quarum una dilectione ardebat, in altera simulatio subripiebat, Ecclesiam atque haereticam pravitatem figurasse non dubium est. Beda Venerabilis, In proverbia Salomonis allegorica expositio 1,2, CCL 119 B, S. 36: Potest autem per mulierem extraneam hereticorum prauitas intellegi a Christi et ecclesiae membris aliena quae mollitia dissertitudinis et linguae blandimentis corda decipere innocentium solet. Nach Hayward, Before the Coming of Popular Heresy S. 14, hatte Beda ein engeres, auf den Verstoß gegen die Lehre begrenztes Häresieverständnis, im Gegensatz zu Gregor von Tours, für den Häresie „any offence against episcopal authority“ sei. Zumindest Letzteres erscheint mir nicht angemessen. Gregor der Große, Expositiones veteri testamenti 12: In Proverbia 24, Migne PL 79, Sp. 901 D: pulchra per verbum, fatua per intellectum; Hrabanus Maurus, Allegoriae in universam sacram scripturam, Sp. 1003 A: ‚Mulier pulchra et fatua‘, quod sermo haereticus propter ornatum verborum pulcher, sed propter erroris deceptionum fatuus est. Vgl. oben Anm. 67.
3. Attribute und Allegorien als Mittel der Kennzeichnung von Häretikern
607
gen Sprüngen fort und töten dabei mit ihren unerhörten Predigten die Seelen der Schlechten;136 wie Heuschrecken (nach Apoc 9,2) aus dem Rauch auf die Erde gelangen, so kommen Häretiker für Hraban in der Kirche aus der Dunkelheit der Tiefe hervor,137 wie Motten nagen sie am Bewußtsein der Bosheit.138 Für Paschasius Radbertus sind sie wie Hunde (canes) (Mt 7,6), weil sie als Leugner der Wahrheit wie jene zum Erbrochenen des Unglaubens zurückkehren;139 bei Bruno dem Kartäuser werden sie durch den Drachen (von Ps 91,13) symbolisiert: Wie dieser sein Opfer zunächst mit seinem Schwanz bindet und dann verschlingt, so binden auch Häretiker mit ihren falschen Argumenten die Unvorsichtigen zuerst an sich, um sie dann zu verschlingen.140 Eine ganze Reihe solcher Tierallegorien (mit Begründungen) findet sich bei Bruno von Asti, der Häretiker etwa in den Köpfen der Pferde (von Apoc 9,7; 9,17) symbolisiert sieht, weil sie, Löwen ähnlich (nach Hiob 4,10), sich wie Löwen an der Grausamkeit und am Blut ergötzen.141 In der dritten Bestie (und damit dem dritten Reich) des Danielgleichnisses, das Bruno auf das (arianische) Reich seit Constantius II. bezieht, erblickt er Häretiker, weil das pantherartige Tier mit seinen vier Flügeln und seinen vier Köpfen anzeigt, wie sich die Häresie „wie im Flug“ über die ganze Welt, nämlich die 136
137
138
139
140
141
Alkuin, Commentarii in Apocalypsis 4,9, Sp. 1139 C: Sicut enim ille nec perfecte ut aves volantes, nec gradatim passibus pergentes, sed saltus dantes terrae sata videntur corrodere; sic isti nec plenae scientiae volatum, nec perfectae operationis gressum habentes, sed solis elationum saltibus moti, inaudita praedicando pravorum animas necant. Hrabanus Maurus, Allegoriae in universam sacram scripturam Sp. 988 CD: ‚De fumo putei exierunt locustae in terra‘, quod de obscuritate profundi erroris processerunt haeretici in Ecclesia. Ebd. Sp. 1067 B: ‚Tinea‘ est quilibet haereticus, ut in Iob (4,19, wo es allerdings heißt ‚consumentur velut tinea‘): ‚Aedificavit sicut tinea domum suam‘, quod malitiae semper haeretici rodunt conscientiam. Paschasius Radbertus, Expositio in Evangelium Matthaei 4, CCM 56, S. 433: Et ideo per canes heretici seu abnegatores veritatis revertentes ad vomitum infidelitatis denotantur. Bruno der Karthäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 90, Sp. 1129 C: ‚draconem‘, id est haereticos, qui prius falsis rationibus suis incautos ligant et sibi attrahunt et postea sibi eos confirmando devorant, velut draco, qui prius animal aliquod cauda ligat et postea ligatum devorat. Bruno von Asti, Expositio in Apocalypsim, 3,9, Migne PL 165, Sp. 656 C: Capita vero equorum, per quos haereticos intelligimus, leonum capitibus similia esse dicuntur, quia sicut leones ita haeretici crudelitate et sanguine gaudent.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
vier Teile der Welt, verbreitet hat.142 Mit den zwei Testamenten aber (die Bruno in den beiden Löwen von Prov 26,13 angezeigt sieht), werden Juden, Heiden und Häretiker besiegt.143 Häretiker sind für Bruno ferner das wilde Tier schlechthin (bestia), das Fleisch vorkostet, wie Häretiker die Heilige Schrift entstellen;144 für Humbert von Silva Candida sind die wilden Tiere „der allgemeine Typus des Häretikers“, deuten insbesondere aber auf die Pseudopropheten.145 Häretiker werden aber auch die Zähne des Teufels (dentes diaboli) genannt – Hiob 4,10 spricht allerdings von den Zähnen des Löwen –, weil sie ihre Beute, die sie verschlingen, dem Teufel vorführen.146 „Engel Satans“, nämlich Häretiker (oder lügenhafte Philosophen oder auch alle, die ihren Nächsten solche Worte sagen, um sie in den ewigen Tod zu ziehen), sind für Beda auch die Todesboten von 2. Kor 12,7.147 Ders., Homilia 2. Lectio s. Evangelii sec. Lucam (21,25), Migne PL 165, Sp. 751 AB, der die dort angesprochenen Himmelszeichen mit Daniels Deutung des Traumes Nebukadnezars und den vier Reichen (Dan 7,2ff.) in Beziehung bringt: Per tertiam vero bestiam regnum haereticorum intelligimus, a tempore videlicet Arii et Constantii haeretici et crudelissimi imperatoris. Maiorem enim persecutionem tunc Dei populus passus est, quam illa iam superius dicta regna ei movissent. Maior est enim in corpore et anima quam in solo corpore persecutionem pati. Haec autem bestia pardo similis et quatuor alas habuisse describitur, quoniam haereticorum praedicatio velociter et parvo tempore totum mundum volando replevit. Quatuor enim sunt mundi partes, quae per quatuor alas et quatuor capita figurantur. Quatuor enim capita habuit haec bestia, quia in quatuor mundi partibus suos praedicatores haeretici habuerunt. Quanta autem potestas Arianis data fuerit Ariminense concilium manifestat. 143 Ders., Liber sententiarum de ornamentis ecclesiae 2,9, Migne PL 165, Sp. 931f.: Ego duos leones duo Testamenta intelligo, quae sua fortitudine omnes bestias interficiunt, quorum doctrina et consilio omnes Iudaeos, gentiles et haereticos superamus. 144 Ders., Expositio in Exodum 22, Migne PL 64, Sp. 296 D: Quid enim per bestias nisi haereticos? Quid vero per carnem a bestiis praegustatam nisi vel Scripturas ab eis depravatas vel peccatores ab eis corruptos intelligimus? 145 Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 2,40, S. 189: Restat ergo, ut bestiae illius, quae universalis hereticorum typus est, signa et prodigia quae sint, et quem significent vel prophetent, discutiatur; et ante omnia advertatur, quia bestia haec in subsequentibus pseudopropheta appellatur. 146 Bruno von Asti, Expositio in Iob 41, Migne PL 164, Sp. 689 A: Non solum enim portae, sed et dentes diaboli dicuntur haeretici, quia quos capiendo devorant, diabolo repraesentant. 147 Beda Venerabilis, In proverbia Salomonis 2,16, S. 92: Nuntii mortis sunt angeli satanae, id est heretici et uani philosophi, immo omnes qui ea uerba nuntiant proximis, unde a morte rapiantur aeterna. 142
3. Attribute und Allegorien als Mittel der Kennzeichnung von Häretikern
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Nicht selten sind darüber hinaus Vergleiche mit Pflanzen sowie weitere Assoziationen. So stechen Häretiker die Kirche mit ihren Lehren wie Disteln die Lilie.148 Einsichtigerweise entsprechen sie ferner der – den Häretikern eigenen – Lüge (mendacium).149 Bruno vergleicht die Häretiker außerdem mit den Philistern (aus Gen 26,14f.), die Abraham vertrieben haben,150 mit der verstorbenen Seele (von Num 19,13), weil die Häretiker nicht körperlich, sondern seelisch tot sind,151 oder mit „Amalech“ (Num 13,29; 14,25: 14,43; 24,20), dem „unvernünftigen Volk“, weil sie wie wilde Tiere Gott nicht fürchten und durch Lecken und Kriechen täuschen, wen immer sie täuschen können.152 Das sind nur wenige von unzähligen Beispielen, aus denen sich bereits wichtige Beobachtungen ergeben, die aber nur allererste (noch sehr vorläufige) Eindrücke vermitteln sollen, auf welchem Wege Aussagen über das Häresieverständnis möglich sind. Allegorien definieren nicht, sie umschreiben bildhaft, veranschaulichen in solchen Umschreibungen aber die Vorstellungen von häretischen Merkmalen. In Assoziationen mit negativ konnotierten Begriffen, Lebewesen oder Gegenständen stehen auch hier Unglaube und Bosheit, hinterhältige Täuschungsabsichten, Teufelswerk und Gegnerschaft zur Kirche im Vordergrund. Häretiker, so läßt sich (unter anderem) bereits folgern, benehmen sich teils wie wilde Tiere, teils wie sanfte Frauen. Sie täuschen die anderen, weil sie zwar an Gott glauben, ihn aber nicht wirklich erkennen. Sie verführen sanft und einschmeichelnd, lehren aber Verkehrtes und bringen daher nicht Heil, sondern Unheil und Verderben, nicht Wahrheit, sondern Lüge und Unglauben; sie dienen nicht Christus, sondern dem Teufel. Würde man alle Allegorien zusammenstellen, so ergäbe 148
149 150
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152
So Hrabanus Maurus, Allegoriae in universam sacram scripturam Sp. 986 C (zu Cant 2,2: ‚Sicut lilium inter spinas‘): quod dogmatibus haereticorum sancta Ecclesia pungatur. Vgl. Bruno der Karthäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 5, Sp. 654 B. Bruno von Asti, Liber sententiarum de ornamentis ecclesiae 6,2,3, Sp. 1054f.: Philisthaei autem haeretici sunt, Iudaei quoque et philosophi, qui apostolorum et prophetarum doctrinam non intelligentes et exponentes, semper has aquas obstruere conantur. Ders., Expositio in Numeros 19, Migne PL 164, Sp. 490 B: Quid enim per animae morticinum nisi haereticos intelligimus? qui non secundum corpus, sed secundum animam mortui sunt. Ebd. 25, Sp. 534 A: Quid enim per Amalec, qui ‚populus brutus‘ sive ‚populus lingens‘ interpretatur, nisi haereticos intelligimus? Qui et quasi bruta animalia Deum non timent et eos, quos possunt, lingendo et adulando decipiunt.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
sich quasi das gesamte Spektrum der Assoziationen, die mittelalterliche Autoren mit Häretikern verbinden. In diesem Sinn und unter Einschluß anderer Äußerungen soll das mittelalterliche Häresieverständnis im folgenden nach systematischen Aspekten hin ausgewertet und exemplarisch veranschaulicht werden.
4. Kennzeichnung der Häretiker a. Falscher Glaube und falsche Lehre Als häretisch gelten im Mittelalter zunächst und vor allem natürlich alle Lehrmeinungen, die von der katholisch-kirchlichen Glaubenslehre in irgendeiner Weise abweichen (wobei die „richtige“ Lehre in vielen Fällen aber erst festzustellen war, wie beispielsweise in den Diskussionen um die Eucharistie im 9. und wieder im 11. Jahrhundert). „Wenn ihr das nicht mit der Kirche bekennen wollt, seid ihr Häretiker,“ hatte Augustin gegen den Pelagianer Julian von Aeclanum geschrieben.153 Wesentliches Kennzeichen der Häretiker ist nach den einschlägigen Äußerungen daher vor allem ein falscher Glaube und dementsprechend eine falsche Lehre, auch wenn die von Häretikern „Bekehrten“ sich dessen nicht bewußt sein mußten, wie die von Arianern zum falschen Glauben verführten Barbaren der Spätantike und des frühen Mittelalters. „Sie sind Häretiker,“ schreibt Salvian von Marseille, „ohne es zu wissen.“154 In der Folgezeit werden die Urteile grundsätzlicher. Häretikern fehlt die göttliche Gnade. Obwohl sie das Gesetz erfüllen, meint schon Isidor von Sevilla, ist Gott nicht in ihren Zusammenkünften, weil sie nicht katholisch sind.155 Nach Gregor dem Großen sind Glaube und Predigten der Häretiker falsch,156 weil sie sich von der Wahrheit entfernen (bzw. fern der Erkenntnis der Wahrheit sind) und weil sie somit in der Lehre 153
154
155
156
Augustinus, Contra Iulianum opus imperfectum 3,110, S. 431: Hoc uos non uultis cum ecclesia confiteri; hinc estis haeretici. Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 5,2,9, ed. Lagarrigue S. 316; ed. Halm S. 56f., das Zitat ed. Lagarrigue S. 316; ed. Halm S. 57: Haeretici ergo sunt, sed non scientes. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,13, S. 58: Heretici quamuis legem et prophetas adimpleant, ex eo tamen quod catholici non sunt, non est Deus in eorum conuentibus. Vgl. Gregor der Große, Expositiones in librum primum regum 1,1, S. 71: sed haeretica et falsa praedicare.
4. Kennzeichnung der Häretiker
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irren.157 Nach Beda suchen sie mit ihrer verkehrten Lehre andere vom Glauben abzubringen.158 Daß Häretikern die Wahrheit fehlt oder daß sie sich folglich im Irrtum befinden, ist ein ausgesprochen häufig (pauschal) erhobener Vorwurf, den man gar nicht konkretisieren muß, der also die Häresie an sich kennzeichnet. Obwohl sie Sinn und Predigt zur Genüge kennen, meint Hrabanus Maurus, ziehen sie den Irrtum der Wahrheit vor.159 Dieses Verhältnis ist umkehrbar: Wer die Wahrheit verläßt und falsche Lehren verkündet, ist für Petrus Damiani daher zwangsläufig Häretiker.160 Häresie ist Unglaube, Irrtum und Gift; Petrus spricht geradezu vom „Irrtum des vergifteten Unglaubens“, den sie zum Dogma erheben.161 Für Gregor den Großen und Odo von Cluny werden Häretiker dadurch gottlos (impius),162 für Rupert von Deutz stehen sie dem Glauben fern,163 für Odorannus von Saint-Pierre-le-Vif wird Häretiker gleichsam zum Begriff für den von Gott Entfremdeten.164 Mit ihrer 157
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Vgl. Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 6,65, CCL 140, S. 440: Sicut de eis quos ab unitate ecclesiae haereticae prauitatis error abscidit affligimur et dolemus. Beda Venerabilis, In epistolas septem catholicas 4,2,26, S. 298: ‚Seductores quos nominat non solum heretici sunt intellegendi, qui peruersa doctrina quaerunt auertere a fide, sed et hi, qui per illecebras uel aduersa saeculi a promissione uitae aeternae mentes infirmorum male mulcendo siue terrendo detrahunt.‘ Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 6,3, Sp. 946 AB: Dives mendax est haereticus, qui abundat sensu et sermone, sed potius elegit in his errori quam veritati deservire. Petrus Damiani, ep. 98 (Contra clericos regulares proprietarios), Bd. 4,3, S. 85: Heresis enim interpretatur electio. Et dum, quod eligit, quis defendere nititur, relicto veritatis tramite, quia per abrupta perversi dogmatis rapitur, in heresim necesse est prolabatur. Ebd. ep. 160,4,4 (De quadragesima et quadragina duabus Hebraeorum mansionibus), Bd. 4,4, S. 129: consurgunt adversum nos heretici, errorem venenatae perfidiae dogmatizantes, tanquam phithones et magi malefica incantationum carmina conspergentes. Vgl. Paulinus von Aquileja, Libellus sacrosyllabus contra Elipandum 1 (unten Anm. 195). Gregor der Große, Moralia in Iob 18,13,20, CCL 143 A, S. 898: Non absurde impii uocantur haeretici, qui per errorem praui dogmatis a cognitione sunt ueritatis alieni. Danach wörtlich Odo von Cluny, Moralium in Iob 18,27, Sp. 320 C. Rupert von Deutz, Commentaria in Evangelium s. Iohannis 1, S. 27: Nam hic sensus haereticus est, haec expositio a fide aliena est. Odorannus S. Petri Vivi, Opusculum 7, Migne PL 142, Sp. 816 D: Sectatores vero huiusmodi vocantur haeretici, id est a Deo alieni.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
falschen Lehre und mit ihrem Hochmut errichten sie, so Remigius von Auxerre, einen „Turm gegen Gott“.165 „Denn welcher Häretiker ist nicht hochmütig, wenn er die kirchliche Einfachheit verachtet und so die Menschen der Kirche für wilde Tiere hält und sich zu solcher Wallung an Hochmut und Unrecht aufbläht, dass er sein Maul sogar gegen den Schöpfer selbst rüstet?“
fragt auch Hrabanus Maurus.166 „Korruption“, Verkehrtheit oder Verderbtheit, wird für Bruno von Würzburg geradezu zum Synonym für Häretiker, weil nichts verkehrter ist, als nicht richtig an Gott zu glauben.167 Man muß, so Werner von St. Blasien im 12. Jahrhundert, also vor Häretikern warnen, weil sie die Kenntnis einer Wahrheit versprechen, die sie gar nicht besitzen.168 Ihr alle habt schon oft von der Höllenfahrt Christi gehört, so predigt Hildebert von Le Mans, eine Geschichte, die von jeher besonders unter Häretikern verbreitet ist und manchen Irrtum erzeugt; in solchem Irrtum nämlich seien die Häretiker befangen.169 Maßstab für den richtigen Glauben aber ist das Glaubensbekenntnis, mit dem allein alle Häretiker widerlegt werden können170 (und so erklärt es sich, 165
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Remigius von Auxerre, Commentarius in Genesim 11, Migne PL 131, Sp. 81 C (zu Gen 11,5): Mystice turris haec mundi superbiam signat, sive etiam elationem haereticorum qui turrim pravi dogmatis contra Deum volunt aedificare. Hrabanus Maurus, Expositio super Ieremiam prophetam 15,48, Sp. 1119f.: Quis enim haereticorum non superbus est, qui ecclesiasticam despiciens simplicitatem, ita habet Ecclesiae homines quasi bruta animalia et in tantum superbiae iniuriaeque tumorem erigitur, ut contra ipsum creatorem armet os suum. Die Stelle folgt dem JesajaKommentar des Hieronymus 6,16,6f., S. 261. Bruno von Würzburg, Expositio psalmorum. In ps. 52, Sp. 211 A: Corrupti. Sunt omnes haeretici uno verbo notati, nam Deo recte non credidisse corruptio est. Werner von St. Blasien, Abbreviatae expositiones dominicalium evangeliorum libri II deflorationum. Expositio in evangelium secundum Lucam. Dominica octava (secundum Matthaeum), Sp. 1073 A: Praecipue cavendi sunt haeretici, cognitionem veritatis quam non habent promittentes. Hildebert von Le Mans, Sermo 128 (Sermones de diversis 41), Sp. 916 BC: Nullus vestrum est qui multoties non audierit fidem esse multorum laicorum, quod Dominus descendens ad inferos, omnes adduxit [f. eduxit] tam fideles quam infideles, et infernum evacuavit. Quae antiquitus haeresis multum inter haereticos pullulavit, et adhuc inter multos errorem generat. In hunc errorem adducti sunt haeretici. Vgl. Hinkmar von Reims, Opusculum LV capitulorum adversus Hincmarum Laudunensem 24, S. 239 (Zitat aus einem Brief Papst Leos I. an Pulcheria Augusta (Leo I., ep. 31, Migne PL 54, Sp. 794 B): ‚Siquidem ipsa‘, inquit, ‚catholici symboli brevis et
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weshalb Gregor von Tours seine „Historien“ mit einem Glaubensbekenntnis einleiten kann). Auf diese Weise könne man anderen widerstehen. Man könne die Wahrheit zwischen Rechtgläubigen und Häretikern aufspüren, meint Agobard von Lyon, wie der Erzbischof Avitus von Vienne, der als katholischer Erzbischof im arianischen Reich der Burgunder täglich mit Arianern zu tun hatte und den Wahnsinn des häretischen Burgunderkönigs Gundobad widerlegt habe: „Zwischen Katholiken und Häretikern sollte also in solcher Untersuchung die Wahrheit aufgespürt werden, wie es ein gewisser hochmütiger und dummer Häretiker Gundobad, der König der Burgunder, von dem herausragenden und rechtgläubigen, seligen Prediger Avitus versucht hat, der seinen Wahnsinn höchst weise und lobenswert zurückwies und widerlegte.“171
Die Ursache ihres Irrtums liegt oft darin, daß Häretiker, wie schon bei Gregor erwähnt, die Heilige Schrift falsch auslegen. Bereits Hieronymus hatte ein entscheidendes Merkmal der – begrifflich vom griechischen hairesis abgeleiteten – Häresie in der falschen Bibelauslegung gesehen: „Wer immer also die Schrift anders auslegt, als der Sinn des Heiligen Geistes erfordert, mit dem sie geschrieben ist: der ist, auch wenn er sich nicht aus der Kirche zurückzieht, ein Häretiker zu nennen und ist es nach den Werken des Fleisches, indem er sich das Schlechtere erwählt.“172
(Zur Zeit des Hieronymus war ein Ausschluß aus der Kirche folglich noch nicht zwingend.173) Sie verstehen den Sinn der Bibel nicht (oder falsch),
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perfecta confessio XII apostolorum totidem est signata sententiis, tam instructa fit munitione caelesti, ut omnes opiniones he˛reticorum solo ipsius possint gladio detruncari.‘ Agobard von Lyon, Liber contra iudicium Dei III B.6, ed. Rudolf Peiper, MGH AA 6,2, S. 3 (unter Avitus von Vienne, Dialogi cum Gundobado rege): Deberet ergo inter catholicos et haereticos tali examine veritas indagari, sicut quidem superbus ac stultus haereticus Gundobadus Burgundionum rex temptabat a beato Avito egregio et orthodoxo praedicatore, qui eius vesaniam sapientissime laudabiliterque repressit atque redarguit. Hieronymus, Commentarii in IV epistolas Paulinas. Ad Galatas 3, Migne PL 26, Sp. 445 AB: hairesis autem Graece, ab electione dicitur: quod scilicet eam sibi unusquisque eligat disciplinam, quam putat esse meliorem. Quicunque igitur aliter Scripturam intelligit, quam sensus Spiritus sancti flagitat, quo conscripta est: licet de Ecclesia non recesserit, tamen haereticus appellari potest et de carnis operibus est, eligens quae peiora sunt. In seinem ‚Liber de haeresibus‘ läßt Honorius den entsprechenden, Hieronymus und Isidor entnommenen Satz weg. Vgl. Herbert Grundmann, Oportet et haereses esse: das Problem der Ketzerei im Spiegel der mittelalterlichen Bibelexegese, in: AKG 45, 1963, S. 129–164, hier S. 137f.
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meint auch Beda, maßen sich das aber an.174 Die Canones des Konzils von Friaul (796) sehen es geradezu als „häretische Sitte“ an, den Sinn der Heiligen Schrift sowie ihre Redeweise zu vernachlässigen (oder zu übersehen): „Von der alten Schlange verführt, häufen sie ganz nach ihren Wünschen unentwirrbare Vermischungen von Fragen auf und rühmen sich, in sich eisenartig ergießendem Stil in der Färberei der Falschheit sich das eigene, gleichwohl verkehrte Dogma zurechtzulegen“.175
Auch für Hrabanus Maurus geben Häretiker den Bibelworten, wie Wahrsager und Traumdeuter, oft ihren eigenen Sinn, indem sie dem Wahren Falsches hinzufügen und nur einiges angemessen verstehen, anderes aber verkehren.176 Entsprechend folgt für Alkuin in konkreter Anwendung solcher Anschauungen auch Felix von Urgel, einer der Hauptverfechter des Adoptionismus, „der Gewohnheit aller Häretiker, die Sätze der Heiligen Schrift zum Beweis des Falschen in verkehrtem Sinn auszulegen“.177 Indem sie die Sätze der Schrift und die Aussagen der Rechtgläubigen offen abtrennen und sie gewaltsam in ihrem eigenen Sinn zurechtbiegen, streuen sie gegen ihr eigenes Bewußtsein falsche Lehren aus.178 Deshalb hält Hinkmar
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Beda Venerabilis, In proverbia Salomonis 2,23, S. 118: Ne de scripturis cum heretico loquaris, qui inuidet humanae saluti malens decipere quam corrigi, quoniam sicut ariolus et coniector somniorum aestimat, quod ignorat ita hereticus, quae non intellegit in scripturis, prout libet interpretari praesumit. Danach Hrabanus Maurus, Expositio in proverbia Salomonis II: Parabolae Salomonis 2,23, Migne PL 111, Sp. 754 D. Konzil von Friaul a. 796 (Vorrede), MGH Conc. 2,1, Nr. 21, S. 185: Sicuti est mos proprius hereticorum, qui neglegentes divine Scripture sensum vel modum genusque locutionis, corrupti ab antiquo serpente, secundum sua desideria coacerbant sibi inextricabiles questionum tumultus et idcirco infuso ferrugineo stilo in tinctorio falsitatis proprium, sed tamen perversum se dogma componere gloriantur. Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 1,13, Sp. 782 B: Cor haereticorum ingreditur duas vias, quando vera permiscet falsis, et falsa inserit veris. Aliquas enim sententias sacrarum Scripturarum rite intelligunt ac proferunt et aliquas secundum suam vecordiam in sensum perversum trahunt suisque auditoribus eas commendare satagunt. Alkuin, Contra Felicem 2,1, Sp. 146f.: omnium haereticorum sequens consuetudinem, qui divini eloquii sententias ad sui probationem erroris pravo sensu interpretari nituntur. Der Brief ist an Karl den Großen gerichtet. Wenn Alkuin in dieser Schrift dennoch ständig „den“ Häretiker anspricht, geht es also kaum um eine Diskussion mit Felix, sondern um die Widerlegung seiner Lehre. So Hinkmar von Reims, De praedestinatione Dei et libero arbitrio posterior dissertatio adversus Gothescalcum 24, Sp. 218 A: Quod de haereticis est valde timendum,
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von Reims sie für gefährlich. Für Haymo von Auxerre sind Häretiker falsche Propheten, die vieles über das Wesen Gottes und der Menschheit erlügen – nur indirekt wird hier noch die dogmatische Abweichung angedeutet – und die göttlich inspirierte Heilige Schrift nach ihrem eigenen Sinn auslegen.179 Solche Vorwürfe wiederholen sich ständig. Jede Häresie, so auch Lanfranc, mißversteht die Bibel.180 Die falsche Bibelauslegung in heidnischem Sinn aber resultiert nach Beda und Hraban aus der Beschäftigung mit der heidnischen Philosophie, Dialektik und Rhetorik statt mit den einfachen Werken der Kirche,181 indem Häretiker nämlich auf ihre sophistischen und dialektischen Erörterungen vertrauen.182 Die Nähe zu den (heidnischen) Philosophen aufgrund ihrer Treulosigkeit und ihrer falschen Argumente betont auch Petrus Damiani.183 Sie interpretieren doppeldeutig, in Syllogismen und Sophismen, schreibt Bruno von Asti, und widersprechen damit der Kirche, indem sie Falsches und Lügen verbreiten; wer das aber tut, ist vom Teufel verleitet und ihm
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qui sanctae Scripturae sententias, et apertissima catholicorum dicta detruncantes, ad suos sensus violenter inflectendo, ex eis contra conscientiam suam prava dogmata quae disseminant conantur asserere. Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 120, Sp. 641 A: Quod specialiter de haereticis intelligendum est, qui falsi prophetae sunt, dum de substantia divinitatis et humanitatis multa mentiuntur, Scripturas sacras, quae divinitus inspiratae sunt, ad suum sensum pertrahere cupientes. Lanfrank, De corpore et sanguine Domini adversus Berengarium Turonensem 9, Migne PL 150, Sp. 420 C: Quaeque haeresis sacras quidem litteras male intellexit, sed tamen sine ulla eversione suo eas statu manere permisit. Beda Venerabilis, In Esdram et Nehemiam allegorica expositio 3,37, S. 391: Sed et heretici cum gentilis philosophiae dialecticae ac rethoricae studiis amplius quam ecclesiasticae simplicitati operam dant, non mirandum, si auditores eorum iuxta linguam populi et populi loquantur scripturas quidem sanctas ore uoluentes, sed has erratico ac gentili sensu interpretantes. So Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 4,13, Sp. 898f.: Fatuus est et haereticus, qui falsis argumentis et sophisticis locutionibus conatur destruere doctrinam Evangelii, et veritatem catholicae fidei. Vgl. Petrus Damiani, ep. 78 (De decem Aegypti plagis atque decalogo), 4, Bd. 4,2, S. 390f.: Cui similes iudicantur heretici ac philosophi, qui velut super paludes limosas, hoc est inter turbas squalore perfidiae sordidas, vanis adversus Christum vociferantur obloquiis. Et dum per argumenta fallaciae non desinunt importunis garrire clamoribus, inane quidem in auribus tedium, sed nullum mentibus vivendi afferunt cibum.
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unterworfen.184 Dabei (er-)finden sie, passend zu ihrem Irrtum, Neues und schreien es laut und freudig hinaus.185 In ihrem falschen Glauben gehen sie somit nicht den Weg der Kirche (denn andernfalls wären sie ja keine Häretiker).186 Der falschen Auslegung und Lehre aber entsprechen nach Beda falsche Sakramente, denen, wie bei den Heiden, ebenfalls der „Sinn“, nämlich „die Vernunft der Gotteserkenntnis“, fehlt.187 Häretiker sind für Beda daher nicht nur wie Heiden, sondern (wiederum) auch wie Frauen, weil ihnen der „männliche Sinn“ fehlt.188 Atto von Vercelli vergleicht sie mit Leuten, die sich, in Nachahmung des Teufels, in ein Haus eingeschlichen haben, um dort mit listigen Worten die Frauen zu überreden, die dann, wie einst Eva gegenüber Adam, ihrerseits die Männer täuschen.189 Nicht minder auffällig (und das macht Häretiker noch gefährlicher) ist den christlichen Autoren aber die Einschätzung, daß häretische Lehren ja
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Bruno von Asti, Expositio in Iob 16, Sp. 608 AB: Sed quia haeretici et caeteri iniqui filii Ecclesiae sunt, qui et in locutione sunt duplices et mala vetustate senescentes, rugosa facie matris pulchritudinem amiserunt. Ideo sancta Ecclesia rugas habere perhibetur. Et hae quidem rugae adversum eam testimonium dicunt, quia duplicitate sermonis et syllogismorum sophismatibus semper haeretici Ecclesiae contradicunt. Hi autem sunt falsiloqui et mendaces, qui ut veritati resistant, a diabolo suscitantur; unde adhuc subditur. Ebd. 30, Sp. 647 C: In hac autem haeretici se exercentes, dum aliquid novi, et quod eorum erroribus convenire videatur, inveniunt, mox undique cum clamore et laetitia ruunt, et suis libris et disputationibus illud inserunt. Ebd. 24, Sp. 633 D: Quotidie enim haereticos Ecclesia damnat et maledicit. Vineae autem Ecclesiae sunt, quarum via fides est. Per hanc autem viam haeretici non ambulant; si enim per hanc ambulassent, haeretici non essent. Beda Venerabilis, In epistolas septem catholicas 3. In secundam epistolam Petri 2,15f., S. 274: Plerumque heretici tam stulta dogmata, tam execranda proferunt sacramenta, ut etiam hebetum sensus et paganorum et qui ratione diuinae agnitionis omnimodis carent illorum detestetur insaniam, illorum distorta et Deo contraria itinera sanius sapiendo redarguat. Ders., In proverbia Salomonis, allegoricae interpretationis fragmenta. In caput VII proverbiorum 2,23, Migne PL 91, Sp. 1052f.: Omnis quippe haereticus virili sensu carens, rite mulier appellatur; qui cum sermones politos proferre studeat, liquet quia meretricio cultu sese extrinsecus ornat, quoniam conatur luculentia sermonis efficere id quod non valet gratia sancti Spiritus munere supplere. Atto von Vercelli, Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola II ad Timotheum, Sp. 695 AB: Quamvis omnibus haereticis hoc conveniat, ut subintrantes domos, mulieres subdolis et versutis verbis capiant, ut per eas viros decipiant, more patris sui diaboli, qui per Evam Adam circumvenit.
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doch auch christliche Lehren sind und somit zumindest teilweise Wahres enthalten: Wie bei schlechten Christen, so meint Haymo von Auxerre, ist bei ihnen daher nicht alles falsch; sie lehren durchaus auch Gutes und zeigen Frömmigkeit. Gerade die rechtgläubigen Väter wüßten aber damit umzugehen und zwischen Gutem und Schlechtem, zwischen Richtigem und Falschem zu unterscheiden.190 Häretiker haben eine wahre Wurzel, aber keinen festen Grund191 und sind deshalb stets schwankend in ihren Überlegungen,192 meint Hrabanus Maurus; so lehren sie bald dieses, bald jenes, ohne je zur Wahrheit zu gelangen.193 Sie mischen nämlich, so lautet der übliche Vorwurf, bewußt Wahres mit Falschem, um die Zuhörer umso leichter zu täuschen; so infizieren sie das Gute mit dem Bösen, wie bei einem mit Honig gesüßten Gifttrunk, bei dem man zuerst das Süße schmeckt, ehe man das Gift trinkt.194 Sie mischen, so auch Paulinus von Aquileja, Trauriges mit 190
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Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 120, Sp. 643 B: Quia haeretici et falsi catholici, cum in multis mali sint, solent tamen quaedam bona docere et quaedam religiosa ostendere. Quid ergo de talibus faciendum erit? Nunquid propter spinam relinquendus est botrus, id est propter mala bona? Absit. Sed ut pater Augustinus ait: Sic carpendus est botrus, ut tamen caveatur spina. Sicut enim haereticorum doctrina a simplicibus viris penitus fugienda est, sic a catholicis et orthodoxis Patribus, qui sciunt discernere inter veram et falsam doctrinam, mala respuenda sunt, ut bona in auctoritate ecclesiastica assumantur. So Hrabanus Maurus, Commentarium in librum Sapientiae 1,8, Sp. 685 C: Multigena quippe et multiplex haereticorum doctrina non erit utilis, sed nociva; nec superflua illorum argumenta, quae signant spuria vitulamina, habent radicem veritatis, ideo stabilimentum non habent fortitudinis, sed a vento persecutionum sive examine districti iudicii attacti, cito a sua firmitate decidunt. So Ders., Commentaria in Ecclesiasticum 7,11, Sp. 1000 A: et haereticorum cogitatio perversa semper instabiles sunt. Ebd. 2,15, Sp. 820 AB: Quam saltatricem melius possumus accipere quam haereticorum turbam, quae pro instabilitate mentis suae nunc hoc, nunc illud eligit, nec unquam in statu veritatis consistere novit? Vgl. auch ebd. 1,13 (oben Anm. 176). Hrabanus Maurus, Expositio in librum Judith 5, Migne PL 109, Sp. 554 A: Habent quippe haeretici proprium, ut malis bona permisceant, quatenus facile sensui audientis illudant. Si enim prava dicerent, citius in sua pravitate cogniti, quae vellent nemini persuaderent. Rursum si semper recte sentirent, profecto haeretici non fuissent; sed dum fallendi arte ad utraque deserviunt et ex malis bona inficiunt et ex bonis mala, ut recipiantur, abscondunt. Sicut qui veneni poculum porrigit, ora poculi dulcedine mellis tangit, cumque hoc, quod dulce est, primo tactu delibatur et illud, quod est mortiferum, indubitanter absorbetur. Hrabans Vorlage ist hier Gregor der Große, Moralia in Iob 5,11,28, CCL 143, S. 237.
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Fröhlichem, Süßes mit Bitterem, Gift mit Honig, so daß ihre Lehre trotz aller Blasphemien durchaus auch Richtiges enthält (doch bleibt das bittere Gift giftig, auch wenn es im Trank mit süßem Honig vermischt ist).195 Deshalb sind sie „die Lehrer des Irrtums“, meint Werner von St. Blasien, und falsche Propheten, die ihre verkehrten Schriften zudem oft unter dem Namen großer, rechtgläubiger Lehrer veröffentlichen.196 Während sie behaupten, an Christus zu glauben, schreibt Rupert von Deutz, kehren sie tatsächlich den christlichen Glauben ständig um (wie Moab und die Ammoniter von Abraham abstammten und ihn dennoch haßten).197 Rupert bezeugt auch, daß Häresien zwar unter christlichem Namen fungieren, aber
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Paulinus von Aquileja, Libellus sacrosyllabus contra Elipandum 1, Migne PL 99, Sp. 153 BC: Sed, sicut mos est haereticis, tristia laetis, dulcia permiscere amaris, veneni poculum mellis sapore temperare; quaedam in eadem epistola plena blasphemiis et catholicae fidei reperta sunt modis omnibus inimica: quaedam vero, si dici liceat, inveniri poterant non reicienda. Sed in eodem poculo, in quo gutta veneni infusa turgescit, mellis nihilominus amarescit dulcedo. Werner von St. Blasien, Expositiones Dominicalium. Dominica octava. De falsis prophetis, Sp. 1078 AB: Unde et haeretici vel falsi prophetae pseudoprophetae dicuntur, quia Scripturas non sano sensu sapiunt, sed eas ad errorem pravae intelligentiae ducunt; neque semetipsos earum sensibus subdunt, sed eas perverse ad errorem proprium trahunt. Doctores errorum, scilicet haeretici, pravis persuasionibus ita per argumenta fraudulentiae suos illigant auditores, ut eos quasi labyrintho implicent, a quo exire non valeant. [Das Folgende stammt wörtlich aus Isidor von Sevilla, Sententiae 3,12,6, S. 235.] Tanta est haereticorum calliditas, ut falsa veris malaque bonis permisceant, salutaribusque rebus plerumque errorum virus interserant, quo facilius possint pravitatem perversi dogmatis sub specie persuadere veritatis. Plerumque sub nomine catholicorum doctorum haeretici sua dicta conscribunt, ut indubitanter lecta credantur. Nonnunquam blasphemias suas latenti dolo in libris nostrorum interserunt, doctrinamque veram adulterando corrumpunt, scilicet vel adiciendo quae impia sunt, vel auferendo quae pia sunt. Vgl. ebd. Dominica 14. De sex speciebus leprae, Sp. 1135 C: Proinde leprosi non absurde intelliguntur haeretici, qui unitatem verae fidei non habentes varias doctrinas profitentur veraque falsi admiscent; sicut et lepra veris falsisque locis humana corpora variando commaculat. Auch diese Stelle folgt Isidor, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Uetus Testamentum. In Leviticum 11,2, Sp. 327. Rupert von Deutz, In duodecim prophetas minores. Commentaria in Sophoniam prophetem 2, Sp. 666 C: De haereticis nunc dicendum quod recte vocentur Moab et filii Ammon, quia, sicut Moab et filii Ammon de consanguinitate Abrahae descenderunt et tamen genus Abrahae semper oderunt, ita haeretici in Christum se credere dicunt et tamen Christianorum catholicam fidem subvertere semper conati sunt.
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doch nicht die wahre Lehre vertreten: Arius glaubte durchaus an Christus und nannte sich Christ, empfing aber eine andere Regel des Glaubens oder des Bekenntnisses, als die apostolische Wahrheit sie überliefert, um damit aus der Kirche Christi eine Synagoge Satans zu machen.198 Auch wenn Radulphus Ardens grundsätzlich zwischen Heuchlern und Häretikern unterscheidet – erstere tun unter dem Anschein des Glaubens Böses, letztere unter dem Anschein der Wahrheit Falsches –, sind für ihn gerade die Häretiker Heuchler, weil sie nach außen hin Glauben heucheln, während in ihrem Innern eine häretische Raubgier herrscht, die Seelen der Einfältigen zu erwürgen.199 Aus der falschen Lehre aber resultiert die falsche Wirkung: Häretiker entehren durch ihren Irrtum den wahren Glauben, meint Florus von Lyon.200 Obwohl sie an Gott glauben, so Berengar von Tours in einem Brief aus der Zeit Heinrichs IV., leben sie bis zum Ende in Ungerechtigkeit (selbst wenn sie gut leben).201 Von ihrer Taufe aber geht, wie auch bei Schis198
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Rupert von Deutz, Commentaria in Apocalypsim 7,12, Sp. 1059f.: Vide quid dicat, quia non ait, persecutus est masculum filium, sed ‚persecutus est, inquit, mulierem quae peperit masculum.‘ Non enim per os Arii, coeterorumque eiusmodi haereticorum doctrinam profundens impiam, hoc aperte exigebat a quolibet, ut negaret Christum, sive nomen Christianum, sed ut Christum quisque confitens, aliam quam apostolica veritas tradiderat reciperet confessionis aut fidei regulam, hoc intendens, imo contendens, persequebatur mulierem illam, ut de Christi Ecclesia suam Satanas faceret synagogam. Die Apoc 2,9 und 3,9 entnommene Wendung der „Synagoge Satans“ wird dort (und häufiger) auf die Juden bezogen. Vgl. oben Kapitel 3, S. 486 und 555. Radulphus Ardens, Homilia 2,19, Sp. 2010 C: Veneficus sub melle tegit venenum; proditor, sub obsequio fraudem; hypocrita, sub religione malitiam; haereticus, sub veritate falsitatem. Cum autem hic, per falsos prophetas, quoslibet hypocritas, qui aliud occultant et aliud simulant, possemus intelligere, tamen de haereticis specialiter dictum est. Qui cum exterius simulent religionem, interius celant haereticam rapacitatem, per quam animas simplicium iugulare festinant. Florus von Lyon, De tribus epistolis liber 29, Migne PL 121 (hier unter dem Namen Remigius von Lyon), Sp. 1037 A: et ipsam fidei ecclesiasticae solidissimam veritatem haeretici erroris denotatione infamat. Zur Verfasserschaft des Florus vgl. Klaus Zechiel-Eckes, Florus von Lyon als Kirchenpolitiker und Publizist. Studien zur Persönlichkeit eines karolingischen „Intellektuellen“ am Beispiel der Auseinandersetzung mit Amalarius (835–838) und des Prädestinationsstreits (851–855) (Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter 8), Stuttgart 1999, S. 131ff. So Berengar von Tours, ep. 83, Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV. Hannoversche Sammlung 3, ed. Carl Erdmann, MGH Epp Kaiserzeit 5, Weimar 1950, S. 139 (mit Berufung auf Augustinus, Quaestiones in evangelium s. Matthaei 11, ed. Almut Mutzenbecher, CCL 44B, Turnhout 1980): Hoc etiam ipsi credunt; nam si aliter cre-
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matikern und falschen Christen, der Teufel (oder ein unreiner Geist) aus (so Beda).202 Sie führt folglich nicht zum Heil.
b. Falsches Verhalten und übler Charakter Entsprechend wird Häretikern, wie es in manchen Beispielen bereits angeklungen ist, ihr Verhalten vorgeworfen, obwohl schon Augustin vor einer Umkehrung der Zuordnungen gewarnt hatte: Wer freßsüchtig, streitsüchtig, neidisch, unzüchtig und ehebrecherisch sei, muß deshalb nicht Häretiker sein, wie der Häretiker all das auch nicht sein kann.203 Allein diese Gedankenführung belegt aber, daß man Häretiker vielfach mit solchen Lastern identifiziert. Wie man Katholiken, die Glauben im Herzen tragen, an ihren katholischen Werken erkennt, so erkennt man Häretiker an ihren häretischen Werken, weil der häretische Irrtum in ihrem Herzen steckt, meint Ivo von Chartres (bezeichnenderweise mit Blick auf die Laieninvestitur, obwohl gerade sie leicht „äußerlich“ zu erkennen ist).204 Hrabanus Maurus beschuldigt Häretiker der Diesseitsorientierung: Sie strebten nicht wie Katholiken
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dunt et inconcusse tenent, iam inter he˛ reticos numerandi sunt, putantes omnibus Deum, etiam in magna iniquitate usque ad finem vite˛ perseverantibus, tantum quia ecclesie˛ unitatem non sincera dilectione – nam bene viverent –, sed magis pe˛ narum timore tenuerunt, veniam daturum. Beda Venerabilis, Homiliae 3,44. In feria quarte primae hebdomadis quadragesimae, Sp. 366f. (die CCL-Ausgabe ist noch nicht vollständig): Tamen etiam potest de quolibet haeretico vel schismatico sive falso catholico non inconvenienter accipi. Immundus namque spiritus exiit ab homine, quando in baptismo per confessionem fidei catholicae et abrenuntiationem mundanorum actuum ab haeretico vel schismatico diabolus egreditur. Vgl. ebd. 3,53, Sp. 404 C: Haec tunc fecere milites Pilati, haec usque hodie faciunt haeretici et pagani milites utique diaboli. Augustinus, De baptismo 4,20,27, S. 254: quis enim ebriosus non et contentiosus et animosus et inuidus et a praeceptorum sanitate dissentiens et arguentibus se grauiter inimicus? iam uero ut et fornicator et adulter non sit, difficile est. potest tamen non esse haereticus, sicut haereticus potest non esse ebriosus nec adulter aut fornicator nec luxuriosus aut amator pecuniae aut ueneficus et simul haec omnia potest non esse. Ivo von Chartres, ep. 237, Migne PL 162, Sp. 244 D: Quod autem eos arguis, qui investituras ecclesiasticarum dignitatum per laicos factas inter haereses computant, non satis efficaciter facere videris. Quamvis enim sicut catholica fides in corde, ita et haereticus error in corde maneat; tamen, sicut ex catholicis operibus catholicum sentimus, ita ex haereticis operibus haereticum cognoscimus.
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nach ewigem Heil, sondern nach irdischem Ruhm.205 Sie leben wie wilde Tiere, die nicht nach dem Himmel streben, sondern zügellos sind, schreibt Honorius.206 Sie können daher niemals Märtyrer sein, weil ihnen die Liebe fehlt.207 Der heidnische Westgote Athanarich, so urteilt entsprechend Otto von Freising, tötete bei seinen Christenverfolgungen viele Arianer, die diese gleichwohl als Märtyer verehren.208 Für Hugo von St. Viktor sind sie wie ein Adler, dessen Verstand mit einer so feinen Erkenntnisfähigkeit bestrahlt wird, daß er sein Nest in den Sternen baut, wenn er sich mit den Verdiensten der Heiligen mißt, in falscher Unschuld und geheuchelter Gerechtigkeit.209 Für Gregor den Großen und Odo von Cluny verhalten sie sich arrogant gegenüber der Einfachheit des Glaubens und lehnen ein demütiges Leben ab,210 und nach Haymo von Auxerre maßen sie sich an, sich selbst rechtfertigen zu können.211 Während sie sich aus der abweichenden Lehre einen
Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 5,3, Sp. 908 D: Hoc enim distat inter haereticum et catholicum, quod ille appetit laudem humanam, iste gloriam divinam; ille quaerit prospera mundi, iste non pertimescit pro Christo adversa pati; ille tendit ad portas mortis, iste ad gaudia regni coelestis. Vgl. auch Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Amos prophetam 3 (unten Anm. 402); Gregor der Große, Moralia in Iob 27,61,75 (oben Anm. 70); Glossa ordinaria. Liber Sapientiae 15,13 (unten Anm. 407). 206 Honorius Augustodunensis, Expositio in Cantica canticorum 1, Sp. 523 B: ‚Ne vagari incipiam post greges sodalium tuorum‘, id est ad imitationem haereticorum, qui sunt greges. id est bestialiter viventes, non coelestibus inhaerentes, sed lasciviam implentes, quia adeo se extollunt, ut dicant se sodales, id est pares tuis, vel amicos primos. 207 So ebd. Sp. 370 D: Porro greges sodalium sunt conventus haereticorum, ex quibus multi passi sunt, sed martyres esse non potuerunt, quia charitatem non habuerunt, sine qua non prodest nec ipsa passio. 208 Otto von Freising, Chronicon 4,16, S. 202: Athalaricus, eo quod paganus esset, multos ex eis suppliciis affecit, quos Arriani pro martyribus venerantur. 209 Hugo von St. Viktor, Expositio moralis in Abdiam, Migne PL 175, Sp. 382 BC: Haereticus est ut aquila, quando intellectus eius subtili irradiatur intelligentia; inter sidera nidum ponit, quando meritis sanctorum se comparat, falsa innocentia et simulata iustitia. 210 Gregor der Große, Moralia in Iob 14,28,32, CCL 143A, S. 717: Habent hoc haeretici proprium ut de inani scientiae suae arrogantia inflentur et recte credentium simplicitatem saepe derideant, et nullius esse meriti uitam humilium ducant. Danach wörtlich Odo von Cluny, Moralium in Iob 14,19, Sp. 263 C. 211 Haymo von Auxerre, Commentarius in omnes psalmos. In psalmum 139, Sp. 668 BC: velut haeretici, qui de se praesumunt et per se iustificari se intelligunt.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Namen machen wollen, meint Guibert von Nogent, werden sie tatsächlich von allen geringgeschätzt und gehaßt.212 Solche Vorwürfe dienen gewiß der Diffamierung, zeigen jedoch gerade in ihrer Allgemeinheit, daß das Häretikerbild sich keineswegs ausschließlich auf die religiösen Glaubensunterschiede bezieht. Das betrifft nicht zuletzt ihre üblen Absichten. Häretiker heucheln, darüber sind sich fast alle Autoren einig, ihren Glauben, indem sie, die tatsächlich irren und mehr dem Teufel als Gott dienen, sich gut stellen und als Gottesverehrer ausgeben,213 um damit die anderen zu täuschen: Sie simulieren die katholische Lehre und täuschen so ihre Hörer.214 Wie Eunuchen wegen ihrer kalten Natur keine Lust kennen und die Liebe nur vortäuschen, so heucheln auch Häretiker, die durch ihren Götzenkult verweiblicht werden, Keuschheit, meint Hrabanus Maurus, um über die Wahrheit des Glaubens zu lügen; daher erreichen sie nie das Himmelreich (das nur derjenige erlangt, der sich um Christi willen kastriert).215 Sie täuschen in Lehre und Taten, die gut scheinen, aber verkehrt sind, meint auch Bruno der Kartäuser und betet darum, ihn von den Häretikern zu befreien;216 statt sie zu beleh212
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Guibert von Nogent, Tropologiae in prophetas Osee et Amos ac lamentationes Ieremiae 2: Tropologiarum in Osee continuatio 8, Migne PL 156, Sp. 381 A: Hoc enim proprium haeretici habent, ut cum facere sibi nomen ex dogmatis diversitate gestiant, vilipensioni et odio omnium mox pateant. Vgl. Hrabanus Maurus, De rerum naturis 3,1, Sp. 63 C: Typum enim ipse tenet haereticorum, qui licet fingant se esse bonos et Dei cultores, tamen errantes et in errorem mittentes, magis diabolo quam Deo servire comprobantur. Zur Heuchelei der Häretiker vgl. auch Steckel, Falsche Heilige S. 36ff. Wie diese Beispiele zeigen, wird dieses Stereotyp allerdings nicht erst im hohen Mittelalter entwickelt. So Beda Venerabilis, In proverbia Salomonis allegorica expositio 2,11, S. 70: Hereticus simulans doctrinam catholicam decipit auditorem suum, qui autem iuste ueritatem sequuntur, euangelii liberabuntur scientia catholica, ne decipula rapiantur heretica. Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 6,19, CCM 174A, S. 511: Possumus et aliter dicere: Eunuchi sunt ex matris utero, qui sunt frigidioris naturae nec libidinem appetentes; et aliqui ab hominibus fiunt, quos aut philosophi faciunt aut propter idolorum cultum emolliuntur in feminas uel persuasione haeretica simulant castitatem, ut mentiantur religionis ueritatem. Sed nullus eorum consequitur regna caelorum, nisi qui se propter Christum castrauerit. Hrabanus folgt hier dem Matthäuskommentar des Hieronymus, Buch 3,3, S. 168. Bruno der Karthäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 143, Sp. 1392f.: Hoc autem totum est, ac si breviter poneret sic: ‚Libera me‘ sic ab haereticis ut non decipiar, neque per doctrinam neque per simulationem operum eorum, quae videntur esse bona
4. Kennzeichnung der Häretiker
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ren, täuschen sie die Völker mit ihren falschen Lehren, so Bruno von Würzburg, indem sie dem heiligen Volk Fallen stellen und es mit leeren Rätseln an sich binden wollen.217 Dazu bedienen sie sich sophistischer und dialektischer Künste, um die Kirche zu bedrängen. „Indem sie das aber tun, folgen sie nicht der Reinheit des wahren Glaubens, sondern dem Schmutz der Lüge,“ urteilt Haymo von Auxerre:218 „Häretiker umgarnen Gott in ihrer Lüge oder vielmehr in ihrer Leugnung. Denn was sie auch sagen, leugnen sie, oder es ist vielmehr Lüge; und sie umgarnen ihn mit ihren Listen, nämlich in der Gottlosigkeit des Hauses Israel, während sie alles, was sie vortäuschen, in kunstvoller Rede abfassen und gegen Gott von Gottlosigkeit reden.“219
Häretiker lehren also gewissermaßen Gottloses in kunstvoller rhetorischer Verpackung. So verbreiten sie Lügen und arbeiten gegen die Einheit der Kirche.220 Hrabanus Maurus kann Lügner geradezu mit Häretikern identifizieren.221 Sie sind gleichzeitig schlau und böswillig, und zwar aus Bosheit,
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et perversa sunt. Quia liberari se oraverat, et de doctrinis, et de operatione haereticorum; singulis singulas causas reddit sic: ‚Libera me‘, inquam, ‚de aquis multis‘ haereticorum, ‚quorum os locutum est vanitatem‘, ac si dicat: Necesse est, ut orem liberari a doctrinis haereticorum, qui nihil loquuntur nisi vana et errore plena. Et ideo oro liberari de operatione haereticorum existentium filiorum alienorum, quia ‚dextera eorum‘, id est operatio eorum, quae videtur esse ‚dextera‘, id est bona, est ‚dextera iniquitatis‘, id est operatio iniqua. Bruno von Würzburg, Expositio psalmorum. In Psalmum 139,5, Sp. 502 AB: haeretici sunt, qui pravis dogmatibus populos decipere potius quam docere festinant et laqueos ponunt sanctae plebi, quando eos vanis enigmatibus obligare contendunt. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Osee prophetam 5, Sp. 44 CD: Et de haereticis manifestus est sensus, quod sophismatibus suis et arte dialectica oppresserint Ecclesiam. Sed cum hoc fecerunt, non munditiam verae fidei, sed sordes sequuntur mendacii. So ebd. 11, Sp. 84 BC: Circumdant haeretici Dominum in mendacio, imo in negatione. Quidquid enim loquuntur, negant, imo mendacium est; et circumdant eum in dolis, id est in impietate domus Israel, dum universa, quae simulant, artificioso sermone componunt et impietatem contra Deum loquuntur. So Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,9, S. 57: Heretici ingenti studio mendacia sua discunt et labore uehementi, ne ad unitatem ecclesiae ueniant decertantur. Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 3,10, Sp. 862 B: Qui sunt viri mendaces nisi haeretici et omnes corruptores legis Dei? qui non sunt sapientiae Dei memores, quia veritatis sunt desertores et mandatorum Christi contemptores. Vgl. mehrfach auch bereits Augustin in seiner Schrift „Contra mendacium“.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
nicht aus Weisheit, meint Remigius von Auxerre,222 und töten mit ihren Irrtümern die Seele; dadurch sind sie das böse Schwert des Teufels, das von den Guten trennt (im Gegensatz zum milden Schwert Christi, das von den Bösen trennt).223 Auf diese Weise verführen sie viele224 und sammeln getäuschte Menschen um sich.225 Deshalb können sie erfolgreich sein, wie eine aus Italien nach Frankreich übergreifende, „rohe und ungewöhnliche Häresie“ (cruda nimium atque insolens haeresis) in Orléans, die, wie Rodulf Glaber zum Jahr 1017 berichtet, voll des Teufels war und dennoch nicht nur Laien und einfache Leute, sondern auch viele gelehrtere Kleriker in ihren Bann zog.226 So sehr sie zunächst aber auch Erfolg haben mögen, bleiben Häretiker (wie auch Juden und Heiden), denen die Disziplin fehlt und die
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Remigius von Auxerre, Commentarius in Genesim 9, Sp. 78 CD: Haeretici enim callidi sunt, non sapientia, sed malitia; quia simplices in Ecclesia decipere quaerunt. Remigius von Auxerre, Enarrationes in psalmos. Ps. 43, Sp. 827 BC: Et ut necessitatem eripiendo ostendat, ‚Eripe me‘, inquit, ‚de gladio maligno‘, id est, de erroribus haereticorum, qui interimunt animam. Vel de gladio diaboli qui est malignus, quia dividit a bonis. Christi vero gladius est benignus, quia separat a malis. Sicut enim verbum Dei dicitur gladius anceps et bonus est, quia de utroque testamento incidit ad salutem, sic prava haereticorum doctrina gladius est, quia de utroque testamento assumit, sed malignus, quia totum ad damnationem redigit. So ebd., Ps. 1, Sp. 152 AB: Haeretici sedent in cathedra pestilentiae, quia perversa doctrina multos seducunt. So Haymo von Auxerre, Commentarium in Cantica Canticorum 1, Migne PL 117, Sp. 298 C: Pastores vero multi sunt haeretici, qui gregem deceptorum hominum sibi aggregant, quos diabolo pascunt. Rodulfus Glaber, Historiae 3,8,26, S. 138: Tertio de uicesimo infra iamdictum millesimum anno, reperta est apud prefatam Aurelianensem urbem cruda nimium atque insolens heresis, que˛ scilicet diutius occulte germinata in perditionis segetem male pullulans plures in sue˛ cecitatis precipitauit laqueum. Fertur namque a muliere quadam ex Italia procedente, he˛c insanissima heresis in Galliis habuisse exordium, que˛, ut erat plena, seducebat quoscumque ualebat, non solum idiotas ac simplices, uerum etiam plerosque qui uidebantur doctiores in clericorum ordine. Zur Darstellung der Häresien (erneut allerdings nicht zum Häresieverständnis) bei Rodulf Glaber, vor allem im Hinblick auf das Verhältnis von Klerus und Laien, vgl. Kaspar Elm, Rodulfus Glaber und die Ketzer. Über den Kampf gegen Satan und Dämonen oder über das Verhältnis von Klerikern und Laien zu Beginn des 11. Jahrhunderts, in: Eckart Conrad Lutz/ Ernst Tremp (Hg.), Pfaffen und Laien – ein mittelalterlicher Antagonismus? Freiburger Colloquium 1996 (Scrinium Friburgense 10), Freiburg 1999, S. 9–32.
5. Wer ist Häretiker?
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Streit und Haß erzeugen, in ihrer Wirkung letztlich jedoch ohne Nutzen, zumal wenn es um die Heilsaussichten geht.227
5. Wer ist Häretiker? a. Ab- und Ausgrenzungen Vor diesem Hintergrund der Kennzeichnung und Stigmatisierung von Häretikern kann nun gefragt werden, was man überhaupt unter Häretikern verstanden hat bzw. wer als Häretiker angesehen wurde. Die Abgrenzung von anderen bietet hier einen ersten aussagekraftigen Ansatz. Naturgemäß grenzen sich Häretiker, die zwar an Christus glauben, aber nicht den richtigen christlichen Glauben haben, vor allem von den Katholiken ab, denen sie, wie schon mehrfach sichtbar wurde,228 immer wieder gegenübergestellt wurden. „Wer ist katholisch?“ fragen Heterius und Beatus von Osma in einem Brief an den Erzbischof Elipandus von Toledo und geben zur Antwort: „Der niemals Häretiker war. Der Häretiker war hingegen von Kind an niemals katholisch, weil er niemals rein war; unter dem Namen der Heiligkeit war er vielmehr ein frommer Heuchler.“229 Nicht der Häretiker macht die Häresie, meint Elipandus selbst, sondern diese macht den Häretiker.230 Dem entspricht es, daß Häresien nicht als solche definiert oder zu solchen erklärt werden (auch wenn das auf Konzilien de facto immer wieder geschah), sondern Häretiker sich in der mittelalterlichen Vorstellung durch ihr Verhalten oder ihre Lehre selbst dazu abstempeln. Häretiker, so Florus von Lyon, 227
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Vgl. Haymo von Auxerre, Expositio in divi Pauli epistolas. In epistolam II ad Timotheum 2, Sp. 805 BC: ‚Stultas autem quaestiones‘ Iudaeorum, haereticorum atque gentilium et quae sunt ‚sine disciplina‘, id est sine aliqua utilitate, ‚devita, quia generant lites‘, lites vero generant odium. Vgl. Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 5,2 (oben Anm. 51); Gregor der Große, Moralia in Iob 16,8,12 (oben Anm. 66); Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,13 (oben Anm. 155); Agobard von Lyon, Liber contra iudicium Dei III B.6 (oben Anm. 171); Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 5,3 (oben Anm. 205); Ivo von Chartres, ep. 237 (oben Anm. 204). Heterius und Beatus von Osma, Epistola prima ad Elipandum 1,63, Migne PL 96, Sp. 931 C: Quid est catholicus? Qui nunquam fuit haereticus. Haereticus tamen a parva infantia nunquam fuit catholicus, quia nunquam fuit purus: sed sub nomine sanctitatis erat hypocrita religiosus. Ebd. 2,9, Sp. 983 B: Et non haereticus facit haeresim, sed haeresis facit haereticum.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
machen sich durch ihren leidenschaftlichen Widerspruch und Widerstreit (contentio) selbst zu Häretikern.231 Dem mag es entsprechen, wenn man bei der Feststellung von Häresie weniger die Entwicklung neuer als vielmehr das Aufgreifen (bereits vorhandener) falscher Lehren im Blick hat. Viele Autoren heben daher den Gegensatz zur Kirche hervor. Häretiker sind zwar aus der Kirche hervorgegangen, gehören aber nicht mehr dazu, nach dem Apostelwort (1. Joh 2,19): „sie gingen aus uns hervor, waren aber nicht von uns“).232 Sie gehörten demnach ursprünglich zur Kirche, gesteht Haymo von Auxerre (mit Hieronymus) zu, haben sich aber selbst zurückgezogen, indem sie durch ihren falschen Glauben von dem guten Altar, nämlich der Einheit des Glaubens, abgerückt sind und ihre eigenen Altäre des Irrtums mit Götzenbildern errichtet haben.233 Häretiker werden demnach nicht eigentlich aus der Kirche ausgeschlossen, sie sondern sich durch ihren falschen Glauben vielmehr selbst von der Kirche ab. Sie sind nicht wie Ehefrauen, meint Hraban (mit Isidor von Sevilla), sondern wie Konkubinen, die Christus um der weltlichen Vorteile willen folgen.234 Für ihn
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Florus von Lyon, De tribus epistolis liber 20, Sp. 1022 C: non sit haereticum, nisi contentione haereticum fiat. Die Schrift ist bei Migne Remigius zugeschrieben. Zur Verfasserschaft vgl. oben Anm. 200. Vgl. Hrabanus Maurus, Commentaria in Ezechielem 10,25, Sp. 759 D: omnes haereticos, de quibus dicit et apostolus Ioannes: ‚Ex nobis exierunt, sed non fuerunt ex nobis. Si enim fuissent ex nobis, permansissent utique nobiscum‘ (1. Joh 2,19). Hraban folgt hier dem Ezechielkommentar des Hieronymus 8,25, S. 336. Bereits Augustinus, De baptismo 7,51,99, S. 371, hat diesen Bibelvers auf Häretiker gemünzt: ex hoc numero innumerabili non solum turba intus premens cor paucorum in tantae multitudinis conparatione sanctorum, sed etiam dirruptis retibus haereses et schismata existunt in eis, qui magis iam ex domo quam in domo esse dicendi sunt, de quibus dicitur: ex nobis exierunt, sed non erant ex nobis. Zur Auffassung Ruperts von Deutz über die kirchlichen Ursprünge der Häretiker vgl. Beinert, Kirche S. 370. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Osee prophetam 10, Sp. 73 A: Sic et haeretici, dum essent in Ecclesia plantati, vocabantur vinea Domini et afferebant uberrimos fructus; postea vero recedentes a bono altari, id est ab unitate fidei, plures erroris sui aras exstruxerunt, et iuxta ubertatem terrae suae, id est iuxta acumen sensus et vim ardentis ingenii, exuberaverunt simulacris. Die Stelle ist dem Hoseakommentar des Hieronymus entlehnt. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros II Paralipomenon. In librum I 1,14, Migne PL 109, Sp. 342 B: Concubinae vero eius significant haereticorum ecclesias, qui sub Christi nominis titulo seminare gloriantur; sed quia propter carnalia lucra Christum sectantur, non coniuges, sed concubinae vocantur. Die Stelle folgt Isidor von Sevilla,
5. Wer ist Häretiker?
627
sind Häretiker Ungläubige, die außerhalb der Kirche stehen; auch wenn sie in unserem Land leben, bleiben sie ebenso wie die Juden doch Fremde ohne Eigentumsrecht (inquilini), die den Christen als Knechte unterworfen sind.235 Hraban räumt zwar ein, daß Häretiker einige Sakramente mit der Kirche gemeinsam haben und auch einige Sätze der Heiligen Schrift richtig auslegen, aber dennoch die Einheit der Kirche mißachten (und damit den bösen Geistern dienen).236 Trotz gelegentlicher Einsicht, daß Häretiker aus dem Christentum erwachsen sind und mit den Rechtgläubigen die Glaubensgrundlagen und die Sakramente teilen, überwiegen insgesamt klar Ausgrenzung und Verurteilung. Mit solchen pauschalen Abgrenzungen aber wird zugleich eine – tatsächlich nicht vorhandene – Einheitlichkeit postuliert, die eine Kennzeichnung als Häresie ermöglicht und es, trotz eines Wissens um die bereits bei Augustin und Isidor klar erkennbaren Glaubensunterschiede zwischen den einzelnen Häresien, immer wieder erlaubt, von den Häretikern (an sich) zu sprechen. Eine solche Grundvorstellung ist offenbar stets vorhanden gewesen und liegt allen Bewertungen zugrunde, auch wenn das Differenzierungen nicht ausschließt. So gibt Salvian in seiner kulturkritischen Schrift „De gubernatione Dei“ sogar den Römern die Schuld daran, daß die Barbaren Häretiker waren, bedauert aber vor allem, daß es unter den Römern selbst so viele Häretiker gebe und daß sie häretisch lebten. Ohne daß er diese
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Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum. In Regum II 2,9, Sp. 412 B. Hrabanus Maurus, Expositiones in Leviticum 7,9, Sp. 547 BC: Cognati enim Iudaeorum propter infidelitatem haeretici sunt, quia non plene sicut et illi sentiunt, et eadem quidem nobis praedicant mysteria, non tamen in eisdem rectis et perfectis et integris in Deum dogmatibus. Unde sunt quidem in terra nostra, sed inquilini: ‚Hos habebitis‘, inquit, ‚in famulos et haereditario iure transmittetis ad posteros, ac possidebitis in aeternum‘. Quoscunque enim ex gentibus et infidelibus aut ex Iudaeis aut ex haereticis lucrati fuerimus et Deo obtulerimus, servosque et ancillas acquisiverimus, impendentes pro eis doctrinae pecuniam, hi in nostra perpetua possessione sunt; sed et filiis nostris, id est discipulis, dividere eos, id est tradere eorum discipulatum possumus. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros IV Regum. In librum IV 17, Sp. 251 CD: Habent enim haeretici quaedam sacramenta communia cum sancta Ecclesia et quasdam sententias sanctarum Scripturarum rite intelligunt, sed tamen nihilominus idolis errorum suorum servire non cessant. Videtur enim eis timorem Dei rite se custodire, cum secundum sensum suum veritati se putant favere. Sed qui catholicae fidei unitatem spernunt habere, malignorum spirituum voluntatibus se veraciter manifestant obtemperare.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Gruppen einander gleichsetzen will, erscheinen ihm die römischen Häretiker doch wegen ihres Unglaubens nicht nur schlimmer als die christlichen Römer, sondern wegen ihres schändlichen Lebens sogar unsittlicher als die Barbaren.237 Die katholischen Autoren nehmen durchaus wahr, daß Häresien sämtlich in einer Konkurrenz zur Kirche stehen, sich untereinander jedoch sehr in ihren Lehren unterscheiden und daher keine Einheit bilden: Wie die Lepra sich in verschiedenen Farben auf der Haut äußert, meint Haymo von Auxerre, so generiert auch die Lehre der Häretiker verschiedene, untereinander unterschiedliche Irrtümer;238 ihre Lehren können sogar geradezu gegensätzlich sein (wie die Häresien des Arius und des Photius).239 Sie sind untereinander zerstritten, meinen auch Gregor der Große und Odo von Cluny, aber einträchtig in ihrer Falschheit und ihrer Schlechtigkeit gegenüber der Kirche.240 Die einen, schreibt Rupert von Deutz, bezweifeln die fleischliche Auferstehung Christi, andere erwarten im Gegenteil eine geschlechtliche Vermehrung.241 „Die Arianer irrten und sündigten nicht hin-
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Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 5,3,14, ed. Lagarrigue S. 320; ed. Halm S. 58: Nam de Romanis haereticis, quorum innumera multitudo est, nihil dicimus, neque aut Romanis eos aut barbaris comparamus, quia et infidelitate Romanis sunt deteriores et foeditate vitae barbaris turpiores. Sed hoc nos non solum non iuvat, sed etiam supra id, quod a nobis ipsis gravamur, gravat, quia et ii, quos tales causamur esse, Romani sunt. Vgl. ebd. 7,11, S. 92. Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 126, Sp. 676 A: Per leprosos non incongrue haereticos intelligere possumus, quia sicut lepra varios colores exprimit in cute, sic haereticorum doctrina varios errores generat in sermone. Non solum enim a catholica Ecclesia sunt divisi, sed etiam adversum seipsos diversa sentiunt. Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis 2,9, Migne PL 117, Sp. 1055 BC: Ita et haeretici semetipsos dividunt et contrarios sibi errores proferunt, verbi gratia: Photinus negat Christum ante Mariam fuisse, sed ex ipsa initium dicit eum sumpsisse et verum corpus habuisse. Econtra, Arius dicit eum ante saecula natum et creaturam esse. Similiter et caeteri varios mendacii inveniunt errores valde sibi contrarios; sed quamvis inter se dissideant, tamen unanimiter contra unitatem Ecclesiae pugnant. Gregor der Große, Moralia in Iob 3,23,46, CCL 143, S. 144: Condicunt sibi haeretici, quando praua quaedam contra Ecclesiam concorditer sentiunt; et in quibus a ueritate discrepant, sibi in falsitate concordant. Danach wörtlich Odo von Cluny, Moralium in Iob 3,2, Sp. 132 A. Rupert von Deutz, De trinitate et operibus eius 16. Commentaria in Numeros 1,38, CCM 22, S. 962: Haeretici namque circa eandem rem contra se diuisi sunt, ita ut, dum alii ueram carnem resurrecturam negent, alii econtra concubitum quoque filiorumque procreationem illic exspectent, ita sibi contrarii sunt, ut cum illi non ipsam sperent
5. Wer ist Häretiker?
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sichtlich der bischöflichen Würde,“ meint Bruno von Asti aus aktuellem Anlaß, „sondern im Glauben an die Trinität, wie auch andere Häretiker, jeder in seiner Häresie. Nur die Simonisten sündigen, indem sie die heiligen Weihen kaufen; deshalb erhalten sie zu Recht auch keinerlei kirchliche Verzeihung in ihren Sünden.“242 Bruno der Kartäuser unterscheidet zwischen größeren und kleineren Häresien.243 Inhaltlich können das also ganz verschiedene Glaubensabweichungen sein (und nicht alle Häresien tragen einen eigenen Namen): Die einen, so schreibt Honorius im Prolog seines „Liber de haeresibus“, hielten Gott für dreiförmig (triformis) statt dreifältig, andere glaubten, daß Christus auch als Gott die Passion erlitt, wieder andere schrieben die Geburt Christi Gottvater zu; manche hielten Wirken und Willen Christi in beiden Naturen für identisch; einige bestritten die Befreiung der Menschheit durch Christi Höllenfahrt; andere hielten ihn nicht für das Abbild Gottes; einige stritten über den Zustand der Welt, andere glaubten, es gebe zahllose Welten; einige hielten das Wasser für gleichewig mit Gott, andere liefen auf nackten Fußsohlen oder speisten nicht zusammen mit Menschen, wieder andere zweifelten am Abendmahl. Allen aber ist gemeinsam, daß die katholische Kirche ihre Lehren verdammt.244 Damit führt Honorius ein weiteres, institutionelles
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substantiam, isti econtra nimiam eiusdem substantiae uitiosamque exspectent corpulentiam. Bruno von Asti, Responsio ad eam quaestionum: Cur corruptus tunc temporis ecclesiae status, Migne PL 165, Sp. 1132 A: Ariani vero non in episcopali dignitate, sed in fide Trinitatis errabant et peccabant, et alii haeretici similiter, unusquisque in sua haeresi. Soli autem Simoniaci in emendis sacris ordinibus peccant; unde et merito ipsi soli nulla ecclesiastica dispensatione in his, quibus peccaverant, suscipiuntur. Bruno der Kartäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 149, Sp. 1417 D: Non solum autem in manibus gladios habebunt, ad devincendos minores haereticos; sed etiam ‚ad alligandos in compedibus‘ disputationum ‚reges eorum‘, id est principales haereticos, qui reges sunt et duces perfidiae eorum. Honorius Augustodunensis, Liber de haeresibus praef., Migne PL 172, Sp. 240 B: Sunt et aliae haereses, et sine nominibus: ex quibus aliae triformem putant esse Deum, aliae Christi divinitatem passibilem dicunt, aliae Christi nativitati de Patre initium dant, aliae unam operationem et unam voluntatem in Christo deitatis et humanitatis praedicant, aliae liberationem hominum apud inferos Christi descensione negant, aliae Dei imaginem habere non aestimant. Item aliae de mundi statu dissentiunt, aliae innumerabiles mundos opinantur, aliae aquam Deo coaeternam faciunt, aliae nudis pedibus ambulant, aliae cum hominibus non manducant, aliae de corpore Christi dubitant, quas omnis catholica Ecclesia damnat. Ebd. Sp. 233ff. zählt Honorius, – im Anschluß an
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Element ein, das uns gleich noch beschäftigen wird: Häretiker ist nicht nur der vom wahren Glauben oder vom richtigen Kult Abweichende (nicht nur „dogmatische Häresie“), sondern Anhänger solcher Glaubensrichtungen, die kirchlicherseits verurteilt werden. Letztlich sind Häretiker nur in ihrem Kampf gegen die Kirche geeint245 und weil sie nicht zur Kirche gehören.246 Auch in dieser Hinsicht werden sie als Einheit wahrgenommen. Welche Vielfalt verschiedener Häresien man noch im späten 12. Jahrhundert wahrgenommen hat, zeigt der ansonsten vor allem wegen seiner Naturlehren bekannte, französische Gelehrte Alanus ab Insulis in seiner Verteidigung des katholischen Glaubens gegen die Häretiker seiner Zeit (besonders die Albigenser),247 während er im Prolog zugleich beklagt, daß die (nur scheinbar) „neuen Häretiker“ seiner eigenen Zeit (die tatsächlich die alt gewordenen Lehren verschiedener Häresien aufgreifen) die einst unterschiedenen Häresien zu einer einzigen zusammenfügten und aus den vielen Idolen ein einziges machten.248 Alanus bestätigt daher die Ansicht, daß Häresien bzw. häretische Lehrmeinungen stets bereits von alters her vorhanden
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Isidor – die einzelnen Häresien auf. Vgl. auch Bruno der Kartäuser, Expositio in epistolas Pauli. In epistolam ad Titum 3 (unten Anm. 280). Eine vergleichbare, inhaltlich aber abweichende Ansicht, was alles häretisch ist, bietet im 9. Jahrhundert Smaragd von S. Mihiel, Collectiones (Migne PL 102): Für manche sei Maria keine Jungfrau gewesen (Sp. 60 B); andere negierten Christi Existenz ganz (Sp. 76 D) oder vor seiner fleischlichen Geburt (Sp. 47 A) oder stritten ab, daß Christus nicht Gottes Sohn ist (Sp. 32 A; 163 A); wieder andere glaubten, daß alle Lebewesen gefühllos seien (Sp. 99 B). Vgl. auch Sedulius Scotus, In omnes B. Pauli epistolas. In epistolam ad Romanos, Migne PL 103, Sp. 23 B: puto quod hoc tertio indicentur haeretici, vel creatorem Deum negantes, vel diversas blasphemias in Excelsum loquentes. Vgl. Alkuin, Commentarii in Apocalypsis 4,9, Sp. 1140 D; Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis 2,9 (oben Anm. 239). So Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Amos prophetam 4, Sp. 113 AB: Spiritualiter vero, haeretici ab unitate fidei recedentes atque in varias sectas adversum se divisi, per superbiam in perditionem proiecti. Alanus de Insulis, De fide catholica contra haereticos sui temporis, praesertim Albigenses, Sp. 305–430. Ebd. prol., Sp. 307f.: Olim vero diversi haeretici diversis temporibus, diversa dogmata et adversa somniasse leguntur, quae generalis Ecclesiae publicis edictis damnata noscuntur: nostris vero temporibus, novi haeretici, imo veteres et inveterati, veterantes dogmata, ex diversis haeresibus, unam generalem haeresim compingunt et quasi ex diversis idolis unum idolum, ex diversis monstris unum monstrum; et quasi ex diversis venenatis herbis unum toxicum commune conficiunt.
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sind und folglich nur wiederaufleben. Er sieht diese Einheitlichkeit (subjektiv) aber erst in seiner Zeit gegeben. Im ersten Buch führt er die ganze Vielfalt vor, um jeweils ihre falschen Lehren zu widerlegen: So gebe es Häretiker, die behaupten, daß es zwei Ursprungsprinzipien gibt (1,2–8), daß die Seelen der Menschen gefallene Engel seien (1,9–14), daß Christus nicht wirklich Fleisch geworden sei (1,19–26), daß die Seelen dereinst nicht mit Christus in den Himmel aufsteigen (1,15–18), sondern mit dem Körper zugrunde gehen würden (1,27–36), daß die Taufe bei Kindern (1,39–42) oder auch grundsätzlich keinerlei Wirkung habe (1,43–44) oder aber der Handauflegung bedürfe (1,44–46), daß es nach der Taufe keinen Platz mehr für die Buße gebe (1,47–49) oder daß die Buße (1,50–51) oder die Firmung (1,66) nichts bewirke. Andere bezweifelten die Verwandlung des Brotes in den Leib Christi (1,57–60) und glaubten, Christus habe sich mit den Worten „Dies ist mein Leib“ selbst gemeint (1,61–62). Wieder andere verurteilten Heiraten (1,63–65), hielten Weihe und letzte Ölung nicht für Sakramente (1,67f.) und die Kirche nicht für einen materiellen Ort (1,69–73) oder verboten den Fleischgenuß (1,74–76).249 Wenn Häretiker bei solcher Vielfalt dennoch als Einheit wahrgenommen werden, so liegt das also gewiß nicht in der sehr unterschiedlichen Lehre, sondern in dem gemeinsamen Kennzeichen falschen Glaubens und in der Abschließung von der (katholischen) Kirche. Wenn Häretiker aber außerhalb der Kirche stehen, besteht zwangsläufig ein relativ nahes Verhältnis zu Sekten und Schismatikern, den Gruppen, die Isidor von Sevilla nicht zufällig in ein und demselben Abschnitt mit den Häretikern behandelt, aber doch von diesen abgehoben hatte. Isidor hatte unter „Sekten“ (von sequi) solche (christlichen) Gruppen verstanden, die nach Lehre und Vorschrift Einrichtungen folgten, welche im Glaubenskult weit von den übrigen abwichen.250 Schismen (von scissura, Spaltung) folgten für ihn hingegen demselben Kult, hatten sich aber von der christlichen Glaubensgemeinschaft abgespalten,251 doch geht er im folgenden auf solche Unterschiede nicht mehr näher mit Beispielen ein. Isidor behandelt in diesem Zusammenhang aber auch super-
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Die weiteren Bücher befassen sich mit Waldensern, Juden und Muslimen. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,3,4, S. 306: Secta a sequendo et tenendo nominata. Nam sectas dicimus habitus animorum ac instituta circa disciplinam uel propositum, quem tenendo sequuntur, longe alia in religionis cultu opinantes quam ceteri. Ebd. 8,3,5, S. 306: Schisma ab scissura animorum uocata. Eodem enim cultu, eodem ritu credit ut ceteri; solo congregationis delectatur discidio.
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stitio, den Aberglauben, den er – neben weiteren Deutungen – sprachlich von superinstituta observatio, „darüber gesetzter Beachtung“, ableitet, der später jedoch vor allem mit Heiden in Verbindung gebracht wird.252 Im Mittelalter werden diese Abgrenzungen, wenngleich nicht wirklich konsequent, aufgegriffen, werden die Unterschiede aber auch (bewußt) verwischt. Häretiker und Schismatiker unterscheiden sich darin, meint noch Atto von Vercelli im 10. Jahrhundert, daß der Häretiker im Glauben, der Schismatiker aber in der brüderlichen Liebe irrt.253 Ähnlich äußert sich ein gutes Jahrhundert später Berengar von Tours mit Berufung auf Augustin: Den Schismatiker hebt nicht zwingend ein anderer Glaube, sondern allein die Herauslösung aus der (durch die Eucharistie symbolisierten) christlichen Gemeinschaft von den rechtgläubigen Christen ab.254 Berengar unterscheidet demnach (noch) zwischen falschem Glauben und kirchlichem Ungehorsam. Dennoch stehen beide Gruppen erneut außerhalb der Kirche, wobei sie sich durchaus nur innerlich, in ihrem Sinn, ausschließen, körperlich aber Glied der Kirche sein können: Wer im Glauben irrt, ist Häretiker, auch wenn er formal der Kirche angehört.255 Nicht die bloße Mitgliedschaft, sondern die innere Einstellung entscheiden für Augustin und Berengar über Rechtgläubigkeit und Häresie. „Gute Katholiken“ sind folgerichtig diejenigen, die beides haben: den richtigen Glauben und gute Sitten.256 Das Schisma gilt gewissermaßen als nächste Stufe teuflischen Wirkens: Die falsche Lehre, der „Dissens“, macht den Häretiker, der aber erst durch die Trennung von der Kirche (separatio) zum Schismatiker wird.257 Damit 252 253
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Vgl. Kapitel 1, oben S. 159 f. Atto von Vercelli, Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola I ad Corinthios, Sp. 295 A: Inter haeresim et schisma hoc distat, quod haereticus proprie dicitur, qui in fide errat; schismaticus, qui in fraterna dilectione. Berengar von Tours, Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV. ep. 83, S. 138: Solet autem que˛ri etiam, scismatici quid ab he˛reticis distent, et hoc inveniri, cum scismaticos non fides diversa faciat, sed communionis disrupta societas. So ebd.: Nec tamen consequens est, ut omnis he˛reticus aut scismaticus ab ecclesia corporaliter separetur. Si enim falso de Domino credit vel de aliqua parte doctrine˛, que˛ ad fidei pertinent e˛dificationem, ita ut non que˛rentis cunctatione temperatus sit, sed inconcusse credentis, nec omnino scientis opinione atque errore discordans, he˛reticus est et foris est animo, quamvis intus corporaliter videatur. Ebd. S. 139f.: Boni catholici sunt, qui fidem integram sequuntur et mores bonos. Vgl. Saba, Vita Ioannicii 10,47, ed. Johannes Baptista de Rossi und Louis Duchesne, AA SS 1. Nov. 2,1, Sp. 372 E: Ioannicius ermahnt in einem Brief Methodius: Attamen
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legen die Autoren Kriterien zugrunde, die jeweils auf einer anderen Ebene liegen und sich gar nicht ausschließen müssen, sondern sich weithin überschneiden, geben aber auch zu erkennen, daß der „Irrtum“, die falsche Lehre, Kennzeichen des Häretikers bleibt. Für Anselm von Lucca bzw. den anonymen Verfasser der unter Anselms Namen überlieferten Schrift steht trotz gleicher Unterscheidung aber auch der Häretiker außerhalb der Kirche;258 wenn ihm zufolge nun der Schismatiker den rechten Glauben nur vortäuscht, dann greift der Autor sogar umgekehrt tatsächlich ein Kennzeichen auf, mit dem gemeinhin Häretiker charakterisiert werden. Überhaupt verschwimmen die Unterschiede nicht zufällig gerade im Zeitalter der Kirchenreform, als man es tatsächlich mit Schismatikern zu tun hatte, die nun aber mehr und mehr als Häretiker diffamiert wurden.259 Nicht ganz einfach erscheint zuweilen, wie sich bei Berengar schon andeutet, schließlich sogar die Abgrenzung von schlechten Christen. Beda rückt beide Gruppen nicht nur in eine enge Nähe, indem er sie unter der Etikettierung als „falsche Brüder“ (falsi fratres) zusammenfaßt, sondern gleicht sie auf diese Weise sogar den Nichtchristen (Heiden) an, deren Sünden sie nicht aufgeben: Sie alle stehen unter der Herrschaft des Teufels.260
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istius pater et magister iconomachus diabolus e medio ecclesiae sicut caligo lumine pietatis fugatus et cum omnibus, qui cum eo consentiebant, sublatus, inimicus cum sit pacis, ab haeresi statim ad schismata se convertit et ecclesiam Christi miserabiliter divisit, non quidem haereticorum dissensione, quoniam non est communio lucis cum tenebris, sed orthodoxorum separatione. (Anselm von Lucca), Contra Guibertum antipapam 2, Migne PL 149, Sp. 473 D: Sciendum est autem quod aliud est haereticum esse, aliud schismaticum. Siquidem est, qui catholicae Ecclesiae fidem relinquit et sui vel alterius erroris viam sequi diligit. Item iuxta beatum Isidorum: ‚Qui sacram Scripturam aliter interpretatur quam flagitat sensus Spiritus sancti, per quem scripta est, licet ab Ecclesia non recesserit, haereticus appellari potest.‘ Schismaticus vero est qui quidem rectam se confiteri fidem simulat, sed sanctorum Patrum traditiones superbe contemnit, et se aliqua malevolentia ab unitate Ecclesiae scindit. Das zweite Buch gehört wohl nicht zu Anselms Schrift und ist in die Edition von Ernst Bernheim, MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 517ff., daher nicht aufgenommen. Das Isidorzitat entstammt ursprünglich Hieronymus (vgl. oben Anm. 172). Vgl. Abschnitt 5.c, unten S. 638 ff. Beda Venerabilis, In Esdram et Nehemiam prophetas allegorica expositio 1,4, S. 281f.: Facile autem cuiuis patet quia tales populi falsos fratres, hoc est hereticos et malos catholicos, figuraliter exprimunt. Qui hostes sunt Iudae, hoc est confessionis et
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Die Einschätzungen sind erneut jedoch keineswegs einheitlich, und andere Autoren ziehen deutlichere Grenzen, bedurfte es doch mehr als der Sünden, um Häretiker zu sein, und so lehrt schon Papst Nikolaus I. im 9. Jahrhundert, Sünder zu sein mache allein noch nicht zum Häretiker: „Waren nicht auch wir einst Sünder? Denn obwohl wir nicht abstreiten, daß wir zwar Sünder sind, erkennen wir jedoch Gott sei Dank, keineswegs von ihrem Irrtum befleckt zu sein, wie jene, die niemals ohne Schisma, niemals geradezu frei vom Irrtum befunden werden.“261
Der falsche Glaube unterscheidet die Häretiker daher von schlechten Christen. Wer den falschen Weg wählt, stürzt in falsche Lehren, meint Petrus Damiani, deren Verteidigung ihn zum Häretiker macht. Der Sünder fehlt (und verstößt damit gegen die rechte Lehre), der Häretiker aber verteidigt die Sünde mit seiner falschen Lehre. Die Rechtgläubigen brauchen hingegen nicht zu „wählen“ oder das einmal Erwählte starrsinnig zu verteidigen, da sie heilige Apostel und apostolische Männer zu Lehrern haben, deren Glauben sie unwiderrufbar anwenden können.262 Eine solche Argumentation setzt eine völlige Unveränderlichkeit des Glaubens voraus. Ausführlicher setzt sich auch Berengar von Tours in seinem bereits zitierten Brief aus der Zeit Heinrichs IV. mit Berufung auf Augustinus mit dem Problem auseinander: „Häretiker und schlechte Christen unterscheiden sich darin, daß die Häretiker Falsches glauben, diese [die schlechten Christen]
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laudis, quam ecclesia domino in praesenti per fidem rectam et opera fide digna offert. […] Sic etenim heretici sic falsi catholici cum pacem ecclesiae uel uiuendo peruerse uel etiam docendo impugnant ab Hierosolimorum sunt regno prorsus extranei et ad gentilium magis quorum peccata non deserunt sortem perditam pertinent, immo ut apertius dicam tales non domino Iesu sed diabolo duce, cuius figuram Asoraddan rex Assur tenuit, sanctae ecclesiae fines introeunt. Nikolaus I., ep. 100, S. 606: Numquid nos haeretici aliquando fuimus? Nam licet nos peccatores quidem esse non denegemus, quorumlibet tamen errorum faece pollutos Deo gratias minime recognoscimus, quemadmodum illi, qui numquam sine scismate, numquam prorsus ab errore reperiuntur extranei. Petrus Damiani, ep. 98 (Contra clericos regulares proprietarios), Bd. 4,3, S. 85 (vgl. oben Anm. 160): Hoc autem inter peccatorem et hereticum distat, quia peccator est, qui delinquit, hereticus autem, qui peccatum per pravum dogma defendit. Nos autem, quia magistros habemus sanctos apostolos et apostolicos viros, non debemus, quod nobis videtur eligere, neque quod semel electum est, obstinate et pervicaciter defensare, sed his duntaxat, quae a probatis aecclesiae doctoribus diffinita sunt, fidem inretractabiliter adhibere.
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hingegen zwar den wahren Glauben haben, aber nicht danach leben.“ 263 „Schlechte Katholiken“ leben nämlich trotz ihres Glaubens nicht so, wie sie sollen, sondern lasterhaft, auch wenn sie das Richtige glauben.264 Für das Seelenheil macht das allerdings wenig Unterschied: „Mit denselben Wassern [der Taufe] werden Häretiker und schlechte Christen in die Hölle versenkt, mit denen die Rechtgläubigen und Gerechten jeweils in das Himmelreich erhoben werden,“ lehrt Hinkmar von Reims.265 Häretiker sind ihm zufolge nicht Teil der Kirche, und ihr Haupt ist nicht Christus.266 Interessant ist daher schließlich die Frage, wieweit die christlichen Häretiker überhaupt noch als Christen betrachtet und anerkannt oder eher in die Nähe der Nichtchristen (Heiden, Juden, Muslime) gestellt werden. Darauf ist am Ende noch einmal zurückzukommen.
b. Häresie als streitsüchtige Verteidigung falscher Lehren und bewußte Gegnerschaft Machen, wie oben dargelegt, tatsächlich der falsche Glaube, die falsche Lehre und ein entsprechendes Verhalten zum Häretiker, so reichen diese Kriterien vielen Autoren doch nicht zur Häresiebestimmung aus. Vielmehr müssen einschränkend noch andere Kennzeichen hinzutreten: Alle Häretiker lehren Falsches, aber nicht alle, die das tun, sind deshalb schon Häreti263
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Berengar von Tours, Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV. ep. 83, S. 138: Unde in libello de que˛stionibus evangeliorum idem beatus Augustinus: ‚Inter he˛reticos‘, inquit, ‚et malos catholicos hoc interest, quod he˛retici falsa credunt, illi autem vera credentes non vivunt ita, ut credunt‘ (nach Augustinus, Quaestiones in evangelium s. Matthaei 11, S. 125). Ebd. S. 139: Quapropter illi soli catholici mali recte deputantur, qui, quamvis vera credant, que˛ ad fidei doctrinam pertinent, et si quid forte nesciunt et que˛rendum existimant, salva pietate discutiunt sine aliquo pre˛iudicio veritatis et bonos, vel quos bonos putant, amant atque honorant, quantum possunt, tamen flagitiose et facinorose vivunt contra quam vivendum esse credunt. Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theubergae reginae, Resp. 6, S. 152: Et ipsius epistole˛ sententiam de figura baptismatis in arca diluvii exponentes patres catholici dicunt, quia non aliis, ‚Sed ipsis aquis he˛retici‘ et mali Christiani ‚ad inferna merguntur, quibus‘ orthodoxi et iusti quique ‚ad caelestia regna sublevantur‘ (mit bezeichnender Auslegung von 1. Petr 3,20f.). So ebd. S. 195: ‚Sicut autem non omnis congregatio he˛reticorum Christi ecclesia dici potest nec caput eorum Christus est.‘
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ker; jede Häresie ist Irrtum, aber nicht jeder Irrtum ist Häresie. Ein verschärftes Kriterium gegenüber bloßem Irrtum bietet zum einen die böse Absicht der Spaltung. „Nicht die christlichen Sakramente, sondern die üble Uneinigkeit machen dich zum Häretiker,“ so zitiert Wibert von Ravenna (der Gegenpapst Clemens III.) Augustins Worte gegenüber dem Donatisten Vincentius.267 Zum anderen ist Häresie der unkorrigierbare (Glaubens-)Irrtum. In einer bedeutsamen Einschränkung wird die Glaubensabweichung nämlich erst dann zur Häresie, wenn sie unbelehrbar bleibt und zu einer beharrlichen Verteidigung der eigenen Lehre führt bzw. diese absichtlich verbreitet wird. „Niemand ist Häretiker, es sei denn, er macht sich durch seine Streitsucht dazu,“ hatte zuvor schon Alkuin geschrieben, und viele Autoren sind ihm darin gefolgt.268 Daß Häresie hartnäckiges Festhalten am Irrtum ist, hatte im 9. Jahrhundert, mit Berufung auf Cassiodor, sogar der – selbst der Häresie angeklagte – sächsische Mönch Gottschalk von Orbais gelehrt (und damit Unwissenheit und Irrtum entschuldigt, wenn sie im Sinne des christlichen Glaubens beseitigt wurden).269 Gleichermaßen macht für Hinkmar von Reims, in einer gerade gegen Gottschalk gerichteten Schrift und in Anlehnung an Alkuin, nicht bereits die Glaubensabweichung, sondern erst die hartnäckige Leidenschaft oder der Streit (contentio) einen Christen zum Häretiker:
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Wibert von Ravenna, Decretum Wiberti, ed. Ernst Dümmler, MGH Ldl 1, Hannover 1891, S. 624 (nach Augustinus, ep. 93,46, S. 199f.): Idem ad Vincentiam Donatistam: ‚Non sacramenta Christiana faciunt te hereticum, sed prava dissensio.‘ Alkuin, Confessio fidei 4,9 (De corpore et sanguine Domini), Migne PL 101, Sp. 1092 D: Nemo est haereticus, nisi contentione fiat haereticus. Vgl. Ders., Ep. ad Felicem haereticum 3 (793), Migne PL 101, Sp. 120 D: Non est haereticus nisi ex contentione. Der Satz findet sich zuerst bei Gennadius von Marseille, Liber de ecclesiasticis dogmatibus 7, Migne PL 58, Sp. 983 B, und wird seither mehrfach aufgegriffen, etwa von Hrabanus Maurus, De rerum naturis 4,10, Sp. 98 A, Florus von Lyon, De tribus epistolis liber 20 (oben Anm. 231) wie auch im Dekret Ivos von Chartres 17,111, Sp. 1012 B. Gottschalk von Orbais, Confessio, Migne PL 121, Sp. 359 D: et Cassiodorus dicit, pulcherrime definivit: Haereticus, inquit, is est qui divinae legis vel ignorantia vel contemptu raptatus aut novi pertinax invenitur erroris aut alicui sectator, catholicae veritati magis vult adversari quam subici. Leicht abgewandelt nach Cassiodor, Expositio psalmorum. Psalm 138, S. 1255: Quid sit autem haereticus quidam patrum pulchre definiuit: ‚Haereticus est qui diuinae legis uel ignorantia uel contemptu raptatus aut noui pertinax inuentor erroris aut alieni sectator, catholicae unitati mauult aduersari quam subici.‘
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„Wenn er der Wahrheit jedoch hartnäckig widerspricht, dann erlegt er sich selbst durch seinen Unglauben und seine leidenschaftliche Streitwut den Namen eines Häretikers auf. Denn nicht alles, das unwissentlich vom Glauben abweicht, ist gleich häretisch, wenn es nicht durch beharrlichen Wettstreit häretisch wird.“270
Für das zeitgemäße Häresieverständnis ist es sicherlich bezeichnend, wenn hier beide, inhaltlich gegeneinander argumentierende Kontrahenten ähnliche Vorstellungen von Häresie entwickeln. Auch bei den (ansonsten durchaus unterschiedlichen) Kirchenreformern Humbert von Silva Candida und Petrus Damiani werden Menschen erst dann zu Häretikern, wenn sie auf ihrer unvernünftigen Meinung beharren und sie verteidigen,271 und ähnlich bezeichnet Bruno der Kartäuser erst denjenigen als Häretiker, der sich unbelehrbar zeigt.272 Daß Häretiker den Streit suchen, ist demnach ein gern gebrauchtes Argument. Häretiker erzeugen Streit, Streit aber schafft Haß, meint Haymo von Auxerre,273 und Remigius von Auxerre bekräftigt, daß Häretiker sich nicht um eine Besserung bemühen, sondern streiten wollen; damit aber bauen sie nicht auf, sondern zerstören.274 Die wohl im 12. Jahrhundert in der Schule von Laon entstandene „Glossa ordinaria“ betrachtet daher – mit Ambro270
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Hinkmar von Reims. De praedestinatione Dei et libero arbitrio posterior dissertatio adversus Gothescalcum. Epistola ad regem, Sp. 69 AB: Si autem et pertinaciter contradixerit veritati, ipse infidelitate sua et contentionis suae vecordia, haeretici sibi nomen imponet: quia non statim est haereticum, quod ignoranter a fide sentitur diversum, si non fiat pertinaci contentione haereticum. Vgl. Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos prol., S. 101: Hereticus autem est, qui a fide catholica dissentit, credens et defendens quod non est credendum, sive de Deo sive de creaturis eius. Nec tamen quis continuo hereticus habendus est, ubi quid contra fidem senserit, sed ubi obstinate et irrationabiliter sensa sua vel opiniones defenderit. So auch Petrus Damiani, ep. 140, Bd. 4,3, S. 487: Nec omnes heretici dicendi sunt, qui opinantur errorem, sed qui pertinaciter ed audacter predicant falsitatem. Vgl. später Gratian, Decretum, pars 2, causa 24, quaest. 3, c. 31, S. 998: Heretici sunt qui quod praue sapiunt contumaciter defendunt. Bruno der Kartäuser, Expositio in epistolas Pauli. In epistolam ad Titum 3, Sp. 483 B: Nota quod ex hoc loco colligitur quod si quis imprudenter errat, et errorem suum non defendit, hic non est iudicandus haereticus; sed ille tantum, qui quod male de fide sentit (quod deterius est) incorrigibilis asseverat et defendit. Haymo von Auxerre, In epistolam II ad Timotheum 2 (oben Anm. 227). Remigius von Auxerre, Enarrationes in psalmos. Ps. 67, Sp. 489 A: ‚Dissipa gentes quae bella volunt‘, id est haereticos qui student contentioni et non correctioni; et destructioni et non aedificationi.
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sius – diejenigen als Häretiker, die das Gesetz durch das Wort des Gesetzes bekämpfen, indem sie diesem einen eigenen Sinn verleihen,275 und auch Rupert von Deutz kennzeichnet Häretiker (in der Abstammung und Nachfolge Chams und Chanaans) als streitsüchtig, ungeduldig und stets zum Zank neigend.276 Honorius Augustodunensis begreift dieses Kriterium geradezu als bestimmendes Element, wenn er der Isidor folgenden Definition (Haeresis igitur dicitur electio) anfügt, Irrtum und Streit machten zum Häretiker, damit den – sich eben auf die falsche Dogmatik beziehenden – Irrtum allerdings wieder in die Definition einbezieht. Wer nämlich seinen Irrtum im Streit verteidigt, verachtet die Worte und Schriften der Weisen. Da aus beidem zugleich die Entfremdung von der Kirche folgt, „summiert“ Honorius die gängigen Urteile seiner Zeit gemäß zu einer systematischen Antwort.277 Hingegen mache nicht einfach schon falsche Bibelauslegung zum Häretiker, wenn man sich eines Besseren belehren läßt (und auch damit weicht Honorius von Isidor ab).278
c. Hochmittelalterliche Ausweitung des Häresiebegriffs Mit der Streitsucht der Häretiker erschließt sich zugleich ein weiteres, letztes Feld der Häresiedefinition: die bewußte Gegnerschaft zur katholischen Kirche. Neben und über die Häresie des Glaubens schiebt sich nämlich immer 275
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(Ps.-Walahfrid Strabo), Glossa ordinaria. Epistola ad Titum 3, Sp. 641f.: Haereticus est qui per verba legis legem impugnat: proprium enim sensum astruit ex verbis legis, ut pravitatem mentis suae legis auctoritate confirmet, qui vitandi sunt: quia frequentius correcti exercitatiores essent ad malum. Danach auch Petrus Lombardus, Collectanea in omnes Pauli apostoli epistolas. In epistolam ad Titum 3, Sp. 394 A: Haeretici sunt qui per verba legis legem impugnant. Rupert von Deutz, Commentaria in Evangelium s. Iohannis 2, S. 114: Quam eius infirmitatem despicit Cham, quod interpretatur calidus, id est contentiosus et impatiens promptusque ad rixam haereticus, et quem ex passionis infirmitate hominem uerum intelligit, dedignatur uerum Deum confiteri propterque quod sicut Cham in filio suo Chanaam, sic et iste in posteritate, id est in anima sua maledicitur. Honorius Augustodunensis, Liber de haeresibus praef., Sp. 234 D: Fit autem haereticus errore et contentione, dum quis errorem suum contentiose defendit et sapientum dicta vel scripta contemnit. Is quippe Ecclesiae contradicit et ab eius fide alienus existit. Ebd.: Non est autem haereticus iudicandus, qui Scripturam aliter quam est intelligit, si modo sese correxerit, cum a doctore audierit.
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mehr auch das Verhältnis zur Kirche, die allein den wahren Glauben vertritt. Alkuin bezeichnet in einer Schrift gegen den Adoptionismus eher diejenigen als Häretiker, die neue sectae einzuführen wagen (und sich damit von der Kirche abspalten), im Gegensatz zu denjenigen, die, „in den väterlichen Traditionen aufgewachsen und erzogen“ (also im Christentum), fest im Bollwerk ihrer Stadt stehen und sich und ihre Mitbürger verteidigen.279 Bruno der Karthäuser sieht als Häretiker an, wer sich von der Glaubenseinheit – und damit von der kirchlichen Einheit – entfernt.280 Es gibt demnach verschiedene Häresiebegriffe bzw. einen verschieden weit gefaßten (oder auch verschieden „weichen“) Häresiebegriff: von der falschen Bibelauslegung über den falschen Glauben bis hin zur Abweichung von der Kirche und, nach der Kirchenreform, vom Papst. Das ist auch eine Frage der Entwicklung. Besonders mit der Kirchenreform und ihrem Anspruch auf ein universales Papsttum erfuhr der stärker institutionell gefaßte Häresiebegriff eine entscheidende Ausweitung von dogmatischen Kriterien der Glaubenslehre zu institutionellen Kriterien der Kirchenabspenstigkeit: „Alle Gegner der spirituellen Reformziele wurden unter diesen Auspizien als Ketzer abgestempelt.“281 Hatte es für Hieronymus und viele Nachfolger Häretiker noch in der Kirche geben können,282 so schloß eine institutionelle Definition das per se aus. Im Denken der Reformer wurden hier zunächst vor allem alle Simonisten und Nikolaiten zu Häretikern,283 obwohl bei ihnen keinerlei Glaubensverkehrung, sondern nur ein (persönlicher) unkirchlicher Lebenswandel vorlag, weil sie in dem einen Fall (Simonie) ihr Amt unrechtmäßig durch Bezahlung erhalten hatten oder im andern Fall (Nikolaitismus) den Zölibat mißachteten. Auch solche Vorstellungen hatten allerdings bereits ältere Wurzeln. Die Wendung simoniaca haeresis findet sich zuerst bei Gregor dem Großen, der
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Alkuin, Contra Felicem 1,7, Sp. 133 B: Ac per hoc iustius videtur alium [corr.: illum] haereticum censeri, qui novas audet introducere sectas, quam illum, qui, paternis traditionibus enutritus et edoctus, in propugnaculis suae civitatis viriliter stans se suosque concives fortiter defendere nititur, habens armaturam. Bruno der Kartäuser, Expositio in epistolas Pauli. In epistolam ad Titum 3, Sp. 483 A: Devita etiam ‚haereticum hominem‘, id est ab unitate fidei divisum. So Walther, Haeretica pravitas S. 291. Vgl. oben Anm. 172. Zur Simonie als Häresie vgl. Moore, War on Heresy S. 71–86; Jean Leclercq, Simoniaca heresis, in: Studi gregoriani 1, 1947, S. 523–530.
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sie häufiger verwendet,284 und tritt seither immer wieder auf. So wurden Simonisten, ob sie die Weihen nun gegen Geld empfangen oder aber verliehen hatten, mit Berufung auf Gregor bereits auf karolingischen Synoden und in karolingischen Kapitularien285 sowie bei Autoren des 10. Jahrhunderts als Häretiker betrachtet, beispielsweise bei Papst Johannes XV.,286 Gerbert von Aurillac (Papst Silvester II.)287 oder Bern von Reichenau.288 In der Kirchenreform wurde das von Päpsten (so bereits von Leo IX.)289 und Theoretikern begierig aufgegriffen, und auch Geschichtsschreiber wie Lampert von Hersfeld, Berthold von Konstanz und Bernold von St. Blasien sprechen gern von der simoniaca haeresis.290 Papst Viktor III. konnte die Argumentationsrichtung bereits umdrehen und voraussetzen, daß Simonisten Häretiker sind: Da alle Häretiker ungläu284
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Vgl. etwa Gregor der Große, Registrum epistolarum, ep. 5,58, CCL 140, S. 356; ebd. ep. 5,62, S. 365; ebd. 5,63, S. 368 (und öfter). Vgl. das Kapitular von Pîtres von 869, MGH Capit. 2, Nr. 275, c. 9, S. 335: Et episcopi tam seniores presbyterorum quam presbyteros, sed et seipsos custodiant, ne laici per ignorantiam et presbyteri per necessitatem et ipsi episcopi vel ministri eorum per cupiditatem et avaritiam, quod absit, in Simoniacam haeresim cadant; quia, ut sanctus Gregorius dicit, qui praemio vel gratia aut supplicatione indebita ad sacros ordines accedit vel promovetur, haereticus a Domino deputatur, tam ille, qui promovetur, quam ille, a quo taliter promovetur et cuius interventu taliter promovetur. Vgl. auch Relatio episcoporum ad Hludowicum imperatorum von 829, ebd. Nr. 196, c. 4, S. 30: Proinde oportet, ut in electione et ordinatione sacerdotis valde sit execranda Simoniaca heresis, quae propter quorundam avaritiam et ambitionem modernis temporibus dignitatem sacerdotalem fuscare comprobatur. Johannes XV, ep. 7, Migne PL 137, Sp. 836 B (haeresisque Simoniaca). Richer von Reims, Historiae 4,102, ed. Hartmut Hoffmann, MGH SS 38, Hannover 2000, S. 302. Bern von Reichenau, Vita Udalrici ep. Augustensis 15, ed. Dieter Blume, Bern von Reichenau (1008–1048): Abt, Gelehrter, Biograph. Ein Lebensbild mit Werkverzeichnis sowie Edition und Übersetzung von Berns „Vita S. Uodalrici“ (Vorträge und Forschungen, Sonderband 52), Ostfildern 2008, S. 234: Simoniacam haeresim quasi quandam perniciosam pestem deuitandam esse admonuit, asserens perpetuae tradendos pe˛nae, qui heresi huic nequissime studerent animos inclinare. Leo IX, ep. 40, Migne PL 143, Sp. 649 AB. Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales a. 1069, S. 111; a. 1070, S. 112; a. 1071, S. 127– 129 (und öfter); Berthold, Chronicon (II), ed. Ian Stuart Robinson, MGH SSrG n.s. 14, a. 1061, S. 192; a. 1067, S. 204; a. 1069, S. 208; a. 1075, S. 222, 223 und 228 (und öfter); Bernold von St. Blasien, Chronicon a. 1075, ebd. S. 404; ebd. a. 1076, S. 406; a. 1094, S. 516.
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big seien, sind auch Simonisten ungläubig, eben weil sie Häretiker sind.291 Der darin enthaltene Zirkelschluß ist den Autoren nicht bewußt und daher um so bezeichnender für das immanente Häresieverständnis. Tatsächlich argumentierte man auch bei solcher Ausweitung des Konzepts immer noch mit dem Glauben. Für Humbert von Silva Candida sind Simonisten, wie alle Häretiker, ohne Glauben und folglich ohne Hoffnung und folglich ohne Liebe (und eben deshalb Häretiker).292 Humbert kehrt das Verhältnis sogar in seiner Bewertung um: Simonisten sind für ihn schlimmer als die schlimmsten Arianer und somit die schlimmsten Häretiker überhaupt293 und verderblicher als alle anderen Häretiker.294 Petrus Damiani und Gottfried von Vendôme betonen, daß es sich um die älteste Häresie handelt, weil (so Gottfried) Simon Magus (nach dem sie benannt sind) der erste und schlimmste aller Häretiker war.295 Wenn schon derjenige, der die drei 291
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Viktor III., ep. 2, Migne PL 149, Sp. 964 A: Omnis autem haereticus infidelis est. Simoniacus vero, quia haereticus, idcirco infidelis. So auch Gerhoh von Reichersberg, Liber de simoniacis, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 259. Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 2,16, S. 157f.: Alioquin si sine fide catholica, quae sola est fides, non sunt, heretici non sunt. Sed interim praetermissis aliis symoniani ab ipsis christianitatis rudimentis heretici sunt dicti et habiti. Ergo sine fide sunt; si sine fide sunt, nec spem habere possunt, quia fides est substantia spei. Si spem non habent, nec caritatem, quia nemo potest amare, quod nec sperat nec credit, sicut paulo superius astruitur satis. Ebd. 1,7, S. 111: Nos vero sufficientibus sanctorum patrum superius comprobavimus testimoniis symoniacos hereticos peiores esse pessimis Arrianis. Ebd. 2,34, S. 182: Quanto perniciosiores omnibus hereticis sunt symoniani. Petrus Damiani, ep. 146 (De sacramentis per improbos administratis), Bd. 4,3, S. 533: Anathematizamus itaque et inrecuperabiliter condemnamus simoniacam heresim, primam omnium hereseon ex imis diaboli visceribus erumpentem seseque adversus nascentis aecclesiae regulam exicialiter extollentem, quae nimirum adhuc ex ipso diaboli felle prograditur, et in perditionis filios pestilentissime derivatur; Gottfried von Vendôme, Libellus 4 (De Simonia et investitura laicorum), ed. Sackur S. 690; ed. Giordanengo Nr. 169, S. 380 (mit den Klammerergänzungen): Igitur Simon magus (a sancto Philippo baptizatus), non tantum he˛reticus (sicut quilibet alius). sed he˛reticorum primus et pessimus extitit; qui non solum a Patris aequalitate separari posse Spiritum sanctum existimavit, sed etiam ipso Spiritu sancto maior esse praesumptuose temptando concupivit. Zu Humberts und Gottfrieds Verständnis der Simonie als Häresie vgl. Hans-Werner Goetz, Wandel des Häresiebegriffs im Zeitalter der Kirchenreform? Eine Betrachtung der Streitschriften Humberts von Silva Candida und Gottfrieds von Vendôme, in: in: Bade/Freudenberg (Hg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern, S. 131–152.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
trinitarischen Personen als ungleich betrachtet, Häretiker ist, so argumentiert Gottfried, um wieviel mehr ist es dann Simon Magus, der versucht, sich den Gottvater und Sohn in allem gleichen Heiligen Geist gegen Geld zu unterwerfen. Also ist Simonie Häresie.296 In solcher Argumentation werden Häresien nach dem Grad der Schlechtigkeit abgestuft. Der gemäßigtere Petrus Damiani betrachtet allerdings nur solche Simonisten als Häretiker, welche die Weihe selbst und nicht das Bischofsamt vom König erkauften.297 Nach längerem Streit wurde am Ende bekanntlich entschieden, daß von Häretikern gespendete Weihen gültig seien,298 wie es schon
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Gottfried von Vendôme, Libellus 4, ed. Sackur S. 690; ed. Giordanengo Nr. 169, S. 380: Cum itaque Patris et Filii et Spiritus sancti personas inaequales quilibet nititur astruere, ratione pariter et auctoritate he˛reticus habeatur, multo magis Symon magus, qui Spiritum sanctum Deo patri et Filio aequalem per omnia sibi peccunia subicere temptavit, he˛reticus, et symonia, quae ab ipso inventa est et ab eo dicitur, he˛resis comprobatur. Simon magus hatte sich nach der Apostelgeschichte 8,9ff. die Gaben des Heiligen Geistes von Petrus und Johannes erkaufen wollen. Petrus Damiani, ep. 140, Bd. 4,3, S. 479: Non ad symoniacam heresim pertinere, si quis episcopatum a rege vel quolibet mundi principe per interventum coemptionis acquirat, si tantummodo consecrationem gratis accipiat. Vgl. allerdings ebd. S. 483: Quod si aecclesiam suscepisti, quod omnino negare non potes, proculdubio factus es symoniacus, et prius te venalitas fecit hereticum, quam manus imposicio redderet consecratum. Vgl. Urban II., ep. 273, Migne PL 151, Sp. 531 D: Si schismate vel haeresi ab Ecclesia non separantur, eorumdem ordinationes, et reliqua sacramenta sancta et veneranda non negamus, sequentes beatum Augustinum, qui super Ioannem de huiusmodi tam copiose quam veraciter disseruit. Vgl. auch Bernold von St. Blasien, De reordinatione vitanda (Tractatus 14), ed. Friedrich Thaner, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 153, der hier wörtlich Augustinus, De unico baptismo 3,4, ed. Michael Petschenig, CSEL 53, Wien 1910, S. 4, zitiert: ‚Cum ad nos venit scismaticus vel hereticus, ut catholicus fiat, scisma eius et heresim dissuadendo et destruendo recindimus; sacramenta vero Christiana, si eadem in illo invenimus, et quidquid aliud veri tenet, absit ut violemus, absit, ut si semel danda novimus, iteremus, ne dum vicia humana curamus, divina medicamenta dampnemus; aut quaerendo sanare quod vulneratum non est, hominem ubi sanus est vulneremus.‘; Hugo von St. Viktor, De sacramentis Christianae fidei 2,6,13, ed. Migne PL 176, Sp. 458 D; ed. Berndt S. 394: Propter hoc eos qui ab haereticis in nomine trinitatis baptizati sunt, cum ad unitatem Ecclesiae redeunt non rebaptizari, sed vel unctione chrismatis, vel impositione manus reconciliare catholicae Ecclesiae antiqua patrum traditio instituit, sicut pridem arianos, per impositionem manus occidens, per unctionem vero sacri chrismatis ad ingressum Catholicae Ecclesiae oriens reformavit. Ausführlich zu diesem Problem: Petrus Lombardus, Sententiae 4, dist. 25, c. 1 (De ordinatis ab haereticis), S. 408–413.
5. Wer ist Häretiker?
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Burchard von Worms in seinem Dekret bezüglich der Taufen festgehalten hatte.299 Während noch Petrus Damiani die Laieninvestitur dezidiert nicht als Häresie betrachtet, wird sie von strengeren Reformern wie Gottfried von Vendôme, der sich dabei auf die „Tradition der heiligen Väter“ beruft, bald ebenfalls einbezogen:300 Wer sich der weltlichen Gewalt unterstellt und durch Geschenke bestochen („korrumpiert“) wird, dem fehlen Glaube, Keuschheit und Freiheit. Wer aber glaubt, damit immer noch Glied der Kirche zu sein, der irrt; er ist, selbst wenn er Geistlicher ist, vielmehr Häretiker. Schlechte Sitten muß die Kirche ertragen, nicht aber die Abweichung vom Glauben.301 Wer als Laie die Investitur von Kirchen mit Ring und Stab, den Symbolen der Kirche, vornimmt, maßt sich Christi Rechte an.302 Wer die 299
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Burchard von Worms, Decretum 4,40, Sp. 734 C (nach einem Brief des Papstes Zacharias: Bonifatius, ep. 68, S. 141): Quicunque baptizatus fuerit ab haereticis in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti, nullo modo rebaptizari debet, sed per solam manus impositionem purgandus est. Ebenso ebd. 4,43, Sp. 735 B. Wenn jemand im Namen den Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wird, solle man ihm die Hand auflegen, damit er den Heiligen Geist empfängt (ebd. 4,89, Sp. 743 C). Burchard beruft sich auf ein Konzil von Arles, doch konnte ich für diese Stelle keine Vorlage ausfindig machen. Gottfried von Vendôme, Libellus 4 (De simonia et investitura laicorum), ed. Sackur S. 690; ed. Giordanengo Nr. 169, S. 380: Cum symonia et laicorum investitura heresis dicatur, quare utraque sit heresis et merito heresis appellari debeat, praesenti brevique satis epistola monstrabitur, ne super hoc deinceps dubitetur. Anders als bei der Häresie gibt es bei der Kennzeichnung der Laieninvestitur als Häresie jedoch keine Vorläufer, auf die man sich konkret hätte berufen können. Ders., Libellus 1, ed. Sackur S. 682; ed. Giordanengo Nr. 134, S, 278: Nam fide fundatur, ornatur castitate, libertate tegitur. Sed cum laicam investituram, quae secundum traditiones sanctorum patrum he˛resis comprobatur, non contradicit, sed praecipit, cum corrumpitur ipsa muneribus, cum saeculari potestati subicitur: fides, castitas et libertas ei simul aufertur, et quae vitam non habet nec immerito mortua creditur. Huius mortis auctorem vel novissimum aecclesiae membrum credere, etiamsi pastor videatur, errare est. Huic errori quicumque inhe˛serit, merebitur ab ipsa vitae radice praecidi. Super his autem si quis aliter senserit, non est catholicus, manifestetur et veritatis argumento probabitur esse he˛reticus. Tolerandus quidem est pastor, ut canones dicunt, pro reprobis moribus; si vero exorbitaverit a fide, iam non est pastor, sed adversarius, a quolibet peccatore tantum catholico detestandus. Ders., Libellus 4 (De simonia et investitura laicorum), ed. Sackur S. 690; ed. Giordanengo Nr. 169, S. 380: Laicus autem, cum investituram ecclesiarum tribuit per virgam et anulum, quae sunt aecclesiae sacramenta, sicut sal et aqua, oleum et crisma et
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Weihen aber von Laien empfängt, muß Häretiker genannt und daher verurteilt und exkommuniziert werden.303 Die Laieninvestitur, meint Gottfried, ist für die Kirche sogar noch verderblicher als die Simonie,304 zumal diese im Verborgenen, jene aber offen bzw., im Doppelsinn des Begriffs (publice), öffentlich-staatlich agiert.305 Waren Simonie und Laieninvestitur unmittelbare Angriffsziele der Kirchenreform, so wirkten deren (kirchen-)politische Ziele ebenfalls auf das Häresieverständnis zurück: Wenn (dem Anspruch nach) der Papst die Kirche repräsentierte und lenkte, dann wurden alle zu Häretikern, die dem Papst ungehorsam waren.306 Hatte noch Papst Leo III. lediglich das päpstliche Recht in Anspruch genommen, zu bestimmen, wer Häretiker sei,307 so wurde nun eine klare, gegenüber den inhaltlichen Kennzeichnungen allerdings sehr formale Definition geschaffen, die auf eine bloße Papstgegnerschaft abzielte: „Häretiker ist, wer nicht mit der römischen Kirche überein-
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quaedam alia, sine quibus hominum et aecclesiarum consecrationes fieri non possunt, sibi ius Christi usurpat et potestatem; et quodammodo se Dei filio praedicat altiorem. Ders., Libellus 3 (De ordinatione episcoporum et de investitura laicorum), ed. Sackur S. 688, ed. Giordanengo Nr. 153, S. 340: omnes clericos, qui de manu laici investituram suscipiunt, hereticos vocatos et ideo dampnatos esse et excommunicatos inveneri. Ders., Libellus 2, ed. Sackur S. 685; ed. Giordanengo Nr. 142, S. 304: licet enim alia heresis de investitura dicatur, alia symoniaca: ista tamen, quae de investitura dicitur, contra sanctam aecclesiam fortius iaculatur. Ders., Libellus 3 (De ordinatione episcoporum et de investitura laicorum), ed. Sackur S. 688; ed. Giordanengo Nr. 153, S. 340: Licet alia heresis de investitura dicatur, alia symoniaca, ista quae de investitura dicitur, contra sanctam aecclesiam fortius iaculatur. Symoniaca etenim pravitas multotiens fit latenter; heresis vero de investitura semper publice agitur. Ibi etiam inprimis omnis aecclesiasticus ordo confunditur. So verkündet es Gregor VII. bekanntlich in seinem Dictatus papae, ohne daß sich dafür unmittelbar kanonistische Vorlagen finden ließen. Vgl. dazu Horst Fuhrmann, ‚Quod catholicus non habeatur, qui non concordat Romanae ecclesiae‘. Randnotizen zum Dictatus Papae, in: Kurt-Ulrich Jäschke/Reinhard Wenskus (Hg.), Festschrift für Helmut Beumann, Sigmaringen 1977, S. 263–287; Othmar Hageneder, Die Häresie des Ungehorsams und das Entstehen des hierokratischen Papsttums, in: Römisch-Historische Mitteilungen 20, 1978, S. 29–47; Walther, Haeretica pravitas S. 301. Leo III., ep. 7, S. 65: Et nos servi vestri anathematizavimus omnem haeresim et omnes, qui de sancta sede apostolica Romana dixerint haeresim.
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stimmt,“ wie es in einem Brief aus der Zeit Heinrichs IV.308 und, noch deutlicher auf den Papst bezogen, bei Lanfrank, allerdings mit zusätzlichem Hinweis auf die Glaubenslehre,309 oder, leicht abgewandelt, bei Bonizo von Sutri heißt.310 Ekkehard von Aura verurteilt entsprechend die „wigbertische und heinrizische Häresie“ des Gegenpapstes und des Saliers.311 Bezeichnend bleibt es aber, daß man auch gegenüber Simonisten und Schismatikern weiterhin mit dem Vorwurf des falschen oder mangelnden Glaubens und somit im Rahmen der Tradition argumentiert.312 Vordergründig, so scheint es, wird das überkommene Häresiekonzept damit weitertradiert, unterschwellig aber weitet es sich von der dogmatischen auf eine institutionelle Ebene aus und bietet damit eine ideologische Handhabe, Gegner der katholischen Kirche als häretisch zu verurteilen (auch wenn sie sich scheinbar auf die gleichen Glaubenslehren berufen). Anders war Schismatikern und Simonisten tatsächlich kaum beizukommen.
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Hildesheimer Briefe ep. 7, ed. Carl Erdmann, MGH Briefe der deutschen Kaiserzeit 5: Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV. Hannoversche Sammlung 1, S. 26: ‚He˛reticum esse constat, qui a Romana ecclesia discordat‘ (mit – unzutreffender – Berufung auf Ambrosius). Lanfrank, De corpore et sanguine Domini adversus Berengarium Turonensem 2, Sp. 410 B: Quem dum contra catholicam veritatem scripsisse asseris, non ipsum solum, sed et Romanos pontifices, Romanam Ecclesiam multosque sanctos Patres redarguis, incurrisque in illud quod beati doctores, si non eisdem verbis, eisdem tamen sententiis multis in locis concorditer astruxerunt, haereticum esse omnem hominem, qui a Romana et universali Ecclesia in fidei doctrina discordat. Evenitque tibi iusto Dei iudicio ut qui alios esse haereticos astruere conaris, tu ipse in haeresim devolutus, esse haereticus convincaris. Bonizo von Sutri, Liber ad amicum 6, S. 591: Ambrosiana e˛cclesia in suo statu permaneat, falsitatis arguentes Ambrosium sepissime in suis scriptis hoc intonantem: hereticum esse, qui se a Romane˛ ecclesie˛ in aliquo subtraxerit dicione. Vgl. auch Bruno von Asti, ep. 19 (ad Paschalem papam), Migne PL 165, Sp. 463 D: Sicut econtra illi sunt haeretici, qui catholicae Ecclesiae fidei et doctrinae obstinato animo contradicunt. Später Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,12, Sp. 1226 A; Gerhoh von Reichersberg, De edificio Dei 69, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 174. Ekkehard von Aura, Chronicon III a. 1106, S. 272/74. Vgl. Walther, Haeretica pravitas S. 296: „Damit blieb im Ergebnis der Ketzerbegriff der Theologen am patristischen Erbe einer Definition als dogmatische Abweichung vom Glauben orientiert.“
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
Das von der Forschung bereits an Einzelbeispielen aufgearbeitete, verschärfte, Reform- und Papstgegner einbeziehende Häresieverständnis gehört seither zum Grundbestand der Vorstellungen, auch wenn es sich keineswegs überall durchsetzt. Noch Bernhard von Clairvaux, der, trotz seines leidenschaftlichen Eifers für den richtigen Glauben und die richtige Dogmatik, in seinem umfangreichen Œuvre mit dem Häresiebegriff überhaupt recht sparsam umgeht, beschränkt die Häresie auf eine doktrinäre Abweichung von der Glaubenslehre,313 während Gerhoh von Reichersberg sich ganz in die Tradition der gregorianischen Reform stellt und auch Schismatiker zu den Häretikern zählt.314 Allzu häufig begegnet die neue Definition allerdings nicht. Oft, wie bei Bruno von Asti, sind Häretiker nur diejenigen, die nicht mit der katholischen (statt der römischen) Kirche übereinstimmen.315 Da mit der Hierarchisierung der Kirche beides allerdings zunehmend synonym verstanden werden konnte, bleibt eine genaue Abgrenzung letztlich unscharf. Die aus dem Zwang der Argumentation erwachsene Ausweitung des Begriffs sprengt somit zwar nicht das bisherige, vor allem auf die Dogmatik, aber auch schon auf die Lebensführung zugespitzte Häresieverständnis, öffnet sich, bei aller Berufung auf dogmatische Fragen, aber doch merklich anders gelagerten Sachverhalten, zumal auch die Unterscheidung zwischen bloßem Irrtum und beharrlichem Verfechten falscher Lehren bei Simonie und Laieninvestitur nicht mehr recht greift (auch wenn Humbert auch diese Kennzeichnung kennt und aufgreift).316 Simonisten, Reform- und Papstgegner haben demgegenüber nicht nur den gleichen Glauben, sondern sie sind, sofern sie nicht exkommuniziert werden, Glieder der Kirche; sie sind, wie Honorius schreibt, auch wenn man sie für Häretiker hält, dank ihres vollständigen Glaubens mit Katholiken vermischt und nehmen an der Kommunion teil, werden ihrer wegen ihres schlechten Lebens allerdings nicht
Vgl. in diesem Sinne Jean Leclercq, L’hérésie d’après les écrits de S. Bernard de Clairvaux, in: Lourdaux/Verhelst (Hg.), The Concept of Heresy S. 12–26. 314 Vgl. Peter Classen, Der Häresie-Begriff bei Gerhoch von Reichersberg und in seinem Umkreis, in: Lourdaux/Verhelst (Hg.), The Concept of Heresy S. 27–41. Ein Abrücken von der Verurteilung der Simonie als Häresie konstatiert Walther, Haeretica pravitas S. 303. 315 Vgl. oben Anm. 310. 316 Vgl. Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos prol., S. 101f. (oben Anm. 271). 313
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teilhaftig.317 Durch die Ausweitung des Häresiebegriffs auf diese Gruppen aber wird ein Verstoß gegen die Kirchenregeln nun zum Verstoß gegen den Glauben erklärt und somit als Häresie gewertet. Die Ausweitung des Begriffs hat daher durchaus weitreichende Folgen. In der Kanonistik können nicht nur Exkommunizierte, sondern auch Glaubenszweifler und Verteidiger von Häretikern und schließlich sogar alle zu Häretikern werden, die sich weigern, sich vor der Inquisition zu rechtfertigen.318 Diese auch in der Dekretistik zu beobachtende „Inflation“ des Häresiebegriffs und seiner Anwendung auf den bloßen Häresieverdacht hin bedeutet zugleich eine „Entleerung“, wie Helmut Walther zu Recht anmerkt.319 Daß man neue Häresien gern mit älteren gleichsetzt und nach diesen benennt, möchte ich allerdings nicht mit Walther als Unwillen deuten, sich mit neuartigen Erscheinungen auseinanderzusetzen.320 Es fügt sich vielmehr nahtlos in das mittelalterliche Geschichtsbewußtsein ein, die Ursprünge aufzugreifen und deren Kontinuitäten bis zur Gegenwart zu betonen. Erst daraus erhält man den (rechten) Aufschluß über die Natur dieser Häresien.
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Honorius Augustodunensis, Eucharistion 6, Migne PL 172, Sp. 1253 C: Extra Ecclesiam autem, scilicet ab haereticis, a Iudaeis, a gentilibus nec hoc sacramentum perficitur, nec munus oblatum accipitur. Simoniaci tamen, qui quidem inter haereticos censentur, sed tamen fide integerrima Catholicis admiscentur, per fidem Trinitatis Christi corpus conficiunt, sed eius participes ob reprobam vitam non fiunt. Zu diesem Ergebnis gelangt Hageneder, Häresiebegriff. Kritisch dazu Hans-Jürgen Becker, Die Stellung des kanonischen Rechts zu den Andersgläubigen: Heiden, Juden und Ketzer, in: Grenzmann/Haye/Henkel/Kaufmann (Hg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen S. 101–123, dem es aber weniger um den Häresiebegriff als vielmehr um die Abgrenzungsbereiche geht. Erst im Zuge der Kreuzzüge habe man die Spielräume, wie mit Andersgläubigen zu verfahren sei, zugunsten einer Einschränkung ihrer Rechte und einer Betonung der trennenden Elemente aufgegeben. Diese Verhärtung des crimen laesae maiestatis habe zur Bekämpfung der Häretiker geführt (ebd. S. 122f.). Helmut G. Walther, Häresie und päpstliche Politik: Ketzerbegriff und Ketzergesetzgebung in der Übergangsphase von der Dekretistik zur Dekretalistik, in: Lourdaux/Verhelst (Hg.), The Concept of Heresy S. 104–143. So Walther, Häresie und päpstliche Politik S. 113.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
d. Häretisches Selbstverständnis Es versteht sich außerdem von selbst, daß die Häretiker ihre eigenen Überzeugungen nicht als Irrlehren, sondern daß sie sich ihrerseits als rechtgläubig verstanden haben. „Häretiker“ sind sie nur in den Augen der katholischen Autoren, von deren Glauben sie abweichen und die sie deshalb nicht nur als irrgläubig betrachten, sondern ihnen dieses Selbstverständnis wiederum zum Vorwurf machen, wie Salvian von Marseille mit Blick auf die Arianer ausdrücklich bezeugt (und dabei doch von der absoluten Richtigkeit des eigenen Glaubens überzeugt ist): „Schließlich gelten sie uns als Häretiker, untereinander sind sie es nicht. Vielmehr betrachten sie sich selbst dermaßen als rechtgläubig, daß sie ihrerseits uns mit der Benennung ‚Häretiker‘ verdächtigen. Was sie demnach für uns sind, sind wir auch für sie. Wir haben uns entschlossen, sie des Unrechts der göttlichen Zeugung zu beschuldigen, weil sie nämlich behaupten, der Sohn sei geringer als der Vater; sie hingegen glauben, daß wir dem Vater unrecht tun, weil wir beide für gleich halten. Die Wahrheit ist zwar auf unserer Seite, sie aber beanspruchen sie für sich. Die Ehre Gottes ist bei uns, doch sie meinen ebenfalls, in ihrem Glauben die göttliche Ehre zu besitzen. Sie sind pflichtvergessen, doch ihnen selbst erscheint das als ihre höchste Glaubenspflicht. Sie sind gottlos, halten das selbst aber für die wahre Frömmigkeit.“321
Der Einsicht in das Selbstverständnis der Häretiker steht hier klar eine Zurückweisung desselben gegenüber. Wenn Heterius und Beatus von Osma in einem Brief an den Erzbischof Elipandus von Toledo (um 780) meinen, je mehr Häretiker im Irrtum ihres Unglaubens schmeicheln, desto mehr heucheln sie Heiligkeit,322 dann läßt sich auch diese Beobachtung als (rechtgläubige) Umkehrung des häretischen Selbstverständnisses verstehen, die wahre Lehre (und Heiligkeit) zu repräsentieren. Elipandus selbst bietet dafür sogar ein bezeichnendes Beispiel, wurde er doch selbst zum Wortführer des Adop321
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Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 5,2,9f., ed. Lagarrigue S. 316/318; ed. Halm S. 57: Denique apud nos sunt haeretici, apud se non sunt; nam in tantum se catholicos esse iudicant, ut nos ipsos titulo haereticae appellationis infament. Quod ergo illi nobis sunt, hoc nos illis. Nos eos iniuriam divinae generationi facere certi sumus, quod minorem patre filium dicant; illi nos iniuriosos patri existimant, quia aequales esse credamus. Veritas apud nos est, sed illi apud se esse praesumunt. Honor dei apud nos est, sed illi hoc arbitrantur honorem divinitatis esse, quod credunt. Inofficiosi sunt, sed illis hoc est summum religionis officium; impii sunt, sed hoc putant veram esse pietatem. Heterius und Beatus von Osma (Uxamenses), Epistola secunda ad Elipandum 95, Sp. 1025 C: Et quia aliquando haeretici quanto magis in perfidiae errore blandiuntur, tanto magis sanctitatem simulant.
6. Das Verhältnis zur Kirche
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tionismus im islamischen Spanien und somit in den Augen der Katholiken zum Häretiker. Nachdem Häresien im abendländischen Mittelalter zu Minderheiten werden – erst seit dem 12. Jahrhundert werden mit den Katharern wieder ganze Regionen mehrheitlich von Irrlehren erfaßt –, finden sich so klare Einsichten wie bei Salvian kaum mehr. Doch ist beispielsweise noch Hrabanus Maurus bewußt, daß die Häretiker selbst ihre Irrtümer für die Wahrheit halten.323 Hraban urteilt ähnlich wertend: Der Häretiker halte sich selbst für einen heilenden Arzt der Seelen, während er tatsächlich das Gift der Bosheit verspritzt und daher kaum selbst geheilt werden kann.324 Gegenüber den verbreiteten Vorwürfen bewußter Täuschung räumt Hraban damit immerhin ein, daß Häretiker redlich an ihre eigene Lehre glauben könnten. Nach Guibert von Nogent glaubten die der manichäischen Häresie und der Abhaltung außerkirchlicher religiöser Versammlungen angeklagten (und verurteilten) Häretiker Clementius und Ebrardus, daß der Begriff haeretici sich gleichsam von den hereditarii, den Erben oder Erbberechtigten ableite, weil sie sich zweifellos als Erben Gottes betrachteten.325
6. Das Verhältnis zur Kirche Wie Häresie also stets in Abgrenzung vom wahren christlichen Glauben her verstanden wurde, so stellten die Abweichungen vom Glauben die Häretiker von vornherein in ein gespanntes Verhältnis zur Kirche,326 von der sie deutlich geschieden sind. Häretiker arbeiten nach Meinung der katholischen
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Hrabanus Maurus, Commentaria in librum Sapientiae 2,10, Sp. 722f.: ut intelligamus omnes idolorum cultores et haereticos atque schismaticos, qui errorum suorum sectas pro veritate colunt. Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 3,7, Sp. 848 D: Incantator enim spiritalis haereticus est, quia doctoris officium gerit, et animarum medicum se esse credit; sed hic dum a serpente antiquo percussus est, et venenum malitiae eius semel hausit, difficile curabitur. Guibert von Nogent, De vita sua, sive Monodiae 3,17, ed. Edmond-René Labande (Les Classiques de l’Histoire de France au Moyen Age 34), Paris 1981, S. 432: putabat etiam quod haeretici dicerentur, quasi haereditarii, haud dubium quin Dei. Cum ergo discuterentur quid crederent, christianissime responderunt, conventicula tamen non negarunt. At quia talium est negare, et semper hebetum clam corda seducere, addicti sunt iudicio exorcizatae aquae. Zur Haltung der Autoren des 12. Jahrhunderts vgl. Beinert, Kirche S. 372f.
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Autoren gegen die Einheit der Kirche und bekämpfen sie;327 sie bedrängen die Kirche,328 bedrohen ihren Frieden329 und verfolgen sie mit falschen Sätzen und schlechtem Leben.330 Hrabanus Maurus vergleicht sie mit den schlimmen Wölfen (von Mt 2,7), weil sie die Kirche unablässig bedrängen und berauben.331 Sie stehen mit ihr ständig in Streit und Zwietracht oder führen in ihrem hochmütigen Anspruch auf den Vorrang sogar regelrecht Krieg gegen sie.332 Sie zerteilen die Wege der Kirche, meint Bruno von Asti, weil sie einen anderen Glauben predigen, mit dem sie das Himmelreich erreichen wollen.333 Sie spalten die Kirche nicht nur, behauptet der Verfasser des „Liber de unitate ecclesiae“ im Blick auf die Schismen des Investiturstreits, sondern ihre Bischöfe freuen sich auch noch über das Blutvergießen.334 Folglich sind sie Feinde der Kirche, mit der sie um den christ327 328
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Vgl. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,9 (oben Anm. 220). Vgl. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Osee prophetam 5 (oben Anm. 218). Vgl. Hugo von St. Viktor (?), Posteriorum excerptionum libri tredecim continentes utriusque testamenti allegorias 8,8, Migne PL 175, Sp.730 BC: sic haeretici et falsi catholici, cum pacem Ecclesiae vivendo perverse vel docendo impugnant, ab Hierosolymorum regno sunt extranei et ad gentilium sortem magis pertinent, quorum idolis serviunt; nec Iesu Christo duce, sed diabolo, quem significat rex Assur, sanctae Ecclesiae fines introeunt, sicut Simon Magus baptismum in Ecclesia non pro sua salute accepit, sed ut secreta Ecclesiae familiarius discuteret: quod exitus monstravit, cum Ecclesiam, quam in persona ficti fratris nequivit turbare, in persona apertissimi hostis acerrime turbavit. So Haymo von Auxerre, Commentarius in omnes psalmos. In psalmum 139, Sp. 668 A: quia haeretici pravis sententiis suis Ecclesiam persequuntur. Hrabanus Maurus, Commentaria in Matthaeum 2,7, S. 212: Lupi uero graues nominantur omnes infideles haeretici, qui grauiter sanctam ecclesiam opprimunt et persequuntur uel molestare frequentant, qui sine misericordia rapere et coaceruare non desinunt. Vgl. Ders., Commentaria in librum Iudicum 1,13, Migne PL 108, Sp. 1146 AB: quia non solum Iudaei, sed et omnes haeretici atque schismatici, qui primatum habere per superbiam ambiunt, contra Ecclesiam divisi, in contentione atque discordia semper perseverant; Ders., Commentaria in libros IV Regum 1,11, Sp. 38 C: bellum haereticorum contra Ecclesiam. Bruno von Asti, Expositio in Iob 30, Sp. 648 C: Ecclesiae namque itinera haeretici dissipabant, quia aliam fidem, per quam ad supernam patriam tenderetur, praedicabant. Liber de unitate ecclesiae 2,29, ed. Wilhelm Schwenkenbecher, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 253: Non solum enim ecclesia per hereses et scismata dividitur, et pax
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lichen Glauben streiten, doch sie unterliegen, sobald ihnen die richtigen Argumente entgegengehalten werden;335 daher wird die Kirche siegen.336 Die katholischen Autoren nehmen also durchaus wahr, daß Häresien in Konkurrenz zur Kirche stehen, nehmen sie als Konkurrenten aber nicht wirklich ernst, sondern sind von ihrem Scheitern überzeugt. Letztlich haben Häretiker, meint Hrabanus Maurus, daher keinen Erfolg: Wie die Fürsten nach Hiob 29,9 aufhören werden zu reden, so zerstört die Kirche die Irrtümer der Häretiker;337 wie die „Herzöge“ oder Heerführer von Hiob 29,10 ihre Stimme im Zaum halten, verstummen die Häretiker, sobald die Wahrheit Christi offenbar wird;338 wie die Zunge (oder Sprache: lingua) von Hiob 40,25 mit einem Seil angebunden wird, so wird die häretische Lehre mit der Heiligen Schrift besiegt.339
7. Reaktion der Kirche a. Ausgrenzung und Ausschluß der Häretiker aus der Gemeinschaft Das (tatsächliche) Verhalten der Kirche gegenüber Häresien (und anderen Religionen) ist Gegenstand einer kontrovers geführten Diskussion, spätestens seit Robert Moore die christliche Gesellschaft – allerdings erst des
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undique turbatur, sed etiam adversae partis episcopi gaudent et laetantur super effusione humani sanguinis, quia non habent viscera fraternae dilectionis. So Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 120, Sp. 643f.: Spiritaliter autem ad bellum procedimus, quando cum hostibus Ecclesiae, id est haereticis, de fide Christiana et religione conflictum habemus. Cunque divina auctoritate superati, tradiderit eos Dominus Deus noster in manus nostras, si invenerimus in numero disputationum sententias ad nostram fidem roborandam necessarias; Ders., Commentarii in Isaiam 3,62, Sp. 1049 C: quia non sumuntur ab haereticis et paganis inimicis sanctae Ecclesiae. Vgl. Paulinus von Aquileja, Contra Felicem 1,2, Migne PL 99, Sp. 350 C: Haeretici hostes ecclesiae, filii diaboli (Überschrift). Ebd. 1,3, Sp. 353 A: De haereticis triumphat Ecclesia. Hrabanus Maurus, Allegoriae in universam sacram scripturam Sp. 1029f.: Per ‚principes‘ haeretici, ut in Iob: ‚Principes cessabunt loqui‘, quod Ecclesia destruit errores haereticorum. Ebd. Sp. 913 BC: quod patefacta veritate Christi, haeretici obmutescunt, zu Hiob 29,10: ‚Vocem suam cohibebant duces‘. Ebd. Sp. 985 BC: id est per sacram Scripturam devinces haereticam doctrinam (zu Hiob 40,25: ‚fune ligabis linguam eius‘).
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Hochmittelalters – als eine „persecuting society“ beschrieben hat.340 In unserem Zusammenhang wäre zu prüfen, ob und wieweit sich solche Verhaltensweisen auch in den Ansichten der christlichen Autoren niederschlagen. Nach dem schon erwähnten Brief Berengars muß nicht jeder Häretiker oder Schismatiker zwangsläufig auch „körperlich“ von der Kirche getrennt werden.341 Wenngleich die Frage, ob christliche Häretiker grundsätzlich außerhalb der Kirche stehen, unterschiedlich beantwortet wird, ein Irrtum (und somit eine Häresie) nach Johannes Scotus Eriugena auch in der Kirche möglich ist342 und Häretiker noch für Bruno von Asti, obwohl sie schlecht sind und die katholische Lehre verletzen, doch „Söhne der Kirche“ bleiben,343 können sie für die meisten Autoren nicht mehr Glied der Kirche sein, weil sie nicht den richtigen Glauben haben. Für Alkuin sind sie von der Kommunion (der Eucharistie und damit der Gemeinschaft der Christen) getrennt;344 für Haymo von Auxerre wohnen sie außerhalb des „Hauses Gottes“, nämlich der „Kirche der Gläubigen“.345 Je mehr sie anwachsen,
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Moore, Formation of a Persecuting Society. Vgl. dazu Frassetto (Hg.), Heresy and the Persecuting Society. Erneut Moore, War on Heresy. Daß Verfolgungen von Häretikern tatsächlich nicht erst im 11. und 12. Jahrhundert einsetzen, wie Moore meint, betont auch Zeddies, Im Prokrustesbett der Juristen. In Antwort auf die Diskussionen über sein Buch betont Moore im 5., neuen Kapitel der 2. Auflage (S. 144– 171), daß die Verfolgungen im 12. und 13. Jahrhundert eine andere Qualität als die gelegentlichen Ausbrüche vorher haben. Zum Zwang gegenüber Häretikern vgl. Auffarth, Das Ende des Pluralismus, dessen Thesen im einzelnen allerdings vielfach angreifbar sind. Die Ketzerverfolgungen des späten Mittelalters bedeuten andererseits aber auch kein „Ende des Pluralismus“. Berengar von Tours, Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV. ep. 83, S. 138: Nec tamen consequens est, ut omnis he˛reticus aut scismaticus ab ecclesia corporaliter separetur. Johannes Scotus Eriugena, De divina praedestinatione 1,4, ed. Goulven Madec, CCM 50, Turnhout 1978, S. 7: Ex his enim hominibus haeretici fiunt qui, etiam si essent in ecclesia, nihilominus errarent. Bruno von Asti, Expositio in Deuteronomium 22, Migne PL 164, Sp. 525 A: haereticus vero, quia humiliavit et violavit uxorem proximi sui, doctrinam nempe catholicam, quam ipse integram profiteri debuerat et ipse quidem proximus Christi dicitur, quia et si malus, Ecclesiae tamen filius est. Alkuin, Contra Felicem 7,3, Sp. 215 B: cum hoc ipsum antecessores tui haeretici usurpantes ab Ecclesiae fuissent communione divisi. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Osee prophetam 9, Sp. 66 B: De haereticis facilis est intellectus, qui non habitant in domo Domini, hoc est,
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desto mehr entfernen sie sich von der Kirche.346 Solange sie in der Kirche waren, glaubten sie noch etwas Licht zu erhalten, wenn aber ihr Irrtum offenbar wird, erkennt man ihre Blindheit, und sie sind verdunkelt, weil sie aus der Kirche herausgeworfen sind.347 Selbst wenn sie die Propheten richtig auslegen, meint Werner von St. Blasien, ist Gott nicht in ihren Versammlungen, weil sie nicht katholisch sind.348 Die Kirche aber muß entsprechend reagieren und zur Gegenwehr schreiten. Häretische Lehren sind zu bekämpfen.349 Zwar solle man Häretikern und Heiden, die die Kirche bedrängen, mit Weisheit und Geduld gegenübertreten – mit Weisheit gegenüber ihren Worten und mit Geduld gegenüber ihren Schwertern –, mahnt schon Isidor von Sevilla,350 doch wenn ein Häre-
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in Ecclesia fidelium, quae propter soliditatem fidei saepe terra appellatur. Vgl. Ders., Expositiones in Apocalypsin b. Ioannis 1,1, Sp. 953 B: Tales utique fuerunt haeretici, qui eiecti sunt ab Ecclesia; ebd. 2,4, Sp. 1007 D: quicunque extra Ecclesiam sunt, sicut haeretici. Vgl. später Gratian, Decretum pars 2, causa 1, qu. 7, c. 4, § 7, S. 428: Item Iohannes apocrisarius orientalium sedium dixit: Heresis separat omnem hominem ab ecclesia. Vgl. auch Hugo von St. Viktor (?), Posteriorum excerptionum libri tredecim continentes utriusque testamenti allegorias 8,8, Sp. 730 C: ab Hierosolymorum regno sunt extranei. Haymo von Auxerre, Commentarius in omnes psalmos. In psalmum 143, Sp. 679 BC: quia quanto magis in haeresibus suis multiplicantur, tanto a consortio sanctae Ecclesiae semoventur ‚boves eorum‘, id est fortiores et magistri aliorum, sunt ‚crassae‘, id est, temporalibus desideriis impinguatae. Ders., Expositiones in Apocalypsin b. Ioannis 2,8, Sp. 1049 D: Quandiu itaque haeretici in Ecclesia erant, quasi lux esse putabantur, sed statim ut error illorum detectus est et a catholicis fides illorum explorata, agnita est eorum caecitas et obscurati sunt, quia ab Ecclesia abiecti sunt. Werner von St. Blasien, Expositiones Dominicalium. Dominica octava. De falsis prophetis, Sp. 1079 C: Haeretici, quamvis legem aut prophetas adimpleant, ex eo tamen quod catholici non sunt, non est Deus in eorum conventibus. Vgl. Gottfried von Vendôme, Libelli 1, ed. Sackur S. 682; ed. Giordanengo Nr. 134, S. 278: multo igitur amplius atque perfectius religiosum catholicum decet he˛reticam pravitatem impugnare. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,2/4 (De ecclesia et haeresibus), S. 55: Ecclesiae propter Christum geminae tribulationes existunt: id est siue quas a paganis pertulit in martyribus, siue quas ab hereticis perfert in diuersis concertationibus. […] Sancta ecclesia contra gentilium atque hereticorum peruicaciam summopere sapientiam et patientiam [opponere] studet; sed exercetur sapientia cum temptatur uerbis, exercetur patientia cum temptatur gladiis. Vgl. Gregor der Große, Moralia in Iob 18,2,3, CCL 143A, S. 887; ebd. 19,9,16, S. 968.
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tiker nicht zur Vernunft gebracht werden kann, meint Beda, müsse man ihn aus der Kirche ausschließen.351 Letztlich kennzeichnen vier (nicht zwangsläufig als Steigerung aufgefaßte und daher konsekutiv einzusetzende, sondern eher nebeneinander existierende) Verhaltensweisen die Reaktion der Kirche: – In jedem Fall muß man sich vor Häretikern hüten, weil sie nach Werner von St. Blasien eine Kenntnis der Wahrheit versprechen, die sie gar nicht besitzen.352 Daher sollte man sich von ihnen fernhalten: „Meide den Häretiker nach ein- oder zweimaligem Tadel,“ mahnt Hrabanus Maurus mit angeblicher Berufung auf Ambrosius (tatsächlich auf Ambrosiaster).353 „Denn wer weiß nicht,“ fragt Marbod von Rennes, „daß sämtliche Häretiker generell zu meiden und zu verabscheuen sind?“354 Weil sie Falsches lehren und falsch leben, darf man sie weder nachahmen noch ihnen zuhören; sie sind (vergleichbar dem verbotenen Umgang mit Exkommunizierten) vielmehr abzuwehren bzw., mit dem Doppelsinn des Begriffs prohibere, zu verbieten, fordert auch Radulphus Ardens (und unterscheidet die Häretiker erneut von den Unverständigen, insipientes, die aus Unwissenheit Falsches predigen, ansonsten aber richtig leben.355 – Gleichzeitig aber, so Haymo von Auxerre, müssen die Gelehrten und Prediger versuchen, die Häretiker zu widerlegen und ihren Irrtum und ihre
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Beda Venerabilis, In proverbia Salomonis 2,22, S. 113: Eice hereticum, quem corrigere non potes de ecclesia, et cum illi libertatem praedicandi abstuleris, catholicae paci auxilium praestas. Werner von St. Blasien, Abbreviatae expositiones dominicalium. Dominica octava, Sp. 1073 A (nach Augustinus, De sermone Domini in monte 2,24,78, ed. Almut Mutzenbecher, CCL 35, Turnhout 1967, S. 176): Praecipue cavendi sunt haeretici, cognitionem veritatis quam non habent promittentes. Hrabanus Maurus, ep. 44 (an Erzbischof Hinkmar von Reims), S. 497: ‚Hereticum, inquit, hominem post unam et secundam correptionem devita, sciens quod subversus est eiusmodi et deliquit proprio iudicio condempnatus‘. Die Stelle folgt Ambrosiaster, Commentarius in Pauli epistolas. Ad Titum 3, v. 10, ed. Heinrich Joseph Vogels, CSEL 81,3, Wien 1969, S. 333. Marbod von Rennes, ep. 3, Migne PL 171, Sp. 1474 A: Nam haereticos quidem generaliter omnes vitandos ac detestandos quis nesciat? Radulphus Ardens, Homilia 1,28, Sp. 1766 A: Alii autem mala praedicant et male vivunt et haeretici sunt, qui nec audiendi nec imitandi sunt, sed prohibendi. Alii malo praedicant per ignorantiam et in caeteris bene vivunt et insipientes sunt. Qui etsi in moribus imitandi sunt, tamen audiendi non sunt.
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gottlosen Lehren zu vernichten.356 Von den „rechtgläubigen Kämpfern“ werden sie „mit dem Schild des richtigen Glaubens und dem Wort der Wahrheit“ widerlegt.357 – Sodann muß die Kirche (und müssen die weltlichen Mächte) Häretiker bekämpfen,358 wie es Kaiser Heinrich III. tat, der nach Hermann von Reichenau in Goslar quosdam hereticos an den Galgen hängen ließ, damit „der kriechende häretische Aussatz nicht noch andere infiziere“.359 (Sie hatten mit der Sekte der Manichäer den Verzehr von Tierfleisch verflucht.) Autoren wie Rupert von Deutz oder Honorius Augustodunensis lehnen ein gewaltsames Vorgehen allerdings ab.360 – Und schließlich sind Häretiker aus der Kirche auszuschließen,361 sind sie und ihre Sakramente zu verdammen,362 jedenfalls so lange, bis sie zur wah356
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Vgl. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Sophoniam prophetam 2, Sp. 204 D: Hoc est doctores et praedicatores veritatis, qui et falsam haereticorum scientiam destruunt et impia dogmata diripiunt. So Hrabanus Maurus, Expositio super Ieremiam prophetam 15,48, Sp. 1114 B: Ideo igitur philosophi huius mundi et haeretici, qui confidunt in dialecticis disputationibus ubi sperant thesaurum esse sapientiae, capientur ab ecclesiasticis praeliatoribus, qui scuto rectae fidei et verbo veritatis expugnant omnem errorem perfidorum, et cultores eius atque ministros in captivitatem ducunt. Vgl. auch Ders., Commentaria in Ecclesiasticum 8,7, Sp. 1021 B: et homo peritus in catholica doctrina resistit illi scuto verae fidei et gladio spiritus, quod est verbum Dei. Vgl. Gottfried von Vendôme, Libellus 1, S. 682; ed. Giorganengo Nr. 134, S. 278: Licet enim secundum sanctorum decreta Romanorum pontificum etiam meretrici communem aecclesiae fidem, quam suam credit et confitetur, defendere: multo igitur amplius atque perfectius religiosum catholicum decet he˛reticam pravitatem impugnare, nec christianae legis veritatem, qui christianus est, in tali negotio debet occultare. Vgl. Dungal, Responsa contra perversas Claudii Taurinensis episcopi sententias, Migne PL 105, Sp. 467A: Si ergo quando vult Deus concitare potestates adversus haereticos, adversus schismaticos, adversus dissipatores Ecclesiae, adversus exsufflatores Christi, adversus blasphematores sanctorum eius, non mirentur, quia Deus concitet, ut a Sara verberetur Agar, cognoscat se Agar, ponet cervicem suam, mirantur autem quia commoventur potestates Christianae adversus detestandos dissipatores Ecclesiae. Si ergo non moverentur, quomodo redderent rationem de imperio suo Deo? Vgl. Haymo von Auxerre, Expositiones in Apocalypsin b. Iohannis 2,9 (oben Anm. 239). Hermann von Reichenau, Chronicon a. 1052, S. 130: ne heretica scabies latius serpens plures inficeret. So Beinert, Kirche S. 375. Vgl. Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Iohannis 1,1 (oben Anm. 345). So schon Beda Venerabilis, In epistolas septem catholicas expositio (oben Anm. 187).
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ren Lehre zurückkehren (wie Leprosen bis zu ihrer Heilung außerhalb der Gemeinschaft bzw. der Mauern leben müssen363 oder aus der Stadt vertrieben werden.364)
b. Toleranz und Wiedereingliederung Einer solch konsequenten Haltung stehen allerdings auch Ansichten anderer (teilweise sogar derselben) Autoren (wie Haymo von Auxerre) gegenüber, die für Toleranz gegenüber Häretikern plädieren, soweit das möglich ist. Die katholische Milde muß die Schikanen der Häretiker (und Heiden) lieber erdulden als sie erregen, meint schon Avitus von Vienne, allerdings vor dem Hintergrund, daß er als katholischer Bischof unter den arianischen Burgundern lebte.365 Während die Kirche ihre Wunden erträgt und über den Fall ihrer Glieder trauert, erduldet sie im Namen Christi doch die anderen Feinde Christi, selbst wenn sie weiter streiten, um ihr noch mehr Schmerzen zu bereiten, lehren aber auch Gregor der Große und Odo von Cluny.366 Die Kirche erträgt zunächst ihre Arroganz, meint hingegen Bruno von Asti, 363
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So Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum. In Leviticum 11,16, Sp. 329 C: Quod vero iubetur leprosis, ut exeant de castris et sedeant foris, donec mundetur lepra eorum, intelligitur haereticos proici debere ab Ecclesia, donec a proprio errore purgentur et sic revertantur ad Dominum. Danach Hrabanus Maurus. Expositiones in Leviticum 4,4, Sp. 387 D. Werner von St. Blasien, Expositiones Dominicalium. Dominica 14. De sex speciebus leprae, Sp. 1136f. (nahezu wörtlich nach Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Uetus Testamentum. In Leuiticum 11,16, Sp. 329): Quod vero iubetur leprosis, ut exeant de castris et sedeant foris, donec mundetur lepra eorum, intelligitur haereticos debere proici ab Ecclesia, donec a proprio errore mundentur, et sic revertantur. Avitus von Vienne, ep. 7, ed. Rudolf Peiper, MGH AA 6,2, Berlin 1883, S. 36: Quod si aut nos suadeamus aut ille consentiat, persecutionem in se commotam haeretici non inmerito causabuntur, cum catholicam mansuetudinem calumnias haereticorum atque gentilium plus deceat sustinere quam facere. Gregor der Große, Moralia in Iob 3,22,42, CCL 143, S. 142: Sancta itaque Ecclesia omni hoc tempore peregrinationis suae in afflictione constituta, cum uulnera sustinet, cum membrorum suorum lapsus dolet, insuper alios sub Christi nomine tolerat hostes Christi. Ad augmentum namque doloris eius, etiam haeretici in contentione conueniunt eamque quasi quibusdam iaculis, irrationabilibus uerbis figunt. Danach nahezu wörtlich Odo von Cluny, Moralium in Iob 3,2, Sp. 131 CD.
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zumal Häretiker nicht die Wahrheit verteidigen, sondern mit ihren Reden nur ihre eigene Weisheit kundtun wollen; wenn sie jedoch die Kirche angreifen und deren Gelehrte mit ihren Argumentationen überwinden, muß diese gegen solche Arroganz angehen.367 Schließlich ist stets mit ihrer Besserung zu rechnen. Sie wären nämlich keine Häretiker, wenn sie nicht würdig wären, getadelt und berichtigt zu werden, meint Alkuin.368 Deshalb sind sie nach Isidor, Hrabanus Maurus oder Petrus Alfonsi nur so lange aus der Kirche auszuschließen, bis sie ihren Irrtum bereinigen und zurückkehren.369 Wenn sie ihren Irrtum hingegen nicht unbeirrt verteidigen,370 sondern ihn berichtigen371 und zum rechten Glauben zurückkehren wollen, sollen sie Gnade erhalten und sind deshalb erneut in die Kirche aufzunehmen, so Gregor der Große und Odo von Cluny, indem man ihnen sagt: „Verbindet euch der universalen Kirche durch die Demut der Buße und empfangt durch meine Bitten deren Gnade, der ihr aus euch selbst heraus nicht würdig seid.“372 Das sollte gängige Praxis sein. Nach Hinkmar von Reims sind bereits viele Häretiker wieder in die Kirche 367
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Bruno von Asti, Expositio in Iob 32, Sp. 655 B: Prius enim haereticos quam arrogantes Ecclesia sustinere debuit, quia propter haereticos in plurimis arrogantia crevit. Cum enim haeretici Ecclesiam impugnarent et viri bene litterati et ingenio ferventes, qui in ea erant, suis argumentationibus eos superassent; cumque se de scientia et ingenio ab omnibus laudare sensissent, repente in arrogantiam ceciderunt; unde non tantum pro defensione veritatis, quanto pro suae sapientiae ostentatione aliquando loquebantur. Alkuin, Confessio fidei 4,9 (De corpore et sanguine Domini), Sp. 1092 D: Ast qui reprehendi non erubescit neque corrigi dedignatur, nequaquam dici potest haereticus. Vgl. oben Anm. 363 und 364. So Bruno der Kartäuser, Expositio in epistolas Pauli. Epistola ad Titum 3, Sp. 483 B (oben Anm. 272). So Honorius Augustodunensis, Liber de haeresibus praef. (oben Anm. 278). Gregor der Große, Moralia in Iob 35,8,14/18 CCL 143B, S. 1783/1786: Recte quoque haec eorum superbia septem sacrificiis expiatur, quia haeretici ad Ecclesiam reuertentes per humilitatis hostiam dona spiritus gratiae septiformis accipiunt et quia elationis suae uetustate tabuerant, nouitate gratiae reformentur. […] Sed uigilanter omnino septenarii numeri arcana custodiant, ut uidelicet hi, qui extra sunt positi, prius se uniuersitati sanctae Ecclesiae misceant et tunc demum ueniam de reatu pristinae elationis exquirant. […] Ac si haereticis redeuntibus aperte diceretur: Uniuersali uos Ecclesiae per humilitatem paenitentiae iungite, atque eam qua per uosmetipsos digni non estis, ueniam eius a me precibus obtinete, qui cum per hanc ueraciter sapere discitis, priores apud me uestrae sapientiae stultitiam deletis. Danach nahezu wörtlich Odo von Cluny, Moralium in Iob 35,42, Sp. 506f.
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zurückgekehrt und hätten Verzeihung erlangt.373 Die gesamte Kirche bete schließlich dafür, daß Ungläubige und Heiden ihren Götzendienst aufgäben und bekehrt würden und daß Heiden, Juden, Häretiker und Schismatiker wieder zum wahren Glauben gelangen und Buße tun.374 Die Voraussetzung dafür ist allerdings, so Haymo, daß die Häretiker selbst ihren Irrtum verdammen.375 Niemand, schreibt entsprechend Lanfrank, der aus der Häresie zurückkehrt, darf der kirchlichen Gemeinschaft (der Eucharistie) teilhaftig werden, bevor er gezwungen wird, die verkehrte Lehre unter Androhung der Exkommunikation zu verurteilen (und aufzugeben).376 Nach Burchard von Worms soll (mit Berufung auf ein Dekret des Papstes Eutychian) Häretikern, welche die Kirche verlassen, eine zwölfjährige Buße auferlegt werden, davon vier Jahre außerhalb der Kirche, sechs unter Aufsicht und zwei ohne Kommunion.377 In der Praxis wurde das lange Zeit jedoch offenbar weit weniger strikt gehandhabt.378 Allerdings sollten Heimkehrer erst
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Hinkmar von Reims, Opusculum LV capitulorum contra Hincmarum Laudunensem 36, S. 296 (nach Gelasius, De anathematis vinculo, Migne PL 59, Sp. 105 B): Et multos he˛reticos legimus et credimus ad fidem catholicam revertentes et hic remissionem suae percepisse blasphemiae et in futuro spem indulgentie˛ consequende˛ sumpsisse. Hinkmar von Reims, Epistolae ad Hincmarum Laudunensem (48), Migne PL 126, Sp. 529 C (mit einem Zitat aus Coelestin, ep. ad Galliarum episcopi 11, Migne PL 45, Sp. 1759): et tota secum Ecclesia congemiscente postulant et precantur, ut infidelibus donetur fides; ut idololatrae ab impietatis suae liberentur erroribus; ut Iudaeis, ablato cordis velamine, lux veritatis appareat; ut haeretici ad catholicae fidei perfectionem resipiscant; ut schismatici spiritum redivivae charitatis accipiant; ut lapsis poenitentiae remedia conferantur; ut denique catechumenis ad regenerationis sacramenta perductis coelestis misericordiae aula reseretur. Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 141, Sp. 744 C: Sed et si aliqui ex haereticis ad catholicam fidem converti voluerint, recipiendi sunt, ita tamen, ut pristinum errorem anathematizent. Lanfrank, De corpore et sanguine Domini adversus Berengarium Turonensem 5, Sp. 415 D: Sacrorum namque canonum auctoritate instruimur, ut nemo, ab haeresi revertens, ecclesiasticae communionis particeps esse permittatur, quoadusque perversum dogma vinculo anathematis damnare compellatur. Burchard von Worms, Decretum 19,105, Sp. 1005 A: Si recesserit ab Ecclesia catholica in congregationem haereticorum et alios persuaserit, postea poenitentiam egerit, XII annos poeniteat: quatuor annos extra Ecclesiam et sex inter auditores et duo adhuc extra communionem. Von der Bekehrung eines Häretikers berichtet etwa Flodoard, Historia Remensis ecclesiae 1,16, S. 94: Ad cuius vocem hereticus ante superbus humilis iam factus atque
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nach langer Enthaltsamkeit oder in großer Not auch die Weihen empfangen können.379
8. Folgerungen und Einordnung a. Ursprung und Funktion der Häresien im Heilsplan In der heilsgeschichtlichen Deutung mittelalterlicher Autoren hat, wie schon Heidentum, Islam und Judentum, auch die Häresie einen Ursprung, der nicht erst in den innerchristlichen Dogmenstreitigkeiten liegt, sondern wie beim Heidentum in die Frühgeschichte der Menschheit überhaupt zurückverlegt wird. Für Beda ist ohne nähere Begründung bereits Kain das Urbild aller Häretiker, indem er weitere Häresien zeugte.380 Später symbolisiert Loth das „Volk der Häretiker“ (populum haereticorum designare videtur),381 dann auch Hagar und Ismael (auf die ansonsten aber auch die Sarazenen zurückgeführt werden) sowie Cethura (Ketura), die zweite Frau Abrahams, und ihre Söhne.382 Häretiker sind somit nicht auf das Christentum, sondern auf den (jeweils) rechten Glauben bezogen. Es gibt sie folglich schon im Alten Testament (und so zählt Isidor von Sevilla in seinen „Etymologiae“ nicht nur christliche, sondern auch jüdische Häresien auf).383 Für den Umkreis Karls des Großen waren die Samariter die schlimmsten häretischen Juden, weil sie weder an eine Auferstehung der Körper glaubten noch die Bibel, mit Ausnahme der fünf Gesetzbücher, anerkannten.384 Im Christen-
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catholicus, orthodoxam fidem de divina et inseparabili trinitate ac de incarnatione Christi catholice confessus, in eadem confessionis sue fide se permansurum repromisit. Vgl. Beinert, Kirche S. 376, zu Rupert von Deutz. Vgl. Iudicium poenitentis, Migne PL 138, Sp. 976 AB: Si quis a catholica ecclesia ad heresim transierit et postea reversus non potest ordinari, nisi post longam abstinentiam aut magna necessitate; hunc Innocentius Papa nec post penitentiam clericum fieri canonum auctoritate adserit permitti. Beda Venerabilis, In Genesim 4, Sp. 219 D: Cain autem praefigurat populum haereticorum, alios haereticos generantem. Ebd. 13, Sp. 232 C. Ebd. 25, Sp. 247 B. Isidor von Sevilla, Etymologiae 8,4, S. 307f. Opus Caroli regis contra synodum 4,6, S. 505: Samaritani namque, quos illi dicunt ‚omnibus hereticis deteriores‘, non sunt heretici Christianorum, sed Iude˛orum, nec se
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tum wiederum verteilten sich die Häresien keineswegs gleichmäßig. In Byzanz, so glauben Rupert von Deutz und viele andere, habe es viele Häresien und Häresiebegründer gegeben, während das auf apostolischer Gründung beruhende Rom die Häresien stets in Schranken hielt und im festen Glauben verharrte.385 Grundlage der Überlegungen sind Diskussionen über Funktion und Nutzen der Häretiker (im Heilsplan), die sich gern an das Diktum des Paulus (1. Kor 11,19) anschließen, daß es auch Häretiker geben müsse (Oportet et haereses esse), damit die Gläubigen daran gestärkt werden.386 Das geschieht nicht, so erläutert Avitus von Vienne, um die Häretiker darin zu stützen, was sie sind, sondern um die Katholiken gegenüber dem zu stärken, was sie nicht sind.387 Die Häretiker sind nämlich der Grund, so Remigius von Auxerre, daß die Gläubigen sorgfältig die Heilige Schrift nach passenden Sätzen durchsuchen, mit denen sie sich verteidigen können, um nicht in der Diskussion von ihnen überwunden zu werden. Sie dienen als Beispiel, die Gottesfurcht zu bewahren, denn mit ihrer nichtigen Anmaßung lehren sie diejenigen, die in der Kirche verblieben sind, zu fürchten, sich nicht ebenfalls anzumaßen, die Kirche zu verlassen.388 Nach Johannes Scotus Eriugena
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novum Testamentum, sed vetus tenere fatentur. Qui cum Iudaei resurrectionem corporum credant, prophetas sive agiographa recipiant, illi et resurrectionem spernunt et exceptis quinque legis libris omnes Scripturas et veteris et novi Testamenti postponunt. Eine Vorlage für die Ansicht, die Samariter seien schlimmer als alle anderen Häretiker, konnte ich nicht ausmachen. Rupert von Deutz, Liber de divinis officiis 2,22, S. 53 (unten Kapitel 5, Anm. 347): Nam Constantinopolitana non solum haereticos sed et haeresiarchas protulit multos. Romana uero ecclesia super apostolicae fidei petram altius fundata firmiter stetit et tam Graeciae quam totius orbis haereticos semper confutauit et de excelso fidei tribunali data sententia iudicauit. Ähnlich argumentiert auch Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,5f., Sp. 1213 D, gegenüber dem Erzbischof von Niketas von Nikomedia. Vgl. dazu Kapitel 5, unten S. 760f. Einen Überblick über die Exegese dieses Satzes gibt Grundmann, Oportet et haereses esse. Avitus von Vienne, Ex libris contra Arrianos X, S. 5 (bei Florus von Lyon überliefert): Dicit apostolus, quod oporteat haereses esse. Oportet autem non haereticis, quod sunt, esse, sed catholicis sustinere, quod non sunt. Remigius von Auxerre, Enarrationes in psalmos. Ps. 106, Sp. 701 CD: Ipsi enim haeretici sunt causa, quare fideles diligenter investigent Scripturas sacras et in eis inquirant convenientes sententias, quibus se defendant, ne disputatione haeretica superentur. Unde illud. ‚Oportet haereses esse, ut et qui probati sunt‘, appareant. Sunt etiam
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sind Häretiker der Kirche nicht deshalb von Nutzen, weil diese ihre Irrtümer billigt, sondern weil die katholische Lehre ihren Angriffen gegenüber abzusichern ist und man daher wachsamer und vorsichtiger sein muß, auch wenn man sie nicht zum Heil zurückrufen kann.389 Sie führen aber auch vor, meint Rodulf Glaber, wie leer von allem Wissen und aller Weisheit man sein kann, daß man sogar den Schöpfer aller Dinge leugnet.390 Was ihnen selbst Verderben bringt, ist für die katholischen Christen daher ebenso notwendig wie nützlich. Dadurch wird deren Glaube nämlich weit klarer und weit mehr gefestigt, als wenn jene immer nur im Verborgenen blieben, bestätigt Bruno von Asti.391 Auch wenn sie über die Göttlichkeit Falsches denken, sind sie nützlich, denn man könne hinsichtlich ihrer Sitten und ihrer tiefgründigen allegorischen Auslegung von ihnen lernen, meint, noch weitergehend, Rupert von Deutz392 (entgegen jenen Ansichten, die gerade die schlechten Sitten und die falsche Auslegung der Häretiker beklagen). Sie sind (wie Heiden) mit ihren Lehren der Kirche dann nützlich, schreibt schlicht Haymo
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haeretici exemplum timoris his, qui in Ecclesia permanserunt, quia, dum vident haereticos propter praesumptionem vanam, qua de se praesumebant, ab Ecclesia separatos, timent praesumere, ne si praesumpserint, ab unitate Ecclesiae separentur, quia necesse est ut qui stat, ‚videat ne cadat‘. Johannes Scotus Eriugena, De divina praedestinatione 1,3, S. 8: Vtamur ergo etiam haereticis, non ut eorum approbemus errores, sed ut catholicam disciplinam aduersus eorum insidias asserentes uigilantiores et cautiores simus, etiam si eos ad salutem reuocare non possimus. Rodulf Glaber, Historiae 3,8,28, S. 142: ‚Oportet‘, inquit, ‚hereses esse, ut hii, qui ex fide sunt, probentur‘. In hoc igitur permaxime istorum insipientia deprehenditur, atque ipsi omni scientia ac sapientia uacui pernoscuntur, cum negent creaturarum auctorem uniuersarum, scilicet Deum. Bruno von Asti, Commentaria in Matthaeum 3,74, Sp. 224 CD: Vae illis qui scandala concitant et qui scandalizantibus credunt: Vae haereticis et schismaticis et his qui illorum sequuntur errores. ‚Necesse est enim, ut veniant scandala‘. Unde Apostolus ait: ‚Oportet haereses esse, ut hi, qui probati sunt, manifesti fiant.‘ Quod igitur haereticis et schismaticis fuit vae, hoc viris catholicis necessarium et utile fuit. Per hoc enim Ecclesiae fides magis claruit; et illi multo amplius nocuissent, si semper occulti latuissent. Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius 18. Commentaria in Deuteronomium 1,9, CCM 22, S. 1027: Mulier pulchra in numero captiuorum siue inimicorum sancta Scriptura est in tractatibus haereticorum. Nam et plerique haeretici siue haeresiarchae in cathedra Moysi immo et in apostolico culmine sederunt, et quamquam de diuinitate male sentientes de moribus, tamen et allegorica subtilitate multa utiliter dixerunt.
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von Auxerre (und verknüpft das folglich mit der vorhin behandelten kirchlichen Reaktion), wenn die fest im Glauben Verwurzelten darauf achten, daß sie ihr nicht schaden können.393 In solchem Schaden hätte der Nutzen demnach seine Grenzen. Die „Toleranz“ zielt folglich einhellig in dieselbe Richtung: der Abgrenzung und Selbstvergewisserung. Nirgends klingt hingegen an, daß Häretiker wegen ihres christlichen Glaubens eher zu dulden seien als andere. Entsprechend solchen Deutungen gliedern sich Häretiker in das christliche Geschichtsbild ein. Für Gregor von Tours, der seinen Historien, wie schon erwähnt, ein (katholisches, gegen die arianische Lehre gerichtetes) Glaubensbekenntnis voranschickt, um sich klar von allen Nicht-Rechtgläubigen abzugrenzen,394 bedeutet der Kampf der Kirchen gegen die Häretiker eine der drei historischen Grundgegebenheiten, über die er berichten will (neben den Kämpfen der Könige mit feindlichen Völkern und der Märtyrer mit den Heiden).395 Vor allem im 12. Jahrhundert werden Häresien geradezu als eine „Epoche“ der Kirchengeschichte in den heilsgeschichtlichen Ablauf eingegliedert.396 In einem gängigen Schema betrachtet Honorius in seiner Auslegung des Hohelieds die Häresien als „den dritten Krieg“ der Kirche (nach dem Kampf Christi gegen den Teufel und den Christenverfolgungen der heidnischen römischen Kaiser in der Zeit der Märtyrer), der mit Arius begann und mit dem Konzil von Konstantinopel endete. In dieser Epoche entwickelten Kirchenväter wie Augustinus und Hieronymus die notwendigen „Waffen“ zur Gegenwehr, indem sie die Dogmen schärften.397 Für Hugo
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Haymo von Auxerre, Homiliae de tempore. Homilia 141, Sp. 744 A: Quasi enim vasa aurea et argentea ab Aegyptiis mutuamus, quando ab haereticis vel paganis sententias utiles nostrae fidei necessarias discimus: quod illi facere debent, qui in fide catholica ita radicati sunt, ut subtilitas haereticae pravitatis nullo modo eis nocere possit. Vgl. oben S. 595. Gregor von Tours, Historiae 1 prol., S. 3 (oben Kapitel 1, Anm. 127). Vgl. dazu Horst Dieter Rauh, Das Bild des Antichrist im Mittelalter: Von Tyconius zum Deutschen Symbolismus (Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters n.F. 9), Münster 1973, S. 256ff. (zu Honorius), S. 276ff. (zu Anselm von Havelberg), S. 446 (zu Gerhoh von Reichersberg); Beinert, Kirche S. 321ff. Honorius Augustodunensis, Expositio in Cantica canticorum 2,6, Sp. 452 CD: Secundum bellum fuit sub persecutoribus, inter Christianos et paganos, quod coepit a Petro et Nerone, vel Simone Mago, et finem habuit sub Constantino. In hoc bello signifer reginae Stephanus cecidit, omnesque duces eius, scilicet apostoli, corruerunt, nec
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von St. Viktor und Gerhoh von Reichersberg bilden die Häresien die zweite (mittlere) Kirchenverfolgung (nach den Heiden und vor den Pseudochristen), bevor der Antichrist am Ende der Zeiten die vierte und letzte Verfolgung einleitet.398 Eine vierfache Bedrohung der civitas Dei durch ungläubige Tyrannen, betrügerische Ketzer, Heuchler und Antichrist nimmt auch Otto von Freising an.399 In solchen Schemata erlangen Häretiker eine heilsgeschichtliche, allerdings vergängliche und bereits vergangene Bedeutung im Geschichtsverlauf.
b. Ausschluß vom Heil als Schicksal der Häretiker Die Rechtfertigung der Existenz von Häresien und ihre Einbindung in Gottes Heilsplan ändern allerdings nichts daran, daß die Häretiker mit ihren falschen Lehren nach Ansicht der katholischen Autoren nicht nur außerhalb des (wahren) christlichen Glaubens und (damit) der Kirche stehen, sondern sie sind damit zwangsläufig und einhellig außerdem vom Heil ausgeschlossen. Nach Alkuin sind sie verloren, weil sie ihre Sätze mehr lieben als die Wahrheit;400 für Hrabanus Maurus ist der Abfall vom wahren Glauben in
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non omnis exercitus martyrum succubuit et coronam vitae promeruit. Tertium bellum fuit sub confessoribus, inter haereticos et catholicos, quod coepit ab Ario et Alexandro episcopo et finitum est in Constantinopolitano concilio. In hoc bello Athanasius, Hieronymus, Augustinus et alii quamplures clari fuerunt, qui milites Christi praeclaris armis instruxerunt. Im Prinzip ähnlich Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 1,7ff., ed. Migne Sp. 1149ff.; ed. Salet, S. 68ff., in seiner Auslegung der sieben apokalyptischen Pferde (den „falschen Brüdern“ folgt hier noch die Zeit der Ruhe, des Antichrist und des ewigen Schweigens). Hugo von St. Viktor, Adnotatiunculae elucidatoriae in Joelem prophetam, Migne PL 175, Sp. 324 A: Allegorice vero de persecutione loquitur Ecclesiae generalis, quae quadrifaria legitur: quia primo ab idololatris, secundo ab haereticis, tertio a pseudochristianis impugnata fuisse, quarto ab Antichristo impugnanda legitur. Ähnlich Gerhoh von Reichersberg, De investigatione Antichristi 13ff., S. 320f.; Ders., De quarta vigilia noctis, ebd. S. 509ff. Der Kirchenreformer Gerhoh sieht die dritte und vierte Zeit als von corruptio morum und avaritia gekennzeichnet. Otto von Freising, Chronica 8,1, S. 588: civitas Christi primo violentam a civitate mundi sub tyrannis infidelibusque regibus, secundo fraudolentam hereticorum, tercio fictam hypochritarum tempore persecutionem passa, ultimam […] sub Antichristo passura erit. Alkuin, Contra Felicem 1,2, Sp. 129 B: Nonne haec omnibus haereticis causa fuit perditionis, quod suae magis voluerunt amatores esse sententiae quam veritatis?
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die Häresie überhaupt der sicherste Weg in den ewigen Tod;401 nach Haymo von Auxerre werden sie am Tag des Gerichts verdammt (genauer „geplagt“), wird ihre Stärke geschwächt und werden sie ihres Raubes beraubt, weil sie ihr Ziel auf das Irdische richten.402 Während sie den Christen helfen, ins Himmelreich zu gelangen, so Hinkmar von Reims, stürzen sie selbst mit den schlechten Christen in die Hölle.403 Wie könnte man denn mit Häretikern das Himmelreich teilen, mit denen man nicht einmal auf Erden Speise und Trank teilen darf ? fragt Gratian.404 In einer anonymen, Isidor von Sevilla zugeschriebenen Predigt gegen die Arianer 405 ruft der Autor Christus, qui aequalem potestatem cum Patre habes, gegen den „Drachen“ zu Hilfe (und er führt biblische Zeugnisse ins Feld). Der arianische Häretiker, der glaubt, daß in Christus nicht die gleiche göttliche Kraft stecke, gelangt nicht zum Vater und erhält nicht das ewige Leben. Anders als die wahren Christen haben Häretiker von vornherein also gar keine Möglichkeit mehr, die ewige Seligkeit zu erlangen, sofern sie nicht zum wahren Glauben zurückkehren. Sie können, meint Rupert von Deutz, Gott nicht versöhnen, wenn sie nicht die Gebete der katholischen Kirche erhalten, deren Glauben sie mit falschen Behauptungen bekämpfen.406 Da sie
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Hrabanus Maurus, De clericorum institutione 2,58 (De haeresibus variis), S. 430: Hoc ergo cavendum est omni animae timenti Deum, ut non a fide catholica decidens et relinquens doctrinam veritatis in errores haereticorum cadat, quia hoc certissimum mortis est genus. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Amos prophetam 3, Sp. 112 B: Haeretici quoque terrena sapientes aut tribulabuntur in die iudicii et omnis eorum fortitudo tenuabitur et diripientur, quae habuerant de rapinis, ut liberentur populi, quos deceperant; Ders., Enarratio in duodecim prophetas minores. In Michaeam prophetam 1, Sp. 143 B: in terra, haereticos, quorum est terrena doctrina. Vgl. auch Gratian, Decretum pars 2, causa 1, quaest. 1, c. 70, S. 382, nach Cyprian: Si quis, inquit, de ecclesia heretica presumptione exierit, a semetipso dampnatus est. Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae Resp. 6, S. 152 (oben Anm. 265). Gratian, Decretum pars 2, causa 1, quaest. 1, c. 70, § 1, S. 382: An debet quisquam dicere, sacramentum salutare et gratiam celestem communem cum hereticis esse posse, cum quibus nec terrestris cibus nec secularis potus debet esse communis? (Pseudo-)Isidor, Sermo 2, Migne PL 83, Sp. 1221–1223. Rupert von Deutz, Commentaria in Iob 42, Sp. 1193 B: Notandum quod conversionis suae sacrificium Domino non per se, sed per Iob iubentur offerre, quia videlicet haeretici, quorum speciem illos tenere saepe iam dictum est, cum ab errore redeunt, Deum sibi
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bewußt sündigen, wenn sie den richtigen Glauben nicht nachahmen wollen und mehr irdischem als geistlichem Sinn folgen, finden sie keinerlei Entschuldigung.407
c. Beziehung der Häretiker zum Teufel Mit ihrem falschen Glauben und ihrem Mangel an Wahrheit, ihren Lügen und Räubereien aber stehen Häretiker, wie bereits an vielen Stellen deutlich geworden ist,408 in enger Beziehung zum Teufel,409 „der von Anfang an ein Räuber und Lügner war und nicht in der Wahrheit verharrte“, wie Haymo von Auxerre im 9. Jahrhundert, mit einem (abgewandelten und) oft wiederholten Zitat aus Joh 8,44 vermerkt.410 Heiden, lehrt Isidor von Sevilla, gehören zum Teufel, weil sie niemals zum Gottesvolk zählten, Häretiker, weil sie es verlassen haben.411 Hrabanus Maurus bezeichnet den Teufel geradezu als princeps haereticorum.412 Philosophen und Häretiker sind Werkzeuge des Teufels und ein „Geschlecht von Dämonen“ (genus daemonum), schreibt schon Hinkmar von Reims in seiner Schrift zum Eheskandal Lothars II. im
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placare non possunt, nisi precibus catholicae Ecclesiae, quam beatus Iob significat, salutem suam obtineant, cuius fidem perversis assertionibus impugnabant. So (Pseudo-Walahfrid Strabo) Glossa ordinaria, Liber sapientiae 15,13, Migne PL 113, Sp. 1180 A: Nullam excusationem habent haeretici; quia scienter peccant, dum fidem sanam et rectam doctrinam nolunt imitari, magis terrenum sensum et fragilem quam spiritualem sequentes. Vgl. etwa oben Anm. 146, 184, 189, 202, 213, 225, 257, 260, 295, 329 und 335. Das bestätigt sich auch in bildlichen Darstellungen; vgl. Trivellone, L’hérétique imaginé S. 390f. Vgl. Remigius von Auxerre, Homilia 42, Sp. 260 BC: Quamquam haec sententia de Iudaeis et haereticis possit intelligi, tamen specialiter ad diabolum pertinet, qui ab initio fur fuit et mendax et in veritate non stetit. Das Johanneszitat ist hier (wie zumeist spätestens seit Hieronymus) allerdings abgeändert. Dort heißt es: Ille homicida erat ab initio et in veritate non stabat, quia non est veritas in eo. Cum loquitur mendacium, ex propriis loquitur, quia mendax est et pater eius. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,14, S. 58: Paganus et hereticus, ille quia nunquam fuit cum Dei populo, iste quia recessit a Dei populo, uterque recedentes a Christo, ad diaboli pertinent corpus. Hrabanus Maurus, Commentaria in Ezechielem 13,38, Sp. 870 C: Hoc diabolus princeps haereticorum loquitur (nach dem Ezechielkommentar des Hieronymus, 11,38, S. 531).
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9. Jahrhundert.413 Nach Paschasius Radbertus bauen sich die Dämonen ihre Nester aus Lastern gerade in den Häretikern.414 Bruno von Würzburg bezeichnet die Fürsten der Häretiker – in Umkehrung der augustinischen Erlösungsbegriffe – sogar als die „Auserwählten des Teufels“, die, als Gegenstück zu den Heiligen als den Auserwählten Gottes, bei den Verdammten als auserwählt gelten, während doch alle im Verbrechen Auserwählten solche des Teufels seien.415 Wie die Katholiken noch Zeichen der Juden bewahren, mit denen sie den verborgenen Christus prophezeien, meint auch Humbert von Silva Candida, so usurpieren Häretiker die Zeichen der Katholiken, in denen sie den verborgenen Antichrist tragen und ankündigen.416 Für Liutprand von Cremona „bellen“ sie den Christen mit schlauen, teuflischen Argumenten entgegen, daß Christus nicht wahrhaft im Fleisch auferstanden sei.417 Wie André Vauchez zu Recht bemerkt, betrachten die kirchlichen Autoren Häretiker als „une phénomène diabolique“; sie gelten als vom Teufel verführt und werden mit Magie und occultisme in Verbindung gebracht,418 413
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Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae, Resp. 15, S. 209: ‚id est de sermone he˛reticorum et philosophorum‘, qui sunt diaboli organa ‚et non possunt decipere, nisi lucem promisserint‘. Et hoc genus daemonum eos facile corrumpit, qui suas ‚neglegunt actiones‘. Paschasius Radbertus, Expositio in Evangelium Matthaei 5, CCM 56A, S. 497: Nunc uero ideo semper heretici querunt ‚foueas‘, quia in eisdem demones uitiorum ‚nidos‘ habent. Bruno von Würzburg, Expositio psalmorum. Ps. 140,5, Sp. 505 A: Sicut enim Dominus habet electos suos sanctos: ita et diabolus habet electos suos, sicut principes haereticorum, qui apud reprobos electi putantur; sed et omnes electi in scelere electi diaboli dicuntur. Vgl. auch Hugo von St. Viktor (?), Posteriorum excerptionum libri tredecim continentes utriusque testamenti allegorias 8,8 (oben Anm. 329). Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 2,40, S. 189: Nam quomodo catholici quaedam Hebreorum signa retinent, in quibus Dominum velatum essentialiter baiulent et prophetent, sic et heretici quaedam signa catholicorum usurpata exhibent, in quibus antichristum velatum baiulent et prophetent. Liutprand von Cremona, Antapodosis 4,26, S. 114: si condiscipulorum fidem hereticis, qui non vero corpore dominum nostrum Iesum Christum resurrexisse latrabant, diceremus, multa nobis argumenta diabolica calliditate opponerent. Zu solchem Zusammenhang von Häresien und Teufelswirken vgl. André Vauchez, Diables et hérétiques: Les réactions de l’église et de la société en Occident face aux mouvements religieux dissidents, de la fin du Xe au début du XIIe siècle, in: Santi e demoni nell’alto medioevo occidentale (secoli V–XI) (Settimane di studio del Centro
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doch beginnt der „Prozeß der Diabolisation“, wie die zitierten Beispiele zeigen, keineswegs erst im 11. Jahrhundert, wie Vauchez meint.419 Die Verbindung der Häretiker mit dem Teufel (wie auch mit dem Antichrist) ist vielmehr ein durchgängiges Motiv. Noch einen Schritt weiter geht Alger von Lüttich, der den Teufel sogar für noch besser hält als die Häretiker (bzw. diese sogar für schlimmer als den Teufel erachtet), weil dieser, auch wenn er seine Pflicht verletzt, immerhin noch einen Glauben habe und nicht selbst Häretiker sei; bei den Häretikern aber herrscht ein verderbter, unvollkommener Glaube.420 Alger meint daher, daß die (affenartigen) Häretiker gar keine Menschen seien, sondern nur die Gestalt von Menschen nachahmten und das Aussehen und Autorität der katholischen Kirche beanspruchten, aber selbst nicht in der Kirche sind.421
d. Nähe zu anderen Gruppen, vor allem zu Heiden Für Hrabanus Maurus und viele andere sind Häretiker Ungläubige (infideles), die gar nichts Christliches an sich haben und eben deshalb außerhalb der Kirche stehen.422 Wenn Häretiker aber aus der Kirche ausgeschlossen, Ungläubige, Teufelsdiener und nicht heilsfähig sind, dann geraten christ-
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italiano di studi sull’alto medioevo 36), Spoleto 1989, Bd. 2, S. 573–601, besonders S. 583 (hier auch das Zitat), S. 588f. zu Ademar von Chabannes, zusammenfassend S. 600f. Zum späten Mittelalter vgl. Alexander Patschovsky, Der Ketzer als Teufelsdiener, in: Hubert Mordek (Hg.), Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter. Festschrift für Horst Fuhrmann zum 65. Geburtstag, Tübingen 1991, S. 317–334. So Vauchez, Diables S. 590; vgl. ebd. S. 583. Vauchez sieht einen weiteren Wandel im 12. Jahrhundert, als Häretiker nicht mehr als vom Teufel verzaubert angesehen werden, sondern als Menschen gelten, die für ihr Tun selbst verantwortlich und daher zu bestrafen sind. Die hier zusammengetragenen Beispiele belegen auch solche Ansichten schon weit früher. Alger von Lüttich, Liber de misericordia et iustitia 3,6, Migne PL 180, Sp. 935 D: Quapropter diabolus melior est haeretico; quia, cum fidem habeat, quamvis praevaricator, tamen haereticus non est. Unde cum baptizati in ecclesiasticis peccatoribus sine nota recipiantur, quia in his quamvis malis perfecta fides perfectum sacramentum tribuit, in haereticis autem corrupta fides imperfectum. Ebd. 3,29, Sp. 944 BC: Nam haeretici, simiarum more, quae cum homines non sint, formam hominis imitantur, vultum Ecclesiae catholicae et auctoritatem sibi vindicant et veritatem, cum ipsi in Ecclesia non sint. Die Affenähnlichkeit wiederholen später Gratian und Petrus Lombardus. Hrabanus Maurus, De oblatione puerorum, Migne PL 107, Sp. 420 C: Quis unquam haereticorum vel schismaticorum fuit, qui universam religionem Christianam penitus
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liche Häresien sogar in einen Zusammenhang mit dem Heidentum.423 Hat bereits Salvian von Marseille, wie schon erwähnt, noch zwei Arten von Barbaren, nämlich Häretiker und Heiden, unterschieden,424 so hält Gregor von Tours (Hist. 5,43) dem westgotischen Bischof Agila, mit dem er über die unterschiedlichen Trinitätsvorstellungen disputiert,425 gar dessen Toleranz vor und wertet sie als Torheit (stultitia) ab. „Lästere nicht eine Lehre, die du nicht verehrst,“ läßt Gregor den Arianer sagen, „‚wir unsererseits lästern auch nicht über das, was ihr glaubt, auch wenn wir es selbst nicht glauben; denn wir sehen es nicht als ein Vergehen an, dieses oder jenes zugleich zu verehren. Es ist bei uns eine gewöhnliche Rede, daß es nicht schädlich ist, wenn jemand, der zwischen den Altären der Heiden und der Kirche Gottes durchgeht, beiden seine Ehrfurcht beweist.‘ ‚Wie ich sehe,‘“ antwortet Gregor daraufhin, „‚offenbarst du dich zugleich als Verteidiger der Heiden (gentiles) und Anwalt der Ketzer, denn du befleckst nicht allein die Lehre der Kirche, sondern lehrst auch die Greuel der Heiden (pagani) verehren.‘“426
Andere Religionen (oder Konfessionen) gewähren zu lassen, entspricht heidnischem, nicht christlichem Denken und beleidigt die Kirche. Eine solche Argumentation macht Agila in den Augen Gregors folglich (fast) zum Heiden. Eine religiöse Toleranz (wie sie Gregor den Arianern unterstellt) scheint bei den katholischen Christen damit ausgeschlossen.427 Jedenfalls schmilzt der Unterschied zwischen den Religionen weithin zusammen. Häretiker und Heiden, so Isidor von Sevilla, bedrohen gleichermaßen die Kirche,428 und für Hrabanus Maurus sind Häresie und Götzen-
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abiceret atque denegaret? hoc enim proprie infidelium est; sed quia veris falsa permiscebant et regulam veritatis per omnia sequi nolebant, extorres facti sanctae Ecclesiae, communione penitus privati sunt. Vgl. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros IV Regum. In librum IV 17 (oben Anm. 236). Salvian von Marseille, De gubernatione dei 4,13 (oben Anm. 50). Gregor von Tours, Historiae 5,43, S. 249–252. Vgl. Abschnitt 2.d, oben S. 597f. Danach griff zuerst Agila den katholischen Glauben an, den Gregor verteidigte. Ebd. S. 251f.: ‚Legem, quam non colis, blasphemare noli; nos vero quae creditis etsi non credimus, non tamen blasphemamus, quia non deputatur crimine, si et illa et illa colantur. Sic enim vulgato sermone dicimus, non esse noxium, si inter gentilium aras et Dei eclesiam quis transiens utraque veneretur.‘ Cuius ego stultitiam cernens, aio: ‚Ut video, et gentilium defensorem et hereticorum adsertorem te esse manifestas, cum et eclesiastica dogmata maculas et paganorum spurcitias praedicas adorari.‘ Vgl. aber oben Abschnitt 7.b, S. 656 ff. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,2/4 (oben Anm. 350).
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dienst gleich schlimm und verdienen wegen ihrer Gottesverachtung ewige Strafe.429 Häretiker sind für ihn Unzuchttreibende, weil sie den mit Gott in der Taufe geschlossenen Pakt brechen und statt dessen „mit den Götzenbildern ihrer Irrtümer vermischen und dadurch die Ehe brechen“ und dem ewigen Tod verfallen.430 Die Nähe zu den Heiden betont auch Haymo von Auxerre, indem er die Erfindungen der Häretiker als Götzenbilder bezeichnet, so daß Häretiker sich in nichts von der Gottlosigkeit der Heiden unterscheiden.431 Bruno von Würzburg deutet gar die gentes als Häretiker, die den Krieg wollen und den Streit mit der Kirche suchen.432 Für Hugo von St. Viktor zählen Häretiker zur selben Kategorie wie die Heiden (ad gentilium sortem magis pertinent),433 für Humbert von Silva Candida ist die Simonie (die schon das jüdische Priestertum durch Kauf und Verkauf des Amtes zerrüttet und ins Heidentum überführt hatte) nicht nur eine Häresie, sondern gar die Keimzelle für die Verbreitung nicht des Christentums als vielmehr des Heidentums, weil sie zum heidnischen Ritus zurückführt,434 429
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Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 6,4, Sp. 951 CD: Parva est enim omnis malitia in comparatione idololatriae et haereticae pravitatis, quia in his non per fragilitatem carnis peccatur, sed per superbiam mentis. Omne enim quod in eis agitur, in contemptum Dei fit; et ideo impietas dicitur, quam alio nomine negationem Dei possumus appellare, quae incorrecta non habet veniam, sed poenam sempiternam. Ebd. 5,9, Sp. 920 BC: ipsi sunt homines fornicarii, quia pactum, quod cum Deo in baptismatis perceptione inierunt, non servaverunt, sed virum priorem relinquentes, errorum suorum idolis se commiscendo adulterati sunt; in quo crimine tandiu morantur, donec carnis claustris exuti per mortem praesentem in mortem incidant sempiternam. Haymo von Auxerre, Enarratio in duodecim prophetas minores. In Osee prophetam 12, Sp. 87 D: Omnia enim haereticorum figmenta idola sunt et ab impietate gentilium nihil differunt. Bruno von Würzburg, Expositio psalmorum. In ps. 67,34, Sp. 255 D: Dissipa gentes, hoc est haereticos qui volunt bella, id est contentiones contra Ecclesiam. Hugo von St. Viktor (?), Posteriorum excerptionum libri tredecim continentes utriusque testamenti allegorias 8,8 (oben Anm. 329). Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 3,18, S. 220f.: Videsne symoniaca heresi etiam Iudaicum sacerdotium sic destructum, ut pro scelere venditionis et emptionis ad incrementum gentilitatis sit translatum? In quo evidenter ostenditur symoniacam heresim seminarium et propagationem esse non christianitatis, sed gentilitatis. Neque enim symoniacus aliud efficere aut velle potest, nisi ut contribules suos, utique christianos, ad gentilem ritum transferat, quod certe nefarium et inauditum scelus esse constat. Unde idem Iason non sacerdos, sed impius arguitur, quo nomine paganus proprie ostenditur.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
und für Gerhoh von Reichersberg ist selbst Ungehorsam gegenüber dem Papst Heidentum!435 Ein signifikanter Vergleich mit den Juden verbirgt sich in der Auslegung der Reinheitsgebote des Buches Leviticus (rein sind wiederkäuende Tiere mit gespaltenen Hufen) und ist bereits im Judenkapitel angeprochen worden:436 Häretiker haben zwar gespaltene Hufe, nämlich die beiden Testamente, käuen diese aber nicht in wahrer Lehre wieder, während die Juden das Wort Gottes im Munde führen, jedoch nur ein Testament anerkennen. Mit solchen Einschätzungen verwischen die Grenzen zwischen Häretikern und anderen Ungläubigen völlig: Heiden, Juden und Häretiker stehen den kirchlichen Bräuchen sämtlich fern und sind nicht zur Kommunion zugelassen.437 Avitus von Vienne hebt Juden, Häretiker und Heiden zusammen ganz entsprechend gegenüber den (katholischen) Christen ab;438 denn sie alle würden am Ende untergehen.439 Trotz ihrer christlichen Wurzeln stehen Häretiker den rechtgläubigen Christen daher keineswegs näher als andere Ungläubige. Im Gegenteil.
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Gerhoh von Reichersberg, Commentarius in Psalmos. In Ps. 10, S. 418: ‚Peccatum igitur paganitatis incurrit quisquis, dum christianum se asserit, sedi apostolicae obedire contemnit‘. Wörtlich Ders., Epistula ad Innocentium papam, ebd. S. 215; ähnlich ebd. S. 220: Nonne in eodem Spiritu loquens iste VII us Gregorius dixit, ut supra ostendimus, eos incurrere peccatum paganitatis, qui scienter contempnunt obedire saluberrimis preceptis apostolicae sedis, manifeste incontinentium officia interdicentis? Vgl. Kapitel 3.7.e, oben S. 549. So Hrabanus Maurus, Commentaria in Exodum 2,1, Migne PL 108, Sp. 58 D: In una domo agni caro comedi iubetur, quia in una Ecclesia catholica mysterium passionis eius rite celebratur; nec efferri licet de carnibus eius foras, quia nec pagani, nec Iudaei, nec haeretici, nec illi omnino qui extra Ecclesiam sunt ad hanc communionem admittuntur; quorum fides, doctrina et conversatio aliena est a regula ecclesiasticae disciplinae. Avitus von Vienne, Libri contra Arrianos XXX, S. 14 (bei Florus von Lyon überliefert): Perinde se fortasse Iudaeo, haeretico gentilique ut catholico spiritus sanctus insinuat, an forsitan patris vel filii iussione invitus in criminosorum membra contruditur? Avitus von Vienne, ep. 1.30, S. 61: Ecce quibus testimoniis velint nolint haeretici ipsi Iudaeorum in perditione confines de filii divinitate vincuntur.
9. Schlußfolgerungen: Häresie und Unglaube
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9. Schlußfolgerungen: Häresie und Unglaube Mangels klarer Definitionen mußte das mittelalterliche Häresiekonzept aus einer Vielzahl einzelner Äußerungen und nicht zuletzt exegetischer Vergleiche herausgearbeitet werden. So konkret man Häretiker mit bestimmten Begriffen der Bibel identifizieren zu können glaubte, so merkwürdig unkonkret bleiben letztlich die Kennzeichen und Zuordnungen: „Falscher Glaube“ konnte tatsächlich vieles umfassen. Aufgrund der vorgetragenen Kennzeichen, Charakterisierungen und Abgrenzungen läßt sich aber doch einigermaßen eingrenzen, was das christliche Mittelalter unter Häresien und Häretikern verstanden hat: In der „katholischen“ Wahrnehmung des frühen und hohen Mittelalters teilen Häretiker, die im Gegensatz zu anderen Religionen von vornherein durchweg als ein religiöses Phänomen wahrgenommen werden, mit den wahren Christen zwar grundsätzlich den Glauben an Gott und Christus und an die Bibel, lehren aber Verkehrtes (und so wird pravitas haeretica oder haereticorum geradezu zu einer stehenden Wendung).440 Häretiker haben folglich den falschen Glauben, weil ihnen die Wahrheit fehlt. Sie lehren falsches Christentum, indem sie nicht zuletzt aus einem weltlich-heidnischen Verständnis heraus die Bibel falsch auslegen. Für das christlichkatholische Selbstverständnis bedeutet das, daß jedes (auch teilweise) Abweichen nicht mehr den wahren Glauben repräsentieren kann. Nicht minder bezeichnend für das Verständnis der Häretiker sind, in der mittelalterlichen Vorstellung eng damit verbunden und doch zugleich einschränkend, die ihnen unterstellten bösen Absichten der Täuschung und Heuchelei, die ihrerseits einem üblen Charakter entspringen: Falsche Lehre und schlechter Charakter bedingen einander in mittelalterlicher Wahrnehmung; die falsche Lehre erklärt sich gleichsam aus einer bewußten Böswilligkeit. Andernfalls ist sie korrigierbarer Irrtum, und viele Autoren gestehen solchen Abweichlern zunächst unwissentliches Irren zu und betrachten sie erst dann als Häretiker, wenn sie ihren Irrtum beharrlich und bewußt verfolgen. Fast wie eine Zusammenfassung des Häresiekonzepts liest sich in diesem Sinn der Kommentar zur „Weisheit Salomos“ (Sap 14,28) in der „Glossa ordinaria“ des 12. Jahrhunderts: Häretiker verehren die Abbilder ihrer Irrtümer, sie sind der Grund ihres eigenen Verderbens, ihre Lehren sind falsch, ihr Leben ist ungerecht, ihre Freude ungesund, ihr Tod schändlich.441 Solche Vorwürfe 440 441
Vgl. oben Abschnitt 3.a, S. 601. (Pseudo-Walahfrid Strabo), Glossa ordinaria, Liber sapientiae 14,28, Sp. 1179 B: Haeretici autem errorum suorum simulacra colentes, perditionis suae causa fiunt,
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
wirken (und sind) durchaus klischeehaft, kennzeichnen damit aber nur um so deutlicher ein allgemeines Häretikerbild. Unter solchen Voraussetzungen gilt das Verhältnis zur Kirche durchweg als gespannt, überwiegen die Abgrenzungen von den Katholiken. Häretikern wird vorgeworfen, die Kirche zu bedrohen und zu bekämpfen, indem sie bewußt falsches Christentum lehren (und leben), um andere zu verführen. Dieses zentrale und ständig hervorgehobene Element im katholischen Häresieverständnis zeigt nicht nur, daß Häresien als eine Gegenwelt stilisiert werden, von der man sich selbst, als ein wichtiger Teil des christlichen Selbstverständnisses, absetzen kann, sondern es erlaubt auch die Ausweitung des Häresiebegriffs von der religiösen Glaubenslehre auf die Institution Kirche. (Eine strikte Unterscheidung zwischen diesen beiden Faktoren wäre ohnehin modern, nicht mittelalterlich.) Denn von hier aus ist es (in Umkehrung solcher Vorstellungen) letztlich nur noch ein kleiner Schritt, nicht nur Abweichungen vom Glauben, sondern auch jede fehlende Übereinstimmung mit der Kirche als Häresie zu betrachten, auch wenn dabei weiterhin mit dem (mangelnden) Glauben argumentiert wird (eben weil es mittelalterlichen Autoren schwer fällt, beides zu trennen). Wenngleich die Meinungen hier nicht völlig einhellig sind, stehen Häretiker (zunehmend) außerhalb der Kirche, aus der sie ursprünglich hervorgegangen sind, oder sind aus ihr auszuschließen. Sie sind nicht mehr Glied dieser Kirche, weil sie durch ihren falschen Glauben jede Aussicht auf das Seelenheil verwirkt haben. Allerdings können sie jederzeit zum wahren Glauben zurückkehren. Vor einem mittelalterlichen Fortschrittsdenken, das nicht nur vom Seelenheil guter Christen, sondern auch von der Ausbreitung wahren Christentums und vom irdischen Wohlergehen der Christen überzeugt ist, ist gleichwohl die Existenz von Häretikern zu erklären und zu rechtfertigen: Häretiker werden in den göttlichen Heilsplan eingeordnet, indem man ihnen einen biblischen Ursprung und eine warnende Funktion zuschreibt und ihnen im hohen Mittelalter eine – freilich der Vergangenheit angehörende – Epoche der Bedrohung der Kirche in der frühen Kirchengeschichte zuordnet. Mit ihren Irrungen und Irrtümern aber fehlt Häretikern nicht nur die Wahrheit, sie werden vielmehr quasi gottlos und sind daher letztlich genau
quorum et doctrina falsa, vita iniusta, laetitia insana, mors nefanda. Zum Verständnis der Häresien als Krankheit vgl. Robert I. Moore, Heresy as Disease, in: Lourdaux/ Verhelst (Hg.), The Concept of Heresy S. 1–11.
9. Schlußfolgerungen: Häresie und Unglaube
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so Ungläubige wie Heiden, Juden und Muslime.442 Hrabanus Maurus spricht in seinem Matthäuskommentar (angesichts der schlimmen Wölfe der Apokalypse) mehrfach von den „ungläubigen Häretikern“, bei denen man nur Schlechtigkeiten, nicht aber die Wahrheit finde und die alles zerfleischen, was ihnen in die Klauen fällt.443 Der Ausschluß aus der Kirche und vom Seelenheil gleicht Häretiker trotz ihres ursprünglichen Christentums und ihrer ursprünglichen Zugehörigkeit zur Kirche – und beides wird durchaus anerkannt – in katholischer Wahrnehmung den anderen Religionen an, mit denen sie, im einzelnen oder in Aufzählungen, immer wieder in Beziehung gesetzt werden. Ihnen allen fehlt der wahre Glaube. Folglich stehen sie alle unter der Herrschaft des Teufels. Diese Bindung an den Teufel ist damit zwar kein spezifisches Kennzeichen der Häretiker, doch trifft der Vorwurf diese nicht weniger als die nichtchristlichen Religionen. Der Ausschluß aus bzw. die selbst vollzogene Trennung von der Kirche, die Klassifizierung als „ungläubig“ (und damit als unchristlich) und die Angleichung an andere Religionen einschließlich des Heidentums in der katholischen Wahrnehmung widerspricht daher entschieden der eingangs zitierten Einschätzung Herbert Grundmanns, man habe Häretiker stets von Ungläubigen, von Heiden, Juden und Mohammedanern, unterschieden.444 Nur von außen betrachtet sind Häretiker (noch) Christen, aus abendländisch-mittelalterlicher Sicht sind sie es, trotz Anerkennung des Neuen Testaments und Nutzung der Sakramente, nicht (mehr) oder allenfalls ursprüng-
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Vgl. oben die Anmerkungen 139, 235, 270, 291, 331 und 422. Ferner Bruno der Karthäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 118, Sp. 1271 C: haereticorum vel caeterorum infidelium; Viktor III., ep. 2, Sp. 964 A: Omnis autem haereticus infidelis est. Hrabanus Maurus, Commentaria in Matthaeum 2,7, S. 212/214: Lupi uero graues nominantur omnes infideles haeretici, qui grauiter sanctam ecclesiam opprimunt et persequuntur uel molestare frequentant, qui sine misericordia rapere et coaceruare non desinunt. […] Ita ergo nullus sapientium uel prudentium ab inanibus ueritate haereticis aut inreligiosis aut infidelibus exinde sanctitatis dulcedinem uel fraglantiam aut ueritatis suauitatem poterit inuenire, sed pessima apud illos et maligna reperiet. Sicut enim spinae et tribuli omnia quaecumque capere possunt adtrahunt, detinent et conscindunt, ita omnes infideles haeretici (et praeterea male uiuentes, etiam qui rectam uidentur fidem tenere) per humanam potentiam et corruptibilem principatum per iniquos mores et praua exempla omne, quicquid apprehendere possunt, conscindunt, adtrahunt atque diripiunt. Vgl. oben Anm. 6.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
lich gewesen. Wenn man das Christliche an häretischen Lehren und am Ritus, an denen nicht alles falsch ist, auch durchaus wahrnimmt, so wird es doch bedeutungslos gegenüber der Verkehrtheit, die Häretiker mit allen anderen Religionen teilen und die entscheidend für die katholische Einschätzung ist. Häretiker sind dann nicht nur ungläubig, sie sind letztlich sogar schlimmer als Heiden, weil sie, wie Juden, die Wahrheit (die göttliche Offenbarung) kennen und dennoch nicht richtig erkennen. Das hier aufgearbeitete mittelalterliche Häresieverständnis ist vielfach eher (bewußt oder unbewußt) „vorhanden“ als reflektiert oder diskutiert. Es erweist sich in den unzähligen Andeutungen, Bemerkungen, Assoziationen und Kommentaren zahlloser Autoren aber von einer geradezu erstaunlichen Kohärenz und Festigkeit. Wenn man der Annahme, daß die abendländischen Christen ihr Wissen über Häresien vor dem 12. Jahrhundert ausschließlich über die Vermittlung der griechischen Patristik bezogen haben,445 überhaupt zustimmen will – eine solche Vermittlung würde ja nur mittelbar über die lateinische Patristik erfolgt sein –, dann ist das insofern richtig, als die Autoren es kaum der konkreten Erfahrung oder den – davon eher abgetrennten – Diskussionen mit bestimmten Häresien, sondern einem traditionellen (und doch, wie wir sehen konnten, auch weiterentwickelten) Verständnis verdanken. Hingegen gilt es kaum für ihre Vorstellungen von Häresie an sich. Im Gegenteil bieten Schriften, die sich konkret mit bestimmten Häresien auseinandersetzen, zumeist kaum theoretische Reflexionen über die Häresie an sich und benutzen den Begriff „Häretiker“ oft nicht einmal besonders häufig. Den Autoren geht es insgesamt weit eher um die Häresie an sich. Wenngleich die große Vielfalt sehr unterschiedlicher Häresien bekannt und bewußt ist, erweist sich das (allgemeine) Verständnis dessen, was und wer als häretisch gilt, hier als auffällig konsistent, und es begegnet in unzähligen Zusammenhängen, ohne daß dafür jeweils konkrete Anlässe sichtbar würden. Wenn es im frühen Mittelalter keine größeren Häresien gab, so hatte das also keineswegs zur Folge, daß man sich über die Häresie keine Gedanken gemacht hätte. Das Interesse an entsprechenden Deutungen ist vielmehr recht hoch, ein bestimmtes Verständnis von Häresie durchweg vorhanden. Wenn es nach Alessia Trivellone, wie eingangs zitiert, vor dem 13. Jahrhundert für bildliche Häretikerdarstellungen noch kein Konzept der Häresie gab, dann ist folglich auch das nur insofern richtig, als weder Bilder noch
445
So Oberste, Ketzerei S. 32.
9. Schlußfolgerungen: Häresie und Unglaube
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schriftliche Quellen die katholischen Vorstellungen von Häresie geschlossen dargelegt haben. Die oft geradezu beiläufig eingeschobenen Erläuterungen – und viele stehen im Zusammenhang allegorischer Deutungen biblischer Begriffe – zeugen hingegen fast durchweg von einem topischen Charakter (und insofern folgen sie der Tradition), spiegeln erstens aber gerade damit bereits vorhandene, verbreitete und immer weiter tradierte Vorstellungen wider und zeigen sich zweitens von einer erstaunlichen Einhelligkeit, die beweist, daß es, unbeschadet einzelner Nuancen und unterschiedlicher Deutungen, individueller Ansätze und origineller Formulierungen, sehr wohl ein insgesamt klares, ausgeprägtes, kohärentes und weithin gültiges „Häresiekonzept“ gegeben hat, das in unzähligen Passagen und Äußerungen zum Ausdruck kommt (und nach den hier vorgelegten Beobachtungen wäre wohl auch von kunstgeschichtlicher Seite noch einmal zu überprüfen, ob sich dieses Konzept nicht auch in den bildlichen Darstellungen niederschlägt). Wenn Trivellone von den Bildquellen her außerdem eine Verschärfung der katholischen Einstellung von (einfacher) Ablehnung im frühen bis zur Verteufelung im hohen Mittelalter feststellt,446 dann wird man auch das allenfalls als Tendenz begreifen können, während Ablehnung, Exklusion und der Zusammenhang mit dem Teufelswerk in den Schriftquellen in allen Jahrhunderten des Mittelalters zu den gängigen Häresievorstellungen zählen. Wirkliche Toleranz gegenüber Häretikern konnte es bei einer solchen Einstellung kaum geben. „Wer im Ketzer den Andersdenkenden hätte suchen wollen, hätte die Pluralität von Wahrheit für möglich halten müssen. […] Eine Welt nun, die nur eine einzige heilswirkende Wahrheit für denkbar hielt, mußte im gleichen Maße zur Verteufelung jeder Gegenposition neigen, in der sie Mühe hatte, sich der absoluten Richtigkeit der eigenen Position zu versichern,“
schreibt Alexander Patschovsky.447 Dem ist zuzustimmen. Wenn Patschovsky daraus allerdings schließt, daß die Verteufelung „ein bloßes Rückzugs446 447
Trivellone, L’hérétique imaginé, zusammenfassend S. 389ff. Patschovsky, Ketzer als Teufelsdiener S. 334. Zu dichterischen, gleichfalls polemischen Reaktionen auf Häresieverfolgungen im 13. Jahrhundert vgl. Ulrich Ernst, Die Auseinandersetzung mit häretischen Strömungen in der deutschen Literatur des 13. Jahrhunderts, in: Jan A. Aertsen/Andreas Speer (Hg., für den Druck besorgt von Frank Hentschel und Andreas Speer), Geistesleben im 13. Jahrhundert (Miscellanea Mediaevalia 27), Berlin-New York 2000, S. 362–392; Ders., Häresie und kritische Intellektualität in der mittelalterlichen Stadtkultur. Gottfrieds von Straßburg ‚Tristan‘ als Antwort auf die Ketzerverfolgung im 13. Jahrhundert, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 137, 2008, S. 419–438.
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Kapitel 4: Die Häresie in katholischer Wahrnehmung
gefecht auf dem langen Weg zu etwas mehr Aufklärung der Geister“ war, dann wäre das gleichsam ein jahrhundertelanges „Rückzugsgefecht“ gewesen, denn die Vorstellungen vom Teufelsdienst waren virulent, seit sich ein Häresiekonzept in und mit der Patristik verfestigt hat; allenfalls die Formen mögen sich verändert haben. Man wird vielmehr die (hier richtig erkannte) Ansicht, daß nur das Christentum zum Heil führe, schon im frühen Mittelalter als Erklärung für eine – durchaus wörtlich verstandene – „Verteufelung“ aller anderen Religionen ansehen müssen. Die „persecuting society“ (Robert Moore) ist, was ihre ideologische Grundlegung betrifft, längst in der Patristik und im frühen Mittelalter ausgebildet. Die tatsächlichen Bedrohungen durch die Katharer seit dem 12. Jahrhundert führten allerdings zu einem zunehmend unnachgiebigeren Vorgehen gegen Häretiker und damit zu einer schärferen praktischen Umsetzung des in der Theorie längst vorhandenen Häresiekonzepts,448 das sich bereits im Zuge der Kirchenreform auf eine institutionelle Definition der Kirchen- und Papstgegnerschaft ausgeweitet hatte.
448
Einen strukturellen Überblick über die Entwicklung gibt Helmut G. Walther, Das Papsttum und die Entwicklung des hochmittelalterlichen Ketzerstrafrechts, in: Kristian Kühl/Gerhard Seher (Hg.), Rom, Recht, Religion. Symposion für Udo Ebert zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2011, S. 133–149.
Kapitel 5
Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums seitens des katholischen Abendlandes wie auch die geschichtswissenschaftliche Analyse dieses Gegenstandes unterscheiden sich von der Wahrnehmung der anderen Religionen in mehrfacher Weise. Zum einen handelt es sich hier um einen christlichen Glauben auf gleicher Wurzel (was beide von den übrigen Religionen abgrenzt). Daher wird immer wieder auch die Einheit betont. Die – nicht zu übersehenden und nicht übersehenen – Unterschiede und die seit dem 7. Jahrhundert praktisch einsetzende, durchaus bewußte und sich zudem weiter verstärkende Kirchenspaltung schafft jedoch gleichzeitig eine Trennung, die Abgrenzungen bewirkt und dennoch nicht verhindert hat, daß man sich oft weiterhin als Einheit begreifen kann. Daher wäre hier vorsichtiger als in den vorangegangenen Kapiteln zu fragen, ob und wieweit das griechisch-orthodoxe Christentum überhaupt als andersgläubig wahrgenommen oder in die Nähe zu Häresien gestellt wird. Zum andern ist die Kirchenspaltung zunächst (und auch weiterhin) mindestens ebenso politisch wie religiös-theologisch motiviert, seit nämlich das Papsttum sich im Verlauf des 7. und 8. Jahrhunderts aus der byzantinischen Observanz gelöst und dem fränkischen Königtum zugewandt hat. Theologische Differenzen mögen durchaus im Gefolge dieser politischen Entfremdung gestanden haben. Hintergrund der Auseinandersetzungen ist aber stets auch der päpstliche Primatanspruch, der sich auf die gesamte Christenheit und damit auch über die Ostkirche erstreckt, bzw. der byzantinische Machtanspruch über das Papsttum.1 Darüber kam es immer wieder zu Aus-
1
Auf dem 4. Ökumenischen Konzil von Chalkedon 451 war der Patriarch von Konstantinopel dem Papst gleichgestellt worden. Das wurde von päpstlicher Seite aller-
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
einandersetzungen, wie im Streit um die Absetzung des Patriarchen Ignatius im Jahre 858 und die Einsetzung des Photios.2 Weitere Spannungsherde resultierten aus der politischen Konkurrenz beider Kaiser (die sich beide als Nachfolger der römischen Kaiser fühlten) samt ihrer Ansprüche auf Süditalien sowie aus einer religiös-missionarischen Konkurrenz beider Kirchen im slawischen Südost- und Südeuropa, wobei die zunächst, seit 863, von Byzanz aus durch Method und Kyrill missionierte Kirche bei den Südostslawen schon früh in die römische Observanz eintrat, dabei allerdings eine eigene, slawische Liturgie entwickelte, während sich Bulgarien mit den angrenzenden Gebieten nach anfänglicher, kurzer Bindung an den Westen bald Byzanz zuneigte.3 Auch das russische Reich nahm nach einer ganz kurzen Annäherung an den Ottonenhof unter Olga ein zwar eigenständiges, aber orthodoxes Bekenntnis an.
2
3
dings nie anerkannt und durch den Widerstand Papst Leos I. 519 zurückgenommen. Damit waren die Auseinandersetzungen jedoch nicht beendet. Unter Gregor dem Großen kam es zu einem neuen Streit, als der Patriarch von Konstantinopel den Titel eines ökumenischen Patriarchen annahm. Zum Schisma des Acacius als ältestem Bruch vgl. William H. C. Frend, Eastern Attitudes to Rome During the Acacian Schism, in: Derek Baker (Hg.), The Orthodox Churches and the West. Papers read at the Fourteenth Summer Meeting and the Fifteenth Winter Meeting of the Ecclesiastical History Society (Studies in Church History 13), Oxford 1976, S. 69–81. Zur Lösung von Byzanz während des Pontifikats Pauls I. (757–767) vgl. David Henry Miller, Byzantine-Papal Relations during the Pontificate of Paul I: Confirmation and Completion of the Roman Revolution of the Eighth Century, in: Byzantinische Zeitschrift 68, 1975, S. 47–62. Nikolaus I. setzte Photios auf der Lateransynode von 863 ab und wurde 867 seinerseits von einer Synode in Konstantinopel exkommuniziert. Erst bei seiner zweiten Amtszeit als Patriarch (877–886) wurde Photios von Rom anerkannt. Auch in diesen Auseinandersetzungen ging es um den päpstlichen Primat. Vgl. dazu ausführlich Francis Dvornik, The Photian Schism. History and Legend, Cambridge-New York 1948 (ND. 1970); Ders., Photian and Byzantine Ecclesiastical Studies (Variorum Collected Studies 32), London 1974; Joan Mervyn Hussey, The Orthodox Church in the Byzantine Empire (Oxford History of the Christian Church), Oxford 1986 (21990) S. 69–101. Vgl. zuletzt Klaus Herbers, 866 – Bulgarien zwischen Ost- und Westkirche, in: Matthias Stadelmann/Lilia Antipow (Hg.), unter Mitarbeit von Matthias Dornhuber, Schlüsseljahre. Zentrale Konstellationen der mittel- und osteuropäischen Geschichte. Festschrift für Helmut Altrichter zum 65. Geburtstag (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 77), Stuttgart 2011, S. 15–25.
1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
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Zum Dritten fehlt jede religiös abgrenzende Begrifflichkeit. Die beiden gängigen Termini, „Griechen“ (Graeci, Greci) und, viel seltener, „Byzantiner“ (Byzantini, Bizantini), sind nicht nur ausschließlich ethnisch-politisch geprägt. Im Gegensatz etwa zu den Sarazenen, die eine religiöse Bedeutung zumindest einschließen konnten und oft auch einschlossen, wird mit „Griechen“ und „Byzantinern“ in aller Regel vielmehr nicht eine vom katholischen Christentum abweichende Religion bezeichnet (was einen Bezug auf religiöse Inhalte allerdings nicht ausschließt). Religiöse Konnotationen sind jedoch vergleichsweise selten und ausschließlich aus dem Kontext zu eruieren. Schließlich lassen die Quellen – terminologisch wie auch inhaltlich – viertens nur selten eine grundsätzliche, religiöse Unterscheidung erkennen. Daher fehlt eine ähnlich deutliche Abgrenzung, wie sie ständig gegenüber allen anderen Religionen einschließlich der Häresien betont wird (schon durch die Gegenüberstellung von Christen und Andergläubigen): Griechen werden nicht den Christen, sondern den „Lateinern“, der Osten wird dem Westen gegenübergestellt. Entsprechend wenden sich Schriften mit religiösem Hintergrund nicht gegen einen völlig anderen Glauben, sondern durchweg konkret gegen ganz bestimmte Glaubens- oder Kultunterschiede, ohne darin zwangsläufig eine Trennung zweier unterschiedlicher Religionsgemeinschaften zu erblicken oder zumindest eine solche Distinktion besonders zu betonen. Dieser Sachverhalt verlangt ein etwas anderes und vor allem behutsames Vorgehen. Dennoch werden in den religiösen Auseinandersetzungen Gegensätze greifbar, die, mit aller Vorsicht, ähnlich wie gegenüber den anderen Religionen nach der religiösen Wahrnehmung fragen lassen. Entsprechend gestaltet sich der Forschungsstand. Es mag bereits bezeichnend sein, daß gängige Überblicke über die Byzantinische Geschichte sich oft ganz auf die politische, verfassungsgeschichtliche und sozioökonomische Entwicklung konzentrieren und der Kirche und dem griechisch-orthodoxen Bekenntnis kaum Interesse entgegenbringen,4 wenngleich mit einigen Aus4
Vgl. etwa Georg Ostrogorsky, Geschichte des byzantinischen Staates, München 31963 (11940); Hans-Wilhelm Haussig, Byzantinische Geschichte (Urban Tb. 117), Stuttgart 1969; Peter Wirth, Grundzüge der byzantinischen Geschichte (Grundzüge 29), Darmstadt 1976; Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Kaiser und Reich (Böhlau Studienbücher. Grundlagen des Studiums), Köln-Weimar-Wien 1994; Jonathan Shepard, Byzantium in Equilibrium, 886–944, in: Timothy Reuter (Hg.), The New Cambridge Medieval History. Bd. 3: c.900–c.1024, Cambridge 1999, S. 553–566; Ders., Byzantium expanding, 944–1025, ebd. S. 586–604; Cyril Mango (Hg.), The Oxford History
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
nahmen.5 Ansonsten werden diese Aspekte eher in Kirchengeschichten6 und speziellen Studien abgehandelt. Noch in der jüngsten Globalgeschichte
5
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of Byzantium, Oxford-New York 2002; Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Das zweite Rom, Berlin 2003; Timothy E. Gregory, A History of Byzantium (Blackwell History of the Ancient World), Oxford-Malden, MA-Carlton 2005 (mit integrierten Abschnitten über Religion und Theologie); Évelyne Patlagean, Un Moyen Âge grec. Byzance, IXe–XVe siècle (L’Évolution de l’Humanité), Paris 2007; Jonathan Shepard (Hg.), The Cambridge History of the Byzantine Empire c. 500–1492, Cambridge 2008 (mit wenigen integrierten Bemerkungen, aber ohne eigenes Kapitel über die griechische Kirche, mit Ausnahme eines Abschnitts von Sergey A. Ivanov über „Religious Missions“, ebd. S. 305–332). Ohne jeden Hinweis auf den unterschiedlichen Glauben zuletzt noch Cordula Scholz, Abendland und Byzanz, in: Gert Melville/ Martial Staub (Hg.), Enzyklopädie des Mittelalters. Bd. 2, Darmstadt 2008, S. 367– 373. Trotz seines komparatistischen Ansatzes läßt den Kirchengegensatz ebenfalls ganz außer acht: Ernst Pitz, Die griechisch-römische Ökumene und die drei Kulturen des Mittelalters. Geschichte des mediterranen Weltteils zwischen Atlantik und Indischem Ozean 270–812 (Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik 3), Berlin 2001. Ohne einen Beitrag zur Ostkirche bleibt auch der Sammelband von Paul Magdalino (Hg.), Byzantium in the year 1000 (The medieval Mediterranean. Peoples, Economies and Cultures, 400–1500 45), LeidenBoston 2002. Zumindest einzelne Abschnitte oder ein eigenes Kapitel über die orthodoxe Kirche finden sich bei: Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Geschichte des oströmischen Reiches 326–1453 (bsr 2085), München 42005 (11999), S. 57ff. und 72ff.; John Haldon, Byzantium. A History, Stroud 2000 („Church, State and Belief“, S. 197–230); Peter Schreiner, Byzanz 565–1453 (Oldenbourg Grundriß der Geschichte 22), München 42011 („Kirche und Mönchtum“, ebd. S. 86–101); Michel Kaplan, Byzanz. Früher Glanz von Istanbul, Ravensburg 1995, S. 111–128 (frz. Tout l’or de Byzance, Paris 1991); Florin Curta, The Edinburgh History of the Greeks, c. 500 to 1050. The Early Middle Ages, Edinburgh 2011; vor allem Elizabeth Jeffreys/John Haldon/Robin Cormack (Hg.), The Oxford Handbook of Byzantine Studies, Oxford-New York 2008 („The Church“, S. 571–629), mit Abschnitten über Struktur und Verwaltung (Michael Angold und Michael Whitby, S. 571–582), Bischofssynoden (Clarence Gallagher, S. 583–591) und die beiden Kirchen (Clarence Gallagher, S. 592–598), Liturgie (Robert Taft, S. 599–610), Klöster (John McGuckin, S. 611–620) und Fürsorge (Timothy Miller, S. 621–629) sowie Theologie und theologische Literatur (Andrew Louth, S. 699–710, 853–861). Vgl. etwa Wolfgang Hage, Das Christentum im frühen Mittelalter (Zugänge zur Kirchengeschichte 4 = Kleine Vandenhoeck-Reihe 1567), Göttingen 1993, mit einem eigenen Kapitel über die byzantinische Reichskirche (S. 11–28) und das Christentum im Orient (S. 29–50); Dimitri Obolensky, Die byzantinische Kirche, in: M. D. Knowles (Hg.), unter Mitarbeit von D. Obolensky und C. A. Bouman, Geschichte
1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
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Europas 7 fehlt merkwürdigerweise ein Artikel über Byzanz und das orthodoxe Christentum völlig. Dem steht zwar ein breiter Forschungsstand zu den Beziehungen zwischen Byzanz und dem Westen gegenüber (denen sich vor allem Werner Ohnsorge zugewandt hatte),8 doch auch hier stehen die
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der Kirche. Bd. 2: Früh- und Hochmittelalter, Einsiedeln-Zürich-Köln 1971, S. 78–99 (nach dem Bruch von 1054 gibt es, wie in vielen anderen Überblicken, hier keinen eigenen Abschnitt mehr über die byzantinische Kirche); Karl Bihlmeyer/Hermann Tüchle, Kirchengeschichte. Teil 2: Das Mittelalter, Paderborn 131952, S. 81–104 (auch hier endet der Blick auf die Ostkirche erneut mit dem Schisma von 1054); Andrew Louth, The Emergence of Byzantine Orthodoxy, 600–1095, in: Noble/Smith (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 3: Early Medieval Christianities S. 46–64. Monographisch umfassend Hans-Georg Beck, Geschichte der orthodoxen Kirche im byzantinischen Reich (Die Kirche in ihrer Geschichte 1/D 1), Göttingen 1980; Ders., Die griechische Kirche im Zeitalter des Ikonoklasmus, in: Hubert Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. 3: Die mittelalterliche Kirche. Erster Halbband: Vom kirchlichen Frühmittelalter bis zur gregorianischen Reform, Freiburg-Basel-Wien 1966, S. 31–61; Ders., Die byzantinische Kirche im Zeitalter des photianischen Schismas, ebd. S. 197–218; Ders., Die Ostkirche vom Anfang des 10. Jahrhunderts bis Kerullarios, ebd. S. 462–484; Ders., Die byzantinische Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge, in: Hubert Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. 3: Die mittelalterliche Kirche. Zweiter Halbband: Vom kirchlichen Hochmittelalter bis zum Vorabend der Reformation, Freiburg-Basel-Wien 1968, S. 144–167; Hussey, The Orthodox Church; Michel Kaplan, La chrétienté byzantine. Du début du VIIe siècle au milieu du XIe siècle. Images et reliques, moines et moniales, Constantinople et Rome (Regards sur l’histoire), Paris 1997. Zur Ausbreitung des orthodoxen Christentums außerhalb des Byzantinischen Reiches vgl. Jonathan Shepard (Hg.), The Expansion of Orthodox Europe. Byzantium, the Balkans and Russia (The Expansion of Latin Europe, 1000–1500), Aldershot-Burlington 2007. Zur byzantinischen Theologie vgl. John Meyendorff, Byzantine Theology. Historical Trends and Doctrinal Themes, London-Oxford 1974. Zum Verhältnis zum Westen: Baker (Hg.), The Orthodox Churches and the West. Johannes Fried/Ernst-Dieter Hehl (Hg.), WBG Weltgeschichte. Eine globale Geschichte von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert. Bd. 3: Weltdeutungen und Weltreligionen 600 bis 1500, Darmstadt 2010. Vgl. Werner Ohnsorge, Abendland und Byzanz. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte der byzantinisch-abendländischen Beziehungen und des Kaisertums, Darmstadt 1958; Ders., Konstantinopel und der Okzident. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte der byzantinisch-abendländischen Beziehungen und des Kaisertums, Darmstadt 1966; Ders., Ost-Rom und der Westen. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte der byzantinisch-abendländischen Beziehungen und des Kaisertums, Darmstadt 1983. Ohnsorge beschränkt sich ganz auf das politische Verhältnis und blendet kirchliche und weitgehend auch kulturelle Aspekte aus. An jüngeren Darstellungen vgl. Michael
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
politisch-diplomatischen und militärischen Beziehungen und Auseinandersetzungen,9 Heiratsprojekte – dabei kommt Ottos II. Gemahlin Theophanu natürlich eine besondere Rolle zu – 10 und das Zweikaiserproblem,11 zu-
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McCormick, Byzantium and the West, 700–900, in: Rosamond McKitterick (Hg.), The New Cambridge Medieval History. Bd. 2: c.700–c.900, Cambridge 1995, S. 349– 380; Jonathan Shepard, Byzantium and the West, in: Reuter (Hg.), New Cambridge Medieval History. Bd. 3, S. 605–623; Krijnie N. Ciggaar, Byzantium en het Westen. Een moeizame relatie, in: Spiegel historiael. Magazine voor geschiedenis en archeologie 39, 2004, S. 130–135; John Moorhead, Western Approaches 500–600, in: Shepard (Hg.), The Cambridge History of the Byzantine Empire S. 196–220; Michael McCormick, Western Approaches 700–900, in: ebd. S. 391–432; Jonathan Shepard, Western Appraches 900–1025, in: ebd. S. 537–559. Vgl. Franz Dölger, Byzanz und die Europäische Staatenwelt. Ausgewählte Vorträge und Aufsätze, Ettal 1953 (darin vor allem: Ders., Europas Gestaltung im Spiegel der fränkisch-byzantinischen Auseinandersetzung des 9. Jahrhunderts, S. 282–369); Derek Baker (Hg.), Relations between East and West in the Middle Ages, Edinburgh 1973; Judith Herrin, Constantinople, Rome and the Franks in the seventh and eighth centuries, in: Jonathan Shepard/Simon Franklin (Hg.), Byzantine Diplomacy. Papers from the Twenty-fourth Spring Symposium of Byzantine Studies, Cambridge, March 1990 (Society for the Promotion of Byzantine Studies. Publications 1), AldershotBrookfield 1992, S. 91–107; Daniel Nerlich, Diplomatische Gesandtschaften zwischen Ost- und Westkaisern 756–1002 (Geist und Werk der Zeiten 92), Bern-BerlinBrüssel-Frankfurt/M.-New York-Wien 1999; Herwig Wolfram, Die Gesandtschaft Konrads II. nach Konstantinopel (1027/29), in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 100, 1992, S. 161–174; Leslie Brubaker (Hg.), Byzantium in the Ninth Century: Dead or Alive? Papers from the Thirtieth Spring Symposium of Byzantine Studies, Birmingham, March 1996 (Society for the Promotion of Byzantine Studies. Publications 5), Aldershot-Brookfield-Singapur-Sydney 1998 (aber mit einem langen Abschnitt über „Byzantine Culture“, S. 63–130); MarieFrance Auzépy, Constantin V, l’empereur isaurien, et les Carolingiens, in: Odile Redon/Bernard Rosenberger (Hg.), Les Assises du pouvoir: Temps médiévaux, territoires africains. Textes réunis pour Jean Devisse, Saint-Denis 1994, S. 49–65; Axel Bayer, Die Byzanzreise des Erzbischofs Gebhard von Salzburg, in: Byzantinische Zeitschrift 96, 2003, S. 515–520. Vgl. Anton Von Euw/Peter Schreiner (Hg.), Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends. Gedenkschrift des Kölner Schnütgen-Museums zum 1000. Todesjahr der Kaiserin, 2 Bde., Köln 1991; Adelbert Davids (Hg.), The Empress Theophano: Byzantium and the West at the Turn of the First Millennium, Cambridge 1995. Vgl. Werner Ohnsorge, Das Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter. Die Bedeutung des byzantinischen Reiches für die Entwicklung der Staatsidee in Europa, Hildesheim 1947.
1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
683
nehmend aber auch Reisen12 und Kulturaustausch13 (oder auch das Kulturgefälle)14 sowie – kirchenpolitisch – das vom päpstlichen Primatanspruch geprägte Verhältnis zum Papsttum15 im Vordergrund.16 Mit dem letzten Aspekt ist zumindest das Verhältnis beider Kirchen zueinander berührt. 12
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Vgl. Krijnie N. Ciggaar, Western Travellers to Constantinople. The West and Byzantium, 962–204: Cultural and Political Relations (The Medieval Mediterranean. Peoples, Economies and Cultures, 400–1453, 10), Leiden-New York-Köln 1996, die ihr Buch jeweils nach dem Herkunftsland der Reisenden ordnet; Alain Dierkens/ Jean-Marie Sansterre (Hg.), avec la collaboration de Jean-Louis Kupper, Voyages et voyageurs à Byzance et en Occident du VIe au XIe siècle. Actes du colloque international organisé par la Section d’Histoire de l’Université Libre de Bruxelles en collaboration avec le Département des Sciences Historiques de l’Université de Liège (5–7 mai 1994) (Bibliothèque de la Faculté de Philosophie et Lettres de l’Université de Liège 278), Genf 2000 (auch zu Gesandtschaftsreisen). Vgl. die Beiträge in: Evangelos Konstantinou (Hg.), Byzanz und das Abendland im 10. und 11. Jahrhundert, Köln-Weimar-Wien 1997; Von Euw/Schreiner (Hg.), Kaiserin Theophanu; Angeliki E. Laiou/Henry Maguire (Hg.), Byzantium – A World Civilization, Washington, D. C. (Dumbarton Oaks) 1992; zum Westen Angeliki E. Laiou, Byzantium and the West, in: ebd. S. 61–79; Anthony Bryer, Cultural Relationships between East and West in the Twelfth Century, in: Baker (Hg.), Relations between East and West S. 77–94. Eine Reihe von Beiträge zum Kulturaustausch enthält Odilo Engels/Peter Schreiner (Hg.), Die Begegnung des Westens mit dem Osten. Kongreßakten des 4. Symposions des Mediävistenverbandes in Köln 1991 aus Anlaß des 1000. Todesjahres der Kaiserin Theophanu, Sigmaringen 1993. Zur Vielfalt der Kontakte vgl. Franz Tinnefeld, Formen und Wege des Kontaktes zwischen Byzanz und dem Westen zur Zeit Karls des Großen, in: Franz-Reiner Erkens (Hg.), Karl der Große und das Erbe der Kulturen. Akten des 8. Symposiums des Mediävistenverbandes, Leipzig 15.–18. März 1999, Berlin 2001, S. 25–35. Vgl. Michael Rentschler, Liudprand von Cremona. Eine Studie zum ost-westlichen Kulturgefälle im Mittelalter (Frankfurter Wissenschaftliche Beiträge. Kulturwissenschaftliche Reihe 14), Frankfurt/M. 1981. Vgl. vor allem Franz Dvornik, Byzance et la Primauté Romaine (Unam Sanctam 49), Paris 1964 (dt. Byzanz und der römische Primat, Stuttgart 1966). Ferner Knowles, Geschichte der Kirche S. 100–107; Kaplan, La Chrétienté byzantine S. 161–175; Sebastian Scholz, Politik – Selbstverständnis – Selbstdarstellung. Die Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit (Historische Forschungen 26), Stuttgart 2006, der das Verhältnis zu Byzanz allerdings nur bei Gregor III., Hadrian I. und Nikolaus I. berücksichtigt. Ausführlich für die Zeit des Schismas nach 1054 bereits Walter Norden, Das Papsttum und Byzanz. Die Trennung der beiden Mächte und das Problem ihrer Wiedervereinigung bis zum Untergange des byzantinischen Reichs (1453), Berlin 1903. Zu einzelnen Aspekten beider Kirchen vgl. Cristianità d‘Occidente e cristianità
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
Im Hinblick die religiöse Wahrnehmung, nämlich den unterschiedlichen Glauben,17 hat sich die Forschung fast ganz auf die großen dogmatischen Streitigkeiten,18 vor allem den Bilderstreit19 und den filioque-Streit,20 so-
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d’Oriente (secoli VI–XI) (Settimane di studio della Fondazione Centro italiano di studi sull’Alto Medioevo 51), 2 Bde., Spoleto 2004; zum Verhältnis von Ost- und Westkirche vgl. Tia M. Kolbaba, Latin and Greek Christians, in: Noble/Smith (Hg.), The Cambridge History of Christianity. Bd. 3: Early Medieval Christianities S. 213–229. Einem frühen Auseinandergehen religiöser Vorstellungen in Ost und West geht Peter Brown, Eastern and Western Christendom in Late Antiquity: A Parting of the Ways, in: Baker (Hg.), The Orthodox Churches and the West S. 1–24 (abgedr. in: Ders., Society and the Holy in Late Antiquity, Berkeley-Los Angeles 1982, S. 166– 195), am Beispiel der Bedeutung und Funktion von Heiligkeit nach. Vgl. zum frühen Mittelalter Helmut Nagel, Karl der Große und die theologischen Herausforderungen seiner Zeit (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 12), Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien 1998, der den Einfluß Karls des Großen auf die Debatten betont; zum hohen Mittelalter Georgij Avvakumov, Die Entstehung des Unionsgedankens: Die lateinische Theologie des Hochmittelalters in der Auseinandersetzung mit dem Ritus der Ostkirche (Münchener Universitätsschriften. Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie 47), Berlin 2002. Vgl. Anthony Bryer/Judith Herrin (Hg.), Iconoclasm. Papers given at the Ninth Spring Symposium of Byzantine Studies, University of Birmingham, March 1975, Birmingham 1977; Johannes Irmscher (Hg.), Der byzantinische Bilderstreit. Sozialökonomische Voraussetzungen – ideologische Grundlagen – geschichtliche Wirkungen. Eine Sammlung von Forschungsbeiträgen, Leipzig 1980; Meyendorff, Byzantine Theology S. 42–53 und S. 91–102; Hussey, Orthodox Church S. 30–68; Peter Schreiner, Der byzantinische Bilderstreit. Kritische Analyse der zeitgenössischen Meinungen und das Urteil der Nachwelt bis heute, in: Bisanzio, Roma e l’Italia nell’Alto Medioevo (SSCI 34), Spoleto 1988, S. 319–407; Arnold Angenendt, Der römische und gallisch-fränkische Anti-Ikonoklasmus, in: FMSt 35, 2001, S. 201–225, der die Auswirkungen auf die römische Kultpraxis betont; Marie-France Auzépy, L’iconoclasme (Que sais-je? 3769), Paris 2006; zur westlichen Reaktion zuletzt ausführlich Thomas F. X. Noble, Images, Iconoclasm and the Carolingians (The Middle Ages Series), Philadelphia 2009. Ausführlich zur byzantinisch-kaiserlichen Haltung gegenüber dem Bilderverbot jetzt Leslie Brubaker/John Haldon, Byzantium in the Iconoclast Era c. 680–850: A history, Cambridge 2011, die herausstellen, daß ein kaiserliches Verdikt nicht bereits unter Leon III., sondern erst unter Konstantin V. begann. Zu den Quellen Dies., Byzantium in the Iconoclast Era (ca 680–850): The Sources. An Annotated Survey (Birmingham Byzantine and Ottoman Monographs 7), Aldershot-Burlington-Singapore-Sydney 2001. Vgl. auch Robin Cormack, Art and
1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
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wie auf die Entwicklung zum Schisma konzentriert, das 1054 endgültig vollzogen war (auch wenn dieser Bruch erst im Rückblick bewußt werden konnte).21 Hatte Walter Norden 1903 mit der noch lange geltenden Ansicht schreiben können: „Mit dem Jahre 1054 war die Kirchen-Spaltung zwischen Orient und Occident besiegelt“22 (um sich dann selbst zu widerlegen, indem er das Verhältnis zwischen Papsttum und Byzanz nach diesem Epochenjahr bis zum Ende des Byzantinischen Reiches verfolgte), wird das heute vorsichtiger gesehen. Der Bruch von 1054 gliedert sich einerseits in die Auseinanderentwicklung der byzantinischen und katholischen Kirche ein, während der Anlaß, der Vorwurf der Griechen in Süditalien, die Lateiner verwendeten ungesäuertes Brot, wie man gemeint hat, „eher banal und bestenfalls von zweitrangiger Natur“ erscheint.23 (Allerdings wird sich noch zeigen, daß diese vielleicht banale Frage von den Zeitgenossen selbst keineswegs in dieser Weise empfunden wurde.) Andererseits hörten weder Auseinandersetzungen noch Einigungsbestrebungen mit dem Jahr 1054 auf, das „nicht der letzte Akt einer langen Reihe von Zerwürfnissen“ war,24 und der päpstliche Primatanspruch über die griechische Kirche wurde auch weiterhin aufrechterhalten.25 Die Communio war nicht erloschen.26 Drittens war der Vorfall
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Iconoclasm, in: Jeffreys/Haldon/Cormack (Hg.), Oxford Handbook of Byzantine Studies S. 750–757. Vgl. vor allem Peter Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter (Arbeiten zur Kirchengeschichte 82), BerlinNew York 2002. Vgl. dazu ausführlich, einschließlich der langen Vorgeschichte, Axel Bayer, Spaltung der Christenheit. Das sogenannte Morgenländische Schisma von 1054 (Beihefte zum AKG 53), Köln-Weimar-Wien 2002 (22004). Vgl. auch Brett E. Whalen, Rethinking the Schism of 1054: Authority, Heresy, and the Latin Rite, in: Traditio. Studies in Ancient and Medieval History, Thought and Religion 62, 2007, S. 1–24; Michel Kaplan, La place du schisme de 1054 dans les relations entre Byzance, Rome et l’Italie, in: Byzantinoslavica: Revue internationale des Études byzantines 54, 1993 (= Vladimir Vavrˇ ínek [Hg.], Byzantium and its Neighbours from the mid-9th till the 12th centuries. Papers read at the International byzantinological symposium Bechyneˇ, September 1990, Prag 1993), S. 29–37. Norden, Papsttum und Byzanz S. 28. So Lilie, Byzanz, Das zweite Rom S. 299. So Bayer, Spaltung der Christenheit S. 204. Ebd. S. 206ff., dezidiert S. 208. So ebd. S. 209.
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
von 1054 zunächst gar nicht so generell und absolut verstanden worden: „Die Bannsprüche von 1054 richteten sich nicht gegen den jeweils anderen Teil der Christenheit, sondern nur gegen eine definierte Gruppe von Personen. Ein Bruch zwischen den Kirchen war nicht intendiert.“27 Die Bedeutung dieser Spaltung wurde erst im nachhinein erkennbar.28 1054, so hat man gesagt, sei kein Schisma, sondern der mißglückte Versuch einer Überwindung der Gegensätze gewesen.29 Ein von Peter Segl herausgegebenes Themenheft stellt daher sogar (zweifelnd) die Frage, ob Byzanz wirklich „das andere Europa“ war.30 In der französischen Dichtung des 12. Jahrhunderts trägt, so Friedrich Wolfzettel, das Wunderbare und Fremde an Byzanz stets bereits „die geheimnisvollen Zeichen des Eigenen“ in sich.31 Das wird man auch auf andere Gattungen und Urteile übertragen dürfen. Die Errichtung eines lateinischen Kaiserreichs auf dem Vierten Kreuzzug 1204 „bereinigt“ hier die Geschichte eines vorübergehend verlorengegangenen Teils des Westens.32 Im Gegensatz zu den griechisch-abendländischen Beziehungen ist die Wahrnehmung des anderen, das Griechenbild, bislang nur höchst sporadisch, im Hinblick auf die Religion letztlich noch gar nicht umfassand untersucht worden.33 Bereits 1960 ging Fred Haenssler34 in seiner Disserta-
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So ebd. S. 104. So ebd. S. 210ff. Bei allem Bemühen konnte ich das Zitat nicht mehr verifizieren. Meiner Erinnerung nach stammt es von Evangelos Chrysos. Peter Segl (Hg.), Byzanz – das „andere“ Europa (Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 6/2), Berlin 2001. Die Argumente für eine Integration in einen gesamteuropäisachen Kulturraum stellt zusammen: Franz Tinnefeld, Abendland und Byzanz: ein Europa?, in: ebd. S. 19–38. Friedrich Wolfzettel, Byzanz im lateinisch-französischen Mittelalter oder Literaturgeschichte der Bemächtigung, in: ebd. S. 83–108, hier S. 107. So ebd. S. 108. Das Griechenbild der Epik hat umfassend Hertha Franz, Das Bild Griechenlands und Italiens in den mittelhochdeutschen epischen Erzählungen vor 1250 (Philologische Studien und Quellen 52), Berlin 1970, untersucht, der es aber vor allem um die Frage geht, welche Rolle darin die Antike spielt (oder nicht spielt). Religiöse Aspekte sind hier ganz ausgeklammert. Fred Haenssler, Byzanz und Byzantiner. Ihr Bild im Spiegel der Überlieferung der germanischen Reiche im früheren Mittelalter, Diss. Bern 1960.
1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
687
tion der Frage nach, wie Byzanz in den Germanenreichen des Westens wahrgenommen wurde, und stellte dabei überall Anerkennung und Respekt gegenüber dem Vertreter der römischen Tradition fest: Byzanz blieb politischer und kultureller Maßstab. Erst im Langobardenreich kündigten sich Spuren der Abneigung, der Verächtlichmachung und der Abgrenzung des Griechischen vom Römischen an, die sich im Mittelalter fortsetzen sollten. Der Religionsfrage widmete auch Haenssler keinerlei Aufmerksamkeit. Während er das ganz frühe Mittelalter bis zum 8. Jahrhundert behandelt, beschränkt sich die niederländische Dissertation von Bunna Ebels-Hoving umgekehrt ganz auf das 12. Jahrhundert, das sie wiederum in drei Epochen unterteilt (1096–1140, 1140–1180, 1180–1204), verfolgt aber weit konsequenter die Wahrnehmungsperspektive der jeweils einzeln behandelten Autoren.35 Auch Ebels-Hoving geht es vornehmlich um das Bild der Griechen und des Byzantinischen Reichs insgesamt, doch werden religiöse Aspekte zumindest gestreift. Das gilt, mit Einschränkungen, auch für die schon zwei Jahre vor Ebels-Hovings Arbeit erschienene Dissertation von Martin George Arbagi, der das Bild des Westens von Byzanz zwar über den gesamten Zeitraum von 800 bis 1204 hinweg betrachtet, jedoch ebenfalls vornehmlich die politischen Motivationen im Blick hat und hier die päpstlichen und fränkisch-deutschen Einstellungen gegenüber Byzanz untersucht.36 Demgegenüber sind zwei Aufsätze Michael Rentschlers über westliche Urteile über Byzanz im 10. und 11. Jahrhundert vor allem auf die kulturellen Aspekte ausgerichtet,37 während Peter Schreiner 1992 die durch Bewunderung ebenso wie Abneigung geprägte gegenseitige Wahrnehmung von Byzantinern und Lateinern in der Literatur des 12. Jahrhunderts überblickt hat. Das Byzanzbild erscheint hier oft unwirklich und mythisch verklärt, ist aber 35
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Bunna Ebels-Hoving, Byzantium in Westerse Ogen 1096–1204, Diss. Groningen, Assen 1971. Martin George Arbagi, Byzantium in Latin Eyes: 800–1204, Diss. Rutgers University, New Brunswick, N.J. 1969 (University Microfilms 70-10,041, Ann Arbor, Michigan 1970). Die ersten drei Kapitel (S. 27–111a) verfolgen die Entwicklung der päpstlichen Einstellungen, Kapitel 4 und 5 (S. 112–166) die fränkische und deutsche Wahrnehmung, Kapitel 6 (S. 167–179a) Süditalien und Kapitel 7 (S. 180–235) die Kreuzzugszeit. Michael Rentschler, Griechische Kultur und Byzanz im Urteil westlicher Autoren des 10. Jahrhunderts, in: Saeculum 29, 1978, S. 324–355 (zitiert als Rentschler, Griechische Kultur I); Ders., Griechische Kultur und Byzanz im Urteil westlicher Autoren des 11. Jahrhunderts, in: Saeculum 31, 1980, S. 112–156 (zitiert als Rentschler, Griechische Kultur II).
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
nicht durchweg negativ; dennoch überwiegt auf beiden Seiten die Abneigung gegenüber der Bewunderung.38 Auch Rentschler zeigt das breite Spektrum der Byzanzwahrnehmung auf: von verhaltener Hochachtung vor allem gegenüber dem antiken griechischen Wissen bei Ruotger bis zur Abqualifizierung als mendax Graecia bei Rather von Verona.39 Die Alternative „positives oder negatives Griechenbild“ geht an der Komplexität des Problems vorbei.40 Auch im 11. Jahrhundert blieb Byzanz durchaus politisches Leitbild, wenngleich auf gleichrangiger Ebene.41 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Chris Wickham bereits für das 9. Jahrhundert: Abwertung (Neid, Betrug, Untreue) und Demütigung kennzeichnen das abendländische Byzanzbild danach ebenso wie Respekt vor der Sprache und Wissenschaft.42 Auf ähnliche Diskrepanzen im lateinischen Byzanzbild und eine Verschärfung der Feindseligkeit noch im Vorfeld der Kreuzzüge hat Rudolf Schieffer hingewiesen.43 Andere Arbeiten widmen sich einzelnen Autoren.44 Die pio-
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Peter Schreiner, Byzanz und der Westen: Die gegenseitige Betrachtungsweise in der Literatur des 12. Jahrhunderts, in: Alfred Haverkamp (Hg.), Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Vorträge und Forschungen 40), Sigmaringen 1992, S. 551–580. Wichtig ist aber auch die Feststellung, daß die abendländischen Quellen Byzanz weit häufiger wahrnehmen als umgekehrt. Zum Abendlandbild in byzantinischen Schriften vgl. auch Philip Grierson, The Carolingian Empire in the Eyes of Byzantium, in: Nascità dell’Europa ed Europa carolingia: un’equazione da verificare (SSCI 27), Spoleto 1981, Bd. 2, S. 885–916 (918); Johannes Koder, Zum Bild des „Westens“ bei den Byzantinern in der frühen Komnenenzeit, in: Ernst-Dieter Hehl/Hubertus Seibert/Franz Staab (Hg.), Deus qui mutat tempora. Menschen und Institutionen im Wandel des Mittelalters. Festschrift für Alfons Becker zu seinem 65. Geburtstag, Sigmaringen 1987, S. 191–201. Rentschler, Griechische Kultur I (10. Jh.) S. 326ff. So ebd. S. 354. Vgl. Ders., Griechische Kultur II (11. Jh.) S. 134ff.; zusammenfassend S. 154f. Chris Wickham, Ninth-Century Byzantium through Western Eyes, in: Lesley Brubaker (Hg.), Byzantium in the Ninth Century S. 245–256. Rudolf Schieffer, Zum lateinischen Byzanzbild vor 1204, in: Pierantonio Piatti (Hg.), The Fourth Crusade Revisited. Atti della Conferenza Internazionale nell’ottavo centenario della IV Crociata 1204–2004, Andros (Grecia), 27–30 maggio 2004 (Pontificio Comitato di Scienze Storiche. Atti e Documenti 25), Città del Vaticano 2008, S. 18–31. Zum negativen Byzanzbild der Kreuzzugschronistik vgl. EbelsHoving, Byzantium S. 48–92. Vgl. etwa Peter Schreiner, Der Liber Pontificalis und Byzanz: Mentalitätsgeschichte im Spiegel einer Quelle, mit einem Exkurs: Byzanz und der Liber Pontificalis (Vat.
1. Untersuchungsgegenstand und Forschungsstand
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nierartige Studie Michael Rentschlers zum Griechenbild Liutprands von Cremona und seiner Zeitgenossen arbeitet die politische und kulturelle Byzanzwahrnehmung dieses Chronisten auf.45 Eine umfassende Studie zum Verhältnis von lateinischem und griechischem Christentum fehlt bislang. Bisherige Arbeiten zum Griechenbild beschränken sich hier auf einzelne Facetten und bewegen sich weithin im Rahmen der politisch-nationalen Gegensätze. Es geht um Politik, Sprache und Kultur, nicht aber oder nur am Rande um die unterschiedliche Religion. Dieser Aspekt tritt deutlicher in einer methodisch wegweisenden Studie von Klaus Herbers von 1993 über die „Sicht des Anderen“ in den Briefen des Papstes Nikolaus I. hervor. Herbers stellt hier binnen kurzer Zeit eine zunehmende, durch die politische Eskalation bedingte Abgrenzung fest: von Abweichlern, die man zurückholen muß, zur Ausgrenzung und Gegnerschaft. Erst die griechischen Vorwürfe ließen den Papst polemischer werden und die Ausgrenzung bis zum Häresievorwurf steigern.46 Herbers’ Aufsatz präsentiert ein Spektrum an Abgrenzungen, das uns noch näher beschäftigen wird, in dem die religiöse Ausgrenzung letztlich aber nur eine geringe Rolle spielt. Wenn der Papst (traditionell) die Unterordnung der byzantinischen Kirche verlangt, wäre damit gerade weiterhin eine Zusammengehörigkeit und keine Ausgrenzung impliziert. Andere, wirklich einschlägige Arbeiten zur Wahrnehmung der anderen Religion (oder auch Konfession) sind mir nicht bekannt,47 so daß wir hier Neuland betreten. Das Thema kann daher im folgenden zwangsläufig nur exemplarisch und noch keineswegs erschöpfend abgehandelt werden.
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gr. 1455), in: Karl Borchardt/Enno Bünz (Hg.), Forschungen zur Reichs-, Papstund Landesgeschichte. Peter Herde zum 65. Geburtstag von Freunden, Schülern und Kollegen dargebracht. Bd. 1, Stuttgart 1998, S. 33–48. Rentschler, Liudprand von Cremona. Vgl. dazu unten S. 696 ff. Klaus Herbers, Papst Nikolaus I. und Patriarch Photios. Das Bild des byzantinischen Gegners in lateinischen Quellen, in: Engels/Schreiner (Hg.), Die Begegnung des Westens mit dem Osten S. 51–74. Der Band enthält noch eine Reihe weiterer Beiträge zur gegenseitigen (allerdings nicht religiösen) Wahrnehmung. Avvakumov, Entstehung des Unionsgedankens, geht S. 308–334 „theoretischen Zugängen zur ostkirchlichen Eigenart“ unter drei Gesichtspunkten nach: dem ekklesiologischen, dem sakramententheologischen und dem kirchengeschichtlichen Problemfeld.
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
2. Terminologie Terminologisch bereitet das Thema einige Probleme. Die lateinischen Quellen sprechen im Hinblick auf Byzanz überwiegend von „Griechen“ (Graeci oder Greci) oder, allerdings sehr selten, von „Byzantinern“ (Byzantini oder Bizantini),48 verstehen diese Begriffe in der Regel aber politisch oder „ethnisch-kulturell“, oft auch sprachlich, und beziehen sie nirgends unmittelbar auf das griechisch-orthodoxe Christentum. Dennoch werden mit ihnen immer wieder auch religiöse Aspekte (und Differenzen) verknüpft. Ist die Terminologie, wie bei den Sarazenen, demnach nicht religiös motiviert, so kann damit doch eine religiöse Differenz transportiert und wahrgenommen werden, so dass es sich lohnt, solchen Kontexten nachzugehen. Ein religiöser Aspekt anderer (noch nicht auf die orthodoxe Kirche bezogener) Art wird darüber hinaus sichtbar, wenn schon im Neuen Testament und, in dessen Gefolge, auch in patristischen und mittelalterlichen Schriften zwischen Judenchristen und Heidenchristen unterschieden und letztere mehrfach auch als „Griechen“ bezeichnet werden. So breitete sich die Kirche nach Beda über Griechen und Barbaren aus.49 „Griechen“ heben sich somit innerhalb der Heiden wiederum von den Barbaren ab.50 Wenn Adam von Bremen schreibt, Jumne (Wollin) an der Odermündung im Liutizenland sei Treffpunkt von Barbaren und Griechen,51 dann grenzt er die Griechen 48
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In der Library of Latin Texts (LLT) steht 4.730 Belegen für Graeci/Graeci ein einziger Beleg für Bizantini gegenüber. Der digitale Migne (Patrologia Latina Database) zählt (ab Band 70) 9.306 Belege für Graeci/Greci gegenüber 24 Belegen für Byzantini/Bizantini/Bysantini/Bisantini. Die Reihe Scriptores der dMGH (ohne Auctores Antiquissimi) weist nur 23 Belege für „Byzantiner“ gegenüber 3.251 Belegen für „Griechen“ aus (davon 653 für die Schreibweise Graeci und 2.598 für Greci). Beda Venerabilis, Homiliae evangelii 1, Homilia 21, ed. David Hurst, CCL 122, Turnhout 1955, S. 154: Dilatata autem per orbem ecclesia et Graecis ac barbaris in eiusdem fidei unitatem confluentibus curauerunt praesules fidelium, ut idem etiam in Graecum Latinumque transferretur eloquium, quo modo etiam Marci Lucae et Iohannis euangelia, quae deinceps Graeca lingua ediderunt mox in Latinum transfudere sermonem, quatenus haec omnes per orbem nationes legere atque intellegere possent. Vgl. Petrus Abaelardus, Commentarii super s. Pauli epistolam ad Romanos 1,1,14, S. 64 (die griechischen Philosophen hatten bereits erkannt, daß es nur einen Gott gibt): Praeter Graecos, omnes ceteras gentes barbaras uocat, tam a cultu unius Dei quam a lege Dei penitus alienas. Vgl. ähnlich Arbagi, Byzantium S. 48f., zu einem Brief Papst Pauls I. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 2,22, S. 79.
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immer noch gerade von den Barbaren ab. Doch kann der Begriff natürlich auch die Heiden selbst bezeichnen, wie im Pauluskommentar des Hrabanus Maurus, der Griechen mit Heiden gleichsetzt.52 Von solchen historischen Zusammenhängen abgesehen, werden die „Griechen“ der mittelalterlichen Gegenwart im allgemeinen jedoch als politischethnische und nicht als religiöse Gruppe oder als Andersgläubige wahrgenommen. Für das griechisch-orthodoxe Christentum gibt es hingegen keinen Terminus. Die Begriffe selbst beziehen sich nicht bzw. nur dann auf die Religion, wenn sie sich mit religiösen Attributen verbinden oder in religiösem Kontext stehen. Es wird zu prüfen sein, ob dieser Befund Ausfluß von Vorstellungen ist, die das orthoxe Christentum eben nicht als (eigene) Religion betrachten, sondern dem Christentum integrieren. Dazu ist zunächst zu prüfen, in welchen Kontexten und in welcher Weise sich mit den Begriffen überhaupt religiöse Assoziationen verbinden und wie sich diese ausgestalten.
3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, politisch oder religiös? Da „Volk“ und „Reich“ von den Bezeichnungen her im Mittelalter in engstem Zusammenhang stehen, ist im Einzelfall meist schwer zu entscheiden, ob Graeci als ethnische oder als politische Bezeichnung verstanden wird (wenn beispielsweise immer wieder vom regnum Grecorum die Rede ist). Ebensowenig bzw. nur chronologisch wird, mittelalterlichem Geschichtsdenken gemäß, zwischen den Griechen der Antike und den Byzantinern des 52
So diskutiert Hrabanus Maurus, Enarrationes in epistolas beati Pauli 10,10, Sp. 97 A, was Juden, Griechen und Christen als anstößig empfinden, und setzt dabei Griechen und Heiden gleich: Graecis vero, id est, gentilibus, haec est offensio, si in eo in quo sunt non solum non arguantur, sed et promptiores fiant, dum non vitantur vota idolorum illorum. Hraban entnimmt diese Stelle dem Pauluskommentar des Ambrosiaster. Vgl. auch Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius. In Leviticum 2,37, CCM 22, S. 902: Gentium igitur, id est Romanorum atque Graecorum computistas, hoc maxime delectat, quod in exitu anni ipsorum Christus natus est, in quo terrae nostrae fructus congregauimus, in quo et scripturarum sanctarum ueritatem impletam accipimus; vgl. auch Ders., Commentarii in duodecim prophetas minores. In Zachariam prophetam 5, Sp. 793 B: Quos ergo percutiam ait Dominus in stuporem et in amentiam et in caecitatem et, ut ait apostolus, primo Iudaeum deinde Graecum, id est gentilem.
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Mittelalters unterschieden: Begrifflich bilden beide eine Einheit, und Weltchronisten wie Frutolf von Michelsberg ziehen quasi eine begriffliche Kontinutitätslinie von den ersten Griechen der Antike bis zu den Byzantinern der eigenen Zeit. Am weitaus häufigsten ist sicherlich die politische Konnotation: „Die“ Griechen sind weithin identisch mit den Bewohnern, den politisch bestimmenden Kräften oder dem Heer des Byzantinischen Reiches (das in der abendländischen Fremdsicht, im Gegensatz zum byzantinischen Selbstverständnis, eben nicht mehr als das römische gilt). Ein politisches Verständnis ist tatsächlich so häufig, daß sich eine Zusammenstellung an Beispielbelegen an dieser Stelle erübrigt. Das westliche Interesse beschränkt sich dabei letztlich auf wenige Berührungspunkte. Von ihnen abgesehen, gerät Byzanz etwa im Liber pontificalis nach 750 nahezu ganz aus dem Blick.53 Im übrigen gelangen „Griechen“ dort in das Blickfeld, wo historiographisch etwas Bemerkenswertes zu berichten ist (wie Fredegar in seine Chronik noch manche Nachricht über Byzanz aufnimmt) oder wo es zu Berührungen mit dem Westen kommt: in diplomatischen Kontakten (Gesandtschaften und Heiratsprojekten)54 und militärischen Auseinandersetzungen. Letztere entzündeten sich in der Quellenperspektive in erster Linie in Italien,55 und es ist bezeichnend, daß die süditalienische Bevölkerung
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Vgl. dazu Schreiner, Liber pontificalis, zusammenfassend S. 44ff. In Nerlichs Arbeit über die diplomatischen Beziehungen gewinnt man den Eindruck, daß es bei den ost-westlichen Kontakten ausschließlich um politische Themen und Wahrnehmungen geht. Allerdings behandelt Nerlich auch nur die politischen Kontakte zwischen den Kaisern, hebt aber klar die trotz aller Spannungen erhalten gebliebene Flexibilität der Verhandlungen und Einstellungen hervor (zusammenfassend S. 237ff.). Ausführlich zum Verhältnis zwischen Byzanz und Italien: Rudolf Hiestand, Byzanz und das Regnum Italicum im 10. Jahrhundert. Ein Beitrag zur ideologischen und machtpolitischen Auseinandersetzung zwischen Osten und Westen (Geist und Werk der Zeiten 9), Zürich 1964; ferner Peter Classen, Italien zwischen Byzanz und dem Frankenreich, in: Nascità dell’Europa S. 919–967 (971). Zum byzantinischen Italien ferner Bisanzio, Roma e l’Italia nell’Alto Medioevo; Ghislaine Noyé, Byzance et Italie méridionale, in: Brubaker (Hg.), Byzantium in the Ninth Century S. 229–243; Thomas S. Brown, Byzantine Italy, in: Shepard (Hg.), The Cambridge History of the Byzantine Empire S. 433–464; G.A. Loud, Byzantium and Southern Italy (876–1000), ebd. S. 560–582. Ausführlich zur griechischen Bevölkerung Süditaliens: Annick Peters-Custot, Les Grecs de l’Italie méridionale post-byzantine (IXe–XIVe siècle). Une acculturation en douceur (Collection de l’École Française de Rome 420), Rom 2009.
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(oder Teile davon) lange Zeit ebenso unterschiedslos als „Griechen“ gelten wie die Griechen in Byzanz selbst. Auch das zeigt, wie „politisch“ der Begriff letztlich verstanden und angewandt wird. Niemand, so verfügt im 10. Jahrhundert Papst Marinus II. für Benevent, maße sich an, gegen sein Gesetz zu verstoßen, weder geringe noch große Personen noch Griechen; wer das dennoch tue, solle, ob Grieche oder ein anderer, dem Anathem verfallen.56 Mit dem (fremden) „Volk“ verbinden sich traditionell bestimmte, oft abwertende Eigenschaften (wie eine angeborene listige Schläue).57 Ein Brief des Bischofs Hildebert von Le Mans an Anselm von Canterbury spricht etwa von der „ränkevollen Verschlagenheit der Griechen“.58 Die Griechen, so schreibt Widukind von Corvey anläßlich eines militärischen Bündnisses zwischen Otto I. und Nikephoros II. Phokas, „wandten sich den Ränken ihrer Väter zu – denn fast von Anbeginn der Welt sind sie die Herren über die meisten Völker gewesen, und wo ihre Tapferkeit nicht ausreichte, siegten sie durch List“.59 In diesem Fall stürmten sie das westliche Lager und nahmen alle gefangen. Hochmütig über diesen Erfolg, ließen sie es jedoch an der nötigen Vorsicht mangeln und fielen in die Hände der Heerführer Ottos.60 Politisch stellte Byzanz durchaus noch eine Autorität dar, kulturell blieb es attraktiv.61 Ganz unabhängig von der Religion aber werden Griechen, wie 56
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Marinus II., Privilegium pro ecclesia Beneventana von 943, ed. Harald Zimmermann, Papsturkunden 896–1046. Bd. 1: 896–996 (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse. Denkschriften 174 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission 3), Wien 1984, S. 180: sive sit illa magna, sive parva persona, aut Grecus in tua predicta sancta Beneventana ecclesia aliquam vim facere; ebd.: sive Grecus sit seu quicunque alter homo. Vgl. Thietmar von Merseburg, Chronicon 2,15, S. 54/56 (anläßlich der Gesandtschaft Ottos II. zur Brautwerbung): Quos in ipso itinere Greci solita calliditate ex inproviso irruentes, alios occidunt, quosdam vero captos domino suimet augusto presentabant. Anselm von Canterbury, ep. 239, S. 147: quem calumniosa Graecorum versutia a filio minime procedere fabulatur. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae 3,71, S. 148: Graeci vero ad artes paternas conversi – nam erant ab exordio fere mundi plurimarum gentium domini, et quos virtute nequibant, artibus superabant. Ebd. 3,72, S. 149: Graeci autem preterita victoria elati et minus cauti ceciderunt in manus eorum. Vgl. dazu Ciggaar, Western Travellers S. 78–101.
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an einigen Beispielen schon deutlich wurde, dennoch als Fremde betrachtet und dabei teils bestaunt, immer wieder aber auch abschätzig beurteilt.62 Während es auf der politischen Ebene um Freundschaft (Bündnisse) oder Feindschaft (Kriege in Italien) geht und zumal von abendländischer Seite her eine Gleichheit der Mächte angenommen oder angestrebt worden ist, werden die Griechen gerade auf literarisch-kultureller Ebene nicht selten auffällig als (kulturell) unterlegener Gegner stilisiert, über den man sich gern lustig macht. Ein beredtes Beispiel sind die Anekdoten Notkers von St. Gallen in seinen „Gesta Karoli“, der Griechen und Römern etwa Neid auf den Ruhm der Franken nachsagt.63 Bei Notker „schlägt“ der karolingische Gesandte an den Kaiserhof in Konstantinopel den Kaiser und die ganze Hofgesellschaft „im weisen Griechenland“ (sapienti Grecie) mit geistigen Waffen, als er, der Todesstrafe ausgesetzt, weil er gegen die Hofsitten verstoßen hatte – er hatte beim Gastmahl den Fisch auf dem Teller umgedreht –, auf die vom Kaiser gewährte letzte Bitte hin den Wunsch äußerte, daß alle, die das beobachtet hätten, ebenfalls geblendet werden sollten. Natürlich wollten daraufhin weder der Kaiser selbst noch sonst jemand den Verstoß gesehen haben, so daß der Gesandte dank seiner Klugheit nicht nur gerettet war: „Der weise Sproß der Franken hatte das eitle Hellas in seinen eigenen Wohnsitzen überwunden und kehrte als Sieger und wohlbehalten in seine Heimat zurück.“64 Notker distanziert sich mit dieser Erzählung von den als weise gerühmten Griechen in zweierlei Weise: Er setzt sie wegen ihrer völlig unsinnigen „Gesetze“ der Lächerlichkeit aus, und er stellt sie als der Schlauheit des fränkischen Gesandten unterlegen dar, dessen Reaktion Gesetze, Verhalten und Geist der Griechen bloßstellt. Als schlichtweg dumm und einschmeichelnd empfindet es ein knappes Jahrhundert später Liutprand von Cremona, wenn die byzantinische Hofgesellschaft dem scheinbar 150-jährigen Greis Nikephoros (dem Vater des Kaisers) beim Festessen gegen besseres Wissen und gegen die Natur wünschte, Gott möge
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Vgl. Rentschler, Liudprand von Cremona, besonders S. 9–20. Notker Balbulus, Gesta Karoli Magni imperatoris 1,10, S. 14; vgl. ebd. 1,26, S. 35f., zur Kaiserkrönung Karls. Die griechische Gegengesandtschaft erblaßt vor der (angeblichen) Pracht des Kaiserhofs. Ebd. 2,6, S. 53ff., das Zitat S. 55: Tum sapiens ille Francigena vanissima Hellade in suis sedibus exsuperata victor et sanus in patriam suam reversus est. Vgl. Wickham, Byzantium through Western Eyes S. 255: „In Notker, the Byzantines are fools and cowards, and have strange customs that catch visitors out.“
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seine Jahre mehren.65 Auf der anderen Seite ist Notkers Karl von den griechischen Antiphonen derart begeistert, daß er sie sofort ins Lateinische übersetzen läßt (und auch die byzantinischen Geschenke erregen Bewunderung).66 Theophanu, die byzantinische Gemahlin Ottos II., so später Thietmar von Merseburg, gleichsam beide Wertungen verbindend, zeichnete sich durch einen herausragenden Lebenswandel aus, „was man in Griechenland sonst selten findet“.67 Es kann angesichts des Zweikaiserproblems kaum überraschen, daß auch dem Kaisertum eine Rolle im Griechenbild zukommt (und auch das ist natürlich von vornherein politisch und nicht religiös gefärbt). Es erhält aber eine religiös-kirchenpolitische Komponente, wenn Deusdedit angesichts der Kirchenreform eine Parallele zwischen Ost und West darin sieht, daß beide Kaiser die Bischöfe in den Städten ihres Reichs einsetzen (und das als Häresie anprangert).68 Schon Kaiser Ludwig II. beruft sich in seinem bekannten Rechtfertigungsschreiben an den griechischen Kaiser Basileos I.69 nicht nur auf das Erbe der Franken am Römischen Reich, sondern begründet das religiös, indem die fränkischen Nachfolger des römischen Kaiserreichs, die sich auf die Gnade Christi stützen können, dessen Erbe angetreten haben: Wie die Juden, die einst die von Gott erwählten Nachkommen Abrahams, die „Söhne Abrahams“, waren, diesen Vorzug an die Christen verloren haben, so haben die Franken durch ihre gute Ansicht (oder auch: den guten
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Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 28, S. 199: Qua in re quam sint Greci stulti, quamve huius gloriae amatores, quamve adulatores, quam cupidi, hinc colligere possumus. Optant seni non solum, sed silicernio, quod naturam ipsam non pati certo sciunt; gaudet et silicernium ea sibi optari, quae nec Deum facere, nec sibi prodesse, sed obesse, etiam si faceret, novit. Notker Balbulus, Gesta Karoli 2,7, S. 58. Thietmar von Merseburg, Chronicon 4,10, S. 142: Haec, quamvis sexu fragilis, modestae tamen fiduciae et, quod in Grecia rarum est, egregiae conversationis fuit regnumque filii eius custodia servabat virili, demulcens in omnibus pios terrensque ac superans erectos. Deusdedit, Libellus contra invasores et symoniacos 4, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 303: Et ut cepta prosequamur, secuti sunt haec hereticorum exempla quidam Graecorum imperatores regni sui urbibus suos episcopos imponentes. […]. Itaque qui advertit alios Graecorum imperatores ante consecrationem decretum sibi mitti voluisse, adtendat etiam eosdem Romanam electionem nunquam reprobasse. Ludwig II., Epistola ad Basilium imperatorem Constantinopolitanum missa, ed. Walter Henze, MGH Epp. 7, Berlin 1912–1928, S. 385–394.
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Glauben) und ihre Rechtgläubigkeit die Herrschaft über das Römische Reich empfangen, während die Griechen, parallel den Juden, wegen ihrer schlechten Ansicht (Kakodoxie) aufgehört haben, Kaiser der Römer zu sein, indem sie, Stadt und Herrschaftssitz verlassen und sogar das Volk der Römer und dessen Sprache aufgegeben haben und in eine andere Stadt und einen anderen Herrschaftssitz, in ein anderes Volk und sogar zu einer anderen Sprache übergewechselt sind.70 Das Chronicon Salernitanum greift das später nahezu wörtlich auf.71 Bewunderung und Abneigung lassen sich recht gut an den Schriften Liutprands von Cremona, einem Zentralzeugnis für die Beziehungen zwischen Byzanz und dem Abendland zur Zeit Ottos des Großen, verfolgen. Liutprand berichtet in seiner „Antapodosis“ mehrfach über die byzantinischen Kaiser und Verhältnisse in Byzanz72 sowie über seine erste, im Auftrag König Berengars von Italien unternommene Gesandtschaft, mit der das Werk schließt,73 und er hat darüber hinaus bekanntlich einen ausführlichen Rechenschaftsbericht über seine zweite Gesandtschaft nach Konstantinopel im Jahre 968 im Auftrag Ottos des Großen hinterlassen.74 Dabei ist (als 70
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Ebd. S. 390: Sicut ergo potuit Deus de lapidibus suscitare filios Abrahae, ita potuit de Francorum duritia Romani suscitare successores imperii; et sicut, si Christi sumus, secundum apostolum Abrahae semen existimus, ita si sumus Christi, omnia possumus per gratiam ipsius, quae possunt illi, qui videntur existere Christi; et sicut nos per fidem Christi Habrahae semen existimus Iudaeique propter perfidiam Abrahae filii esse desierunt, ita quoque nobis propter bonam opinionem, orthodosiam, regimen imperii Romani suscepimus; Graeci propter kacodosiam, id est malam opinionem, Romanorum imperatores existere cessaverunt, deserentes videlicet non solum urbem et sedes imperii, set et gentem Romanam et ipsam quoque linguam penitus amittentes atque ad aliam urbem, sedem, gentem et linguam per omnia transmigrantes. Chronicon Salernitatum, S. 114. Zu Liutprands Haltung vgl. Rentschler, Liudprand von Cremona, passim, und Arbagi, Byzantium S. 146ff. Liutprand von Cremona, Antapodosis 6,4–10, S. 146–150. Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana, ebd. S. 187–218. Vgl. dazu Johannes Koder/Thomas Weber, Liutprand von Cremona in Konstantinopel. Untersuchungen zum griechischen Sprachschatz und zu realienkundlichen Aussagen in seinen Werken (Byzantina Vindobonensia 13), Wien 1980, denen es aber um den kulturellen Aussagegehalt und nicht um das Byzanzbild geht. Johannes Koder, Liutprand von Cremona und die griechische Sprache, ebd. S. 15–70, analysiert Liutprands Griechischkenntnisse, Thomas Weber, Essen und Trinken im Konstantinopel des 10. Jahrhunderts, nach den Berichten Liutprands von Cremona, ebd.
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Überleitung zum nächsten Abschnitt) gleich darauf zu achten, ob und in welcher Weise in seine Gesandtschaftsberichte auch religiöse Konnotationen einfließen. Die „Antapodosis“ bietet letztlich ein gutes Beispiel für eine „historische“ Berichterstattung, in der die unterschiedliche Religion trotz der langen Passagen über Byzanz75 kaum eine Rolle spielt. Liutprand berichtet vor allem über die byzantinischen Kaiser (und deren Genealogie),76 über die er ebenso humorvolle wie lehrreiche Anekdoten erzählt77 und die oft sogar in positivem Licht erscheinen: Leo Porphyrogennetos etwa, „der allerfrömmste Kaiser der Griechen“, regierte „das Reich der Griechen rundum in Frieden, fromm und gerecht“.78 Doch fehlen auch kritische Töne nicht.79 Immerhin
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S. 71–99, kulturhistorische Aspekte. Nur nach dem Realitätsgehalt fragt auch Johannes Koder, Die Sicht des „Anderen“ in Gesandtenberichten, in: Engels/Schreiner (Hg.), Die Begegnung des Westens S. 113–129. Zu Liutprands Gesandtschaftsbericht als literarischem Zeugnis vgl. auch Herbert Hunger, Liudprand von Cremona und die byzantinische Trivialliteratur, in: Konstantinou (Hg.), Byzanz und das Abendland S. 197–206, dem jedoch einzig an der Abqualifizierung der literarischen Gattung gelegen ist. Viel ist über die Unterschiede in beiden Legationsberichten diskutiert worden, die zweifellos mit der jeweiligen Tendenz zusammenhängen: Auf der ersten Reise galt es eher, die Peinlichkeiten des von ihm wenig geliebten Auftraggebers Berengar zu überbrücken (der ihm nicht einmal Geschenke für den Kaiser mitgegeben hatte); in der zweiten will er Ottos Ansprüche ebenso hervorheben wie das Scheitern seiner Mission rechtfertigen. Zur neueren Forschung vgl. den Nachtrag von Bele Freudenberg in der Neuausgabe der FSGA 8, Darmstadt 2002. S. 633ff., oder Wickham, Byzantium through Western Eyes S. 256. Liutprand von Cremona, Antapodosis 1,5–12, S. 7–16; 3,22–38, S. 76–86; 5, 14f., S. 130ff.; 5,20–25, S. 141–145 (zur Verschwörung der Söhne des Romanos); 6,2–10, S. 152–158 (zu Liutprands erster Gesandtschaftsreise). Ebd. 1,6–12, S. 8–16. Die Herrschaft des Basileos erscheint hier vielfach als von Gott gewollt gegenüber dem unberechenbaren Kaiser Michael, dessen Ermordung dem neuen Herrscher in einem Traum von Christus gleichwohl als schlimme Missetat ausgelegt wird. Ebd. 1,11f., S. 10–16, zu Leon IV.; ebd. 3,25, S. 77ff., zur Heldentat des Romanos; vgl. auch ebd. 5,15, S. 131f., zu Romanos’ Sieg über die Russen. Ebd. 1,6, S. 8: Leo igitur, Grecorum piissimus imperator […] undique pace habita sancte et iuste Grecorum regebat imperium; auch Leon IV. ist piissimus imperator (ebd. 3,26, S. 79). Vgl. ebd. 3,37, S. 86, zu Romanos, der contra ius fasque seinen erstgeborenen Sohn Christopheros vor den Porphyrogennetoi Stephanos und Konstantinos zum Nach-
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kämpfen „Griechen und Lateiner“ aber gemeinsam gegen die Sarazenen in Italien,80 und den Kaiserpalast in Konstantinopel bezeichnet Liutprand voller Bewunderung als die schönste und stärkste Befestigung, die er je gesehen hat.81 „Fremd“ erscheint ihm das Ganze dennoch, obwohl er, wie er betont, bei dem ersten Empfang „weder Furcht noch Staunen“ empfunden habe, da er zuvor ausgiebig Erkundigungen über das Zeremoniell eingezogen hatte.82 Es mag bezeichnend sein, daß in der „Antapodosis“, trotz der reichhaltigen Nachrichten über Byzanz, nahezu jede Anspielung auf die religiösen Unterschiede fehlt.83 Auch die „Legatio“ beginnt, bei deutlich unterschiedlicher Tendenz, ganz entspechend noch mit dem Bericht über den unehrenhaften Empfang in Konstantinopel 84 und bewegt sich damit auf der diplomatisch-politischen Ebene, läßt jetzt aber deutlich Liutprands vollkommen negative Einschät-
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folger bestimmte. (Dem folgte die göttliche Strafe durch den Tod des Christopheros.) Ironisch mag auch die Bemerkung angesichts der Heiratspläne zwischen dem Kaiser Romanos und einem Bastard Hugos von Italien gemeint sein, daß die Griechen bei der Abstammung nur nach dem Vater und nicht nach der Mutter fragen (ebd. 5,14, S. 130). Ebd. 2,53f., S. 57; König Hugo bittet Kaiser Romanos um Hilfe gegen die Sarazenen (ebd. 5,9, S. 128). Ebd. 5,21, S. 135: Constantinopolitanum palatium non pulcritudine solum, verum etiam fortitudine omnibus, quas umquam perspexerim, munitionibus praestat. Auch die kaiserliche Halle in Konstantinopel, in der Liutprand empfangen wurde, beschreibt er als domus palatio contigua mirae magnitudinis seu pulchritudinis, und er schildert erneut voller Bewunderung die Ausstattung (ebd. 6,5, S. 147). Ähnliches gilt für die Festhalle, in der das Gastmahl stattfand (ebd. 6,8, S. 148). Liutprand beeindrucken sowohl die Akrobaten (ebd. 6,9, S. 149) als auch die Zeremonie der kaiserlichen Geld- und Geschenkeverteilung an die Hofbeamten, in die Liutprand selbst schließlich mit einem reichen Geschenk eingereiht wird (ebd. 6,10, S. 149f.), eine Beschreibung, die zur weiteren Beschämung wohl auch an die italienischen Potentaten gerichtet war, denn Berengar hatte ihm kein Geschenk für den Basileus mitgegeben. Ebd. 6,5, S. 147: nullo sum terrore, nulla admiratione commotus, quoniam quidem ex his omnibus eos qui bene noverant fueram percontatus. Für beide Seiten ist die Vergebung bei Reue dieselbe, katholische Anschauung; vgl. ebd. 1,10, S. 9f. Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 1f., S. 187f. Liutprand klagt über den schändlichen Empfang, die schlechte und abgeschiedene Unterbringung und die unwürdige Behandlung.
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zung der Griechen und der Sitten am Kaiserhof erkennen,85 wenn er etwa die Basilei als nomine solo, non autem re imperatores abqualifiziert,86 während Kaiser Nikephoros seinerseits Otto I. den Kaisertitel verweigert,87 oder wenn er das Porträt des Nikephoros zu dem Gegenbild eines guten Kaisers ausstilisiert – wobei die negative Färbung sich wesentlich aus dem Scheitern seiner Mission ergibt, das er vor Otto zu rechtfertigen sucht. Nikephoros erscheint hier als ein mißgestalteter, zwergenhafter Mensch mit dickem Kopf, kleinen, maulwurfsartigen Augen und langem Hals; sein Haarwuchs glich dem eines Schweins, seine Hautfarbe der eines Äthiopiers, kurz, er glich „einem, dem man um Mitternacht nicht begegnen mochte“ (nach Iuven. 5,54). Ähnlich werden die anderen Körperteile beschrieben. Sein Prachtgewand war alt, verblichen und ekelhaft stinkend, seine Redeweise unverschämt und lügnerisch wie die eines Fuchses.88 Liutprand geht es um Rangfragen,89 wie den Platz an der Tafel – er protestiert heftig, als der halbbarbarische Gesandte der Bulgaren ihm vorgezogen wird –,90 vor allem aber um Ottos Kaisertitel und seine Ansprüche in Italien:91 Als Nikephoros nicht erreichen kann, daß Otto die italienischen Gebiete abtritt, erwartet er zumindest, doch ebenso vergeblich, daß Otto im Falle eines byzantinischen Angriffs Benevent und Capua (seinen desertores servos) keine Hilfe leisten wird.92 Stereotyp ist umgekehrt auch das Bild der Deutschen, das Nikephoros nach Liutprand entwirft: Sie sind unkriegerisch, haben kaum handhabbare Waffen (zu große Schilde, zu schwere Panzer, zu lange Schwerter, zu schwere Helme, keine Flotte), sind gefräßig und versoffen und müssen sich vor einem Kampf Mut antrinken.93 Nikephoros provoziert Liutprand, indem er „Römer“ zum Inbegriff eines Schimpfwortes erklärt.94 Das Ver-
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Vgl. Rentschler, Liudprand von Cremona S. 58: „In dem Maße, wie ihn seine erste Byzanz-Reise das Staunen, so hat ihn seine zweite das Fürchten gelehrt.“ Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 5, S. 189. Ebd. 2, S. 187f. Ebd. 3, S. 188. Vgl. Rentschler, Liudprand von Cremona S. 47ff. Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 11, S. 192; 19, S. 195f. Ebd. 25, S. 198. Ebd. 36, S. 202. Ebd. 11, S. 192. Ebd. 12, S. 192f.
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hältnis scheint, auch jenseits der erkennbaren Tendenz Liutprands, also von vornherein durch gegenseitige Vorurteile geprägt zu sein. Vorurteile und Rangdenken bestimmen auch die Antwort auf den Anlaß der Reise: Eine in Purpur geborene Prinzessin könne nicht mit den gentes, den (barbarischen) Völkern, verschmelzen; dennoch bietet man die Prinzessin gegen die Herrschaft über Rom und Ravenna an.95 Wie schon Rentschler herausgestellt hat, entwickelt Liutprand eine äußerste negative Sicht der byzantinischen Verhältnisse: Die Architektur ist ihm unverständlich,96 das fettige, ölreiche Essen widerlich und ungenießbar,97 die extravagante Kleidung einfach weibisch,98 die artistischen Spiele sind ihm abscheulich.99 Mit Spott bedenkt er auch das Eunuchenwesen am Hof.100 95 96
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Ebd. 15, S. 194. Rentschler, Liudprand von Cremona S. 31ff. Rentschler wertet Liutprands Sicht allerdings durchweg vor den Zuständen im Westen, um sie dadurch als falsch hinzustellen. Ihm geht es daher eher um die Tendenz als um die Vorstellungswelt des Bischofs. Liutprand, Relatio de legatione Constantinopolitana 11, S. 192; 13, S. 193. Vgl. Rentschler, Liudprand von Cremona S. 36ff. (dezidiert ebd. S. 38). Ganz anders allerdings Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 20, S. 196. Vom Standpunkt solcher Wahrnehmungen wird man in Frage stellen müssen, ob Liutpands Werke „seriöse historische Quellen“ sind (so zusammenfassend Weber, Essen und Trinken S. 99). Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 53ff., S. 210ff. Vgl. Rentschler, Liudprand von Cremona S. 40ff. Liutprand von Cremona, Antapodosis 3,23, S. 76, spricht von einem „Frauenkleid“ bzw, einem leichten Sommerkleid (t[h]eristrum), das Kaiser Romanos nach Art der Griechen (Grecorum more) trug. Zu Liutprands Bericht über Spiele vgl. Rentschler, Liudprand von Cremona S. 42ff. Danach schwankt der Bischof zwischen Bewunderung und Haß, kann hier allerdings auch seine Bewunderung nicht verbergen. Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 63, S. 216: Dicimus enim quia capones sunt, id est eunuchi, quod canonicum non est; sunt et caupones, id est tabernarii, quod contra canones est. Bezeichnend ist auch Liutprand von Cremona, Antapodosis 4,9, S. 101, wenn Markgraf Tedbald von Camerino und Spoleto die griechischen Kriegsgefangenen entmannen läßt und mit der ironischen Bemerkung zurückschickt: ‚Quoniam quidem vestro sancto imperatori spadonibus nil pretiosius esse cognovi, hos studui pauculos sibi verecunde transmittere, plures quantocius Deo propitio transmissurus.‘ Dem schließt sich (ebd. 4,10, S. 101ff.) die humorvolle Geschichte der Griechin an, die sich bei Tedbald darüber beschwert, daß er mit der Entmannung der Gefangenen Krieg gegen die Frauen führe. Zur westlichen Wahr-
3. Perspektiven der Wahrnehmung: ethnisch, politisch oder religiös?
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Die Religion wird in diesen Berichten erneut kaum oder nur beiläufig berührt. Dennoch zeigen einige Abgrenzungen, daß Liutprand diesbezügliche Unterschiede bewußt sind und daß er ihnen ebenso mit Unverständnis gegenübersteht wie dem höfischen Treiben und der byzantinischen Kultur. Wenn er seinen griechischen Wächter mit einem Aufseher in der Hölle vergleicht, bringt er zumindest diese Person mit dem Teufel in Verbindung.101 Wenn Nikephoros seinerseits Otto dem Großen impietas vorwirft, so meint er damit konkret allerdings die gewaltsame Eroberung Roms und anderer „unserer“ Städte, eine Tat, die göttlichem und menschlichem Recht widerspreche.102 Liutprand hält dem wiederum entgegen, daß Otto die impios gerade aus Rom vertrieben habe und daß er selbst impius wäre, wenn er solches zu tun versäumt hätte.103 Der Streit um das „unfromme“ Verhalten gibt der diplomatisch-politischen Argumentation mit solcher Kennzeichnung zumindest eine religiös-moralische Note.104 Wenn Nikephoros betont, es schicke sich nicht, wenn er, wie Otto, sein Heer gegen Christen marschieren lasse, seine Gegner seien vielmehr die Assyrer,105 dann scheint hier bei aller Polemik doch eine Einheit und Verbundenheit aller Christen postuliert. (Allerdings zieht das Heer dann doch gegen Otto in Italien – und zieht wieder ab, als ein Venezianer dem Kaiser versichert, Otto würde niemals das Byzantinische Reich angreifen.) Ebenso spielt der päpstliche Primatanspruch eine Rolle: Im Streit um den Kaisertitel – Papst Johannes XIII. hatte Nikephoros in einem Brief „Kaiser der Griechen“ genannt106 – argumentiert Liutprand (unter anderem), daß
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nehmung der Eunuchen (die nicht durchweg Liutprands Einschätzung entspricht) vgl. Shaun Tougher, Eying up Eunuchs: Western Perceptions of Byzantine Cultural Difference, in: Lambert/Nicholson (Hg.), Languages of Love and Hate S. 87–97. Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 1, S. 187. Ebd. 4, S. 188f. Ebd. 5, S. 189f. Nikephoros schwört nicht nur auf seltsame Weise (indem er nämlich die Hand an die Brust schlug), sondern er bricht diesen Eid impie (ebd. 33f., S. 201), wie die Griechen für Liutprand stets zu leichtfertigen Schwüren (bei Gott) bereit sind (ebd. 35, S. 202, in einem Juvenal entnommenen Zitat). Später bezeichnet Liutprand Nikephoros als omnibus ecclesiis homo sit impius (ebd. 62, S. 215). Ebd. 31, S. 200f. Ebd. 50, S. 209.
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der römische Papst die Sorge für das Heil aller Christen habe.107 (Folglich ist er auch für die byzantinischen Christen verantwortlich.) Die Griechen wiederum halten den Papst nicht für hinreichend würdig, ein kaiserliches Schreiben zu empfangen. Es wird daher durch den „Hofmarschall“ (coropalates), den Bruder des Kaisers, aufgesetzt.108 Entsprechend wehrt sich Liutprand gegen die byzantinischen Ansprüche in Italien und beklagt es, wenn Nikephoros den Patriarchen von Otranto zum Erzbischof erhebt und verbietet, in ganz Apulien und Kalabrien fortan Gottesdienste in lateinischer Sprache abhalten zu lassen, und das Griechische zur alleinigen Kultsprache macht; gleichzeitig erhält der Patriarch die Erlaubnis, Bischöfe zu weihen, die nach Liutprand doch dem Papst unterstehen: „Doch was rede ich so, da ja die Kirche zu Konstantinopel selbst von Rechts wegen unserer heiligen katholischen und apostolischen römischen Kirche unterworfen ist!“109 Der Bischof von Konstantinopel lege das Pallium erst dann an, wenn ihm dazu die päpstliche Erlaubnis erteilt werde (eine gewiß falsche Behauptung). Während Nikephoros darauf verweist, daß Konstantin die Hauptstadt eben nach Konstantinopel verlegt und in Rom nur Knechte, Fischer, Bastarde und Sklaven zurückgelassen habe (und dem einfältigen und törichten Papst, der dümmer sei als alle anderen Menschen, unterstellt, das nicht zu wissen), hält Liutprand dem (noch einmal) entgegen, die Griechen hätten Sprache, Sitten und Kleidung gewechselt! Man müsse daher schließen, daß ihnen römische Titel und Kleider mißfallen.110 Die Andersartigkeit ist demnach
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Ebd. 52, S. 210: Et quoniam Christianorum omnium salus ad Romani papae pertinet sollicitudinem. In Verkennung der realen Verhältnisse regt Liutprand sogar bei Otto an, Nikephoros vor eine römische Synode zu laden, ihn wegen seiner Usurpation anzuklagen und, wenn er fernbleibe, zu verurteilen! Ebd. 56, S. 212. Ebd. 62, S. 215: Sed quid hoc memorem, cum ipsa Constantinopolitana ecclesia nostrae sanctae catholicae atque apostolicae ecclesiae Romanae merito sit subiecta? Ebd. 51, S. 209f.: ‚Sed papa, audi,‘ aiunt, ‚omnium hominum stolidior, scimus, dicere, dicere vis, nosque id profitemur.‘ At ego: ‚Non id aio‘. ‚Audi ergo: sed papa fatuus, insulsus ignorat Constantinum sanctum imperialia sceptra huc transvexisse, senatum omnem cunctamque Romanam militiam, Romae vero vilia mancipia, piscatores, scilicet, cupedinarios, aucupes, nothos, plebeios, servos tantummode dimisisse.‘ […] ‚Sed papa,‘ inquam, […] Constantinum Romanum imperatorem cum Romana militia huc venisse ac civitatem istam suo ex nomine condidisse certo scimus; sed quia linguam, mores vestesque mutastis, putavit sanctissimus papa ita vobis displicere Romanorum nomen, sicut et vestem.
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wohlbewußt, während beide darüber streiten, welche Seite die römische Tradition bewahrt habe. Deutlicher wird der religiöse Gegensatz, wenn Nikephoros das Gespräch wegen des Kirchgangs (processio) unterbricht, den Liutprand im folgenden beschreibt und dabei die Unwürdigkeit des Aufzugs – barfuß und in unangemessener Kleidung – tadelt.111 Geht es hier noch um mißbilligte religiöse Bräuche, so verschärft sich Liutprands Kritik, wenn er in diesem Zusammenhang den Lobgesang für Nikephoros mit den Worten beschreibt: Gentes, hunc adorate, hunc colite, huic tanto colla subdite112 und damit – sicherlich bewußt – die Begrifflichkeit aufgreift, die in der Karolingerzeit schon über die Bilderverehrung zum Streit geführt hatte: Die Aufforderung, den Kaiser (geradezu anbetend) zu verehren (adorare und colere), rückt ihn in eine göttliche Sphäre, die ihm nicht zusteht. Tatsächlich beäugen beide Seiten den Glauben des jeweils anderen mit Mißtrauen. Wenn Nikephoros Liutprand während der Tafel Worte der Heiligen Schrift zur Auslegung vorlegt, will er anscheinend die Rechtgläubigkeit der Katholiken (oder auch die exegetischen Fähigkeiten Liutprands) prüfen.113 Damit kann er ihn jedoch nicht überführen: Die Bibelauslegung ist offenbar ähnlich. Die Frage nach der Anerkennung der Ökumenischen Konzilien ergänzt der Kaiser um den Hinweis, Byzanz würde „das sächsische Konzil“ (die gegen den Bilderstreit gerichtete Synode von Frankfurt von 794) nicht anerkennen, „weil euer Glaube noch zu jung [bzw. zu ungeschliffen] ist, als daß er bis zu uns hätte gelangen können“ (rudem [fidem] esse et ad nos necdum venire posse respondeo): In dieser Äußerung erschließt sich nicht nur ein Gegensatz in der Reichweite der jeweiligen Konzilien in den Bereich der anderen Konfession, sondern die kaiserliche Ironie verlacht das westliche Christentum zudem als eine wenig elaborierte Neuerung. Byzanz, heißt das, hält an dem wahren (alten) Glauben fest. Dem hält Liutprand wiederum vielleicht nicht unmittelbar einen häretischen Charakter der Orthodoxen, wohl aber die Rechtgläubigkeit der katholischen Kirche entgegen: „Sämtliche Häresien sind bei euch entstanden und bei euch erstarkt,“ wirft Liutprand dem Basileus vor, „von uns Westlichen sind sie hin-
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Ebd. 8f., S. 190f. Ebd. 10, S. 191. Ebd. 21, S. 196.
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gegen vernichtet und zerschlagen worden.“114 Es sei ein römischer Kleriker, nämlich der spätere Papst Gregor, gewesen, der den Patriarchen von Konstantinopel, Eutychius, von seiner Häresie, dem Glauben an eine nur eingebildete Auferstehung, befreit habe, und ebenso habe Bischof Ennodius von Pavia, vom Papst nach Konstantinopel geschickt, den katholischen Glauben dort wiederhergestellt.115 Im Sachsenvolk aber habe es nach der Bekehrung keine einzige Häresie mehr gegeben. Der Glaube der Sachsen möge „jung“ oder „roh“ (rudis) sein, der Glaube in Byzanz aber sei alt bzw. veraltet (vetus), weil ihn nicht fromme Werke begleiten, sondern er wie ein altes Kleid geringgeschätzt wird.116 Auch wenn sich diese Beispiele zunächst auf einzelne Personen und nicht auf die Religion als Ganzes beziehen, wirken die religiösen Bräuche der Griechen auf Liutprand doch ebenso befremdlich wie die Kultur insgesamt. Prophetische (sybillinische) Bücher, die sie visiones Danielis nennen und die Glück und Unglück der Kaiser vorhersagen, hätten die Griechen sogar mit den Sarazenen gemeinsam. Auch wenn beide Glaubensrichtungen damit nicht identisch werden (zumal sie gerade darüber politische Gegner sind), sieht Liutprand eben doch Gemeinsamkeiten117 (während die Sarazenen für 114
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Ebd. S. 196: Haereses omnes a vobis emanarunt, penes vos viguerunt: a nobis, id est occidentalibus, hic sunt iugulatae, hic sunt occisae. Ebd. S. 196f.: Romanam sive Papiensem synodum, quamquam essent saepe, his non connumeramus. Romanus enim clericus, postmodum universalis papa Gregorius, qui a vobis appelatus est Dialogus, Eutychium Constantinopolitanum patriarcham haereticum ab eiusmodi haeresi liberavit. Aiebat idem Eutychius – nec solum aiebat, sed etiam docebat, clamabat, scriptitabat – nos in resurrectione non veram, quam hic habemus, sed fantasticam quandam carnem assumpturos; cuius erroris liber a Gregorio orthodoxe est combustus. Sed Ennodius Papiensis episcopus propter aliam quandam haeresin huc, id est Constantinopolim, a Romano est patriarcha directus, quam compressam in catholicam atque orthodoxam reformavit. Ebd. 22, S. 196f. Ebd. 39, S. 204. Daß nach diesen Weissagungen ein alter und junger Löwe (der Basileus und der König der Franken) gemeinsam die Sarazenen in Afrika besiegen werden, hält Liutprand für unrichtig, da beide so sehr verschieden sind, daß sie kaum derselben Tiergattung Löwe zugerechnet werden können (ebd. 40, S. 204f.). Im folgenden Vergleich von Basileus und König spricht Liutprand Äußerlichkeiten und Charakter, nicht aber den Glauben an: Der griechische Kaiser trägt langes Haar, lange Kleider mit weiten Ärmeln, ein Kopftuch, er ist ein Lügner und Betrüger, ein unbarmherziger, listiger, übermütiger, heuchlerischer und geiziger Mensch, der von Knoblauch, Zwiebeln und Porree lebt und Badewasser trinkt. Der Franken-
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ihn demgegenüber Teufelsdiener sind).118 Wenn er seine gesamte Schrift mit den Worten schließt: „Denn wer Gott nicht aufrichtig sucht, der verdient ihn niemals zu finden,“ dann unterstellt er den Griechen, Gott nur scheinbar (ficte) zu verehren und spricht ihnen damit letztlich den wahren Glauben ab.119 Wenn König Lothar von Italien, wie Liutprand berichtet, tatsächlich gehofft hatte, daß der Gesandte (auf seiner ersten Reise) „die Lehren der Griechen einsaugen“ werde,120 dann hätte er sich hier gewaltig getäuscht. Insgesamt bekräftigen die Beispiele, daß das „Griechenbild“ des lateinischen Westens nur gelegentlich und beiläufig von religiösen Motiven geprägt ist, daß solche jedoch immer wieder durchscheinen und hier, wie bei Liutprand, gewiß tendenzabhängig, durchaus von Abgrenzungen geprägt sind. Von solchen Beobachtungen abgesehen, beschränken sich religiöse Diskurse ganz auf die bekannten und schon vielfach behandelten theologischen Streitigkeiten. Wenn diese Motive im folgenden noch einmal aufgenommen werden, dann geschieht das nicht mehr um dieser bereits gut aufgearbeiteten Kontroversen willen, sondern allein im Blick auf die Frage, welche Wahrnehmung der griechisch-orthodoxen Religion hinter den Debatten durchscheint. Denn auch in dieser Hinsicht sind sie durchaus aufschlußreich.
4. Religiöse Wahrnehmung: Wissen über die Religion Hat es im Bilderstreit durchaus Mißverständnisse gegeben, indem man ein adorare der Bilder wörtlich auf ein Anbeten und nicht auf eine Verehrung bezogen hat, so ist eine gewisse Kenntnis der griechisch-orthodoxen Gepflogenheiten und Lehren durchaus vorhanden und im allgemeinen sogar recht
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könig hingegen hat kurz geschnittenes Haar, trägt keine Frauenkleider, sondern einen Hut, ist ein Freund der Wahrheit und aller Hinterlist fremd, zur rechten Zeit barmherzig oder streng, wo das jeweils angebracht ist, und lebt nicht von Knoblauch, Zwiebeln und Porree, sondern von Tieren (ebd.). Liutprand selbst hält die beiden Löwen der Prophezeiung provokativ für Otto I. und II., die gemeinsam Nikephoros verjagen würden (ebd. 41, S. 205). Vgl. Kapitel 2, oben S. 339. Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 65, S. 218: Qui enim ficte Deum quaerunt, numquam invenire merentur. So Ders., Antapodosis 6,3, S. 146: ‚Quid dicam, quam facile doctrinas ebibet Grecas, qui tam puerilibus in annis Hepotavit Latinas?‘
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genau. Sie kommt allerdings fast ausschließlich dort zum Vorschein, wo man Abweichungen rügt bzw., zumindest in karolingischer Zeit noch weit häufiger, die lateinischen Lehren und Gewohnheiten gegenüber griechischen Vorwürfen verteidigt. Deshalb werden Abgrenzungen und Auseinandersetzungen nahezu nur in solchen Zusammenhängen sichtbar. Folglich gelangen auch nur bestimmte Aspekte des Wissens in den Blick der Autoren. Das hat seinen (oder einen) guten Grund darin, daß im allgemeinen die Gemeinsamkeit oder Einheit des Glaubens hervorgehoben oder einfach vorausgesetzt wird. Demgegenüber werden aber immer wieder auch Unterschiede wahrgenommen und kommentiert. So schreibt etwa Rathramnus von Corbie in seiner gegen die Griechen gerichteten Schrift: „Was ist denn bitte diese Weisheit oder der Eifer des heiligen Glaubens, daß die Kaiser der Griechen bei den Römern nicht dulden, was die allgemeine Kirche in der ganzen Welt aufrechterhält, und weder die Römer noch die Westlichen von ihrer Gewohnheit abweichen wollen, während die Östlichen sich in mannigfacher Vielfalt davon abtrennen.“121
Ost und West werden hier zu religiösen Gegensätzen. „Die Kaiser der Griechen, die selbst sowohl göttliche wie menschliche Gesetze überschreiten,“ so schreibt Rathramn an anderer Stelle, „setzen sich plötzlich tonsurierte Laien als Bischöfe ein und erheben Menschen, die nicht einmal einer Würde des geringsten Grades würdig erscheinen, auf den höchsten Gipfel; gleichzeitig aber scheuen sie sich nicht, die Kirche Christi zu kritisieren, indem sie Falsches für Wahres ausgeben.“122
In gewisser Weise bezeichnend für die Haltung des Westens ist der umfangreiche Briefwechsel Papst Nikolaus’ I. mit Byzanz,123 in dem der Papst die Absetzung des Ignatius (ohne kanonisches Verfahren und Beteiligung des Papstes) aufs schärfste verurteilt, Glaubensunterschiede und religiöse 121
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Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita Romanam ecclesiam infamantium libri quatuor 4,2, Migne PL 121, Sp. 309f.: Rogo, quae sit ista sapientia vel sacrae zelus religionis, ut circa Romanos non patiantur imperatores Graecorum, quod in toto sustinet orbe universalis Ecclesia, et velint a sua consuetudine nec Romanos nec occidentales discrepare, quandoquidem Orientales multimoda separentur varietate. Ebd. 4,8, Sp. 334 D: Verum Graecorum imperatores, tam divina quam humana iura transgredientes, faciunt sibi de laicis subito tonsis episcopos, et eos qui nondum minimi gradus honorem digni percipere fuerant, summi culminis vertice sustollunt: et talia gerentes non verentur Christi Ecclesiam calumniari, falsa pro veris loquentes. Ed. Perels S. 433–610. Vgl. dazu Herbers, Papst Nikolaus. Zu den Briefen dieses Papstes (und des Anastasius Bibliothecarius) vgl. auch Arbagi, Byzantium S. 57ff.
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Abweichungen zunächst aber keine Rolle spielen.124 Die päpstliche Position läßt im Gegenteil zumindest dem Anspruch nach auf eine Einheit der Kirche schließen.125 Hingegen bezeichnet Nikolaus die Anschuldigungen des Kaisers – Michael hatte unter anderem die lateinische Sprache als barbarisch bezeichnet126 – als einen unüberlegten Frevel, wie er bei den Griechen üblich sei.127 Deutlicher wird der Papst erst in seinen Briefwechseln mit dem Bulgarenkönig, den er in römischer Observanz halten und von den Griechen fernhalten möchte (geht aber auch hier im wesentlichen auf die Fragen der Bulgaren ein).128 In diesem Zusammenhang werden explizit verschiedene Unterschiede zwischen Griechen und Lateinern deutlich;129 zudem habe ein 124
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Vgl. Nikolaus I., Epistolae ad res orientales, praecipue ad causam Ignatii et Photii pertinentes, ep. 82, S. 433–439, an Kaiser Michael und die folgenden Briefe an Photius. Das gilt selbst für die langen Briefe, in denen Nikolaus die Vorwürfe des Kaisers zurückweist: ebd. ep. 88, S. 454–487; ep. 90, S. 488–512. Zu diesem Streitfall um Ignatius und Photius sind allein vom November 866 zehn Briefe erhalten (ep. 90–99). Das zeigt, wie wichtig dem Papst diese Angelegenheit war. Daß freilich das Abendland selbst zunehmend keine Einheit darstellt, betont zu Recht noch einmal Rudolf Schieffer, Die Einheit der lateinischen Welt als politisches und kirchliches Problem (8.–13. Jahrhundert), in: Evangelos Chrysos/Paschalis M. Kitromilides/Constantine Svolopoulos (Hg.), The Idea of European Community in History. Conference Proceedings, Volume I, Athen 2003, S. 63–72. Nikolaus I., ep. 88, S. 459: In tantam vero furoris habundantiam prorupistis, ut linguae Latinae iniuriam irrogaretis, hanc in epistola vestra barbaram et Scythicam appellantes ad iniuriam eius, qui fecit eam. […] Romani quippe hac lingua, quam barbaram vos et Scythicam vocatis, utuntur. Nikolaus antwortet, daß die Griechen ihre Kultsprache geändert hätten (ebd. S. 460: Verum de hoc nos respondisse sufficiat, non tam iniuriam linguae defendere procurantes quam mutatae mentis vestrae inconstantiam exaggerantes). Ebd. ep. 90, S. 496: Et siquidem per vestratium aliquem tantum nefas patratum est, quoniam apud Graecos, sicuti nonnulla diversi temporis scripta testantur, familiaris est ista temeritas. Ebd. ep. 99, S. 568–600. Etwa bezüglich der Hochzeit – die Griechen trügen hier Gold- und Silberbänder im Haar und schritten erst nach Übergabe von Ring und Heiratsgabe, und nicht schon vorzeitig, zum Ehevollzug (c. 3, S. 569f.) – oder des Verhaltens in der Kirche und bei der Eucharistie (c. 53 und 55, S. 587). Die Griechen würden den Bulgaren ferner verbieten, die Kirche mit einem Leinengürtel zu betreten (c. 66, S. 590f.). Außerdem ist von magischen Bräuchen die Rede (c. 77, S. 594). Am Mittwoch und Freitag sei dort das Baden verboten, obwohl der Angelnmissionar Augustinus das sogar am Sonntag erlaubt habe (c. 6, S. 572).
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falscher griechischer Priester die Bulgaren unterwiesen.130 Die Taufe im Namen der Trinität bleibe allerdings gültig.131 Das wiederholt sich in den Briefen Johannes’ VIII. an die Bulgaren, die – natürlich – wieder die Rombindung Bulgariens zum Ziel haben. In seinem Brief vom 16. April 878 heißt es gleich zu Beginn: „damit ihr, wenn ihr den Griechen gefolgt seid, nicht mit ihnen, die gewohnheitsgemäß in diverse Häresien und Schismata gefallen sind, in die Abgründe des Irrtums stürzt und, ‚so wie die Schlange durch ihre List Eva verführte, auch eure Sinne verdorben werden und sich von der Einfachheit und Keuschheit, die in Jesus Christus ist, entfernen‘“ (2. Kor 11,3).132
„Wir behaupten ja nicht,“ so fährt der Papst fort, „daß wir nicht ein und denselben Glauben und ein und dieselbe Taufe haben und ein und derselbe Gott sowohl unser wie ihrer ist; weil bei ihnen aber, auf Antrieb des Bischofs von Konstantinopel oder des Kaisers oder zumeist sogar beider, häufig Häresien entstehen, werden viele, die unter ihnen stehen, durch Liebdienerei oder wenigstens aus Furcht solchen sehr ähnlich; und wehe denen, die ihrer Gemeinschaft folgen.“133 „Folgt daher nicht den Griechen, liebste Kinder, denn sie trachten immer nach falschen Argumenten und zielen auf trügerische Verschlagenheit ab, damit euch nicht etwa geschieht, was dem Volk der Goten geschehen ist, das, als es sich vom Irrtum der Heiden befreien und dem Glauben Christi anschließen wollte, auf einen Bischof hereinfiel, der scheinbar fromm war, dem es tatsächlich jedoch an dieser Tugend mangelte und der sie, indem er sie vom Heidentum rettete, in die Gotteslästerungen des Arius verwickelte; und so fielen sie, als sie dem Irrtum unvorsichtig entkommen wollten, dem Irrtum anheim, folgten einem blinden Führer und wurden mit ihm blind und stürzten in die
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Ebd. c. 14, S. 575: Praeterea indicatis, quod quidam Graecus mentiens fateretur se presbyterum esse, cum non esset, ac per hoc plurimos in vestra patria baptizasset. Wenn er kein Priester ist, soll er Ohren und Nase verlieren und aus dem Land vertrieben werden. Ebd. c. 15, S. 575f. Johannes VIII., Registrum, ep. 66, S. 59: ne, si forte Gre˛cos secuti fueritis, cum illi in diversas he˛reses et scismata solito more ceciderint, vos quoque cum ipsis in erroris profunda ruatis et, ‚sicut serpens seduxit Evam astutia sua, ita sensus vestri corrumpantur et excedant a simplicitate et castitate, que˛ est in Christo Iesu.‘ Ebd. S. 59: Non autem dicimus, quod non una sit fides, unum baptisma, unus Deus noster pariter et illorum, sed quia in eis se˛pe, pre˛sule Constantinopolitano vel imperatore aut plerumque utroque auctore facto he˛reseos, plures, qui sub ipsis sunt, adolatione aut certe timore illis efficiuntur consimiles; et ve˛ tunc eis est, qui societatem sequuntur eorum.
4. Religiöse Wahrnehmung: Wissen über die Religion
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Tiefe der arianischen Verkehrtheit. Deshalb predigen wir, sich vor der Gemeinschaft der Griechen zu hüten.“134
Trotz (oder auch: wegen) der deutlichen Tendenz solcher Mahnungen sind das klare Worte. Deren Zweck wird am Ende des Briefs noch einmal deutlich: Die Bulgaren sollten wissen, daß sie sich, wenn sie sich den Griechen zuneigten, sich zu einem Teil derer machten, die den Glauben wirkungslos werden lassen. Würden sie aber auf den Papst hören und in den Schoß des heiligen Petrus zurückkehren, wären sie willkommen, hätten auf immer die Liebe Christi und würden alles Heilbringende empfangen.135 „Wollt ihr etwa denen glauben,“ so schreibt der Papst später an den Bulgarenkönig Michael, die täglich mit verschiedenen neuen Lehren und Lehrsätzen verwirrt werden?“136 und er mahnt ihn, keinen der aus Griechenland dorthin gesandten Geistlichen als Bischof anzunehmen.137 Dagegen stellt sich Rom selbst in päpstlicher Sicht als Hort der Tradition dar.138 Sind solche Worte auch der Konkurrenzsituation auf dem Balkan geschuldet, so treten die Abgrenzungen doch in aller Klarheit hervor. Bezeichnet Johannes in einem
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Ebd. S. 59f.: Noli ergo sequi Gre˛cos, fili karissime, quia argumentis semper fallacibus student, semper dolosis intendunt versutiis, ne forte vobis, quod genti contigit Gothorum, contingat, que˛, cum a paganorum errore cuperet liberari Christique fidei sociari, episcopum incidit formam pietatis habentem, virtutem autem eius abnegantem, qui eos, dum a paganismo a liberat, Arrii blasphemiis implicat; sicque illi, dum incaute que˛runt errorem fugere, in errorem incidunt et ce˛cum ducem sequentes cum illo ce˛ci facti in Arriane˛ pravitatis pre˛cipitia dilabuntur. Et hoc est, unde Gre˛corum cavenda esse pre˛dicamus consortia. Ebd. S. 60: Igitur scitote, karissime, si ex hoc ad Gre˛cos, quod avertat Dominus, conversio vestra fuerit, partem vestram divinitus cum his ponendam, qui primam fidem irritam faciunt, et cum his, quorum libenter amplectimini portionem. Porro si nos audieritis et ad sancti Petri gremium redieritis, ut filios vos amantissimos expansis sinibus recipiemus et exertis brachiis amplectemur et in visceribus Christi dilectionis semper habebimus et, si qua sunt sancta, si qua salubria, si qua congrua vobis, et pro vobis offerre atque impendere non cessabimus. Ders., ep. 182 von 879, S. 146: Aut illis credidistis, ut pace Grecorum loquamur, qui cotidie novis et variis disciplinis atque dogmatibus confunduntur? Ders., Fragmenta ep. 37, ebd. S. 295f. So auch in einem Brief an die dalmatinischen Bischöfe: Ders., Registrum, ep. 196, vom 10. Juni 879, S. 157: Porro si aliquid de parte Grecorum vel Sclavorum super vestra ad nos reversione vel consecratione aut de pallii perceptione dubitatis, scitote pro certo, quoniam nos secundum sanctorum patrum decessorumque nostrorum pontificum statuta vos adiuvare auctoritate curabimus.
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
anderen Brief an den Bulgarenkönig die Griechen auf der einen Seite als „Usurpatoren“,139 so schickt er dem Kaiser Basilios und seinen Söhnen Konstantin und Alexander auf der anderen Seite ein devotes Glückwunschschreiben zum Amtsantritt.140 Kennzeichnend für ein Bewußtsein der Unterschiede und die defensive Haltung gegenüber griechischen Vorwürfen ist ein Brief des Papstes Nikolaus I. an Hinkmar von Reims und die westfränkischen Bischöfe aus dem Jahre 867, den Hinkmar dann in seinen Annales Bertiniani zitiert und in dem der Papst (so Hinkmar) sich über „die Verleumdungen der griechischen Kaiser und der östlichen Bischöfe gegen die römische Kirche“ beklagt.141 Danach warf man der lateinischen Kirche vor, daß man hier am Samstag faste, daß man den Heiligen Geist von Vater und Sohn ausgehen lasse, daß man Priestern die Ehe untersage, daß man bei der Taufe nicht die Stirn des Getauften mit Taufwasser berühren lasse, daß man das Taufwasser aus dem Fluß nehme, daß man sich nicht acht Wochen vor Ostern des Fleisches und sieben Wochen des Genusses von Käse und Eiern enthalte, daß man zu Ostern nach Sitte der Juden zugleich ein Lamm opfere, daß die Geistlichen sich den Bart rasieren und ein Diakon ohne Priesterweihe zum Bischof geweiht werden könne.142 139
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Ders., ep. 198, von 879, S. 159: Non enim licitum fuit Grecis alterius parroechiam usurpare, sanctis hoc patribus apertissime prohibentibus. Ders., ep. 207, S. 166ff., vom Aug. 879. Annales Bertiniani a. 867, S. 139: innotescens, praefatos Grecorum imperatores, sed et orientales episcopos calumniari sanctam Romanam ecclesiam. Ähnlich in Hinkmars Briefen an die Bischöfe Odo von Beauvais und Johannes von Cambrai: ep. 201f., S. 225ff. Nikolaus I., ep. 100, S. 603: Conantur enim tam nostram specialiter quam omnem generaliter, quae lingua Latina utitur, ecclesiam reprehendere, quia ieiunamus in sabbatis, quod spiritum sanctum ex patre filioque procedere dicamus, cum ipsi hunc tantum ex patre procedere fateantur. Dicunt praeterea nos abominari nuptias, quia presbiteros sortiri coniuges prohibemus, et insimulare temptant, quoniam eosdem presbiteros chrismate linire baptizatorum frontes inhibemus; quod tamen chrisma nos ex aqua fluminis conficere fallaciter arbitrantur. Reprehendere nihilominus moliuntur, eo quod octo ebdomadibus ante Pascha a carnium et septem ebdomadibus a casei et ovorum esu more suo non cessamus. Mentiuntur quoque nos, sicuti per alia ipsorum conscripta indicatur, agnum in Pascha more Iudaeorum super altare pariter cum dominico corpore benedicere et offerre. Quin et reprehendere satagunt, quia penes nos clerici barbas radere suas non abnuunt et quia diaconus non suscepto presbiteratus officio apud nos episcopus ordinatur. Danach fast wörtlich Annales Bertiniani a. 867, S. 148f.
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Die religiöse Abgrenzung resultiert in aller Regel aus griechischen Vorwürfen und besteht nicht in der Ablehnung des orthodoxen Glaubens insgesamt, sondern resultiert fast durchweg aus der Zurückweisung ganz bestimmter Glaubensinhalte oder -formeln, die teils zwar durchgängig erscheinen, die Diskussion zumeist aber nur zu bestimmten Zeiten dominieren. Das sind vor allem der Bilderstreit des späten 8. und frühen 9. Jahrhunderts, der filioque-Streit um den Stellenwert des Heiligen Geistes im Glaubensbekenntnis, der, wieder mit „Stoßzeiten“, sich letztlich durch die ganzen Jahrhunderte hindurchzieht und sich engstens mit dem Trinitätsverständnis, nämlich der Gleichheit der drei göttlichen Personen verbindet, sodann der Eucharistiestreit um die Verwendung von gesäuertem oder ungesäuertem Brot, der erst im hohen Mittelalter eine Rolle spielt, und weitere Kontroversen um die Liturgie, ferner Unterschiede in bezug auf den Klerus sowie eine Reihe von Einzelfragen um bestimmte Bräuche. Ein entscheidender (kirchenpolitischer) Streitpunkt ist schließlich natürlich der Primatsanspruch des Papstes. Im folgenden ist das in diesen Streitigkeiten aufscheinende Wissen um die griechische Lehre und Praxis und deren westliche Bewertung vor allem im Hinblick auf eine Abgrenzung vom römisch-katholischen Christentum zu analysieren. (1) Dabei ist der Bilderstreit143 nur kurz zu streifen, weil der Ikonoklasmus letztlich nicht ein Kennzeichen des griechisch-orthodoxen Christentums, sondern in Byzanz selbst umstritten gewesen ist und sich hier nur zeitweise durchgesetzt hat, aber auch, weil es in dieser Frage kaum Anzeichen für eine grundsätzlichere Abgrenzung gibt.144 Einhard stellt in einem Brief
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Vgl. oben Anm. 19. Zur fränkischen Reaktion vgl. Nagel, Karl der Große S. 168– 202, und vor allem Noble, Images, der sich in den Kapiteln 3–5 (S. 111–243) ausführlich mit den „Libri Carolini“ auseinandersetzt und in den Kapiteln 6 und 7 (S. 244–365) die Reaktionen des Westens auf den „zweiten Ikonoklasmus“ im 9. Jahrhundert zusammenstellt. Zum Konzil von Nikäa von 787 (und dessen Vorgeschichte) ausführlich: Hans Georg Thümmel, Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil in Nikaia 787 (Konziliengeschichte. Reihe A: Darstellungen), Paderborn-München-Wien-Zürich 2005. So kann Agobard von Lyon seine Schrift ‚De picturis et imaginibus‘ (ed. Lieven Van Acker, CCM 52, Turnhout 1981, S. 151–181) ohne jede Anspielung auf die Griechen verfassen. Gegen die Verfasserschaft Agobards: Egon Boshof, Erzbischof Agobard von Lyon. Leben und Werk (Kölner Historische Abhandlungen 17), Köln-Wien 1969, S. 139–158. Papst Gregor III. entwickelte aber immerhin ein Gegenprogramm der Bilder; vgl. Angenendt, Der römische und gallisch-fränkische Anti-Ikonoklas-
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über die Kreuzesverehrung sogar (zutreffend) fest, die Griechen würden zwischen Gebet (oratio) und Anbetung (adoratio) unterscheiden: Das eine beziehe sich auf den Geist, das andere auf den Körper.145 Im Frankenreich verblieb man zwischen den Extremen und wies auf fränkischen Synoden den Bildersturm ebenso eindeutig zurück wie die Bildanbetung. (Wer Bilder verehrt, verehrt die darauf abgebildeten Personen, hatte das Konzil von Nikäa von 787 entschieden146 und damit eine Reaktion im Westen ausgelöst.) Die Doppelbedeutung von adorare (verehren – anbeten) führte im Westen zu Mißverständnissen. So beschloß die Frankfurter Synode von 794 (noch ohne Einhards spätere Differenzierung vorzunehmen): „Geklagt wurde in dieser Versammlung auch über die jüngste Synode der Griechen, die sie in Konstantinopel über die Anbetung [bzw. Verehrung] (adoratio) der Bilder abhielten und in der schriftlich festgehalten wurde, daß mit dem Anathem zu bestrafen sei, wer den Bildern der Heiligen nicht gleich der göttlichen Dreifaltigkeit diene und sie anbete. Unsere vorgenannten allerheiligsten Väter verwarfen Anbetung und Dienst völlig und verurteilten sie einmütig.“147
Mit den „Libri Carolini“ wurde eine ganze Schrift eigens zu diesem Thema zusammengestellt, für die vor allem wohl Théodulf von Orléans verantwortlich zeichnet.148 Sie richtet sich sowohl gegen Byzanz als auch gegen das Papsttum in Rom149 und stellt klar, daß Bilder nicht in sich heilig sind.
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mus S. 206f., der, ebd. S. 219, einen Unterschied zwischen Ost und West darin sieht, daß hier die Reliquien eine größere Rolle spielten als die Bilder. Einhard, Quaestio de adoranda cruce, ed. Karl Hampe, MGH Epp. 5, Berlin 1898/99, S. 148: Illud tamen nosse debes, quod Greci inter orationem et adorationem talem differentiam faciunt, ut orationem proséuchin, adorationem proschínusin appellent, idque huiuscemodi differentia demonstrari, quod horum alterum ad mentis, alterum ad corporis spectat officium. Vgl. Noble, Images S. 101f. Kapitular der Frankfurter Synode a. 794, MGH Conc. 2,1, Nr. 19 G, c. 2, S. 165: Allata est in medio questio de nova Grecorum synodo, quam de adorandis imaginibus Constantinopolim fecerunt, in qua scriptum habebatur, ut qui imagines sanctorum ita ut deificam trinitatem servitio aut adorationem non inpenderent, anathema iudicaverunt: qui supra sanctissimi patres nostri omnimodis adorationem et servitutem rennuentes contempserunt atque consentientes condempnaverunt. Vgl. dazu ausführlich Noble, Images S. 180–206, der die Komplexität, aber, trotz einiger Mißverständnisse, auch die insgesamt sehr sachliche Auseinandersetzung Theodulfs betont. Vgl. dazu Kristina Mitalaité, La double controverse des Libri Carolini avec Rome et les Grecs, in: Michel Lemoine (Hg.), L’image dans la pensée et l’art au Moyen
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Solche Äußerungen einer klaren Abweisung griechischer Diskussionen enthalten jedoch nur bedingt Hinweise auf eine Wahrnehmung, die hier einen anderen Glauben sich entwickeln sähe. Vielmehr betont Papst Hadrian I., daß die Griechen nicht nur vergeblich versucht hätten, die Römische Kirche zu exkommunizieren, weil diese die Bilder nicht verehrte, während man zuvor doch hätte untersuchen müssen, „was die Kirche des jeweiligen Teils [bzw. der jeweilige Teil der Kirche] in dieser Frage denke“, sondern daß die Griechen selbst von dieser Häresie wieder abgerückt und zur katholischen Kirche zurückgekehrt seien und den Bildersturm als häretisch verurteilt hätten.150 Der Text läßt erkennen, daß zwar der griechische Bildersturm, nicht aber die östliche Kirche als Ganzes als Häresie betrachtet wird und daß Ost und West vielmehr nach wie vor als (unterschiedliche) Teile ein und derselben Kirche verstanden werden. Immerhin ist die „Episode“ auch im Westen noch lange in Erinnerung geblieben; noch Ademar von Chabannes verweist im frühen 11. Jahrhundert mit den Fränkischen Reichsannalen darauf, daß König Pippin und die katholischen Bischöfe über die Frage der Heiligenbilder verhandelt und die „Pseudosynode“ von Nikäa zurückgewiesen hätten.151
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Âge. Colloque organisé à l’Institut de France le vendredi 2 décembre 2005 (Rencontres Médiévales Européennes 6), Turnhout 2006, S. 9–24 (26). Zum Verhältnis zwischen Karl dem Großen und Rom im Bilderstreit vgl. auch Hans Georg Thümmel, Karl der Große, Byzanz und Rom. Eine Positionsbestimmung am Beispiel des Bilderstreits, in: ZKG 120, 2009, S. 58–70. Epistolae selectae pontificum Romanorum Carolo Magno et Ludowico Pio regnantibus scripto. Hadrian I., ep. 2, c. 52, S. 39: Quod inutiliter et incaute Greci ecclesiam catholicam anathematizare conati sunt in eorum synodo, eo quod imagines non adoret, cum utique prius debuerint omnino scrutari, quid uniuscuiusque partis ecclesia de hac causa sentire vellet. Illi non anathematizaverunt catholicam ecclesiam, sed magis ad eam reversi, anathematizaverunt pseudosillogum illud una cum conplicibus eius hereticis, qui sacras imagines in sancta ecclesia a priscis temporibus constitutas inverecunde et incaute non solum deposuerunt, sed insuper incenderunt. Et ideo secundum traditionem sanctae catholicae et apostolicae ecclesiae ab ipsa reversi heresi, specialiter eam contempnentes anathematizaverunt. Zur päpstlichen Wahrnehmung der Religion im Osten von Gregor II. zu Beginn bis zu Leo III. Hadrian I. am Ende des 8. Jahrhunderts vgl. Bele Freudenberg, ‚Unus grex et unum ovile?‘ The Papacy’s Comprehension of the Greek-Orthodox Religion in the Eighth Century, in: Millennium. Jahrbuch zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends nach Chr. 10, 2013, S. 349–372; ausführlicher zu Hadrian ebd. Ademar von Chabannes, Chronicon 1,59, S. 72, nach den Annales regni Francorum a. 767 (vgl. unten Anm. 153): Rex vero Pipinus in Gentiliaco habuit placitum et sino-
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(2) Mehr Aufmerksamkeit erregte und verdient der Filioque-Streit,152 zum einen, weil er einen Nerv des Trinitätsverständnisses traf, und zum andern, weil das ein dauerhafter Streitpunkt blieb, der in allen Jahrhunderten immer wieder zu entsprechenden Diskussionen führte. Aus der Vielfalt der Äußerungen können hier nur einzelne Berücksichtigung finden. Schon Pippin, so berichten die Fränkischen Reichsannalen habe eine Synode wegen der Diskrepanzen mit den Griechen in der Trinitäts- und Bilderfrage einberufen.153 Den Sachverhalt selbst nimmt auf dieser Grundlage auch Ado von Vienne in seine Weltchronik auf: „In dieser Zeit, im Jahre der Menschwerdung des Herrn 767, wurde eine Synode abgehalten und zwischen Griechen und Römern die Frage der Trinität erörtert, ob der Heilige Geist wie aus dem Vater, so auch aus dem Sohn hervorgeht, sowie darüber, ob in Kirchen Heiligenbilder gestaltet oder gemalt werden dürfen.“154
Johannes Scotus Eriugena berichtet noch wertfrei, nach der Synode von Nikäa gehe der Heilige Geist bei den Griechen allein aus dem Vater, nach anderen griechischen Auslegungen allerdings aus dem Vater durch den Sohn, bei den Lateinern hingegen aus Vater und Sohn hervor.155 Andererseits stellt Isidor von Sevilla bereits lange vorher fest, die (oder gewisse) Griechen würden die „Lateiner“ tadeln, weil sie den Heiligen Geist aus Vater und Sohn hervorgehen ließen und damit von nizänischen Glaubensbe-
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dum magnum inter Romanos et Grecos et Aquitanos et Francos de fide sancte Trinitatis et de sanctorum imaginibus que ponuntur in ecclesiis; ebd. 2,12, S. 94 (vgl. unten Anm. 340). Vgl. dazu Nagel, Karl der Große S. 203–226, zur Karolingerzeit, und, bis ins 12. Jahrhundert, vor allem Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse. Annales regni Francorum a. 767, S. 24: Tunc habuit domnus Pippinus rex in supradicta villa synodum magnum inter Romanos et Grecos de sancta Trinitate vel de sanctorum imaginibus. Ado von Vienne, Chronicon. Aetas sexta a. 727, Sp. 125 A: Facta est tunc temporis synodus, anno Incarnationis Domini septingentesimo sexagesimo septimo, et quaestio ventilata inter Graecos et Romanos de Trinitate et utrum Spiritus sanctus, sicut procedit a Patre, ita procedat a Filio, et de sanctorum imaginibus, utrumne fingendae an pingendae essent in ecclesiis. Johannes Scotus Eriugena, Periphyseon 2, CCM 162, S. 104: Ad cumulum quoque obscuritatis augetur quod symbolum catholicae fidei secundum Graecos a Nicena synodo traditum a patre solummodo spiritum sanctum procedere profiteatur, teste Epiphanio Cypri episcopo in libro suo De fide; iuxta uero latinos a patre et filio, quamuis in quibusdam Graecorum expositionibus eundem spiritum a patre per filium procedere reperiamus.
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kenntnis abwichen,156 während Anastasius Bibliothecarius feststellt, „wir“ und die Griechen lehrten, daß er „gemäß etwas“ hervorgeht und gemäß etwas nicht hervorgeht (macht also keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden Lehren, sondern führt die scheinbare Diskrepanz auf Sprachunterschiede zurück).157 Anastasius empfindet das filioque-Problem überhaupt als ein Problem der Übersetzung griechischer Konzepte ins Lateinische.158 Schon Isidor von Sevilla hatte gelehrt, daß dem griechischen Trinitätsverständnis una ousia – tres hupostaseis im Lateinischen die Vorstellung von drei Personen mit drei Substanzen erwecken könnte, weil man hier in bezug auf Gott nicht von „Substanz“, sondern von „Essenz“ rede, Substanz bei den Griechen tatsächlich aber (wenn auch mißbräuchlich) eher die Person als die Natur meine.159 Das filioque hatte im Westen tatsächlich eine lange Tradition (und galt eben deshalb als rechtmäßig). Ein wichtiger Anstoß kam von außen, als 156
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Isidor von Sevilla, Epistolae, ep. 6,4, ed. Gordon B. Ford jr., The letters of St. Isidore of Sevilla, Amsterdam 21970, S. 30/32: Item nobis insinuare curasti quorumdam Graecorum obiectionem, quod in Nicaena vel Constantinopolitana synodo sub anathemate prohibitum legitur in Symbolo et in illo sancti Athanasii de fide catholica diminuere vel addere aliquid; atque ideo quidam ex Graecis Latinos proterve nituntur reprehendere, quod in professione sanctae fidei Deo corde et ore decantent: ‚Qui ex Patre Filioque procedit,‘ cum in praedictis conciliis fuerit positum ‚ex Patre procedit‘, et sancta Romana Ecclesia ex Patre Filioque Spiritum sanctum procedere approbat atque credit. Anastasius Bibliothecarius, ep. 9, ed. Gerhard Laehr und Ernst Perels, MGH Epp. 7, Berlin 1912/28, S. 425: dum scilicet et nos et Grecos edocet secundum quiddam procedere et secundum quiddam non procedere Spiritum sanctum ex Filio, difficultatem exprimendi de alterius in alterius linguae proprietatem significans. Ebd.: ubi frustra causari contra nos innuit Grecos, cum nos non causam vel principium Filium dicamus Spiritus sancti, ut autumant, sed unitatem substantiae Patris ac Filii non nescientes, sicut procedit ex Patre, ita eum procedere fateamur ex Filio, missionem nimirum processionem intelligentes, pie interpretans utriusque linguae gnaros ad pacem erudiens. Isidor von Sevilla, Etymologiae 7,4,11f., S. 274: Fides apud Graecos de Trinitate hoc modo est: una ousia, ac si dicat una natura aut una essentia: tres ‘upostaseiv, quod resonat in Latinum uel tres personas uel tres substantias. Nam Latinitas proprie non dicit de Deo nisi essentiam; substantiam uero non proprie dicit, sed abusiue; quoniam uere substantia apud Graecos persona intellegitur, non natura. Danach Benedikt von Aniane, Opuscula III, Migne PL 103, Sp. 1413 B: scito professu Graeco fidem esse hoc modo, una usia, ac si dicat, una natura vel essentia, tres hypostases, quod resonat in Latinum vel tres personas vel tres substantias.
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nämlich die Mönche des Ölbergklosters (s. Oliveti) in Jerusalem wiederum Papst Leo III. beschworen, die Trinität untrennbar zu erhalten, indem das Symbolum den Heiligen Geist aus Vater und Sohn hervorgehen lasse, während die Griechen ihn nur aus dem Vater hervorgehen lassen160 (und damit eine innerkatholische Diskussion auslösten). Das karolingische Interesse an der Formulierung – die erst vom Frankenreich aus mit einiger Verzögerung auch vom Papsttum übernommen wurde – ist sicherlich im Zusammenhang mit dem spanischen Adoptionismusstreit zu sehen: Ging es hier um die Gleichheit von Vater und Sohn, so sah man im filioque-Streit die Gleichheit des Heiligen Geistes gefährdet (und bezeichnenderweise suchten die Autoren das filioque vor allem mit Autoritäten zu stützen, die die Gleichheit der drei göttlichen Personen betonen). Indem die Streitfrage aber mit dem Trinitätsverständnis verknüpft wird, erhält sie nicht nur einen zentralen Stellenwert, sondern rückt jede Abweichung in die Nähe der Häresie. Wenn der heilige Geist aus zwei Substanzen hervorgehe, folgert Johannes Scotus Eriugena, dann widerspreche das dem wahren Glauben.161 Noch Anselm von Canterbury findet es nicht angemessen, von drei göttlichen Personen im gleichen Sinn wie von drei Substanzen zu sprechen; glaubten die Lateiner an drei Personen in einer Substanz, so seien die Griechen nicht weniger gläubig von drei Substanzen in einer Person überzeugt.162 Anselm erkennt jedoch ebenfalls, daß die Griechen das Substanz 160
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Epistolae selectae pontificum Romanorum, ep. 7, S. 66: Unde iterum atque iterum, sancte pater, in terram prostrati cum lacrimis postulamus et rogamus te per Patrem et Filium et Spiritum sanctum, qui trinitas inseparabilis unus dicitur, ut digneris inquirere tam in Graeco quam in Latino de sanctis patribus, qui symbolum composuerunt, istum sermonem, ubi dicitur: ‚ex Patre Filioque procedit‘. Et in Graeco non dicunt sicut nos, sed dicunt: ‚qui ex Patre procedit‘ et vident istum sermonem gravem, quem nos dicimus in Latino. Johannes Scotus Eriugena, Periphyseon 2, CCM 162, S. 104: Si enim ex duabus personis seu, ut Graeci dicunt, ex duabus substantiis spiritus sanctus procedit, quid mirum aut uerae religioni contrarium ex duabus causis ipsum procedere fateri? Et hanc caliginem mihi reseras flagito. Anselm von Canterbury, ep. 83 (Ad Rainaldum abbatem), ed. Schmitt, Bd. 3, S. 208: Nesciebant enim sic non dici proprie de deo tres personas quomodo tres substantias, quadam tamen ratione ob indigentiam nominis proprie significantis illam pluralitatem quae in summa trinitate intelligitur, Latinos dicere tres personas credendas in una substantia, Graecos vero non minus fideliter tres substantias in una persona confiteri. Quapropter vestram vehementer efflagito sanctitatem, ut idem opusculum non verbosis et litigiosis hominibus, sed rationabilibus et quietis ostendat.
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nennen, was die Lateiner unter Person verstehen. Somit liege hier kein Unterschied in der Lehre vor.163 Noch deutlicher stellt Petrus Abaelard klar, daß die scheinbare Verdreifachung der Substanz lediglich aus einem unterschiedlichen Sprachgebrauch resultiere, während die Einheit des Glaubens bei Griechen und Lateinern dadurch nicht gefährdet sei.164 Daher bestehe kein Grund zu entsprechenden Vorwürfen165 oder zu Häresieverdacht.166 Die 163
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Ebd. ep. 204 (an das Kloster St. Alban), Bd. 4, S. 96: Hac necessitate patres catholici, quando loquebantur de illis tribus, elegerunt nomina quibus illos tres nominare possent pluraliter; Graeci quidem nomen substantiae, Latini vero nomen personae; sed ut omnino quod nos ibi intelligimus per personam, hoc ipsi et non aliud intelligant per substantiam. Sicut ergo nos dicimus in Deo unam substantiam esse tres personas, ita illi dicunt unam personam esse tres substantias, nihil a nobis diverse intelligentes aut credentes. Petrus Abaelardus, ep. 15, Migne PL 178, Sp. 365 B: Non igitur per personam aliud aliquid significamus quam per substantiam, licet ex quadam loquendi consuetudine triplicare soleamus personam, non substantiam, sicut Graeci triplicare solent substantiam. Neque vero dicendum est quod in fide Trinitatis errent triplicando substantiam, quia licet aliter dicant quam nos, id tamen credunt quod nos, quia, sicut diximus, sive persona sive substantia sive essentia in Deo prorsus idem significant. In locutione enim tantum diversitas est, in fide unitas; alioquin iam non esset apud Graecos Ecclesia. Vgl. Ders., Sic et non, qu. 8, sent. 31, ed. Blanche B. Boyer und Richard McKeon, London-Chicago 1976, S. 134: Loquendi causa de ineffabilibus, ut fari aliquo possemus modo quod effari nullo modo possumus, dictum est a nostris Graecis una essentia tres substantiae, a Latinis una essentia vel substantia tres personae, quia, sicut iam diximus, non aliter in sermone latino essentia quam substantia solet intelligi. Das ist nahezu identisch mit ebd. qu. 9, sent. 6, S. 137. Fast wörtlich auch Ders., Theologia christiana 4,27, ed. Eligius Maria Buytaert, CCM 12, 1969, S. 277. Ebd. 4,28, S. 277f.: Non est autem nunc nobis sermo aduersus Graecos; nec fortassis a nobis in sensu diuersi sunt sed in uerbis tantum, abutentes hoc loco nomine ‚substantiae‘ pro ‚persona‘, cum et ipsam nonnumquam usiam, id est substantiam, ad naturam ipsius essentiae, non ad proprietatem personae, in ipsa quoque diuina substantia dicere non recusent, sicut et in ceteris quibuscumque substantiis quibus hoc nomen totius praedicamenti substantiae commune est. So, ansonsten ganz ähnlich, Petrus Lombardus, Sententiae lib. 1, dist. 23, c. 4, par. 1 – c. 5 par. 1, S. 184f.: Rursum non poterat dicere non esse tria quaedam: Quod quia dixit Sabellius, in haeresim lapsus est. Quaesiuit ergo quid tria diceret, et dixit tres personas, siue tres substantias secundum Graecos. Sicut nos dicimus tres personas, ita Graeci tres substantias, quas dicunt hypostases, aliter accipientes substantias quam nos. Quod enim de personis secundum nostram, hoc de substantiis secundum Graecorum consuetudinem oportet intelligi. Sic enim illi dicunt tres substantias, unam essentiam (id est tres hypostases, unam usiam), quemadmodum nos dicimus tres personas, unam essentiam uel substantiam. Quamquam et illi si uellent, sicut dicunt tres substantias tres hypo-
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Einsicht in sprachliche Differenzen verhindert hier einen Auseinanderfall der Lehren. Dennoch setzt man sich damit auseinander, und nicht immer ist man auf Versöhnung bedacht. Verschiedene karolingische Schriften nehmen dezidiert zu dem Problem Stellung, um jeweils die Richtigkeit der eigenen Formel zu beweisen. Der filioque-Streit nimmt in diesen Traktaten eine hervorragende Stellung ein, doch letztlich geht es allen Autoren um die Zusammenstellung aller Unterschiede zwischen dem römisch-katholischen und dem griechisch-orthodoxen Glauben. Die Schriften, auf die im folgenden daher immer wieder zurückzukommen ist, zeigen in unserem Zusammenhang somit insgesamt recht deutlich, welche Differenzen man wahrgenommen hat und wie man damit umgegangen ist. Rathramnus von Corbie stellt in seiner ausführlichen Schrift „Gegen die entehrenden Widersprüche der Griechen gegenüber der römischen Kirche“167 die Vorwürfe der Griechen gegen die Lateiner zusammen, um deren Gewohnheiten mit ausführlichen, darunter bewußt auch griechischen Kirchenväterzitaten zu rechtfertigen, und zeigt auf diese Weise eine ganze Reihe von Abweichungen auf, die uns gleich noch weiter beschäftigen werden. Dem filioque-Streit sind in diesem Spektrum aber immerhin drei der vier Bücher gewidmet. Die Kaiser Michael und Basilius, so heißt es gleich zu Beginn der Schrift, hätten die römische Kirche verdächtigt, indem sie Falsches, Häretisches, Abergläubisches und Unreligiöses behaupteten.168 Indem sie den Heiligen Geist aber nicht von Vater und Sohn ausgehen ließen, zeigten sie selbst häretische Verkehrtheit, entfernten sich aus der Gemeinschaft der Kirche und lästerten Gott im Heiligen Geist.169 Das sind
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stases, possent dicere tres personas tria prosopa. Illud autem maluerunt dicere, quia fortasse secundum linguae suae consuetudinem aptius dicitur. Quod in Trinitate non est diuersitas nec singularitas uel solitudo, sed unitas et trinitas, et distinctio et identitas. Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita Romanam ecclesiam infamantium libri quatuor, Sp. 223–346. Vgl. dazu Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse S. 210ff. Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 1,1, Sp. 225 D: Opposita quibus Michael et Basilius, Graecorum imperatores, Romanam Ecclesiam infamare conantur, vel falsa vel haeretica vel superstitiosa vel irreligiosa fore cognoscuntur. Ebd. Sp. 227 A: Item, quod culpare nituntur non solum Romanam, verum omnem Latinam Ecclesiam, quod Spiritum sanctum de Patre Filioque procedere confiteamur, secundum catholicam fidem, cum illi tantum dicant, eum de Patre procedere, nonne se haereseos pravitate condemnant, et ab Ecclesiae communione removent, et in Spiritum sanctum blasphemant?
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deutliche Worte, auch wenn sie in eine (rhetorische) Frage gekleidet sind. Gleichwohl geht es Rathramnus um die Einheit der Kirche: „In demselben Glauben aber bleibt stets sowohl die östliche wie westliche Kirche,“ wie Christus ihn den Aposteln und diese ihn der Kirche überliefert haben. Obwohl häufig Häresien auftreten, die gleichsam wie schlechte Fische die Netze zerreißen, können sie doch die Einheit des Glaubens niemals trennen.170 Das ist letztlich ein Appell an diese Einheit, aber auch das Eingeständnis, daß man (wie hier die Griechen) davon abweichen kann. Wenn Rathramnus die filioque-Kontroverse aber mit dem Arianismus in Verbindung bringt – „es sei fern, daß ihr behauptet, der Heilige Geist sei geringer als Vater und Sohn“ –, greift er den Häresiebezug noch einmal auf (um mit einem absit zugleich seinen Zweifel daran oder seine Verwunderung darüber zu bekunden, daß die Griechen so etwas tun würden).171 Man dürfe weder die Römische Kirche leichtfertig tadeln, weil sie den Einrichtungen der Vorfahren folgt, noch muß jene den Griechen folgen; im Trinitätsverständnis aber gilt das, was von den Jüngern Christi ausströmt.172 Zu behaupten, der Heilige Geist gehe (nur) vom Vater aus, ist jedenfalls nicht der wahre Glaube, sondern Blasphemie und gleicht der arianischen Häresie!173 (und Rathramnus sucht mit Väterzitaten nachzuweisen, daß das novi secta[m]
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Ebd. 1,2, Sp. 228 BC: Perceperunt illi ab apostolis, apostoli a Christo acceperunt. In eadem fide tam Orientalis quam Occidentalis semper remansit Ecclesia. Noverunt etenim apostoli dictum, quod est ‚una fides, unum baptisma‘ (Eph 4,5). Et licet haereses frequenter exsurgerent, quae tanquam mali pisces Christi retia rumperent, Christi tamen tunica permansit integra. Instituta vero maiorum suis quibuscunque locis edita, sicut non omnibus ecclesiis eadem, sic unitatem fidei nullo modo divisere: nec propter alternae consuetudinis commutationem mutuae societatis amisere communionem. Ebd. 1,3, Sp. 229 B: Absit autem ut Arii partes velitis astruere; absit ut Spiritum sanctum minorem Patre Filioque velitis affirmare. Ebd. 2,1, Sp. 244 D: Quod si nimis stultum nimiumque insolens esse cognoscitur, non debuit Ecclesia Romana tam leviter reprehendi, quod maiorum servat instituta suorum, nec in omnibus sequitur instituta Graecorum; quandoquidem sive de sancta Trinitate vel de cuiuscunque observantia religionis quidquid vel tenet vel exercet, discipulorum Christi manavit de fonte. Ebd. 2,2, Sp. 247 AB: Dein Ariana repullulante vesania, volenteque confirmare non esse rectae fidei Spiritum sanctum dicere de Patre procedere, hoc quia videretur esse blasphemum, quoniam duorum profiteretur Pater esse, id est Filii seu Spiritus sancti: hanc quoque blasphemiam propellendam decernentes Ecclesiae doctores, superaddidere symbolo Spiritum sanctum de Filio quoque procedere.
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erroris ist).174 Folglich sind die griechischen Vorwürfe, die Lateiner wichen von der Autorität ab, absurd.175 Der Heilige Geist sei in Substanz und Wirken (operatio) mit Vater und Sohn verbunden und gehe daher zwangsläufig von beiden aus.176 Alle Christen, so wiederholt Rathramnus am Beginn des vierten Buches, aber haben den gleichen Glauben und sollen, wie der Apostel mahnt, dasselbe verstehen und nicht Verschiedenes wahrnehmen.177 Wenn die westliche Lehre richtig ist, heißt das in der Konsequenz, muß die östliche falsch sein. Bischof Aeneas von Paris beruft sich in seinem „Buch gegen die Griechen“178 auf die Nachfolge des Dionysius, des ersten Bischofs von Paris, der von Paulus, dem „Apostel der Athener“, geweiht und vom römischen Bischof Clemens zum Apostel ganz Galliens eingesetzt worden sei (um damit offensichtlich die enge Bindung zu beiden Kirchen zu betonen). Während die Schrift selbst fast ganz aus der Zusammenstellung von Autoritäten besteht, welche die Richtigkeit des filioque beweisen sollen,179 wird die Einstellung des Aeneas gegenüber der griechischen Kirche im Vorwort deutlich, wenn der Bischof sich nämlich gegen „das vergiftete Verderben der verkehrten Lehre“ richtet, die sich vom Beginn der Kirche an bis zur Gegenwart leichtfertig und schleichend ausbreite und heimtückisch das Wahre in Falsches umkehre180 (und wieder greift eine solche Formulierung gängige, 174 175
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So ebd. 2,5, Sp. 266 CD. Ebd. 3,1, Sp. 272 B: licet stultissimum sit dicere Latinorum nolle auctoritatem recipere, eisque non consentiendo schismatis novitatem construere, alienosque ab Ecclesia catholica sese reddere. Ebd. 3,4, Sp. 294 D: Unum esse dicit sanctum Spiritum ex sancta Trinitate cooperatorem, qui non solum substantia, verum operatione Patri Filioque copuletur tanquam ab utroque procedens et cum utroque cooperans: quod non posset facere, si non ab utroque procedendo substantiam et accepisset et accipiat. Ebd. 4,1, Sp. 303 D/304 C: Quae sint autem de quibus obsecrat idem sentire, idem loqui, nec ullam fieri divisionem […]. In his enim nulla fit diversitas credentium, quando sanctae Trinitatis confessionem et Salvatoris nostri Iesu Christi nativitatem ex Virgine, passionem, mortem, resurrectionem, in coelos ascensionem, ad dextram Patris consessionem, et corde credimus […]. In his enim obsecrat nos Apostolus idem sapere, non diversa sentire. Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos, Migne PL 121, Sp. 683–762. Vgl. dazu Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse S. 221ff. Nämlich Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos 1–94, Sp. 689–721. Ebd. praef. Sp. 685 C: Ita si quidem venenata pernicies perversi dogmatis ab initio nascentis Ecclesiae usque ad praesens nequiter pullulans serpere non desistit, occupare
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sonst gegen Häretiker verwendete Vorwürfe auf). So habe sich zur Zeit des rechtgläubigen Kaisers Ludwig Griechenland, das sich selbst mit allen Kräften als Mutter der Worte und Gebärerin der Philosophie und als Gönnerin der freien Künste bezeichnet, über solch überflüssigem Aberglauben merkwürdigerwiese mit so billigen Fragen befaßt und damit auch die Römische Kirche und sogar die ganze lateinische Welt in Versuchung geführt.181 Und Aeneas stellt das in eine lange Linie östlicher Häresien, während in Rom kein einziger Häresiarch auf den Papststuhl gelangt sei, den der Apostelfürst vielmehr mit seinem Vorsitz erleuchtet und mit seinem Blut geweiht; diesem aber habe der Gottessohn ganz besonders die Sorge zur Lenkung aller seiner Schafe anvertraut.182 Schließlich antworten auch die auf der Synode von Worms vom Mai 868 versammelten Bischöfe auf griechische Vorwürfe gegen die katholischen Bräuche.183 Angesichts der Differenzen beginnt auch diese Schrift mit der Betonung der Einheit des christlichen Glaubens:
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incautos, corrumpere doctrina quietos, more latronis aggredi latenter bene degentes, vera in falsis transmutare callide laborans. Ebd. Sp. 686 A: Itaque temporibus gloriosi et orthodoxi Ludovici imperatoris Graecia, quae se matrem verborum et genitricem philosophorum et omnium liberalium artium fautricem appellari contendit, de his superstitionibus superfluis, quae et nunc Romanam Ecclesiam, imo et omnem gentem Latina lingua utentem consulere tentavit, satisque mirandum in tam vilissimis quaestionibus occupatam. Ebd. Sp. 686 CD und 687 B: Nec adeo mirum ab Asia vel a finibus Europae, ubi sita Constantinopolis Graeciae metropolis habetur, tantarum fallaciarum oriri discrimina: si enim revolvantur sanctorum statuta canonum et ecclesiasticarum discutiatur series historiarum, ab illius regni partibus potius quam sub Romana ditione degentibus, reperientur pullulasse genimina viperarum, id est, quamplurimi inventores perversorum dogmatum, veluti fuerint, ut ex multis memoremus aliquos, Arius, Eunomius, Photinus, Marcion, Cerinthus, Manichaeus, Hebion, Nestorius Constantinopolitanus episcopus caeteraeque pestes dilatatae haereseos, quibus non fuit requies omni instantia catholicas dilacerare et oppugnare mentes. […] Non vero in Romana sede, Deo rectore, tale unquam contigit dedecus, ut aliquis haeresiarches eidem praesideret, quam summus apostolorum princeps sua sessione illustravit et fuso sanguine consecravit, cui suas regendas oves Dei Filius speciali cura commisit. Responsio contra Graecorum haeresim de fide sancte˛ trinitatis, ed. Wilfried Hartmann, MGH Conc. 4, Nr. 25, Anhang B, Hannover 1998, S. 291–307. Die theologische Abhandlung wurde für das Konzil angefertigt, um die griechischen Vorwürfe zu widerlegen. Vgl. dazu Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse S. 204ff.
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„Alle kirchliche Unterweisung im Glauben an die unteilbare Dreieinigkeit muß von allen als heilsbringend geglaubt werden, damit die Eintracht der himmlischen Würden auch in allen Völkern immer und überall ein und dieselbe bleibt.“184
Mit der Berufung auf die Gemeinsamkeit der drei göttlichen Personen ist den Häretikern zu zeigen, daß der Heilige Geist aus Vater und Sohn hervorgeht, die in der untrennbaren Trinität eins sind und alles gemeinsam haben.185 Ein Leugnen dieses Sachverhalts ist, mit Augustin, Blasphemie.186 Die Bischöfe argumentieren ontologisch mit der gleichen Substanz der drei göttlichen Personen.187 Das Problem war damit keineswegs erledigt, sondern wurde immer wieder aufgegriffen: im Photiusstreit,188 im Schismastreit von 1054189 und darüber hinaus. So schreibt noch Anselm von Canterbury:190 „Von den Griechen wird bestritten, daß der Heilige Geist vom Sohn ausgeht, wie wir Lateiner das bekennen; und sie greifen auch nicht unsere lateinischen Lehrer auf, denen wir darin folgen. […] Wenngleich die Griechen nämlich abstreiten, daß (der Heilige Geist) aus dem Sohn hervorgeht, bestreiten sie doch nicht, daß er der Geist des Sohnes ist. Sie glauben auch und bekennen, daß er durch Geburt Gott aus Gott ist und als Gott aus Gott hervorgeht, weil der Sohn als Gott aus Gottvater geboren und der
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Responsio contra Graecorum heresim S. 292: Omnis e˛cclesiastica disciplina in individue˛ trinitatis fide est ab omnibus salubriter credenda, ut ce˛lestium dignitatum concordia ‚semper et ubique‘ maneat in cunctis gentibus una. Ebd. S. 293: Ergo, quia memorati heretici spiritum sanctum non a filio, sed a patre solummodo procedere ausi sunt dicere, monstrandum est, quid proprium, quid communiter pater et filius et spiritus sanctus in individua trinitate habent et quomodo ab utroque spiritus sanctus veridice et aeternaliter procedit et quomodo ipsa sancta trinitas inseparabilis exsistit. Ebd.: Augustinus in libro de verbis domini in evangelio secundum Matheum: Qui blasphemaverit in spiritum sanctum, non remittetur ei neque in hoc se˛culo neque in futuro. Die Berufung auf Augustin greift allerdings nicht, zumal der Heilige Geist nach dem folgenden Augustinzitat aus dem Vater hervorgeht (Augustinus, Sermo 71 c. 29, ed. Verbraken S. 97). Ebd. S. 296: Nunc coaeternitatem atque unam eandemque substantiam patris et filii et spiritus sancti in sancta et individua trinitate ipso deo largiente pro sensus capacitate exposuimus. Vgl. Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse S. 165–298; Despina StratoydakiWhite, Saint Photios and the Filioque controversy, in: The Patristic and Byzantine review 2, 1983, S. 246–250. Vgl. Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse S. 299–398. Zu Anselm vgl. ebd. S. 399–510; zum 12. Jahrhundert ebd. S. 511–534.
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Heilige Geist Gott ist, da er aus Gottvater hervorgeht. Und sie glauben auch nicht, daß ein anderer Gott ist, wer geboren ist, als der, aus dem er geboren ist, und der, der hervorgeht.“191
Aber vielleicht werden sie bestreiten, daß der Heilige Geist ebenso Gott aus Gott ist, wie der Sohn Gott aus Gott ist.192 Sie bekennen ja mit uns, daß der heilige Geist der Geist Gottes, des Vaters und des Sohnes ist.193 Nur eines aber kann richtig sein.194 Beide Kirchen seien sich auch deshalb nicht einig, weil es für die Lateiner schwierig ist, die griechischen Bischöfe zu versammeln; das sei jedoch nötig, weil alle Völker und Reiche, die sich der lateinischen Sprache bedienen, darin völlig übereinstimmen.195 Die griechische Lehre sei hingegen gegen den christlichen Glauben gerichtet und zerstörte ihn, weil sie nicht wahr ist.196 Die Griechen werfen den Lateinern 191
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Anselm von Canterbury, De processione spiritus sancti 1, ed. Schmitt, Bd. 2, Seckau 1940, S. 177f.: Negatur a Graecis quod spiritus sanctus de filio procedat, sicut nos Latini confitemur; nec recipiunt doctores nostros Latinos, quos in hoc sequimur. […] Quamvis enim Graeci negent de filio illum procedere, non tamen negant eum esse spiritum filii. Credunt quoque et confitentur deum de deo esse nascendo et deum esse de deo procedendo, quia filius deus est de patre deo nascendo et spiritus sanctus deus est de patre deo procedendo; nec putant alium esse deum qui nascitur quam de quo nascitur et qui procedit. Das Motiv wird im Folgenden an vielen Stellen erörtert; vgl. etwa ebd. S. 183; ebd. 3, S. 191; ebd. 11, S. 207; ebd. 16, S. 216f. Anselm geht es dabei um die göttliche Gleichheit und personelle Unterscheidbarkeit der göttlichen Personen; der filioque-Streit mit den Griechen ist letztlich nur „Aufhänger“. Ebd. 2, S. 185: Forsitan negabunt Graeci spiritum sanctum esse deum de deo, sicut est filius deus de deo. Ebd. 12, S. 209: Confitentur Graeci nobiscum spiritum sanctum esse spiritum dei et spiritum patris et spiritum filii. Ebd. 7, S. 199: Eligant itaque Graeci unum de duobus, si aperte veritati nolunt resistere: aut scilicet spiritum sanctum non nosse patrem et filium nisi revelante filio; aut propterea quia in hoc per quod se cognoscunt pater et filius, unum sunt cum spiritu sancto, quando ipsi dicuntur se nosse, consequi ex necessitate, ut in eadem notitia intelligatur spiritus sanctus. Ebd. 13, S. 212: Quod autem quaeritur, quare hoc Graecorum ecclesiae consensu factum non est, respondemus, quia et nimis erat Latinis difficile eorum episcopos ad consulendum de hac re colligere […]. Quanto ergo magis licuit Latinis hoc constanter proferre, in quo omnes gentes et omnia regna, quae Latinis utuntur litteris, pariter concordant? Ebd. 14, S. 215: quod est contra Christianam fidem, quam cum Graecis tenemus; aut non consequenter conclusimus, quod ostendi nequit. Quare si verum non est, fides Christiana destruitur.
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eine falsche Lehre vor und hätten sie exkommuniert, schreibt auch Peter Abaelard.197 Petrus von Montecassino greift das in seiner Klosterchronik198 ebenso auf wie Petrus Lombardus, der darüber hinaus erklärt, worauf die Griechen ihre Ansicht stützen: weil es in den Evangelien stehe, von den frühen Konzilien so festgelegt und von Leo III. in einer silbernen Inschrift hinter dem Paulusaltar um des rechten Glaubens willen aufgezeichnet worden sei.199 Aufschlußreich für das Verhältnis zur katholischen Kirche ist ein von Petrus von Montecassino vermeldetes Streitgespräch am Hof Kaiser Lothars III. zwischen einem Griechen und dem Diakon Petrus, den der Grieche zusammen mit der ganzen westlichen Kirche gebannt hatte, weil sie die Bestimmungen des Konzils von Nicäa mit der filioque-Formel übertreten hätten. Dann, so Petrus, sind auch die Griechen zu exkommunizieren, weil sie hinzugefügt hätten, daß der Heilige Geist allein aus dem Vater hervorgehe. Darüber hinaus wirft der Grieche dem Papst und seinem Kirchenvolk
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Petrus Abaelardus, Theologia christiana 4,120f., S. 325 (mit Varianten in den einzelnen Handschriften): Graeci tamen ex solo Patre, non etiam ex Filio Spiritum Sanctum procedere confitenter, eo scilicet quod Veritas in Euangelio, fidem integre continente, de processione Spiritus loquens, solum Patrem commemorat dicens: Spiritus qui a Patre procedit. (121) Qui etiam super hoc quod eum a Filio quoque procedere credimus, nos uehementer arguunt atque in Constantinopolitano magno concilio excommunicatos esse dicunt. In cuius quidem symbolo, cum e Patre solummodo Spiritus procedere commemoretur, sicut et in symbolis ceterorum principalium conciliorum, subiunctum est: Anathema super omnes, qui aliter praedicauerint. Petrus, Chronica monasterii Casinensis 4,115f., S. 590f. Petrus Lombardus, Sententiae lib. 1, dist. 11, cap. 1, par. 3, S. 115: Quod Graeci non concedunt Spiritum Sanctum procedere a Filio. Graeci tamen dicunt Spiritum Sanctum tantum procedere a Patre et non a Filio. Quare dicant prima causa. Quod ideo dicunt, quia ueritas in euangelio fidem integre continente, de processione Spiritus loquens, solum Patrem commemorat dicens: ‚Spiritus qui a patre procedit.‘ Secunda. Et ideo etiam, quia in principalibus conciliis, quae apud eos celebrata sunt, ita symbola eorum subiunctis anathematibus sancita sunt, ut nulli de Trinitatis fide aliud docere uel aliter praedicare, quam ibi continetur, liceat. In quibus quidem symbolis cum Spiritus commemoretur procedere a Patre et non a Filio, quicumque, inquiunt, a Filio eum procedere addunt, anathema incurrunt; unde et nos arguunt anathematis reos. Tertia. Addunt etiam, ad assertionem suae opinionis et in testimonium nostrae damnationis, de symbolo fidei, quod secundum traditionem praedictorum conciliorum Leo III, Romae, transcriptum in tabula argentea post altare beati Pauli posita, posteris reliquit, pro amore, ut ipse ait, et cautela fidei orthodoxae.
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vor, Gelder zu verteilen, Heere zu versammeln und Purpurgewänder zu mögen, während Petrus die Priesterehe der Griechen moniert und für seinen Einsatz vom Kaiser mit hohen Ämtern geehrt wird.200 Eine gewisse Ausnahmestellung nimmt im 12. Jahrhundert Anselm von Havelberg ein, der in seinen sogenannten „Dialogi“ (die Schrift wird jetzt richtiger als „Antikeimenon“ oder „Anticimenon“ bezeichnet)201 – angeb200
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Petrus, Chronica monasterii Casinensis 4,115f., S. 590: Set cum nox supradicte disputationi finem daret, Lotharius imperator precepit, ut summo mane ante imperiale consistorium convenirent et, si quid Grecus contra Romanam haberet ecclesiam, in medium proferre morigeraret. (116) Quod dum factum fuisset, Grecus in hanc vocem prorupit: ‚Viri cordati et sensu vigentes, advertite, et in vestre mentis solio equa libratione decernite, si excommunicatus cum catholico debet conferre sermonem.‘ Petrus autem diaconus, reputans Grecum contra se iaculum excommunicationis protulisse, dixit ad eum: ‚Contra quem anathematis iaculum intulisti, si placet, edicito! Contra me an contra omnem occidentalem ecclesiam?‘ Grecus respondit: ‚Et contra te et contra omnem occidentalem ecclesiam.‘ Petrus diaconus dixit: ‚Cur?‘ Grecus respondit: ‚Quia decreta Nyceni concilii transgressi estis.‘ Petrus diaconus dixit: ‚In quo transgressi sumus statuta Nyceni concilii?‘ Grecus respondit: ‚In eo, quod adiunxistis, quia Spiritus sanctus procedit a Patre et Filio. Nam in eodem concilio scriptum est, quia Spiritus procedit a Patre.‘ Petrus diaconus dixit: ‚Si nos excommunicatos appellatis pro eo, quod adiunximus, quia Spiritus procedit a Patre et Filio, ergo et vos excommunicati estis, qui adiunxistis, quod procedit a Patre solo.‘ Ad hanc vocem Grecus conticuit atque post paululum eundem diaconum taliter alloquitur: ‚In occidentali climate nunc impletum videmus, quod Dominus per prophetam dicit: ‚Erit ut populus, sic sacerdos,‘ cum pontifices ad bella ruunt, sicut papa vester Innocentius facit, pecunias distribuunt, milites congregant, purpurea vestimenta amiciuntur.‘ His et aliis multis peroratis, cum nox diei finem imponeret, idem Grecus dicta sua et Petri diaconi responsa in Grecum sermonem transtulit, patriarche Constantinopolitano et imperatori Iohanni deferenda. Auctoritates etiam, per quas Greci uxores defendebant, Petro diacono tunc in scriptis tradidit. Imperator etiam de litigio, quod Petrus diaconus cum Greco habuerat, ultra modum gavisus, eundem diaconum interventu Richize piissime auguste et Henrici ducis Baioariorum et Conradi ducis Suevorum, logothetam, a secretis, exceptorem, auditorem, cartularium, ac cappellanum Romani imperii constituit. Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi), Migne PL 188, Sp. 1139–1248. Danach ist das erste Buch ediert von Gaston Salet, SC 118, Paris 1966. Vgl. jetzt die Übersetzung von Hermann Josef Sieben, Anselm von Havelberg. Anticimenon.
(Archa Verbi. Jahrbuch der Internationalen Gesellschaft für Theologische Mediävistik. Subsidia 7), Münster 2010. Zu Anselm vgl. Jay Terry Lees, Anselm of Havelberg. Deeds into Words in the Twelfth Century (Studies in the history of Christian thought 79), Leiden-New York-Köln 1998, S. 11–122; Sebastian Sigler, Anselm von
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liche – Gespräche vor dem Kaiser und Schiedsrichtern mit dem Metropoliten Niketas (Nechites) von Nikomedia über die Glaubensunterschiede in Ost und West (aus dem Jahr 1136) festhält, und es ist immerhin bemerkenswert, daß der „Bruch“ von 1054 solche Versuche einer Einigung wie zugleich auch einer diskussiven Auseinandersetzung keineswegs beendet hat. In der Forschung hat Anselms im ersten Buch entwickelte Geschichtstheologie viel, der eigentliche Dialog hingegen weniger Beachtung gefunden. Der „Vorspann“ ist aber unmittelbar auf das eigentliche Thema bezogen. Im ersten Buch betont Anselm nämlich zunächst die Vielheit der Formen im Verlauf historischer Wandlungen bei gleichzeitiger Einheit des Glaubens.202 In veränderlichen Gesetzen stellt sich die Kirche im Verlauf der Zeiten daher jeweils anders, und immer besser, dar.203 Das erste Buch versteht sich
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Havelberg. Beiträge zum Lebensbild eines Politikers, Theologen und königlichen Gesandten im 12. Jahrhundert, Aachen 2005. Zum Dialog vgl. ebd. S. 265–315; Gemeinhardt, Die Filioque-Kontroverse S. 518ff.; vgl. Arbagi, Byzantium S. 220ff., der (ebd. S. 228) von „Anselm’s relatively tolerant outlook“ spricht, ihn aber auch als eine Ausnahme betrachtet; zu einem Vergleich Anselms von Canterbury mit Anselm von Havelberg vgl. Gillian R. Evans, Anselm of Canterbury and Anselm of Havelberg: The Controversy with the Greeks, in: Analecta Praemonstratensis 53, 1977, S. 158–175; Ders., Unity and Diversity: Anselm of Havelberg as Ecumenist, in: ebd. 67, 1991, S. 42–52; Hermann-Josef Sieben, Die eine Kirche, der Papst und die Konzilien in den Dialogen des Anselm von Havelberg (gest. 1158), in: Theologie und Philosophie 54, 1979, S. 219–251; zur Konzilsidee Ders., Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters [847–1378] (Konziliengeschichte. Reihe B: Untersuchungen), Paderborn-München-Wien-Zürich 1984, S. 153–187 (Anselm von Havelberg [† 1158] oder gregorianische Konzilsidee versus griechische); Lees, Anselm of Havelberg S. 164–281 (vor allem zu den [kirchen-]politischen Aspekten der Auseinandersetzung); Ders., Confronting the Otherness of the Greeks: Anselm of Havelberg and the Division between Greeks and Latins, in: Analecta Praemonstratensia 68, 1992, S. 224–240. Zur Quellenkritik und zu Anselms Wahrnehmung der Griechen, vor allem im zweiten Buch, vgl. Bele Freudenberg, Dialog und Konflikt. Trennende und verbindende Elemente in der Wahrnehmung der griechischen Religion in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Das Beispiel des Anselm von Havelberg, in: Bade/Freudenberg (Hg.), Von Sarazenen und Juden, Heiden und Häretikern, S. 153–189. Das Buch trägt die Überschrift: De unitate fidei et multiformitate vivendi ab Abel iusto usque ad novissimum electum. Anselm führt hier die verschiedenen Opferriten von Abel bis Christus (1,2ff.) und die Transformationen und Stadien der Kirche im Verlauf der Geschichte (1,7ff.) wie auch die verschiedenen Mönchsorden an (1,10). Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 1,13, Sp. 1160 A: Itaque nemo miretur, neque causetur Ecclesiam Dei ab invariabili Deo variis legibus et observationibus
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als Antwort auf diejenigen, die sich über die vielen Formen der Ordensgemeinschaften und die vielen Veränderungen, Neuheiten und vielgestaltigen Berufungen beschweren.204 In der Vielheit gibt es allerdings immer auch falsche Brüder – wie nach Joh 6,70 unter den zwölf Aposteln ein Teufel ist –; folglich ist die Echtheit des Glaubens jeweils zu prüfen. Denn der Ritus der kirchlichen Sakramente und die Einrichtungen der Kirchenordnung müssen allzeit unverändert bleiben. Was aber ist mit den Differenzen zwischen griechischem und lateinischem Ritus? Die Gespräche sollen daher, wie immer wieder betont wird, auf ein gegenseitiges Verständnis hinauslaufen und die Richtigkeit der jeweiligen Ansichten prüfen. Man wolle nicht streiten, sagt Anselm gleich zu Beginn des eigentlichen Dialogs, sondern den Glauben erforschen, nicht hochmütig über Worte diskutieren, sondern über deren Sinn.205 Von allen erhaltenen Dialogen kommt das „Antikeimenon“ einem wirklichen Religionsgespräch sicherlich am nächsten, indem anscheinend beide Positionen gleichberechtigt zu Wort kommen. Tatsächlich will aber auch Anselm den orthodoxen Patriarchen von der Richtigkeit der westlichen Ansichten überzeugen und unterscheidet sich damit letztlich doch nicht prinzipiell von anderen Werken. Die Anerkennung verschiedener Formen in der einen Kirche, für die Anselm so oft gelobt worden ist,206 bedeutet ja nicht, daß alle Formen erlaubt sind, noch ist die griechisch-orthodoxe Kirche damit grundsätzlich als glaubenskonform anerkannt. Die ganze
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ante legem et sub lege et sub gratia distinctam, quia oportebat, ut secundum processum temporum crescerent signa spiritualium gratiarum, quae magis ac magis ipsam veritatem declararent, et sic cum effectu salutis incrementum acciperet de tempore in tempus cognitio veritatis: et ita primo quidem bona, deinde meliora, ad ultimum vero optima proposita sunt. Vgl. 2 prol. (proemium), Sp. 1159 D: Putabam me satis respondisse in superioribus eis, qui causabantur in sancta Ecclesia tot varietates, tot religionum formas, tot mutationes, tot novitates, tot professionum facies. Vgl. ebd. 2,1, Sp. 1164 A: Itaque simul gradiamur viam charitatis, non contendentes superba ratiocinatione, sed simul investigantes veritatem humili inquisitione. Auf diese Absicht wird im folgenden ebenso Bezug genommen wie davon abgewichen. Vgl. etwa Evans, Unity and Diversity S. 44, der Anselms Leistung mit den Worten zusammenfaßt (ebd. S. 52): „Anselm of Havelberg, however, achieved a great deal. He did much to educate the West about the East, and to alter perception so that Eastern Christians could be seen not as enemies but as fellow-members of a richly diversified Body of Christ to whom particular gifts of the Spirit had been given. […] this marked a new departure ecumenically.“ Bei aller Differenzierung verteidigt Anselm tatsächlich aber den römischen Standpunkt.
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Schrift bietet vielmehr ein Abwägen, welche Ansichten noch als christlich gelten dürfen und welche die Einheit des Glaubens gefährden.207 Das filioque-Problem steht dabei (neben dem Eucharistiestreit) wieder im Mittelpunkt.208 Im zweiten Buch diskutieren Anselm und Niketas daher über die Frage, ob der Heilige Geist nur vom Vater oder von Vater und Sohn ausgehe. Haben die Griechen, so fragt Anselm, tatsächlich so geirrt, wo sie doch so viele Heilige und Päpste haben? 209 Welche Vernunftgründe, so fragt er weiter, verbieten denn zu glauben, daß der Heilige Geist vom Sohn und vom Vater ausgeht, und erhält die Antwort, daß beide vom Vater ausgehen müssen, da es nur ein principium geben kann.210 Daß der Heilige Geist von Vater und Sohn ausgeht, entgegnet Anselm, bedeutet doch nicht, daß es zwei Prinzipien (oder Anfänge) gibt, da es sich nicht um zwei Götter, sondern um einen Gott derselben Substanz handelt:211 Die drei Personen bilden zusammen ein einziges Prinzip.212 Alles andere ist für den Lateiner Gotteslästerung: Es gebe keine größere Gotteslästerung gegen den Heiligen Geist als zu glauben, er gehe nicht vom Sohn aus. Indem Anselm diese Ansicht mit der makedonischen Häresie vergleicht, welche den Heiligen Geist nicht
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Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 1,10 (Invectio in hypocritam), Sp. 1157. Interessant ist zudem, daß ein zweites Gespräch Anselms über dasselbe Thema mit Basilius von Achrida in griechischer Sprache (und aus griechischer Sicht) erhalten ist, in dem Anselm (angeblich) die Richtigkeit der griechischen Formeln bestätigt. Vgl. die Einleitung bei Sieben, S. 20 und S, 30. Vgl. bereits den Prolog (Proemium), ebd. Sp. 1140 B: Inter quae maxime, sicut dixistis, de processione Spiritus sancti disputavit, quem Graeci quidem a Patre tantum, Latini vero a Patre et Filio procedere credunt et dicunt; et [de] ritu sacrificii in altari, quod Latini quidem in azymo, Graeci vero in fermentato celebrant, nec non de quibusdam aliis satis argumentose in quaestionem positis. Ebd. 2 prol., Sp. 1161 D: Et mirum in modum, quomodo Graeci in numero sanctorum computentur et ex ipsis Romani pontifices electi inveniantur, si in fide sanctae Trinitatis adeo erraverunt, ut dicerent et crederent Spiritum sanctum a Patre tantum et nequaquam a Filio procedere. Ebd. Sp. 1164. Ebd. Sp. 1165 und ebd Sp. 1166f. Ebd. 2,3, Sp. 1169 AB. Niketas’ Einwand, dann könnten die drei göttlichen Personen auch aus verschiedenen Prinzipien hervorgehen, läßt sich logisch kaum widerlegen. Erneut konzentriert sich Anselm demgegenüber im folgenden bezeichnenderweise auf den Beweis, daß der Heilige Geist gleichwertiger Gott ist. Eben diese Überzeugung sah man also durch die griechische Position gefährdet.
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als Gott, sondern als Geschöpf Gottes betrachtet, macht er die Griechen, wenngleich sehr vorsichtig, zu Häretikern!213 Niketas versteht diese Anschuldigung sofort und weist sie zurück: „Niemand darf es stillschweigend überhören, wenn ihm unterstellt wird, er sei nicht katholisch, sondern häretisch, wodurch er offensichtlich vom Heiligen Geist getrennt und ein Genosse der bösen Geister ist,“214 und er verweist auf den strikten Trinitätsglauben der Griechen, der jeder Gotteslästerung fern sei. Anselm wiederum plädiert für gegenseitige Achtung (die er selbst nicht einhält), Niketas dafür, nicht jede Abweichung gleich Irrtum zu nennen, da der Bibelsinn ein mehrfacher sein kann.215 Man einigt sich schließlich darauf, daß der Heilige Geist hauptsächlich vom Vater ausgeht.216 Die – schon seit karolingischer Zeit übliche – griechische Formel „durch den Sohn“ kennt Anselm (angeblich) nicht und warnt vor Neuerungen!217 Am Ende herrscht zwar Einigkeit – Anselm hat Niketas überzeugt –, aber keine gegenseitige Annäherung.218 Anselms „Dialogi“ erweisen sich damit – trotz der scheinbar gleichwertigen Diskussion beider Gesprächspartner – letztlich doch als eines der typischen, hier eben mit einem griechisch-orthodoxen Bischof geführten Religionsgespräche, in denen es nicht um eine Diskussion des Glaubens, sondern um
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Ebd. 2,12, Sp. 1181 BC: Rursus certum est, quod ille Spiritui sancto non parvam blasphemiam irrogat, qui hunc a communione Filii, sublata processionis habitudine, fide non sana separat. Ambos ergo offendit, Filium scilicet, quia eum indignum existimat, ut ab ipso Spiritus sanctus; Spiritum vero offendit, quia ipsum quoque indignum iudicat, ut a Filio procedat. [...] non solum de Macedoniana haeresi dictum esse videtur, qui dicebat Spiritum sanctum esse creaturam et non Deum; verum etiam de isto blasphemiae in Spiritum sanctum peccatum scriptum esse manifestum est. Ebd. 2,13, Sp. 1182 A: nullus vero silentio debet transire, si quando ei imponitur, quod non Catholicum, sed haereticum putatur, unde ipse a Spiritu sancto alienus et daemonum esse socius videatur. Ebd. 2,14, Sp. 1183f. In der sich anschließenden langen Diskussion über das Thema wird Niketas folgerichtig immer mehr in die Defensive gedrängt und zeigt sich am Ende durch die Bibelzitate und die ontologischen Argumentationen Anselms fast überzeugt, wehrt sich aber noch gegen den ungewohnten Sprachgebrauch (ebd. 2,23, Sp. 1202 BC): Kein einziger Vers des Evangeliums legt nahe, daß der Heilige Geist auch vom Sohn ausgehe. Anselm widerlegt den Vorwurf mit Bibelzitaten, die den Heiligen Geist vom Sohn ausgehen sehen (ebd. 2,24, Sp. 1202f.). Ebd. 2,25, Sp. 1205f. Ebd. 2,25f., Sp. 1206f. Ebd. 2,27, Sp. 1209 AB.
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die katholische Widerlegung des Anderen geht. Bei aller Betonung christlicher Einheit bleibt Byzanz auch für Anselm stets „the Other“.219 (3) Neben der filioque-Kontroverse treten zunehmend bewußter Kontroversen um die Eucharistie in den Vordergrund, nämlich vor allem die Frage, ob dazu gesäuertes (wie bei den Griechen) oder ungesäuertes Brot verwendet werden sollte (wie im Westen), ein scheinbar belangloser Streit, der die Gemüter aber doch intensiv beschäftigt hat, weil das Seelenheil nicht nur vom richtigen Glauben, sondern auch von der richtigen Spendung der Sakramente abhängt, wie es nicht zufällig gerade im Zeitalter der Kirchenreform bewußt wird.220 In unserem Zusammenhang geht es erneut nicht um den Streit selbst, sondern um die darin verflochtene Wahrnehmung der religiösen Differenzen. Anders als der – nur eine Zeitlang akute – Bilderstreit und der durchgängig diskutierte filioque-Streit wird der Streit um die Eucharistie, auf diese und nicht auf die jüdischen Osterbräuche bezogen, erst seit der Mitte des 11. Jahrhunderts in der frühen Kirchenreformbewegung akut.221 Noch Gregor VII. geht über den Streit eher hinweg, um sich der Häresiefrage zuzuwenden, tadelt aber die Unüberlegtheit der Griechen.222 Auslöser scheinen auch hier griechische Vorwürfe in Form einer im Auftrag des Patriarchen Michael Kerullarios verfaßten Anklageschrift des Mönchs Niketas Stethatos gegenüber den lateinischen Christen gewesen zu sein,223 die dann von Humbert von Silva Candida, in Auseinandersetzung 219 220
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Das betont Lees, Confronting the Otherness. Vgl. dazu ausführlich Avvakumov, Entstehung des Unionsgedankens S. 29–159; ferner John H. Erickson, Leavened and Unleavened. Some Theological Implications of the Schism of 1054, in: Saint Vladimir’s Theological Quarterly 14, 1970, S. 155– 176; Bayer, Spaltung der Christenheit S. 214ff.; Mahlon H. Smith III, And Taking Bread … Cerularius and the Azyme Controversy of 1054 (Théologie historique 47), Paris 1978, der (zusammenfassend S. 170), zu Recht noch einmal betont, daß es sich in den Augen der Zeitgenossen keineswegs um einen belanglosen Streit handelt. Die lateinischen Autoren verteidigen zwar vehement die Verwendung ungesäuerten Brotes. Tatsächlich hat sich dieser Gebrauch jedoch auch im Frankenreich erst im 9. Jahrhundert durchgesetzt. Gregor VII., ep. 8,1, S. 513: Sed ad detegendam et contempnendam Grecorum temeritatem nunc ista sufficiant. Vgl. Niketas, Libellus contra Latinos editus, Migne PL 143, Sp. 973–984. Die Originalschriften des Niketas sind ediert von Anton Michel, Humbert und Kerullarios. Quellen und Studien zum Schisma des XI. Jahrhunderts. 2 Bde. (Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte 21/23), Paderborn 1924–1930, Bd. 2, S. 320–342 (Dialexis und Antidialogos) und S. 371–409 (Synthesis zum Filioque).
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mit Kerullarios, beantwortet und zurückgewiesen werden.224 Im 12. Jahrhundert tritt der Streit nahezu ins Zentrum der Auseinandersetzung. Anselm von Canterbury setzt sich in einem an Walram von Naumburg gerichteten Traktat mit der „Meinung vieler Katholiken“ auseinander, daß Griechen und Lateiner hier zwar verschiedene Wege gehen, beides aber nicht gegen den christlichen Glauben verstoße, da sowohl ungesäuertes wie gesäuertes Brot heiligt, wenn es selbst geheiligt wird.225 Christus selbst habe weder „gesäuert“ noch „ungesäuert“ hinzugefügt, als er das Brot nahm und segnete. In der Substanz sei beides schließlich gleich, nämlich Brot.226 Dennoch, meint Anselm, sei das ungesäuerte Brot angemessener, reiner und sorgfältiger (oder auch: sparsamer). Nun seien es gerade die Griechen, welche die „Azymiten“, wie sie die Lateiner nennen, mit dem Kirchenbann belegen, weil man damit „judaisiere“, nämlich jüdischen Gebräuchen folge. Dann, so Anselm, müßte man aber auch Christus bannen, der Ähnliches getan und befohlen habe, daß sein Leib zu Ostern aus ungesäuertem Brot gemacht werde, ohne damit die Fortführung jüdischer Bräuche zu meinen.227 Daher ahmen die Lateiner Christus, nicht aber die alten Gesetze der
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Vgl. ausführlich zu dieser Auseinandersetzung Smith, And Taking Bread …; zur komplizierten Rekonstruktion der Vorgänge ebd. S. 156ff.; zur Rolle im Schisma von 1054 vgl. Whalen, Rethinking the Schism of 1054: Die Brotkontroverse diente zur Abgrenzung der lateinischen Christenheit sowohl von den Griechen als auch von den Juden. Humbert von Silva Candida, Responsio sive contradictio adversus Nicetae pectorati libellum, ed. Cornelius Will, Acta et scripta quae de controversiis Ecclesiae graecae et laninae saeculo undecimo composita extant, Leipzig-Marburg 1861, S. 136–150. Zu Humberts grundsätzlicher Einstellung gegenüber den Griechen vgl. Arbagi, Byzantium S. 86ff.; zu dieser Auseinandersetzung vgl. Michel, Humbert und Kerullarios, sowie Margit Dischner, Humbert von Silva Candida. Werk und Wirkung des lothringischen Reformmönches (Politik im Mittelalter 2), Neuried 1996, S. 49–69. Anselm von Canterbury, Epistola de sacrificio azimi et fermentati 1, Bd. 2, S. 223: De sacrificio vero, in quo idem Graeci nobiscum non sentiunt, multis rationabilibus catholicis videtur, quia quod agunt non est contra fidem Christianam. Nam et azinum et fermentatum sacrificans panem sacrificat. Ebd. S. 223f.: Et cum legitur de domino, quando corpus suum de pane fecit, quia ‚accepit‘ ‚panem et benedixit‘ (Mt 26,26), non additur ‚azimum‘ vel ‚fermentatum‘. […] quia uterque pariter panis est. Non enim differunt azimus et fermentatus substantialiter. Ebd. 2, S. 225: Apertissimum tamen est quia melius sacrificatur de azimo quam de fermentato, cum quia valde aptius et purius et diligentius fit, tum quia dominus hoc
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Juden nach.228 Anders als das jüdische Passahfest sei Ostern in figura im Sinne der Sündenlosigkeit zu verstehen.229 Genausogut aber könne man den Griechen vorwerfen, daß sie mit dem gesäuerten Brot heidnischen Bräuchen folgen.230 Daher handeln die Lateiner entweder allein richtig oder aber zumindest besser.231 Auch Anselm von Havelberg kommt im dritten Buch seiner „Dialogi“ prominent auf dieses Problem zu sprechen. Die Gewohnheit, so argumentiert er, müsse der Wahrheit weichen,232 um das aber (wieder) auf den römischen Primat zu beziehen: Mit Rom dürfe es niemals eine Uneinigkeit bei den kirchlichen Sakramenten geben, weil alle Rom folgen.233 Für Niketas ist
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fecit. Unde illud non est tacendum quia, cum Graeci anathematizant ‚azimitas‘ – sic enim nos vocant –, anathematizant Christum. Si autem dicunt quia iudaizamus, dicant similiter Christum iudaizasse. Et si audent asserere Christum propter iudaismum, ut praeceptum de azimo datum servaret, de azimo corpus suum fecisse: absurdissime errant, cum illum tam sinceram novitatem infecisse fermento vetustatis existimant. Ebd. 3, S. 226: Quod autem aiunt nos iudaizare non est verum, quia non sacrificamus de azimo ut legem veterem servemus, sed ut hoc diligentius fiat, et dominum qui hoc non iudaizando fecit imitemur. Ebd. 4, S. 228: quaenam est ista Graecorum sapientia, quae propter hoc, quia vetus Pascha, per quod nostrum figuratum est, celebratum est in azimis, detestatur nos sacrificare corpus Christi, qui est Pascha nostrum, de azimo in figura, sive ad commemorandum quia talis fuit ille, cuius corpus sacrificamus, scilicet sine peccati infectione, sive ad commonendum nos, qui corpus eius comedimus, tales debere esse. Ebd, S. 227: sed potius paganis favere videntur, qui illum sicut alios homines peccato fermentatum existimant. Ebd. 5, S. 228f.: Sive itaque in figura sacrificemus azimum panem, sive sine omni figura: nullatenus nos Graeci reprehensibiles valent ostendere; sed aut soli nos bene agimus, illi non bene; aut nos melius et diligentius, si illi bene. Nempe satis ostendunt se nullam habere rationem ad suam partem confirmandam, et nostram infirmandam, cum hoc contra nos proferunt, quod nullo modo aut contra nos aut cum illis esse cognoscitur. Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,2ff., Sp. 1211ff., und 3,14ff., Sp. 1230ff.; das Zitat ebd. 3,4, S. 1212f.: Nemo dubitet veritati manifestatae consuetudinem cedere, quia consuetudinem ratio et veritas semper excludit: melius est errorem, quamvis longo usu usitatum, considerata meliori ratione humiliter deponere, quam in eo superbe perseverare, ac pertinaci contentione defendere. Zu Rom als Hort der Rechtgläubigkeit bei Anselm vgl. Freudenberg, Dialog und Konflikt. Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,6, Sp. 1217 B: tamen in ecclesiasticis, sicut dixi, sacramentis, nulla unquam debet esse discordia a sacratissima matre omnium Romana Ecclesia.
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die Frage offen: Die Apostel hätten sowohl gesäuertes wie ungesäuertes Brot gegessen. Ursprünglich seien sich beide Kirchen in dieser Frage ebenfalls einig gewesen und hätten bald gesäuertes, bald ungesäuertes Brot verwendet, ohne daß jemand darin einen Skandal erblickt hätte;234 man hätte vielmehr weiter ungestört miteinander kommuniziert.235 Die römische Kirche hat sich kraft ihrer Autorität eben auf das eine, die griechische auf das andere festgelegt, und sie sollten einander deshalb nicht verurteilen.236 Niketas möchte ein gemeinsames Konzil darüber entscheiden lassen (und glaubt, daß der Papst ihm recht gibt, wenn er ihm zuhört).237 Ebensogut aber könnten beide Gewohnheiten nebeneinander bestehen, da es doch stets um dieselbe Substanz geht.238 Wenn man dem Bericht glauben darf,239 dann weicht 234
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Ebd. 3,13, Sp. 1229 C: Romana Ecclesia antiquitus in hoc non a Graecis, nec Graeci ab illa discordabant; sed tam isti quam illi modo fermento, modo azymo, iuxta quod opportunitas offerentium suadebat, indifferenter in ministerio altaris utebantur, nec quisquam eorum qui communicare vellent, sive Graecus sive Latinus, aliquod scandalum in hoc patiebatur. Ebd. Sp. 1229f.: Putasne quod inter istos Graecos praelatos et Latinos subditos fuerit quotidie contentiosa discordia de offerendo azymo, sive fermento, ita ut ipsi pontifices tanquam Graeci, nunquam nisi fermentum obtulerint, et Romana Ecclesia eis in hoc nequaquam communicaverit? Et rursus Romana Ecclesia per Latinos sacerdotes nunquam nisi azymo usa fuerit, et Romani pontifices similiter se a communione Latinorum subditorum suorum propter oblatum azymum subtraxerunt? Quis hoc credat? Ebd. 3,14, Sp. 1230 CD: Puto etiam id ipsum fecisse apostolos Christi, quos in consecratione corporis Domini iuxta ritum quem tunc, nascente Ecclesia, observabant, nunc azymo, nunc fermento usos fuisse credendum est. Ipsi namque diversas provincias evangelizando peragrantes, cum ad aliquam Christianorum Ecclesiam declinassent. […] et tamen propter hoc nec antiqui Graeci sapientes, nec antiqui Latini sapientes se invicem contemnendos existimabant. Anselms Einwand, in der Bibel werde gesäuertes Brot nie positiv verstanden, beantwortet Niketas erneut mit dem Verweis auf die lange Gewohnheit (ebd. 3,18f., Sp. 1238ff.). Ebd. 3,19, Sp. 1239 CD: ut omnes tam Latini quam Graeci studiosissime in Domino elaborarent, quatenus generale concilium congruo loco et tempore in unum convenientes celebrarent, et aut omnes universaliter ritum azymi aut omnes universaliter ritum fermenti uniformiter assumerent. Zum Konzilsvorschlag auch ebd. 3,20, Sp. 1245 B, und 3,22, Sp. 1248 A. Ebd. 3,19, Sp. 1240 A: tamen, quia longus Graecorum usus hostiam fermenti diu obtinuit, et non sine maximo multitudinis, imo totius gentis scandalo permutari posse videtur, bene putatur permittendum quod tandiu apud nos est usitatum, praesertim cum et hostia fermenti et hostia azymi aeque sit panis; et licet in forma differant, tamen [in] panis substantia nulla fermenti vel azymi est differentia. Vgl. oben Anm. 201.
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die griechische Position demnach vom ursprünglichen griechischen Vorwurf zurück auf eine beidseitige Anerkennung. Am Ende aber wird bezeichnenderweise noch einmal der Wunsch nach Einheit betont: damit „sowohl die Griechen als auch die Lateiner unter dem einen Herrn Jesus Christus zu einem einigen Volk werden, in einem Glauben, einer Taufe und einem Ritus der Sakramente“.240 Das Problem beschäftigt auch noch andere Autoren des 12. Jahrhunderts. Besonders in Italien kam es offenbar vor, daß nach griechischem Brauch gesäuertes Brot verwendet wurde.241 Der lateinische Brauch war inzwischen jedoch so selbstverständlich geworden, daß Rupert von Deutz sich wundern kann, wieso die Griechen weiterhin gesäuertes Brot verwenden, wenn Christus doch unzweifelhaft ausschließlich ungesäuertes Brot angeboten hat.242 Daß das in der Bibel nicht eindeutig geklärt ist, ist dank der langen Gewohnheit selbst einem so guten Bibelkenner wie Rupert offenbar nicht mehr bewußt. Wichtiger in unserem Zusammenhang ist die Tatsache, daß Rupert seine Feststellung mit einem klaren Urteil verbindet: „Mit so vielen Häresien ist Griechenland ‚gegoren‘ bzw. ‚angesäuert‘, daß es seltsamerweise nicht sieht, was es an gesäuertem (Brot) opfert. Von solcher Unverdorbenheit war demgegenüber stets die heilige Römische Kirche, daß demjenigen, dem die Kenntnis der Schrift oder die Fähigkeit zur Argumentation fehlt, bezüglich des ungesäuerten (Brotes) gegenüber den Griechen allein ihre Autorität ausreichen muß.“
Die griechische Gewohnheit ist Arroganz, die sich auf keine Autorität stützen kann. (Und Rupert bringt den falschen Ritus wieder mit den – griechischen – Häresien in Verbindung.)243 Abgeklärter urteilt da Alger von 240
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Ebd. 3,22, Sp. 1248 A: et tam Graeci quam Latini unus populus sub uno Domino Iesu Christo, in una fide, in uno baptismate, in uno sacramentorum ritu efficeretur. Vgl. Bruno von Asti, Tractatus secundus. De sacrificio azymo ad Leonem monachum, Migne PL 165, Sp. 1085 A: Ex tuo, itaque aliorumque multorum recitatum est ore, quod ab episcopo eiusdem sedis vel ab ipsius clericis frequenter blanda suasione saepe furibunda locutione indiscrete decipiantur, ut ritus nostri sacrificii azymi derelinquatis et more Graecorum fermentatum sacrificium Deo offeratis. Vgl. Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius 11. In Exodum 2,11, CCM 22, S. 647: Vnde mirandum quo Graecorum consuetudo auctore tradita inoleuerit, qui fermentatum panem quaerunt et azymum a sacramento Christi reiciunt, cum nulli dubium esse debeat quod Dominus noster non nisi de azymo illud primitus effecerit. Ders., De divinis officiis 2,22, S. 52f.: Leo IX. schickte viele Gesandtschaften nach Konstantinopel: Cur sancta Romana ecclesia numquam in sacrificio fermentum admiserit non otiose quaeritur nec inutiliter scitur, maxime quia consuetudini huic tota
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Lüttich: Wenngleich Lateiner und Griechen sich wegen der unterschiedlichen Bräuche gegenseitig gewissermaßen wie mit Häretikernamen belegen und diese jene „Gesäuerte“ (Azymitae), jene diese aber „Unsäuerer“ (Fermentarii) schimpfen, sind sich beide doch darin einig, daß es sich in beiden Fällen um den Leib Christi handelt und beides nicht gegen den christlichen Glauben verstößt; beide Male ist es – vergängliches – Brot, das den ewigen Leib Christi verleiht. Wenn Christus selbst zwar ungesäuertes Brot nahm – möglicherweise hatte er gerade aber auch nichts anderes zur Verfügung –, so hat er den Gebrauch ungesäuerten Brotes doch nirgends untersagt.244 Erneut aber geht es um die Verteidigung gegenüber den Vorwürfen der Griechen, die die Gewohnheit der Lateiner als Fortleben jüdischer Bräuche des
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hactenus Graecia refragatur. Nam de fermentato Graeci immolant et nescio qua auctoritate suffragante, quae procul dubio de authenticis numquam profecta est scripturis, tam legalem quam euangelicam Romanae ecclesiae consuetudinem nimis pertinaciter abhorrent. Veris persaepe rationibus superati sunt, sed Constantinopolitanae sedis arrogantia multarum haeresium genitrix cedere dedignata est. Leo nonus huius nominis papa a beato petro centesimus quinquagesimus octauus per epistolam ad imperatorem Constantinum scriptam animum eius concilians apocrisiarios suos Humbertum Siluae Candidae episcopum et Petrum Amalfitanorum archiepiscopum, Fridericum quoque septimum leuitam et cancellarium Constantinopolim dirigens multas Graecorum confutauit haereses, qui inter cetera Latinos uocabant azymitas et eos nimis persequentes eorum ecclesias claudebant et Michaelem patriarcham a gratia et palatio imperatoris remotum excommunicationis gladio percussit. Tantis autem haeresibus fermentata est Graecia, ut mirum uideri non debeat hoc, quod de fermentato immolat. Tantae econtra sinceritatis semper fuit sancta Romana ecclesia, ut, cui deest scripturarum notitia uel argumentandi facultas, sola illi de azymo contra Graecos sufficere debeat eius auctoritas. Daß gesäuertes Brot immer wieder als Häresie betrachtet wurde, betont Avvakumov, Entstehung des Unionsgedankens S. 312. Alger von Lüttich, De sacramentis corporis et sanguinis dominici 2,10, Migne PL 180, Sp. 827 CD: Ut ergo supra dictum est, panis et vinum unum sacramentum est; quia in utroque unus Christus est, utrum ergo ex azymo an ex fermentato pane corpus Christi confici debeat inter Latinos et Graecos magna concertatio est, in tantum, ut illi istos ‚Azymitas‘, isti illos ‚Fermentarios‘ quasi cuiuslibet haeresis notent vocabulo, cum tamen, ut multis bonis catholicis videtur, non sit contra fidem Christianam seu azymum seu fermentatum sacrificetur, tum quia utrumque panis est et sicut utrumque vitam transitoriam, sic corpus Christi dat aeternam, tum quia etiam quamvis Christus de azymo pane corpus suum fecerit (forsitan non quia res quae fiebat hoc exigebat, sed quia coena in qua hoc factum est, panem alium non exhibebat), panem tamen fermentatum non prohibuit.
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Alten Testaments verurteilen.245 (Wie hätte, argumentieren die Griechen, Christus wohl aus ungesäuertem Brot 5000 Menschen speisen können? 246) Die Kritik der Griechen gehe daher an der Sache vorbei; auch wenn das Alte vergeht, trägt es in seiner figürlichen Bedeutung doch die Schatten des Künftigen in sich.247 Der „Brotstreit“ bleibt nicht der einzige Streit um die Eucharistie. Ein liturgisches Dokument aus einem alemannischen Sakramentar des 10. Jahrhunderts stellt fest, daß Griechen und Lateiner die Eucharistie an allen Sonntagen für Klerus und Laien begehen, die Griechen aber jeden exkommunizieren, der nicht wenigstens alle drei Sonntage die Kommunion empfängt, während die Lateiner auf eine Bannung verzichten. Beide enthielten sich vorschriftsgemäß drei Tage zuvor ihrer Frauen.248 Die Griechen verhän245
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Ebd. Sp. 828 AB: Dicunt tamen Graeci Latinos iniuste azyma immolare, cum azyma veteris testamenti sit, et Christus omni vetustate ablata, utpote praesente veritate saluti humanae superflua, non in azymo, sed in fermentato novum testamentum instituerit. Contendunt enim quia novum testamentum non perfecte instituisset, nisi omnino vetus tam in azymis quam in caeteris suis ritibus destituisset. Detestantur ergo Latinorum sacrificia, quia in eis ipsos iudaizare reputant, immolando azyma. Ebd. Sp. 828 BC: Sed opponunt Graeci Christum fermentatum panem mirabiliter sibi exhibuisse, sicut de quinque panibus legitur millia hominum pavisse. Ebd. Sp. 830 B: Cum ergo nos Christum non talem futurum ut Iudaei, qui figurant futura et exspectant, sed fuisse purum, ut Christiani significemus, et nos tales fieri qualis ipse est, moneamus: in azymo frustra nos reprehendunt Graeci, nisi forte velint, ut quia vetera transierunt, in quibus futurorum umbrae necessariae erant, nullis figuris utantur Christiani. Vgl. auch Balduinus de Forda (Canterbury), Tractatus de sacramento altaris 2,1, ed. John Morson, SC 93 (= Série des Textes Monastiques d’Occident 12), Paris 1963, S. 108/110 (um 1161/80): Dicuntur tamen Graeci fermentatum et non azymum, ne iudaizare videantur, offerre. In azymo autem pane figura erat veritatis. […] Romana Ecclesia azymum offerre praeelegit, exemplum Christi secuta, qui novum pascha inchoans novi sacramenti mysterium in azymo pane initiasse existimatur. Monumenta liturgica. Monumenta varia quae ad celebrationem sacramentorum et officia quaeque ecclesiastica pertinent. Iudicium poenitentis, Migne PL 138, Sp. 979 AB: Greci omni Dominica communicant, Clerici et laici: et qui in tribus Dominicis non communicaverint, excommunicantur, sicut et Canones habent. Romani similiter communicant, qui volunt, qui autem noluerint, non excommunicantur, Greci et Romani tribus diebus abstinent se a mulieribus, sicut in lege scriptum est ante panis propositionem. Gleiches bestätigt auch eine Schrift wohl aus dem Umkreis Urbans II., der Micrologus de ecclesiasticis observationibus 51, Migne PL 151, Sp. 1014f.: Apud Graecos etiam ut legitur, excommunicandus est, qui usque ad tertiam Dominicam non communicaverit.
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gen ferner andere Bußen für Vergehen gegen das Gebot der Sonntagsarbeit, sie fordern darüber hinaus die Eucharistie auch für Laien an jedem Sonntag, und auch der Ritus des Brotbrechens ist anders, wie Egbert von York bereits im 8. Jahrhundert in seinem Bußbuch beschreibt. Wer drei Sonntage hintereinander die Kommunion versäumt, wird auch nach Egbert exkommuniziert.249 In Jerusalem, so noch Humbert von Silva Candida, benutze man keinen Eßlöffel, wie in den griechischen Kirchen, weil sich dort der Brauch erhalten habe, daß dem Volk nur das Brot, nicht aber der Kelch dargereicht werde.250 Nach einer anderen Schrift Humberts mischten die Griechen warmes Wasser mit Wein, um damit das warme Blut des noch lebendigen Christus zu symbolisieren. Wenn das aber erst seit dem 6. (ökumenischen?) Konzil geschah, so fragt der Autor polemisch, haben dann etwa alle mehr als 600 Jahre lang geirrt, oder haben das nur die Griechen, nicht aber die Lateiner erkannt?251 Den Streitpunkt der Wasserbeimischung greift auch Anselm von Havelberg auf. Zwar sei beides im Neuen Testament nicht klar bezeugt, doch ohne Wasser enthielte der Kelch nur Christus und nicht auch die Glieder, während der reine Wein für Niketas das reine Blut Christi symbolisiert. Beide diskutieren, ob durch die Hinzufügung von Wasser die
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Egbert von York, Poenitentiale 1,1,35, Migne PL 89, Sp. 410 B: Graeci eum qui die Solis laborat prius verbis minantur; si deinde faciat, tunc aliquid operis eius illi saltem adimitur; tertia vice suspenditur, vel iubent ieiunare septem dies. Graeci volunt ut quolibet die Solis ad eucharistiam abeant tam laici quam sacerdotes; et qui tribus diebus dominicis non abit ad eucharistiam, excommunicatus est iuxta ius canonicum. Ita Romanus abit ad eucharistiam, nisi quod excommunicet eum qui nequeunt. Diaconi non frangant panem consecratum cum Graecis, nec legant collectas, nec dicant: ‚Dominus vobiscum.‘ In uno eodemque altari quotidie duas missas celebrare debes. Humbert von Silva Candida, Dialogus (bei Migne, PL 143, Sp. 951f.: Adversus Graecorum calumnias) 33, ed. Will, Acta et scripta S. 93–126, hier S. 109: Cochlear vero cum quo communicent, sicut in ecclesiae Graecorum, minime habent, quia non ita commiscent ipsam sanctam communionem in calice, sed sola [panis] communione communicant populum. Itaque et in magnis et in parvis ecclesiis hunc morem traditum sibi a sanctis apostolis habent omnes Christiani ipsius provinciae. Graeci autem cohabitantes eis alii sic, alii, qualiter a suis acceperunt. Ders., Responsio sive contradictio adversus Nicetae pectorati libellum 7, S. 139: Aquam calidam et sanguinem de vivo et calido Christi corpore exisse et ideo Graecos aquam ferventem sanguine eius iure miscere. Ebd. 20, S. 143: Nunquid usque ad sextam synodum Graeci et Latini rationem missae ac ieiuniorum ignoraverunt et per sexcentos et amplius annos a passione Christi in talibus errarunt? An forsan Graeci haec noverunt et Romani ignoraverunt?
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Glieder vom Leib getrennt werden (und sind sich darüber einig, daß eine solche Trennung nicht erfolgen darf).252 Bereits früher begegnen noch weitere Kontroversen um andere Aspekte der Liturgie. Schon Gregor der Große moniert verschiedene Bräuche: daß die griechischen Subdiakone nicht (bzw. erst nach römischem Vorbild) ordentlich gekleidet in die Messe gehen, daß das Kyrieleison dort nicht vom Klerus vorgetragen und vom Volk beantwortet, sondern von allen gemeinsam gesungen wird oder daß selbst das Vaterunser nicht nur vom Priester, sondern von allen gebetet wird.253 Daran erinnert sich noch Rupert von Deutz.254 Der (griechische!) Erzbischof Theodor von Canterbury stellt in seinem Bußbuch zumindest Unterschiede bei der Weihe von Nonnen und der Wiedereingliederung von Büßern fest, die nach griechischen Ritus ein Priester, bei den Römern aber nur der Bischof vornehmen dürfe.255 Im 252
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Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,20, Sp. 1241ff. Zum Problem der Wasserbeimischung vgl. Avvakumov, Entstehung des Unionsgedankens S. 161–197; zum byzantinischen Brauch vgl. Robert Taft, Water into Wine. The Twice-Mixed Chalice in the Byzantine Eucharist, in: Le Muséon 100, 1987, S. 323–342; zu Anselm Freudenberg, Dialog und Konflikt. Gregor der Große, Registrum epistolarum 9, ep. 26, CCL 140A, S. 586f.: Et ideo magis in hac re illam consuetudinem amputauimus quae hic a Graecis fuerat tradita. Subdiaconos autem ut spoliatos procedere facerem, antiqua consuetudo ecclesiae fuit. Sed quid placuit cuidam nostro pontifici nescio, qui eos uestitos procedere praecepit. Nam uestrae ecclesiae numquid traditionem a Graecis acceperunt? Vnde habent ergo hodie ut subdiaconi in eis in tunicis procedant, nisi quia hoc a matre sua Romana ecclesia perceperunt? Kyrieleison autem nos neque diximus neque dicimus, sicut a Graecis dicitur, quia in Graecis omnes simul dicunt, apud nos autem a clericis dicitur, a populo respondetur et totidem uocibus etiam Christeeleison dicitur, quod apud Graecos nullomodo dicitur. […] Sed et Dominica oratio apud Graecos ab omni populo dicitur, apud nos uero a solo sacerdote. In quo ergo Graecorum consuetudines secuti sumus, qui aut ueteres nostras reparauimus aut nouas et utiles constituimus, in quibus tamen alios non probamur imitari? Rupert von Deutz, Liber de divinis officiis 2,21, S. 51: Gregorius papa sexagesimus quintus antiphonarium regulariter centonizauit et compilauit Kyrie eleyson a clero ad missam cantari praecepit, quod apud Graecos ab omni populo cantabatur. Theodor von Canterbury, Poenitentiale 2,3,8, ed. Hermann Josef Schmitz, Die Bussbücher und die Bussdisziplin der Kirche. Nach handschriftlichen Quellen dargestellt. Bd. 1, Mainz 1883 (ND. Graz 1958), S. 540: Secundum Graecos presbytero licet virginem sacro velamine consecrare, et reconciliare poenitentem et facere oleum exorcizatum et infirmis chrismam, si necesse est. Secundum Romanos non licet nisi episcopo soli.
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Zusammenhang der karolingischen Auseinandersetzungen mit den griechischen Bräuchen weist die bischöfliche Responsio des Konzils von Worms von 868 den Vorwurf der Griechen zurück, die Lateiner würden das TaufChrisma aus Flußwasser nehmen oder die Priester die Stirn der Getauften mit Chrisma benetzen256 (nach Rathramnus ist auch das im gesamen Westen ein Vorrecht der Bischöfe).257 Auch finden die Lesungen des Evangeliums in beiden Kirchen nicht sämtlich an denselben Sonntagen statt.258 Nikephoros Phokas hatte in Süditalien überhaupt die lateinische Liturgie zugunsten der griechischen verboten.259 Später stellt Otto von Freising anläßlich einer armenischen Gesandtschaft Unterschiede zwischen der armenischen und der griechischen Messe heraus: Auch in Armenien nehme man gesäuertes Brot, mische aber nicht Wasser mit Wein (wie Griechen und Lateiner); von Christi Geburt bis Epiphanias feiere man dort gleichsam ein einziges Fest.260 256
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Responsio contra Graecorum haeresim S. 306: Pre˛terea quia memorati Greci falso conantur reprehendere, quod presbiteri apud nos chrisma liniunt frontes baptizatorum, quod crisma ex aqua fluminis apud nos confici dicunt, dignum videtur, ut veridice illis respondeatur. Numquam etenim apud nos presbiteri hoc agere pre˛sumpserunt, sed ex pinguedine kilobalsami et olive, quam deus de viride ligno dignatus est producere, unde sancti ficando unxit sacerdotes, reges, prophetas et martyres, nostri episcopi sacrando exorant a patre et a filio ac spiritu sancto certo tempore sanctificari, ut ex oleo laetitie˛. Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 4,7, Sp. 333f.: Hinc omnes Occidentales episcopi, maiorum sequentes institutionem, sumpsere consuetudinem ut frontes baptizatorum chrismate liniendi non presbyteris concedant, sed privilegium sibi reservent: non autem ipsum chrisma (quod mentiuntur Graeci) de fonte conficiunt, sed ex succo balsami, vel olivae liquore: quod fit non solum a Graecis, verum ab universis Christi Ecclesiis. Vgl. Christian von Stablo, Expositio super Librum generationis (Expositio in euangelium Matthaei) 2, ed. Robert B.C. Huygens, CCM 224, Turnhout 2008, S. 102f.: Quia autem istud euangelium in Epiphania legitur apud nos, dicamus breuiter quam sacra ista dies habeatur. Nam in Grecia in Natale domini legitur hoc euangelium et in ista die euangelium de baptismo eius legitur. In principio autem in Pasca legitur, ut sicut sollemnitates super alias festiuitates praeclarissimae sunt, ita euangelia praeclarissima in isdem festiuitatibus legantur. Nam in Natale eius legitur de natiuitate carnis, in Pascha de natiuitate diuinitatis. So Liutprand von Cremona, Relatio de legatione Constantinopolitana 62, S. 215: nec permittat in omni Apulia seu Calabria Latine amplius, sed Grece divina mysteria celebrare. Otto von Freising, Chronica 7,32, S. 360–362: Ea tempestate Armeniorum episcoporum eorumque, metropolitani, quem ipsi katholicon, id est universalem, propter infinitum episcoporum sub se habentem numerum vocant, legati ab ultimo pene oriente
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Unterschiede werden schließlich bei der Bischofseinsetzung wahrgenommen: Papst Hadrian, so Beda, habe den Griechen Theodor nur unter der Bedingung zur Bischofsweihe nach England geschickt, daß ein Mitweiher streng darauf achte, daß hier nicht etwa gegen den Glauben verstoßende griechische Bräuche in die dortige Kirche eingeführt würden,261 während Theodor als Erzbischof von Canterbury die Priesterweihe dem griechischen Ritus der Abtweihe folgen ließ.262 (4) Zwangsläufig auf Widerspruch mußten Unterschiede im Hinblick auf die Priesterehe und andere Kontroversen um den Klerus führen. Hat man den Vorwurf der Griechen, die Lateiner würden Diakone unmittelbar (also ohne vorherige Priesterweihe) zum Bischof weihen, noch als unrichtig zurückgewiesen,263 so bildete die Priesterehe ein echtes Hindernis, da, so Rathramnus
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summum pontificem Biterbi laboriosum iter per annum et VI menses complentes adeunt, eique ex parte illius e˛cclesiae subiectionem omnimodam consalutando offerentes causas viae, nobis cum aliis multis presentibus, apud Veterem Aulam aperiunt, quae tales erant: Inter ipsos et Grecos quaedam de ritu sacrificii habitudo est in quibusdam, in aliis vero discrepantia. Ponunt enim fermentatum panem sicut illi, aquam autem vino non admiscent sicut nos et illi. Preterea nativitatem Domini epiphaniae continuantes duas illas festivitates unam faciunt. Pro his et aliis dum inter se dissentirent, Romanam e˛cclesiam iudicem eligentes consultum veniunt formamque sacrificii iuxta consuetudinem eius sibi tradi deposcunt. Zu Ottos Irrtum in bezug auf die Armenier vgl. Avvakumov, Entstehung des Unionsgedankens S. 186f. Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum 4,1,3, S. 196: et ut ei doctrinae cooperator existens diligenter adtenderet, ne quid ille contrarium ueritati fidei Graecorum more in ecclesiam cui praeesset introduceret. Theodor von Canterbury, Poenitentiale 2,3,1f., S. 540: In ordinatione episcopi debet missa cantari ab ipso episcopo ordinante. In ordinatione presbyteri sive diaconi oportet episcopum missas celebrare, sicut Graeci solent in electione abbatis agere vel abbatissae. Vgl. Responsio contra Graecorum haeresim S. 306: Quod vero iam dicti Greci falso fatentur apud nos ante de diaconis episcopos quam presbiteros ordinari velut quodam saltu, firmiter respondemus, poene nos hoc numquam accidisse, sed ordinem et modum consecrationis in omni ordine servari canonice, quod illi solent transgredi absque ulla necessitate. Vgl. Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos 210, Sp. 759f.: De hoc autem quod quaeritur, quare apud Romam plerumque diaconus quodam saltu non percepta presbyterali benedictione in episcopum subito consecretur, dicendum simplicitatis affectu, quia deperit rationalis responsio huiuscemodi astipulationibus subnixa, cum illa quae ignorat depromere sermo veridicus pudice refugiat, maxime si in propatulo lingua distendatur eloquio, et nequaquam sustentari possit sanctarum Scripturarum auxilio. Vgl. aber ebd. 182–185, Sp. 744–747.
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von Corbie, die katholische Kirche ihr nicht nur nicht zustimmt, sondern sie geradezu verbietet:264 „Daß die erwähnten Griechen uns aber tadeln,“ so antworten die Bischöfe auf der Synode von Worms 868, „weil wir unseren Priestern verbieten, Frauen zu haben, darauf geben wir zur Antwort, daß wir die Grenzen, die unsere Väter gesetzt haben, nicht überschreiten wollen, sondern ganz und gar darauf bedacht sind, gemäß den Vorschriften der heiligen Canones die Reinheit der Seele und des Körpers zu bewahren, wenn wir Gott dienen.“265
Die griechischen Kaiser mögen, wenn sie die Enthaltsamkeit der Geistlichen tadeln, so ergänzt Rathramnus von Corbie, doch entscheiden, ob der Klerus sich um die Sorgen der Welt kümmern soll oder eher nicht (wie der Apostel es will): „Wenn sie nämlich ohne Frau sind, sind sie von der Sorge der Welt frei und können sich um deren Sorgen kümmern, die Gottes sind, und allzeit Gott zu gefallen suchen.“266 Sie können die Welt verachten und Christus anhangen.267 Dabei wird Rathramnus in seinen (stereotypen) Anreden an die griechischen Kaiser immer deutlicher: „Die ‚glorreichen‘ Herrscher der Griechen sollen doch darlegen, mit welch tollkühner Anmaßung sie sich nicht scheuen, gegen die Bestimmungen der Vorfahren, gegen die Kirchengesetze und gegen die bislang befolgte Gewohnheit anzugehen, und Römer und Lateiner tadeln, weil sie Bischöfen, Priestern, Leviten und Subdiakonen keine Ehe gestatten, wo doch selbst die kaiserlichen Gesetze offen das darlegen, was sie für Römer
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Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 4,6, Sp. 324f.: Nunc illud considerandum quod obiciunt Romanos nuptias damnare, quoniam presbyteris uxores ducere non solum non consentiunt, verum penitus interdicunt. Responsio contra Graecorum haeresim S. 305: Quod vero memorati Greci nos reprehendunt, cur nostris presbiteris prohibemus uxores accipere; respondemus quia terminos, quos patres nostri posuerunt, pertransire nolumus, sed iuxta statuta sanctorum canonum munditiam anime˛ et corporis deo serviendo servare gestimus. Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos 95–173, Sp. 721–741, beschränkt sich hier wieder auf Autoritätenzitate ohne eigenen Kommentar. Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 4,6, Sp. 327 B: Videant itaque Graecorum principes, Romanos redarguere nitentes super continentia sacerdotum, ministros altaris in qua sorte constituere disponant: an eos velint esse sine sollicitudine, quod vult Apostolus, an certe sollicitudinibus implicari mundi, quod non optat Apostolus. Si enim sine uxore sunt, a sollicitudine mundi liberi, eorum sollicitudinem gerunt, quae sunt Domini, quaerentes omni tempore Deo complacere. Ebd. Sp. 328 A: Propter quod mirandi Graecorum principes, quod reprehendere studeant Domini sacerdotes a complexu mulierum longe se facientes, ut nulla necessitate destineantur a mundo, sed mundum respuentes, liberi possint iugiter inhaerere Christo.
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und Lateiner als heilig und unverbrüchlich festsetzen, und ohne jeden Zweifel diejenigen verdammen, die dem zuwider handeln.“268
Im Zeitalter der Kirchenreform erhält das Thema erneute Relevanz. Bei Griechen und Lateinern sei es lange Zeit üblich gewesen, schreibt Landulf von Mailand, daß verheiratete Priester, die ein gutes Leben führten, zum Bischof geweiht werden konnten, während solche, die im Konkubinat lebten, keine höheren Weihen mehr erhielten.269 Im 12. Jahrhundert will Philipp von Harvengt sogar erfahren haben, daß bei den Griechen niemand zum Priester geweiht würde, der keine Frau habe, und Ledige deshalb mit der Weihe gleichzeitig zur Ehe gezwungen würden, um damit künftige Unzucht zu verhindern. Allerdings gebe es darüber widersprüchliche Ansichten.270 Kontrovers war aber auch der (fehlende) priesterliche Bart, um dessentwillen die Griechen die ganze westliche Kirche Christi tadelten.271 (Einige würden sich allerdings auch hier einen Bart wachsen lassen und stattdessen
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Ebd. Sp. 331 CD: Dicant igitur gloriosi principes Graecorum, qua praesumptionis audacia freti contra constituta maiorum, contra leges Ecclesiae, contra consuetudinem hactenus observatam venire non verentur, Romanos atque Latinos reprehendentes, quod episcopis, presbyteris, levitis atque subdiaconis uxores ducere non concedunt. Ecce enim imperialibus coarguuntur legibus, quae cum pro Romanis atque Latinis sanciant, eos qui contraveniunt procul dubio condemnant. Landulf von Mailand, Historia Mediolanensis 2,35, ed. Wilhelm Wattenbach und Ludwig Conrad Bethmann, MGH SS 8, Hannover 1848, S. 70: Usus enim ecclesiae totius tam Latinae quam Graecae per tempora multa sic se habebat: sacerdos, qui unius uxoris vir inveniebatur ac suae domui ac familiae bene profuisse a fidelibus compertus fuisset, ad episcopatum summa cum devotione multis fidelibus laudantibus promovebatur. Quicumque enim ex clero concubinarius inveniebatur, cuiuscumque ordinis foret, ultra non promovebatur; iudicantes gravissimum peccatum esse, de quo dicit apostolus: ‚Qui adhaeret meretrici, unum corpus efficitur.‘ Philipp von Harvengt, De clericorum continentia 67, Migne PL 203, Sp. 754 BC: Miror itaque unde apud Graecos eiusmodi consuetudo coaluit, ut presbyteri uxoribus libere copulentur, et sicut a quibusdam audiui, nulli sine uxoribus ordinentur, imo cum ad gradum sacerdotii ii, qui antea uxores non habebant, sublimantur, simul quoque uxores ducere quasi necessario compellantur, ut tali muniti remedio in fornicationis praecipitium non labantur. […] Alii uero dicunt, quod apud Graecos ea, quam praediximus, consuetudo non habetur, sed alia quaedam conuenientior, ut et scilicet qui presbyter ordinatur, continendi uel non continendi optio tribuatur. Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 4,5, Sp. 322 A: Iam videamus quod de barbae tonsione clericos culpare non tantum Romanorum, verum omnium Occidentalium Christi Ecclesiarum non verentur.
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die ganze Kopfhaut rasieren.272) Aeneas von Paris hält solche Unterschiede zwischen verschiedenen Völkern wieder mit dem Glauben vereinbar. Man könnte die Griechen zurückfragen, so meint er (mit Berufung auf Isidor von Sevilla), weshalb sich die Laien bei ihnen umgekehrt die Haare wie Frauen frisieren (ein für ihn unmöglicher Anblick)273 und verlagert die Diskussion damit von der klerikalen Ebene in eine Zivilisationskritik. Wenn die Heiligkeit im Bart stecke, so antworten ironisch die Bischöfe auf dem Konzil von Worms 868 (mit angeblicher Berufung auf Hieronymus), dann gebe es nichts Heiligeres als den Ziegenbock.274 Entsprechend lächerlich seien – und hier greifen die Bischöfe nun ihrerseits die Griechen an – auch die anderen nichtigen Vorwürfe seitens der Häresie der Griechen.275 Von Griechenland aus, so stellt im frühen 11. Jahrhundert Ademar von Chabannes fest, sei die Sitte des Priesterbartes aber auch nach Rußland übertragen worden,276 und auch Helmold von Bosau muß bei seinem Überblick über die Slawenvölker konstatieren, daß die Russen eher der griechischen als der lateinischen 272
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Ebd. Sp. 322 B: nonnullis vero barbam quidem non tondere, caput vero crine totum nudare. Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos 186, zum Thema Sp. 747f., hier Sp. 747 CD: Cum ergo Graeci Latinos et Romanos redarguant cur barbas radant, qui ob munditiam utique hoc agunt, quam expressius ecclesiasticum expedit et deposcit ministerium; quippe cum diversae nationes suam observent consuetudinem in cultu corporis et vestimentorum indumentis, et hoc sine crimine, ita duntaxat ut non discrepet a catholica fide; convenienter et Latini vicem quaestioni rependunt, quare Graecorum laici more feminarum contra interdictum tonantis Pauli comas nutriant […]. Denique cum Latini comas nutrire indignum ducant, ut non muliebri cultui assentiant, inquirendum quid Graeci sanctius sentiant, qui quasi unitum caput cum mulieribus crinium velamine gestant. Responsio contra Graecorum haeresim S. 307: De hoc, quod reprehendunt, cur barbas nostri clerici radunt, respondemus cum beato Hieronimo, quia ‚si sanctitas est in barba, nullus sanctior est hirco‘. Ein entsprechendes Hieronymuszitat habe ich nicht ausfindig machen können. Die Stelle findet sich aber bei Eugenius von Toledo, Opuscula, pars secunda 52 (Sententiae septem), Migne PL 87, Sp. 394 A: Si barbae sanctum faciunt, nihil sanctius hirco. Responsio contra Graecorum haeresim S. 307: He˛c igitur contra Grecorum haeresim et illorum frivolam reprehensionem nos incredulitate scilicet nostra reprehendentes et in ceteris causis, que˛ plus ridiculosa sunt quam sapientie˛ intellectui ponenda construximus. Ademar von Chabannes, Chronicon 3,31, S. 153: Post paucos dies, quidam Grecus episcopus in Russiam venit et medietatem ipsius provincie˛, que˛ adhuc idolis dedita erat, convertit, et morem Grecum in barba crescenda et ceteris exemplis eos suscipere fecit.
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Observanz folgen.277 Auch damit werden natürlich Unterschiede zwischen beiden Kirchen vorausgesetzt. Thietmar von Merseburg führt das auf die Heirat des Russenkönigs Wladimir mit der Griechin Helena zurück, die eigentlich mit Otto III. verlobt war, ihm aber in betrügerischer List entzogen wurde. Der Russenkönig sei zwar durch sie zum Christentum bekehrt worden, habe ansonsten aber keine gerechten Werke verrichtet, sondern sich großer Unzucht und Grausamkeit gegenüber den Dänen hingegeben.278 (5) Ähnliche Kontroversen betreffen noch verschiedene religiöse Bräuche. Mehrfach behandelt werden vor allem die Unterschiede in den Fastengeboten, die schon Alkuin in einem Brief an Karl den Großen anspricht.279 Nach Rathramnus von Corbie zogen sich die Lateiner den Tadel der Griechen zu, weil sie auch am Samstag, aber nur sieben (statt acht) Wochen vor Ostern (davon nur die letzten sechs ohne Milch und Eier) fasteten.280 Das, so die Bischöfe in Worms 868, geschehe zum Ruhm Gottes und ohne jeden Anstoß
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Helmold von Bosau, Chronicon 1,1, S. 6: Quibus autem doctoribus ad fidem venerint, minime compertum habeo, nisi quod in omnibus observantiis suis Grecos magis quam Latinos imitari videntur. Nam Rucenum mare brevi [spatioe] in Greciam transmittit. Thietmar von Merseburg, Chronicon 7,72, S. 486: Amplius progrediar disputando regisque Ruscorum Wlodemiri accionem iniquam perstringendo. Hic a Grecia ducens uxorem Helenam nomine, tercio Ottoni desponsatam, sed ei fraudulenta calliditate subtractam, christianitatis sanctae fidem eius ortatu suscepit, quam iustis operibus non ornavit. Erat enim fornicator immensus et crudelis magnamque vim Danais mollibus ingessit. Um 988 schrieb der bulgarische Leibarzt am Hof von Kiew, Johannes Smera Polovecius, einen Brief den Großfürsten Wladimir, um ihn zu warnen, der griechischen Sitte und Religion zu folgen: Migne PL 151, Sp. 1409f.: Ideoque, o rex, non licet tibi suscipere mores et religionem Graecam; sin vero eam susceperis, ego ad te nunquam proficiscar, sed hic obdormiens iudicium Filii Dei exspectabo. Alkuin, ep. 143, S. 225f., an Karl den Großen: Audivi, dum Romae essem, quosdam dicentes magistros, quod orientales populi novem ebdomadas et Greci octo et Latini septem ieiunare soleant. […] quid tempori conveniat et rationi concordet et numero non adversetur. Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 4,4, Sp. 317 D: Transeamus iam ad illud quod de Quadragesima paschali conantur redarguere, dicentes, quod non ieiunemus sicut illi octo hebdomadas ante Pascha a carnium, et septem hebdomadibus a casei et ovorum esu suo more non cessamus. Vgl. Responsio contra Graecorum haeresim S. 298: Igitur quia memorati Greci nos inrationabiliter reprehendunt cur non ieiunamus Sabbatis, et cur septem ebdomadibus non abstinemus ante pascha a commestione ovorum et casei et octo ebdomadibus ab edulio carnis […].
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gegenüber Juden, Griechen und der Kirche.281 Ebenso könnten sie, so Rathramnus in seiner uns schon bekannten Ironie zum Fasten am Samstag, alle tadeln, die täglich fasten; sie mögen doch lieber darauf achten, daß (bei ihnen) die Tugend Nachahmer findet, als den Fastenden etwas zu entziehen.282 Tatsächlich werde das Samstagsfasten aber auch gar nicht in der ganzen westlichen Kirche eingehalten, sondern nur in Rom und einigen anderen Kirchen, während die Mehrheit diesem Brauch gar nicht folge. Der Tadel der Orientalen an den fastenden Römern sei daher ebenso unangebraucht wie ein Tadel der römischen Fastenden an ihnen.283 Die Römer aber gedenken damit an jedem Samstag der Auferstehung des Herrn, wie die Kirche an jedem Sonntag.284 Auch bezüglich der Fastenzeit vor Ostern gebe es in der ganzen Kirche sehr verschiedene Bräuche, und man faste zwischen sechs und sogar neun Wochen.285 Wenn die Griechen aber acht Wochen
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Responsio contra Graecorum haeresim S. 298ff.: ‚quodcumque facimus, omnia in gloriam Dei faciamus, et quantum in nobis est, sine offensione simus Iude˛is et Grecis et ecclesie dei‘ (S. 299), mit Berufung auf Augustinus, ep. 36, c. 9,21, ed. Goldbacher, CSEL 34,2, S. 51. Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 4,1, Sp. 306 BC: Sed neque prandebant omni Sabbato, quos constat usque ad vesperam continuata perduxisse ieiunia; plurimosque illorum in tertia vel sexta die cibum corpori vix praebuisse. Videant igitur Graecorum sapientes vel certe principes, quam iuste reprehendant Romanos in Sabbato ieiunantes. Ergo reprehendant et istos omni die ieiunantes; reprehendant etiam totam hebdomadam ieiunio continuantes. Quod quia stultum esse cernitur, ex hoc saltem velim vel imprudentiae vel levitatis suae perspiciant errorem, et studeant potius virtutis imitatores existere quam ieiunantibus derogare. Ebd. 4,3, Sp. 311f.: Culpant Romanos et Occidentales quod Sabbato ieiunent; quandoquidem ipsi vel Orientales omni Sabbato prandeant, nescientes, ut credimus, quod non omnes Occidentales Ecclesiae hac consuetudine teneantur, sed Romana vel aliae quaedam Occidentales Ecclesiae; siquidem maior numerus Occidentalium in Sabbato non ieiunat; nec tamen Romanos propterea ieiunantes reprehendunt, vel a Romanis ieiunantibus ipsi reprehenduntur. Ebd. Sp. 314 C: At vero Romanis placuit id omni Sabbato ieiunando memorari, quemadmodum omni Dominica resurrectionis Domini memoria cunctis ab Ecclesiis frequentatur. Ebd. 4,4, S. 317f.: Sic ista dicentes, tanquam hanc illorum consuetudinem omnes Orientales et Occidentales, praeter Romanos, Ecclesiae conservent: quandoquidem tam in Orientalibus quam in Occidentalibus Ecclesiis multa diversitas inveniatur, sicut iam superius ostensum est, aliis sex hebdomadibus, praeter Dominicam, Ecclesiis ante Pascha ieiunantibus; aliis ante sex septimanas; aliis ante septem Paschae septimanas
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fasteten, dann beziehe sich das lediglich auf fünf Tage in der Woche, im Westen aber auf sechs und gleiche sich damit in der Summe perfekt wieder aus!286 Insgesamt opfere man Christus in beiden Fällen genau ein Zehntel des Jahres.287 Man nimmt solche Unterschiede also sehr wohl wahr, mißt ihnen aber keine Bedeutung zu, solange der religiöse Zweck und Sinn gleichermaßen erreicht ist. Dennoch gilt der eigene Brauch als der bessere. Man ahme das Leben Christi weit vollkommener nach, so argumentiert Aeneas von Paris, wenn man in dieser Zeit (wie im Westen) ohne jede Unterbrechung fastet.288 Für ein siebenwöchiges Enthalten von Käse und Eiern gebe es hingegen keinerlei biblische Autorität.289 Kennzeichnend ist insgesamt auch hier eine Verteidigungsstrategie, die zum einen eine Offenheit (und Zulassung) verschiedener Gewohnheiten anstrebt,290 zum andern aber die eigene als die richtige oder zumindest bessere rechtfertigt.
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ieiunium inchoantibus: id est, quidam ieiunium Paschale inchoant sexta hebdomada ante Pascha, nonnulli septima, plures octava; superaddunt etiam alii nonam. Ebd. Sp. 320 A: Hac de causa Graeci non habent quid Romanis obiciant super septimanarum disparilitate, quoniam quod illi in octo hebdomadibus faciunt, per singulas hebdomadas quinis non amplius diebus ieiunantes, hoc tam Romana, quam Occidentalis Ecclesia, sex hebdomadibus perficere noscuntur; superadditis quatuor diebus hebdomadis septimae. Ebd. Sp. 321 B: Ieiunant denique Romani sex ante Pascha septimanas continuatim, praeter Dominicam, qua ieiunium solvunt. Unde si ieiunantes triginta sex dies quatuor minus a quadraginta complere noscuntur; causa cur ita faciant pie considerare volentibus et honesta satis est et in evidenti posita. Siquidem annus solaris trecentis sexaginta quinque diebus peragitur; horum dierum decimam si assumas, triginta sex dies habebis: iubemur autem laborum decimas nostrorum offerre Domino. Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos 174–177, Sp. 741–743 (zum Thema), hier ebd. 174, Sp. 741 AB: Quod etiam quaeritur cur non cessamus octo hebdomadibus ante Pascha a carnium esu, et septem a caseo et ovis; ad hoc breviter respondendum, quia in Quadragesimali ieiunio nos perfectius Dominum imitamur, qui eosdem dies continuatim, ut ipse Dei Filius, ieiunamus, non dirimentes, nec interrumpentes spatium abstinentiae et ieiunii. Ebd. 175, Sp. 741 D: De hoc etiam quod quaeritur, quare septem hebdomadibus ante Pascha ab esu casei et ovorum non abstinemus, sed tantummodo sex, dicendum breviter quia talis exactio superflua ex sanctis Scripturis non habet auctoritatem; nam per diversas regiones varius exercetur abstinentiae usus. Vgl. in diesem Sinne auch Amalar von Metz, ep. 6, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 5, Berlin 1974, S. 248: Nam Greci adhuc octo ebdomadas ieiunant, preter sabbatum et dominicam diem et solum sabbatum festivitatis pasche˛ ieiunant, in memoratione luctus apostolorum, qui fuit tempore passionis Christi. […] Quapropter non est alienum
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Weitere Kontroversen fügen sich in dieses Schema ein. Sie betreffen beispielsweise das Verhalten in der Kirche – die Griechen halten es nach einem Brief Nikolaus’ I. für eine große Sünde, wenn man die Hände nicht gefaltet vor der Brust halte,291 die Eucharistie ohne Gürtel einnehme oder die Kirche mit einer Kopfbedeckung betrete; solche Gebote habe es jedoch niemals gegeben292 – oder das Berühren von Reliquien. Gregor der Große nennt diesen griechischen Brauch noch unerträglich; wer solches wage, bleibe nicht ungestraft.293 Manche griechischen Vorwürfe werden aber auch schlicht als unzutreffend zurückgewiesen (wie die Behauptung, im Westen würde zu Ostern nach jüdischer Sitte ein Lamm geopfert).294 Rupert von Deutz verurteilt seinerseits den griechischen Brauch, Taufen an Epiphanias (statt zu Ostern) vorzunehmen,295 während eine kanonistische Schrift des 12. Jahr-
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a fide, ut sicuti Greci octo ebdomadas ieiunant propter refectionem quinte˛ ferie˛ et sabbati, siquidem et nos non discrepamus ab ipso ieiunio. Nikolaus I., ep. 99, c. 54, S. 587: Dicitis, quod Graeci fateantur, quod in ecclesia qui non constrictis ad pectus manibus steterit maximum habeat peccatum. Ebd. c. 55, S. 587: Iam vero quod asseritis Graecos vos prohibere communionem suscipere sine cingulis, quibus sacrae scripturae testimoniis hoc prohibere iure probentur, nos penitus ignoramus; ebd. c. 66, S. 590: Graecos prohibere vos asseritis cum ligatura lintei, quam in capite gestatis, ecclesiam intrare. Quod nos quoque similiter non ab re forsitan inhibemus. Nach c. 57, S. 588, haben die Griechen es den Bulgaren als große Sünde verboten, daß Eunuchen ihre Tiere schlachten: Sed nobis valde absonum est et adhuc frivolum sonat, quod dicitur. Eunuchen stehe das Himmelreich jedoch ebenso offen wie anderen, da die Auferstehung mit allen Gliedern erfolge. C. 77, ebd. 593, berichtet von einem Wahrsagemodus mittels eines winzigen Holzes, das in einen Codex gelegt wird. Der Papst bezeichnet das als vanitates et insanias falsas. Gregor der Große, Registrum epistolarum 4, ep. 30, CCL 140, S. 249: Vnde contigit ut beatae recordationis Leonis papae tempore, sicut a maioribus traditur, dum quidam Graeci de talibus reliquiis dubitarent, praedictus pontifex hoc ipsum brandeum allatis forficibus incidit, et ex ipsa incisione sanguis effluxit. In Romanis namque uel totius Occidentis partibus omnino intolerabile est atque sacrilegum, si sanctorum corpora tangere quisquam fortasse uoluerit. Quod si praesumpserit, certum est quia haec temeritas impunita nullomodo remanebit. Pro qua re de Graecorum consuetudine, qui ossa leuare sanctorum se asserunt, uehementer miramur et uix credimus. So die Responsio contra Graecorum haeresim S. 307: Quod vero cum corpore et sanguine Christi nos more Iudeorum pre˛dicti Greci aiunt in pascha agnum offerre, numquam nullus nostrum hoc valuit aut voluit excogitare. Rupert von Deutz, Liber de divinis officiis 5,31, S. 185: Hoc ideo dicimus, ne putemus illum a Ioanne suum accepisse baptismum, quod Romana auctoritas non concedit
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hunderts kritisiert, daß Heiligenfeste in Griechenland nicht am Todestag, sondern an beliebigen Tagen begangen würden.296 Inzestverbote, so Hrabanus Maurus, gälten bei den Griechen nur bis zum dritten, nicht bis zum fünften Grad wie bei den Römern.297 Die Diskrepanzen wirken aber auch auf „Mischehen“ zwischen Griechen und Lateinern zurück: Wenn ein Grieche eine Lateinerin heiratet, wird diese gesalbt, stellt Anselm von Havelberg in seinem Dialog mit Niketas von Nikomedia fest. Falls das eine Wiedertaufe ist, wäre es häretisch. Niketas bestreitet allerdings, daß das eine Wiedertaufe sei, und bezeichnet es als eine reinigende Salbung (für den Fall, daß die Frau noch nicht gesalbt worden sei).298 Die Kontroverse belegt immerhin, daß die religiösen Unterschiede als groß genug angesehen werden, um bei „Mischehen“ entsprechende Vorsorge zu treffen, daß die Partner auch dem richtigen (eigenen) Ritus folgen. Schwerer wiegt es, wenn Johannes Scotus Eriugena den größten griechischen Theologen wie Gregor (wohl Gregor von Nazianz) eine falsche Bibelauslegung unterstellt, die zur Lehre von zwei Schöpfungen des Menschen führt: eine nach dem Bild Gottes, die weder Mann noch Frau unterscheidet, sondern die – der Engelnatur ähnliche – Menschheit schlechthin im Blick hat, und eine zweite, die wegen des vorhergewußten Vergehens der rationalen Natur hinzugefügt ist und in der nach dem Geschlecht unterschieden wird.299 Solche Glaubens- und Auslegungsdifferenzen grenzen wieder an Häresie.
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Graecorum contradicens traditioni, ut die epiphaniae baptismum celebremus sicut in nocte paschali, quod et supra dictum est, ubi de die epiphaniae mentio facta est. Liber quare, app. I, quaestio 156, additio 3, ed. Georg Polycarp Götz, CCM 60, Turnhout 1983, S. 123: Graeci tamen et festa et ecclesias in honore sanctorum ueteris testamenti faciunt, nec obseruant tempora mortis eorum, sed quando et quotiens illis placet, prout quemque plus diligunt, festa illorum celebrant. Hrabanus Maurus, ep. 29, S. 446: invenimus, quod in tertia propinquitate carnis secundum Grecos liceat nubere, in quinta vero secundum Romanos. Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,21, Sp. 1245ff. Johannes Scotus Eriugena, Periphyseon 4, CCM 164, S. 107: Sed quo sensu summae auctoritatis magister atque acutissimi subtilissimique ingenii in expositionibus diuinae scripturae talia protulerit, non facile nobis elucet, nisi forte, ut saepissime in ipsius expositionibus inuenimus, summos Graecorum theologos secutus sit, et maxime Gregorium, qui duas hominis conditiones esse asserunt: Vnam quidem ad imaginem dei, in qua nec masculus nec femina intelligitur, sed sola uniuersalis et simplex humanitas simillimaque angelicae naturae, quam omni sexu omnino carere et auctoritas incunctanter et uera docet ratio, alteram uero atque secundam, propter praescitum rationabilis naturae delictum superadditam, in qua sexus constituitur.
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(6) Die Kontroversen um den Vorrang des Papsttums schließlich, die in den (päpstlichen) Quellen wie in der Forschung zwangsläufig eine wichtige Rolle spielen, sind nur bedingt religiösen Charakters.300 Schon Papst Stephan II. hatte vom Frankenkönig Pippin geradezu erwartet, die päpstliche Autorität bei den Griechen (in Italien) durchzusetzen.301 Trotz der gerade hier zuweilen erkennbaren Schärfe beweisen die päpstlichen Ansprüche im Gegenteil, daß man sich als eine christliche Einheit fühlt, in der es um den religiösen Führungsanspruch, nicht aber um religiöse Differenzen geht. „Indem sie sich all das aneignen,“ schreibt Rathramnus von Corbie, „wollen (die griechischen Kaiser) aufs stärkste bekräftigen, daß der Patriarch von Konstantinopel über dem römischen Papst steht, und darauf richten sie ihr ganzes Trachten und versuchen, Konstantinopel den Vorzug vor Rom zu geben, als ob es ihr Recht sei, Kirchengesetze zu ändern und den Gipfel der Herrschaft zu regeln.“302
Woher, fragt Rathramn, nehmen die Kaiser der Griechen wohl dieses Recht, den Bischof von Konstantinopel über alle Kirchen zu setzen? Weder die frühere Geschichte (antiquitas) noch die Synodalbeschlüsse noch die kaiserliche Praxis gestatten das ohne Zustimmung des Papstes, dem von alters her tatsächlich die Herrschaft über und die Sorge für alle Kirchen zusteht, wie es zahlreiche Belege dokumentieren.303 Ähnliche Ansprüche wiederholen 300
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Daß die päpstliche Sicht nicht religiös, sondern politisch motiviert war, betont, nicht zu Unrecht, Arbagi, Byzantium S. 52ff., der die religiösen Wahrnehmungen in seiner Arbeit dennoch unterschätzt. Codex Carolinus, ep. 11, von 757, S. 506: Et hoc obnixe postulamus praecelsam bonitatem tuam: ut inspiratus a Deo et eius principe apostolorum beato Petro ita disponere iubeas de parte Grecorum, ut fides sancta catholica et apostolica per te integra et inconcussa permaneat in eternum et sancta Dei ecclesia, sicut ab aliis, et ab eorum pestifera malitia liberetur et secura reddatur atque omnia propriaetatis suae percipiat, unde pro anime vestrae salute indefessa luminariorum concinnatio Dei eccle˛iis permaneat et esuries pauperum, egenorum vel peregrinorum nihilominus refectetur et ad veram saturitatem perveniant. Vgl. Freudenberg, ‚Unus grex et unum ovile?‘ Rathramnus von Corbie, Contra Graecorum opposita 4,8, Sp. 335 B: Quae cuncta sibi vindicare velle potissimum comprobant, quod patriarcham Constantinopolitanum praeponere Romano pontifici gestiunt et urbem Contantinopolim Romae praeferre conantur, tanquam sui iuris existat leges ecclesiasticas immutare et regnorum apicem disponere. Das Konzil von Konstantinopel von 381 hatte den Erzbischof von Konstantinopel unter die fünf Patriarchate erhoben. Gegen den päpstlichen Widerspruch wiederholte das Konzil von Chalkedon von 451 diesen Anspruch. Ebd. Sp. 344 BC: Unde igitur auctoritatem Graecorum principes accipiunt, ut Constantinopolitanum episcopum omnibus Ecclesiis praeferant? Antiquitas eis nulla suffra-
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
vielfach die Papstbriefe. Nikolaus I. weist darauf hin, daß nur die von den Aposteln eingerichteten Kirchen Patriarchate sind, also (an erster Stelle!) Rom, Alexandrien (Markus) und Antiochien (Petrus, bevor er nach Rom kam). Die Bischöfe von Konstantinopel und Jerusalem werden zwar auch Patriarchen genannt, genießen aber nicht die gleiche Autorität wie die anderen. Konstantinopel wurde weder von einem Apostel gegründet, noch wird es in der Synode von Nicäa erwähnt, sondern genießt die Wertschätzung nur, weil es nova Roma heißt. Jerusalem aber wurde von Kaiser Hadrian zerstört.304 Als Johannes VIII. dem Kaiser Basilios und seinen Söhnen zum Amtsantritt gratuliert, verweist er doch gleichzeitig auf den römischen Primat und mahnt (mit Blick auf die – nun überwundene – Episode mit Photius), fortan keinen Laien mehr ins Bischofsamt zu setzen.305 Anastasius Bibliothecarius wirft den Griechen Arroganz vor, weil sie ihre Synoden und ihren Patriarchen unangemessen „ökumenisch“ nennen, obwohl sie nur einen Teil der Christenheit betreffen (moniert letztlich aber nur das Wort und erklärt die Differenzen wieder aus dem lateinischen Sprachgebrauch).306
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gatur, synodorum decreta nulla, imperatorum pragmatica nulla, quae licet etsi aliqua monstrarentur, auctoritatis pondus obtinere nequirent sine Romani pontificis astipulatione, cuius tantae manet antiquitate tribuente potestatis ius, ut sine permissionis illius auctoritate nec Constantinopolis nec ulla civitas Orientalis vel Occidentalis obtinere privilegia valeat potestatis, nisi quae fuerant a Romano pontifice vel concessa vel roborata; ipsi vero maneat potestas atque sollicitudo omnium Ecclesiarum, concedendi vel disponendi quaecunque ecclesiasticis utilitatibus secundum ecclesiasticas regulas probata fuerint deservire. Quod multis approbatur Scripturarum monumentis, per universas Ecclesias a Romano pontifice destinatis. Autoritätenzitate für den römischen Primat stellt Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos 187–209, Sp. 748–759, zusammen. Nikolaus I., ep. 99, c. 92, S. 596f. Johannes VIII., Registrum, ep. 207, S. 166ff., vom August 879. Anastasius Bibliothecarius, ep. 6, S. 417: In eo sane, quo frequenter universalem in hac synodo Greci patriarcham suum inconvenienter appellant, apostolatus vester adolationi veniam det saepe praelatis suis non sine reprehensione placere studentum. Verum cum apud Constantinopolim positus frequenter Grecos super hoc vocabulo reprehenderem et fastus vel arrogantiae redarguerem, asserebant, quod non ideo oecomenicon, quem multi universalem interpretati sunt, dicerent patriarcham, quod universi orbis teneat praesulatum, sed quod cuidam parti praesit orbis, quae a christianis inhabitatur. Nam quod Grece oecumeni vocatur, Latine non solum orbis, a cuius universitate universalis appellatur, verum etiam habitatio vel locus habitabilis nuncupatur.
4. Religiöse Wahrnehmung: Wissen über die Religion
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Der päpstliche Primat bleibt ein konfliktreiches Dauerthema. Er spielt noch im Dialog Anselms von Havelberg mit Niketas von Nikomedia eine Rolle,307 der diesen Sachverhalt dem Wortlaut nach gar nicht abstreitet, sondern, bereits bescheidener, nur noch beansprucht, daß Konstantinopel als zweites Rom allen Kirchen Asiens vorsteht (damit letztlich auf eine Eigenständigkeit der byzantinischen Kirche hin arbeitet308 und sich Eingriffe und Eigenmächtigkeiten des Papstes verbittet).309 Einst war die griechische Kirche demütig und gehorsam, antwortet Anselm, jetzt sei sie streitsüchtig.310 Der Primatsanspruch aber bleibt weiterhin bestehen. Robert von Torigny berichtet in seiner Fortsetzung der Chronik Sigeberts von Gembloux noch zum Jahr 1182 von einer päpstlichen Gesandtschaft nach Konstantinopel, um „die Kirche der Griechen zu den Anordnungen und zur Unterwerfung unter die römische Kirche zurückzurufen“.311 Die Salzburger Annalen erzählen sogar noch zum Jahr 1282, der Papst (Martin IV.) habe den griechischen Kaiser Michael VIII. Paleologus gebannt, weil er gegen den christlichen Glauben gehandelt hätte. Seit Jahren sei nämlich kein Grieche mehr vor dem Papst erschienen, um Rat zu holen oder einen Streit zu schlichten; folglich erkenne man dort die höhere Stellung des Papstes in geistlichen Dingen nicht an. Außerdem habe der Kaiser einem Gesandten (einem Kardinal) geantwortet, er wolle sich lieber gliedweise zerfleischen lassen als erlauben, daß in seinen Kirchen das Glaubensbekenntnis an den einen Gott gesungen werde.312
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Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,5ff., Sp. 1213ff. Ebd. 3,7, Sp. 1217ff. Ebd. 3,8, Sp. 1219f. Ebd. 3,16, Sp. 1253f. Robertus de Monte, Cronica a. 1182, ed. Ludwig Conrad Bethmann, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 533, zu einer Gesandtschaft nach Konstantinopel, um: revocare ecclesiam Grecorum ad instituta et subiectionem Romane ecclesie. Annales sancti Rudberti Salisburgenses a. 1282, ed. Wilhelm Wattenbach, MGH SS 9, Hannover 1851, S. 807: Dominus papa excommunicavit Paleologum Mychahelem, sed etiam imperatorem Grecorum, pro eo quia contrarius fidei Christiane, sicut papa probavit coram omni clero et populo pluribus argumentis, inter que hec duo validissima reputantur: videlicet quod infra multos annos nullus Grecorum accessit ad Romanam ecclesiam pro aliqua causa, gratia consilii sive litis, et sic per consequens papam Romanum superiorem in spiritalibus non cognoscunt; item quod idem imperator cuidam cardinali ad se misso respondit, quod plus eligeret membratim dilacerari penitus, quam permittere ‚Credo in unum Deum‘ in suis ecclesiis decantari.
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
Alle diese Beobachtungen zeigen, daß man Unterschiede zwischen den römisch-katholischen und den griechisch-orthodoxen Gewohnheiten auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen hat und die eigenen Bräuche, wenn zumeist auch als Verteidigung gegenüber den griechischen Vorwürfen, rechtfertigt. In vielen Fällen verbindet sich damit zwangsläufig eine Stellungnahme zugunsten der lateinischen Kirche, wenngleich zumindest einige Autoren betonen, daß damit noch nicht ein unterschiedlicher Glaube vorherrsche. In anderen Fällen werden die griechischen Bräuche, wie wir gesehen haben, jedoch gefährlich in die Nähe von Häresie gerückt. Diese beiden Aspekte, Bewertung und Einordnung der Griechen, sind in den beiden folgenden Abschnitten daher noch näher zu betrachten.
5. Bewertung und Abschätzung Bewegt sich das (allgemeine) Griechenbild der Lateiner vielfach „zwischen Bewunderung und Abneigung“,313 so wird man ersteres für das Verhältnis zur Religion sicher nicht behaupten können. Wohl ist immer wieder ein Bemühen erkennbar, die Gleichheit des Glaubens zu betonen und die durchaus wahrgenommenen Unterschiede dadurch zu relativieren. Wo es allerdings zu unmittelbaren Auseinandersetzungen um die Glaubensinhalte und, mehr noch, die kirchlichen Verfahrensweisen und religiösen Bräuche kommt, ist das Urteil, wie sich bereits mehrfach beobachten ließ, eindeutig negativ. Gleichzeitig bleibt es bezeichnend, daß solche Abwertungen weithin auf Situationen politischer und religiöser Diskrepanzen und Konflikte beschränkt bleiben und in diesem Zusammenhang benutzt werden. So schreibt schon Papst Paul I. an den Bischof Wilharius von Nomentum in den Jahren 761/766, er habe erfahren, daß die Griechen einen Krieg gegen ihn und Ravenna anzetteln wollen, und bittet Pippin um Hilfe und um Einflußnahme auf den Langobardenkönig Desiderius. In diesem Zusammenhang nennt er die Angreifer „gottloseste Griechen, Feinde der heiligen Kirchen Gottes und Gott entgegengesetzte Überwinder des rechtmäßigen Glaubens“;314 diese „gottlosesten Griechen“ verfolgen uns aus keinem anderen 313
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Vgl. Schreiner, Byzanz und der Westen S. 555ff.; vgl. auch Rentschler, Griechische Kultur I S. 354; Wickham, Ninth-Century Byzantium. Codex Carolinus ep. 30 (Paul I.), S. 536, von 761/766 an Wilharius: nefandissimi Greci, inimici sanctae Dei ecclesiae et orthodoxae fidei expugnatores, Deo sibi contrario. Vgl. dazu Freudenberg, ‚Unus grex et unum ovile?‘
5. Bewertung und Abschätzung
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Grund als dem Wunsch, den „orthodoxen Glauben und die heilige Tradition der ehrwürdigen Väter“ zu zerstören und niederzutreten.315 Die „Orthodoxie“ liegt also im Westen, nicht bei den (griechischen) Orthodoxen,316 die hier geradezu zu Häretikern werden.317 Ganz ähnlich meldet knapp zwei Jahrzehnte später Hadrian I. Karl dem Großen, daß „die gottlosen Neapolitaner“ zusammen „mit den hassenswerten Griechen“ in Tarracina eingedrungen seien, und bittet um Hilfe,318 und auch ihm erscheinen die Griechen in diesem Kontext als gottlose Frevler.319 In gleich mehrfacher Abwertung charakterisiert der heilige Gallus in einer Predigt den „gottlosesten griechischen König“ gar als „Vorläufer des allerbösesten Antichrist“.320 Im Hinblick auf die Auseinandersetzungen mit dem Papsttum bezeichnet Hugo von St. Viktor die Griechen später als Lügner und lügnerische Menschen
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Codex Carolinus ep. 30, S. 536: non ob aliud ipsi nefandissimi nos persequuntur Greci nisi propter sanctam et orthodoxam fidem et venerandorum patrum piam traditionem, quam cupiunt distruere atque conculcare. Ähnlich ebd. ep. 32, S. 539, von 761/766, in dem der Papst erneut Pippin um Hilfe und um Schutz der römischen Kirche bittet: Optime enim praecellentiae vestrae christianitas comperta existit, quanta qualisque sit impia hereticorum Grecorum malitia: inhianter meditantes atque insidiantes, qualiter, Deo illis contrario, sanctam orthodoxam atque sanctorum patrum tradicionem destruere possint. Vgl. auch ebd. S. 538: dank Pippins Hilfe sancta spiritalis mater vestra Dei ecclesia constat ab inimicorum insidiis erepta et orthodoxa christianorum fides ab inpugnatoribus defensa. Ebd. S. 538 (oben Anm. 315). Zum Verlust des byzantinischen Einflusses auf das Papsttum im und seit dem Pontifikat Pauls I. vgl. Miller, Byzantine-papal relations. Ebd. ep. 64 (Hadrian I.), S. 591, von 779/780: qualiter nefandissimi Neapolitani una cum Deo odibiles Grecos, praebente maligno consilio Arighis duce Beneventano, subito Terracinensem civitatem, quam in servitio beati Petri apostolorum principis et vestro atque nostro antea subiugavimus, nunc autem invasi sunt. Ebd. ep. 65 (Hadrian I.), S. 593, von 779/780, an Karl den Großen: De autem partibus Neapolitanis, sicut cum nefandissimi Gre˛ci seu Beneventani consilint, qualiter vobis insinuantes per nostras apostolicas syllabas direximus. In der nicht in allen Handschriften überlieferten Inhaltsangabe eines anderen Briefes Hadrians I. (ep. 59, ebd. S. 584, Lesart a) wird der Verkauf von mancipia an Sarazenen als unchristlich bezeichnet; so etwas machten Langobarden und Griechen. Gallus, Sermo habitus Constantiae, Sp. 17 D: repentino casu rex nefandissimus Graecorum, utputa, praevius et praeco malissimi Antichristi, eos ita oppressit.
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
mit unruhigem Geist.321 Wenn Erzbischof Adalbert von Bremen an seiner Domkirche Messen nach Adam um der gloria willen nach römischem und griechischem Ritus feiern läßt,322 dann mag darin zugleich eine Kritik seines „Biographen“ herausklingen, der sich bekanntlich keineswegs in allem mit Adalberts Politik einverstanden zeigte. Ein sehr gespanntes Verhältnis zur griechischen Kirche entwickelte sich auch auf den Kreuzzügen und in den Kreuzfahrerstaaten. Albert von Aachen spricht zwar von den „katholischen Griechen“, um sie bald darauf jedoch als „falsche Christen“ abzuwerten.323 Für Guibert von Nogent war der Glaube der „Orientalen“ in der ganzen langen Geschichte seit Konstantin und Helena ständig schwankend, unstet und auf Neues ausgerichtet und wich damit von der Autorität der Väter ab.324 Erst die gläubigen Okzidentalen haben die Ostkirche wiederhergestellt.325 Die Griechen sind ihm nicht nur fremd, sondern die feigsten unter allen Menschen.326 Vor allem Wilhelm von Tyrus äußert sich rundherum abschätzig über die Griechen, freilich ohne dabei dezidiert auf die Kirche einzugehen. Daß es sich um Christen
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Hugo von St. Viktor, Adnotatiunculae elucidatoriae in Joelem prophetam, Sp. 362 A: Graeci mendaces, falsiloqui homines scilicet, vel motus animi. Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum 3,27, S. 170: Cui nimirum gloriae tantum ipse indulsit, ut iam non Latino more vellet ecclesiastica obire mysteria, sed nescio qua Romanorum sive Grecorum consuetudine fultus per tres missas, ubi astitit, XII modulari officia precepit. Albert von Aachen, Historia Ierosolimitana 6,55, S. 476, zur Einnahme Latakias: Hiis itaque in locis dum moram facerent, nunciatum est illis quoniam Boemundus, auaricia aggregandi et adquirendi insaturatus, Laodiciam urbem et habitationem catholicorum Grecorum longa obsidione occupasset. Ebd. 6,57, S. 480: Boemundus ab Antiochia nobis obuiam factus est, qui ciues Laodicie falsos Christianos esse asseruit et eosdem semper Christianis confratribus aduersari, et traditores peregrinorum apud Turcos et Sarracenos fuisse illos summopere referebat. Guibert von Nogent, Dei Gesta per Francos 1,2, S. 89: Orientalium autem fides cum semper nutabunda constiterit et rerum molitione novarum mutabilis et vagabunda fuerit, semper a regula verae credulitatis exorbitans, ab antiquorum Patrum auctoritate descivit. Ebd. 7 prol., S. 266: Fidei nostrae incentivum non minimum prebet quod Occidentalium labore fidelium Orientalis restauratur aecclesia. Ebd. 2,19, S. 135: apud exteros tamen, presertim apud inertissimos hominum Grecos, de regis Francorum fratre prevolarat infinita celebritas.
6. Religiöse Einordnung: Christen? Häretiker? Ungläubige?
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handelt, ist ihm allerdings nicht strittig.327 Wie wirken sich solche Abwertungen nun auf die religiöse Einordnung aus?
6. Religiöse Einordnung: Christen? Häretiker? Ungläubige? Wie schon mehrfach betont, liegt vielen Autoren die Einheit des Glaubens in Ost und West durchaus am Herzen. Griechen sind daher nicht von vornherein „Andersgläubige“. Vor allem anfangs wird die Gemeinsamkeit betont. So fordert Papst Martin I. zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Häretiker auf (und hebt damit Griechen und Lateiner als rechtgläubig dezidiert von den Häretikern ab).328 In einem Brief an Bischof Arno von Salzburg verteidigt auch Alkuin die griechische Trinitätslehre noch ausdrücklich als Bastion gegen den Arianismus (und hebt sie damit gerade gegenüber häretischen Abweichungen ab).329 Bonifatius betont, daß Griechen und Lateiner es gleichermaßen streng verurteilen, wenn ein Kleriker überführt wird, mit einer Nonne geschlafen zu haben, und ihm die Weihen entziehen.330 Paulus Diaconus erinnert daran, daß der Evangelist Lukas des Grie327
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Vgl. beispielsweise Wilhelm von Tyrus, Chronicon 3,20, S. 221f. Zu Wilhelms Griechenbild vgl. Thomas Rödig, Zur politischen Ideenwelt Wilhelms von Tyrus (Europäische Hochschulschriften Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 429), Frankfurt/M.-Bern-New York-Paris 1990, S. 86–104. Zum negativen Bild der Ostchristen in Kreuzzugschroniken insgesamt vgl. Martin Völkl, Muslime – Märtyrer – Militia Christi. Identität, Feindbild und Fremderfahrung während der ersten Kreuzzüge (Wege zur Geschichtswissenschaft), Stuttgart 2011, zusammenfassend S. 265. Martinus I., ep. 3, Migne PL 87, Sp. 143 D/146 A: Unde nos ad pietatem vestram confugientes, ut utrorumque tum paternorum piorumque decretorum, tum impiorum hominum ac dogmatum differentiam vestrae potestati aperte exhiberemus, haec a nobis synodice acta una cum eorum Graeca interpretatione misimus, orantes atque hortantes serenitatem vestram divinae sapientiae deditam, ut haec diligenter legere dignetur, pietatisque legibus memoratos haereticos una cum eorum haeresi condemnet. Alkuin, ep. 268, an Bischof Arno von Salzburg, S. 426f.): Unde contra venenum Arriane perfidiae solemus dicere Patrem et Filium et Spiritum sanctum unius esse substantiae […]. Ideo Graeci solent dicere de Deo: una usia, tres ypostases, id est una substantia, tres subsistentiae (S. 426, 39ff.) Bonifatius, ep. 73, S. 148f.: Apud Grecos enim et Romanos – quasi blasphemiam Deo inrogasset, qui hoc reus sit – ut proprie de hoc peccato ante ordinationem interrogatus,
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chischen mächtig war und die Inkarnation Christi zuerst den Griechen angezeigt habe,331 und Rodulf Glaber beruft sich bei seiner Quaternionentheorie noch im 11. Jahrhundert ausdrücklich auf „die katholischen Kirchenväter der Griechen“, die gewiß keine schlechten Philosophen gewesen seien.332 Landulf von Mailand erinnert an die vier ökumenischen Konzilien, auf denen beide (Kirchen), Griechen und Lateiner, beruhen und die die Ganzheit (Unversehrtheit) des „katholischen“ (also allgemeinen und rechtmäßigen!) Glaubens ausmachen.333 Bernold von St. Blasien und Sigebert von Gembloux rufen ins Gedächtnis, daß die Synode von Konstantinopel unter Gratian und Theodosius unter Verurteilung aller Häresien das Glaubensbekenntnis bekräftigt hat, das in allen Kirchen der Griechen und Lateiner gleichermaßen gebräuchlich ist und das zuerst im Osten, dann aber auch im Westen üblich wurde. Das dritte Konzil von Toledo habe ausdrücklich verfügt, es jeden Sonntag more orientalium zu zitieren.334 Und Gerhoh von
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si reus inventus fuerit, ut cum velata et consecrata Deo nonna concubuisset, ab omni gradu Dei sacerdotii prohibetur. Der Satz gelangt, leicht verändert, in das Dekret Ivos von Chartres, Decretum 7,129, Sp. 574 CD. Paulus Diaconus, Homiliae de sanctis. Homilia 59, Migne PL 95, Sp. 1534 C: Hic etiam beatus Lucas examussim dicitur Graeco eloquio eruditus, cui extra ea, quae evangelicae disputationis ordo deposcit, maximae necessitatis labor is fuit, ut primum Graecis fidelibus incarnationem Domini nostri Iesu Christi fideli narratione ostenderet, ne vel Iudaicis genealogiis intenti solo legis desiderio tenerentur vel haereticis fabulis et stultis sollicitationibus seducti, excedendo laberentur. Rodulf Glaber, Historiae 1,2, S. 4: Multiplicibus figuris formisque Deus, conditor uniuersorum, distinguens ea quae fecit, ut per ea, que˛ uident oculi uel intelligit animus, subleuaret hominem eruditum ad simplicem Deitatis intuitum. In his ergo perscrutandis pernoscendisque primitus claruere patres Grecorum catholici non mediocriter philosophi. Cum enim in plurimis exercitatos haberent sensus, perinde in quarumdam quaternitatum speculatione, per quam presens mundus infimus mundusque futurus datur intellegi supernus. Landulf von Mailand, Historia Mediolanensis 1,10, S. 42: scilicet ut quatuor principalia conscilia, in quibus Graeci et Latini et catholici fideliter concordant, tenerent, in quibus catholica fides integra et inviolata permanet. Bernold von St. Blasien, De excommunicatis vitandis, ed. Friedrich Thaner, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 127f.: In quo concilio condempnatis omnibus heresibus symbolum traditur, quo tota Grecorum et Latinorum confessio in ecclesiis modo utitur; tresque ibi canones instituuntur. Hoc ergo symbolum orientales primum, deinde occidentales frequentare coeperunt. Unde sancti patres in tertio Toletano concilio statuisse leguntur tempore tandem Pelagii papae, ut in omni dominica recitaretur in aecclesiis more orientalium aecclesiarum. Vgl. auch Sigebert von Gembloux. Chronicon a. 386,
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Reichersberg betont im Hinblick auf das gesäuerte oder ungesäuerte Brot der Eucharistie die Gleichheit der Sakramente: „Durch die ursprüngliche Einrichtung der Sakramente herrscht in allen Kirchen, bei Griechen und Lateinern, ein und derselbe Modus.“ Wenn die Griechen gesäuertes Brot anbieten, verstoßen sie nicht gegen die Bestimmungen Christi (so als ob sie etwa Käse nähmen oder etwas anderes, das Christus selbst nicht verteilt hat). Wenn die Griechen daher, obwohl die Verwendung von ungesäuertem Brot rationabilius ist, an ihrer Gewohnheit festhalten und nicht mit dem römischen Brauch übereinstimmen, so sind sie doch in der prinzipiellen Einrichtung der Sakramente mit uns einig.335 Wenn Hadrian I. selbst anläßlich des Bilderstreits kritisiert, daß die Griechen die katholische Kirche gebannt hätten, ohne vorher zu untersuchen, „was die Kirche jedes Teils darüber denkt“,336 dann geht er offenbar von einer Kirche in zwei Teilen aus (die sich geographisch, aber auch dogmatisch unterscheiden) und erkennt damit Einheit und Teilung gleichermaßen an. Grundsätzlich ist den Autoren der gemeinsame Glaube also bewußt. Der oben schon behandelte päpstliche Primatanspruch bestärkt eine solche Einstellung, indem er (indirekt) eine institutionelle Einheit beider Kirchen (bzw. der Kirche) voraussetzt oder fordert. Im Jahre 1024 kam es nach dem Bericht Rodulf Glabers in ganz Italien zu einem Tumult, als Patriarch und Kaiser von Konstantinopel sowie einige weitere Griechen berat-
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S. 303 (nach Beda): Secunda synodus universalis 150 patrum Constantinopolim congregatur, iubente Theodosio et annitente Damaso papa; quae Macedonium negantem Spiritum sanctum Deum esse condemnans, consubstantialem Patri et Filio Spiritum sanctum esse docuit, dans symboli formam, quam tota Latinorum et Grecorum confessio in aecclesia ad missas sollemnibus diebus decantat. Gerhoch von Reichersberg, Liber de simoniacis, S. 260: At principali sacramentorum constitutione semper modus est unus et uniformis in omnibus ecclesiis, Grecis et Latinis. Nam in eo, quod Greci fermentatum panem offerunt, principalem Christi constitutionem non omittunt, quam tunc omitterent, si aliud, quam panem offerrent: verbi gratia, caseum vel tale aliquid, quod Christus non obtulit. Et ideo quamvis rationabilius facerent, si azimum panem offerendo sanctae Romanae ecclesiae concordarent: eorum tamen fermentatum sacrificium diu toleravit ecclesia, non cum negligentia, sed adhibita per multos multa diligentia, ut Greci concordarent cum Romana ecclesia. Inde Leo VIII. huius nominis papa a beato Petro CXLVIII. contra Michahelem Constantinopolitanum patriarcham egregiam conscripsit epistolam, defendens consuetudinem Romanam sinceram et institutioni Christi magis consonam. Sed tamen Greci perseverant in sua consuetudine, non discordantes a nobis in principali sacramentorum constitutione. Hadrian I., ep. 2, c. 52 (oben Anm. 150).
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schlagten, wie man vom Papst erreichen könnte, daß die Kirche von Konstantinopel in ihrem Bereich genauso universal heißen und sein könnte wie Rom in der ganzen Kirche337 (was allerdings längst der Rechtspraxis entsprach).338 Wenn der Primas von Byzanz meint, er sei dem Papst unterstellt, wenn Bischöfe sich irgendeine Schuld auflüden, schreibt Gratian in seinem Dekret, so wisse er nicht, wer dem Papst denn nicht unterworfen sei; wenn nicht wegen einer Schuld, seien nach Maßregel der Demut alle gleich.339 In solchen Gegensätzen liegt zugleich aber eine Spannung, die durch die unverkennbaren, oben behandelten Abweichungen in einzelnen Glaubensfragen, in Kult und Liturgie und sonstigen Bräuchen noch erheblich verstärkt bzw. überhaupt erst bewirkt wird (und eben hier ins Blickfeld rückt), auch wenn die Lateiner sich anscheinend eher gegenüber griechischen Vorwürfen zu rechtfertigen haben, als daß sie die Orthodoxen ihrerseits bezichtigen, dann aber ihren Glauben und ihre Gewohnheiten oft vehement und offensiv als die einzig richtigen verteidigen (und auch Autoren, die beide Riten für christlich halten, gilt, wie schon oben betont, der römisch-katholische zumindest als der bessere). Griechische Beschlüsse (wie über die Bilderverehrung) werden nicht anerkannt; die Fränkischen Reichsannalen nennen das „fälschlich siebte“ (ökumenisch) genannte Konzil von Nicäa eine
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Rodulf Glaber, Historiae 4,2, S. 172: Circa annum igitur Domini millesimum uicesimum quartum, Constantinopolitanus presul cum suo principe Basilio aliique nonnulli Grecorum consilium iniere quatinus, cum consensu Romani pontificis, liceret ecclesiam Constantinopolitanam in suo orbe, sicuti Roma in uniuerso, uniuersalem dici et haberi. Qui statim miserunt qui deferrent multa ac diuersa donorum exenia Romam, tam pontifici quam ceteris, quos suae parti fauere conspicerent. Vbi conuenientes exposuerunt apud pontificem sue˛ profectionis que˛rellam. […] Non enim potest falli summa ueritas. Das betont auf der Grundlage des kanonischen Rechts Clarence Gallagher, Diversity in Unity: Approaches to Church Order in Rome and in Byzantium, in: Ecclesiastical Law Journal 6, 30, 2002, S. 208–238. Päpste griffen danach nirgends in die tatsächliche Rechtsetzung der orthodoxen Kirche ein, sondern gestanden Konstantinopel eine weitgehende Autonomie zu. Es ging letztlich nur um die formelle Anerkennung des päpstlichen Primats. Das kanonische Recht war in dieser Frage niemals völlig uniform. Vgl. auch Markus, Gregory the Great S. 73, zur Selbständigkeit der Kirchen in der Sicht Gregors des Großen. Gratian, Decretum pars 1, dist. 22,4, S. 75: Nam quod primas Bizanzenus sedi apostolicae dicit se subici, si qua culpa in episcopis invenitur, nescio quis ei subiectus non sit; cum vero culpa non exigit, omnes secundum rationem humilitatis aequales sumus.
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„Pseudosynode“,340 und Papst Sergius soll sich gar gegen eine gemeinsame Kommunion ausgesprochen haben.341 Wenn Gregor VII. bedauert, daß die östliche Kirche auf Antrieb des Teufels vom katholischen Glauben abgefallen sei,342 dann hält auch er zwar an dem Ideal der Einheit fest, das in der Praxis aber nicht nur zerbrochen ist, sondern dieses Zerwürfnis bedeutet für ihn, daß die Griechen sich aus der Hand Gottes in die Hand des Teufels begeben hätten. Es mag daher nahe liegen, Abweichungen der Griechen als häretisch zu begreifen, und gerade in solchen Kontexten tritt ein Häresieverdacht oder gar ein Häresievorwurf immer wieder auf.343 Allerdings gibt es hier keine klare Linie, und viele Autoren äußern sich eher vorsichtig bis indirekt. So mag es bezeichnend sein, daß die Griechen mehrfach zwar nicht unmittelbar und insgesamt als Häretiker bezeichnet werden, man jedoch, wie Liutprand von Cremona oder Guibert von Nogent,344 herausstellt, bei den Griechen habe es zahllose Häresien gegeben (während die römische Kirche stets in Eintracht und Rechtgläubigkeit verharrt habe). Gregor VII. wendet sich in einem Brief an einen armenischen Erzbischof Gregor scharf dagegen, daß Griechen „in ihrer unbedachten Schwatzhaftigkeit“ die römische Kirche wegen des ungesäuerten Brotes für häretisch halten. Für Gregor ist das eine Unverschämtheit gegenüber Rom, das gleichsam von den ersten Anfängen des Glaubens an durch Petrus privi-
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Annales regni Francorum a. 794, S. 94: Pseudosynodus Grecorum, quam falso septimam vocabant, pro adorandis imaginibus fecerunt, reiecta est a pontificibus. [Anastasius Bibliothecarius], Collectanea. Relatio motionis in S. Maximum, Migne PL 129, Sp. 616 BC: Est aliquis qui asserat, ait Dei servus, quod dixerim: Ne communices Ecclesiae Byzantinorum? Respondit domnus Sergius: Hoc ipsum, inquiens, quo ipse non communicas, magna est apud omnes procul dubio vox non communicandi. Gregor VII., ep. 2,49, S. 189: Circumvallat enim me dolor immanis et tristitia universalis, quia orientalis ecclesia instinctu diaboli a catholica fide deficit et per sua membra ipse antiquus hostis christianos passim occidit. Vgl. oben Anm. 68, 166, 168, 169, 213, 214, 243. Wenig überzeugend ist allerdings die Deutung von Thümmel, Karl der Große, Byzanz und Rom S. 68, der Papst sei nicht bereit gewesen, seine Unterschrift unter das Konzil von Nikäa zurückzuziehen, und habe deshalb als Ersatz angeboten, den byzantinischen Kaiser zum Häretiker zu erklären. Vgl. oben Anm. 114 und 115. Vgl. auch Anm. 132, 133 und 182. Ähnlich Guibert von Nogent, Dei gesta per Francos 1,2, S. 90: Omnium hereseon catalogi perlegantur, libri antiquorum scripti adversus hereticos recenseantur, mirabor si preter Orientem et Affricam vix aliqui sub Latino orbe cernentur.
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legiert und von den heiligen Vätern als Mutter aller Kirchen anerkannt worden sei und bis zum Ende der Zeiten anerkannt werde. Niemals habe es in Rom eine Häresie gegeben.345 Der Vorwurf, gerade in der Ostkirche habe es viele Häresien gegeben, findet sich immer wieder: schon bei Fulgentius von Ruspe346 an der Wende vom 5. zum 6. wie noch bei Rupert von Deutz im 12. Jahrhundert.347 Auch Anselm von Havelberg greift das Motiv in seinem „Antikeimenon“ auf: Konstantinopel sei ständig von schlimmen Häresien verdorben worden, wie den Lehren des Eusebius, Eutyches, Eudoxius, Eunomius, während Alexandrien, Antiochien und die anderen Kirchen im Osten rechtgläubig waren.348 Griechenland, heißt das, ist, ganz im Gegensatz zu Rom, häresieanfällig, ohne daß die griechische Kirche selbst damit explizit als häretisch angeklagt
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Gregor VII., ep. 8,1, S. 513: De reliquo quia cognovimus e˛cclesiam vestram azima sacrificare et ob hoc a Grecis dumtaxat imperitis quasi de heresi reprehendi, nolumus vos de temeraria garrullitate illorum multum mirari, sed nec ab instituto desistere, scientes eorum procacitatem non modo vobis hanc velut calumniam obicere, verum etiam simili de causa, graviori vero iniuria hucusque contra sanctam R. e˛cclesiam insurgere, que˛ per beatum Petrum quasi quodam privilegio ab ipsis fidei primordiis a sanctis patribus omnium mater e˛cclesiarum astruitur et ita usque in finem semper habebitur. In qua nullus aliquando he˛reticus pre˛ fuisse dinoscitur nec umquam preficiendum presertim Domino promittente confidimus. Fulgentius von Ruspe, Dicta regis Trasamundi et contra ea responsionem liber unus, ed. Jean Fraipont, CCL 91, Turnhout 1968, S. 87: Quod Graece homousion dictum est, illa scilicet ratione, quoniam in Graecia noua tunc emerserat haeresis, quae unigenitum separare nitebatur a substantia genitoris; ad hoc ut quisquis illam doctrinam reciperet, non creatoris cultor, sed creaturae potius appareret. Rupert von Deutz, Liber de divinis officiis 2,22, S. 52 (vgl. oben Anm. 243): Nam Constantinopolitana non solum haereticos sed et haeresiarchas protulit multos. Romana uero ecclesia super apostolicae fidei petram altius fundata firmiter stetit et tam Graeciae quam totius orbis haereticos semper confutauit et de excelso fidei tribunali data sententia iudicauit. Scripturarum tamen suffragia deesse non debent, ne ullam tam sincera auctoritas uideatur passa esse iacturam. Quae certius atque commodius peterentur, si uel scripto uel auctore certo constaret, quid rationis super fermentato sibi uideantur habere Graeci. Anselm von Havelberg, Antikeimenon (Dialogi) 3,6, Sp. 1215ff. Niketas hält dem entgegen, wenn es in Konstantinopel Häresien gegeben habe, so seien sie hier doch stets bekämpft worden; tatsächlich gebe es hier jetzt gar keine Häresien mehr (ebd. 3,11, Sp. 1223f.). Ja, aber sie seien von Rom aus entfernt worden, kontert Anselm (ebd. 3,12, Sp. 1225ff.).
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wird. Gleichwohl deutet Anselm auch das mehrmals an, wenn er Niketas eine „über das rechte Maß hinaus forschende Gescheitheit“ vorwirft und ihn warnt, die von den Vätern festgesetzten Grenzen zu überschreiten und Falsches statt Wahrem zu sagen (ein gerade gegenüber Häretikern oft geäußerter Vorwurf).349 Es passe zu Häretikern, Winkel und Verstecke zu suchen. Da Niketas allerdings nach einem allgemeinen Konzil verlangt, treffe ihn dieser Häresievorwurf wiederum nicht.350 Dieser ambivalenten Einstellung ist es wohl auch zu verdanken, wenn Abweichungen gelegentlich bewußt nicht generalisiert, sondern nur bestimmten Gruppen in der Ostkirche zugeschrieben werden. So betont im 6. Jahrhundert der Bischof Facundus von Hermiane in Afrika, daß keineswegs alle, ja letztlich sogar nur verhältnismäßig wenige Griechen der Häresie des Dioscurus und Eutychen verfallen seien,351 und noch Rupert von Deutz spricht im Blick auf die filioque-Frage von quibusdam Graecorum haereticis (denen er sich dann klar entgegenstellt), lastet diesen Irrtum also ebenfalls nicht der gesamten Ostkirche an,352 zumal dort niemand an der Gottessohnschaft
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Ebd. 3,20, Sp. 1244 CD: Tu quidem ad inveniendam novam sententiam subtilis es ingenio, et ad eam defendendam facundus es in Graeco eloquio; sed in huiusmodi magis probatur modesta et sobria sapientia, cui sufficiunt termini a sanctis Patribus conscripti, quam nimis arguta et supra modum perscrutans prudentia, quae se supra se et supra terminos sanctorum Patrum extendere conatur. […] Tu videris, si falsum pro vero dixeris. Ebd. 3,22, Sp. 1248 A: Haereticorum est angulos et latebras quaerere; sed tu qui generale concilium desideras, videtur quod id quod catholicum est, intendas. Facundus Hermianensis, Pro defensione Ad Iustinianum 5,3,34, ed. Jean-Marie Clément u. Roland Vander Plaetse, CCL 90A, Turnhout 1974, S. 146 (nach 571 verfaßt): Aut quia Graecos, quamuis non omnes, immo comparatione omnium pauciores, in Dioscori sententiam lapsos fuisse causantur, sequantur tantorum sententiam Latinorum, qui cum non possint ab eis de consensu Eutychis aut Dioscori, uel cuiuslibet alterius accusari, ipsam tamen habent de incarnatione Christi sententiam quam Chalcedonense concilium statuit. Vgl. (Cassiodor), Historia ecclesiastica tripartita 8,6,2, ed. Rudolf Hanslik, CSEL 71, Wien 1952, S. 477: Qui licet nesciret doctrinam Graecam, multos Graecorum eruditosque redarguit et totius hereticae pravitatis infirmitatem nudavit. Rupert von Deutz, Commentaria in euangelium sancti Iohannis 12,15,27, S. 671f.: Visum est autem quibusdam Graecorum haereticis quod hic Spiritus sanctus non a Patre et Filio, sed a Patre procedat solo, uidelicet quia sic quasi cum determinatione Filius dixit: ‚Spiritum ueritatis qui a Patre procedit.‘ Sed huic peruerso sensui praesens ueritas ex aduerso resistit. [...] Vehementer enim haec quoque sententia repugnat haere-
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zweifelt.353 Doch sind es vor allem eben Griechen, die den Heiligen Geist nicht auch vom Sohn ableiten.354 Von einer solchen Haltung aus ist es allerdings nur noch ein kleiner Schritt, auch den griechischen Osten insgesamt oder zumindest im Hinblick auf bestimmte Lehren als häretisch zu verurteilen. So nennt schon Papst Paul I. die Haltung im Bilderstreit eine „gottlose Bosheit der griechischen Häretiker“.355 Wenn die ostfränkischen Bischöfe in ihrer Erklärung auf dem Konzil von Worms 868 die griechischen Vorwürfe gegenüber der römischkatholischen Kirche entkräften wollen und mit einem Verweis auf die Schriften der Väter gegen Häresien beginnen,356 dann wird auch darin vielleicht nicht die griechische Kirche als Ganzes, wohl aber werden die im folgenden diskutierten Abweichungen hier zumindest indirekt, doch deutlich erkennbar, unter Häresieverdacht gestellt, zumal dem Abschnitt ein Appell an die Einheit der kirchlichen Unterweisung vorangeht.357 Die Synode insgesamt wendet sich „gegen die Häresie der Griechen und ihre albernen Vorwürfe, mit denen sie uns der Ungläubigkeit bezichtigen“, und halten dem
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ticis, quicumque in Spiritum sanctum blasphemare ausi sunt dicendo, quod creatura sit. Quomodo enim, si creatura est, a Patre procedit? Nonne omnis creatura ex nihilo creata est et earum nulla de substantia Dei processit? Quid enim de Deo aliud quam Deus procederet? Ebd. 14,20,23, S. 773: A Patre autem quod procedat astruere opus non est, unde nec Graecorum aliquis dubitare solet, licet de Filio non illum procedere quidam illorum dixerint. Rupert von Deutz, De glorificatione trinitatis et processione sancti spiritus 1,17, Migne PL 169, Sp. 29 C: Haec idcirco dicimus quia fuere nonnulli maxime Graecorum, qui dicerent a solo Patre et non etiam a Filio procedere hunc Spiritum sanctum, quos tamen sancta Romana ecclesia Latinae ecclesiae columna iamdudum per multa consilia luce coruscans euangelica et super petram fidei firmiter stans fundata sic reuerberauit concentorem ex ipsis Graecis habens Athanasium catholicum atque orthodoxum, ut iam non sit nobis necesse quidquam addere, nisi quia spontaneum in sermonibus nostris huic processioni offerimus obsequium et in scribendo de huiusmodi quoddam dulce in palato cordis ruminamus delectamentum. Codex Carolinus, Briefe Papst Pauls I., ep. 32 (oben Anm. 315). Responsio contra Graecorum heresim praef., S. 292: Scimus etenim sanctissimos patres atque doctores nostros per gravissimos hostilitatis incursus multas hereticorum plasphemias pro pace et unitate sancte˛ dei ecclesie˛ divina falce prudenter resecasse et omnes unanimiter in individue˛ trinitatis fide credenda perseverasse. Vgl. oben Anm. 274.
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die eigene Rechtgläubigkeit entgegen.358 Die Einheit der Eintracht und die himmlische Disziplin ließen keinerlei Abweichung zu, wie sie die griechischen Kaiser Michael und Basilios mit ihren Anhängern tatsächlich üben.359 Auch Johannes VIII. mahnt den Bulgarenkönig Michael, daß die Griechen „gewohnheitsgemäß in verschiedene Häresien und Schismen gefallen seien“ und man sich von ihren Irrtümern fernhalten müsse.360 Das setzt sich später fort. Sie (die Griechen) verkauften Gottesgaben wie Simonisten, schreibt Humbert von Silva Candida im Umfeld des Schismas von 1054, ließen wie Valesier Kastraten zu Klerikern und sogar zu Bischöfen weihen, tauften wie Arianer die Lateiner noch einmal im Namen der Trinität und glaubten wie Donatisten, daß es eine rechtgläubige Kirche nur in Griechenland gebe, erlaubten wie Nikolaiten ihren Geistlichen die Ehe, verfluchten wie Severianer das Mosaische Gesetz, trennten wie Pneumatomachen361 im Glaubensbekenntnis das Hervorgehen des Heiligen Geistes vom Sohn ab, glaubten wie Manichäer, daß Gesäuertes belebt sei, beachteten wie Nazarener jüdische Gebräuche körperlicher Reinheit in einem Maße, daß sie verboten, sterbende Kleinkinder schon innerhalb von acht Tagen nach der Geburt zu taufen oder menstruierende Frauen zur Kommunion zuzulassen, verwehrten ihnen die Taufe, wenn sie Heiden waren, pflegten Haar- und Bartwuchs und nahmen nicht in die Kommunion auf, wer sich nach römischem Brauch das Haar schneiden und den Bart rasieren ließ.
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Konzil von Worms 868, praef. 2, S. 262: Haec igitur contra Grecorum haeresim et illorum frivolas reprehensiones nos in incredulitate scilicet nostra reprehendentes et in ceteris causis, que˛ plus ridiculosa sunt quam sapientie˛ intellectui ponenda, construximus. Nunc inferius fidem nostram, quam firmiter tenemus, confiteri necnon omnibus generaliter pandere curavimus ceteraque capitula subtus inferre sub auctoritate sanctorum patrum disposuimus, quatinus, quisquis christianus hanc fidem catholicam tenere conaverit secundum suam scientiam, partem cum his habeat, qui et hanc fidem constituerunt et per quorum auctoritatem cetera capitula subtus inserta construximus. Responsio contra Graecorum heresim praef. S. 292: Sed quia Michaelem et Basilium imperatores Grecorum cum suis fautoribus ab hac catholica fide audivimus in aliquibus causis inmoderate exorbitasse, necessarium ducimus, ut, quod ad unitatem concordie˛ et ad custodiam pertinet, ce˛lestis discipline˛ nulla neglegatur nec violetur dissensione neque turbetur concertatione, ut firma possit persistere conpago et unitas fidei nostrae. Johannes VIII., Registrum, ep. 66 (oben Anm. 132); zu Nikolaus I. vgl. Herbers, Papst Nikolaus I. S. 65f. Häresie (auch Makedonianer), welche die Wesensgleichheit des Heiligen Geistes mit Vater und Sohn leugnet.
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Kaiser Michael habe nicht einmal einen Brief des Papstes Leo IX. mit entsprechenden Ermahnungen entgegengenommen und dessen Gesandten, die ihn darüber tadeln wollten, jeglichen Empfang verweigert, wie er schon vorher die Kirchen der Lateiner geschlossen, sie Azimiten („Ungesäuerte“) genannt und in einem Maße mit Wort und Tat verfolgt hatte, daß er den päpstlichen Stuhl in seinen Kindern bannte.362 Griechen werden hier zwar wieder nicht insgesamt als häretisch eingestuft, doch ihre Nähe zu einer geradezu erdrückenden Vielzahl von Häresien grenzt sie überdeutlich von der rechten Lehre ab. Die aktuellen Probleme sind hier, wieder anlaßbedingt, in eine ganze Reihe altbekannter (und verurteilter) Häresien eingegliedert. Sigebert von Gembloux und die Magdeburger Annalen greifen Humberts Charakterisierungen später nahezu wörtlich auf.363 Sigebert zufolge sind Humbert von Silva Candida und seine Begleiter im Jahre 1054 eigens zu dem Zweck nach Konstantinopel geschickt worden, „die Häresien der Griechen zum Schweigen zu bringen“, die dann im Anschluß an Humbert aufge362
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Humbert von Silva Candida, Excommunicatio qua feriuntur Michael Caerularius atque eius sectatores 3 (bei Migne PL 143, Sp. 1003f., fungiert die Schrift unter dem Titel: Brevis et succincta commemoratio eorum), ed. Will, Acta et scripta S. 153f.: Quia sicut Simoniaci donum Dei vendunt; sicut Valesii hospites suos castrant, et non solum ad clericatum sed insuper ad episcopatum promovent; sicut Ariani rebaptizant in nomine sanctae Trinitatis baptizatos, et maxime Latinos; sicut Donatistae affirmant, excepta Graecorum ecclesia, ecclesiam Christi et verum sacrificium atque baptismum ex toto mundo periisse; sicut Nicolaitae carnales nuptias concedunt et defendunt sacri altaris ministris; sicut Severiani maledictam dicunt legem Moysis; sicut Pneumatomachi vel Theumachi absciderunt a symbolo Spiritus sancti processionem a Filio; sicut Manichaei inter alia, quodlibet fermentatum fatentur animatum esse; sicut Nazareni carnalem Iudaeorum munditiam adeo servant, ut parvulos morientes ante octavum a nativitate diem baptizari contradicant et mulieres in menstruo vel partu periclitantes communicare vel, si paganae fuerint baptizari prohibeant et capillos capitis ac barbas nutrientes eos, qui comas tondent et secundum institutionem Romanae ecclesiae barbas radunt, in communione non recipiant. Pro quibus erroribus et aliis pluribus factis suis, ipse Michael litteris domini nostri papae Leonis admonitus resipiscere contempsit. Insuper nobis nuntiis illius causas tantorum malorum rationabiliter reprimere volentibus praesentiam suam et colloquium denegavit et ecclesias ad missas agendum interdixit, sicut et prius Latinorum ecclesias clauserat, et eos azymitas vocans verbis et factis ubique persecutus fuerat: in tantum, ut in filiis suis anathematizasset sedem apostolicam, contra quam se adhuc scribit oecumenicum patriarcham. Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 1054, S. 359; Annales Magdeburgenses a. 1051, S. 173.
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zählt werden.364 Die Gesandten, heißt es, seien vom Kaiser gütig empfangen worden, während der Patriarch Michael ein Gespräch verweigerte, dem Volk einen gefälschten Bannbrief verlas und die Gesandten ohne den Kaiser vor eine Synode lud, daraufhin aber seinerseits vom Kaiser aus dem Palast entfernt wurde.365 Unter dem Patriarchen Michael von Konstantinopel, so berichten danach ganz ähnlich später noch die Magdeburger Annalen zum Jahr 1051, „neigten die Griechen zu vielfältiger Häresie“, gegen die sich Papst Leo IX. in Schriften und Briefen wandte (während der Mönch Niketas in Konstantinopel seinerseits gegen die Lateiner anschrieb). Die Gesandtschaft von 1054 unter der Leitung Humberts von Silva Candida sollte auch nach diesem Bericht „die Häresien der Griechen niederschlagen“ (die im Folgenden wieder wörtlich nach Humbert bzw. Sigebert aufgeführt werden).366 Nach Leos Chronik von Montecassino diente die päpstliche Gesandtschaft von 1054 hingegen gerade der Wiederherstellung der Eintracht zwischen den Kirchen von Rom und von Konstantinopel! Auch nach diesem Bericht empfing der Kaiser die Gesandten ehrenvoll, und man bannte kraft
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Sigebert von Gembloux, Chronicon a. 1054, S. 359: Leo papa per epistolam ad imperatorem Constantinum scriptam animum eius sibi concilians, apocrisiarios suos, Humbertum videlicet cardinalem episcopum Silvae candidae, Petrum Amalfitanorum archiepiscopum, Fridericum quoque septimum levitam et cancellarium, Constantinopolim dirigit ad confutandas Grecorum hereses. Das weitere folgt Humbert. Ebd. S. 359f. (sinngemäß nach Humbert, Brevis et succincta commemoratio eorum 3, Sp. 1001f.): Ab imperatore ergo benigne habiti, Nicetam monachum ante eum vicerunt, adeo ut librum, quem contra Romanos scripserat, anathematizaret et incenderet. Michaele patriarcha nolente eis colloqui, carta excommunicationis coram clero et populo super altare sanctae Sophiae posita, recedunt. Michael cartam ipsam corrumpens populoque legens, illos ab imperatore revocatos ad synodum absente imperatore convocavit, ut a populo lapidarentur. Quod imperatore prohibente, Michael commovit populum contra eum; sed convictus cartam excommunicationis falsasse, Michael omnesque sui a gratia et palatio imperatoris remoti sunt. Humbertus episcopus Silvae candidae haec descripsit, et scripta Nicetae monachi et Leonis Acridani Bulgarum archiepiscopi confutavit; quae de Latino in Grecum translata, iussu imperatoris Constantini a Grecis recepta sunt. Annales Magdeburgenses a. 1051, S. 173: Grecis in heresim multiformem declinantibus, auctore Michahele patriarcha Constantinopolitano et Leone Acridano Bulgarum archiepiscopo, Leo papa errores eorum redarguens, scribit contra eos librum firmis scripturarum testimoniis roboratum. Nicetas monachus Constantinopolitanus, qui agnominabatur Pectoratus, scripsit contra Romanos librum plenum erroris et stulticiae pretytulatum: de azimo, de sabbato, de nuptiis sacerdotum. Das Weitere folgt Sigebert.
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
päpstlicher Autorität den Patriarchen Michael und den Bischof Leo von Ochrid (Acridanum).367 Das Verhältnis zur griechischen Kirche ist offensichtlich gespalten. So belehrt Bernhard von Clairvaux den Zisterzienserpapst Eugen III. „über die Hartnäckigkeit der Griechen, die gleichzeitig mit uns und nicht mit uns sind, verbunden im Glauben, getrennt im Frieden, wenngleich sie auch im Glauben von den rechten Wegen weghumpeln. Und auch die Häresie, die sich fast überall heimlich schleichend ausbreitet, wütet bei einigen offen.“368 Das Zitat mag noch einmal bezeichnend dafür sein, daß auf der einen Seite gleicher Glaube, auf der anderen (und bei ein und demselben Autor!) aber häretische Abweichungen davon vermerkt werden. Daß die Griechen nicht gleichermaßen katholisch sind, deutet Wilhelm von Tyrus (dessen Verhältnis zur griechischen Kirche in den Kreuzfahrerstaaten ohnehin sehr gespalten ist) in der umständlichen Wendung an, das Reich der Griechen werde angeblich zum christlichen Bekenntnis gezählt.369 Im interreligiösen Vergleich stuft Rupert von Deutz (der Heiden als schlimmer denn Juden betrachtet)370 Juden wiederum als schlechter denn Griechen ein, weil sie die Wahrheit nicht erkennen.371 Griechen oder Heiden, schreibt er an anderer Stelle, hat367
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Leo, Chronica monasterii Casinensis 2,85, S. 333f.: Eodem anno gratia concordandi ecclesias, Romanam et Constantinopolitanam, prudentissimos valde viros ad imperatorem Constantinum cognomento Monomachum apocrisarios transmiserat, Fridericum scilicet cancellarium suum et Humbertum episcopum Silve˛ candide˛ et Petrum archiepiscopum Amalfitanum, qui ad hoc monasterium primitus venientes seque fratribus devotissime commendantes, ita demum viam suam profecti sunt. Quos imperator nimis honorabiliter suscepit, et in palatio per aliquot dies retinuit. Intra quod spatium nonnullas Grecorum hereses corrigere decertantes, tandem patriarcham Michahelem et Leonem Acridanum episcopum cum universis eorum sequacibus auctoritate apostolica anathematizaverunt. Bernhard von Clairvaux, De consideratione 3,4, Bernardi Opera Bd. 3, Rom 1963, S. 433f.: Et de his tu ita tecum Ego addo et de pertinacia Graecorum, qui nobiscum sunt et non sunt, iuncti fide, pace divisi, quamquam et in fide ipsa claudicaverint a semitis rectis. Et item de haeresi, quae clam paene ubique serpit, apud aliquos saevit palam: nam parvulos Ecclesiae passim et publice deglutire festinat. Wilhelm von Tyrus, Chronicon 2,4, S. 167: non veritus quod in regno Grecorum, qui christiana professione censeri dicebantur, sibi suisque aliquid sinistri occurreret. Rupert von Deutz, De gloria et honore filii hominis super Matthaeum 7,8 (oben Kapitel 3, Anm. 558). Rupert von Deutz, Commentarii in duodecim prophetas minores. In Amos prophetam 4, Sp. 372 CD: Ne ergo in superbiam erecti, peccatores ex gentibus ad fidem
7. Fazit: Die Griechen zwischen Orthodoxie und Häresie
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ten kein Gesetz, Juden aber haben das Gesetz und die Propheten mit ihren Versprechungen; daher haben sie die Wahrheit Gottes in Lüge umgewandelt, während nicht jeder Grieche auf gleiche Weise lügt, wenn es bei ihm verschiedene Sekten gibt (aber auch nicht jeder Jude lügt auf gleiche Weise, sondern liest jeweils anderes aus der Heiligen Schrift heraus).372 Zwanglos kann Rupert im 12. Jahrhundert hier von den heidnischen Griechen des Urchristentums, denen ein Religionsgesetz fehlte, zu der in Sekten zerspaltenen griechischen Kirche übergehen!
7. Fazit: Die Griechen zwischen Orthodoxie und Häresie Wie eingangs dargelegt, konzentriert sich die – nicht sehr umfängliche – Forschung zur Wahrnehmung der Griechen und des Byzantinischen Reiches im Westen fast ganz auf politische und kulturelle Aspekte und berührt die hier verfolgte Frage der religiösen Wahrnehmung und einer religiösen Abgrenzung vom lateinisch-katholischen Christentum allenfalls am Rande. Eine auch nur einigermaßen vollständige Aufarbeitung war daher auch in diesem Rahmen nicht zu leisten, doch sind mit den Belegen aus allen Jahrhunderten und verschiedenen literarischen Genera und Perspektiven wohl hinreichend
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venientes, repellendos esse censeatis, quia Iudaei non minus quam Graeci, imo primum, sive magis quam Graeci, iram et indignationem, tribulationem et angustiam sunt recepturi (Rom 2,9), quicunque non acquiescunt veritati, ita ut regnum quoque illorum temporale destruatur, etenim a facie terrae conteram illud. Hier wird allerdings nicht deutlich, ob Rupert die „Griechen“ tatsächlich auf die byzantinische Kirche und nicht (nach dem Sinngehalt) ausschließlich auf Heiden(christen) bezieht. Ebd. In Naum prophetam 3, Sp. 570f.: Vae tibi, quia tu es civitas sanguinum, ut iam dictum est non tantum eo modo qua anima Graeci sive gentilis, sed abundantius quia Graecus sive gentilis qui martyrum sanguinem fudit, legem non habuit, promissiones ignoravit. Tu legem habens, promissiones audiens, et prophetas, et ipsum Dominum prophetarum occidisti. Et universa quidem civitas mendacii dilaceratione plena, sed tu anima Iudaei abundantius quam anima Graeci, quia Graeci quidem anima in pluribus veritatem Dei in iniustitia detinuit, sive in mendacium commutavit, et cum cognovisset Deum, non sicut Deum glorificavit aut gratias egit. Tu autem ipsam veritatem de carne tua ortam, et vidisti et odisti, et mendaciis circumdedisti, et mendacii occasione ad mortem tradidisti. Non dico civitas mendacio plena, sed dico, quod plus est, ‚mendacii dilaceratione plena‘, quia neque omnis Graecus uno modo mentitur, si ipsum mendacium in plures apud eum sectas scinditur et dilaceratur, neque omnis Iudaeus uno modo de sanctis Scripturis mentitur, sed nunc aliud et nunc aliud confingit, ut effugiat, quoties illum quispiam veritatis, quae Christus est miles strenuus insequitur.
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Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
repräsentative Zeugnisse erfaßt worden. Die nach der Phase der Nachfolgereiche des Imperium Romanum, in der, wie Haenssler in seiner Dissertation herausstellt, Byzanz noch eine wichtige Rolle als Traditionsträger spielte, recht deutliche Abgrenzung des Westens vom byzantinischen Osten in sprachlicher wie auch politischer Hinsicht373 und die vor allem in der Dichtung, aber auch anderwärts festzustellende Einstellung „zwischen Bewunderung und Abneigung“ – bei Liutprand von Cremona verteilt sich das geradezu auf seine beiden wichtigsten Schriften – gilt für die religiöse Wahrnehmung, die Frage, ob die Mitglieder der orthodoxen Kirche als „Andersgläubige“ zu gelten haben, nicht in gleicher Weise. Auch hier ist, wie bei Sarazenen und Juden, zunächst zu betonen, daß die westliche Wahrnehmung insgesamt zwar keineswegs vorwiegend religiös, sondern – schon begrifflich, aber auch inhaltlich – in erster Linie sprachlich, ethnisch und politisch motiviert ist. Byzanz selbst erscheint nie so fremd, daß man, trotz der Spannungen über den Ansprüchen auf Süditalien und auf das Kaisertum, nicht vielfach politische, diplomatische und familiäre Kontakte (Eheverbindungen) gepflegt hätte. Auch zwischen den Päpsten und den byzantinischen Kaisern und Bischöfen gab es einen weit über die Loslösung des Papsttums von Byzanz hinausgehenden brieflichen und Gesandtenaustausch. Eine gewisse emotionale Hinwendung zeigt sich auch in der Wertschätzung von Gräzismen bei gebildeten Autoren.374 Das konnte bis zu einer Gräkophilie reichen.375 Die häufige Gegenüberstellung von griechisch und lateinisch grenzt zunächst weit mehr die Sprachen als die Kulturen ab376 und zeigt auf jeden Fall die sprachlichen Barrieren an,377 kann sich allerdings
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Nach Arbagi, Byzantium S. 23, erkennt der Westen allmählich seine „separate identity“. In diesem Zusammenhang werden die – sich selbst in römischer Tradition begreifenden – Byzantiner schlicht zu „Griechen“ (ebd. S. 40f.). Vgl. dazu Peter Stotz, Esse velim Graecus … Griechischer Glanz und griechische Irrlichter im mittelalterlichen Latein, in: Engels/Schreiner (Hg.), Begegnung des Westens mit dem Osten S. 433–451; Nikolaus Staubach, Graecae Gloriae. Die Rezeption des Griechischen als Element spätkarolingisch-frühottonischer Hofkultur, in: Euw/Schreiner (Hg.), Kaiserin Theophanu, Bd. 1, S. 343–367. Vgl. Rentschler, Griechische Kultur II (11. Jh.) S. 147ff., zu Erzbischof Adalbert von Bremen, zur selben Zeit, als mit dem Bruch von 1054 die religiösen Spannungen einen Höhepunkt erreichten. So auch Herbers, Papst Nikolaus I. S. 63. Zu mangelnden und abnehmenden Griechischkenntnissen im Abendland vgl. Walter Berschin, Griechisch-lateinisches Mittelalter. Von Hieronymus zu Nikolaus von
7. Fazit: Die Griechen zwischen Orthodoxie und Häresie
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immer wieder auch auf den Glauben beziehen. Diese Fremdartigkeit wiederum kann zur Folge haben, daß Griechen lächerlich gemacht werden und das eigene Überlegenheitsgefühl – gerade gegenüber der als hochstehend anerkannten griechischen Kultur – ausgespielt wird. Letzteres zeigt sich wiederum auch in den religiösen Einstellungen. Von „Bewunderung“ kann hier keine Rede sein. Das Verhältnis des Westens zu Byzanz und zur griechisch-orthodoxen Kirche ist mit der Wahrnehmung der anderen Religionen dennoch nur bedingt vergleichbar, weil hier eine ähnlich eindeutige Abgrenzung fehlt.378 Die Einstellungen gegenüber der östlichen Kirche schwanken in dem Gefühl, ein und derselben christlichen Kirche anzugehören – und die Einheit des Glaubens wird gerade in den Auseinandersetzungen mit den Griechen bezeichnenderweise immer wieder herausgestellt – und dabei doch Unterschiede zu vermerken, die bis an die Grenze des Zerbrechens und der Absonderung reichen. Wenn das Verhältnis zwischen östlicher und westlicher Kirche (vor wie nach 1054) daher weit eher durch ein Auseinanderleben als durch ein Auseinanderbrechen geprägt ist und man Phasen erhöhter Spannungen, jedoch keinen Zeitpunkt einer Trennung angeben kann, dann spiegelt sich das somit auch in dem westlichen Bild des „anderen“ Christentums wider. Der päpstliche Primatanspruch über die gesamte Christenheit ist gewissermaßen Ausdruck solcher Ambivalenzen: Er belegt in sich das Festhalten an der einen Kirche, in die auch Byzanz eingeschlossen ist, und ist zugleich Indiz und eine Ursache der auftretenden Spannungen. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, daß sich Abgrenzungen von der östlichen Kirche – im Gegensatz zu einem sehr allgemeinen Häresiekonzept – überwiegend auf ganz konkrete Unterschiede beziehen. Einerseits begegnen sie durchgängig bereits seit dem 6. Jahrhundert und sind seit dem späteren 8. Jahrhundert deutlich greifbar. Andererseits verdichten sie sich in bestimmten Phasen. Wenn man langfristig auch ein zunehmendes Auseinan-
378
Kues, Bern-München 1980. Allerdings übertrafen die geringen abendländischen Griechischkenntnisse noch bei weitem die sehr rudimentären Lateinkenntnisse der Byzantiner. Vgl. dazu Schreiner, Byzanz und der Westen S. 562ff. und 577. Avvakumov, Entstehung des Unionsgedankens S. 335f. (das ganze Kapitel S. 335– 371), unterscheidet drei Modelle des Verhältnisses: Mißbilligung, Duldung und Anerkennung, und möchte letztlich zeigen, wie sich, gewiß nicht geradlinig, in der Scholastik das Modell der Anerkennung durchsetzt, und betrachtet das Anerkennungsmodell (Diversa, non adversa) als „Zauberformel des 12. Jahrhunderts“ (ebd. S. 357–360).
770
Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
derleben feststellen kann, so bleibt die akute Auseinandersetzung mit griechischen Dogmen und Riten folgerichtig deutlich auf konkrete Anlässe und Situationen konzentriert, und sie steht zumeist im Zusammenhang mit politischen und kirchenpolitischen Spannungen, wenngleich auch rein religiöse Motive zunehmend in den Brennpunkt rücken. Hier aber werden Unterschiede zwischen beiden Kirchen deutlich wahrgenommen, und die Äußerungen der Autoren zeugen, unbeschadet einiger Mißverständnisse und vor allem sprachlicher Mißdeutungen (etwa im Bilderstreit) und Unterstellungen, von einem durchaus soliden Wissen über die Glaubensinhalte und Gebräuche der östlichen Kirche. Differenzen werden dabei im Bereich der Dogmatik diskutiert, vor allem in der filioque-Frage, die schließlich Grundprinzipien der Trinitätslehre berührt, wie auch in der Liturgie, vor allem in dem allerdings erst im 11. Jahrhundert aufkommenden „Azymiten-Streit“, der Frage, ob bei der Eucharistie gesäuertes oder ungesäuertes Brot zu verwenden sei. Aber auch über die Wasserbeimischung zum Wein, die Häufigkeit der Eucharistie, die Priesterkleidung, die Art der Weihen und die Länge der Fastenzeit gibt es ebenso Differenzen wie über Inzestverbote, und Priesterbart und Priesterehe spielen nicht erst im Zeitalter der Kirchenreform eine Rolle. Nicht alle Diskrepanzen werden gleich wichtig genommen; teilweise sucht man sie zu vereinbaren, vielfach aber auch die griechischen Bräuche zu widerlegen. Bezeichnenderweise erscheinen die lateinischen Autoren hier zunächst nicht als „Angreifer“. Sie argumentieren bei ihren Repliken vielmehr aus der Defensive gegenüber griechischen Vorwürfen heraus, um dann aber die eigene Position offensiv zu verteidigen und die griechische zu widerlegen. Auch das unterscheidet ihre Haltung von der gegenüber Heiden, Sarazenen, Juden (hier gibt es jedoch zumindest Anklänge) und Häretikern. Wenngleich sie sich auch von den beiden letzten Gruppen immer wieder angegriffen fühlen und reagieren, überwiegt hier insgesamt doch deutlich eine aggressivpolemische Tendenz. In der Diskussion mit den Griechen können einige Autoren zwar ein Nebeneinander verschiedener Bräuche anerkennen, solange der eine Glaube dadurch nicht gefährdet wird. Aus der Reaktion auf die Vorwürfe heraus wird gegenüber den Griechen oft aber auch die eigene Position teils als die bessere, teils als die einzig richtige begründet, werden die griechischen Lehren und Gebräuche entsprechend abgewertet und verurteilt, so daß more Grecorum geradezu zu einem abwertenden Begriff werden kann.379 Die Orthodoxie sieht man in jedem Fall (nur) auf der eigenen 379
Vgl. Herbers, Papst Nikolaus I. S. 65.
7. Fazit: Die Griechen zwischen Orthodoxie und Häresie
771
Seite gewahrt. Das kann daher auch hier zu scharfen Auseinandersetzungen führen und bis zum Häresievorwurf reichen. Die Anspielungen auf die zahlreichen Häresien in Griechenland sind jedenfalls bezeichnend für die westliche Einstellung. Entsprechend werden die orthodoxen Christen bzw. werden bestimmte Praktiken immer wieder als irrig verurteilt und gelegentlich sogar in die Nähe einer Häresie gerückt oder auch unmittelbar als solche betrachtet, wird immer wieder betont, daß Byzanz allzeit besonders anfällig für Häresien war. Solche Zuordnungen erfolgten, wie wir sehen konnten, schon früh und nicht erst in den Briefen Urbans II.,380 auch wenn sie in der Kreuzzugszeit weiter zugenommen haben mögen.381 In theologischen Fragen wird man daher kaum von einer „Indifferenz“ gegenüber Byzanz sprechen können.382 Ebensowenig gibt es, bei aller Abneigung, jedoch einen durchgängigen „Antibyzantinismus“.383 Vielmehr zeigt sich auch im Verhältnis beider Kirchen eine Ambivalenz: nicht „zwischen Bewunderung und Abneigung“, wie in kulturellen Fragen, sondern zwischen Einheit und Absonderung.384 Rom bleibt dabei stets der Maßstab. Die klare Wahrnehmung der Unterschiede zwischen beiden Konfessionen führt auf diese Weise zu Abgrenzungen, wird aber nur bedingt schon als Trennung wahrgenommen. Das Verhältnis des Westens zur griechisch-orthodoxen Kirche ist demnach oft gespannt und ambivalent. Es schwankt zwischen Gemeinschaft und Häresie.
380
381
382
383
384
So Arbagi, Byzantium S. 193. Ausführlich zu Urbans II. Verhältnis zu Byzanz: Alfons Becker, Papst Urban II. (1088–1099). Teil 2: Der Papst, die griechische Christenheit und der Kreuzzug (Schriften der MGH 19,II), Stuttgart 1988, S. 1–205. Nach Ebels-Hoving, Byzantium, zusammenfassend S. 281, wird der Häresievorwurf erst in den Kreuzzugschroniken der letzten, von ihr behandelten Phase des 12. Jahrhunderts (ab 1180) häufiger. Zur antibyzantinischen Einstellung der Kreuzzugschroniken vgl. auch Arbagi, Byzantium S. 180ff. Zum Vorwurf des Paktierens mit den Sarazenen im Vorfeld des 4. Kreuzzugs vgl. Jonathan Harris, Collusion with the Infidel as a Pretext for Western Military Action Against Byzantium (1180– 1204), in: Lambert/Nicholson (Hg.), Languages of Love and Hate S. 87–97. So charakterisiert Arbagi, Byzantium S. 5f., das (allgemeine) Verhältnis des Westens gegenüber Byzanz seit etwa 570 und, ebd. S. 112, in bezug auf das Frankenreich, noch die Phase von 750–900. Einen verbreiteten Antibyzantinismus glaubt Arbagi, ebd. S. 235, feststellen zu können. Ähnlich auch Ebels-Hoving, Byzantium (zusammenfassend S. 281).
772
Kapitel 5: Die Wahrnehmung des griechisch-orthodoxen Christentums
In solchen Einschätzungen spiegelt sich zugleich die einzig mögliche Form der Einordnung wider. Die griechische Kirche bildet nicht eine eigene Kirche. Sie ist entweder christlich oder droht infolge der Abweichungen zur Häresie auszuarten. Trotz aller wahrgenommenen Differenzen hält man dennoch grundsätzlich an der Einheit fest. Wenn der päpstliche Anspruch, das Haupt aller christlichen Kirchen zu sein, Byzanz in der päpstlichen Ideologie ein- und unterordnet, wie Klaus Herbers herausgearbeitet hat,385 dann würde Byzanz hier gerade nicht als das „Andere“ wahrgenommen, und Gleiches ließe sich hinsichtlich der Zulassung anderer Rechtsgewohnheiten fragen.386 Die griechisch-orthodoxen Christen werden (insgesamt) nicht wirklich als „andersgläubig“ begriffen. Allerdings neigen sie allzu häufig zu häretischen Absonderungen, die entsprechend verurteilt werden und somit durchweg die Gefahr einer Abtrennung provozieren. Zunehmendes Wissen verringert auch in diesem Fall keineswegs die Abneigung.387
385 386 387
Herbers, Papst Nikolaus I. S. 58. Ebd. S. 58f. Das stellt Ebels-Hoving, Byzantium, zusammenfassend S. 282, im Hinblick auf die Entwicklung im 12. Jahrhundert fest.
Kapitel 6
Vergleichende Schlußbetrachtung: Wahrnehmung anderer Religionen und christliches Selbstverständnis Abschließend und zusammenfassend ist die Wahrnehmung der verschiedenen anderen Religionen durch die abendländischen Christen nun vergleichend zu betrachten. Das kann auf zweierlei Weise geschehen: erneut von „innen“ heraus, indem über die oben behandelten Äußerungen zu den einzelnen Religionen hinaus vergleichende Aussagen der mittelalterlichen, christlichen Autoren untersucht werden – und solche Vergleiche finden sich tatsächlich recht häufig –, oder von „außen“ her, nämlich aus heutiger, geschichtswissenschaftlicher Perspektive, indem die Ergebnisse der einzelnen Kapitel miteinander verglichen werden. Beide Herangehensweisen müssen keineswegs zu denselben Ergebnissen führen. Ich meine dennoch, daß sich beides vereinbaren läßt und werde im Folgenden versuchen, einen analytischen Vergleich der Ergebnisse zu den einzelnen Religionen entlang der Leitfragen vorzunehmen, das aber mit zeitgenössischen Vergleichen der mittelalterlichen Autoren kontrastieren, untermauern und veranschaulichen.
1. Unterschiedliche Voraussetzungen Bei einer Analyse der Wahrnehmung der einzelnen Religionen besteht von vornherein eine entscheidende Gemeinsamkeit: Sie werden alle aus abendländisch-katholisch-christlicher Sicht wahrgenommen und entsprechend gefiltert. Schon von daher sind Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten zu erwarten, die aus dem christlichen Selbstverständnis resultieren. Dennoch differieren die Berührungsebenen, so daß die Frage, welche Rolle Unterschiede in der Wahrnehmung der verschiedenen Religionen für die christlichen Autoren spielen, nicht minder lohnenswert erscheint. Unterschiedlich ist bereits die Ausgangslage. Heiden lebten, abgesehen von heidnischen Resten und vom Aberglauben in bereits christianisierten Gebieten, im wesentlichen außerhalb des christlichen Lebensbereichs, Sara-
774
Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
zenen und Griechisch-Orthodoxe in mehr oder weniger klar abgegrenzten und getrennten Lebenswelten, aber mit Kontakten und „Kontaktzonen“, Juden und Häretiker hingegen im Inneren. Christen (und Juden) lebten ihrerseits als Minderheiten in islamischen Gebieten, vor allem im islamischen Spanien (als Mozaraber). Mit auswärtigen Mächten konzentrieren sich die Berührungspunkte auf politisch-diplomatische Kontakte einerseits und militärische Auseinandersetzungen andererseits, aber auch auf einen (von mittelalterlichen Autoren so allerdings kaum wahrgenommenen oder reflektierten) Kulturtransfer. Im Inneren bietet das Zusammenleben vielfältige Berührungsflächen, zwingt aber auch stärker zur Abgrenzung. Christliche Missionsversuche richten sich vor allem auf die Heiden, denen gegenüber man sich ganz in der Offensive befand. Christliche Mission war hier – neben Einfällen heidnischer Völker (vor allem Normannen und Ungarn) – sogar der vorherrschende Berührungsgrund, die Begegnungen waren damit von vornherein entsprechend religiös ebenso wie tendenziös geprägt. Gegenüber dem Islam sind Missionsbestrebungen vor dem 13. Jahrhundert hingegen kaum bezeugt,1 während sie gegenüber Juden latent oder offen durchweg vorhanden waren und (wie bei Heiden) immer wieder auch unter Zwang ausgeübt wurden. Das mag sich daraus erklären, daß Muslime in einer anderen Welt lebten, der gegenüber es vor Reconquista und Kreuzzügen weder Ambitionen noch Möglichkeiten einer Eingliederung gab; in den mediterranen christlichen Gebieten mußte man bis gegen Ende des 10. Jahrhunderts vielmehr froh sein, wenn die entgegengerichtete Gefahr einer islamischen Invasion abgewendet werden konnte. Das „Abendland“ als die eigene Welt christlicher Herrschaften schien hier seine akzeptierten Grenzen zu finden. Daraus waren Heiden, Muslime und andere Angreifer allerdings fernzuhalten, und auch gegenüber Juden plädierten manche Autoren, wie Agobard und Amulo von Lyon, für eine strikte Trennung der Lebensbereiche. Ob die sogenannten Religionsgespräche (mit Juden und Häretikern) ebenfalls Bekehrungsabsichten verfolgten, ist eine schwer lösbare Frage, die nicht zuletzt vom Problem ihrer Adressaten abhängt. Ihr primäres Ziel war das anscheinend nicht, denn sie dienten, wie auch andere Traktate, nicht minder der Verteidigung, Rechtfertigung und Selbstverge-
1
Erst in der frühen Neuzeit sind die Anhänger aller Religionen Objekt der Mission; vgl. Wolfgang Reinhard, Christliche Wahrnehmung fremder Religionen und Fremdwahrnehmung des Christentums in der frühen Neuzeit, in: Grenzmann/Haye/Henkel/ Kaufmann (Hg.), Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen S. 51–72, hier S. 71.
1. Unterschiedliche Voraussetzungen
775
wisserung des eigenen Glaubens. Die christlichen Äußerungen waren daher, trotz ihrer Polemik, nicht ausschließlich „Angriffe“ auf andere Religionen. Vor allem Griechisch-Orthodoxe, aber auch Juden (und vermutlich auch Häresien) bezichtigten die lateinisch-katholischen Christen ihrerseits des falschen Glaubens und wurden daher sämtlich als Gefahr empfunden. Auch dieser Umstand prägt die christlichen, zunächst vielfach aus der Defensive heraus verfaßten Schriften. Unterschiedlich war damit auch die (sich darin schon widerspiegelnde) religiöse Konfrontation. War das polytheistische Heidentum zum Kult des christlichen Gottes zu bekehren, so bildete der Götzenkult umgekehrt nirgends eine wirkliche Gefahr für den christlichen Glauben. Heiden galten als (unzivilisierte) Barbaren, mit deren Religion man sich nicht ernsthaft auseinandersetzte. Dennoch teilten sie mit den christlichen Zeitgenossen gemeinsame Vorstellungen, die, ganz entgegen den christlichen Absichten und Überzeugungen, eine synkretistische „Paganisierung“ des frühmittelalterlichen Christentums begünstigten, auch wenn die christlichen Autoren das selbst kaum in dieser Weise wahrgenommen, sondern die religiöse Abgrenzung betont haben. Die anderen, durchweg monotheistischen Religionen standen dem Christentum prinzipiell näher, und das um so mehr, als sie sämtlich letztlich denselben Gott verehrten. Gleichwohl bleibt auch hier die Frage zu klären, ob das entsprechend wahrgenommen wurde, ob man sie, eventuell sogar gemeinsam mit Christen, gegenüber Heiden abhob, ob man Unterschiede im Verhältnis zu Muslimen und Juden einerseits und zu den christlichen „Konfessionen“, Orthodoxen und Häresien, andererseits machte und wieweit das die Einstellung gegenüber diesen Religionen beeinflußt hat. Schließlich ist aber auch der Art der Berichte und der Schriften, in denen jene transportiert wurden, Beachtung zu schenken. Äußerungen gegenüber anderen Religionen finden sich, wenngleich unterschiedlich häufig, in vielen Schriften ganz unterschiedlicher „Gattungen“, während Werke, die sich (um des Glaubens willen) unmittelbar mit einer anderen Religion befassen, insgesamt selten sind und sich zudem durchweg auf ganz bestimmte Aspekte des Glaubens oder des Kultes konzentrieren. Die bisherige Forschung hat sich vornehmlich solchen Werken zugewandt, die sich explizit mit einer anderen Religion auseinandersetzen. Das ist gut verständlich, verstellt aber den Blick auf ein Gesamtbild, das sich erst aus einer Vielzahl sehr verschiedener Äußerungen in unterschiedlichen Quellen und Situationen ergibt. Beiläufigen Erwähnungen fehlt gewiß die Tiefe religionsbezogener Traktate, doch erst sie lassen verbreitete, wenn auch deutlich stereotype Wahrneh-
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
mungsmuster erkennen,2 die hier vor allem herausgearbeitet werden sollten. Insgesamt kann das auf einer breiten Materialgrundlage aus mehreren Jahrhunderten, verschiedenen Räumen und ganz unterschiedlichen Quellenarten aufbauende Projekt, dessen Ziele in der Einleitung dargelegt sind, für sich in Anspruch nehmen, ein größeres und dichteres Spektrum an Wahrnehmungen und Wahrnehmungsmustern erbracht zu haben als die bisherige Forschung, auch wenn vieles in diesem Rahmen weiterhin nur exemplarisch behandelt werden konnte. Es hat den bisherigen Forschungsstand dadurch in entscheidenden Punkten ergänzen können (hinsichtlich der Wahrnehmung von Islam und Judentum), das Material in anderen Fällen überhaupt erst in dieser Breite aufgearbeitet (wie bei der Wahrnehmung von Heiden, Häretikern und Griechisch-Orthodoxen), und es ermöglicht auf dieser Grundlage vor allem erstmals einen abgestützten Vergleich. Die Ergebnisse differenzieren den bisherigen Forschungsstand nicht nur in manchen Einzelfragen, sie modifizieren ihn vor allem dort, wo es um die Aufarbeitung verbreiteter Vorstellungen jenseits der (wenigen) ganz einschlägig mit anderen Religionen befaßten Schriften des Mittelalters geht. Das mittelalterliche Häresiekonzept erschließt sich überhaupt erst aus der – zuvor nie aufgearbeiteten – Vielzahl nahezu beiläufiger Äußerungen. Dabei ergeben die zumeist stereotypen Wahrnehmungsmuster eine insgesamt kohärente christliche Wahrnehmung der jeweils anderen Religionen, lassen gleichzeitig aber auch erkennen, wie differenziert, komplex und situationsabhängig solche Wahrnehmungen im einzelnen sind. Religiös bedingten, polemischen Abgrenzungen stehen, je nach Kontext, durchaus nahezu emotionslose Einstellungen gegenüber. Im folgenden seien solche vergleichenden Perspektiven anhand der dieser Studie zugrunde gelegten Leitfragen diskutiert.
2. Terminologie Bereits ein terminologischer Vergleich ist nicht nur aufschlußreich, sondern läßt auch wichtige methodische Probleme erkennen: Die einschlägigen Begriffe für die anderen Religionen sind keineswegs durchweg religiös konnotiert, und wo sie es sind, ermangeln sie zumeist dennoch einer klaren inhaltlichen Abgrenzung. So bezieht sich keiner der zahlreichen, gängigen Begriffe für die Muslime auf die (neue) Religion. Diese sind sämtlich bereits vor2
So auch Tischler, Transfer- und Transformationsprozesse S. 333.
2. Terminologie
777
islamisch und durchweg ethnischer (Araber, Mauren, Chaldäer) oder – im Mittelalter damit eng verknüpft – biblisch-genealogischer Herkunft (Sarazenen, Ismaeliten, Agarener). Dem entspricht es, daß Sarazenen durchweg als (ein) Volk wahrgenommen werden. Damit wird zugleich einer (ethnischpolitischen) Einheit Rechnung getragen, die eine religiöse Einheitlichkeit einschließen oder zur Folge haben kann. Die Andersgläubigkeit ergibt sich allerdings nicht aus der Terminologie, die vielmehr eine Kontinuität über den Religionswechsel hinaus vermittelt (und ist an vielen Stellen tatsächlich gar nicht erkennbar). Die einzigen religiösen Begriffe, Mahomet(an)i, Anhänger Mohammeds, oder Muzlemitae, werden nur ganz selten (von Christen in islamischen Gebieten) angewandt und begegnen im Abendland nicht vor dem Ende des 12. Jahrhunderts. Nur in Nordspanien ist schon vorher auch von einer Musalmitica religio die Rede, doch bleibt das anscheinend ein Einzelfall. Noch deutlicher wird diese Diskrepanz bei Griechen und Byzantinern, Begriffen, die sich (ebenfalls) ganz auf die Sprache, das Volk oder das Reich (Byzanz) beziehen und wieder nur im Kontext – und auch das insgesamt selten – auf Glaubensunterschiede deuten. Für den griechisch-orthodoxen Glauben gibt es (wie für den Islam) keinen eigenen Begriff, zumal sowohl „orthodox“ als auch „katholisch“ die (allgemeine) Rechtgläubigkeit ausdrücken. Komplizierter stellt sich dieser Sachverhalt bei den Juden dar, die sich, schon im Alten Testament, gleichzeitig als Volk und als Religionsgemeinschaft verstehen. Dieses Spektrum wird in der mittelalterlichen Diaspora noch durch eine soziale Komponente der jüdischen Minderheit oder tyisch jüdischer Berufsgruppen (Fernhandel, Ärzte) ergänzt. Obwohl hier im Gegensatz zu den Sarazenen stets ein religiöses Element mitschwingt, darf somit auch bei den Juden nicht von vornherein durchweg auf einen vorrangig religiösen Gehalt geschlossen werden. Ein solcher ergibt sich wieder erst aus dem Kontext. Anders verhält es sich mit den Begriffen für Heiden (vor allem pagani und gentiles, gelegentlich auch ethnici, fanatici und profani), die per se einen religiösen, vom Christentum abgrenzenden Inhalt haben. Doch selbst hier bevorzugen vor allem historiographische Quellen mehrfach die (konkreten) Volksnamen und lassen die religiöse Abgrenzung oft nur in der Gegenüberstellung mit Christen erkennen, während der Glaubensgegensatz im Missionskontext durchweg in das Zentrum der Vorstellungen rückt und hier insgesamt recht klare Konturen erhält. Ausschließlich religiöser Natur ist auch der – von Bezeichnungen für bestimmte Häresien abgesehen – einzige Begriff für Häretiker, h(a)eretici, der in seiner Verwendung bereits die
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
Abgrenzung vom rechten (katholischen) Glauben anzeigt – Häretiker sind sie selbstverständlich nur in den Augen der anderen –, dessen Inhalte sich aber erneut erst aus (in diesem Fall: einer Vielzahl von) Äußerungen im Umfeld des Begriffs, nicht zuletzt in exegetischen Kontexten, erschließen und die Abgrenzung tatsächlich aus sehr unterschiedlichen Kriterien resultieren lassen, insgesamt aber erstaunlich kohärente Vorstellungen von dem ergeben, was man unter Häresien verstanden hat. Daß die Begriffe unterschiedlich häufig verwendet werden (vgl. Tabelle 1), ist in sich noch wenig aussagekräftig, aber wichtig zur Feststellung der durchweg gängigen Terminologie. Sar(r)aceni ist im Abendland, zumal in der Chronistik, der mit Abstand am häufigsten gebrauchte Begriff für die Muslime,3 doch hängt die Begriffswahl letztlich vom einzelnen Autor, von der Zeit und von der Region ab. So wird in der Historiographie der Karolingerzeit Mauri zu einem häufig neben (und zusammen mit) Sarraceni benutzten Terminus,4 während in manchen spanischen Quellen Chaldaei geradezu vorherrscht. Juden werden, selbst in der Exegese des Alten Testaments, erheblich häufiger als Iud(a)ei denn als Hebr(a)ei oder gar als Israelites/Israelitae bezeichnet,5 aber auch das ist durchaus genreabhängig. 3
4
5
In theologischen Texten sind aber auch die anderen biblischen Begriffe noch häufig. Die Library of Latin Texts weist für das 6. bis 12. Jahrhundert 620 Belege für Sarraceni/Saraceni, 132 Belege für Agareni und 120 Belege für (H)Isma(h)elites aus, dazu immerhin 614 Belege für Arabes und 592 Belege für Chaldaei (die jeweils allerdings nicht alle in die muslimische Zeit fallen!). Zum Vergleich: Nach Ausweis des Migne (Patrologia Latina Database, Band 70 bis 200) finden sich hier 2.752 Belege für Sarraceni/Saraceni gegenüber 238 Belegen für Agareni, 308 Belegen für (H)Isma(h)elites und wiederum 1.816 Belegen für Chaldaei (und 2.167 Belegen für Arabes). Das sind, ohne Überprüfung der Einzelstellen, allerdings nur Näherungswerte. Eine rein elektronische Suche versagt hier, weil sie die Belege des heiligen Maurus einschließt. In der Reihe „Scriptores“ der MGH vermittelt die dMGH (nur SS, SSrM, SsrLang, SSrG und SSrG n.s.) 3.150 Belege für Sar(r)aceni und 171 Belege für Mauri, die sich, zeitlich aufgeschlüsselt, deutlich auf die älteren Bände (1–10) der Folio-Reihe konzentrieren. Die LLT zählt 16.632 Belege für Iudaei/Iudei* (in allen grammatischen Fällen), gegenüber 3.775 Belegen für Hebr(a)ei (die allerdings die zahlreichen Belege für die Sprache einschließen) und 1.258 Belegen für (H)Isra(h)elites. Der Migne (PLD) Bd. 70–200 hat 32.161 Belege für Iuda* und Iude* gegenüber 13.790 Belegen für Hebr(a)ei und 2.938 Belegen für (H)Israelitae. Etwas anders gestaltet sich das Verhältnis in historiographischen Texten (Abteilung „Scriptores“ der dMGH): 2.805 Belegen für Iud(a)ei stehen hier nur 709 Belege für Hebraei und 254 für Israelites (in den verschiedenen Schreibvarianten) gegenüber.
779
2. Terminologie
Gr(a)eci wird ungleich häufiger verwendet als die tatsächlich ausgesprochen seltene Form Bizantini/Byzantini.6 Bezüglich der Heiden ist der Begriffsgebrauch eher autorspezifisch. Wenn pagani nach Ausweis der POR-Datenbank insgesamt etwa doppelt so häufig begegnet wie gentiles, dann liegt das allerdings eindeutig an der Überproportionalität der ausgewerteten historiographischen Quellen, denn unter Einbeziehung der theologischen Texte kehrt sich das Verhältnis geradezu um.7 Tabelle 1: Häufigkeit der Begriffe LLT Heiden: pagani gentiles
PLD
dMGH (SS)
3.660 1.289
9.836 4.593
1.270 3.271
Islam: Sar(r)aceni Agareni Ismaelites Arabes Chaldaei
620 132 120 614 592
2.752 238 308 2.167 1.816
3.150 280 36 ?? 151
Juden: Iud(a)ei Hebr(a)ei Israelites/ae
16.632 3.775 1.258
32.161 13.790 2.938
2.805 709 254
4.730 1
9.306 24
3.251 23
Griechen: Gr(a)eci Byzantini
6
7
Die LLT hat insgesamt 4.730 Belege für Graeci/Graeci (in allen grammatischen Fällen, aber einschließlich der nicht seltenen Bezeichnung für die Sprache) gegenüber lediglich einem Beleg für Bizantini (und 52 Belegen für die Stadt Byzantium). Der Migne (PLD) zählt 9.306 Belege für Graeci/Greci gegenüber 24 Belegen für Byzantini/Bizantini/Bysantini/Bisantini (und weiteren 482 Belegen für die Stadt Byzanz). Die Scriptores-Abteilung der dMGH (ohne Auctores Antiquissimi und Staatsschriften) zählt 653 Graeci- und 2.598 Greci-Belege (also insgesamt 3.251 Belege) gegenüber lediglich 23 Belegen für „Byzantiner“. Laut LLT stehen 3.660 Belegen für gentiles nur 1.289 Belege für pagani gegenüber. Migne (PLD) hat 9.836 Belege für gentiles und 4.593 Belege für pagani. Umgekehrt gestaltet sich das Verhältnis in der Scriptores-Abteilung der dMGH mit vorwiegend historiographischen Quellen: Hier stehen 1.270 gentiles-Belege 3.271 pagani-Belegen gegenüber.
780
Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
Klare terminologische Unterscheidungen sind hingegen nicht auszumachen. Nicht nur die – ihrem etymologischen Ursprung nach unterschiedenen – biblisch-genealogischen Begriffe für die Muslime, sondern auch die gängigen Termini für Heiden werden anscheinend völlig synonym verwandt. Daß gentiles Heiden aus Schicksal, pagani Heiden aus Schuld bezeichnen sollen, läßt sich an dem Begriffsgebrauch im frühen und hohen Mittelalter nicht bestätigen. Selbst die drei wichtigsten Begriffe für Juden, nämlich Juden, Israeliten und Hebräer, verweisen nicht grundsätzlich auf eine klar wertende (Juden positiv, Israeliten und Hebräer negativ) oder zeitliche Zuordnung (Israeliten und Hebräer für die alttestamentlichen Juden), sondern sind vielfach austauschbar. Alle anderen Religionen (wie Heiden, Sarazenen, Juden) aber werden den Christen bzw., wenn es sich um christliche Richtungen handelt, den katholischen (im Falle der Häresien) oder „lateinischen“ und „römischen“ Christen (im Falle der Griechen) gegenübergestellt und von diesen abgegrenzt. Wo und wann das geschieht, ist weithin vom Kontext abhängig und wird vor allem dort explizit, wo es zu Auseinandersetzungen mit den Andersgläubigen kommt, sei es bei Angriffen der Heiden und Sarazenen oder in den missionarischen „Angriffen“ der Christen auf die heidnische Religion. Die terminologischen Ergebnisse mögen nicht überraschend sein, haben aber weitreichende, von der bisherigen Forschung keineswegs genügend beachtete Folgerungen: Eine Untersuchung der christlichen Wahrnehmung anderer Religionen darf erstens nicht ausschließlich Äußerungen oder Texte religiöser Natur berücksichtigen. Andernfalls ergibt sich ein schiefes Bild, denn gerade sie sind oft nicht das „Normale“. Verbreitete Wahrnehmungsmuster ergeben sich weniger aus den theologischen Traktaten, die sich explizit mit einer anderen Religion befassen, als vielmehr gerade aus der Menge unscheinbarer Äußerungen in einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Quellen. Die Analyse muß zweitens dem Kontext eine ganz besondere Aufmerksamkeit widmen, da nur dieser die Inhalte, aber auch die Situationen und Umstände religiöser Wahrnehmung erkennen läßt. Es ist also zu beachten, in welchen Kontexten religiöse Wahrnehmungen für die christlichen Autoren überhaupt relevant werden (und in welchen nicht). Insgesamt hat sich die Wahrnehmung anderer Religionen trotz aller unverkennbaren Stereotype als recht komplex und vielseitig erwiesen.
3. Inhalte religiöser Wahrnehmung und Wissen von anderen Religionen
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3. Inhalte religiöser Wahrnehmung und Wissen von anderen Religionen Bei der Frage nach der inhaltlichen Wahrnehmung anderer Religionen erscheint mir daher fünferlei bezeichnend. Erstens wird ein solches Wissen kaum je geschlossen zusammengefaßt, sondern nur bei Bedarf angewandt. Gerade deshalb kommt dem Kontext jeweils ein großes Gewicht zu. Daraus folgt (noch einmal), daß die Wahrnehmung in ihrer Gesamtheit erst aus einer Vielzahl verstreuter und somit unzusammenhängender Äußerungen erkennbar wird, die nicht um der anderen Religion willen, sondern in aller Regel in bestimmten Zusammenhängen, vor allem in Auseinandersetzungen, einfließen und zumindest erkennen lassen, daß eine Abgrenzung von der eigenen (christlichen) Religion durchweg bewußt gewesen ist. Ein Wissen über die anderen Religionen, wie bruchstückhaft, verzerrt oder sogar falsch es auch gewesen sein mag, ist somit durchaus vorhanden. Die Äußerungen erweisen sich zweitens aber, unbeschadet ihrer jeweiligen Ausschnitthaftigkeit und individueller Nuancen und Akzentuierungen, in ihren jeweiligen Kennzeichen als insgesamt so konsistent und kohärent, daß man von einem durchaus geschlossenen Konzept der Wahrnehmung der anderen Religionen ausgehen kann.8 Das gilt besonders für Heiden und Häretiker, aber auch gegenüber Juden werden immer wieder dieselben Vorwürfe laut, während sich das Islambild insgesamt auf wenige Aspekte beschränkt und die Wahrnehmung der griechisch-orthodoxen Christen sich auf dogmatische und ekklesiologische Differenzen konzentriert. Dadurch wirkt die Wahrnehmung der anderen Religionen drittens recht stereotyp (und sie ist es auch). Das beweist aber nicht nur die Konsistenz solcher Vorstellungen, sondern erklärt sich darüber hinaus aus den eigenen Bedürfnissen, weil sich in solcher (stereotypen) Abgrenzung das christliche Selbstverständnis widerspiegelt. Dabei ist viertens aber auch intern zu differenzieren zwischen der „normalen“ abendländischen Sicht und dem Wissen in den engeren Kontaktzonen, die von der bisherigen Forschung hauptsächlich betrachtet, damit in ihrem Gesamtstellenwert aber auch überschätzt worden sind. Besonders im Hinblick auf das Sarazenenbild klaffen hier beträchtliche Unterschiede. Trotz
8
Das stellt auch Frassetto, Pagans, Heretics, Saracens, and Jews S. 80, in bezug auf Ademar von Chabannes fest: „Ademar thus had a well-defined understanding of pagans, Jews, and Muslims. His view of the latter two was shaped by the developing stereotypical view that would come to dominate among medieval Westerners.“
782
Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
der Stereotypen ist die christliche Wahrnehmung fünftens dennoch durch eine Vielfalt der Herangehensweisen und Einstellungen geprägt (und das ist kein Widerspruch), die sich eben aus der kontextualen Verknüpfung ergibt. Inhaltlich läßt sich jedenfalls eine große Spannbreite des Wissens über die anderen Religionen erkennen. In dieser Hinsicht ist bereits das frühe Mittelalter keineswegs ein „age of ignorance“, wie es Richard William Southern im Hinblick auf den Islam genannt hat. Eher ist ein Desinteresse kennzeichnend, das aber dort, wenn nicht in Interesse, so doch in religiöse Wahrnehmung (und Wissen) umschlägt, wo die Berührungen der Träger verschiedener Religionen wie auch die Tendenz der christlichen Autoren das erfordern, nämlich in feindlichen oder polemischen Auseinandersetzungen mit den anderen. Zumindest bei einigen Autoren ist ein geradezu beachtliches Wissen über den Islam auch in islamfernen Zonen des Abendlandes erkennbar (wie bei Paschasius Radbertus). Manche Chronisten zeigen sich darüber hinaus an der islamischen Ausbreitung und Geschichte interessiert, wie die frühen mozarabischen Chroniken, Landulfus Sagax und seine Rezipienten, die sich dabei auf die griechische Tradition stützen können, oder, im Hinblick auf die Verhältnisse im islamischen Spanien, die aquitanische Chronik von Moissac. Ein Interesse an den Sarazenen beginnt daher nicht erst im 12. Jahrhundert. In der Perspektive der christlichen Autoren spielt die Religion jedoch durchaus nicht immer eine (oder die wichtigste) Rolle. Byzanz wird als Reich (und Volk), die Sarazenen werden vor allem von den Chronisten als von einem König (oder auch mehreren Königen) regiertes Volk (und Reich) wie andere Völker auch wahrgenommen und erscheinen den Autoren offenbar nicht fremder als andere Völker.9 Auch die ständig schwelenden Auseinandersetzungen mit Byzanz sind weit eher politischer als religiöser Natur (beiderseitige Ansprüche auf Italien und das Zweikaiserproblem) oder resultierten aus dem Primatanspruch des Papstes auch über die griechische Kirche. Dem entspricht es, daß das Verhältnis zu Reichen und Mitgliedern anderer Religionen keineswegs durchweg von Feindseligkeit geprägt sein mußte: Mit den muslimischen Reichen gab es, ebenso wie mit Byzanz, ständige Kontakte, diplomatischen Austausch und sogar Bündnisse, und selbst mit
9
Vgl. auch Mohr, Wissen über die Anderen, der mit seiner Arbeit zeigt, daß die religiöse Abgrenzung oft hinter die „gentile“ nach Völkern zurücktritt. Das ist vor allem bei Heiden und Sarazenen der Fall.
3. Inhalte religiöser Wahrnehmung und Wissen von anderen Religionen
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den Heiden konnte man sich zumindest vorübergehend verbünden. Sogar eine Herrschaft von Sarazenen über Christen erscheint einigen Autoren denkbar (und wurde in Spanien ja auch praktiziert), wenngleich sie selbstverständlich nicht erwünscht ist. Johannes von Gorze kann aber auch die mozarabischen Bischöfe wegen ihres allzu gefälligen Arrangements mit den islamischen Herrschern tadeln, und im christlichen Norden Spaniens wird der Religionsgegensatz, jetzt allerdings aus der Defensive heraus, zumindest gelegentlich betont, ohne hier jedoch, zumindest in der Chronistik, eine allzu große Bedeutung zu erlangen. Eine Herrschaft von Heiden über Christen in christlichen Gegenden, wie sie etwa noch im frühen Merowingerreich praktiziert wurde, wird bald durchweg verurteilt, Herrschaft oder Macht von Juden über Christen oft gesetzlich verwehrt (damit allerdings kaum aus der Praxis verbannt und manchmal sogar durch Privilegien zugelassen). Selbst mit den Juden herrschte, auch wenn die polemisch-religiöse Abgrenzung hier ein durchgängiger Zug der christlichen Quellen ist, in der Praxis offenbar oft eine friedliche „convivencia“ (ähnlich wie zwischen Christen und Muslimen im islamischen Spanien) vor, die gerade auch durch Schriften belegt ist, die ein zu enges Zusammenleben verhindern wollen (wie Agobard von Lyon). Allerdings bargen die latenten Spannungen hier immer auch Gefahren, die eskalieren konnten (wie bei der Vertreibung der Juden aus Clermont und ähnlichen Vorfällen zur Zeit Gregors von Tours, in Orléans 1008 und dann vor allem im Vorfeld des Ersten Kreuzzugs 1096). Dazwischen liegen aber auch Jahrhunderte duldsamen Zusammenlebens, während die religiöse Abgrenzung gerade gegenüber den Juden in der gesamten, hier behandelten Epoche durchweg betont wird. Die den Autoren bewußten Religionsdifferenzen und die ablehnend-feindliche Haltung gegenüber allen Nichtchristen haben, mit anderen Worten, durchaus nicht mehr oder weniger „normale“, soziale oder politische Beziehungen behindert. Lediglich gegenüber Häretikern ist eine solche, zumindest zeitweise Duldung in der Praxis kaum akzeptabel, trotz des immer wieder aufgegriffenen Diktums des Apostels Paulus, daß es auch Häretiker geben müsse. Gegenüber der Religion selbst konnte es solche Toleranzen auch in den anderen Fällen nicht geben (und es wäre unmittelalterlich, so etwas zu erwarten). Doch erst wenn es (mit Muslimen wie mit Griechen) zu Auseinandersetzungen oder gar zu Übergriffen der Sarazenen auf christliche Gebiete kam, schlug das Verhältnis nicht nur in Feindschaft um, sondern jetzt wurde auch der Religionsgegensatz bewußt „aktiviert“. Die Kreuzzüge fügen sich geradezu nahtlos in diese Haltung ein: In der – jetzt von den Christen ausgehenden – kriegerischen Auseinandersetzung werden Muslime zu Feinden und Andersgläubigen.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
Fragt man nach den (stereotypen) Kennzeichen im Einzelnen, dann ist das Heidentum zum einen vor allem durch fehlende Gotteskenntnis (damit vor der Mission aber auch eine gewisse Entschuldbarkeit) und ein fehlendes Religionsgesetz – Heiden folgen noch dem „Naturgesetz“ –, zum andern durch Vielgötterei und Götzendienst charakterisiert. Stereotyp bemerkenswert erscheinen den Autoren darüber hinaus die heidnischen Kultorte (Haine und Tempel), die sich oft mit Naturplätzen (Bäumen, Felsen, Quellen) verbinden, von Heidenpriestern ausgeführte Opferkulte, Wahrsagungen und Orakel, besonders Losorakel, sowie Magie und Aberglaube, aber auch Tänze und Gesänge. Das alles gilt als heidnisch, ganz gleich, ob es von „echten“ Heiden oder von – erst halbchristianisierten – Christen oder auch unter lediglich christlichem Deckmantel bzw. in christlicher Umdeutung ausgeübt wird. Das ist im Prinzip zwar längst bekannt, erstaunt aber doch in seiner Konsistenz in einer Fülle von Belegen. Der kaum durchgreifenden Unterscheidung religiöser und weltlicher Aspekte entspricht es darüber hinaus, daß Heiden nicht nur mit religiösen Begriffen, sondern auch als wilde, grausame, teilweise unmoralisch-gesetzlose, auf jeden Fall aber unzivilisierte Barbaren betrachtet werden. Wenn sie das oft auch nach der Bekehrung bleiben, dann zeigt sich darin erneut, daß das religiöse Element durchaus nicht das einzig entscheidende ist: Die Bekehrung allein macht nicht gleich alle Barbaren zu zivilisierten Menschen (und damit zu wahren Christen). Wichtiger für die christliche Wahrnehmung der Heiden ist noch die Tatsache, daß man kaum zwischen den (sehr) verschiedenen heidnischen Kulten unterscheidet, obwohl man sie – zunehmend – auch in ihrer Individualität wahrnimmt und im einzelnen beschreiben kann. Tatsächlich aber wird zeitgenössisches Heidentum in christlicher Wahrnehmung nicht nur zwanglos mit antikem (römischem ebenso wie biblischem) Heidentum parallelisiert, sondern auch die Götterwelt als weithin identisch betrachtet. Wenn es die Forschung irritiert hat, daß es etwa im heidnisch-angelsächsischen Britannien entgegen Bedas Berichten keine Tempel gab und man daraus auf einen mangelnden Wahrheitsgehalt geschlossen hat, so sind solche stereotypen Zuordnungen doch gerade bezeichnend für ein enthistorisiertes, christliches Heidenbild. Entscheidend ist den Autoren vielmehr zweierlei: daß die heidnischen Götter keine Götter, sondern Dämonen – deren Existenz also gar nicht bestritten wird – und die Heiden folglich Teufelsdiener sind und daß die Götzen letztlich machtlos gegenüber der alles entscheidenden Wirksamkeit Gottes sind, der die ganze Welt und alle Kreaturen aus dem Nichts erschaffen hat. Gerade diese Überzeugung suchten die Missionare (und deren Berichterstatter) mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Methoden, argumentativ ebenso wie durch Taten und Wunder, zu beweisen.
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Die christliche Haltung gegenüber Heiden ist dabei durchaus ambivalent. Während man sich von dem Götzen- und Dämonenglauben und heidnischen Praktiken strikt abgrenzt (und letztere vor allem nach der Christianisierung zu verhindern sucht und verbietet), zeigen sich, den Autoren sicher kaum bewußt, sowohl in den Argumentationen und in der Denkweise als auch in den Praktiken erstaunliche Parallelen: Man untersagt Opfer (es sei denn für Gott in den Kirchen) und Wahrsagungen (es sei denn, es handelt sich um göttliche Offenbarungen), unterwirft sich heidnischen Losorakeln (im Vertrauen auf den guten, göttlich gelenkten Ausgang) und argumentiert letztlich in der gleichen Weise: zu zeigen, welcher Gott bzw. daß Gott der mächtigste ist und daß er sich in Wundern offenbart, seine Anhänger (die Christen) behütet und ihnen nicht nur das Seelenheil, sondern auch irdisches Wohlergehen und fortschreitende Christianisierung bietet. Das erlaubt sowohl eine Missionierung als auch eine zeitgemäße Anpassung christlicher Bräuche. Die These eines „Synkretismus“ im frühmittelalterlichen Christentum oder einer „Germanisierung“ (Russell) bzw. Paganisierung des Christentums findet hier, aus gleichartigem Denken heraus, eine ebenso zwanglose Erklärung wie der spezifische Charakter der frühmittelalterlich-christlichen Religiosität und der frühmittelalterlichen religiösen Vorstellungen. Schon aus diesem Grund sind die Missionsversuche ein Kampf für Gott und gegen das Heidentum, aber kein „Kampf der Kulturen“. Nicht minder kennzeichnend ist das Verhältnis zum jüdischen Glauben. Dank der gemeinsamen Glaubensgrundlage, dem Alten Testament und dem Glauben an Gott, vor allem aber dank des engen Zusammenlebens läßt sich immer wieder ein gewisses Wissen um die jüdischen Sitten und Glaubensinhalte, wenngleich nicht deren Verständnis feststellen. Angewandt aber wird es erneut ausschließlich zur Abgrenzung von den Juden und zur Widerlegung des jüdischen Glaubens. Wenn antijüdische Traktate hier, im Gegensatz zu den eher verstreuten und beiläufigen Bemerkungen zu Heiden und Muslimen, weit geschlossenere Äußerungen bereitstellen, so konzentrieren sich diese wiederum auf auffällig wenige, durchweg theologische Aspekte. Auch hier, in den antijüdischen Traktaten ebenso wie in den sogenannten „Religionsgesprächen“ und anderen Äußerungen, sind es dieselben Elemente, die immer wieder aufgegriffen und den Juden vorgeworfen werden (sofern nicht umgekehrt jüdische Vorwürfe zur Verteidigung und Erklärung der christlichen Lehren provoziert haben): Die Juden sind für den Tod Christi verantwortlich und glauben nicht, daß Christus Gottes Sohn ist, weil sie die Bibel ausschließlich wörtlich auslegen und deshalb die vielen auf Christus bezogenen Prophetien nicht erkennen. Aus diesem Grund gelten sie
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als blind, treulos und blasphemisch. Die Widerlegung jüdischen Irrglaubens mit Zitaten aus dem Alten Testament und rational-logischer Argumentation ist ein durchgängiges Charakteristikum solcher Auseinandersetzungen und nicht erst ein Produkt der Frühscholastik. Einen Zusammenhang zwischen der antijüdischen (religiösen) Ideologie, die oft sogar Zwangsbekehrungen gutheißt, und den im frühen und hohen Mittelalter allerdings nur sporadisch einsetzenden Ausschreitungen wird man kaum abstreiten können, wenngleich kein christlicher Autor zu physischer Gewalt aufgerufen hat. Dennoch bedingt sich beides nicht ursächlich. An der Polemik gemessen, hätte es sonst schon weit früher und durchgängig zu Ausschreitungen kommen müssen. Das mittelalterliche Häresiekonzept ist, ähnlich den Heiden, wieder aus einer Vielzahl an Einzeläußerungen herauszuarbeiten, erweist sich dann aber ebenfalls als recht kohärent. Nicht „Wissen“ über Häresien ist hier entscheidend – ein solches kann sich nur auf bestimmte Häresien beziehen –, sondern die Vorstellung, die man sich von der Häresie als solcher macht, wie sie hier erstmals herausgearbeitet werden konnte. Besonders aussagekräftig sind dabei exegetische Auslegungen, die bestimmte Bibelbegriffe mit Häretikern identifizieren (und das dann begründen). Häresie wird in solchen Kontexten zwar nicht erklärt. Da hier jedoch offensichtlich längst vorher ausgeprägte Vorstellungen auf die Exegese angewandt werden, spiegeln die Deutungen insgesamt ein bereits vorhandenes und verbreitetes Verständnis wider. Daß es vor dem 13. Jahrhundert kein klares Häresiekonzept gegeben habe, wie Alessia Trivellone aus dem ikonographischen Befund schließt, läßt sich daher anhand der Schriftquellen nicht bestätigen. Häretiker sind darin vielmehr recht einhellig (natürlich) durch ihren falschen Glauben und die falsche Lehre charakterisiert – ein freilich sehr weit auslegbares Kriterium –, die sich nicht zuletzt in einer falschen, nämlich weltlichen Bibelauslegung manifestiert, sie sind daneben aber auch durch ihr lasterhaftes Leben und Verhalten gekennzeichnet: Häretiker heucheln Glauben und täuschen damit die anderen und trachten sie zu verführen. Nicht Irrtum an sich ist deshalb Häresie, sondern erst die bewußte Verteidigung und Verbreitung von Glaubensirrtümern. Im Zeitalter der Kirchenreform weitet sich der Häresiebegriff zudem von doktrinären zu institutionellen Kriterien auf all diejenigen aus, die nicht mit der katholischen Kirche übereinstimmen, und schließt deshalb Simonisten, Nikolaiten, Laieninvestitur und – im Zeitalter des Investiturstreits und der Spaltung zwischen König und Papst wichtig – Schismatiker ein (die Isidor noch von Häretikern abgegrenzt hatte), auch wenn man weiterhin versucht, diese Gruppen wegen ihres falschen oder mangelnden Glaubens als Häretiker zu stigmatisieren. Aus der aktuellen
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Situation heraus erblickt man in ihnen sogar die ältesten und schlimmsten Häresien. Häretiker stehen (wie Schismatiker) in der Regel außerhalb der Kirche (obwohl manche Autoren sie auch innerhalb der Kirche anerkennen) und bedrohen diese willentlich. Daher sind sie zu bekämpfen. Robert Moores Formel der hochmittelalterlichen Christenheit als einer „persecuting society“10 erhält hier eine ideologische Legitimierung, die entgegen seiner Ansicht jedoch längst schon vor dem hohen Mittelalter vorhanden und verbreitet ist. Erst vor dem Hintergrund großer häretischer Bewegungen (wie der Katharer), erhält sie allerdings auch eine praktische Bedeutung. Am schwierigsten fällt den Autoren eine Abgrenzung vom griechischorthodoxen Glauben, der prinzipiell als christlich angesehen wird und, mittels des päpstlichen Primatanspruchs, in die Einheit der christlichen Kirche einbezogen ist. Nicht zuletzt deshalb reißen die Versuche, dem erkennbar wahrgenommenen Auseinanderdriften beider Konfessionen und einer Spaltung entgegenzuwirken, im Mittelalter, auch nach dem Bruch von 1054, nicht ab. Tatsächlich hat man im Westen eher auf griechische Vorwürfe westlicher Abweichungen reagiert als den Osten seinerseits beschuldigt, dann aber die eigenen Lehren und Gebräuche als die einzig richtigen oder zumindest als die besseren verteidigt. Diskrepanzen zwischen der Ost- und Westkirche werden dabei klar erkannt, erneut aber auf ganz bestimmte Phänomene und Glaubensunterschiede oder Ritualdifferenzen bezogen und beschränkt. Sie betreffen seit dem 8. Jahrhundert vor allem die filioque-Kontroverse des Glaubensbekenntnisses, die mit dem Trinitätsverständnis das zentrale Dogma schlechthin berührt – nach westlicher Ansicht geht der Heilige Geist von Vater und Sohn aus –, sowie seit dem 11. Jahrhundert die Oblaten bei der Eucharistie: Im Osten hat man gesäuertes, im Westen ungesäuertes Brot verwendet (was die Griechen als „judaisierend“ verurteilen). Der westlichen Kirche ist darüber hinaus sowohl eine (als Anbetung mißdeutete) Bilderverehrung als auch ein Ikonoklasmus suspekt. Daneben wird noch um mancherlei gestritten: um Priesterbärte und Priesterehe, Kleidervorschriften und anderes mehr. In solchen Auseinandersetzungen, die, trotz einiger Mißverständnisse, insgesamt wieder ein Wissen über die jeweils anderen Gepflogenheiten erkennen lassen, kann die Abgrenzung immerhin bis zum Häresieverdacht oder sogar zum Häresievorwurf reichen. Solches Wissen aber wird auch hier nur bei bestimmten Gelegenheiten angewandt, die Abgrenzungen werden erst in den – nicht zuletzt politisch oder kirchenpolitisch motivierten – Streitigkeiten schärfer betont. 10
Moore, The Formation of a Persecuting Society.
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Insgesamt wird man daher feststellen können, daß ein Wissen über andere Religionen zwar unterschiedlich, doch durchweg vorhanden ist, jedoch, wie schon der religiöse Bezug selbst, nur dort stärker ans Licht bzw. ins Schrifttum tritt, wo es ohnehin Auseinandersetzungen und Gegnerschaften gibt. Gegenüber Heiden (im Missionskontext) und Juden geht die Initiative dabei von christlicher Seite aus, gegenüber Sarazenen und Griechen reagiert man eher auf deren Angriffe, Häretikern wird zumindest eine andauernde Streitlust gegenüber der Kirche unterstellt. Gegenüber Juden und Häretikern werden stereotype religiöse Wahrnehmungen fester Bestandteil der – in allen Jahrhunderten vorhandenen – Polemik.
4. Unterschiede zwischen den anderen Religionen in christlicher Wahrnehmung Bevor aus diesen Beobachtungen Folgerungen für die Bewertung und Einordnung der anderen Religionen sowie für das christliche Selbstverständnis gezogen werden, mag es sinnvoll sein, an dieser Stelle einige vergleichende Aussagen mittelalterlicher Autoren einzufügen. Die christlichen Schreiber haben immer wieder selbst Vergleiche vorgenommen und dabei die anderen Religionen nicht nur auseinandergehalten – für Salvian von Marseille sind alle Barbaren entweder Heiden oder Häretiker, wobei Heidentum die ältere Religion ist11 –, sondern durchaus auch Unterschiede zwischen ihnen wahrgenommen, wenngleich sie dabei zuweilen auffällig weniger die religiösen Inhalte als vielmehr pauschale Abgrenzungen im Blick haben. So schreibt Leo der Große ihnen unterschiedliche, eher weltliche Attribute oder Eigen-
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Salvian von Marseille, De gubernatione Dei 4,13,61, ed. Halm, S. 48; ed. Lagarrigue S. 282: Duo enim genera in omni gente omnium barbarorum sunt, id est aut haereticorum aut paganorum; ebd. 4,14,67, ed. Halm S. 49; ed Lagarrigue S. 286: Nam cum omnes, ut iam ante diximus, barbari aut pagani sint aut haeretici, ut de paganis, quia prior illorum error est, prius dicam. Die Griechen, meint Wilhelm von Saint-Thierry, Expositio super epistolam ad Romanos 1, S. 16, hätten alle Menschen in Griechen und Barbaren eingeteilt; treffender sei aber die Unterscheidung des Paulus: zunächst in Juden, dann in Griechen und erst dann in Barbaren: Graeci etiam primum omne hominum genus duabus appellationibus censuerunt, omnem hominem dicentes esse Graecum uel Barbarum; ut Barbarus esset, quicumque Graecus non esset. Sed multo ueriore distinctione utitur Paulus, Iudaeos primum ponens, deinde Graecos, et postmodum Barbaros.
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schaften zu: den Juden Neid, den Häretikern Heuchelei und den Heiden Wildheit.12 Hingegen verknüpft Isidor von Sevilla, nun durchweg nach religiösen Kriterien, Heiden mit Götzendienst, Juden mit Blasphemie und Häretiker mit Irrtum.13 Obwohl letzteres, aber auch Blasphemie, grundsätzlich sämtliche nichtchristlichen Religionen charakterisiert, wird hier doch deutlich, was Isidor ganz besonders mit dem jeweiligen Glauben verbindet. Beda weist, mit davon abweichenden Attributen, den Häretikern Verkehrtheit, den Heiden Aberglauben, den Juden Treulosigkeit (oder Unglauben),14 Bernhard von Clairvaux ähnlich den Juden Treulosigkeit und den Häretikern Verkehrtheit, den Heiden dagegen Ignoranz zu (die sie, als Gemeinsamkeit, jeweils sämtlich „umnachten“).15 Für Johannes Scotus Eriugena ist der Jude gleichfalls treulos, der Ismaelit hingegen arrogant und der Heide gottlos.16 Ambrosius Autpertus wiederum ordnet den Heiden Dummheit, den Juden (erneut) Treulosigkeit, den Häretikern Starrsinn zu,17 während
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Leo I., Tractatus septem et nonaginta 36, ed. Antoine Chavasse, CCL 138, Turnhout 1973, S. 196: inuidia uritur in Iudaeis, simulatione insidiatur in haereticis, saeuitia accenditur in paganis. Vgl. Ders., Tractatus septem et nonaginta 16, ebd. S. 64: Quod enim in paganis profanum, quod in Iudaeis carnalibus caecum, quod in secretis magicae artis inlicitum, quod denique in omnibus haeresibus sacrilegum atque blasphemum est. Isidor von Sevilla, Mysticorum expositiones sacramentorum seu Quaestiones in Vetus Testamentum. In Deuteronomium 17,1, Sp. 367 C: Qui numerus, adiecta idololatria gentium, blasphemia Iudaeorum, errore haereticorum, evidentissime adimpletur. Beda Venerabilis, Expositio in Lucae evangelium 5,17,14, S. 312f.: Et quisquis uel heretica prauitate uel superstitione gentili uel iudaica perfidia uel etiam schismate fraterno quasi uario colore per domini gratiam caruerit necesse est ad ecclesiam ueniat coloremque fidei uerum quem acceperit ostendat. Wörtlich auch Ders., Homiliae (subditae) 3,13, Sp. 296 CD. Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica Canticorum. Sermo 75,10, Bd. 2, S. 253 (ed. Leclercq/Rochais/Talbot, SC 511, Paris 2007, S. 198): Nox est iudaica perfidia, nox ignorantia paganorum, nox haeretica pravitas, nox etiam catholicorum carnalis animalisve conversatio. Annon nox, ubi non percipiuntur ea quae sunt Spiritus Dei? Johannes Scotus Eriugena, Periphyseon 5, CCM 165, S. 125: Quid enim perfidus Iudaeus, arrogans Imahelita, exorbatus impietate paganus de falsa felicitate, quam sibi uana opinio in futura uita promittit, inuenturi sunt? Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin 4,6,8b, 282f.: Pars autem diaboli, in quattuor subdiuiditur partes, foris uidelicet in gentilitatis stultitiam, in Iudaicam perfidiam, in hereticam pertinaciam, et intra Ecclesiam, in reprobam quorundam Christianorum uitam.
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Petrus Venerabilis ähnlich Heidentum mit Dummheit, Häresie aber mit Wahnsinn und Judentum mit „Skandal“ oder Ärgernis18 und Hrabanus Maurus Heidentum wieder mit Aberglauben, Häresie hingegen mit Irrtum verknüpft.19 Diese wenigen Beispiele präsentieren bereits ein Spektrum und eine Variationsbreite an Attributen, die sich teilweise dennoch auffällig verdichten: Offenbar gibt es auch hier stereotype Zuordnungen, die aber doch variieren können und nicht auf eine bestimmte Religion festgelegt sind. Wenn Hraban an anderer Stelle umgekehrt den Juden Aberglauben und den Häretikern verkehrte Verführung unterstellt,20 dann zeigt sich, daß sich die genannten Eigenschaften keineswegs einhellig auf die anderen Religionen verteilen, sondern teilweise auswechselbar sind. Das rückt die Religionen trotz solcher Unterscheidungen in christlicher Wahrnehmung letztlich näher aneinander. Ein Brief verschiedener Kleriker an Fulgentius von Ruspe und andere Bischöfe geht umgekehrt davon aus, was den einzelnen Religionen jeweils fehlt (und man betet dafür, daß es ihnen gegeben werde): den Ungläubigen (Heiden) der Glaube (deshalb leben sie im Irrtum und müssen vom Götzendienst befreit werden), den Juden das Licht der Wahrheit (deshalb haben sie einen Schleier vor dem Herzen), den Häretikern die Wahrnehmung des katholischen Glaubens, den Schismatikern die Nächstenliebe, den gestrauchelten (Christen) die Buße.21 Die kultischen Unterschiede betont – nun 18
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Petrus Venerabilis, Contra Petrobrusianos haereticos 147, S. 85: Adoramus eam, ut dixi, precipuo humilitatis indicio, ne cum Iudeis quibus scandalum, ne cum gentibus quibus stultitia, ne cum hereticis quibus insania uidetur, sapere uideamur. Hrabanus Maurus, ep. 37, S. 473 (Widmungsschreiben an Ludwig den Deutschen zu seinen Predigten in 22 Büchern): Addidi quoque in presenti opusculo non pauca de fide catholica et religione christiana; et e contrario de gentilium superstitione et hereticorum errore, de philosophis et magis atque falsis diis, de linguis gentium, de regum et militum, civiumque vocabulis atque affinitatibus. Ders., In honorem s. crucis 2,10, ed. Michel Perrin, CCM 100, Turnhout 1997, S. 247: At gentes ex imis et carnalibus desideriis per sanctam Euangelii praedicationem conuertit ad meliora et incendit ad caelestia dona, ne uel Iudaeorum fabulosa superstitio uel hereticorum peruersa seductio, specioso uelamine corrumpat casta corda Christianorum, qui ueritatem diuinae legis agnoscentes, in robore fidei iam consistunt. Epistulae ad Fulgentium Ruspensem, ep. 16,27, ed. Jean Fraipont, CCL 91A, Turnhout 1968, S. 561: His congrue beatissimus Caelestinus in epistula ad Gallos data: Cum enim, inquit, sanctarum plebium praesules mandata sibi legatione funguntur apud diuinam clementiam, humani generis agunt causam, et tota secum Ecclesia congemiscente postulant et precantur ut infidelibus donetur fides, ut idololatrae ab infidelita-
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aktiv – Beda: Heiden schaffen sich viele Götter, die sie verehren; Häretiker beschmutzen den Glauben an einen Gott durch Irrtümer, Juden aber, indem sie abstreiten, daß Christus der Sohn Gottes ist; falsche Katholiken schließlich entweihen den rechten Glauben entweder durch böse Taten oder Schismen.22 Heidentum als Polytheismus wird hier zwar klar von den monotheistischen Religionen abgehoben, denen jedoch nicht minder schlimme Defekte anhaften. Prägnant teilt eine anonyme Streitschrift des frühen 12. Jahrhunderts Heiden den Götzendienst, Juden das Sakrileg, Häretikern (hier also nicht den Juden) Treulosigkeit und Schismatikern Instabilität zu; alle aber sind für den Autor Apostaten, die von Gott abgefallen sind.23 Unterschiedlich ist natürlich auch die Glaubensgrundlage: Nach Atto von Vercelli leben fleischliche Juden unter dem Gesetz, Heiden ohne Gesetz und nur Katholiken im Gesetz.24 Für Gerhoh von Reichersberg haben die un-
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tis suae liberentur erroribus, ut Iudaeis, ablato cordis uelamine, lux ueritatis appareat, ut haeretici catholicae fidei perceptione resipiscant, ut schismatici spiritum rediuiuae caritatis accipiant, ut lapsis paenitentiae remedia conferantur, ut denique catechumenis ad regenerationis sacramenta perductis, caelestis misericordiae aula reseretur. Beda Venerabilis, In principium Genesis usque ad natiuitatem Isaac 3,11,8f., S. 161: Quod gentiles faciunt multos deos colendo, haeretici fidem unius Dei erroribus polluendo, Iudei filium Dei Christum negando, falsi catholici fidem malis operibus siue schismatibus rectam profanando. Vgl. auch Ders., In primam partem Samuhelis libri IV 4,28,1, S. 253: Quod si cui uidetur absurdum per Philistheos infideles fideles debere figurari tantumque gentilium eos putat praetendere typum, sciat et ipsos gentiles multorum cultores deorum contra Iudaeos pariter et hereticos, quia et hi unius ueri Dei cultu et illi Christi nomine glorientur solere proeliari certissime tamen intellegens, quod achis qui interpretatur frater uir, qui Dauid exulem tam benigne suscipit, qui locum ad manendum tribuit, qui tantum eius uirtute et amicitia fidit ut eum se cum ad certamen postulet egredi fideles ex gentibus signet. Vgl. auch Heterius und Beatus von Osma, Epistola ad Elipandum 2,26, Migne PL 96, Sp. 988 A: Nam sicut incredulus, paganus sive Iudaeus fide recedit a Christo, sic Christianus malus opere a Christo. Epistula de sacramentis haereticorum, ed. Ernst Sackur, MGH Ldl 3, Hannover 1897, S. 19: Cum diabolo sunt et dicuntur apostate; cum paganis idolatrae sunt irreligionis, cum Iudeis sacrilegi, cum hereticis perfidi, cum scismaticis instabiles, cum omnibus carnalibus spurcissimi, cum his omnibus, quia omnes a Deo apostaverunt, apostate sunt. Atto von Vercelli. Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola prima ad Corinthios, Sp. 370 CD: se quoque dixit Iudaeis Iudaeum factum, et gentibus gentilem. Et hoc notandum, quia legem Dei et Christi, non tamen ut alia sit, sicut Manichaeus ait, sed unam. Dicit etiam in lege, sub lege et sine lege; et aliud hoc, aliud illud intelligi vult. Sub lege est carnis Iudaeus, in lege est catholicus, sine lege quilibet paganus gentilis.
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gerechten Juden Christi Blut beschmutzt, sind Heiden dem Götzendienst zugetan, fehlt Häretikern die Wahrheit des Glaubens, falschen Christen die wahre Nächstenliebe.25 Noch pauschaler treten Christus und die Christen nach Gregor dem Großen, allerdings im Hinblick auf die Erlösung, durch das Osttor, (bekehrte) Juden durch das Südtor und (bekehrte) Heiden durch das Nordtor in die ewige Stadt ein.26 Auch Rupert von Deutz unterscheidet (mit Bezug auf Soph 2,5ff.) zwischen den Religionen: „Die Einteilung der Juden ist eines, die der Häretiker ein anderes, die der Heiden wiederum etwas anderes.“27 Die Gottlosigkeit der Heiden werde unter dem Namen der Äthiopier verurteilt, deren Hautfarbe dermaßen schwärzer ist, wie die Gottlosigkeit der Heiden durch die Verehrung zahlreicher Dämonen größer ist als die der Juden und Häretiker; die Juden fungierten unter den Namen Kanaan und Philister, die Häretiker unter den Namen Moab und Söhne Ammons. Alle aber sind Feinde Christi, und alle sind verdammt.28 Es fehlt also auch in sol-
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Gerhoh von Reichersberg, Commentarius aureus in psalmos et Cantica ferialia 1, Ps. 5, Migne PL 193, Sp. 689 AB: Iniustos dico Iudaeos Christi sanguine pollutos, paganos idololatriae deditos, haereticos non habentes fidei veritatem, falsos christianos non habentes veram charitatem. Gregor d. Gr., Homiliae in Ezechielem prophetam 2,8,13, S. 345: Potest autem et per Orientis portam Dominus et per Austri Iudaea, per Aquilonis uero conuersa gentilitas designari. Portam autem Dominum dicimus, quia per ipsum intramus ad ipsum. Portas uero Iudaeam et gentilitatem non incongrue nominamus, quia prius Hebraeis et postmodum patribus ex gentilitate uenientibus aditum aedificii caelestis agnouimus. Danach Hrabanus Maurus, Commentaria in Ezechielem 16,40, Sp. 945 C. Der Norden symbolisiert die Heiden, meint Gregor, Homiliae in Ezechielem prophetam 2,6,20, S. 309, weil sie lange in der Kälte ihres Unglaubens (oder ihrer Treulosigkeit) erstarren: Per Aquilonem uero gentilitas figuratur, quae diu in perfidiae suae frigore torpuit. Rupert von Deutz, Commentaria in duodecim prophetas minores. In Sophoniam prophetam 2, Sp. 665 AB: Alia divisio Iudaeorum et alia haereticorum, alia paganorum. […] Subinde paganorum impietas sub nomine condemnatur Aethiopum, cum dicit: ‚Sed et vos, Aethiopes, interfecti gladio meo eritis.‘ Ebd. Sp. 670 B–D: Iam superius dictum est, triplices esse Ecclesiae hostes, scilicet Iudaeos, haereticos atque paganos, et Iudaeos sub nominibus Chanaan et Philistinorum, haereticos autem sub nominibus Moab et filiorum Ammon, paganos vero hic designari sub nomine Aethiopum. Cur paganos sub nomine Aethiopum? Quia videlicet sicut pellis Aethiopica magis quam caeterarum gentium nigra est, ita paganorum magis quam Iudaeorum aut haereticorum impietas nota est. Si quidem Iudaei atque haeretici quo-
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chen Vergleichen nicht an Polemik. Es gebe auf der Welt in diesen Tagen vor allem vier verschiedene „Sekten“, meint Petrus Venerabilis: Christen, Juden, Sarazenen und Heiden. Die Juden betrachteten alles rindsartig und trügen eselsartig die Lasten des Gottesgesetzes, hätten keine Frucht und opferten nicht, da das nur in Jerusalem geschehen dürfe, das sie seit 1100 Jahren nicht mehr bewohnen können. Die Sarazenen hätten, von dem hochfahrendsten aller Verführer verführt, von den Juden die Beschneidung übernommen, nähmen häufig Waschungen vor und beteten Tag und Nacht zu bestimmten Zeiten jeweils nach Speise und Trank. In solchem Aberglauben dienten ihnen der ganze Orient und Afrika seit beinahe 550 Jahren. Sie verehrten Gott als den Schöpfer, ohne ihm zu opfern, und erkennen an, daß Christus durch göttlichen Hauch von einer Jungfrau geboren wurde. ließen ansonsten aber die Zügel schießen. Die Heiden, die nur noch im äußersten Norden und in anderen Randgebieten lebten, würden selbst die Irrtümer und Namen der Götzen nicht kennen und beteten Tiere oder was immer ihnen morgens beim Aufstehen als erstes begegnete, den ganzen Tag lang als Götter an und verehrten sozusagen nicht nur Jahres-, sondern Tages- oder gar Stundengötter. Wirkliche Opfer – und darauf kommt es Petrus hier an – kennen hingegen nur die Christen.29
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dam divini nominis candore, utcunque se palliaverunt, pagani non unum Deum, sed multa daemonia publico errore coluerunt. Igitur non soli Chanaan et Philistiim et Moab et filii Ammon, ‚sed vos, inquit, Aethiopes, interfecti gladio meo eritis,‘ id est non soli Iudaei atque haeretici, qui legem acceperunt, sed et vos pagani sive gentiles, eiusmodi legem non habentes, iudicio meo condemnabimini. Petrus Venerabilis, Contra Petrobrusianos hereticos 161f., S. 94f.: Nam cum sint hiis nostris diebus quatuor in mundo precipue diuersitates sectarum, hoc est Christianorum, Iudeorum, Sarracenorum et paganorum, si Christiani non sacrificant, iam nullus in mundo sacrificat. Iudei enim more suo bouinis oculis omnia intuentes et more asinino legis Dei onera ferentes, non fructum capientes, nusquam sacrificant, quia Ierosolimis tantum dicunt esse locum, ubi per sacrificia Deum honorare et adorare oportet. Quam quia Deo eis contrario per mille et centum annos inhabitare prohibiti sunt, sacrificare desierunt. Sarraceni ab omnium seductorum sublimissimo seductore seducti et inter Iudaicam et Christianam legem submergendi fluctuantes circumcisionem suscipiunt, lauachris frequentibus utuntur, certis horis die certis nocte orationi maxime post cibum et potum, ut fertur, incumbunt, luxui omnino frena relaxant. Cumque hiis et innumeris superstitionibus tota pene orientalis et Affricana regio ab illo nequam Mahumeth decepta per quingentos et fere quinquaginta annos inseruiat, et Christum Dominum flatu, ut aiunt, diuino natum de uirgine sancte uixisse, uera docuisse, mira fecisse fateantur, de sacrificiis apud eos nec precepta aliqua habentur, nec aliqua licet parua ab eis pro sacrificio offeruntur. Omnipotentem tamen Deum rerum omnium conditorem se
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
Etwas deutlicher wird Otloh von St. Emmeram in einem allegorischen Gleichnis, das seine Vorstellungen religiöser Unterschiede gut erkennen läßt, wenn er die drei zu einem Gastmahl eingeladenen Gäste (nach Lc 14,18ff.) nämlich als die drei „Menschenarten“ (genera hominum) der Heiden, Juden und Häretiker deutet, die sich jeweils mit unterschiedlichen Gründen entschuldigt hatten: Die Heiden entsprechen dem Gast, der ein Haus gekauft hat, das er lieber aufsuchen möchte, weil sie sich nämlich auf diese Welt und auf ihren Besitz konzentrieren und daher nicht über die Teilhabe am ewigen Leben nachdenken, sondern irdische Güter den ewigen Freuden vorziehen. Die Juden verkörpern den Gast, der fünf Ochsen gekauft hat, die er ausprobieren möchte, weil Juden nämlich in ihrem Unglauben verharren und nur den fünf Büchern Mose genau folgen, den übrigen heiligen Schriften aber keine Beachtung schenken und deshalb der Einladung zum wahren Wissen Gottes nicht Folge leisten. Der dritte Gast aber, der sich damit entschuldigt, daß er gerade geheiratet hat, entspricht den Häretikern, die in ihrer Häresie verharren und diese mehr als den heiligen, allgemeinen Glauben lieben, sich tatsächlich aber (wie auch die falschen Christen) mit dem Laster verheiraten und daher nicht zum Mahl des ewigen Lebens gelangen.30
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adorare dicunt, cui tamen, ut dixi, nullos sacrificiorum ritus exhibent. Pagani, licet pauci et orbi terrarum incogniti, cum in aquilonis extremis finibus atque sub gelido axe lateant, et loca, ut fertur, Meotidis paludibus uicina inhabitent, quoniam ignorant ipsos ydolorum errores et nomina, ritus, sacrificia incognita habent, equos, asinos, porcos, gallos, uel quodcumque mane de lectulo surgenti occurrerit, toto illo die pro Deo adorant, sicque non perpetuos nec saltem annuos, sed, ut ita dicam, deos diarios uel horarios colunt. Et cum flendi homines ignominiosius aliis a diabolo hiis et multis modis nobis ignotis deludantur, sacrificia tamen nec creatori nec creature exhibent, sed quod innatus error docuit, absque omnium sacrificiorum notitia custodiunt. (162) Cum ergo nec apud Iudeos nec apud Sarracenos nec apud paganos sacrificia obseruentur, si nec Christianis conceduntur, signum illud singulare deitatis, quo ab initio, ut iam dixi, diuina seruitus ab humana secernitur, periit, cum in nulla gente, in nulla parte orbis terrarum inueniri iam possit. Otloh von St. Emmeran, Liber de cursu spirituali 19, Migne PL 146, Sp. 209f.: Deinde, iuxta spiritualem intelligentiam, considerare libet qui significentur per illos tres excusantes se a coena ad quam invitati erant. Primus namque dixit: ‚Villam emi, et necesse habeo exire et videre illam; rogo te, habe me excusatum.‘ Alter dixit: ‚Iuga bovum emi quinque, et eo probare illa; rogo te, habe me excusatum.‘ Tertius eodem modo excusavit se dicens: ‚Uxorem duxi, et ideo non possum venire.‘ In istis ergo tribus se excusantibus existimo intelligi posse tria genera hominum, gentilium videlicet, et Iudaeorum atque haereticorum. Ex quibus gentiles, quia, amplissimas possessiones in hoc mundo retinentes nil cogitabant, qualiter vitae perennis participes fierent, significantur per illum, qui
4. Unterschiede zwischen den anderen Religionen in christlicher Wahrnehmung
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Werner von St. Blasien unterscheidet die Religionen danach, wie sie Christus „behandeln“: von den Juden wird er gelästert, von den Heiden verlacht, von Häretikern zerfleischt, von schlechten Christen bekämpft und von den wegen ihres Lebensstils exkommunizierten Priestern geringgeschätzt.31 Alle machen sich damit freilich an Christus (gleich) schuldig. Viele beten Gott an, meint Hugo von St. Viktor; bei den Heiden aber ist das „profan“, bei den Juden eitel, bei den Häretikern und Heuchlern falsch und nur bei den Christen und Erwählten wahrer und reiner Glaube.32 Alle Religionen haben somit einen jeweils anderen und doch gleichermaßen falschen Glauben. Unterschiede zwischen den einzelnen Religionen (und ihrem Verhältnis zu Gott und den Christen) werden, wie diese Beispiele zeigen, also wahrgenommen, auch wenn sie noch so konstruiert wirken mögen. Sie spiegeln damit wider, auf welch unterschiedliche Weise im einzelnen, aber insgesamt doch konsistent, die christlichen Autoren zwischen den Religionen differenzieren
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dixit: ‚Villam emi, et necesse habeo exire et videre illam,‘ etc., quae scilicet excusationis verba toties in corde suo unusquisque dicit quoties temporalia bona aeternis gaudiis praeponit. […] Per eum vero qui dixit: ‚Iuga boum emi quinque,‘ etc. Iudaeos in perfidia sua permanentes intelligo, qui, dum in quinque libris Moysi fiduciam maximam habentes nil curant de caeteris Scripturae sacrae libris, quorum doctrina pleniter corrigi possent. […] Per tertium autem qui dixit: ‚Uxorem duxi, et ideo non possum venire,‘ haereticos intelligi posse credo. Nam dum tractant qualiter in haeresi suscepta permaneant, eamque magis quam sacram et universalem fidem diligant. […] Inter eosdem quoque haereticos falsorum Christianorum multitudo convenienter potest connumerari, quia, dum unusquisque vitiorum amori ita se coniungit ut divini amoris cultum deserat, uxorem profecto talem duxit propter quam venire nequeat ad vitae perennis coenam. Werner von St. Blasien, Liber deflorationum 1. In Ascensio Domini. Sermo Ascensione Domini, Migne PL 157, Sp. 973 B: A Iudaeis enim adhuc blasphematur, a gentibus subsannatur, ab haereticis dilaceratur, a malis Christianis impugnatur, a sacerdotibus luxuriae deditis, et ob hoc publice anathematizatis, vilipenditur. Ähnlich Honorius Augustodunensis, Elucidarium 1,178, S. 393: A Iudaeis enim adhuc blasphematur, a gentibus subsannatur, ab haereticis dilaceratur, a malis christianis impugnatur. Hugo von St. Viktor (?), Miscellanea 5,37, Migne PL 177, Sp. 766 A: Sunt qui Deum adorant et in spiritu et veritate. Primi sunt gentiles vel avari, secundi Iudaei, tertii hypocritae vel haeretici, quarti Catholici et electi. In primis est religio profana, in secundis vana, in tertiis falsa, in quartis vera. Hanc ultimam docet Filius veritas, Spiritus sanctus; quam religionem beatus Iacobus dicit esse mundam et immaculatam. Zur Abgrenzung von den Christen vgl. auch Atto von Vercelli, Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola ad Romanos, Sp. 225 BC: Ostendit etiam quia per duos filios Rebeccae, non Iudaicum et gentilem populum, sed credentem et incredulum intelligere voluit; per Rebeccam namque sancta designatur Ecclesia.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
(und sie doch zugleich gemeinsam von den Christen abgrenzen). Beliebt ist deshalb auch die Wahrnehmung der Glaubensrichtungen als jeweils unterschiedliche Teile einer Einheit, werden damit doch gleichzeitig wieder Unterschiede und Zusammengehörigkeit betont. Für Haymo von Auxerre unterteilt sich die dreigeteilte „große Stadt“ nach Apoc 16,19 in die drei Teile der – noch in ihrem Irrtum verharrenden – Heiden, der Häretiker und Juden (die hier zu einer Gruppe zusammengefaßt werden) sowie der falschen Christen in der Kirche.33 Ambrosius Autpertus wiederum sieht den Leib des Teufels in vier Teile gegliedert, von denen einer, die „falschen Brüder“, in der Kirche ist, drei aber außerhalb der Kirche stehen, nämlich Heiden, Juden und Häretiker.34 Hingegen unterscheidet Aelred von Rievaulx konsequenter zwischen zwei Menschentypen: den Christen einerseits und all denen, die außerhalb (der Kirche) stehen, nämlich Juden und Heiden, Häretiker und Schismatiker, andererseits,35 und faßt damit alle nicht-
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Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis 5,16, Sp. 1137 A: Haec civitas hoc in loco in tres partes dividi pronuntiatur, non quo et ante divisa non esset, ut tunc solummodo dividatur, sed quo certum sit, ex quibus hominum qualitatibus ipsa constet, hoc est paganorum in gentilitatis errore adhuc manentium atque haereticorum et Iudaeorum, qui pro uno accipiuntur, falsorum quoque Christianorum, qui in sinu Ecclesiae modo latent. Vgl. bereits Primasius, Commentarius in Apocalypsin 4,16, ed. Arthur W. Adams, CCL 92, Turnhout 1985, S. 235: Ciuitas magna pro multitudine populorum et supercilio fastus, quod inmodicis ausibus ferebatur, quae fiet in tres partes: una gentilitatis, altera in hereticis et in Iudaeis et una tertia quae in falsis fratribus reprobatur, ‚qui confitentur se nosse deum, factis autem negant cum sint abominati et incredibiles et ad omne opus bonum reprobi.‘ Oben Anm. 17. Vgl. Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin 4,8,7, S. 332: Vt autem summatim ac breuiter cuncta perstringamus, cum in quattuor partibus diaboli corpus per hanc caelestem Reuelationem Spiritus Sanctus depingit, unam intra Ecclesiam, et tres extra Ecclesiam partes ostendit, unam scilicet intra Ecclesiam, in falsis fratribus, tres uero extra Ecclesiam, in Iudaeis, hereticis atque paganis. Vgl. auch Rupert von Deutz, Commentarii in duodecim prophetas minores. In Sophoniam prophetem 2, Sp. 665 A: Adversariorum seu veritati contradicentium universitas trifariam divisa est. Alia divisio Iudaeorum et alia haereticorum, alia paganorum; ebd. Sp. 670 BC (oben Anm. 28). Aelred von Rievaulx, Compendium speculi caritatis 12, Roel Vander Plaetse, CCM 1, Turnhout 1971, S. 191: Restant autem duo hominum genera, eorum qui foris sunt, gentilium uidelicet et Iudaeorum, haereticorum uel schismaticorum, quorum necesse est ut ignorantiam doleamus, compatiamur infirmitati, malitiam defleamus, ac pio affectu solatium illis nostrae orationis impertiamur, ut et ipsi inueniantur nobiscum in Christo Iesu Domino nostro.
5. Vergleichende Bewertung und Einschätzung
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christlichen Glaubensgemeinschaften wieder zusammen. An anderer Stelle unterscheidet Aelred Juden und Heiden, die noch nicht berufen sind, von Häretikern und christlichen Sündern, die zwar berufen, aber nicht gerechtfertigt sind, und den gerechtfertigten, aber noch lebenden und folglich noch nicht zum Ruhm gelangten Heiligen.36 Solche Zuordnungen verdeutlichen noch einmal die strikte Unterscheidung der Religionen ebenso wie die ihnen gemeinsame Abgrenzung vom Christentum. Die Menschheit unterteilt sich geradezu in verschiedene (falsche) Glaubensrichtungen. Für die Muslime ist in solchen Vergleichen kein – oder nur höchst selten, nämlich lediglich in zwei der zitierten Schemata – Platz, weil sie offenbar unter Heiden oder Häretiker subsumiert werden, und auch Orthodoxe sucht man vergeblich, weil sie entweder rechtgläubige Christen oder Häretiker sind. Hingegen werden schlechte Christen bezeichnenderweise immer wieder mit Nichtchristen parallelisiert, weil ihnen das gleiche Schicksal droht: die ewige Verdammung. Solche Einteilungen sind (wie Augustins Lehre der beiden civitates) daher vom eschatologischen Ende her gedacht.
5. Vergleichende Bewertung und Einschätzung Sofern es nicht unmittelbar um die Religion geht, bleiben die Wertungen, entsprechend dem oben dargestellten Spektrum der Wahrnehmung, oft eher „neutral“ und können sogar einen positiven Charakter annehmen. Schriften antiker Heiden werden geachtet und benutzt, die „natürliche“ Ethik der Heiden kann den schlechten Christen sogar als vorbildhaft entgegengehalten werden: Heiden werden zwar nicht als Heiden positiv gesehen, können aber als sittsame, gesetzestreue oder tapfere Menschen gelobt werden, vor allem natürlich dann, wenn es um den Rückblick auf die heidnische Zeit der eigenen, inzwischen christianisierten Vorfahren geht. Von Sarazenen wird eher teilnahmslos berichtet, solange sie nicht angreifen und den Glauben bedrohen. Selbst über (einzelne) Juden kann schlicht und emotionslos Bericht erstattet werden. Heiden, Juden und Häretiker haben zudem durchaus ihren Platz in Gottes Geschichtsplan: das Volk Israel als (einstiges) Gottesvolk, Heiden und Häretiker als bestimmende Elemente ganzer Epochen der Welt- und/oder der Kirchengeschichte: Heiden beherrschten die gesamte 36
Ders., Homiliae de oneribus propheticis Isaiae. Homilia 1,19, S. 29: Nam alii necdum uocati sunt, ut Iudaei siue pagani, alii uocati sed non iustificati, ut peccatores Christiani, alii iustificati sed necdum glorificati, ut sancti huius adhuc uitae miseriis subditi.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
nichtjüdische Weltgeschichte bis zur Geburt Christi und darüber hinaus bis zur Christianisierung des Römischen Reiches, besonders in der Zeit der Christenverfolgungen und der Märtyrer, Häretiker die darauf folgende Epoche der dogmatischen Auseinandersetzungen in der Kirche. Juden und Häretiker dienen dazu, den Christen in ihrer Abgrenzung die Richtigkeit des eigenen Glaubens um so bewußter zu machen und sie zu einem christlichen Verhalten zu ermahnen. Alle erhalten aber auch eine Funktion in der göttlichen Bestrafung christlicher Sünden wie auch im eschatologischen Heilsgeschehen.37 Gleichzeitig fließen oft Wertungen ein, die ethnisch, kulturell oder religiös bedingt sein können: Heiden – und teilweise auch Sarazenen – sind wilde, grausame und blutrünstige Barbaren, Juden sind habsüchtig, verstockt, treulos und blind, aber auch neidisch und habsüchtig, Griechen oft listig und arrogant, Häretiker verkehrt, irrend und heuchlerisch.38 Sobald die Religion, der nicht-christliche Glaube, berührt wird, schlägt die Wertung vollends und ausnahmslos ins Negative um, wie die bereits im vorigen Abschnitt zitierten Eigenschaften der einzelnen Glaubensrichtungen zeigen. Dabei werden die Religionen auch in der Bewertung unterschieden und abgestuft: Häretiker sind schlimmer als Heiden („Grammatiker“), so Isidor von Sevilla, weil sie die Menschen prinzipiell durch einen tödlichen Safttrunk überreden wollen, während die Lehren der Grammatiker wenigstens im Leben nützlich sind.39 Die Bosheit der Heiden ist gegenüber Häretikern vergleichsweise gering, so mahnt auch Hrabanus Maurus, weil sie aus fleischlicher Schwäche und nicht aus geistigem Hochmut sündigen,40 oder 37
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Zur eschatologischen Deutung vgl. jetzt Sabine Schmolinsky, Die Zeit der anderen. Juden, „Heiden“, „Ketzer“ im christlichen Geschichtsdenken, in: Bultmann/Rüpke/ Schmolinsky (Hg.), Religionen in Nachbarschaft S. 61–74. Vgl. Kapitel 1.3.e, oben S. 168 ff.; Kapitel 3.3, oben S. 433ff.; Kapitel 4.3.a, oben S. 600ff.; Kapitel 5.3, oben S. 693 f. Isidor von Sevilla, Sententiae 3,13,11, S. 238, im Kapitel über De libris gentilium: Meliores esse grammaticos quam hereticos; heretici enim haustum letiferi sucus hominibus persuadendo propinant; grammaticorum autem doctrina potest etiam proficere ad uitam, dum fuerit in meliores usus adsumpta. (Der Wortlaut lehnt sich an Augustinus, Confessiones 3,6,11, ed. Lucas Verheijen, CCL 27, Turnhout 1981, S. 32, an, wo allerdings nicht von Häretikern die Rede ist.) Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum 6,4, Sp. 951 C: Parva est enim omnis malitia in comparatione idololatriae et haereticae pravitatis, quia in his non per fragilitatem carnis peccatur, sed per superbiam mentis. Omne enim quod in eis agitur, in contemptum Dei fit; et ideo impietas dicitur, quam alio nomine negationem Dei possumus appellare, quae incorrecta non habet veniam, sed poenam sempiternam.
5. Vergleichende Bewertung und Einschätzung
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weil bei bei Heiden, so Humbert von Silva Candida mit Berufung auf den ganzen „Chor“ der Kirchenväter, noch Hoffnung auf Bekehrung besteht, während Häretiker Kampf und Zwietracht suchen,41 und weil Heiden den christlichen Glauben und christliches Verhalten nicht kennen.42 Daher könne man eher Heiden als Häretiker ertragen.43 Entsprechend ist auch der Apostat nicht nur selbst Heide, sondern schlimmer als der Heide, weil er sich von Gott abwendet.44 Für Hrabanus Maurus bedarf es gegenüber Juden und Häretikern daher mindestens der doppelten Aufwendung und Anstrengung wie gegenüber Heiden, weil hier nicht nur Götzendienst und Irrglaube, sondern zusätzlich die geistliche Auslegung der Testamente zu berichtigen sind.45 Häretiker sind für Humbert aber auch schlimmer als Juden (und Heiden), weil Heiden verachten, was sie noch gar nicht kennen, Juden, was sie nicht glauben, Häretiker aber, was sie gehört und gelernt haben.46 Selbst Dämo41
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Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos praef., S. 101: Porro infideles cum audis, non solum paganos intellige, sed et hereticos, quos peiores paganis et beatus Hieronimus omnisque sanctorum doctorum chorus protestatur, quia in paganis spes est adhuc fidei, in hereticis autem iam pugna discordiae. Ebd. 1,20, S. 134: ac per hoc convincitur sine Deo et peior pagano, quia hic infidelis simul est et apostata, cum paganus, quamvis sit infidelis, tamen christianae fidei vel conversationis, quam numquam habuit, nequeat recte dici aut haberi apostata. Ebd. 2,11, S. 151: Cum ergo tantum viperae, quas hereticos, et malae arbores, quas paganos praefigurasse dictum est, differant, quis magis a catholicis tolerandos paganos quam hereticos dubitat? Ebd. 2,36, S. 185: Videat, quaeso, quale sibi sit illud imperium, quod eum repente efficit ex christiano paganum, immo peiorem pagano, quia apostatat a Deo; cum perversis enim efficitur perversus et cum sacrilegis sacrilegus et ideo morte dignus, quia consentit talia facientibus, qui iam non est dicendus perversis consentire, sed revera, ut peiora faciant, imperare, quibus licentiam suo iuramento administrat impune retinendi, quae invaserant, et audaciam impune invadendi, si qua restant. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros Machabaeorum 1,5, Sp. 1165f.: Et nota quod contra gentiles solum Simon cum suis mittitur, contra Iudaeos autem et haereticos duo pergere cum pluribus moliuntur: quia in gentibus sola idololatria cum errore paganico debellanda erat, in Iudaeis vero et haereticis partim veteranus usus, partim nova superstitio, per duorum Testamentorum spiritalem scientiam corrigenda fuerunt. Humbert von Silva Candida, Adversus Simoniacos 1,11, S. 116: Et forsitan propinquiores sunt tenebrae gentilium, exteriores autem Iudaeorum, peius autem exteriores haereticorum, quoniam gentiles veritatem spernunt, quam non audierunt, Iudaei autem quam non crediderunt, haeretici autem quam audierunt et didicerunt. Humbert beruft
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
nen glauben, daß es nur einen Gott gibt, und erzittern vor ihm, meint Humbert (über die allgemeinen Dämonenvorstellungen hinausgehend); daher stehen Häretiker und Heiden in ihrem Unglauben sogar noch unter ihnen.47 Völlig einheitlich ist dieses negative Ranking allerdings nicht. Für Petrus Damiani etwa sind Juden wegen ihres neuartigen und unvergleichlichen Verbrechens noch weit verachtenswerter als der Irrtum der Heiden und die Verkehrtheit der Häretiker,48 während Gerhoh von Reichersberg wiederum Juden und Heiden als das schlimmste und die Wurzel aller Übel betrachtet.49 Für Bernhard von Clairvaux hingegen ist ein Friede mit Heiden und Häretikern, nicht aber mit den eigenen falschen Söhnen möglich:50 Der wahre Feind droht im Inneren. Auch in der Bewertung herrscht also, wie schon bei der Kennzeichnung, keine völlige Einigkeit, wenngleich sich deutlich bestimmte Tendenzen abzeichnen. Trotz solcher Differenzen fällt die Bewertung in aller Regel jedoch reziprok zur Nähe des Christentums und zum jeweiligen Wissen um Gott aus. Mochten Heiden, solange sie keinerlei Gotteskenntnis hatten, gewissermaßen noch entschuldbar sein – und im Grunde erwarteten die Missionare
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sich hier auf den Matthäus-Kommentar des Johannes Chrysostomus. Vgl. ebd. S. 116: Praeterea hinc iam prolatis aliis sanctorum patrum regulis monstrare laborabimus, quanti aestimaverint, immo decreverint, hereticos habendos in qualibet actione sua vel conversatione, quos peiores paganis et Iudaeis iudicavere, sicut ex beati Iohannis Chrisostomi super Matheum expositione docemur clarius luce; ebd. 2,29, S. 178 (mit einem Zitat aus dem Johanneskommentar Augustins): Qui servat ad iudicium, quicquid videt pati membra sua, quibus gravior et intolerabilior est machera linguae hereticorum quam ferri paganorum. Ebd. 2,16, S. 158: Hinc conici potest hereticos et paganos inferiores esse ex incredulitate, quia daemones unum Deum esse credunt et contremiscunt, illi autem nec hoc tantillum. Petrus Damiani, ep. 35, Bd. 4,1, S. 338: Qui nimirum novo et incomparabili criminis genere sic Iudaicam perfidiam superant, ut non modo gentilium errorem, sed et hereticorum pravitatem detestabiliores excedant. Gerhoh von Reichersberg, De quarta vigilia noctis 6, S. 505: Cum enim sit universalis lepra, qua diligitur plus creatura quam creator magisque ambiuntur temporalia quam aeterna, tamen ita specificatur, ut hec radix omnium malorum in multos ramos pullulet, inter quos tamquam principales duae species eminent paganismus et iudaismus. Bernhard von Clairvaux, Sermones super psalmum ‚Qui habitat‘. Sermo 6,7, S. 410: At nunc quidem pax a paganis, pax ab haereticis, sed non est pax a falsis filiis. Ebenso Ders., Sermones super Cantica canticorum. Sermo 33,16, S. 244: Et pax est et non est pax. Pax a paganis, pax ab haereticis; sed non profecto a filiis.
5. Vergleichende Bewertung und Einschätzung
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eine entsprechende Einsicht, sobald die Heiden von Gott erführen – und mochten die Muslime von Mohammed verführt worden sein, so erscheinen alle anderen als verstockt und daher um so schlimmer, weil sie eine entsprechende Kenntnis hatten: Muslime und Juden glauben zwar an einen Gott (und stehen dem Christentum damit näher als Heiden); Juden teilen mit den Christen sogar nicht nur denselben Gott, sondern mit dem Alten Testament auch dasselbe Gesetz (und stehen ihnen daher wiederum näher als Muslime), in dem ihnen Christus von den Propheten vorhergesagt worden war; dennoch glaubten (und glauben) sie ihnen nicht, weil sie die Bibel ausschließlich wörtlich verstehen und jede geistliche Deutung ablehnen, und sie sind darüber hinaus sogar für Christi Tod verantwortlich. Daher sind sie schlimmer als Muslime, denn sie hätten aus den Prophezeiungen erkennen können (und müssen), daß Christus der geoffenbarte Messias ist. Häretiker schließlich glauben mit dem Neuen Testament gar an Christus (und stehen den rechtgläubigen Christen daher am nächsten) und leben doch nicht den richtigen Glauben. Folglich sind sie wiederum schlimmer als Juden, weil sie trotzdem die Wahrheit nicht erkennen. Besseres Wissen macht daher um so schuldiger. (Daß die christliche Dogmatik nicht im Neuen Testament verankert, sondern erst in der Zeit der Kirchenväter entwickelt worden ist, ist den Autoren in dieser Form nicht bewußt, weil sie die Bibelverse eben entsprechend als immer gültig auslegen.) Eine solche Wertung mag aus der größeren Gefahr resultieren, die von den monotheistischen Religionen, vor allem von Juden und Häretikern im Inneren des Abendlandes, ausgeht, entspringt letztlich aber der Überzeugung, daß es nur einen wahren Glauben geben kann. Insgesamt läßt sich zudem feststellen, daß – durch das Zusammenleben erworbenes – besseres Wissen über die andere Religion (wie die Kenntnis des Talmud im Abendland oder des Koran bei den Christen in den islamischen Gebieten oder, dank der Koranübersetzung, bei Petrus Venerabilis) zum einen eher auf individuelles Interesse und vor allem auf Kontaktmöglichkeiten zurückgeht und nicht einfach eine Frage fortschreitender Entwicklung ist (zumal die Koranübersetzungen kaum verbreitet waren)51 und zum andern in keiner Weise die polemischen Töne und Absichten der Schriften abmildert. In dieser Hinsicht ist auch die Polemik gegen Juden ein durchgängiger Zug christlicher Traktate, so daß man, gegen immer wieder 51
Darauf hat Matthias Tischler in einem Vortrag auf dem Mainzer Historikertag am 27.09.2012 aufmerksam gemacht. Vgl. kurz Ders., Transfer- und Transformationsprozesse S. 343.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
vertretene Thesen, von der ideologischen Seite her nicht erst von einer Verschärfung im 12. Jahrhundert sprechen kann.
6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen a. Grundlegende Prinzipien Besonders deutlich wird die christliche Haltung, wenn man die anderen Religionen im Vergleich nicht nur auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede, wie vorhin geschehen, sondern auf ihre Klassifizierung und Zuordnung hin betrachtet. Die christliche Vorstellungswelt scheint dabei durch drei bzw., unter Einbeziehung wahren Christentums, vier klare Glaubensmuster vorgeprägt, in die sich alles einfügen muß und die keinen Platz für weitere Religionen lassen, nämlich: heidnisch (das heißt: Götzenkult statt Gotteskenntnis und Religionsgesetz), jüdisch (das heißt: mit Religionsgesetz und Gotteskult, aber ohne die Gottessohnschaft Christi), häretisch (nämlich im Ursprung christlich, aber irrend) sowie wahrhaft rechtgläubig, also christlich. Das bedeutet erstens: Jede Zuordnung muß gleichsam in diesem Schema erfolgen. Eine neue, eigene Religion kann es für die christlichen Autoren letztlich nicht geben; jedenfalls kann man sie nicht als solche anerkennen. Juden bilden eine eigene, klar abgrenzbare Gruppe, die nicht weiter einzuordnen ist. Auch Heiden werden, ungeachtet aller (erkannten) Unterschiede, stereotyp als Heiden eingestuft, und es scheint besonders bezeichnend, daß man (trotz besserer Kenntnis) hier weder zeitliche noch räumliche Unterschiede macht, sondern biblisches, antik-römisches und zeitgenössisch-barbarisches Heidentum zwanglos gleichsetzen und dem letzteren römische Götter oder Tempel „andichten“ kann. Alle betrieben schließlich Götzenkult. Weit schwieriger bis unmöglich erscheint den Autoren die Einordnung der Muslime, die aus den beiden Testamenten ein neues Gesetz gemacht haben. Obwohl der Islam in den engeren Kontaktzonen im Orient wie auch im islamischen Spanien wegen seiner Ähnlichkeiten mit dem Christentum schon früh (bei Johannes von Damaskus) immer wieder als Häresie eingestuft wird, überwiegt, trotz eines Wissens um den Glauben an einen Gott, zumal im Abendland, die Einordnung als Heiden völlig. Auch besseres Wissen hat daran nichts geändert, wenngleich manche Autoren hier doch anerkennen, daß Mohammed ein eigenes, allerdings aus Altem und Neuem Testament abgeleitetes (Religions-)Gesetz geschaffen hat. Nur vereinzelt (etwa über die
6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen
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griechische Tradition des Theophanes bei Landulfus Sagax) begegnet auch im Abendland eine Kennzeichnung als Häresie, doch selbst Petrus Venerabilis, der dank der Koranübersetzung ein entsprechendes Wissen hat (oder haben müßte), schwankt durchweg zwischen beiden Mustern (und Begriffen), um letztlich festzustellen, daß beides nicht richtig zutrifft: Die Sarazenen sind weder wirkliche Heiden, weil sie keine Götzen verehren, noch wirklich Häretiker, weil sie nicht aus der Kirche hervorgegangen sind und keine Sakramente kennen. An der Einordnung als Heiden haben nicht einmal die neuen Kontaktzonen im Nahen Osten infolge der Kreuzzüge etwas geändert: Gerade die frühen Kreuzzugschroniken und -epen verwenden vielmehr nicht nur durchgängig die Heidenterminologie, sondern greifen folgerichtig, aber völlig unzutreffend, immer wieder sogar auf das Stereotyp der Idolatrie zurück. Erst Wilhelm von Tyrus bevorzugt den allgemeinen Begriff infideles, ohne damit seine grundsätzliche Einstellung zu ändern: Muslime sind in seinen Augen nicht weniger ungläubig als Heiden. Häretiker wiederum sind (ursprünglich) Christen und Mitglieder der Kirche gewesen, haben sich aber von Gott und seiner Kirche entfremdet (oder müssen aus ihr entfernt werden) – und auch ihnen hält man heidnische Einflüsse vor. Trotz Anerkennung der Vielzahl verschiedener Häresien unterliegen auch sie einheitlichen Vorstellungen. Am schwierigsten ließen sich die Griechisch-Orthodoxen einordnen. Trotz eines klaren Bewußtseins der – schon an den Sprachbarrieren deutlich werdenden – Abgrenzung wird hier der Anspruch darauf, eine Kirche zu sein, nie aufgegeben. Die Griechen gelten in der Regel daher nicht nur als Christen, sondern werden auch als Teil der einen (päpstlichen) Kirche angesehen, obwohl der päpstliche Primatanspruch in der Praxis scheitern mußte. Ihre dogmatischen, liturgischen und ekklesiologischen Abweichungen entfernen sie aber doch immer wieder davon (und das ist ein gegenseitiger Vorwurf). Sucht ein Teil der Autoren verschiedene Gebräuche in der einen Kirche zu rechtfertigen (um dann zugleich aber die eigenen als die besseren zu rechtfertigen), so geraten die Griechen bei vielen anderen häufig unter Häresieverdacht, und zwar nicht zufällig erneut im Verlauf auftretender Spannungen zwischen beiden Kirchen oder Reichen. Damit werden aus westlicher Sicht auch die Griechen gewissermaßen ständig in der Gefahr gesehen, sich häretisch von der (einen) Kirche abzusondern, an der man im Prinzip jedoch die ganze Zeit über festhält. Ein zweites: Keine andere Religion interessiert um ihres Glaubens willen, sondern ausschließlich aus Gründen des Kontakts, der Bekehrung oder der Abgrenzung. Ein Interesse an der anderen Religion entspringt durchweg
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
dem Ziel, sie als falschen Glauben zu entlarven und zu widerlegen. Vor allem Heiden und Juden sind, im Gegensatz zu Muslimen, ständiges Objekt versuchter Christianisierung, und auch von Häretikern hat man stets eine Rückkehr zum wahren Glauben erwartet. Ein Drittes: Zwischen den Religionen, aber auch innerhalb der anderen Religionen werden, wie oben schon dargelegt, Unterschiede durchaus wahrgenommen. Daß Juden und Häretiker (wie letztlich auch Muslime) keine Heiden sind, die Götzen verehren, ist den Autoren ebenso bewußt wie die Tatsache, daß die heidnischen Kulte sich im einzelnen unterscheiden oder daß es unzählige, verschiedenartige Häresien gibt; schon Augustin zählt schließlich 88 solcher Häresien mit jeweiliger Charakterisierung auf. Dennoch sind sie für die christlichen Autoren sämtlich gleichermaßen Heiden bzw. Häretiker mit denselben, für Heiden oder Häretiker typischen, stereotypen Merkmalen. Sie werden vielfach sogar einander angeglichen: Zwischen Juden und Muslimen werden mehrfach Ähnlichkeiten im Glauben und in den Riten betont, nämlich in dem Eingottglauben und der Ablehnung der Göttlichkeit Christi, in der Beschneidung oder auch in der Sprache. Juden und Muslimen wird aus christlicher Sicht daher vor allem in den islamischen Gebieten gern ein Zusammenhalten gegen die Christen vorgeworfen. Muslime können, wie schon erwähnt, als Heiden oder auch als Häretiker, Griechisch-Orthodoxe als Häretiker gelten, die ihrerseits wiederum vielfach mit Heiden in Verbindung gebracht und deren Dogmen als Götzenkult interpretiert werden. Solche Vergleiche (und Gleichsetzungen) rücken die anderen Religionen aus christlicher Sicht daher immer wieder aufs engste zusammen. Daraus resultiert ein Viertes: Trotz der klar wahrgenommenen Differenzen der anderen Religionen untereinander interessiert letztlich nur die gemeinsame Abgrenzung vom Christentum. Alle Anhänger anderer Religionen stehen außerhalb der Kirche. Auch dafür gibt es unzählige mittelalterliche Vergleiche. Sie alle sind ungläubig (infideles oder increduli).52 Alle sind ungläubig, so Hieronymus, weil sich ein Teil ihrer Glieder nicht dem Glau-
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Vgl. etwa Wolbero von St. Panthaleon, Commentaria in Canticum canticorum 3,5, Migne PL 195, Sp. 1181 BC: praeter paucos enim, quorum fide susceptus sum, totus pene mundus vel incredulitate vel fidei pravitate me repellit, Iudaeis quidem et paganis non credentibus, haereticis vero fidem orthodoxam depravantibus. Vgl. auch Blumenkranz, Judenpredigt Augustins S. 194: „Heiden, Juden und Häretiker gelten Augustin gleichermaßen als Ungläubige.“
6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen
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ben unterwirft.53 Ihnen fehlt die Gotteskenntnis.54 Die Belege für eine Charakterisierung jeder einzelnen Religion als infideles sind überaus zahlreich und in den einzelnen Kapiteln hinreichend dokumentiert. Wenn, wie vorhin betont, jedoch alle infideles als ungläubig (und alle Christen als gläubig) gelten, dann avanciert der „Ungläubige“ zum Gegenbegriff des Christen bzw. des Gläubigen schlechthin. Entsprechend häufig werden auch in mittelalterlichen Vergleichen fideles und infideles einander gegenübergestellt.55 Leib und Blut Christi, schreibt Hinkmar von Reims, werden nicht zu seinem Unheil von den Händen der Ungläubigen vergossen und getötet, sondern zu seinem Heil in den Mund der Gläubigen genommen.56 Dieser Gegensatz wird erst durch die Bekehrung aufgehoben.57 Gläubige und Ungläubige 53
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Hieronymus, ep. 55,3 (5), CSEL 54, S. 491: in his autem, qui increduli sunt, id est Iudaeis, ethnicis, hereticis, insubiectus dicitur, quia pars membrorum eius non est subiecta fidei. Vgl. Haymo von Auxerre, Commentaria biblica in omnes Psalmos. In psalmum 17, Sp. 250f.: id est infideles et idiotas, qui sunt in tenebris, quia de Deo cognitionem non habent. Vgl. Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theubergae reginae. Responsio 5, S. 138f.: sicut illam benedictionem, quam dominus primo dedit in paradyso Adam et uxori eius dicens: ‚Crescite et multiplicamini‘, quae semel data usque hodie et usque in finem non solum fidelibus, verum et infidelibus non negatur; Haymo von Auxerre, Expositio in divi Pauli epistolas. In epistolam ad Romanos 5, Migne PL 117, Sp. 403 C: Infirmus est omnis peccator et omnis infidelis, fortis vero iustus et fidelis atque cognoscens Deum; Remigius von Auxerre, Enarrationes in psalmos. Ps. 26, Sp. 278 A: Sicut duae sunt generationes, una fidelium, altera infidelium: ita duo patres et duae matres, una quae generat in confusionem, id est Babylon, quae interpretatur ‚confusio‘: altera quae generat ad vitam, id est Ierusalem. Hinkmar von Reims, De cavendis vitiis et virtutibus exercendis 3,2, ed. Doris Nachtmann, MGH QGG 16, München 1998, S. 233: sicque corpus et sanguis illius non infidelium manibus ad perniciem suam funditur et occiditur, sed fidelium ore suam sumitur in salutem. Jonas von Orléans, De cultu imaginum 1, Migne PL 106, Sp. 326 A: Non igitur, ut asseris, colit idola, et nomen mutavit, quia reliquit diabolum et secuta est Christum, ac de infideli facta est fidelis; Frulandus, Miracula Leudegarii ep. Augustodunensis 34, ed. Bruno Krusch, MGH SSrM 5, Hannover-Leipzig 1890, S. 362: Et ita fit, ut quae conditor naturae extra naturam propter fideles suos operatur, haec infidelibus ad signa dentur, ut aut redeant ad conversionem vel, si hoc nolunt, saltem non habeant excusationem; Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV. ep. 83 (Berengar von Tours), S. 137: Ita cum dicitur: In quacumque hora peccator conversus ingemuerit, salvus erit, vel attendenda est capitalis illa de infidelitate ad fidem conversio, in qua, si baptizetur etiam extremum spirans, omnium commissorum procul dubio accipit remissionem, et si conti-
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
sind folglich durch die Taufe getrennt, wie Beda mit Blick auf die Taufen Johannes des Täufers betont.58 Damit aber werden erneut alle ungetauften Andersgläubigen strikt vom Christentum abgehoben. Ungläubige stehen folglich außerhalb der Kirche (die allein die Taufe kennt).59 Die Taufe wiederum entreißt die Ungläubigen dem Teufel.60 Ihr Kennzeichen ist daher der Irrtum, der sie nach Prudentius von Troyes von der „Richtigkeit“ (rectitudo) des katholischen Glaubens trennt (unbeschadet der Tatsache, daß auch Rechtgläubige noch bis zum Tod in Irrtum verfallen oder Irrende rechtgläubig werden können).61 Auch Christen können daher „ungläubig“ sein oder
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nuo moritur, transfertur continuo de potestate tenebrarum in regnum lucis, in patriam salutis. Vgl. Beda Venerabilis, Homiliae evangelii 1,1, S. 5: Ob hoc ergo baptizabat aqua Iohannes, ut omnes, quos ad paenitendum Christoque credendum persuadere potuisset, sui signaculo baptismatis ab infidelium et inpaenitentum turba secerneret; qui ne hoc sibi baptisma sufficere ad salutem crederent, sed ad Christi potius baptisma festinarent. Vgl. Heterius und Beatus von Osma, Epistola ad Elipandum. Liber 2: De Christo et eius corpore, quod est ecclesia, et de diabolo et eius corpore, quod est Antichristus, Sp. 997 CD: Et quia omnis Christianitas Ecclesiae nomen habet et infideles, qui non sunt baptizati, extra Ecclesiam dicuntur, putant se, cum audiunt extra Ecclesiam dici baptizatos, quod pro infidelibus dicatur? Non enim ita intelligendum est, ut tantum duas partes credamus hominum, id est, unam partem baptizatorum, quae sit Ecclesia, et alteram infidelium, quae sit extra Ecclesiam; non enim infideles baptismum habent, qui non credunt Christum Filium Dei, sed tantum Christiani habent baptismum. Et ipsa Christianitas quae baptizata est, altera pars est, quae intra Ecclesiam est. Beda Venerabilis, Homilia 3,109, Sp. 514 A: sed et quotidie in sancta Ecclesia geritur, cum per sanctos praedicatores quis ab infidelitate convertitur ad fidem, ut expulso et abrenuntiato diabolo, cui ante servivit, ad fidei lumen redit, et ad agnitionem superni Creatoris venit; Hrabanus Maurus, Commentaria in Matthaeum 1,3,5, S. 76: Bene autem qui baptizandi erant exire ad prophetam dicuntur, quia, nisi quis ab infidelitate recedat et a perfidorum consortio egrediens pompae diaboli ac mundi inlecebris abrenuntiet, baptismum salubre consequi non poterit. Vgl. Prudentius von Troyes, De praedestinatione 1,2, Migne PL 115, Sp. 1028 BC: Alius in errore infidelitatis natus, in errore deficit; alius in catholicae fidei rectitudine genitus, in catholicae fidei rectitudine consummatur. Econtra vero alius catholicae matris ventre editus, iuxta vitae terminum erroris voragine devoratur. Alius autem vitam suam in catholica pietate consummat, qui, ortus in perfidia, cum lacte matris hauserat virus erroris. Danach wörtlich Rathramnus von Corbie, De praedestinatione Dei 1, Migne PL 121, Sp. 19f. Wer nicht glaubt, ist ungläubig, schreibt Amalar von Metz, Liber officialis (De ecclesiasticis officiis) 1,24,15, ed. Johannes Michael Hanssens, Amalarii episcopi opera liturgia omnia, Bd. 2 (Studi e testi 139), 1948, S. 133f., auch
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werden, wenn sie vom Guten abfallen.62 Das „Gesetz“ ist nämlich allen Christen, gläubigen wie ungläubigen, gegeben; wer dagegen verstößt, muß büßen, schreibt Landulf von Mailand.63 Wer ungehorsam ist, verkündet strikt Gregor VII., ist ungläubig, auch wenn er gläubig scheint.64 Das Leben der Ungläubigen aber ist per se sündig,65 denn Unglaube ist (und bewirkt) Sünde.66
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wenn er das Sakrament des Glaubens empfangen hat: Hoc qui non credit, et fieri non posse arbitratur, infidelis est, etsi fidei habeat sacramentum. Vgl. Salvian, De gubernatione Dei 3,2,7, ed. Halm, S. 25; ed. Lagarrigue S. 190/2: sic profecto etiam Christiani homines infideles sunt, si bona sibi a Deo adsignata corruperint. Landulf von Mailand, Historia Mediolanensis 2,30, S. 67: Cuius in tempore lex sancta atque mandatum novum et bonum e coelo, ut sancti viri asseruerunt, omnibus christianis tam fidelibus quam infidelibus data est [...]; et quicunque hanc legem offenderet, videlicet treguam Dei, quae misericordia domini nostri Iesu Christi terris noviter apparuit, proculdubio in exilio dampnatus per aliqua tempora poenam patiatur corpoream. Gregor VII., ep. 2,66, S. 222: Quod beatus Gregorius in moralibus exponens dicit: Obaedientia ergo est, sine qua, quamvis fidelis quisque videatur, infidelis esse convincitur. Die Stelle ist in den Moralia in Iob Gregors des Großen, auf die sich Gregor VII. ausdrücklich beruft, nicht zu finden. So Petrus Abaelardus, Sic et non 141,2, S. 487: Omnis infidelium vita peccatum est, et nihil est bonum sine summo bono. Der Rom 14,23 entlehnte Satz findet sich in dieser oder ähnlicher Form, als „Sentenz“ Augustins, auch bei Prosper von Aquitanien, Liber sententiarum (ex Augustino delibatae) 106 (Quod tota infidelium vita peccatum est), ed. M. Gastaldo, CCL 68A, Turnhout 1972, S. 281, und wird häufig aufgegriffen, etwa von Ps.-Beda Venerabilis, Liber proverbiorum, Migne PL 90, Sp. 1104 C; Florus von Lyon, Expositio in epistolas s. Pauli ex operibus s. Augustini collecta. In epistolam ad Romanos 14, Migne PL 119, Sp. 316 A; Wilhelm von Saint-Thierry, Expositio super epistolam ad Romanos 7,14 (v. 23), S. 185; Herveus von Bourg-Dieu, Commentaria in epistolas divi Pauli. Expositio in epistolam ad Romanos 7,14, Sp. 795 A; Petrus Lombardus, Collectanea in omnes Pauli apostoli epistolas. In epistolam ad Romanos 20, Sp. 1520 A; Ders., Sententiae lib. 2, dist. 41, c. 1, par. 3, S. 562. Die Augustinstelle, auf die sich alle berufen, konnte ich nicht ausmachen. Vgl. Alkuin, Expositio in epistolam Pauli apostoli ad Hebraeos 3, Migne PL 100, Sp. 1046 CD: Attendis quia infidelitas peccatum facit; sicut enim infidelitas malignam vitam procreat, sic etiam anima, quando in profundum malorum venerit, contemnit: contemptus autem neque credere patitur, ut se a timore mortis perpetuae liberet.
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b. Teufelsdienst und ewige Verdammnis Aus solchen Einschätzungen der anderen, durch Abgrenzung von der einzig wahren Religion, dem Christentum,67 in eine enge Nähe gerückten Religionen heraus verlieren nicht nur die durchaus wahrgenommenen Unterschiede an Bedeutung, sondern daraus resultieren auch zwei entscheidende Folgerungen. Zum einen sind alle anderen Religionen Teufelsdienst: „Denn das Haupt aller Ungerechten und Ungläubigen ist der Teufel.“68 Wer nicht Gott dient, dient zwangsläufig dem Teufel. Heiden und Juden, so Augustin, sind Feinde Christi und gehören daher zum „Reich des Teufels“.69 Heiden, lehrt Isidor von Sevilla mit Berufung auf Gregor den Großen, gehören zum Leib des Teufels, weil sie nie zum Gottesvolk gehörten, Häretiker, weil sie es verlassen haben70 (und damit verknüpft Isidor wieder geschickt Unterschiede und Gemeinsamkeit). Beide sind auch für Beda milites diaboli, die das Haupt Christi mit einem Rohr schlagen, seine Gottheit bestreiten und diesen Irrtum mit der Autorität der Heiligen Schrift zu beweisen suchen.71
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Vgl. auch Schwinges, Wider Heiden und Dämonen S. 13f. So Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 8,7, Sp. 1018 C: Caput omnium iniquorum et infidelium diabolus est. Vgl. Ders., Enarrationes in librum Numerorum 3,4, Sp. 721 A: Et quomodo quidem in amaritudinem adducant Deum infideles et increduli, expositione non indiget. Quod autem ait loquentes, ad illam partem trahi potest, quia infideles quippe et sub principe diabolo agentes, loqui norunt tantummodo, sed loquuntur inania. Augustinus, Sermones. Sermo 71,4, ed. P. Verbraken, Le Sermon LXXI de Saint Augustin sur le blasphème contre le Saint-Esprit, in: Analecta Bollandiana 75, 1965, S. 68: Paganus hostis Christi et Iudaeus hostis Christi, diuisi sunt aduersum se; et ambo ad regnum pertinent diaboli. Vgl. auch Primasius, Commentarius in Apocalypsin 3,9, S. 156: Quocirca sicut bis miriades miriadum hereticis falsisque Christianis conuenit adplicandum, sic residui malorum, quos etiam in gentibus esse superior expositio continet, subsequenti nunc ordine memoratur, ut ex istis omnibus personis diaboli corpus omne consistat, immo consistere demonstretur, id est Iudaeorum et hereticorum, falsorum Christianorum et gentilium. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,14, S. 58: Paganus et hereticus, ille quia nunquam fuit cum Dei populo, iste quia recessit a Dei populo, uterque recedentes a Christo, ad diaboli pertinent corpus. Beda Venerabilis, In Matthaei evangelium expositio 4,27, Migne PL 92, Sp. 122 CD: Haec faciunt usque hodie pagani et haeretici, milites utique diaboli, quasi arundine caput Christi feriunt, qui divinitati illius contradicentes, errorem suum confirmare auctoritate sacrae Scripturae conantur. Vgl. Ders., Expositio in Marci evangelium
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Nach Hrabanus Maurus wirkt der Teufel in Häretikern, Schismatikern und Heiden Unrechtes und verführt damit andere;72 er sucht teils durch Heiden, teils durch Häretiker, teils durch falsche Christen zu verhindern, daß die Kirchenlehrer sich mit ihren geistlichen Waffen den kämpfenden Christen anpassen. Die Heiden verhinderten nämlich, daß Christen in den ihnen so wichtigen freien Wissenschaften unterrichtet würden; die Häretiker überredeten die Kaiser, die Verteidiger des christlichen Glaubens ins Exil zu vertreiben, um das Volk um so leichter von der Wahrheit abbringen zu können; jetzt aber suche der alte Feind die Führer des Volkes auf ganz ähnliche Weise von jeder Bildung abzuhalten, damit sie ihren Untergebenen nicht die Lehre der Wahrheit anhaften.73 In diesem Zusammenhang spielt erneut die Aufteilung der Welt in die verschiedenen Gruppen eine Rolle, nämlich als Zweiteilung: Die Welt teilt sich in zwei Teile, schreibt, die oben zitierten Gliederungen aufgreifend und abwandelnd, Alkuin, einen Teil Christi und einen Teil des Teufels. Im Gegensatz zu dem ungeteilten Teil Christi teilt sich der Teil des Teufels seinerseits in vier Teile: in Heiden, Juden, Häretiker und schlechte Christen;74 die
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expositio 4,15,19, S. 628: Haec tunc fecere milites Pilati, haec usque hodie faciunt heretici et pagani, milites utique diaboli. Quia enim ‚caput Christi Deus‘, caput eius percutiunt qui eum Deum esse uerum denegant. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros Machabaeorum 1,1, Sp. 1135 AB: Verum, iuxta Ioannis vocem, ‚antichristi iam multi sunt‘ (1. Joh 2,18), per quae membra sua idem malignus hostis iam mysterium operatur iniquitatis, per haereticos videlicet, schismaticos atque paganos, ‚et seducit multos, tunc etiam, si fieri potest, ipse scandalizat electos‘, quia solvetur Satanas de carcere suo et totum furorem suum, quantum permittitur, in Christicolas perfundet. Ders., Commentaria in libros IV Regum. In Librum Primum 13, Sp. 42 B: quod diabolus partim per paganos, partim per haereticos, partim per falsos Christianos prohibere studet ne sint doctores in Ecclesia qui, spiritualia arma fabricantes, accommodent pugnantibus Christianis. Pagani enim (ut in historiis legimus) prohibuerunt, ne Christiani liberalibus studiis, quae illi pro maximo ducebant, imbuerentur. Haereticos similiter legimus persuasisse principibus gentium ut catholicae fidei defensores in exsilium truderent, quo facilius plebem pastore destitutam a veritate avertere possent. Nunc etiam idem hostis antiquus simili modo in pace Ecclesiae eos qui populis praesunt, quoscunque potest, ab instantia eruditionis avertere satagit, ne subditis dogma veritatis impendant, quatenus illos incautos lenius decipere possit. Alkuin, Commentaria in Apocalypsin 4,6, Sp. 1125 D: Duae sunt in hoc mundo partes, id est Christi et diaboli; sed Christi pars non est divisa; iuxta illud: ‚Una est columba mea‘ (Cant 6,8). Pars vero diaboli in quatuor dividitur partes, in paganos,
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
ersten drei stehen außerhalb, die letzten innerhalb der Kirche,75 so daß sich die beiden Teile hier überlappen. Nach Haymo von Auxerre herrscht der Teufel über alle vier Teile der Verworfenen: über Häretiker, Heiden, Juden und falsche Christen wie über die vier Erdteile, und bekämpft mit ihnen die eine Kirche Christi.76 Als der Teufel nicht alle Juden und Heiden blenden konnte, schickte er ihnen die Häretiker, meint die Glossa ordinaria.77 Rupert von Deutz stellt Heiden, Juden und Häretiker sogar in eine Reihe mit den Dämonen.78 Die Taufe ist daher zugleich Exorzismus, Kultstätten mußten vom Teufel und seinen Dämonen gereinigt werden, ehe man sie als Kirchen
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Iudaeos, haereticos et malos catholicos. Tot igitur sunt plagae quot diaboli partes. Die Vierteilung ist ein beliebtes Motiv, bezieht sich bei den Kirchenvätern wie noch bei Beda aber mit Vorliebe auf die Tugenden. Eine Vorlage Alkuins in dem hier verfolgten Sinn habe ich nicht ausmachen können. Ebd. 4,8, Sp. 1136f.: Nam cum in quatuor partes distinguit diaboli corpus, unam vult intelligi in Ecclesia, in falsis fratribus, et tres foris, id est haereticos, Iudaeos et paganos. Cum vero totum corpus in tribus tertiis describit, una intus intus intelligenda est in pravis fidelibus simplex, altera foris in Iudaeis atque haereticis duplex, tertia foris in gentibus et ipsa simplex. Im Falle einer Dreiteilung faßt Alkuin Häretiker und Juden zusammen (ebd.)! Vgl. auch Honorius Augustodunensis, Eucharistion 6, Sp. 1253 C (unten Anm. 126). Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis 2,6, Sp. 1028 BC: Sive etiam quatuor partes terrae, in quibus potestatem accepit diabolus, intelligamus haereticos, paganos, Iudaeos et falsos christianos. Super has quatuor partes terrae, id est terrenorum hominum, et per desiderium terram inhabitantium habet potestatem diabolus et cum his contra unam Christi pugnat Ecclesiam, quam ideo scindere non potest, quia fide Christi est unita. Vgl. Hugo von St. Viktor, Adnotatiunculae elucidatoriae in Threnos Ieremiae (oben Anm. 95); Hugo von Flavigny, Chronicon 2, S. 464 (in einem Brief Gregors VII., der sich aber nicht erhalten hat, im Kontext verbotener Ehen mit Häretikern und und Ehebrechern): et inmutato antiquo colore cecidit non solum in diaboli verum etiam in Iudeorum, Sarracenorum atque paganorum derisionem. (Ps.-Walahfrid Strabo), Glossa ordinaria. Apocalypsis b. Ioannis 8 (v. 10), Migne PL 114, Sp. 726 A: Postquam enim diabolus omnes Iudaeos et gentiles excaecare non potuit, immisit eis haereticos, et quosdam subvertit. Rupert von Deutz, Commentaria in Canticum canticorum 7,8,5, ed. Rhaban Haacke, CCM 26, Turnhout 1974, S. 161: Nimirum ut non timeat timorem hominum, ut non deficiat in tribulationibus, quae illam inuenerunt siue inuenturae sunt tribulationibus atque persecutionibus inimicorum uisibilium atque inuisibilium paganorum Iudaeorum haereticorum et spirituum malignorum. Quomodo enim inter haec omnia subsisteret, nisi innixa esset super dilectum suum?
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nutzen konnte. Die falschen Christen aber sind in diese Schemata, in denen es letztlich um das Seelenheil geht, immer wieder einbezogen. Zum andern sind alle anderen Religionen nämlich ähnlich verdammt und haben keinerlei Hoffnung auf das ewige Seelenheil: Häretiker, Heiden, Juden und falsche Christen sind sämtlich dem Untergang geweiht, schreibt Cassiodor.79 Sie alle sind nämlich unentschuldbar.80 Wie Häretiker und falsche Christen, so gehören auch Heiden zum Leib des Teufels und sterben in ihrer Ungläubigkeit, lehrt Beda81 (denn schließlich ist Christus nicht für die Ungläubigen gestorben).82 Ihr aller Opfer ist abscheulich, meint Bruno von Asti; niemand von ihnen wird folglich das Ziel erreichen.83 Täglich sterben Juden und Heiden, täglich werden Juden in der Hölle begraben, während Christen in den Himmel getragen werden.84 Ungläubige, so Otto von
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So Primasius, Commentaria in epistolas s. Pauli. Epistola ad Romanos 2, Sp. 423: Quis autem dubitat, sive gentes, sive Iudaeos, si Christo non crediderint, perituros? So Atto von Vercelli, Expositio epistolarum s. Pauli. Epistola ad Romanos, Sp. 149 A: His verbis ostendit Apostolus, quia, nec Iudaei excusabiles pro ignorantia, quia legem acceperunt, nec gentiles, quia per creaturam potuerunt agnoscere Creatorem. Beda Venerabilis, Explanatio Apocalypsis 2,14,9,20, S. 359: Quia falsos christianos et hereticos descripserat, nunc, ut corpus omne diaboli circumscribat, gentilium quoque commemorat errorem, quibus nihil prodest his plagis non occidi, cum constet eos in gentili tunc quoque perdurare malitia. Neque enim in illa persecutione cogentur gentiles supra dictis consentire, sed in sua incredulitate morientur. So Florus von Lyon, De tribus epistolis 18, Sp. 1017 BC (bei Migne unter Remigius): Quamvis igitur idem Dominus noster, et ad omnes salvandos et omnes redimendos, etiam quos nec salvavit nec redemit, id est infideles et impios, in sua infidelitate et impietate perditos et pereuntes sive perituros, venisse contendatur, unum tamen est quod nos et fidelissime credimus, et verissime novimus, quia pro omni illa innumerabili et infinita multitudine impiorum, qui ab exordio mundi usque ad passionem Domini per quatuor ferme annorum millia in sua impietate sunt mortui, et apud inferos aeterna perditione damnati, nunquam Dominus passus, nunquam mortuus est nec ad eos salvandos ullatenus venit, nec pro eis pretiosum sanguinem fudit. Bruno von Asti, Expositio in Exodum 3, Migne PL 164, Sp. 238 C: Veniunt Iudaei usque ad Patrem; fuerunt haeretici, qui crediderunt in Patrem et in Filium et non suscipiebant Spiritum sanctum; fuerunt autem qui multos crederent deos, sicut gentiles, qui idola colebant. Nulli ergo horum ad praefixum fidei terminum veniebant; abominabile igitur est eorum sacrificium. Ders., Commentaria in Lucam 2,16,38, Sp. 425 C: Quotidie namque et Iudaei et gentiles moriuntur. Quotidie Christiani in coelum feruntur. Quotidie Iudaei in inferno sepeliuntur.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
Freising, werden im Gericht nicht auferstehen bzw. nicht zur Gemeinschaft der Gerechten gelangen.85 Sie alle trifft nach Haymo von Auxerre daher der Zorn Gottes und das Feuer der ewigen Verdammung;86 sie sind sämtlich aus der Gemeinschaft der Heiligen ausgeschlossen87 und verflucht.88 Wer ihnen (den Simonisten) folgt, warnt Humbert von Silva Candida, sei er Heide, Jude oder auch Christ, gliedert sich dem Antichrist ein und wird durch sie dem ewigen Untergang überliefert.89 Nach Hildebert von Le Mans sitzen sie als „unreine Hunde“ alle an demselben Tisch, der in die Hölle führt;90 nach Ademar von Chabannes wird kein Jude, Sarazene, Heide oder Häretiker je
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Otto von Freising, Chronicon 8,17, S. 416: Non enim ait: Peccatores non resurgunt; sed cum dixisset, quod impii, id est infideles, non resurgerent in iudicium, id est ut ponantur in iudicio, de istis adiunxit: Neque peccatores in consilio iustorum, ac si diceret: Resurgent quidem ad iudicium, sed non ad iustorum consortium. Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis 2,8, Sp. 1047 B: In tertia autem parte omnes reprobi, id est haeretici, pagani, Iudaei et falsi christiani. Super hos omnes grando, id est ira Dei, venit et ignis aeternae damnationis, cum sanguine, id est, vindicta homicidii et caeterorum peccatorum, quae per sanguinem intelliguntur. Vgl. ebd. Sp. 1048 B: Tertia autem pars creaturae quae mortua est in mari, secundum praedictum sensum, intelliguntur haeretici, falsi christiani, pagani et Iudaei, qui, licet vivant corpore, mortui sunt in anima, et in hoc mundo versi sunt in sanguinem, id est, in perpetrationem malorum operum, quae ut diximus, designantur per sanguinem. Ebd. 3,12, Sp. 1083 A: Tertia autem pars stellarum quam trahebat cauda draconis; in haereticis, paganis, Iudaeis figuratur ac falsis Christianis, qui de coelo, hoc est, de societate sanctorum eiciuntur et in consortium malorum hominum trahuntur. Vgl. Benedikt VIII., Epistula ad Guillelmum comitem (Wilhelm IV. von der Provence), ed. Zimmermann, Papsturkunden 896–1046, Bd. 2, Nr. 468, S. 892: Sint maledicti cum Iudeis qui Dominum in carne videntes non crediderunt, sed magis eum crucifigere temptaverunt. Maledicti sint cum hereticis, qui ecclesiam Dei cupierunt subvertere. Maledicti sint cum illis, qui nomen Domini blasfemant. Sint maledicti cum illis, qui se de Dei misericordia desperant. Sint maledicti cum illis, qui dampnati sunt in inferno. Dabei handelt es sich nach Zimmermann möglicherweise allerdings um eine später (spätestens zu Beginn des 12. Jahrhunderts) erstellte Fälschung. Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 2,38, S. 187: Ipsos quisquis sequitur, sive paganus sive Iudaeus sive christianus, antichristo mox incorporatur et per eos ad aeternum interitum portatur. Hildebert von Le Mans, Sermones de sanctis. In purificatione beatae Mariae 64, Sp. 654: Ad hanc mensam sedent canes immundi, id est gentiles, Iudaei et haeretici, qui suffocantur, qui merito istorum tendunt in infernum.
6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen
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das Heil erlangen, wenn er nicht mit Petrus an Christus glaubt.91 Auch wenn sie Tugenden haben, nützt sie das nichts.92 Entsprechend unterschiedlich ist ihr Verhalten in der Art der Totentrauer, da der Ungläubige nicht auf Erlösung hoffen kann.93 Sie glauben nicht an die Wiederauferstehung und trauern dennoch um die Toten, zu Recht, meint Haymo von Auxerre, weil sie keine Hoffnung auf Erlösung haben. Wenngleich beide um die Toten trauern, macht das daher doch einen gewaltigen Unterschied.94 In der Endzeit aber sammelt der Antichrist alle Ungläubigen um sich, um die Gläubigen zu verfolgen.95 91
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Ademar von Chabannes, Predigt (Deutsche Staatsbibliothek, MS. Lat. 1664, fol. 83v): Inpossibile enim est ut nullus Iudeus, Sarracenus, paganus, haereticus umquam salvus fiat nisi tantum illi, qui in fide Sancti Petri credunt (zitiert nach Frassetto, Pagans, Heretics, Saracens, and Jews S. 76). So Hrabanus Maurus, De videndo Deum, de puritate cordis et modo poenitentiae 2 (De puritate cordis), Migne PL 112, Sp. 1286 D: Haec et si possunt ingenio humano discerni, tamen sine dono Dei, quantum mihi videtur, nec virtutes possunt appeti vel haberi; nec earum similitudines, quae sunt vitia virtutes imitantia, declinari, in tantum ut infidelibus nihil profuisse credamus, etiam si sunt aliquas per corpus operati virtutes, quod eas nec a Deo suo se accepisse crediderunt nec ad eum qui est finis bonorum omnium referre voluerunt; et quid dico? nihil eis profecerunt, imo etiam nocuerunt. So etwa Leidrad von Lyon, Epistolae variorum Carolo Magno regnante scriptae 31, ed. Ernst Dümmler, MGH Epp. 4, Berlin 1895, S. 545, in einem Trostbrief: Aliud est enim infidelem infideliter flere mortuum, quasi ex toto perditum, quem non speret esse victurum; aliud est fidelem fideliter mortuum interim condolere, quem non dubitat esse resurrecturum. Haymo von Auxerre, Expositio in divi Pauli epistolas. Epistola I ad Thessalonicenses 4, Sp. 770 CD: Philosophi et gentiles infideles non credentes resurrectionem, multos ex hoc decipiebant, negantes resurrectionem et faciebant contristari et dolere de morte propinquorum. Et non solum infideles, sed etiam multi fidelium apud Macedones et Thessalonicenses contristabantur de morte parentum, non credentes eos resurrecturos. Pagani ergo et infideles merito contristabantur de morte suorum, quia per mortem temporalem perveniebant ad aeternam. At vero credentes et infideles, merito contristabantur super recessu fidelium, quia per mortem temporalem perveniebant ad vitam aeternam. Quapropter volens eos Apostolus certificare de resurrectione, et consolari super morte propinquorum, ait: Nolo vos ignorantes reddere de dormientibus, quia resurrecturi sunt, ut non contristemini super morte eorum, sicut infideles qui non habent spem resurgendi. Hugo von St. Viktor, Adnotatiunculae elucidatoriae in Threnos Ieremiae, Sp. 319 D: Potest etiam de paganis et haereticis, sive quibuslibet infidelibus dici, praecipue in tempore Antichristi, quando diabolus undique in membris suis ad persecutionem fidelium laxabitur.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
Durch das gleiche Schicksal aber verblassen die Unterschiede, die in der Konsequenz daher belanglos gegenüber der Tatsache werden, daß die anderen Religionen sämtlich keine Christen und damit zwangsläufig ungläubig sind und einen falschen, irrigen Glauben verfolgen. Ein sprechendes Beispiel ist der mehrfach begegnende exegetische Vergleich von Juden und Häretikern anhand der levitischen Speisegebote, die nur Tiere, die wiederkäuen und gespaltene Hufen haben, als rein erachtet.96 Entsprechend wird durchweg die Differenz der Christen zu allen anderen Religionen betont.
c. Gemeinsame Abgrenzung von Kirche und Christentum Die anderen Religionen haben somit sämtlich gemeinsam, daß sie sich jeweils von den Christen abgrenzen, wie wir es in jedem der vorangegangenen Kapitel über die einzelnen Glaubensrichtungen beobachten konnten. Entweder fehlt ihnen der Gottesglaube oder der Glaube an Christus oder die (richtige) Trinitätslehre; sie verehren (wie Heiden) die falschen Götter oder (wie Muslime und Juden) nur Gottvater, nicht aber Christus und den Heiligen Geist, oder sie verehren (wie Häretiker und Griechisch-Orthodoxe) Christus falsch oder folgen falschen Riten. Deshalb können die verschiedenen Religionen immer wieder in einem Atemzug parallel nebeneinander genannt werden.97 „However,“ schreibt Wolfram Drews, „after the fourth century we can observe a tendency to put Jews, pagans and Christian heretics into the same category, although as a rule never completely blurring the line between them.“98 Auch dafür finden sich zahlreiche zeitgenössische, vergleichende Aussagen. Heidnische Dichter und Philosophen und jüdische und häretische Märchenerzähler, meint Humbert von Silva Candida, trügen ohne Vernunft ihre Trauerlieder vor, die ihre drei Urheber inspirieren: Satan die Heiden, der Antichrist die Juden, der Pseudoprophet die Häretiker;99 Heiden, Juden 96
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Vgl. Kapitel 3, oben S. 549: Juden haben das Wort Gottes (das Alte Testament) und käuen es sorgsam wieder. Da ihnen aber das Neue Testament fehlt (sie also keine gespaltenen Hufen haben), sind sie unrein. Häretiker besitzen beide Testamente, führen aber nicht die Wahrheit im Mund und käuen Gottes Wort daher nicht in der richtigen Weise wieder. Folglich sind auch sie unrein. Vgl. etwa Beda Venerabilis, In prouerbia Salomonis 3,28,12, S. 137: Quod et de paganis et de hereticis et de malis catholicis recte potest accipi. Drews, Jews as Pagans S. 192. Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 2,46, S. 194: quales sunt poetae et philosophi gentilium, fabulatores Iudaeorum atque hereticorum, qui velut lutulentae
6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen
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und Häretiker lügen vor Gott.100 Sie alle leben im Irrtum101 und in Untreue (perfidia) gegenüber Gott.102 Wer daher vom Heidentum zum Judentum oder zur Häresie übertritt, meint Isidor von Sevilla, tauscht einen Irrtum des Unglaubens gegen einen anderen aus.103 Sie alle verkehren, was die Kirche in rechter Lehre in den heiligen Schriften lehrt (so Haymo von Auxerre).104 Häretiker, Juden und Heiden, so Humbert, erkennen Christus nicht an und empfinden ihn entweder als Skandal oder als Dummheit,105 und sie glauben auch nicht an das Künftige.106 Sie alle sind gottlos und bedrängen wie der
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ranae in limosis paludibus naenias suas irrationabiliter et pertinaciter declamant. Quibus utique principantur et carmina inspirant tres illorum auctores: gentilibus videlicet satanas, Iudaeis antichristus, hereticis autem pseudopropheta. So ebd. 2,42, S. 191: Perfidia enim sive impietas generalis caracter est illis omnibus, paganis scilicet, Iudaeis, hereticis, tanquam filiis alienis et Deo mentitis. Vgl. ebd. 1,11, S. 116: Et apprehendentes eum per ipsa opera, per ipsa consilia eius, mittunt eos in tenebras exteriores, id est in errorem gentilium, Iudaeorum vel hereticorum. Ebd. 1,21, S. 136: Et quod omnes heretici de filio Dei aut de Spiritu sancto male sentientes in perfidia Iudaeorum et gentilium inveniuntur. Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,15, S. 59: Qui ab idolatria ad iudaismum uel heresem transeunt, iuxta prophetam ‚de malo ad malum labuntur, et Dominum non cognouerunt‘ (Ier 9,3), quia de infidelitatis errore in errorem alium transierunt. Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis 2,8, Sp. 1049 B: Quod enim sancta Ecclesia in sacris paginis rectae fidei congruere docet, haeretici, Iudaei atque philosophi in pravum dogma convertunt; et quo illi ad incrementa virtutum, hoc prave viventes catholici ad incitamenta vitiorum utuntur. So Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 2,22, S. 166f.: Siquidem dominus noster Iesus Christus fortissimus omnium et zelotes non ferens uxorem, quam ex gentibus duxerat, cuilibet alii nuptam, ad tantae iniuriae suae ultionem eos, qui sapientes erant, ut facerent mala, bene autem facere nesciebant, in astutia eorum quasi vulpes comprehendit, quae CCCtae numero illas hereses exprimunt tantummodo, quae sibi applaudunt de nomine christiano, sicut symoniana, Sabelliana, Arriana et reliquae, exceptis heresibus Iudaeorum et paganorum, quibus crucifixus Christus aut scandalum est aut stultitia. Vgl. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros IV Regum. In librum IV c. 16, Sp. 250 B: Cum autem consummationis tempus advenerit, hocque sexaginta duo anni, etiam mundi res, quae in sex annis factae sunt, quam omnia, quae ad quinque sensus pertinent, finem acceperint; tunc universa esse solvenda, quae gentiles et haeretici futura non credunt et propter infidelitatem non intelligunt, quae dicuntur.
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dreiköpfige Cerberus gemeinsam die Kirche (so Rupert von Deutz).107 Sie alle sind daher Feinde Gottes108 und des Glaubens, wie es Michael Frassetto im Hinblick auf Ademar von Chabannes feststellt.109 Alle sind Feinde der Wahrheit110 und aufsässig, weil sie die Vorschriften Gottes nicht beachten.111 Sie gehen daher den falschen Weg (so Anselm von Canterbury),112 nämlich nicht den Weg der Gerechtigkeit und der Wahrheit, die nicht zum Irrtum
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Rupert von Deutz, Passio Eliphii martyris, Migne PL 170, Sp. 435 B: Tunc in vocem exsultationis et confessionis erumpens adversus impietatem paganicam, Iudaicam atque haereticam, quae videlicet impietas, velut Cerberus canis infernalis trium capitum, catholicam tunc vexabat Ecclesiam. So Benedikt von Aniane, Condordia regularum 40,10 (ex Regula Magistri 16), ed. Pierre Bonnerue, CCM 168A, Turnhout 1999, S. 335f.: Ergo si iniustis et inimicis Dei, id est non credentibus paganis et hereticis uel diuersis peccatoribus, diuersa uictualis creatura famulatur subiecta ut uniuersus mundus diuersis deseruit, quanto magis credentibus in Deo et bene seruientibus ei iuste et digne Dominus ad uitam diuersam creaturam tradidit, quam creauit. Et quasi pignus futurae repromissionis in praesenti hoc tempore omnia uitae necessaria ministrando, non derelinquet Dominus quaerentes se, quia diuites eguerunt et esurierunt. Vgl. später Balderich von Bourgueil, Historia Hierosolymitanae 1, S. 23: Omnes siquidem illi viatores, Iudaeos, haereticos, Sarracenos aequaliter habent exosos, quos omnes appellant inimicos Dei. Frassetto, Pagans, Heretics, Saracens, and Jews S. 76: „In other sermons in ms. 1664, Ademar identifies the pagans along with Saracens, Jews, and heretics, as enemies of the faith, or impious men opposed to God.“ Ademar, Predigt (Deutsche Staatsbibliothek MS. Lat. 1664, fol 102r, zitiert nach Frassetto): et impii homines Iudei, Sarraceni, pagani, haeretici qui Deo contrarius sunt; ebd. fol. 97r : Iudeorum atque Sarracenorum et paganorum et haereticorum et antichristi. So etwa Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 2,14, Sp. 817 D: et iuxta allegoriam omnibus adversariis veritatis, hoc est Iudaeis, paganis et haereticis interdicitur ne adversentur Evangelio Christi, quoniam ipse est constitutus a Deo iudex vivorum et mortuorum. Vgl. Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 3,26, S. 231f.: Hunc spiritum veritatis, quae Christus est, non potest accipere mundus in maligno positus, heretici scilicet, Iudaei et increduli atque pagani; Rupert von Deutz, Commentaria in duodecim prophetas minores. In Sophoniam prophetam 2 (oben Anm. 34). So Bruno von Würzburg, Expositio psalmorum. Ps. 118,98, Sp. 446 B: Inimici intelligendi sunt obstinati Iudaei, haeretici et pagani, qui praecepta Dei non operantur. Anselm von Canterbury, Orationes 1, Migne PL 158, Sp. 858 B: Propitiare etiam, Domine, haereticis et schismatis, Iudaeis et paganis, ut revertantur a viis suis malis, et cognoscant te Deum vivum et verum, qui fecisti coelum et terram, mare et omnia quae in eis sunt.
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abweicht.113 Sie alle, einschließlich der schlechten Christen, sind, wie Haymo betont, weltlich statt geistlich ausgerichtet.114 Das unterscheidet sie allesamt vom Christentum. Alle weichen vom Recht des Herrn ab (anders als schlechte Christen, die criminaliter handeln, Pflichtverletzer, praevaricatores, sind und Gottes Gesetze übertreten).115 Sie alle sind nach Rupert von Deutz daher zu verachten.116 Sie verdienen allerdings auch die Zuwendung der Christen, meint Aelred von Rievaulx in seinem „Spiegel der Nächstenliebe“: Sie alle stehen draußen, während die Christen ihre Ignoranz beklagen, ihre Schwäche bemitleiden, ihre Bosheit beweinen und ihnen den Trost der Predigt zukommen lassen.117 Erneut werden aber auch die falschen Christen dieser Gruppe zugeordnet. 113
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So Bruno von Asti, Expositio in psalmos. Ps. 22, Migne PL 164, Sp. 771 C: Per semitam iustitiae incedit, qui ad errorem non declinat et a veritate non recedit. Hanc semitam nesciunt Iudaei, haeretici et pagani. Vgl. bereits Augustinus, Enarrationes in psalmos. Ps. 103,1,9, S. 1481: Alieni enim omnes a uia ueritatis, siue pagani siue Iudaei siue haeretici et mali quique christiani, habere multa dona possunt, caritatem non possunt. Vgl. auch Hrabanus Maurus, Expositio in librum Judith 15, Sp. 578 A: Et infra dicit, Assyrios non adunatos in fugam esse praecipites, filios autem Israel uno agmine eos persequentes; quia paganorum et haereticorum et omnium impiorum multiplices sunt errores et varia iniquitatum devia, in quibus dispersi nunquam se coadunare in via iustitiae possunt. Haymo von Auxerre, Expositio in divi Pauli epistolas, In epistolam ad Romanos 12, Sp. 470 A: Per saeculum hic non debemus intelligere praesentem vitam, quae semper annis, temporibus, diebus, noctibus, horis atque momentis volvitur, sed homines per carnalem conversationem saeculo deditos, paganos videlicet, Iudaeos, haereticos falsosque Christianos, quibus non debemus assimilari et consociari, ne eorum vitiis inquinemur et nostris. So Bruno der Karthäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 118, Sp. 1296 AB: Ne quis ergo putaret illos tantum esse ‚discedentes‘ a iustitiis Domini, qui sunt vel Iudaei vel gentiles vel haeretici, Christianos autem falsos et peccantes criminaliter putaret non discedentes, ostendit omnes peccantes criminaliter esse ‚praevaricantes‘, sic: Spernes, inquam, omnes a iustitiis tuis ‚discedentes‘. Ne quis autem Christianus nomine criminaliter peccans in hoc se palpet ut se praevaricatorem esse non reputet, certum omnibus sit, quod ‚praevaricantes‘ esse ‚reputavi omnes peccatores terrae‘, id est omnes peccantes criminaliter, qui cum imi sint in vitiis et sordidi, terra dicuntur, non coeli: ‚reputavi‘ ego et reputo esse ‚praevaricantes’ iusta praecepta tua, id est transgredientes. Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius 24. In libros Regum III, 10,5, CCM 22, S. 1306: Verum hoc tantum considerare, hoc solum respicere et pro hoc illum contemnere Iudaeorum est et haereticorum atque gentilium. Aelred von Rievaulx, Compendium speculi caritatis 12 (oben Anm. 35).
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
Dank solcher Kennzeichnungen heben sich alle Religionen, trotz ihrer internen, durchaus wahrgenommenen Unterschiede und einschließlich der schlechten Christen, von den (guten) Christen ab. Das läßt sie als Einheit gegenüber dem Christentum erscheinen.118 Juden, Häretiker und Heiden bilden eine Einheit gegen die Einheit, lehrt Augustin.119 Auch dazu fehlen nicht zeitgenössische, vergleichende Urteile. Die Heiden, so schreiben Heterius und Beatus von Osma an den Erzbischof Elipandus von Toledo, haben sich offen von Christus zurückgezogen, die Christen, ob gut oder schlecht, aber werden eine Kirche genannt (von der jedoch wiederum nur ein Teil Christus nachahmt, während die anderen beiden Teile, nämlich Häretiker und schlechte Christen, gegen die Kirche ankämpfen).120 Alle wollen die Kirche – vergeblich – vom göttlichen Gesetz weglocken.121 Indem Heiden die Falschheit des Götzendienstes üben, Häretiker die Glaubenswahrheit verlassen und Sekten des Irrtums bilden und schlechte Katholiken trotz des richtigen Glaubens keine würdigen Werke vollbringen, sind sie alle weit vom Testament Gottes entfernt und werden seiner nicht teilhaftig.122 Selbst wenn 118
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Vgl. (Ps.-Walahfrid Strabo), Glossa ordinaria. Liber ecclesiasticus 26,5, Migne PL 113, Sp. 1212 A, zu tribus: His similitudinibus vocat eos, qui ab unitate verae religionis separati sunt, id est Iudaeos, paganos, haereticos et falsos Christianos. Augustinus, Sermones. Sermo 62,12,18, CCL 41, S. 312: Haeretici, Iudaei et pagani unitatem fecerunt contra unitatem. Heterius und Beatus von Osma, Epistola ad Elipandum 2, Sp. 987f.: Bestia enim omnis omnino populus est, tam pagani quam mali Christiani, qui Christi Ecclesiae adversantur. Nam pagani aperta fronte recedunt a Christo; Christiani vero, sive boni sive mali, una Ecclesia nuncupantur. Sed ipsa quae una videtur Ecclesia, tres partes sunt, id est una pars ipsa Ecclesia, quae imitatur Christum. Caeterae duae partes sunt quae contra ipsam Ecclesiam pugnant, id est haeretici et Christiani mali. Diabolus enim, qui draco dicitur, caput est in tribus partibus, id est incredulis et paganis et Christianis malis atque haereticis. Vgl. schon Primasius, Commentarius in Apocalypsin. 3,11,2, S. 166: Omnes enim Iudaei, heretici atque gentiles ecclesiam diuersis modis indesinenter inpugnando quasi conculcant. So Bruno der Karthäuser, Expositio in Psalmos. In Psalmum 61, Sp. 923 AB: Disputat enim in hoc psalmo Ecclesia perfectorum contra haereticos et gentiles et Iudaeos qui volunt eam a lege Dei devocare et a subiectione eius, ostendens quod nullatenus eam devocabunt: et ostendit causas plures quare non poterunt eam devocare. So Hrabanus Maurus, Commentarii in Ecclesiasticum 4,3, Sp. 870f.: Longe est testamentum a paganis, qui idololatriae exercent falsitatem; longe est et ab haereticis, qui fidei deserentes veritatem sectas construunt erroris; longe est et a malis catholicis, qui licet fidem rectam teneant, tamen opera fidei condigna non habent et propterea testamenti Dei veraciter participes non sunt.
6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen
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sie Ähnliches tun wie Christen (wie fasten), ist das für Atto von Vercelli nicht dasselbe.123 Wenn selbst Heiden aber bestimmte Tage verehren und Juden den Sabbat beachten, um wieviel mehr müssen Christen dann den Tag der Auferstehung des Herrn feiern!124 Heiden, Juden und Häretiker finden keine Gnade. Sie kennen sämtlich weder Taufe125 noch Eucharistie oder andere Sakramente126 noch den Heiligen Geist127 und stehen daher nicht nur außerhalb der Kirche128 (und sind ausgeschlossen)129 – hier zeigt sich noch einmal das „formale“ Verständnis
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Atto von Vercelli, Capitula n. 70, MGH Capit. episc. 3, S. 289: Quinta feria quoque non est ieiunandum, ut inter ieiunium christianorum et gentilium, catholicorum atque hereticorum discretio sit. So die Relatio episcoporum ad Hludowicum imperatorem von 829, MGH Capit. 2, Nr. 196, c. 45, S. 41 (oben Kapitel 1, Anm. 697). Vgl. Vita Sulpicii ep. Biturigi 4, S. 374: Nec hoc pretereundum putavi, quod tempore suo vir sanctus Bethuricas in civitate nullum sinivit nec hereticum nec gentilem aut Iudaeum sine baptismi gratia habitare. Vgl. Honorius, Eucharistion 6, Sp. 1253 C: Extra Ecclesiam autem, scilicet ab haereticis, a Iudaeis, a gentilibus nec hoc sacramentum perficitur nec munus oblatum accipitur. Simoniaci tamen, qui quidem inter haereticos censentur, sed tamen fide integerrima Catholicis admiscentur, per fidem Trinitatis Christi corpus conficiunt, sed eius participes ob reprobam vitam non fiunt. Vgl. Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 3,30, S. 237: Ergo symoniani aut heretici non sunt et in ecclesia sunt aut certe heretici sunt et extra ecclesiam sunt. Porro si in ecclesia sunt, catholici sunt atque accipere possunt Spiritum sanctum, sicque iam heretici nec habendi nec dicendi sunt. Si autem extra ecclesiam sunt, certe aut heretici aut pagani sunt et ideo accipere non possunt Spiritum sanctum, quia extra ecclesiam non potest accipi. Vgl. Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 6,5, Sp. 955 D: His ergo speciebus demonstrantur illi, qui extra Ecclesiam sunt, et in unitate verae religionis non consistunt, hoc est, Iudaei, pagani et haeretici nec non et falsi Christiani; vgl. Amalar von Metz, Forma institutionis canonicorum et sanctimonialium 1,11, Migne PL 105, Sp. 836 B: Alieni extra ecclesiam sunt Iudaei, haeretici atque gentiles; Hugo von St. Viktor, Adnotatiunculae elucidatoriae in Threnos Ieremiae, Sp. 257 D: Per gentes recte accipimus carnales quosque intra Ecclesiam positos; per provincias vero quoscunque extra Ecclesiam constitutos, sicut sunt pagani, Iudaei et haeretici. Vgl. Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsum b. Ioannis 2,9, Sp. 1053 A: Nisi tantum homines, qui non habent signum Dei in frontibus suis, subaudi digne, quia non solum excluduntur illi, qui extra Ecclesiam sunt, id est pagani et Iudaei, sed etiam falsi Christiani, qui signum portant in corpore, qui baptizati sunt et in Ecclesia consistunt,
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
einer Zugehörigkeit zum Christentum durch Taufe und Sakramente –, sondern sind Feinde der Kirche,130 bedrängen diese (die Heiden in den Märtyrern, die Häretiker in verschiedenen Kämpfen)131 und bekämpfen sie132 und verfolgen die Gläubigen,133 nur in solcher Gegnerschaft einig, mit Argumenten und dialektischer Kunst,134 indem sie durch Weisheit erfassen
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sed tamen fidem, quam habere videntur, operibus maculant, ideoque laeduntur. Vgl. ebd. 3,12, Sp. 1083 A (oben Anm. 87). Vgl. Beda Venerabilis, In primam partem Samuhelis libri IV. Nomia locorum 2,14, S. 118: Iudaei, gentiles et heretici, cum sint hostes ecclesiae, cuncti alterutrum se singuli uerbi gladio feriunt; Epistola de sacramentis haereticorum, ed. Ernst Sackur, MGH Libelli de lite 3, Hannover 1897, S. 16: Hic hodie non sumitur ab hereticis, paganis, Iudeis, aecclesiae inimicis; Rupert von Deutz, Commentaria in duodecim prophetas minores. In Sophoniam prophetam 2 (oben Anm. 28); Cassiodor, Expositio psalmorum. Ps. 118,13,98, CCL 98, S. 1099: ‚Inimici‘ intellegendi sunt obstinati Iudaei, haeretici uel pagani, qui praecepta Domini aut minime intellexerunt aut ea prauo studio non probantur operari. So Isidor von Sevilla, Sententiae 1,16,2, S. 55: Ecclesiae propter Christum geminae tribulationes existunt, id est siue quas a paganis pertulit in martyribus, siue quas ab hereticis perfert in diuersis concertationibus. Vgl. Beda Venerabilis, Expositio actuum apostolorum 19,14, S. 78: Hoc enim animal doli et astutiae sagacissimum Iudaeos gentiles et hereticos ecclesiae dei semper insidiantes et quasi garrula uoce perstrepentes ostendit; Hugo von St. Viktor (?), Posteriorum excerptionum libri tredecim continentes utriusque testamenti allegorias 7,30, Sp. 720 D: Benadad et exercitus est diabolus et iniqui spiritus, pagani, Iudaei, haeretici, qui contra Ecclesiam bellum gerere excitant et per tales affligitur populus Dei, qui est in Samaria positus, id est in divinae legis custodia. Vgl. Beda Venerabilis, Homilia 3,54, Sp. 412f.: Quomodo namque saepius consilia infidelium commota sunt adversus veram fidem et firmam Ecclesiam, aliquoties paganorum, aliquoties haereticorum, quemadmodum saepius sicut maris fluctus irruebant comminantes et conterrentes huius principes mundi, per omnia perdere se Ecclesiae filios arbitrantes; sed surgens Dominus increpavit daemonum ventis et omnes evanescere fecit audaces adversarios fidei, magnamque pacem et tranquillitatem dedit Ecclesiae suae. Vgl. ebd.; Bruno der Kartäuser, Expositio in Psalmos. In psalmum 52, Sp. 872 D: Figura quidem huius historiae talis est. Per David Christus, per Amalech, qui dolens vel parturiens interpretatur, infideles ex utroque populo intelliguntur, qui fideles in hoc mundo persequuntur, et per tribulationes captivos ducunt, in eorum corporibus dominando. So Hrabanus Maurus, Commentaria in libros IV Regum. In librum IV c. 16, Sp. 249 D: Eosdem autem haereticos atque gentiles contra domum David argumentorum et
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wollen, was nur mit reinem Herzen aus dem Heiligen Geist erfaßt werden kann.135 Heiden verfolgen die Kirche offen, Häretiker in heimtückischer Täuschung.136 Alle Ungläubigen bellen wie Hunde gegen die Kirche, meint Haymo von Auxerre.137 Nach Julian von Toledo gab es (nacheinander) drei Versuchungen und Stürme der Kirche: Erst durch die Heiden, dann durch die Häretiker und schließlich durch die falschen Christen. In der ersten wurden die Leiber der Apostel und Märtyrer hingeschlachtet; in der zweiten suchte man vom apostolischen Glauben abzubringen, in der dritten die Sitten zu verderben. Die Heiden verfolgten die Gläubigen, die Häretiker bekämpften mit ihren Predigten hochmütig die Kirche und predigen häretischen Unglauben, die falschen Christen brechen die kirchlichen Gesetze und verwirren die gerechten Sitten.138 Hrabanus Maurus identifiziert die drei Schlachtkeile der Moabiter, Ammoniter und Idumäer (von Deut 23) mit den
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dialecticae artis gladiis dimicare nulli dubium est, ut qui inter se discrepant, in Ecclesiae oppugnatione consentiant. Ders., Commentaria in librum Sapientiae 1,1, Sp. 674 BC: Nequaquam enim in malevolam mentem vera sapientia intrat, nec in facinoroso homine habitare poterit; ideo frustra sibi blandiuntur philosophi gentilium et omnes haeretici nec non et falsi Christiani, qui se arbitrantur sordida mente et scelesta conversatione percipere posse sapientiam Dei, quam soli mundo corde dono Spiritus sancti accipere merentur. Ders., Commentaria in libros Machabaeorum 1,9, Sp. 1181 A: ‚Ingravatum est praelium‘, quando pagani aperta persecutione et haeretici subdola seductione, Ecclesiam Christi impetunt. Häretiker verfolgen aber auch ihrerseits Juden; vgl. ebd. 2,12, Sp. 1245 C: Secundum autem mysticum sensum, iidem Ioppitae qui, habitantes iuxta mare, Iudaeis scandalum fecerant, significant haereticos prope fluctus turbulenti saeculi habitantes, qui Iudaeis, hoc est veris confessoribus Christi, semper insidiantur, et quoscunque possunt, de eorum numero in erroris sui foveam pertrahere satagunt. Haymo von Auxerre, Expositio in Apocalypsin b. Ioannis 7,22, Sp. 1218 B: ‚Foris canes‘, id est Iudaei, haeretici caeterique increduli, qui contra Ecclesiam latrant. Haymo setzt diese Gruppen in dieser Schrift noch mehrfach gleich. Julian von Toledo, Commentarius in Nahum prophetam, Expositio 61, Sp. 734 BC: Tres igitur Ecclesiae tempestates, tres ipsius turbines secundum temporum articulos differentes. Prima fuit ethnicorum, secunda haereticorum, tertia falsorum Christianorum. Prima apostolorum et martyrum laniavit corpora; secunda fidei apostolicae evertere nitebatur foedera; tertia morum studet quotidie corrumpere genera. Ethnici, fideles persequendo, arbitrabantur obsequium se praestare Deo (Ioh 16,2); haeretici superbia tumidi impugnantes Ecclesiam, nitebantur sibi conventicula facere, haereticam perfidiam praedicando; falsi vero Christiani, quae sua sunt quaerentes, non quae Iesu Christi (Phil 2, 21), Ecclesiae frangunt leges, iustitiae turbant mores, post concupiscentias suas eundo.
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drei Feinden und Verfolgern der heiligen Kirche, nämlich Heiden, Juden und Häretikern.139 Juden, Heiden und Häretiker werden daher durchweg als eine große Gefahr für Kirche und Glauben erachtet. Die Kirche aber schickt ihre Krieger, nämlich Apostel und Märtyrer, gegen diese Gefahren,140 und nicht zufällig sind es gerade diese Kämpfe gegen die Gruppen der Ungläubigen, über die Gregor von Tours in seinen Historien berichten will.141 So erstaunt es nicht, daß man Juden und Häretikern wie oft auch Muslimen stets zwar auch die Falschheit ihrer Religion vor Augen zu führen sucht, ihnen gegenüber aber durchweg, und gerade auch dort, wo man eine „rationale“, auf (gemeinsame) Autoritäten und logische Gründe gestützte Argumentation anstrebt, polemische Töne anklingen läßt. Sie werden in den Adversus Iudaeos-Traktaten ebenso deutlich wie in den sogenannten Religionsgesprächen mit Juden und Häretikern, aber auch in den bis zum Sarkasmus neigenden, sogenannten Mohammedbiographien. Erfolgreich ist der Kampf der Andersgläubigen letztlich jedoch nicht. Juden, Häretiker und Heiden, die uns hassen und unterwerfen wollen, meint Bruno von Asti, zerstören sich selbst.142 Für Otto von Freising sind sie daher nicht nur religiös, sondern auch (heils-)geschichtlich völlig bedeutungslos geworden.143 Die feste Überzeugung von Gottes Schutz, Förderung und Ausbreitung des Christentums fördert eine solche Einstellung. 139
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Hrabanus Maurus, Commentaria in libros II Paralipomenon 4,20, Sp. 493 B: Mystice autem tres ibi hostium cunei, hoc est Moabitarum et Ammonitarum atque Idumaeorum, triplicem catervam significant hostium et persecutorum sanctae Ecclesiae; paganorum scilicet, Iudaeorum atque haereticorum, qui gratis bellum excitant fidelibus, et nomen Christi simul cum religione Christiana auferre contendunt. So Werner von St. Blasien, Liber deflorationum sive excerptionum 2. Dominica I post octavam pentecostes, Sp. 1010 D: Hic David multa bella constituit, dum milites suos apostolos et martyres debellare Iudaeos, paganos et haereticos instituit. Vgl. Hrabanus Maurus, Commentaria in libros Machabaeorum 1,5, Sp. 1165 B: quia totius sanctae Ecclesiae sollicitudo ac cura est maxima, quomodo contra diversos hostes, hoc est Iudaeos, paganos, haereticos atque schismaticos, filios suos defendat. Gregor von Tours, Historiae 1 prol., S. 3 (oben Kapitel 1, Anm. 127). Bruno von Asti, Expositio in psalmos. Ps. 43, Sp. 851 D: ‚Et eos qui nos oderunt diripiebant sibi.‘ Isti autem sunt Iudaei, haeretici et pagani. Tale est igitur ac si diceret: Cum inimici nostri maligni spiritus nos tenere et sibi penitus subiugare non potuissent, eos, qui nos oderunt, Iudaeos videlicet, haereticos, paganos sibi diripere coeperunt, ut, quia nos habere non poterant, saltem illos non amitterent. Otto von Freising, Chronicon 5 prol., S. 228 (oben Kapitel 1, Anm. 393).
6. Vergleichende Einordnung der anderen Religionen
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d. Bekehrbarkeit Allerdings bleibt allen anderen durchweg die Möglichkeit der Bekehrung, um das Seelenheil zu erlangen: Das Christentum ist eben keine „Gentilreligion“, wie noch das frühe Judentum. Denn, so Hrabanus Maurus (mit Augustin): Sie alle sind zwar ungläubig, können jedoch jederzeit gläubig werden. Man dürfe über niemanden verzweifeln, predigt schon Augustin. Wer heute Heide ist, kann morgen schon Christ werden; der ungläubige Jude kann morgen an Christus glauben, der Häretiker der katholischen Wahrheit folgen, der Schismatiker den katholischen Frieden umfassen.144 Die katholische Kirche predigt, so Papst Coelestin I., daß den Ungläubigen der Glaube gegeben werde, daß der Götzendiener von seinen ungläubigen Irrtümern befreit werde, daß den Juden der Schleier des Herzens genommen werde und das Licht der Wahrheit erscheine, daß die Häretiker durch die Wahrnehmung des katholischen Glaubens zur Besinnung kommen und daß die Schismatiker den Geist der wiederbelebten Liebe empfangen und den Gefallenen die Mittel der Buße gereicht werden.145 Damit ist jede Religion wieder individuell charakterisiert und doch sind alle zugleich durch Andersgläubigkeit zusammengeschlossen, während allen der Weg zur Wahrheit durch Bekehrung offensteht. Heiden können durch die Taufe, Häretiker 144
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Augustinus, Sermo 71, ed. P. Verbraken, in: Revue Bénédictine 75, 1965, S. 87: de nullo enim desperandum est, quamdiu patientia dei ad poenitentiam adducit, nec de hac uita rapit impium, qui non uult mortem impii, quantum ut reuertatur et uiuat. paganus est hodie: unde scis, utrum sit futurus crastino christianus? Iudaeus infidelis est hodie: quid si cras credat in Christo? haereticus est hodie: quid si cras sequitur catholicam ueritatem? schismaticus est hodie: quid si cras amplectatur catholicam pacem? Ebd. S. 71: nam quicumque uerbo Dei crediderunt, ut catholici fierent, utique aut ex paganis, aut ex Iudaeis, aut ex haereticis in gratiam Christi pacemque uenerunt. Danach Hrabanus Maurus, Commentaria in Ecclesiasticum 5,1, Sp. 903 BC. Coelestin I., ep. 21,11, Sp. 535 B: Cum enim sanctarum plebium praesules mandata sibimet legatione fungantur, apud divinam clementiam humani generis agunt causam, et tota secum Ecclesia congemiscente, postulant et precantur ut infidelibus donetur fides, ut idololatrae ab impietatis suae liberentur erroribus, ut Iudaeis, ablato cordis velamine, lux veritatis appareat, ut haeretici catholicae fidei perceptione resipiscant, ut schismatici spiritum redivivae charitatis accipiant, ut lapsis poenitentiae remedia conferantur, ut denique catechumenis ad regenerationis sacramenta perductis coelestis misericordiae aula reseretur. Vgl. Petrus Lombardus, Collectanea in omnes Pauli apostoli epistolas. In epistolam ad Ephesios 4, Sp. 205 D: Si enim nosti qualis sit futurus apud Deum, forte qui modo Iudaeus est vel paganus vel haereticus, per misericordiam Dei ita convertetur ad Deum, ut inter sanctos recumbat.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
durch Buße gerettet werden, meint Humbert von Silva Candida.146 Hermannus Judaeus bestätigt das an sich selbst, sei er doch mit derselben Leichtigkeit bekehrt worden, mit der schon so häufig viele Ungläubige, Juden oder Heiden plötzlich und unerwartet zum katholischen Glauben übergetreten seien, die gestern noch ungläubig, heute aber gläubig und unsere Miterben seien.147 Die christliche Mission erhält hier ihre Aufgabe. So erstaunt es nicht, daß man Heiden durchweg von der Existenz und Macht Gottes, der Ohnmacht der – als Dämonen gedeuteten – heidnischen Götter und der Nichtigkeit der von Menschen gemachten Idole zu überzeugen sucht, argumentativ ebenso wie durch Tatmission und Wunder, und daß man Juden von der Gottheit Christi überzeugen will. Aus dieser Sicht scheint es aber auch bezeichnend, daß die ganze Schuld des muslimischen Irrglaubens auf Mohammed selbst abgeladen wird, der eben kein Prophet ist, sondern als heuchlerischer Betrüger gilt und (wie Häretiker) andere in die Irre geleitet hat. Somit sind auch Muslime (wie Häretiker) verführt worden und können wie diese und die unwissenden Heiden jederzeit (wieder) den Weg zum wahren Glauben finden (wie es etwa Petrus Venerabilis nahelegt).
7. Christliches Selbstverständnis: Heilsbewußtsein und Intoleranz? In der – pauschalen ebenso wie konkreten – Abgrenzung aller anderen Religionen vom Christentum und in der christlichen Wahrnehmung anderer Religionen spiegeln sich stets bezeichnende Aspekte des christlichen Selbstverständnisses; in der bewußten Abwertung etabliert sich gleichzeitig christliche Identität. Sie gipfelt in dem Bewußtsein, die einzig wahre und heilbringende Religion zu sein. Seelenheil und Erlösung stehen nach Ansicht der christlichen Autoren nämlich nur den (guten) Christen zu und sind nur über die Kirche zu erreichen.148 Das werde allen Gläubigen gepredigt, meint 146
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Humbert von Silva Candida, Adversus simoniacos 2,16, S. 158: Et tamen superiores doemonibus in hoc sunt, quia et pagani per baptismum et heretici forsan per poenitentiam salvari possunt. Hermannus Iudaeus, Opusculum de conversione sua, S. 69: Non enim ea facilitate conversus sum, qua multos sepe infideles sive Iudeos sive paganos ad fidem catholicam repentina et inopinata mutatione converti videmus, ut quos heri perfidos dolebamus, hodie fideles et nostros in gratia Christi factos coheredes gaudeamus. Vgl. Beda Venerabilis, Expositio in Lucae evangelium 5,17,14 (oben Anm. 14).
7. Christliches Selbstverständnis: Heilsbewußtsein und Intoleranz?
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Hrabanus Maurus: „Wer dem Wort Gottes glaubt, werde erlöst; wer hingegen nicht glaubt oder aber den Glauben durch schlechte Werke zerstört, ist in Ewigkeit verdammt.“149 Diese Perspektive erklärt zugleich, weshalb schlechte Christen in den vergleichenden Aufzählungen immer wieder mit den Ungläubigen in einem Atemzug genannt werden konnten. Wer sein Leben außerhalb der römischen Kirche beendet, wie alle Heiden ebenso wie alle Juden, Häretiker und Schismatiker, wandert nach Ivo von Chartres ins ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist.150 Alle anderen sind folglich von der Seligkeit ausgeschlossen, die nur Christen offensteht. „Die wahre Religion findet sich nicht in der Verwirrung der Heiden, nicht im Auswurf der Häretiker, nicht in der Lauheit der Schismatiker und nicht in der Blindheit der Juden, sondern nur bei denen, die katholische oder rechtgläubige Christen genannt werden, also den Bewahrern der Unversehrtheit, die das Richtige befolgen,“
lehrt Augustin.151 Nur Christen stehen in vollem Licht, bekräftigt Bischof Gaudentius von Brescia ebenfalls zu Beginn des 5. Jahrhunderts.152 Die Traktate und Religionsgespräche, die sich weit mehr an die Mitchristen als an die Andersgläubigen richten, sind mit ihrem Ziel, den anderen Glauben (oder bestimmte Glaubenselemente) zu widerlegen, daher zugleich lebendige Zeugnisse solcher Selbstvergewisserung, die offensichtlich als entsprechend
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Hrabanus Maurus, In honorem sanctae crucis 2,7, S. 242: Omnibus fidelibus hoc cotidie praedicatur nec non et paganis et falsis christianis et hereticis cum summa modestia et patientia intimatur. Qui ergo crediderit uerbo Dei saluabitur; qui autem non crediderit aut prauis operibus fidem destruxerit, in aeternum damnabitur. Ivo von Chartres, Decretum 1,38 (De haereticis et schismaticis), Sp. 76 B: Firmissime tene et nullatenus dubites non solum omnes paganos, sed et omnes Iudaeos, haereticos atque schismaticos, qui extra Ecclesiam catholicam finiunt vitam, in ignem aeternum ituros, qui paratus est diabolo et angelis eius. Augustinus, De vera religione 5,9, ed. Klaus-Detlev Daur, CCL 32, Turnhout 1962, S. 194: neque in confusione paganorum neque in purgamentis haereticorum neque in languore schismaticorum neque in caecitate Iudaeorum quaerenda religio est, sed apud eos solos, qui Christiani catholici uel orthodoxi nominantur, id est integritatis custodes et recta sectantes. Gaudentius von Brescia, Tractatus Paschales. Tractatus 1. In Exodum Nocte Vigiliarum De Paschae Observatione, ed. Ambrosius Glück, CSEL 68, Wien-Leipzig 1936, S. 23: Et modo quidem ad comparationem Iudaeorum atque gentilium, qui in profunda nocte incredulitatis demersi cognoscuntur, et ad eorum comparationem, qui in hereseon caligine ac nocte luxuriae demorantur, nos videmur esse et plane sumus in luce; sed ipsi dies nostri quibusdam nebulis praetexuntur et non habent serenitatis laetitiam dicente propheta: ‚Dies mei sicut umbra declinaverunt‘ (Ps 101,12).
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
notwendig erachtet worden ist. Bei aller Polemik gegenüber den Andersgläubigen begründen und rechtfertigen sie tatsächlich die wesentlichen Glaubenselemente des Christentums, voran den Glauben an den einen Gott, die Gottessohnschaft Christi und die Trinitätslehre. Wenn man allerdings behauptet hat, sie seien einem Gefühl der Unterlegenheit gegenüber Byzanz oder dem Islam entsprungen,153 dann mag das als moderner psychologischer Erklärungsansatz einer Überprüfung wert sein, doch wären sich die christlichen Autoren des Mittelalters dessen jedenfalls ganz und gar nicht bewußt gewesen: Ob zutreffend oder nicht, waren sie vielmehr zutiefst von der Richtigkeit des eigenen Glaubens (und folglich von der Falschheit der anderen Religionen) und somit von der eigenen Überlegenheit und Heilsgewißheit überzeugt. Eine Toleranz im aufgeklärten Sinn einer Anerkennung anderer Religionen als – seligmachende – Religion oder zumindest im Sinn einer gänzlich unbeeinträchtigten Duldung anderer Religionen ist bei einer solchen Überzeugung, daß der richtige Glaube nicht nur für das persönliche Seelenheil, sondern für das Heil der Welt insgesamt ausschlaggebend ist, weder zu erwarten noch möglich. Eine solche Einstellung führt vielmehr zwangsläufig zur Konfrontation: gegenüber den anderen Heilsreligionen mit gleichem Anspruch, aber auch gegenüber dem gentilen Heidentum, das man zu bekehren trachtete. Vor diesem Hintergrund mutet es fast um so erstaunlicher an, daß trotz der religiösen Konfrontation immer auch ein koexistentes Auskommen und ein unbefangener praktischer Umgang miteinander, zumal gegenüber Griechen, Juden und Muslimen, möglich erscheint. Das resultiert einmal aus der in den obigen Kapiteln dokumentierten Beobachtung, daß die religiöse Differenz eben doch nicht das einzige Handlungs- und Bewertungskriterium ist (und Schrift und Handlung gehen hier oft genug auseinander). Es erwächst aber auch aus dem mittelalterlichen Verständnis von „Toleranz“, das sich nicht zuletzt im Begriffsgebrauch erschließt, den Klaus Schreiner umfassend analysiert hat154 und demzufolge man etwas dulden
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Vgl. Blanks/Frassetto, Introduction, in: Blanks/Frassetto (Hg.), Western Views of Islam S. 3f., zu dieser These Richard William Southerns; Alexander Fidora (in einem Interview, zitiert bei: Bellmann, „Orientierungen“ S. 166f.). Vgl. Klaus Schreiner, Toleranz, in: Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 6, 1990, S. 445–605; Ders., „Tolerantia“. Begriffs- und wirkungsgeschichtliche Studien zur Toleranzauffassung des Kirchenvaters Augustinus, in: Alexander Patschovsky/ Harald Zimmermann (Hg.), Toleranz im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 45), Sigmaringen 1998, S. 335–389; zum Verhältnis von mittelalterlichem und modernem
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konnte, ohne es in seinem Wert anzuerkennen. Zu Recht hat Schreiner davor gewarnt, dem Mittelalter Toleranz abzusprechen, weil die Wirklichkeitsbefunde nicht unseren Konzepten entsprechen. (Vor dieser Prämisse müßte man dem Mittelalter sonst jeglichen Anteil an anthropologischen Sachverhalten abstreiten.) Es muß vielmehr darum gehen, die mittelalterlichen Vorstellungen, in diesem Fall von „Toleranz“, zu erkunden, um sie anschließend mit unseren zu vergleichen. Tolerantia und tolerare beschreiben nach Schreiner auch im Mittelalter durchaus Sachverhalte im Umkreis der Duldung kultureller und religiöser Alterität, stehen dem modernen Toleranzkonzept semantisch also nicht völlig fern. Bei den Kirchenvätern (von Cyprian bis Augustinus) wird „Toleranz“ sogar zu einer christlichen Tugend im Umkreis der Nächstenliebe (caritas). Heiden, Juden und Irrlehren, so Augustin, haben nämlich ihren Zweck; die Heiden dienen der katholischen Kirche als Gegenstand ihrer Aktivität (also als Missionspotential), die Häretiker zur Erprobung ihrer Dogmen, die Schismatiker als Beweis ihrer Beständigkeit, die Juden zum Vergleich ihrer Schönheit.155 Augustin, der im Verlauf seiner umständlichen Bekehrungsgeschichte selbst mehreren Häresien nahegestanden hatte, betrachtet diese als Herausforderung für den wahren Glauben (und somit als nützlich für die Kirche).156 (Es ist aber wiederum bezeichnend, daß Augustin sich gleichzeitig für eine rigorose Verfolgung der Donatisten eingesetzt hat.) Im 9. Jahrhundert rät Hrabanus Maurus: „Die Guten ahme nach; die Schlechten ertrage; liebe alle, weil du nicht weißt, wie sich morgen derjenige verhält, der heute schlecht ist.“157 So sehr selbst die Streitschriftenverfasser im Zeitalter des Investiturstreits für die Ziele der Kirchenreform eintreten, plädieren auch sie – mit Berufung auf Augustin – immer wieder für eine Duldung der Abweichler. „Damit nicht der Name Christi durch schreckliche Spaltungen geschändet wird, erdulden sie um des Gutes der Einheit willen, was sie wegen des Gutes der Billigkeit hassen,“ schreibt
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Toleranzbegriff ebd. S. 381ff. Schreiners Studie sind auch die meisten der folgenden Belege entnommen. Augustinus, De vera religione 6,10, S. 194: Vtitur enim gentibus ad materiam operationis suae, haereticis ad probationem doctrinae suae, schismaticis ad documentum stabilitatis suae, Iudaeis ad comparationem pulchritudinis suae. Vgl. Ders., De civitate Dei 16,2, S. 499. Hrabanus Maurus, De ecclesiastica diciplina 1, Sp. 1216 B: Ergo bonos imitare, malos tolera; omnes ama, quoniam nescis quid cras futurus sit qui hodie malus est. Vgl. Schreiner, „Tolerantia“ S. 355f. Der Text folgt Augustinus, De catechizandis rudibus 27,55,15, S. 178.
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Kapitel 6: Vergleichende Schlußbetrachtung
der ansonsten gewiß nicht sonderlich kompromißbereite Bernold von St. Blasien.158 Die Kirche „litt unter der Verfolgung und wuchs in ihrer Geduld; sie litt unter der subtilen Falschheit der Häretiker und wuchs in ihrer Weisheit; sie litt unter falschen Brüdern und Heuchlern und wuchs in ihrer Duldung“, schreibt noch im 12. Jahrhundert Anselm von Havelberg.159 Mittelalterliche „Toleranz“ ist daher – im Wortsinn – „Duldung“ im Sinne von (leidendem) Ertragen von Übeln und falschen Religionen (nach Christi Vorbild) und nutzt den Christen. Sie ist somit jedoch wiederum mindestens ebenso auf sich selbst wie auf den anderen gerichtet, nicht aber Billigung oder vorbehaltlose Anerkennung des anderen und schon gar nicht des anderen Glaubens.160 Wenn in jüngerer Zeit daher immer wieder von Toleranz im Mittelalter die Rede ist 161 und man auch im Mittelalter zuletzt mehr Toleranz hat finden wollen als bisher angenommen,162 dann geschieht das eben in dem dargelegten, eingeschränkten Sinn als geduldige Duldsamkeit gegenüber Fehlern und Irrungen (und eher gegenüber einzelnen Personen als gegenüber einem anderen Glauben schlechthin).163 Allerdings bleibt auch die Duldung ein Ideal, das nicht durchweg der Praxis entspricht.
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Bernold von St. Blasien, Apollogeticus super excommunicationem Gregorii septimi, ed. Friedrich Thaner, MGH Ldl 2, Hannover 1892, S. 164: quoniam ne nomen Christi per horribilia scismata blasphemetur, pro bono unitatis tolerant, quod pro bono aequitatis oderunt. Bernold folgt hier Augustinus, ep. 43,8,21, CSEL 34,2, S. 103, an Eleusius und Gramatinus. Anselm von Havelberg, Antikeimenon 1,11, Sp. 1158 A: Laboravit Ecclesia in persecutione et crevit in patientia; laboravit in haereticorum subtili fallacia et crevit in sapientia; laboravit in falsis fratribus et hypocritis et crevit in tolerantia. Vgl. Schreiner, Tolerantia S. 381. Vgl. vor allem Patschovsky/Zimmermann (Hg.), Toleranz im Mittelalter. Zur Intoleranz gegenüber Heiden in Spätantike und Patristik vgl. Pier Franco Beatrice (Hg.), L’intolleranza cristiana nei confronti dei pagani (Collana di studi religiosi), Bologna 1990, mit Aufsätzen unter anderem zu Firmicus Maternus (Leslie W. Barnard) und Augustinus (Françoise Thelamon). Zum heidnischen Vorwurf christlicher Intoleranz vgl. François Paschoud, L’intolleranza cristiana vista e giudicata dai pagani, in: ebd. S. 151–188. Vgl. die Zusammenfassung von Alexander Patschovsky, Toleranz im Mittelalter. Idee und Wirklichkeit, in: Patschovsky/Zimmermann (Hg.), Toleranz S. 391–402. In solchem Verständnis kann Johannes Laudage, Gregor VII. – ein intoleranter Papst?, in: ebd. S. 53–73, sogar fragen, ob nicht selbst der als besonders rigoros bis fanatisch geltende Gregor VII. ein toleranter Papst gewesen sei.
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Einige der obigen Zitate erklären eine solche Duldung und einen zwanglosen Umgang miteinander darüber hinaus aus dem in allen Kapiteln festgestellten Glauben, daß alles Existente seinen Sinn im göttlichen Heilsplan haben muß, sei es als Strafe für die sündigen Christen (wie Niederlagen gegen Heiden und Muslime), sei es zur Schärfung des eigenen Glaubens (wie bei der Abgrenzung von Juden und Häretikern, die zugleich eine Bedrohung der Kirche darstellen). Aus solchem Denken heraus hat man, im Sinne des Apostelwortes Oportet ut haereses esse, Häresien an sich in ihrer Existenz anerkennen können, um sie in ihrer Konkretisierung gleichzeitig strikt zu bekämpfen und zu unterdrücken,164 mußte die religiöse Judenpolemik nicht zwangsläufig zu Pogromen führen, sondern konnte einen zeitweise unbefangenen Umgang miteinander erlauben. Nicht zuletzt dieses Nebeneinander von Polemik und Verfolgung auf der einen und Duldung und realer Koexistenz auf der anderen Seite ist ein wesentlicher Faktor mittelalterlicher religiöser Vorstellungen. „Toleranz“ ist in ihrem Verständnis zeitabhängig und daher zugleich ein gutes Beispiel, um die ganze Unterschiedlichkeit moderner und mittelalterlicher Begrifflichkeit und Vorstellungswelt zu verdeutlichen. Mit der Toleranz (und mit dem Heidenbild an sich) haben wir gewissermaßen einen Bogen geschlagen von den eigenen religiösen Vorstellungen zur Sicht der anderen und darin wesentliche Kennzeichen mittelalterlicher Religiosität aufdecken können. Religiöse Toleranz ist nicht einfach eine Errungenschaft der Moderne oder der Aufklärung mit ihrem säkularisierten Denken, sie ist vielmehr erst dann möglich, wenn der Glaube nicht mehr der entscheidende Faktor ist: Religiöse Toleranz ist immer auch eine Folge religiöser Gleichgültigkeit und keineswegs eine unumkehrbare Entwicklung. Fundamentalistische Bewegungen zeigen vielmehr, daß eine religiöse Toleranz auch heute noch keine Selbstverständlichkeit ist, und man wird sogar Indizien dafür namhaft machen können, daß religiöse Intoleranz auch in der westlichen Gesellschaft noch keineswegs überwunden ist. Auf anderen Gebieten neigen
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Zu Versuchen und Grenzen religiöser Toleranz in der Politik am Beispiel des hochmittelalterlichen Sizilien: Hubert Houben, Möglichkeiten und Grenzen religiöser Toleranz im normannisch-staufischen Königreich Sizilien, in: Deutsches Archiv 50, 1994, S. 159–198, mit dem Ergebnis, daß die normannischen Herrscher gegenüber Muslimen und Juden nur so lange tolerant blieben, wie diese ihnen nützlich waren, und die Toleranz mit zunehmender Latinisierung zugunsten einer Unterdrückung der arabischen Kultur abnahm.
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wir auch heute vielfach zu erschreckend wenig Toleranz (ob nun gegenüber Rauchern oder Andersdenkenden in Politik, Sport oder Reisetourismus). Einem religiös motivierten Zeitalter wie dem Mittelalter konnte der richtige Glaube hingegen nicht unwichtig sein. Es konnte vielleicht zwanglos fremde, auch andersgläubige Könige anerkennen und sogar mit ihnen paktieren, weil es nämlich kein modernes Volks- und Nationsbewußtsein gab, nicht aber vorbehaltlos andere Religionen anerkennen, auch wenn die These Jan Assmanns, daß Monotheismus per se zur Gewalt neige, in dieser Allgemeinheit gewiß überzogen ist und der räumlichen und zeitlichen Differenzierung bedarf.165 Der Alleinvertretungsanspruch, der sich im Christentum auf alle Menschen bezieht, macht das abendländische Christentum, also dort, wo es die Mehrheitsreligion bildet, in religiöser Hinsicht (und nur darum kann es hier gehen!) zumindest aber gewaltbereiter als die heidnischen polytheistischen Kulturen der früh- und hochmittelalterlichen Umgebung (denen die Christen ihrerseits Grausamkeit vorwerfen). Religion ist, etwa in Form der Zwangsbekehrungen von Heiden und Juden, jedenfalls immer wieder als Legitimation von Gewalt benutzt worden. Insofern erscheint es, noch einmal, eher bemerkenswert, wenn man sich im Mittelalter überhaupt mit der Frage der Duldung Andersgläubiger befaßt hat und hier keineswegs von vornherein und durchweg auf rigorosen Methoden beharrte. Andernfalls wäre etwa ein Zusammenleben von Christen und Juden in den mittelalterlichen Städten kaum möglich gewesen. Gregor von Tours, der immer wieder versucht hat, Andersgläubige zum katholischen Christentum zu bekehren, zögert doch nicht, auf den Wunsch des Königs hin einen jüdischen Kaufmann zu segnen, mit dem er zuvor einen religiösen Disput
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Jan Assmann, Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München-Wien 2003. Vgl. dazu, neben anderen: Friedrich Wilhelm Graf, Der eine Gott in vielerlei Gestalt. Die konfliktreiche Pluralisierungsdynamik in den drei monotheistischen Weltreligionen, in: Lothar Gall/Dietmar Willoweit (Hg.), Judaism, Christianity, and Islam in the Course of History: Exchange and Conflicts (Schriften des Historischen Kollegs 82), München 2011, S. 1–17, besonders S. 11ff. In weitem Rahmen behandelt das Verhältnis von Gewalt und Toleranz im Christentum: Arnold Angenendt, Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert, Münster 42008. Ohne die Existenz religiöser Gewalt in weiten Teilen der Geschichte zu bestreiten, sucht Angenendt zu zeigen, daß christliche Toleranz möglich und theologisch bereits in der menschlichen Ebenbildlichkeit Gottes angelegt ist.
7. Christliches Selbstverständnis: Heilsbewußtsein und Intoleranz?
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geführt hatte.166 Daß man trotz aller Abgrenzung vom anderen Glauben und dessen strikter Nichtanerkennung als gültige Religion dennoch ein Miteinander für möglich hielt und praktizierte, macht tatsächlich ein nicht unwesentliches Moment religiöser Vorstellungen und, auf dieser Wurzel, des Umgangs der Religionen miteinander im frühen und hohen Mittelalter aus. Solange es nicht zu akuten Bedrohungen kam – und das wird man im Hinblick auf die fernen Welten des Islam und Byzanz vielfach annehmen dürfen –, konnte man sich durchaus gegenseitig „respektieren“, ohne den anderen Glauben anzuerkennen (und selbst die Kreuzzüge wollten weder die Muslime bekehren noch sie ausrotten, sondern die heiligen Stätten für das Christentum zurückgewinnen, auch wenn die Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen, zunächst gewiß alles andere als tolerant erscheinen). Wo ein Zusammenleben erforderlich war, in Kontaktzonen wie in Spanien, aber auch in den Kreuzfahrerstaaten, zwischen Islam und Christentum, auf dem Balkan zwischen katholischen und orthodoxen Christen oder im ganzen Abendland (mit Ballungszonen) zwischen Juden und Christen, herrschte trotz aller (latenten bis offenen) Spannungen ein zumeist friedliches Miteinander, indem man die andere Religion als Minderheit zwar abwies, aber doch, allerdings ohne gleichzeitige soziale Gleichstellung, duldete. Das gilt für die Juden im Abendland ebenso wie für Juden und Christen im islamischen Spanien. Zugleich bekämpfte man die anderen Religionen mit Worten (und manchmal auch nicht mehr nur mit Worten), weil sie letztlich eine Gefahr für den eigenen (richtigen) Glauben darstellten. Beides ist offenbar nur in modernen Augen ein Paradoxon. Wenn die antijüdischen Schriften aber mehr der eigenen Selbstvergewisserung als einer unmittelbaren Kampfansage dienen, mag sich auch das aus den mittelalterlichen Vorstellungen heraus erklären. Religion ist im Mittelalter allgegenwärtig, aber nicht allein bestimmend, weil Nichtreligiöses in die Vorstellungswelt (auch die religiöse) untrennbar aufgenommen wird. Das bewirkt oder erlaubt eine Vielfalt religiöser Vorstellungen, thematisch wie auch in internen Diskussionen. Bei allen hier behandelten Aspekten erkennen wir eine Vielfalt unterschiedlicher Einflüsse und Elemente, die doch stets zu einem einheitlichen „System“ zusammengeflochten werden. Darin zeigt sich – daraus fast zwangsläufig folgend –, wie zeitgemäß sich diese Religiosität ausprägt, wie „weltlich“ oder auch: pragmatisch sie sich ausgestaltet. Damit spiegeln die
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Gregor von Tours, Historiae 6,5, S. 268.
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Ergebnisse des Projekts zugleich die ausgesprochen zeitgemäßen, spezifisch (früh- und hoch-)mittelalterlichen Wahrnehmungen und Einstellungen wider, die sicherlich keine Handlungsmuster für die Gegenwart bereitstellen, deren Berücksichtigung in unserem Bewußtsein aber nicht nur ein Wissen um die Historizität geschichtlicher Vorgänge verankert, sondern damit auch Möglichkeiten eröffnet, heutige Probleme um das Verhältnis der Religionen „historischer“, differenzierter und damit gewiß auch angemessener zu betrachten.
Verzeichnisse
1. Abkürzungsverzeichnis AA SS Abhh. AKG Bd. CCL CCM CSEL dmgh EME Erg.-Bd. FC FSGA JMH MA MGH
Migne PL MPH s.n. ND RGA RHE
Acta Sanctorum Abbhandlung(en) Archiv für Kulturgeschichte Band Corpus Christianorum. Series Latina Corpus Christianorum. Continuatio mediaevalis Corpus scriptorium ecclesiasticorum latinorum digitale Monumenta Germaniae Historiae Early Medieval Europe Ergänzungsband Fontes Christiani Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe Journal of Medieval History Le Moyen Âge Monumenta Germaniae Historica Conc. Concilia DD Diplomata Epp. Epistolae Epp. Sel. Epistolae selectee Ldl Libelli de lite LL nat. Germ. Leges nationum Germanicarum Poetae Poetae latini medii aevi QGG Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters SS Scriptores SSrG Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum SS rer. Lang. Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum Jacques Paul Migne: Patrologiae cursus completus … Series Latina Monumenta Poloniae Historica Series nova Nachdruck Reallexikon der germanischen Altertumskunde Revue d’histoire ecclésiastique
834 RHC Hist. Occ. SSCI SC TRE VSWG ZfG ZHF ZKG
Verzeichnisse Recueil des historiens des croisades, Historiens occidentaux Settimane di studi del Centro Italiano di studi sull’alto medioevo Sources Chrétiennes Theologische Realenzyklopädie Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift für Kirchengeschichte
2. Quellenverzeichnis Abaelard, Collationes, ed. Rudolf Thomas, Stuttgart-Bad Cannstadt 1970; (ed. Carla Trovò, Mailand 1992; ed. Hans-Wolfgang Krautz, Gespräch eines Philosophen, eines Juden und eines Christen, Frankfurt/M.-Leipzig 1995). Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, ed. Bernhard Schmeidler, MGH SSrG 2, Hannover-Leipzig 31917. Adamnan von Iona, De locis sanctis ex relatione Arculfi episcopi Galli, Migne PL 88, Paris 1850 (ND Turnhout 1967), Sp. 779–830. Adefonsi tertii chronica. Version Rotensis, ed. Juan Gil Fernandez (Publicaciones del Departamento de Historia Medieval/Universidad de Oviedo 11), Oviedo 1985. Adelphus, Vita Mahumeti, ed. Bernhard Bischoff, Ein Leben Mohammeds (Adelphus?) (Zwölftes Jahrhundert), in: Ders. (Hg.), Anecdota novissima. Texte des vierten bis sechzehnten Jahrhunderts (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 7), Stuttgart 1984, S. 106–122. Ademar von Chabannes, Chronicon, ed. Pascale Bourgain (unter Mitarbeit von Richard Landes und Georges Pon), CCM 129, Turnhout 1999. Ademar von Chabannes, Predigten (Deutsche Staatsbibliothek, MS. Lat. 1664, zitiert nach Frassetto, Pagans, Heretics, Saracens, and Jews). Ado von Vienne, Chronicon, Migne PL 123, Paris 1852 (ND Turnhout 1970), Sp. 23–138. Adso von Montierender, De ortu et tempore Antichristi, ed. Daniel Verhelst, CCM 45, Turnhout 1976. Aelred von Rievaulx, Compendium speculi caritatis, ed. Charles Hugh Talbot, CCM 1, Turnhout 1971, S. 171–238. Aelred von Rievaulx, Homiliae de oneribus propheticis Isaiae, ed. Gaetano Raciti, CCM 2D, Turnhout 2005. Aelred von Rievaulx, Sermones, ed. Gaetano Raciti, CCM 2A, Turnhout 1989. Aelred von Rievaulx, Speculum charitatis, ed. Roel Vander Plaetse, CCM 1, Turnhout 1971. Aeneas von Paris, Liber adversus Graecos, Migne PL 121, Paris 1852, Sp. 683–764. Agobard von Lyon, Contra praeceptum impium de baptismos Iudaicorum mancipiorum, ed. Lieven van Acker, CCM 52, Turnhout 1981, S. 183–188. Agobard von Lyon, De Iudaicis superstitionibus et erroribus, ed. Lieven van Acker, CCM 52, Turnhout 1981.
Quellenverzeichnis
835
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Verzeichnisse
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Verzeichnisse
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Verzeichnisse
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Verzeichnisse
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Verzeichnisse
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Remigius von Auxerre, Homiliae, Migne PL 131, Paris 1853 (ND Turnhout 1967), Sp. 865–932. Richard von St. Viktor, In Apocalypsim, Migne PL 196, Paris 1855 (ND Turnhout 1967), Sp. 683–888. Richard von St. Viktor, Liber exceptionum, ed. Jean Chatillon (Textes philosophiques ˆ ge 5), Paris 1958. du Moyen A Richer von Reims, Historiae, ed. Hartmut Hoffmann, MGH SS 38, Hannover 2000. Rimbert, Vita Anskarii, ed. Georg Waitz, MGH SSrG 55, Hannover 1884, S. 1–79. Robertus de Monte, Cronica, ed. Ludwig Conrad Bethmann, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 475–535. Robertus monachus (Robert von Saint-Remi), Historia Iherosolimitana, RHC Hist. Occ. 3, Paris 1866, S. 727–882. Rodulf Glaber, Historiae, ed. John France, Oxford 1989. Rolandslied, ed. Dieter Kartschoke, Das Rolandslied des Pfaffen Konrad (Reclams Universal-Bibliothek 2745), Stuttgart 1993; ed. Friedrich Maurer (Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen. Geistliche Dichtung des Mittelalters 5), Leipzig 1940 (ND Darmstadt 1964); ed. Carl Wesle, 3. Aufl., besorgt von Peter Wapnewski (Altdeutsche Textbibliothek 69), Tübingen 1985. Rudolf von Fulda, Translatio s. Alexandri, ed. Georg Heinrich Pertz, MGH SS 2, Hannover 1829, S. 673–681. Rudolf von Fulda, Vita Leobae, ed. Georg Waitz, MGH SS 15,1, Hannover 1897, S. 118–131. Rufinus, Expositio symboli, ed. Marius Simonetti, CCL 20, Turnhout 1961, S. 125–182. Rupert von Deutz, Annulus sive dialogus inter Christianum et Iudaeum, Migne PL 170, Paris 1894 (ND Turnhout 1967), Sp. 559–610. Rupert von Deutz, Commentaria in Apocalypsim, Migne PL 169, Paris 1854 (ND Turnhout 1965), Sp. 825–1214. Rupert von Deutz, Commentaria in Canticum canticorum, ed. Rhaban Haacke, CCM 26, Turnhout 1974. Rupert von Deutz (?), Commentaria in evangelium sancti Iohannis, ed. Rhaban Haacke, CCM 9, Turnhout 1969. Rupert von Deutz, Commentaria in s. Iob, Migne PL 168, Paris 1893 (ND Turnhout 1967), Sp. 963–1196. Rupert von Deutz, Commentarii in duodecim prophetas minores, Migne PL 168, Paris 1893 (ND Turnhout 1967), Sp. 9–840. Rupert von Deutz, De gloria et honore filii hominis super Matthaeum, ed. Rhaban Haacke, CCM 29, Turnhout 1979. Rupert von Deutz, De glorificatione trinitatis et processione sancti spiritus, Migne PL 169, 1854 (ND Turnhout 1965), Sp. 13–202. Rupert von Deutz, De sancta trinitate et operibus eius, ed. Rhaban Haacke, CCM 21–24, Turnhout 1971–72. Rupert von Deutz, De victoria verbi Dei, ed. Rhaban Haacke, MGH QGG 5, Weimar 1970. Rupert von Deutz, Liber de divinis officiis, ed. Raban Haacke, CCM 7, Turnhout 1967.
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3. Literaturverzeichnis Im gleichen Kapitel oder unter allgemeinen und übergreifenden Werken mehrfach genannte Sammelbände sind einzeln aufgeführt, Beiträge darin nur mit Kurztitel zitiert.
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Register
Das Register mittelalterlicher Autoren umfaßt nur solche Autoren, deren Werke ausdrücklich zitiert sind, einschließlich der Belege, an denen die Personen nicht als Autoren erwähnt sind, und schließt die Anmerkungen (ohne eigene Kennzeichnung) ein. Erwähnungen in Literaturtiteln sind nicht berücksichtigt. Die kurzen Erläuterungen dienen lediglich der Identifizierung und nicht einem Personenkommentar. Wenn nicht anders angegeben, bezieht sich der Amtssitz auf die Herkunftsbezeichnung im Namen. Das Gleiche gleichermaßen für das Personenregister, das die mittelalterlichen Personen enthält. Verwendete Abkürzungen: A. = Abt abb. = abbas/abbatis Äbt. = Äbtissin ags. = angelsächsisch ahd. = althochdeutsch Ap. = Apostel arab. = arabisch arian. = arianisch assyr. = assyrisch B. = Bischof b. = bei bibl. = biblisch burg. = burgundisch byz. = byzantinisch ca. = circa Chron. = Chronist/Chronik D. = Diakon dän. = dänisch dt. = deutsch E. = Ende Eb. = Erzbischof engl. = englisch ep. = episcopus/episcopi fatimid. = fatimidisch frk. = fränkisch frz. = französisch Fs. = Fürst G. = Graf Gel. = Gelehrter
Gem. = Gemahlin germ. = germanisch Gesch. = Geschichte/Geschichtsgot. = gotisch gr. = griechisch H. = Hälfte Här./här. = Häretiker/häretisch Hl. = Heiliger Hz. = Herzog ir. = irisch isl. = islamisch ital. = italienisch Jh. = Jahrhundert jüd. = jüdisch K. = Kaiser Kan. = Kanoniker kar. = karolingisch Kard. = Kardinal Kg. = König Kl. = Kloster Kler. = Kleriker Kz. = Kreuzzug L. = Lehrer lang. = langobardisch M. = Mönch merow. = merowingisch mhd. = mittelhochdeutsch
Mt. = Mutter myth. = mythisch N. = Nonne oder Kanonisse n. = nach Norm./norm. = Normannen/normannisch norw. = norwegisch P. = Papst Patr. = Patriarch Pr. = Priester Praem. = Prämonstratenser röm. = römisch russ. = russisch s. = siehe S. = Sohn schwäb. = schwäbisch schwed. = schwedisch slaw. = slawisch spät. = spätestens/späteres span. = spanisch st. = seit syr. = syrisch T. = Tochter v. = von oder vor Übers. = Übersetzer V. = Vater venezian. = venezianisch Vf. = Verfasser Zist. = Zisterzienser
1. Register der mittelalterlichen Autoren und anonymen Schriften (erstellt von Julia Reymers) Adam v. Bremen († v. 1085), Domscholaster 11, 14, 42, 49f., 52, 55, 58, 63, 68, 75, 83, 87, 89, 91, 93, 99, 102, 105, 107, 111–114, 116, 120f., 129, 131f., 137, 143–145, 148, 151, 156, 158–160, 170f., 173–177, 182f., 192f., 197, 214f., 224f., 690, 754 Adaman v. Hy (ca. 624–704), A. v. Iona st. 679 553 Adefonsi tertii chronica (Chronik Alfons III. v. Asturien) 172, 236, 261, 264, 278, 291, 333, 335f., 358 Adelphus, Vf. einer metrischen Mohammedvita (12. Jh.) 252, 308, 312f., 356, 375 Ademar v. Chabannes (ca. 988–1034), M. u. Dekan in St. Martial in Limoges 19, 35, 40, 378, 508, 535, 581, 667, 713, 743, 781, 812f., 816 Ado v. Vienne (ca. 800–875), Eb. st. 859/60 85, 89f., 98, 148, 252, 263, 289, 322, 525, 527–531, 558, 714 Adso v. Montierender (910/915– 992), A. spät. st. 968 532 Aeddi (Eddius) Stephanus, s. Stephanus Aelred v. Rievaulx (ca. 1110–1167), Zist.-A. st. 1147 35, 428, 434, 463, 469–473, 512, 522, 527, 534, 537, 796f., 817 Aeneas v. Paris († 870), B. st. 856 720f., 740f., 743, 746, 750 Aethicus Ister (Mitte 8. Jh.), angebl. Vf. einer Kosmographie 215 Agobard v. Lyon (ca. 769–840), Eb. st. 816 253, 455–460, 464f., 480–484, 487, 502, 535, 545, 550, 565, 568–570, 613, 625, 711, 774, 783 Aimoin v. Fleury (ca. 965–n. 1008), M. u. Gesch.schreiber 344 Alanus v. Lille (Alanus ab Insulis; ca. 1125/30–1203), L. in Paris 262, 350f., 379f., 519, 630 Albarus/Alvarus, s. Paulus Alvarus
Albert v. Aachen (1. H. 12. Jh.), Kz.Chron. 37, 236, 259f., 265, 339, 344f., 353, 372–374, 379, 544, 562f., 754 Aldhelm v. Sherborne (ca. 640–709), A. v. Malmesbury st. 675 35, 42 Alger v. Lüttich († ca. 1131/32), L.; st. 1121 M. in Cluny 667, 734–736 Alkuin (ca. 730–804), ags. Gel., A. v. Tours st. 796 54f., 37, 72, 80f., 86, 90, 92, 102f., 109, 114, 129, 134, 137, 144f., 148, 153, 156, 168f., 188f., 192, 200, 265, 279f., 437, 440, 462, 472, 526, 528, 532, 552f., 601–603, 606f., 614, 630, 636, 639, 652, 657, 663, 744, 807, 809f. Alpert (Alpertus) v. Metz (n. 1021/25), M. in St. Symphorian in Metz 439, 508f., 511f. Altfrid († 849), B. v. Münster st. 839 46, 90–92, 128f., 148, 150, 168f., 172f., 177f. Amalar v. Metz (ca. 775–850), Eb. v. Trier st. 809 746, 806f., 819 Ambrosiaster (4. Jh.), Exeget 538, 654, 691 Ambrosius (ca. 339–397), B. v. Mailand st. 374 36, 538, 645, 654 Ambrosius Autpertus († 784), A. v. San Vincenzo b. Capua 789, 796 Amulo (Amolo) v. Lyon († 852), Eb. st. 831 69, 166, 437, 455, 457, 484–486, 550, 774 Anastasius Bibliothecarius (811/812–879), päpstl. Bibliothekar 170, 302–304, 323–325, 326, 400, 706, 715, 750, 759 Andreas v. Bergamo (spät. 9. Jh.), Gesch.schreiber 277, 280, 338, 359 Andreas v. St. Viktor († 1175), Kan. in Paris 35f., 461, 528, 531, 540, 567 Angelomus v. Luxeuil (* ca. 850), M. u. Exeget 487, 552, 606 Annales Altahenses (Altaicher Annalen) 360–362
Register der mittelalterlichen Autoren und anonymen Schriften Annales Augienses 437 Annales Bertiniani, s. auch Hinkmar v. Reims u. Prudentius v. Troyes 27, 101, 120, 131–133, 170, 179, 209, 257f., 262f., 268–270, 275– 278, 280f., 288f., 291, 338, 353, 434, 437–439, 462, 710 Annales Egmundani 428, 506 Annales Einsidlenses 437 Annales Fuldenses 101, 119f., 122, 131–133, 170, 225, 262, 269, 272, 277, 281, 286, 338, 399 Annales Hildesheimenses 49 Annales Magdeburgenses 304, 764f. Annales Mettenses 150, 269, 273, 279 Annales regni Francorum 86, 100, 104, 132, 256, 258, 263, 268f., 273, 276, 280f., 288, 430, 713f., 759 Annales sancti Rudberti Salisburgenses 751 Annales Vedastini 120, 131–133, 172f. Annales Xantenses 120, 131–134, 148, 173, 225, 268, 277, 281, 322f., 338 Annalista Saxo 259 Ansegis († 833), A. v. Fontanelle st. 822 429 Anselm v. Canterbury (ca. 1033–1109), Eb. st. 1093 392, 508–510, 515, 518, 525, 693, 716f., 722f., 726, 731f., 816 Anselm v. Havelberg (ca. 1099–1158), B. st. 1129 28, 125f., 645, 660, 662f., 725–729, 732–734, 737f., 748, 751, 760f., 828 Anselm v. Laon († 1117), L. an d. Domschule 45f., 75, 541, 633 Arbeo v. Freising († 783), B. st. 764/765 146, 171, 178, 205, 208 Archanaldus v. Angers (Ps.-Venantius Fortunatus) (9./10. Jh.), M. in St. Martin b. Tours, Vf. d. Mauriliusvita 157 Arnobius iunior (d. Jüngere) (Mitte 5. Jh.), Asket in Rom 552, 585, 586 Arnold v. Lübeck (ca. 1211/14), A. st. 1177 u. Gesch.schreiber 11, 14, 265, 340 Astronomus, Vf. d. Vita Ludwigs d. Frommen 257f., 263, 268, 270, 276, 279
915
Atto v. Vercelli († v. 964), B. st. 924 58, 118, 542, 616, 632, 791, 795, 811, 819 Audoin (Ouen) v. Rouen († 684), B. st. 640/41 57, 157, 160f., 205f. Audradus Modicus (v. Sens) (9. Jh.), M. in St. Martin b. Tours, Chorb. st. 847/848 75, 141 Augustinus (354–430), B. v. Hippo Regius st. 396 35, 37, 43, 69, 73f., 123, 200, 414, 417, 420, 424f., 427, 440, 461, 463, 470–472, 490, 503, 510, 515, 520f., 523, 525f., 531, 533f., 537, 550–553, 555, 573, 585–588, 600, 610, 619f., 623, 626, 627, 632, 634–636, 642, 662, 722, 745, 797f., 800, 804, 807f., 817f., 823, 825–828 Avitus v. Vienne (ca. 460–518), B. st. 490 98, 146, 482, 613, 656, 660, 670 Balderich v. Bourgueil (1046–1130), B. v. Dol-de-Bretagne st. 1107 260, 264, 373, 816 Balduinus de Forda († ca. 1190), Eb. v. Canterbury st. 1184 736 Beda Venerabilis (673/674–735), M. u. Gel. in Jarrow 27, 36f., 44, 46, 48f., 54, 70, 75f., 82f., 87–89, 94–97, 99, 102, 108, 110, 117f., 121f., 124f., 127–130, 137, 142f., 148f., 168, 172, 175, 182, 189, 205, 222, 247, 248, 250–252, 285f., 368, 434, 436, 440, 463, 466, 471, 474f., 480, 486, 517, 520f., 523, 529, 533, 548–550, 553–555, 581, 599, 601–603, 606, 608, 611, 614–616, 620, 622, 633, 654f., 659f., 690, 740, 757, 784, 789, 791, 806, 808–811, 814, 820, 824 Benedictus Levita (9. Jh.), Vf. einer Kapitulariensammlung 289 Benedikt v. Aniane (Witiza, lat. Euticius) (ca. 750–821), Reform-A. 715, 816 Berengar v. Tours (ca. 1000–1088), M. u. Gel. (verurteilt) 534, 579, 619f., 632–635, 652, 805 Bern v. Reichenau (978–1048), A. st. 1008 640 Bernhard v. Clairvaux (1090–1153), A. st.
916 1115 329, 380, 383, 385, 433, 435, 470, 563f., 585, 646, 766, 789, 800 Bernold v. St. Blasien (v. Konstanz; 1100), M. 369, 511, 640, 642, 756, 828 Bonifatius (672/675–754), ags. Missions-B. 41–45, 57, 65f., 68, 76, 82, 85, 89–92, 96, 102, 108f., 116, 123, 127, 136f., 140, 143–145, 148, 152f., 156, 161–163, 167, 169, 175, 179f., 196, 208, 213, 276f., 288f., 435, 475, 578, 643, 755 Bonizo v. Sutri (Mitte 11. Jh.), B. st. spät. 1078 122, 602, 645 Brun v. Querfurt (ca. 974–1009), Missions-Eb. d. Polen st.1004 40, 118, 170, 359 Bruno d. Kartäuser (ca. 1030–1101), Begründer d. Kartäuserordens 147, 540–544, 602, 607, 609, 622, 629f., 637, 639, 657, 673, 817f., 820 Bruno v. Asti (1040/50–1123), B. v. Segni st. 1079/80 534, 536, 607–609, 615f., 629, 645f., 650, 652, 656f., 661, 734, 811, 817, 822 Bruno v. Merseburg (11. Jh.), Vf. d. Buchs vom Sachsenkrieg 122, 172 Bruno v. Würzburg († 1045), B. st. 1034 601, 612, 623, 666, 669, 816 Burchard v. Bellevaux (12. Jh.), Biograph Bernhards v. Clairvaux 433 Burchard v. Straßburg (ca. 1175–1194), Gesandter Friedrich Barbarossas, Vf. e. Reisebeschreibung 343 Burchard v. Worms (ca. 965–1025), B. st. 1000 35, 58, 155, 451f., 643, 658 Caesarius v. Arles (ca. 470–542), B. st. 502 154, 203, 213, 470, 482, 523, 536 Capitula de examinandis ecclesiasticis 54 Capitula Vesulensia 156 Capitulare de Iudeis 453f. Capitulatio de partibus Saxoniae 52, 94, 151, 158, 167, 209 Carmen de sancto Landberto (9. Jh.) 140, 150
Register Carmen in victoriam Pisanorum (ca. 1088) 356 Cassiodor (ca. 485–580), Amtsträger u. Gel. im Ostgotenreich 36, 424, 433, 435, 451, 469, 472, 474f., 479, 512, 521f., 528, 532, 537, 541, 554, 636, 761, 811, 820 Christian Druthmar v. Corvey († 1046), A. st. 1015 262, 461 Christian v. Stablo († n. 880), M. u. Exeget 739 Chromatius v. Aquileja (ca. 345–ca. 407), B. st. ca. 388 522, 534, 551f. Chronica Byzantia–Arabica (Chronik von 741) 255, 263, 294f., 316–319 Chronica monasterii Casinensis, s. auch Leo u. Petrus v. Montecassino 255, 258, 279, 291, 379, 765f. Chronica Muzarabica (Chronik von 754) 256f., 263f., 295, 308, 317–319, 331, 468 Chronica s. Benedicti Casinensis 277 Chronicon Albeldense (881/883) 253f., 258, 264, 295, 332, 334f., 434, 531 Chronicon comitum Capuae 265 Chronicon Ebersheimense (12. Jh.) 35 Chronicon Laureshamense (12. Jh.) 436 Chronicon Moissiacense (9. Jh.) 276, 336, 558, 782 Chronicon Salernitanum (10. Jh.) 255, 379, 696 Chronicon Wirziburgense (11. Jh.) 400 Claudius v. Turin († ca. 827), B. st. ca. 817 u. Exeget 434 Clemens, ir. Gel. 75, 147 Cnutonis regis gesta 189 Codex Carolinus 749, 752f., 762 Columban (d. Jüngere) (ca. 543–615), ir. M. u. Missionar 67, 85, 146, 153, 464, 466 Constitutio Hludowici de Hispania Secunda 339 Cosmas v. Prag (ca. 1045–1125), Pr. u. Gesch.schreiber 59, 151, 188, 209, 562 Crisconius (Cresconius) Africanus
Register der mittelalterlichen Autoren und anonymen Schriften (6. Jh.?), Vf. e. Kirchenrechtssammlung 37 Cronica Profética 335 Cyprian (ca. 200/210–258), B. v. Karthago 36, 482, 664, 827 Cyprianus, Firminus, Viventius, Bb. (6. Jh.), Vf. d. Caesariusvita 161 Deusdedit († 1098/99), röm. Kard.pr. v. S. Pietro in Vincoli 152, 695 Dhuoda, westfr. G.in, Vf.in d. Liber manualis (841/843) 429 Dialogus inter Christianum et Iudeum de fide Catholica 510 Ebo v. Michelsberg (12. Jh.), Vf. e. Vita B. Ottos v. Bamberg 87, 112, 186 Egbert v. York († 766), Eb. st. 735 143, 737 Eigil (ca. 750–822), A. v. Fulda st. 818 104, 144f., 150, 169, 172 Einhard (770–840), Biograph Karls d. Gr. 75, 104, 177, 269, 275, 711f. Ekkehard IV. v. St. Gallen (ca. 980/990–1056), M. u. Gel. 175, 226, 265, 274, 286f., 400 Ekkehard v. Aura († n. 1125), Fortsetzer Frutolfs 162, 326, 361, 369f., 376, 645 Elipandus v. Toledo (716–798), Metropolitanb. st. ca. 750 578, 625, 648, 818 Embricho v. Mainz (ca. 11 Jh.), Vf. e. Mohammedvita 240, 308, 312f., 377, 400f. Epistola de Frederici imperatoris expeditione sacra 259 Epistola de sacramentis haereticorum 791, 820 Epistolae ad divortium Lotharii II pertinentes 101, 133, 172 Epistolae selectae pontificum Romanorum 713, 716 Epistolae variae Carolo Magno regnante scriptae 42, 75, 147 Epistula Sidonis 114 Epistulae ad Fulgentium 790f.
917
Erchempert v. Montecassino (9. Jh.), M. u. Gesch.schreiber 255f., 277, 281f., 288 Ermenrich v. Ellwangen (ca. 814–874), M. 221 Ermoldus Nigellus (9. Jh.), Kler. am Hof Pippins v. Aquitanien 140 Eucherius v. Lyon (ca. 380–449), B. st. ca. 434 251 Eugenius II. († 657), Metropolitanb. v. Toledo st. 646 157, 743 Eulogius v. Córdoba († 859), Pr. 245f., 261, 293, 295f., 320, 584 Eusebius v. Caesarea (ca. 260/264–ca. 339/340), B. st. ca. 313 u. Gel. 527, 529 Eusebius Gallicanus (8. Jh.), Vf. e. Predigtsammlung 548 Eusebius v. Vercelli (ca. 283–370), B. 467f. Expositio Pauli epist. ad Romanos (12. Jh.) 427, 472 Facundus v. Hermiane, B. (6. Jh.) 761 Felix v. Urgel († 818), B., Vertreter d. Adoptianismus 578, 614 Firmicus Maternus (4. Jh.), röm. Senator u. Christ 434, 448, 548, 551, 828 Firminus, s. Cyprianus Flodoard v. Reims (893/94–966), Pr. u. Gesch.schreiber 110, 116f., 119, 160, 271, 450, 658f. Florus v. Lyon († ca. 860), D. 457, 487, 584, 619, 625f., 636, 660, 670, 807, 811 Formulae Imperiales 454 Fredegar (7. Jh.), Gesch.schreiber 35, 56, 79, 85, 98, 140, 164, 170f., 177, 188, 247, 252–255, 263, 268, 273–275, 278f., 285, 307, 321f., 344, 352, 379, 426, 428, 444, 529f., 558f., 692 Frulandus v. Murbach (11. Jh.), Bearbeiter d. Leudegarvita 805 Frutolf v. Michelsberg († 1103), M. u. Gesch.schreiber 252, 255, 292, 303–306, 326, 337, 376, 378, 400, 428, 466f., 529, 562, 692
918 Fulbert v. Chartres (ca. 960/970–1028), B. v. Reims st. 1006 489–494, 512, 529 Fulcher v. Chartres (1059–1127), Pr. u. Kz.chron. 240, 339, 404 Fulgentius v. Ruspe (ca. 467–533), B. st. ca. 507 474, 760, 790 Garnerius v. St. Viktor († 1170), Subprior in St. Victor in Paris 537 Gelasius I. (?) († 496), P. st. 492 658 Gennadius v. Marseille († ca. 495/505), M. u. Gel. 636 Gerbert v. Aurillac (ca. 950–1003), Gel., Eb. v. Reims u. Ravenna, als P. Silvester II. 489, 640 Gerhoh v. Reichersberg (1092/93–1169), Propst 36, 45, 75, 124, 126, 167, 208, 215, 256, 428, 533, 538, 541, 551, 580f., 641, 645f., 662f., 670, 756f., 791f., 800 Gesta abbatum Fontanellensium (9. Jh.) 189, 279 Gesta Dagoberti 321f., 558f. Gesta episcoporum Cameracensium 36, 38, 148 Gesta episcoporum Tullensium 169 Gesta episcoporum Tungrensium, Traiectensium et Leodiensium 116 Gesta Francorum et aliorum Hierosolimitanorum 259f., 264, 286, 291f., 353–355, 371f., 379 Gesta Manassis et Walcheri 130 Gesta pontificum Autissiodorensium 601 Gesta Treverorum 42, 159, 440 Gilbert Crispin (ca. 1045–1117), A. v. Westminster st. 1085 507–509, 511–513, 515, 519, 569 Glossa Ordinaria 542–544, 621, 637f., 665, 671, 810, 818 Gocelinus, M., Vf. e. Augustinvita 551 Gottfried v. Admont (ca. 1100–1165), A. st. 1138 471, 484, 532, 554 Gottfried v. Vendôme (ca. 1070–1132), A. 28, 584, 601, 641–644, 653, 655
Register Gottfried v. Viterbo (ca. 1125–1192/1200), ksl. Hofkaplan 309, 314 Gottschalk v. Orbais (806/808–866/870), M. u. Här. 579, 636 Gratian († ca. 1150), Kanonist 70, 155, 435f., 447, 449f., 525, 553f., 564, 637, 653, 664, 667, 756, 758 Gregor I., d. Große (ca. 540–604), P. st. 590 34, 45f., 48, 50, 65, 89, 95, 108, 142, 164f., 176, 191, 194, 414, 435–437, 440, 445, 448, 450, 466, 469, 479f., 527f., 539f., 547–549, 558, 585, 590–595, 597, 600–602, 605f., 610f., 617, 621, 625, 628, 639f., 653, 656f., 678, 738, 704, 747, 792, 807f. Gregor II., P. (715–731) 44, 65f., 76, 713 Gregor III., P. (731–741) 57, 145, 161, 213, 267, 683, 711 Gregor VII. (um 1020/25–1085), P. st. 1073 67, 130, 190, 284, 330, 344, 644, 730, 759f., 807, 810, 828 Gregor v. Tours (538/39–593), B. st. 573 28, 32, 35, 41, 44, 54, 63f., 70f., 74, 76–81, 85, 88, 97f., 116, 123f., 126f., 138f., 146f., 149f., 154, 156f., 168f., 171, 188, 200, 212f., 221, 420, 430–432, 442f., 452f., 469, 472, 476–478, 485, 487, 495, 506f., 513, 557f., 571, 585, 595–600, 606, 613, 662, 668, 783, 822, 830f. Guibert v. Nogent (ca. 1055–1125), A. st. 1104 259f., 311f., 315f., 329, 357, 359, 373, 376, 508, 510, 525, 556, 622, 649, 754, 759 Hadrian I., P. (772–795) 284, 602f., 683, 713, 740, 753, 757 Hadrian II., P. (867–872) 133, 285, 846 Hadrian IV., P. (1154–1159) 285 Halitgar v. Cambrai († 831), B. st. 817 211f. Haymo v. Auxerre (Mitte 9. Jh.), Kl.-L. u. Exeget 37, 39, 44–46, 37, 39, 46, 69, 82, 153, 164, 176, 253f., 352, 379, 487,
Register der mittelalterlichen Autoren und anonymen Schriften 521f., 601–603, 615, 617, 621, 623–626, 628, 630, 637, 650–656, 658, 661f., 664f, 669, 796, 805, 810, 812f., 815, 817, 819f., 821 Heimo v. Bamberg (ca. 1085–1139), Kan. in St. Jakob 428 Heiric v. Auxerre (841–n. 875), Kl.-L. 435, 475, 485, 528, 552 Helmold v. Bosau (ca. 1120–1177), Pr. u. Gesch.schreiber 11, 14, 49, 51, 58, 87, 102, 105f., 111, 113f., 129, 145, 147f., 150–153, 156, 159, 164f., 169, 172f., 176, 182, 185f., 193, 204, 215, 370, 743f. Herbord v. Michelsberg († 1168), M. u. Biograph B. Ottos I. v. Bamberg 38, 77, 83, 149, 186f., 193, 224 Heriger v. Lüttich († 1007), A. v. Lobbes st. 990 116 Hermannus Iudaeus (ca. 1107/08–1181), Vf. e. Konversionsgesch. 38, 503–507, 510, 565, 824 Hermann v. Reichenau, „der Lahme“ (1013–1054), M. u. Gel. 255, 291, 344, 437, 530f., 558, 655 Hervaeus (Heriveus) v. Reims (ca. 900), Eb. 155, 189 Herveus v. Déols (Bourgdieu) († ca. 1149/ 50), M. u. L. 48, 534, 544, 807 Heterius u. Beatus v. Osma (8. Jh.) 155, 189 Hieronymus (347/348–419/420), Pr. u. Gel. 35, 164, 248f., 252f., 427, 435f., 446f., 457f., 464f., 473f., 481, 520f., 527–529, 548f., 551f., 555f., 589, 612f., 622, 626, 633, 639, 662, 665, 743, 760, 768, 805 Hilarius v. Arles, (401–449), B. st. 429/30 468 Hildebert v. Lavardin (1056–1134), B. v. Le Mans st. 1085, Eb. v. Tours st. 1125 46f., 312, 612, 693, 812 Hildegard v. Bingen (1098–1179), N. in Disibodenberg 165, 468, 470, 473, 538, 555 Hildesheimer Briefe 645
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Hinkmar v. Reims († 882), Eb. st. 845, vgl. auch Annales Bertiniani 40, 131–133, 140, 155f., 170, 179, 195, 197, 462, 601f., 612, 614f., 635–637, 657f., 664–666, 710, 805 Historia Compostellana 255 Historia de expeditione Frederici 35 Honorius Augustodunensis (ca. 1080– ca. 1156), M. 34f., 124–126, 136, 151f., 154, 165, 167, 177, 195, 201f., 512, 517, 581, 613, 621, 629, 638, 646f., 655, 657, 662f., 795, 810, 819 Hrabanus Maurus (ca. 780–856), A. v. Fulda, Eb. v. Mainz st. 847 27, 33, 35, 37–39, 41, 49, 52f., 67f., 70, 75, 117f., 134, 148, 154, 160, 165–167, 192, 195, 200, 206, 252f., 256, 261, 424, 428, 435, 464f., 469f., 475, 486f., 539f., 549f., 601–603, 605–607, 609, 611f., 614f., 617, 620–623, 625–627, 636, 649–651, 654–657, 663–665, 667–670, 673, 691, 748, 790, 792, 798f., 806, 808f., 813, 815–823, 825, 827 Hrotsvith v. Gandersheim (ca. 935–975), N. u. Dichterin 280, 357 Hucbald v. Saint–Amand (ca. 840–930), M., L, Hagiograph 138 Hugeburg v. Hohenheim (7. Jh.), N. 96, 139, 209, 248, 266f., 278, 338, 399 Hugo v. Flavigny (1065–1114), A. st. 1096 37, 48, 306–308, 810 Hugo v. Fleury († ca. 1118/1135), M. u. Gesch.schreiber 195, 298, 303, 305–307, 340, 344, 347, 470, 566 Hugo v. Lyon (ca. 1040–1106), Eb. st. ca. 1082 38 Hugo v. St. Viktor († 1141), Kan., L. in Paris 38, 43, 70, 125, 197, 255, 310, 512, 517, 584f., 621, 642, 650, 653, 662f., 666, 669, 753f., 795, 810, 813, 819, 820 Humbert v. Moyenmoutier († 1061), Kard.b. v. Silva Candida st. 1050 28, 42, 167, 176, 601f., 608, 637, 641, 646, 666, 669, 730f., 737, 763–765, 799f., 812, 814–816, 819, 824
920 Ildefons v. Toledo (ca. 607–667), Eb. st. 657 298, 524 Irenäus v. Lyon († n. 200), B. st. 177 573, 577 Isidor v. Sevilla (ca. 560– 636), B. st. 599/600 u. Gel. 15, 36, 38–41, 43–45, 50, 58, 74, 115, 124f., 129, 150, 248, 251–253, 256, 298, 301, 320, 419f., 426f., 447f., 460, 462–469, 476, 479, 489f., 517, 535, 539, 549–551, 554f., 558, 585–589, 596, 600–602, 605f., 610, 613, 618, 623, 625–627, 630f., 633, 638, 650, 653, 656f., 659, 664f., 668, 714f., 743, 786, 789, 798, 808, 815, 820 Istoria de Mahomet 295f., 308 Iudicium poenitentis 659, 736 Ivo v. Chartres (ca. 1040–1115/16), B. st. 1090 8, 620, 625, 825 Jakob v. Vitry (1160/70–1240), B. v. Akkon 1216–1225, Kard. v. Tusculum st. 1228 264 Johannes VIII., P. (882–882) 37, 133, 167, 169, 195, 228, 252, 282–285, 338, 358, 379, 708–710, 750, 763 Johannes Canaparius (11. Jh.), Vf. d. Vita Adalberts v. Prag 430, 444f. Johannes Chrysostomus († 407), B. v. Konstantinopel 800 Johannes Codagnellus († n. 1235), Kanzler u. Gesch.schreiber in Piacenza 373 Johannes Scotus Eriugena (9. Jh.), Gel. am Hof Karls d. Kahlen 534, 536, 552, 584, 652, 660f., 714, 716, 748, 789 Johannes Smera Polovecius, bulgarischer Leibarzt am Hof v. Kiew (um 988) 744 Johannes v. Damaskus (ca. 650–750), Pr. u. Gel. 242, 246, 294–296, 377f., 403, 802 Johannes v. Metz, Vf. d. Vita Johannes v. Gorze, s. Vita Iohannis abb. Gorziensis Johannes v. Salisbury (1115/20–1180), B. v. Chartres st. 1176 435f. Johannes v. Würzburg (12. Jh.), Kler. u. Vf. e. Reisebeschreibung 343
Register Jonas v. Bobbio († n. 659), M. u. Gesch.schreiber 68, 140, 146, 151, 153, 188 Jonas v. Orléans (v. 780–843), B. st. 818 524, 805 Julian v. Toledo (ca. 622–690), Eb. st. 680 602, 821 Konrad, Pfaffe (12. Jh.), Vf. d. Rolandsliedes 363f. Konstantin v. St. Symphorian in Metz (11. Jh.), A. zw. 1004–1047/1048, Vf. d. Vita B. Adalberos II. v. Metz 454 Lampert v. Hersfeld (v. 1028–n. 1081), M. u. Gesch.schreiber 171, 189f., 338, 360–362, 640 Landulf (d. Ä.) v. Mailand († n. 1085), Gesch.schreiber 742, 756, 807 Landulfus Sagax (v. 1023), südital. Gesch.schreiber 75, 153, 261, 279, 303f., 306, 308, 323, 325–328, 338–340, 378, 400, 782, 803 Lanfrank v. Canterbury (ca. 1010–1089), Eb. st. 1070 579, 615, 645, 658 Leges Visigothorum 434, 444–448, 460 Leidrad v. Lyon († n. 816), B. st. 797/89 813 Leo I., P. (440–461) 612f., 678, 788f. Leo III., P. (795–816) 283, 644, 713, 716, 724 Leo IV., P. (847–855) 154f., 277, 285, 400 Leo IX., P. (1049–1054) 640, 734, 764f. Leo v. Montecassino, M. u. Gesch.schreiber, s. auch Chronica monasterii Casinensis 765f. Liber de unitate ecclesiae 650 Liber historiae Francorum 35, 40, 146 Liber Nicolai (späte Mohammedvita) 316 Liber pontificalis 285, 339, 400, 688f., 692 Liber quare 748 Libri Carolini, s. Opus Caroli regis contra synodum
Register der mittelalterlichen Autoren und anonymen Schriften Liutprand v. Cremona (ca. 920–970/972), B. st. 961 17, 121, 132, 170, 200, 258, 263, 270–272, 275, 278f., 281, 286, 289f., 323, 339, 666, 683, 689, 694–699, 700–705, 739, 759, 768 Ludwigslied (ahd.) 114 Lukas v. Túy († 1249) B. st. 1239 298–301, 305–307, 320f. Lupus v. Ferrières (ca. 805–862), A. u. Gel. 44, 132 Manegold v. Lautenbach († n. 1103), L. u. Propst v. Marbach 38, 43, 135, 195, 201 Marbod v. Rennes (ca. 1035–1123), B. st. 1096 u. Dichter 654 Marianus Scot(t)us (1028–1082), ir. M. in Köln, Fulda u. Mainz 358, 371, 437 Matthäus Paris (ca. 1200–1259), M. u. Gesch.schreiber 420f. Maximus v. Turin († zw. 408 u. 423), B. st. 389 449 Micrologus de ecclesiasticis observationibus 736 Nikolaus I. (ca. 820–867), P. st. 858 35, 50, 101, 114, 121f., 133, 159, 172, 195, 228, 462, 538, 634, 678, 683, 689, 706–708, 710, 747, 750, 763, 768, 770, 772 Notker Balbulus (ca. 840–912), M. in St. Gallen 56, 168, 229, 254, 269f., 430, 432, 694f. Odilo v. Cluny (ca. 961/62–1049), A. st. 994 271, 278, 544, 545 Odo v. Cambrai († 1113), B. (1105–1110) 510 Odo v. Cluny (ca. 878–942), A. st. 927 46, 48, 176, 611, 621, 628, 656f. Odorannus S. Petri Vivi (Saint-Pierrele-Vif in Sens) (985–1046), M. 611 Opus Caroli regis contra synodum (Libri Carolini) 36, 40, 52, 176, 206, 659f., 711f. Opus Toletanum 381
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Ordericus Vitalis (1075–1142), M. u. Gesch.schreiber 35, 158, 259, 264 Origenes (ca. 185–ca. 254), gr. Exeget 74, 463f., 552 Orosius (380/385–ca. 418), span. Pr. u. Gesch.schreiber 41–43, 72–74, 77, 115, 245, 321, 326, 577, 589 Otloh v. St. Emmeran (1010–n. 1079), L. u. Dekan 66, 162, 166, 168, 200, 556, 794f. Otto v. Freising (ca. 1112–1158), B. st. 1138 37, 51, 125f., 147, 167f., 201, 258f., 263f., 291, 309, 339, 344f., 359, 370, 376f., 526, 530, 532, 552, 556, 558, 563f., 580, 621, 663, 739, 811f., 822 Paschasius Radbertus (ca. 790–ca. 865) A. v. Corbie (843/44–851) 36, 346f., 400, 451, 529, 579, 601, 607, 666, 782 Pasionario Hispanico 307 Passio Christophori 129, 147 Passio Kiliani martyris Wirziburgensis 74 Passio s. Iuliani martyris 147 Passio Thiemonis 357 Paulinus v. Aquileja (v. 750–802), Patriarch st. ca. 787 462, 611, 617f., 651 Paulus Alvarus (ca. 800–861), M. in Córdoba 245–247, 261, 293, 378, 438, 584 Paulus Diaconus (720/730–ca. 799) lang. M. u. Gesch.schreiber 43, 45, 51, 89, 129, 140, 152, 258, 262, 265, 273, 277, 286, 322, 326, 379, 599, 755f. Peter Abaelard (1079–1142), L. in Paris 35, 47f., 198, 253, 420, 426, 514–519, 526, 579, 580, 690, 717, 724, 807 Peter Tudebode (12. Jh.), Pr. u. Kz.chron. 260, 264, 357, 371–373 Petrus Alfonsi (ca. 1075–1130), jüd. Gel. u. Konvertit 240, 247, 261, 263, 295, 297–299, 310, 340f., 350f., 380–383, 393, 395, 400, 402, 415, 459, 497–499, 504, 509f., 565, 657 Petrus Cantor († 1197), L. u. Kan. in Paris 35
922 Petrus Crassus (11. Jh.), Rechtsgel. in Ravenna 47 Petrus Damiani (1007–1072), Kard.-B. v. Ostia st. 1057 44f., 56f., 148, 167, 235, 486, 489, 495–497, 499, 537, 550, 601, 611, 615, 634, 637, 641–643, 800 Petrus Lombardus (ca. 1095–1160), Leiter d. Domschule v. Notre Dame, B. v. Paris st. 1159 66, 70, 147, 202, 544, 601, 603, 638, 642, 667, 717f., 724, 807, 823 Petrus v. Montecassino (ca. 1107–1159), M. u. Gesch.schreiber, s. auch Chronica monasterii Casinensis 724 Petrus Venerabilis (1092/94–1156), A. v. Cluny st. 1122 19, 35, 240, 248, 285–287, 309–311, 315, 329f., 340f., 344, 350, 353, 356, 377, 380–397, 400, 402–406, 459, 499–503, 524, 526, 529, 538, 546, 571, 581, 790, 793f., 801, 803, 824 Pfaffe Konrad, s. Konrad Philipp v. Harvengt (ca. 1100–1183), Präm.-A. v. Bonne-Espérance (1156/57–1182) 35, 742 Placidus v. Nonantula (12. Jh.), M. u. Streitschriften-Vf. 195 Poeta Saxo 76, 103, 145 Primasius (Mitte 6. Jh.), B. v. Hadrumetum (Sousse in Tunesien) 796, 808, 811, 818 Privilegium maius (unechtes Diplom Friedrichs I.) 429 Prosper Tiro v. Aquitanien (ca. 390–463), Sekretär P. Leos I. u. Gesch.schreiber 807 Prudentius v. Troyes († 861), B. st. ca. 846, s. auch Annales Bertiniani 101, 114, 120, 131, 209, 289, 352, 417, 434, 437, 806 Prüfeninger Vita Ottos v. Bamberg 38, 44, 87, 93, 112, 117, 119, 147, 149, 156, 158 Ps.-Alkuin (9. Jh.), Vf. e. Vita Antichristi 532
Register Ps.-Beda Venerabilis 807 Ps.-Walahfrid Strabo, s. Glossa ordinaria Quodvultdeus (4./5. Jh.) B. v. Karthago 466, 470, 554f. Radulf v. Bourges (ca. 800–866), B. st. 840 155 Radulf v. Caen (ca. 1080–1130), norm. Gesch.schreiber 357 Radulphus Ardens (ca. 1140–ca. 1200), frz. Gel. im Dienst d. engl. Kg.s Richard I. 46, 539, 619, 654 Rahewin († 1170/1177), Kan. in Freising u. Gesch.schreiber 259, 345, 346 Raimund v. Aguliers († ca. 1100), Kz.Chron. 235, 371 Rather v. Verona (887–974), B. (931–934, 946–948, 962–968), B. v. Lüttich (953–55) 435, 469, 475, 688 Rathramnus v. Corbie († ca. 870), M. u. Gel. 706, 718–720, 739–742, 744–746, 749f., 806 Regensburger Rhetorische Briefe 199 Regino v. Prüm (ca. 840–914), A. (892–899) 41, 54, 90, 101, 110, 114f., 117f., 121, 131, 133, 157f., 169, 179, 189, 210–212, 258, 262, 273f., 277, 280, 286, 289, 322, 444, 559, 601 Relatio episcoporum ad Hludowicum imperatorum (829) 194, 640, 819 Remigius v. Auxerre (ca. 841–908), M. u. L. in Saint-Germain d’A. 164, 535, 602, 612, 624, 626, 637, 660, 665, 805, 811 Responsio contra Graecorum haeresim de fide sancte˛ trinitatis 721f., 739–741, 743–745, 747, 762 Richard v. St. Viktor († 1173), Prior st. 1162 601f. Richer v. Reims (2. H. 10. Jh.), M. in Saint-Remi u. Gesch.schreiber 640 Rimbert (ca. 830–888), Eb. v. Hamburg u. Bremen 14, 52, 54, 58, 68, 72, 75, 83, 95, 99f., 107–109, 131, 137, 151f., 156, 159, 169, 223–225, 228
Register der mittelalterlichen Autoren und anonymen Schriften Robert v. Torigny (Robertus de monte, † 1186), A. v. Mont-Saint-Michel st. 1154, Fortsetzer Sigeberts v. Gembloux 751 Robert v. Reims (Robertus monachus) (Anf. 12. Jh.), Kz.-Chron. 264, 370 Rodrigo Jiménez de Rada (1170–1247), Eb. v. Toledo st. 1208 240, 399 Rodulf Glaber (ca. 985–1047), burg. M. u. Gesch.schreiber 254, 263, 278, 290, 302, 308, 346, 355, 428, 433f., 473f., 489, 494f., 545f., 555, 561, 601, 624, 661, 756–758 Rolandslied 363–369, 398 Rudolf v. Fulda († 865), M. u. Hagiograph 145, 197 Rufinus v. Aquileia, (ca. 345–411/412), M.-Gel. u. Übers. 464, 552 Ruotger († n. 968/969), M. in Sankt Pantaleon in Köln 688 Rupert v. Deutz (1075/80–1129/39), A. v. St. Heribert st. 1120 33–36, 126, 201, 354, 420, 504–506, 510, 512, 535–537, 539f., 554, 581, 601–603, 611, 618f., 626, 628, 638, 655, 660f., 664f., 691, 734f., 738, 747f., 760–762, 766f., 792f., 796, 810, 816f., 820 Saba Malaspina (ca. 1250–1297/98), päpstl. Sekretär u. Gesch.schreiber 379, 632f. Salvian v. Marseille (ca. 400–n. 470), Pr. 47, 123f., 172, 190f., 475, 522f., 585, 589f., 600, 610, 625, 627f., 648f., 668, 788, 807 Samson v. Córdoba († 890), A. 245f., 261 Samuel Marochianus (Ende 11. Jh.), jüd. Konvertit aus Marokko 341–343 Saxo Grammaticus (ca. 1150–1220), dän. Gesch.schreiber u. Kler. im Dienst des Eb. v. Lund 74, 141, 150, 182, 186f. Sedulius Scottus (Mitte 9. Jh.), ir. Gel. 35, 464, 525, 630 Sigebert v. Gembloux (ca. 1028–1112), M. u. Gesch.schreiber 303–305,
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326–328, 337f., 356, 370, 378, 400, 451, 764f., 751, 756 Smaragd v. Saint-Mihiel († ca. 830), A. st. spät. 809 46, 537f., 630 Suger v. St.-Denis (1081–1151), A. st. 1122 373 Taio v. Zaragoza († spät. 683), B. 601 Tertullian (n. 150–n. 220), christl. Schriftsteller 417 Thegan (ca. 800–849/853), Biograph Ks. Ludwigs d. Fr. 130, 200, 276 Theodulf v. Orléans (ca. 760–821), B. spät. st. 798 169, 200, 712 Theophanes (760–817/818), byz. Gesch.schreiber 294, 302–304, 323, 326, 400, 803 Thietmar v. Merseburg (975–1018), B. st. 1009 14, 43, 58f., 14, 36f., 43, 58f., 111f., 129, 131, 160, 174f., 179, 182f., 198f., 214, 229, 278, 281f., 286, 288, 291, 454f., 532, 693, 695, 744 Translatio s. Alexandri, s. Rudolf v. Fulda Translatio s. Calixti Cisonium 253 Translatio s. Viti 104f. Tultusceptru de libro domni Metobii 295–297 Urban II. (ca. 1035–1099), P. st. 1088 255, 287, 358f., 371, 375, 642, 771 Venantius Fortunatus (v. 540–ca. 600), B. v. Poitiers 440 Vinzenz v. Beauvais (ca. 1200–1264), frz. Dominikaner u. Enzyklopädist 315 Vita Aedwardi regis 259 Vita Amandi 82, 88, 110,119, 148, 151, 156, 169 Vita Antichristi 532 Vita Birini 42, 87 Vita Caesarii ep. Arelatensis 547 Vita Eligii ep. Noviomagensis, s. Audoin v. Rouen Vita Goaris 67 Vita Hugberti ep. Traiectensis 85
924 Vita Iohannis abb. Gorziensis 268, 270, 338, 347–350, 398f. Vita Landiberti ep. Traiectensis 201 Vita Lebuini antiqua 91, 115, 152 Vita Leonardi confessoris Nobiliacensis 41, 48, 79 Vita Leobae, s. Rudolf v. Fulda Vita Leonis IV, s. Liber pontificalis Vita Liudgeri I, s. Altfrid; Vita Liudgeri II 86, 153, 205 Vita Lonoghylii abb. Buxiacensis 107, 148 Vita Lucii confessoris Curiensis 148 Vita Mathildae reginae posterior 37 Vita Pardulfi abb. Waractensis 276, 278–280, 289, 338 Vita Remacli 157 Vita Rimberti 36 Vita Sollemnis ep. Carnoteni 44, 51, 146 Vita Sulpicii ep. Biturigi 559, 819 Vita Vulframni 222 Vita Walarici abb. Leuconaensis 40, 90 Vita Wandregiseli 179 Vita Willehadi 55, 68, 71, 81, 86f., 91, 93, 100, 104, 129, 150, 156, 168 Vitae Audomari, Bertini, Winnoci 49 Viventius, s. Cyprianus Walahfrid Strabo (808/09–849), A. d. Reichenau st. 838 124, 141f., 194, 544 Walter v. Compiègne (spät. 11. Jh.), M. u. Dichter 308
Register Werner v. St. Blasien, A. st. 1170 601, 603, 612, 618, 653f., 656, 795, 822 Wetti († 824), M. u. L. im Kl. Reichenau 85, 91, 160, 172 Widukind v. Corvey († n. 973), M. u. Gesch.schreiber 76, 93, 100, 105, 140f., 147, 169, 188, 206, 268, 271, 278f., 288, 693 Wilhelm v. Champeaux (ca. 1070–1122), L. d. Kathedralschule in Paris 510 Wilhelm v. Jumièges (ca. 1000–1070), norm. M. u. Gesch.schreiber 98 Wilhelm v. Malmesbury (ca. 1090–1143), engl. M. u. Gesch.schreiber 357 Wilhelm v. St.-Thierry (1085/90–1148/49), A. st. 1119/21 461, 475, 533, 788, 807 Wilhelm v. Tripolis (* v. 1220), Dominikaner im Konvent v. Akkon, Vf. d. Tractatus de statu Saracenorum 314f. Wilhelm v. Tyrus (ca. 1130–1186), Eb. seit 1175 u. Gesch.schreiber 37, 240, 264, 287, 314, 404, 562, 754f., 766, 803 Willibald v. Mainz (Mitte 8. Jh.), Kler.; Vf. d. Bonifatiusvita 37, 41, 74, 85, 90f., 93, 96, 107, 109, 129, 139f., 145, 148, 150f., 156, 159–163, 168, 204, 248 Wipo († n. 1046), Hofkaplan u. Gesch.schreiber 49, 59, 117, 119, 475 Wolbero v. St. Pantaleon († 1167), A. st. 1147 804 Wolfram v. Eschenbach (12./13. Jh.), mhd. Dichter 202, 363
2. Personenregister (erstellt von Julia Reymers, Maximilian Zilken u. Natalia Lasarenko) Autoren finden sich im Autorenregister, auch wenn sie im Text nicht als Autor, sondern als historische Persönlichkeiten erwähnt sind. ‘Abd al-‘Aziz, S. Marwa¯ns I. († 716) 317, 331 ‘Abd Alla¯h b. Ali, Abbaside († 764) 317, 319, 325f., 328 ‘Abdalla¯h, S. Abd ar-Rahma¯ns Ben Mu’a¯wiya 263, 268 ‘Abd al-Malik, Kalif (685–705) 317, 319, 324, 327 ‘Abd al-Malik b. Qatan, isl. Gouverneur in Spanien († 747) 332 ‘Anbasa, isl. Machthaber in Spanien (721–726) 331 Abd-ar-Rahma¯n I., isl. Emir in Spanien (756–788) 269, 332, 337 Abd ar-Rahma¯n II., Emir v. Códoba (822–852) 246, 263, 268, 273, 336 Abd ar-Rahma¯n Ben Mu’a¯wiya, isl. Herrscher in Mauretanien 263 Abd-el-Melec, isl. Feldherr in Spanien 336 Abdia, jüd. Häretiker z. Zt. Mohammeds 297 Abdyrama, Kalifensohn 337 Abel, bibl. Gestalt, S. Adams 40, 531, 726 Abraham, bibl. Gestalt 40, 124, 251f., 275, 344, 423f., 427, 463, 527, 554, 556, 563, 609, 618, 659, 695 Abraham, Jude in Regensburg 556 Abu¯ Bakr, Kalif (632–634) 304, 316, 318, 320, 323 Abul Abba¯s, Abbaside (749–754) 325 Abulasar, s. al-Hakam Abu¯ -l-Jatta¯r al-Husam, isl. Feldherr in Spanien 332 Abumarvan, isl. Feldherr in Spanien 276 Abu Thawr, Wali v. Huesca 268 Acacius, s. Akakios Adalbero II. v. Metz, B. (984–1005) 454
Adalbert, Eb. v. Hamburg-Bremen (1043–1072) 768 Adalbert, B. v. Prag (983–997) u. Preußenmissionar 193, 429 Adalbert, S. Berengars II. v. Italien 272 Adalward, Schwedenb. 87 Adam, bibl. Gestalt 588, 616 Adeodatus, S. Augustins 586 Adolf II. v. Schauenburg, G. v. Holstein (1130–1164) 87 Aethelbald, Kg. v. Mercia (716–757) 45, 96 Aethelbert I., Kg. v. Kent († 616/618) 70, 89, 94f., 97 Aethelbert II., Kg. v. Kent (725–762) 148 Aethelberga, T. Aethelberts v. Kent (st. 625) 70 Aethelhard, Eb. v. Canterbury (793–805) 188 Aethelwalch, Kg. v. Sussex († ca. 685) 96 al-Afdal, fatimid. Wesir v. Ägypten (1094–1111) 355, 374 Agapit, P. (946–955) 52 Agar, Magd Abrahams 252 Agila, arianischer B. im Westgotenreich 41, 597f., 668 Aidan, ir. Missionar; B. v. Lindisfarne (635–651) 128, 182 Aizo, Westgote 269, 276 Akakios, Patr. v. Konstantinopel (471– 489) 678 Alarich, westgot. Kg. († 410) 115, 595 Alban, bekehrter Heide 148 Albimor, Schüler Mohammeds 301 Aldebert, Wanderprediger 578 Alexander II., P. (1061–1073) 546f. Alexander, S. d. byz. K. Basilios 710, 750
926 Alfons I., Kg. v. Asturien (739–757) 336 Alfons III., Kg. v. Asturien (866–910) 254f., 261, 296, 333, 335, 358 al-Hakam, s. Hakam Ali, Kalif (656–661) 297, 324 al-Mahdı¯, s. Mahdı¯ al-Mansu¯ r, s. Mansu¯ r al-Muktafı¯, s. Muktafı¯ al-Mumenin, s. Mumenin Alodia, Christenkind 307 al-Sumayl, s. Sumayl al-Walı¯d, s. Walı¯d Amalaswintha, ostgot. Kg.in (526–535) 596 Amandus, frk. Missionar u. Hl. (7. Jh.) 81, 110, 119, 151 Amor-Ibin-Balet, isl. Feldherr in Spanien 336 Amormacha, s. ‘Umar-ibn-Khaled Ansgar, Eb. v. Hamburg (ca. 831–865) 94, 107–109, 137, 184, 223f. Aphrikanos, Afrikanus, christl. Chronist (ca. 160– ca. 240) 527 Apollo, gr. Gott 141, 366, 367 Arculf, Jerusalempilger (7. Jh.) 396 Aristobulus III., jüd. Pr.kg. († 36 v. Chr.) 492, 527 Arius, Pr. in Alexandria, Urheber d. Arianismus († 336) 295, 383, 577, 595, 599, 619, 628, 662, 708 Arnald, Eb. v. Acerenza (1066–1101) 67 Arnulf, ostfrk. Kg. u. K. (887–899) 120, 122, 169 Arnulf, B. v. Metz (614–629) 188 Asadus, bibl. Gestalt 303 Athaloch, arian. B. v. Narbonne (Ende 6. Jh.) 599 Athanarich, Westgotenherrscher († 381) 621 Athanasius, B. v. Alexandria (328–373) 229, 482 Augustinus, Missionsb. d. Ags., Eb. v. Canterbury (597/601–605) 94f., 97, 108 ,127, 707 Augustus, röm. K. (30 v. Chr.–14 n. Chr) 490, 529
Register Aurelio, Kg. v. Asturien (768–774) 335 Avitus, Eb. v. Vienne (ca. 494–518) 97f., 146, 441, 443, 482, 613, 656, 660, 670 Avitus, B. v. Clermont (571–594) 472 Bahlul Ibn Marzuk, isl. Feldherr in Spanien († 802) 268 Bahı¯ra¯, L. Mohammeds 314 Balduin IV., Kg. v. Jerusalem (1174–1185) 273, 291, 369 Basileos I. (Basilius), byz. K. (867–886) 695, 697, 710, 718, 750, 763 Basilius v. Achrida, Eb. v. Thessaloniki (1145–1168) 718, 728 Benedikt VIII., P. (1012–1024) 812 Berengar II., ital. Kg. (950–961, † 966) 217f., 696f. Bernhard, Eb. v. Vienne (ca. 810–ca. 841) 481 Bernhard II., Hz. v. Sachsen (1011–1059) 165 Bernoin, Eb. v. Vienne (886–899) 357 Berta (frk. Gem. Aethelberts v. Kent st. ca. 588) 70, 95 Berta, Markg.in v. Tuszien (ca. 863–925) 266 Blanscandiz, isl. Feldherr im Rolandsland 366 Bodo (Eleazar), frk. D., Apostat (ca.814–876) 353, 437f., 544 Bohemund I., G. v. Tarent (st. 1085), Fs. v. Antiochia (1098–1111) 354 Boleslaw I. Chrobry, Polenhz. (992–1025, st. 1025 Kg.) 198 Boleslav III., Polenhz. (1102–1138) 84 Brechmunda, isl. Kg.in im Rolandslied 368 Brunichilde, merow. Kg.in, Gem. Kg. Sigiberts († 613) 71 Caedwalla, Kg. v. Gwynedd (ca. 625–634) 189 Caedwalla. Kg. v. Wessex (685–688, † 689) 102, 142 Caesarius, Zist.prior v. Heisterbach (ca. 1180–ca. 1240) 514
927
Personenregister Caligula, röm. K. (37–41) 530 Cautinus, B. v. Clermont (ca. 551–571) 452 Cedar, bibl. Gestalt, S. Ismaels 251 Cenwalh, S. Cynegisls, Kg. v. Wessex (641–645, 648–672) 117 Cethura (Ketura), bibl. Gestalt, zweite Frau Abrahams 659 Chabalahabar, jüd. Häretiker z. Zt. Mohammeds 297 Cham, s. Ham Childerich, merow. Kg., V. Chlodwigs († 481/482) 171 Chilperich I., merow. Kg. (561–584) 71, 452, 476f., 557, 597f. Chlodwig I., merow. Kg. (481/482–511) 41, 48, 54, 56, 70f., 77–80, 83, 88, 95, 98, 139, 146, 170, 188, 220, 595 Christopheros, S. d. byz. K. Romanos I. († 931) 697f. Chrodechilde, merow. Kg.in, Gem. Chlodwigs († 544) 70f., 77–81, 88, 138f. Clemens I., P. (92–97/101) 720 Clemens III. (Eb. Wibert v. Ravenna), Gegenp. (1084–1100) 636 Clemens, ir. Prediger 578 Clementius, Här. (12. Jh.) 649 Coifi, ags. Hohepr. in Northumbria (um 627) 87f., 368 Constans II., byz. K. (641–668) 324 Constantius II., röm. K. (337–361) 607 Corbanan, s. Kerbogha Cuthbert, B. v. Lindisfarne (685–687) 205 Cynegisl, Kg. v. Wessex (611–643) 117 Dagobert I., merow. Kg. (629–638/39) 274f., 322, 444, 558f. Dai(m)bert, Eb. v. Pisa (1088–1099), Patr. v. Jerusalem 1099–1107) 287, 370 Daniel, bibl. Prophet 270, 347, 491, 529, 531, 607f. Daniel, B. v. Winchester (705–744, † 745) 44, 82, 96, 116f., 137, 179–181, 220 David, jüd. Kg. (um 1000 v. Chr.) 34, 128, 214, 504
Dietrich, Markg. d. Nordmark (965–983/985, † 985) 111, 165 Dionysius, erster B. v. Paris (um 250) 720 Dioscurus, här. Patr. v. Alexandri (444–451) 761 Domitian, röm. K. (81–96) 530f. Eadbald, Kg. v. Kent (616–640) 148 Eadburg, Äbt. v. Thanet († ca. 751) 66 Earpwald, Kg. v. East Anglia (ca. 624–627/8) 149 Ebrardus, Här. (12. Jh.) 649 Edwin, Kg. v. Northumbria (616–633) 62, 70f., 99 Egino, Missionar bei d. Dänen, B. v. Dalby (1060–1066), B. v. Lund (1066–1072) 88f. Eleazar, s. Bodo Elieser bar Nathan, jüd. Chronist d. 1. Kz. (ca. 1090–ca. 1170) 563 Eligius, B. v. Noyon (641–660) 157, 160f., 205 Emmeran, Missionsb. in Regensburg (2. H. 7. Jh.) 146, 205 Ennodius, B. v. Pavia (513–521) 704 Ephraim v. Bonn, jüd. Rabbi (ca. 1132– n. 1196) 514 Epikur, gr. Philosoph (341–271/270 v. Chr.) 311 Erik, Schwedenkg. (970–995) 83, 173, 223 Eudo, H. v. Aquitanien (ca.700–735) 269, 273, 332 Eudoxius, här. Patr. v. Konstantinopel (v. 340–370) 760 Eugen III., P. (1145–1153) 766 Eunomius, Arianer im Dienst des Aëtius († 394) 760 Eutropius, röm. Gesch.schreiber (4. Jh.) 326 Eutyches, här. Pr. (ca. 370/378–449) 760f. Eutychius, här. Patr. v. Konstantinopel (552–572 und 577–582) 704 Eva, bibl. Gestalt 605, 616, 708
928 Faof, B. v. Châlons sur-Saône (813– ca. 837) 481f. Fredegunde, merow. Kg.in, Gem. Chilperichs I. († 596/97) 212 Freyr, germ. Gott 184 Friedrich I. Barbarossa, dt. Kg. u. K. (1152–1190) 343, 688 Fruela, Kg. v. Asturien (757–768) 335 Furseus (Fursa), A. v. Lagny u. Visionär († 649/650) 129, 182 Gabriel, Erzengel 294, 296, 300, 302, 304, 306f., 315 Gallus, Hl., irofrk. Missionar, Gründer St. Gallens († ca. 650) 85, 91, 424, 753 Galsvintha, merow. Kg.in, Gem. Chilperichs I. († ca. 567) 71 Gaudbert, Missionsb. bei d. Schweden 42 Gaudentius, B. v. Brescia (390–ca. 410) 825 Gebhard, Eb. v. Salzburg (1060–1088) 682 Genelon, Gestalt d. Rolandsliedes 364f., 369 Gerold, B. v. Lübeck (1155–1163) 150 Gilbert v. Poitiers, L. in Chartres, B. v. Poitiers (1142–1154) 580, 585 Gis(e)la, T. Lothars II., Äbt. v. Nivelles († 907) 101 Godegisel, arian. Burgunderkg. (ca. 480–501) 596 Goisuinth, westgot. Kg.in, Gem. Athanagilds u. Leovigilds 71 Goliath, bibl. Gestalt 128 Gottfried v. Bouillon, Hz. v. Niederlothringen (1087–1096), Führer d. 1. Kz. († 1100) 287, 369, 374 Gottfried, Norm.führer u. Dänenkg. († 885) 100f., 179 Gottschalk, Obodritenfs. (1043–1066) 111, 170, 173f. Gottschalk, Pr. 185f. Gregor v. Nazianz, gr. Kirchenl. (ca. 316–ca. 390), B. v. Konstantinopel (st. 379) 748
Register Gregor, armenischer Eb. (um 1080) 759 Gundobad, arian. Burgunderkg. (480–516) 97f., 596, 613 Gunther, B. v. Bamberg (1057–1065) 360f. Hadrian, röm. K. (117–138) 530, 750 Hagar, bibl. Gestalt, Mt. Ismaels 251, 253, 342, 386, 659 Haistulf, Eb. v. Mainz (813–825) 200 al-Hakam I., Emir v. Córdoba (796–822) 263, 336f. Ham (Cham), bibl. Gestalt, S. Noahs 123, 638 Harald Blauzahn, dän. Kg. (ca. 958– ca. 987) 51f., 76, 93, 102, 111, 148, 171 Harald Klak, dän. Kg. (812–826, † n. 841) 100f., 108 Hartmann, schwäb. G. 369 Ha¯ru¯n ar-Raschı¯d, Kalif (786–809) 263, 269f., 325, 430 Harun, Araberführer 279 Hauptmann (centurio) v. Kapernaum, bibl. Gestalt 535 Heber, bibl. Gestalt, Enkel Noahs 425f. Heinrich I., ostfr.-dt. Kg. (919–936) 341, 560 Heinrich II., dt. Kg. u. K. (1002–1014) 229, 439, 508, 511f. Heinrich III., dt. Kg. u. K. (1039–1056) 655 Heinrich IV., dt. Kg. u. K. (1056–1106) 122, 171f., 189, 199, 239, 455, 564, 619, 632, 634f., 645, 805 Heinrich V., dt. Kg. u. K. (1106–1125) 239 Heinrich, G. († 886) 120 Helena, angebl. gr. Gem. d. russ. Kg.s Wladimir (tats. Anna, T. Romanos’ II.) 744 Hennil, slaw. Gott 214 Herakleios, byz. K. (610–641) 234, 255, 274f., 307f., 318, 321–323, 444, 558f. Hergeir, schwed. Christ in Birka (9. Jh.) 83
Personenregister Heribald, B. v. Auxerre (828–857) 41 Herkules, gr. myth. Gestalt 141 Hermann, B. v. Prag (1099–1122) 562 Hermann v. Dalmatien (v. Carinthia), Übers. aus d. Arab. (um 1140) 381 Hermenegild, S. des Westgotenkg.s Leovigild († 585) 71 Hermogenianus, Briefpartner Augustins 586 Hero, S. d. Trebetas (myth. Gründer Triers) 159 Herodes, jüd. Kg. (37 v. Chr.– 4 n.Chr.) 490, 492, 528f. Hilarius, B. v. Poitiers (ca. 350–367/368) 595 Hildebert, Eb. v. Mainz (927–937) 560 Hilduin (Alduin), B. v. Limoges (990–1012) 508 Hiob, bibl. Gestalt 501, 527, 590–593, 605, 607f., 651 Hyppolytus Nonnus, Hl. 235 Hippolytus v. Rom, röm. Pr. u. Exeget (v. 170–235) 339 Hisˇa¯m I., Kalif (724–743) 267, 276, 317, 319, 324, 327, 336f. Hisˇa¯m II., Kalif (wohl verwechselt mit Ibrahim, 744–745) 324 Honestus, Briefpartner Petrus Damianis 495 Horaz, röm. Dichter (65–8 v. Chr.) 201 Horich, dän. Kg. (827–854) 94, 120 Hugo, Kg. v. Italien (926–947) 271, 698 Ibn Battuta, arab. Reiseschriftsteller (1304–1368/77) 343 Ibn Dschubair, arab. Reiseschriftsteller († 1217) 343 Ibn Ishaq, Vf. der ältesten Mohammedbiographie († 767/768) 294 Idrı¯sı¯, isl. Autor († ca. 1165) 264 Ignatius, Patr. v. Konstantinopel (847–858 u. 867–ca. 877) 678, 706, 707 Ine, Kg. v. Wessex (688–726) 142 Ingunde, frk. Gem. d. westgot. Thronfolgers Hermenegild († 584) 71
929 Innozenz III., P. (1198–1216) 580 Isaak, bibl. Gestalt, S. Jakobs 251f., 342, 386, 423, 426, 430, 563 Ismael, bibl. Gestalt, S. Jakobs 248, 251–254, 299, 303f., 309, 314, 335, 386, 659 Iusu¯f Ibn Abd ar-Rahma¯n (Yu¯suf alFihrı¯), isl. Gouverneur in Spanien (747–756) 263, 332, 337 Jakob, bibl. Gestalt, S. Abrahams 422f., 425, 523 Japhet, bibl. Gestalt, S. Noahs 123 Jeremias, bibl. Prophet 249 Joab, bibl. Gestalt, Heerführer Davids 44 Johannes, Evangelist, Ap. 387, 483, 642, 665 Johannes d. Täufer, bibl. Gestalt 390, 806 Johannes XIII., P. (965–972) 701f. Johannes XV., P. (985–996) 640 Johannes, B. v. Cambrai (866–879) 710 Johannes, ir. B. v. Mecklenburg (1053–1066) 174 Johannes v. Damaskus (ca. 650–750), Kirchenl. 242, 246, 294–296, 377f., 403, 802 Johannes v. Gorze, A. 967–976) 268, 270, 347–350, 357, 398f., 783 Johannes, M. aus Antiochien im Umkreis Mohammeds 299 Joseph, bibl. Gestalt, S. Isaaks 426, 531 Joseph, bibl. Gestalt, Mann Marias 588 Josephus, jüd. Autor († ca. 95) 527 Josua, jüd. Gel. in Trier (12. Jh.) 440 Jovian, röm. K. (363–364) 98 Judas, Ap. u. Christusverräter 301, 364, 423, 504 Julian, röm. K. (360–363) 98, 148, 153, 531 Julian, Pelagianer, B. v. Aeclanum (ca. 416–443/455) 610 Julian, Hl. 116 Justin, röm. Gesch.schreiber (2./3. Jh.) 73
930 Justinian II., byz. K. (685–695) 705–711 322, 327 Juvenal, röm. Dichter (1./2. Jh.) 701 Kain, bibl. Gestalt, S. Adams 471, 531, 588, 659 Kalixt II., P. (1119–1124) 162 Karl d. Große, karol. Kg. u. K. (768–814) 51, 55, 86, 94, 100, 102, 104f., 114, 141, 158, 162, 209, 237, 258, 269f., 275, 279, 283, 328, 336, 357f., 364–368, 398, 429f., 432, 453f., 578f., 614, 659, 683f., 694f., 711, 713f., 744, 759 Karl II. d. Kahle, westfrk. Kg. u. K. (840–877) 262, 272 Karl III. d. Dicke, karol. Kg. u. K. (876–887) 100f., 133 Karl III. d. Einfältige, westfrk. Kg (893/898–923) 116 Karlmann, frk. Hausmeier (740–747; † 754) 41f., 161f., 208, 276 Karl Martell, frk. Hausmeier (714–740) 85, 96, 103, 234, 263, 269, 273–277, 326, 332, 336–338 Kekrops, sagenhafter Kg. d. Athener 176 Kerboga (auch Corbanan), Atabeq v. Mosul (1096–1102) 264, 345, 353f., 374 Khadidja, Gem. Mohammeds (ca. 555–619) 294, 297, 299f., 303, 305f. Konrad I., Kg. v. Burgund (937–993) 274, 286 Konrad II., dt. Kg. u. K. (1025–1039) 475, 682 Konstantin d. Große (306–337), röm. K. 5, 62, 95, 125, 308, 324 Konstantin IV., byz. K. (669–685) 234 Konstantin V., byz. K. (741–775) 684 Konstantin, S. des byz. K. Basilios I. u. Mit-K. († 879) 710, 750 Konstantinos, S. d. byz. K. Romanos’ I. 697 Konstanze, K.in, Gem. Heinrichs VI. († 1154) 272f.
Register Kusch (Zoroaster), bibl. Gestalt, S. Hams 123 Landbert, B. v. Maastricht/Utrecht (670–705) 139, 201 Lebuin (Liafwin) († ca. 780), ags. Missionar 114f., 152 Leo, Eb. v. Ochrid († 1056) 766 Leon III., byz. K. (717–741) 234, 291, 684 Leon IV., byz. K. (775–780) 697 Leon VI. Porphyrogennetos, byz. K. (886–912) 697 Leonast v. Bourges, Archid. 430f. Leovigild, westgot. Kg. (568–586) 331, 597f. Levi, bibl. Gestalt, S. Davids 504 Liudger, B. v. Münster (701–809) 86, 90, 137, 153, 177f., 205 Loth, bibl. Gestalt 659 Lothar I., karol. Kg. u. K. (840–855) 379, 430 Lothar II., karol. Kg. (855–869) 101, 172, 197 Lothar III., dt. Kg. u. K. (1125–1139) 504, 665, 724 Lothar, Kg. v. Italien (947–950) 705 Ludwig d. Blinde, karol. Kg. (890–905, † 928) 134 Ludwig d. Deutsche, ostfrk. Kg. (840–876) 160, 173, 186, 195, 229, 289, 338, 272, 399, 790 Ludwig d. Fromme, karol. Kg. u. K. (814– 840) 100f., 108, 186, 200, 268f., 270, 276, 414, 429, 430, 454f., 480, 482f. Ludwig II., karol. K. (855–875) 277, 286, 289, 338, 695, 721 Ludwig III., westfrk. Kg. (879–882) 114, 121 Ludwig VII., frz. Kg. (1137–1180) 286, 373 Lukas, Evangelist 33, 755 Magog, bibl. Gestalt, Enkel Noahs 124 Mainzer Anonymus, jüd. Kreuzzugsschrift 563
Personenregister Maiolus, A. v. Cluny (954–994) 241, 271, 279, 286, 302, 545 Makkabäus, jüd. Freiheitskämpfer († 160 v. Chr.) 174 Manephus, (angebl.) Onkel Mohammeds 297 al-Mansu¯r, Regent u. Herrscher Andalusiens († 1002) 325, 545 Marco Polo, venezian. Asienreisender (1254–1324) 343 Maria, Mt. Jesu 89, 184, 290, 342, 356, 473, 498, 502, 511, 519, 524, 547, 588, 630 Marinus II., P. (942–946) 693 Marinus Confarini, Patr. v. Grado (921–ca. 955) 560 Markus, Evangelist 33, 750 Markus v. Toledo († ca. 1216), Übers. d. Koran 381 Marsilie, Sarazenenkg. im Rolandslied 364, 367, 368 Martin I., P. (649–655) 755 Martin IV., P. (1281–1285) 751 Martin, Hl., B. v. Tours (371–397) 85, 150, 430 Martin, B. v. Braga (562–580) 155 Marwa¯n I., Kalif (684–685) 317, 319, 324 Marwa¯n II., Kalif (745–750) 319, 324f. Matthäus, Evangelist 33, 461, 800 Maurilius, Hl., B. v. Angers (423–454) 157 Maurikios, Mauritius, byz. K. (582–602) 194 Mauritius, Hl., angebl. Führer d. Thebaischen Legion († 290) 274 Maurus, Hl., Gefährte Benedikts v. Nursia († 584) 778 Meginfrid, Schatzmeister Karls d. Gr. 102 Melisendis, Kg.in v. Jerusalem (1131–1153) 273 Mellitus, Missionar († 624) 89 Michael I., byz. K. (811–813) 325 Michael III., byz. K. (842–867) 195, 286, 697, 707, 718, 763
931 Michael VI., byz. K. (1056–1057) 764, 765 Michael VIII. Palaiologus, byz. K. (1259–1281) 751 Michael, Bulgarenkg. (852–889) 709f., 763 Michael Kerullarios, Patr. v. Konstantinopel (1043–1058) 681, 730f., 735, 764–766 Mieszko I., Polenfs. (ca. 960–992) 198 Mohammed, Prophet u. Religionsstifter d. Islam (ca. 569–632) 233, 240–242, 246, 250, 253, 261, 293–318, 320, 323, 325–327, 335, 339–342, 344, 353, 355–357, 360, 367–370, 377f., 380–382, 385f., 388, 390–393, 400, 404–406, 544, 777, 801f., 824 Mohammed I., Emir v. Córdoba (852–886) 246, 253, 335 Mohammed, Sarazene im Übersetzerteam Roberts v. Ketton 381 Mohammed v. Azaz, Fs.-S. 344 Moses, bibl. Gestalt 125, 176, 314, 325, 353, 453, 473, 477, 498f., 511, 525, 794 Moyses, jüd. Dialogpartner d. Petrus Alfonsi 261, 297f., 341 Mstislaw, Obodritenfs. (ca. 995–1018) 215 Mstiwoy, Obodritenfs. (ca. 965–995) 165 Mu‘a¯wiya I., Kalif (661–680) 255, 263, 316, 318, 323f. Mu‘a¯wiya II., Kalif (683–684) 317, 319 Mudjahid al-’Amiri, Herrscher v. Denia (1014-1044) 278, 290 al-Muktafı¯, Kalif (944–946) 266 al-Mumenin, (angebl.) isl. Emir in Spanien 263 Mu¯sa¯ al-Ha¯dı¯, Kalif (885–886) 325 Mu¯sa b. Nusayr, isl. Feldherr im Maghreb († 716) 317, 331 Nebajoth, bibl. Gestalt, S. Ismaels 254 Nebukadnezar, bibl. Gestalt, Kg. v. Babylon (1126–1104 v. Chr.) 194, 270, 608
932 Neklan, legendärer Böhmenfs. (9. Jh.) 188 Nestor, här. Eb. v. Konstantinopel (428–431) 314 Nibridius, Eb. v. Narbonne († n. 822) 458, 481, 535 Nicetius, Hl., B. v. Trier (525/526–566/569) 75 Niclotus, Niklot, Obroditenfs. (1131–1160) 87, 150, 185 Nikephoros II. Phokas, byz. K. (963–969) 693, 699, 701–705, 708, 739 Nikephoros (angebl. V. Nikephoros’ II.) 694 Niketas, Eb. v. Nikomedia (12. Jh.) 660, 726, 728f., 732f., 737, 748, 751, 760f. Niketas Stethatos († v. 1092), byz. M. 730, 765 Ninus, myth. assyr. Kg. 124, 159 Nizarus, bibl. Gestalt, Urenkel Ismaels 303 Noah, bibl. Gestalt 40, 123, 425 Numa Pompilius, myth. röm. Kg. († 672 v. Chr.) 147 Nunilo, Christenkind (Mitte 9. Jh.) 307 Odilo, Hz. v. Bayern (736–748) 96 Odin, germ. Gott, s. auch Wodan 62, 74, 135, 141, 149 Odo, westfrk. Kg. (888–898) 116 Odo, B. v. Beauvais (861–881/882) 710 Offa, Kg. v. Mercia (757/758–796) 189 Okba, s. ‘Uqba Olaf Eriksson ‚Schoßkönig‘, Schwedenkg. (980–1021/1022) 95, 97, 99 Olaf Tryggvason, der Hl., Kg. v. Norwegen (994/995–999/1000) 214 Olga, russ. Fs.in u. Regentin (945–969) 678 Oppa, mozarab. B. (um 711) 333f., 358 Oppila, Gesandter Leovigilds ins Frankenreich 598 Ordoño, Kg. v. Asturien (850–866) 336 Osius, angebl. P. 297 Oswald, Kg. v. Northumbria (634–642) 117, 182
Register Oswiu, Kg. v. Northumbria (642–670) 70, 82, 222 Otto I. d.Große, ostfrk.-dt. Kg. u. K. (936–973) 49, 55, 272, 278, 348f., 693, 696f., 699, 701f., 705 Otto II., dt. Kg. u. K. (973–983) 111, 174, 278, 359, 682, 693, 695, 705 Otto III., dt. Kg. u. K. (983–1001) 744 Otto I. , B. v. Bamberg (1102–1139) 28, 37f., 44, 83f., 86, 93, 112, 119, 147, 156, 158, 186f., 268 Otto, B. v. Regensburg (1060–1089) 360 Otto, B. v. Straßburg (1085–1100) 369 Otto v. Northeim, Hz. v. Bayern (1061–1070, † 1083) 122, 189 Pardulf, A. v. Guéret († ca. 737) 275, 289 Paschal II., P. (1099–1118) 287 Paul I., P. (757–767) 678, 752, 762 Paulus, Ap. 33, 47, 69, 200, 271, 282, 417, 420, 427, 463, 542, 598, 660, 691, 720, 724, 783, 788 Peada, Kg. d. Angeln 70 Pelagius, Pelayo, erster Kg. v. Asturien (718–732) 333f., 358 Pelagius, här. span. Pr. (350/354–n. 418) 280 Penda, Kg. v. Mercia (625/633–655) 117, 189, 222 Peter d. Eremit, frz. Kreuzzugsprediger (ca. 1050–1115) 370, 374 Petrus, Ap. 33, 271, 282, 436, 642, 750 Petrus, Eb. v. Damaskus († 715) 325 Petrus, B. v. Amalfi (um 879) 282 Petrus, D. in Toledo (8. Jh.) 332 Petrus, D. am Hof Lothars III. 724f. Petrus, A. v. St. Johannes 383 Petrus v. Poitiers, M. in Cluny, Sekretär d. Petrus Venerabilis (ca. 1080–1161) 386, 392–394 Petrus Candianus II., Doge v. Venedig (932–939) 560 Phokas, byz. K. (602–610) 89 Photios, Photius, Patr. v. Konstantinopel (858–867, 877–886) 628, 678, 689, 707, 722, 750
Personenregister Pippin I., frk. Hausmeier (613–640) 276, 286 Pippin III., frk. Hausmeier u. Kg. (741–768, Kg. st. 751) 96, 263, 268, 336, 713f., 749, 752f. Pippin, S. Karls d. Gr. († 810) 257 Pippin, S. Ludwigs d. Fr., Kg. v. Aquitanien (814–838) 276 Poppo, dän. Missionsb., B. v. Schleswig (ca. 995–ca. 1000) 42, 76, 93 Pribislaw, slaw. Fs. († 1178) 185 Priscus, B. v. Lyon (573–585) 482 Priscus, Jude am Hof Kg. Chilperichs 476f. Priscus, Jude im Merowingerreich 557 Prove, slaw. Gott 185 Ps.-Turpin, angebl. Vf. d. Chronik e. Kz. Karls d. Gr. 394 Pulcheria Augusta, T. d. röm. K. Arcadius (399–453) 612 Radbod, Friesenhz. († 719) 46, 63, 96, 168, 222 Radigast, Redigost, slaw. Gott 174, 185 Raedwald, Kg. v. East Anglia († 616) 62, 99 Raimund. G. v. St. Aegidius 287 Ramiro, Kg. v. Asturien (842/843–850) 336 Recemund, mozarab. B., Gesandter d. Kalifen an Otto I. 349 Reginald, Missionar 67 Reginbald, B. (9. Jh.) 52 Reginher, Norm.führer (9. Jh.) 120, 225 Rekkared, westgot. Kg. (586–601) 599 Rekkesvinth, westgot. Kg. (653–672) 444 Remigius, B. v. Reims, Hl. (438–ca. 533) 41, 79 Robert v. Ketton, Übers. d. Koran (ca. 1141–1157) 380–383 Roderich, westgot. Kg (710–711) 331, 333 Roger I., norm. Eroberer v. Sizilien (ca. 1031–1101) 67 Romanos I., byz. K. (930–944) 697f., 700
933 Roric, Norm.führer (1. H. 9. Jh.) 173, 225 Rotland, Eb. v. Arles (855–869) 281 Sabert, Kg. v. Essex (604–616/617) 110 Sagittus, Sarazenenführer in La GardeFreinet 279, 286 Saladin, Sultan v. Ägypten (1171–1193) 343, 407 Salomo bar Simson, jüd. Chronist d. 1. Kz. 563 Salomon, jüd. Kg. (10. Jh. v. Chr.) 426, 606, 671 Samo, slaw. Fs. († 660) 164, 177 Samson, här. Pr. (8. Jh.) 57f. Sara, bibl. Gestalt, Mt. Isaaks 251–253, 386 Sem, bibl. Gestalt, S. Noahs 123, 426 Serenus, Jude in Spanien, angebl. Messias (8. Jh.) 468 Sergius, P. (687–701) 759 Sergius, här. Archid. im Umkreis Mohammeds 297, 310, 378, 393 Seth, bibl. Gestalt, S. Adams 588 Severus, indischer Pr. in Lyon 85 Sichar, frk. Gesandter an Samo 164 Siegfried, Eb. v. Mainz (1060–1084) 360 Siegfried, G. v. Stade (E. 10. Jh.) 173 Sigeberht, ags. Kg. v. East-Anglia (630/31–635) 82 Sigerich, westgot. Kg. († 415) 451 Sigerich, bekehrter Jude in Bourges 440 Sigibert, merow. Kg (530/535–575) 71 Silo, Kg. v. Asturien (774–783) 335 Simon Magus, bibl. Gestalt 641f. Simplicius, Patr. u. P. (468–483) 157 Sisebut, westgot. Kg. (612–621) 539, 558 Siwa, slaw. Göttin 185 Sobal, angebl. bibl. syr. Kg. (dort Benadad) 44 Sollemnis, B. v. Chartres (ca. 490–ca. 511) 51, 146 Stenkil, Schwedenkg. (ca. 1060–1066) 87, 174 Stephan II., P. (752–757) 90, 749
934 Stephanos, S. d. byz. K. Romanos’ I. 697f. Sulayma¯n, Kalif (715–717) 317, 319, 324 Suleiman, Feldherr d. Sarazenen z.Zt. d. 1. Kz. 359 Sulpicius, Hl., B. v. Bourges (584–591) 559 al-Sumayl, isl. Feldherr in Spanien († 759) 332 Sunamitis, bibl. Gestalt, Dienerin Davids 34 Sven Estridson, dän. Kg. (1047–1074/ 1076) 174 Sven Gabelbart (Sven-Otto), dän. Kg. (986–1014) 83, 111, 173, 175 Swantewit, slaw. Gott 185 Syrus, Hl. 451 Tacitus, röm. Gesch.schreiber (ca. 55–116/120 n. Chr.) 143f. Tankred v. Tarent, norm. Führer auf dem 1. Kz. († 1112) 354 Ta¯riq ibn Ziya¯d, arab. Eroberer Spaniens 711 († 720) 331 Tassilo III., Hz. v. Bayern (748–788, † n. 794) 75, 147 Tedbald, Markg. v. Camerino u. Spoleto (um 935) 700 Theodor, gr. Eb. v. Canterbury (668–690) 738, 740 Theodosius I., röm. K. (379–395) 5, 62, 125, 756 Theophanu, K.in, Gem. Ottos II. († 991) 682f., 695, 768 Theophilus, byz. K. (829–842) 286 Thiemo, Eb. v. Salzburg (1090–1101) 376 Thomas v. Monmouth, M. u. Chronist (bezeugt 1149–1172) 419 Thor, germ. Gott 91, 141, 184 Tiberius, röm. K. (14–37) 529f. Titus, röm. K. (79–81) 2, 475, 530, 545 Trebetas, sagenhafter Gründer Triers 159 Triglaw, slaw. Gott 186 Tryggve Hakonson, angebl. norw. Kg.,
Register viell. Tryggve Olafson († ca. 960) oder dessen S. Olaf Tryggvasson (Kg. 995–1000) 175 Turpin, B. im Rolandslied 366 Tuwa¯ba, isl. Machthaber in Spanien, Nachf. al-Sumayls (n. 759) 332 ‘Umar I., Kalif (634–644) 233, 306, 316, 318–320, 323, 327 ‘Umar II., Kalif (717–720) 317, 319, 32f., 327, 329 ‘Umar-ibn-Khaled, isl. Gouverneur in Spanien (8. Jh.) 263 Unni, Eb. v. Hamburg-Bremen (917–936) 68 Unwan, Eb. v. Hamburg-Bremen (1013–1029) 214 ‘Uqba, isl. Gouverneur in Spanien 332, 337 Urban II., P. (1088–1099) 255, 358f., 371, 375, 642, 736, 771 Urraca, Kg.in v. Kastilien (1109–1126) 255 ‘Utma¯n, Kalif (644-656) 263, 316, 318, 323 Valerius, B. v. Trier (3. Jh.) 116 Veit, Vitus, Hl., Patron v. Corvey (um 300) 150, 186 Venantius, B. v. Luna (593–ca. 603) 445 Vergil, röm. Dichter (70–19 v. Chr.) 139 Vespasian, röm. K. (69–79) 2, 475, 530, 545 Viktor III., P. (1086–1087) 640f. Viktoria, röm. Siegesgöttin 140f. Vincentius, Donatist z. Zt. Augustins 636 al-Walı¯d I., Kalif (705–715) 317, 319, 324 al-Walı¯d II., Kalif (743–744) 317, 319, 324f., 327, 330f. Walram, B. v. Naumburg (1091–1111) 731 Walthard, Eb. v. Magdeburg (981–1012) 455
Personenregister Wezelin, zum Judentum konvertierter Hofkleriker 439, 508, 511f. Wibert v. Ravenna, s. Clemens III. Wido v. Tuszien, G. (E. 9. Jh.) 269 Wilfried, ags. Missionar, B. v. York (669–709) 41, 96, 127 Wilhelm, B. v. Utrecht (1056–1076) 360 Wilhelm IV., Hz. v. Aquitanien (963–995) 545, 812 Wilhelm, S. Dhuodas u. G. Bernhards v. Septimanien 429 Willehad, Missionsb. v. Bremen († 789) 55, 67f., 81, 86, 93, 104 Willibald, B. v. Eichstätt (741–787) 266f., 278, 338, 359, 396, 399 Willibrord, ags. Missionar u. Eb. d. Friesen (695–739) 55, 67, 80, 86, 90–92, 94, 96, 103, 109, 143 Witiza, westgot. Kg. (702–710) 333f. Wladimir, russ. Großfs. (972–1015) 744 Wodan, germ. Gott (s. Odin) 53, 140, 153, 184, 208
935 Wonlef, Eremit 532 Wulfilaich, lang. D. in Yvois 81, 85 Wulfrad, ags. Missionar in Schweden (11. Jh.) 91 Wulfram, B. v. Sens (692–695) 222 Wynnebald, A. v. Heidenheim (752–761) 96f., 209 Yahya, isl. Gouverneur in Spanien 332 Yazı¯d I., Kalif (680–683) 317, 319, 324 Yazı¯d II., Kalif (720–724) 317, 319, 324 Yu¯suf al-Fihrı¯, s. Iusu¯f Ibn Abd arRahma¯n Zacharias, P. (741–752) 57, 108, 213, 643 Zacharias, jüd. Märtyrer 343 Zama, isl. Feldherr in Spanien 331 Zanad, Frau Zayds 297 Zayd, Nachbar Mohammeds 296f. Zcerneboch (Diabol), slaw. Gott 185
3. Sachregister (erstellt von Hans-Werner Goetz) Das Sachregister beschränkt sich auf religiöse Sachverhalte – nicht nur Begriffe! –, die besonders einem Vergleich dienen können. Die Anmerkungen sind ebenso einbezogen wie im Lemma genannte lateinische Termini. Begriffe in Literaturtiteln sind nicht aufgenommen. Abbasiden 20, 233, 254, 268f., 308, 317, 319, 325f., 328 Aberglaube 6, 54, 68, 94, 118, 144, 159f., 168, 172, 180f., 184f., 203f., 214, 216–220, 373, 387, 433, 436, 449, 482, 490, 505f., 526, 587, 632, 718, 721, 773, 784, 789f., 793 Abgrenzung, s. Religiöse Abgrenzung Agarener 249, 251–253, 255f., 260, 305f., 314, 320, 342, 344, 356, 386, 545, 777–779 Akkulturation 5, 230f., 245f., 265f., 274 Allegorien 33, 164f., 175, 339, 511, 520, 591, 605–610, 794 Amulette 161, 205, 208, 211–213 Antichrist 126, 215, 293–295, 326, 347, 383, 389, 404f., 435–437, 480, 483, 532, 560, 663, 666f., 753, 812–814 Antisemitismus 416f., 519, 567 Apokalypse 126, 321, 606, 663, 673 Apostel 45, 47, 56, 65, 103, 271, 295, 344, 346, 376, 444, 469, 478, 484, 521f., 526, 590, 634, 719–721, 727, 733, 750, 821f. Apostaten, Apostatentum 58, 117f., 173, 186, 379, 414, 438, 446, 448, 484, 531, 536f., 562, 759, 791, 799, 807 Arianer 71, 295, 311, 383f., 386f., 548, 573, 577f., 588, 595–600, 607, 610, 613, 619, 621, 628, 641, 648, 656, 662, 664, 668, 708f., 719, 721, 755, 763 Auferstehung 33, 72, 193, 296f., 311, 313, 356, 435, 498f., 503, 521, 533, 546, 567, 628, 659, 666, 704, 745, 747, 812f., 819 Azymitenstreit, ungesäuertes Brot 462, 496, 685, 711, 730–736, 739, 757, 759, 764, 770, 787
Barbaren, Barbarentum 49f., 52, 54, 63–66, 68, 105, 108f., 127, 137, 168–179, 182, 184, 189f., 193, 214, 219, 231f., 279f., 285, 310, 360–362, 370, 400, 402f., 589f., 600, 610, 627f., 668, 690, 699f., 707, 775, 784, 788, 798, 802 Bedrohung (der Kirche), Gefahr, auch Konkurrenz 3, 133, 204, 206, 215, 233f., 241, 248, 272, 279–284, 288, 299, 320f., 329, 358, 383, 400, 411, 445, 452, 457, 487, 502, 568f., 599, 606, 615f., 628, 650f., 654, 663, 668, 672, 675, 678, 687, 709, 774f., 797, 801, 803, 822, 829, 831 Begrifflichkeit, s. Terminologie Bekehrung, s. Christianisierung u. Mission Beschneidung 125f., 255, 297, 306, 322, 344, 349, 352, 376, 386, 418, 438, 444–448, 460, 462–465, 472, 499, 501, 504, 513, 517f., 525f., 533f., 537, 540, 544, 559, 567, 588, 793, 804 Bestattung, Bestattungsriten, s. auch Totenkult 158f., 162, 193, 198, 210, 219, 301, 343 Beziehungen, Berührungspunkte, Kontakte (diplomatisch, politisch), Kontaktzonen 3, 7, 12, 18, 24, 63f., 137, 217, 223, 227–229, 235f., 243, 247f., 250, 265–273, 303, 316, 326, 338, 349, 359, 374, 396–399, 401–405, 411, 415, 422, 458, 563–565, 569, 646, 681f., 692–694, 696–698, 701, 765, 768, 773f., 781–783, 801–803, 830f. Bibel, Bibelexegese 23, 65, 128, 138, 142, 164, 166, 251, 254, 286, 302, 342, 390, 420, 424, 426, 440, 459, 465, 471, 473, 479, 482, 486–488, 495, 498, 501, 505f., 509–511, 513, 516, 525, 539, 547,
937
Sachregister 549, 567, 575, 583, 589–592, 595, 597–600, 605–610, 613–616, 627, 638f., 659, 661, 664, 671f., 675, 703, 729, 734, 746, 748, 778, 785f., 801, 814 Bilderstreit, Bilderverehrung, Ikonoklasmus 18, 242, 351, 377, 389, 504, 513, 568, 578, 684, 703, 705, 711–714, 730, 752, 757f., 762, 770, 787 Blasphemie, Gotteslästerung 119, 161, 208, 211–213, 291, 345, 349, 391, 433f., 439, 447, 456f., 474f., 481, 483f., 486, 500–502, 512, 546–548, 556, 560, 567, 591, 597f., 618, 630, 655, 658, 668, 708f., 718f., 722, 728f., 755, 762, 786, 789, 795, 828 Bräuche, s. Religiöse Bräuche Chaldäer 254f., 296, 333, 434, 463, 777–779 Christenverfolgungen 126, 148, 328f., 391, 621, 662f., 798, 813, 820–822 Christianisierung, Bekehrung, Konversion, s. auch Mission 4f., 13, 15, 31, 33–35, 41, 48–50, 53–56, 59–113, 115–118, 125–127, 135, 138, 142f., 147, 149, 153, 156, 158, 162f., 168f., 172, 174, 178f., 181, 184, 203–205, 209, 215, 220, 231, 234–236, 310, 320, 341, 353, 365f., 369, 389, 391f., 394, 397, 403, 408, 411, 416, 425, 428, 437f., 440, 442f., 446f., 449–452, 455, 471f., 478f., 485, 487, 497, 499, 501, 503f., 506, 508, 521f., 532, 538–540, 542, 548, 550, 557, 560, 562, 566, 568, 594, 599, 610, 655–659, 672, 704, 744, 773–775, 784f., 791f., 797–799, 803–805, 823f., 826f., 830f. Christliches Selbstverständnis 1, 10f., 21f., 25f., 118, 123, 218, 231f., 397, 405, 480, 516, 518, 567f., 600, 662, 671f., 769, 773f., 781, 788, 824–832 Christusglaube, s. auch Filioque-Streit 35, 43, 53, 66, 106, 112, 119, 215, 298, 310, 342, 344, 350f., 353, 355f., 366, 376f., 382–384, 412, 435, 467f., 470–479, 483, 485f., 490–492, 495, 497–500, 502, 511–513, 519f., 523, 532,
534, 546–548, 550–552, 556f., 563, 567, 578, 588, 597, 618f., 625, 629, 631, 642, 648, 664, 666, 671, 714–730, 785, 787, 791, 793, 801f., 804, 813–815, 823f., 826 Dämonen, s. Teufel Eigenschaften, Kennzeichen, Attribute 43–47, 144–163, 168–172, 433–435, 438, 448, 463, 548f., 552, 583f., 587, 589, 591–593, 595, 600–625, 627, 631, 633, 635f., 644, 671–673, 693, 705–752, 754, 766, 781, 784, 786, 788–790, 798, 800, 806, 829 Eschatologie, Endzeit 241, 293, 402, 473, 479f., 487, 489, 532, 582, 797f., 813 Ethnische Wahrnehmung, s. Gentile Wahrnehmung Ethnographie 248, 350, 395, 397, 407, 434 Eucharistie 211, 451, 567, 579, 610, 632, 652, 658, 707, 711, 728, 730–737, 747, 757, 770, 787, 819 Fasten 209, 211, 213, 225, 341, 457, 528, 710, 744–746, 770, 819 Feste 59, 85, 91, 156f., 171, 185, 187, 194, 205f., 208, 445f., 450, 459f., 462, 739f., 748 Filioque-Streit 578, 684, 711, 714–730, 761–763, 770, 787 Fremdheit 10f., 14, 21, 222f., 267, 349f., 355, 375, 398f., 412, 422, 491–493, 529, 606, 627, 686, 694, 698, 704, 754, 768f., 782, 830 Gebete 83, 85, 142, 144, 341, 343, 476, 505, 664, 712, 738, 793, 795 Gentile/ethnische Wahrnehmung, Volk 14, 24, 33, 39, 123, 128–135, 190–193f., 217, 250f., 258–265, 275, 278, 280, 282, 286f., 344, 348, 369, 379, 397–399, 403f., 409, 423f., 428f., 434, 492–494, 504f., 520, 531f., 535f., 560, 565f., 659, 679, 690–693, 696, 734, 768, 777, 782, 798
938 Gesang und Tanz 156f., 175, 208, 211, 213, 219, 784 Gesetz, s. Religionsgesetz u. Naturgesetz Glaubensgegensatz, Glaubensunterschied, s. Religiöse Abgrenzung Glaubenskrieg 104, 121–123, 229, 235, 271, 278f., 291, 364, 400f., 546f., 653, 655, 662, 785, 787, 822, 829 Gotteskenntnis 45, 47, 51, 54f., 66, 106, 218f., 352, 366, 384, 784, 800, 802, 805 Gotteslästerung, s. Blasphemie Gottesvolk 42, 114, 118, 125, 127, 188, 254, 412, 425f., 428, 434, 486, 504f., 511, 525, 528, 566, 665, 695, 797, 808 Götzen, Götzendienst, Götzenverehrung, Götterglaube, Idololatrie 33f., 39, 43f., 49, 54f., 57f., 64–66, 68, 72–74, 76–85, 87, 89, 90f., 94, 96, 98, 102, 104, 110, 115, 117–119, 123–125, 127f., 138f., 142f., 145–154, 157, 161–164, 167–169, 171, 176, 181–187, 189, 194, 202, 205–209, 211f., 218f., 223f., 226, 229, 249, 307, 309f., 314, 345, 355, 361, 365, 367–369, 371, 375–377, 386, 389, 404, 458, 461, 475f., 485, 497, 504f., 518, 527, 533–537, 539, 541f., 544, 568, 588, 622, 626f., 630, 649f., 658, 663, 668f., 691, 743, 775, 784f., 789–793, 798f., 802–805, 811, 814f., 818, 823f. Griechisch-orthodoxes Christentum, Griechenbild 2, 6f., 11, 17f., 20, 24, 462, 578, 660, 677–772, 773–777, 779–783, 787f., 797f., 803f., 814, 826, 831 Hadj (Pilgerfahrt nach Mekka) 267, 341 Häretiker, Häresien, Häresiekonzept 6f., 11, 17, 19f., 25, 37, 47, 58f., 64, 71, 85, 97, 122, 124, 146, 160, 295–297, 304f., 310, 312f., 315, 324, 350, 370, 375, 377–395, 403, 405, 412, 450, 468, 477, 482, 484, 508, 520, 547–553, 556, 559, 569, 573–677, 679, 689, 695, 703f., 708, 713, 716–719, 721f., 728–730, 734f., 743, 748, 752f., 755f., 759–767, 769–781, 783, 786–792, 794–804, 808–812, 814–829
Register Hain, s. Heiligtum Hebräer 302, 424–426, 454, 560, 778–780 Heiden, Heidentum, Heidenbild 4, 6f., 14f., 18, 20, 24f., 31–232, 233–237, 251, 259, 267, 272, 275, 278, 286f., 297, 299, 309, 312, 329, 338, 341f., 344f., 349f., 352, 354, 356–380, 387–389, 400, 403–405, 412, 424, 438, 450, 458, 465, 469, 475, 482, 484, 508, 513, 515–518, 520, 522, 532–544, 550–553, 555f., 559, 565, 569, 575, 583, 589f., 608, 615f., 624, 632f., 635, 653, 656, 658f., 661–663, 665, 667–670, 673f., 691, 708, 732, 763, 766f., 770, 773–777, 779–786, 788–804, 808–812, 814–830 Heidenchristen 33, 521f., 690 Heidnische Relikte, s. Synkretismus Heidnische Philosophen/Autoren 74, 199–202, 513–518, 615, 665, 690, 784, 802, 810, 814 Heiligtum, Hain, Tempel, Kultstätten 35, 39, 65, 77, 84–92, 99, 124, 127, 138, 141–143, 145, 149–154, 161, 182–185, 187, 192–195, 205, 208f., 214, 218f., 223, 292, 343, 347, 368, 373, 428, 479, 494, 512, 527f., 531, 560, 784, 802, 810 Heilserwartung, Heilsgewißheit, Heilsaussichten, Erlösung, ewiges Leben, Seelenheil 33f., 44, 51f., 57f., 65–67, 72, 106, 115f., 118, 136, 181, 189, 192, 198, 213, 218, 285, 340, 345, 351, 368, 376, 403, 437f., 450, 469, 471, 473, 477f., 483, 486, 503, 528, 533, 536, 539f., 542, 546, 555f., 559, 584, 595f., 609, 620–622, 625, 635, 661, 663–665, 667, 670, 672f., 675f., 702, 709, 722, 730, 785, 792, 794, 805, 808, 811–813, 818, 822–826 Heilsplan, heilsgeschichtliche Rolle 80, 91, 112–127, 166, 188f., 191, 221, 250, 269f., 288–293, 323, 438, 487, 512, 522, 525–532, 566f., 569, 659–665, 672, 797f., 822, 826, 829 Hexenglaube 161, 167, 210
Sachregister Integration, Desintegration 18, 101, 104, 106, 227, 368, 418, 430, 570, 589, 686, 691 interpretatio Romana 138–141 Irdisches Heil/Wohlergehen 43, 56, 73, 115–117, 216, 218, 221, 306, 340f., 329, 431, 471, 541, 593, 596, 620f., 626, 664f., 672, 785, 794 Irrtum, Irrglaube, s. auch Unglaube 34, 42, 46, 51, 53, 66f., 81, 85f., 89, 97, 103, 105, 116, 129, 141, 145–147, 150, 160, 163, 168, 185, 193, 218, 223, 296, 308, 321, 329, 347, 356, 383, 386–389, 391, 393, 395, 446–448, 450, 458, 468, 476, 482f., 490, 495, 524f., 535, 548, 551f., 562, 568, 574f., 591, 593, 595, 599, 602f., 611–613, 616, 618–620, 622, 624, 626, 628, 632–636, 638, 643, 646, 648f., 651–655, 657f., 661, 669, 671f., 708, 728f., 737, 761, 763, 771, 786, 789–791, 793, 796, 798–800, 802, 806, 808, 814–816, 818, 823f., 827f. Islam, Islambild, Muslime, Sarazenen 2f., 6f., 11, 16f., 19–21, 24f., 32, 36f., 101, 131, 133f., 190, 202, 233–409, 411f., 415, 438, 441f., 444, 468, 498, 504, 520, 526, 532, 544–547, 550f., 553, 559–561, 563–566, 569, 635, 649, 659, 673, 679, 690, 698, 704, 768, 770f., 773–783, 785, 788f., 793, 797f., 801–804, 812, 814, 816, 822, 824, 826, 829, 831 Ismaeliten 248f., 251–255, 261f., 299, 301, 303f., 309, 314, 335f., 358, 386, 388, 425, 659, 777–780, 797, 799 Israeliten 33, 113, 128, 142, 168, 195, 262, 424–428, 473, 479, 486, 512, 516, 525–528, 531f., 778–780 Judaismus, judaisieren 441, 464, 473, 525, 731, 787 Juden, Judentum, Judenbild 2f., 6f., 11, 15f., 18–20, 24–26, 32f., 46, 50f., 125–127, 136, 164, 166, 176, 190, 235, 247, 261f., 297, 299, 303, 305f., 309, 322, 326, 337, 339, 340–344, 347,
939 349–353, 355f., 386, 389, 391–393, 403, 405f., 408, 411–571, 575, 586, 594f., 608, 624, 627, 635, 658f., 666, 669f., 673f., 690f., 695f., 710, 730–732, 735, 745, 747, 763, 766–768, 770, 773–781, 783, 785f., 788–802, 804, 808–812, 814–819, 822–827, 829–831 Judenchristen 467, 521f., 690 Judeneid 453f. Judenprivilegierung 430, 441, 454–457, 480, 783 Judenverfolgung, Pogrome 413f., 418f., 421, 441, 466, 494, 516, 555, 557–565, 569f., 577, 783, 786, 829 Jungfrauengeburt 301, 340, 353, 473, 476, 478, 498, 502, 511, 513, 519, 524, 546f., 552, 567, 588, 630, 793 Kalif 263f., 327 Kannibalismus 210, 361 Konfrontation, s. Religiöse Konfrontation Konkurrenz, s. Bedrohung Konnubium, Mischheirat 70f., 171, 178, 274, 438, 449, 458, 482, 748 Kontakte, s. Beziehungen Konversion, s. Christianisierung Koran 233, 240, 297, 341f., 377, 380–385, 390–392, 395f., 402, 404, 801, 803 Kreuzzüge, Kreuzzugschronistik, Kreuzzugsepik 17, 35–37, 126, 234f., 241f., 248, 259f., 264, 266. 287, 291, 308, 315. 326, 330, 339, 359–360, 362f., 364, 368–371, 375f., 380, 397, 402–405, 412–414, 418f., 441, 443, 466, 488, 494, 544, 558, 561, 563f., 570f., 647, 686, 688, 754f., 766, 771, 774, 783, 803, 831 Kult, Riten 42–44, 72, 76, 84, 87, 91, 96, 128, 135–138, 142, 145–147, 151–153, 156–160, 162f., 168, 180–183, 187, 190, 193, 201, 203, 206f., 210, 214, 219, 229, 231, 261, 314, 321, 341–346, 353, 365, 373f., 446–448, 459f., 464f., 475, 484, 525, 544, 567, 588, 630f., 669, 674, 679, 684, 702, 727f., 734, 737f., 740, 754, 758, 770, 775, 784, 787, 790, 804, 814
940
Register
Kulturkontakt, Kulturtransfer, Kulturaustausch 18, 24, 220–226, 232, 235, 237, 265, 381, 415, 422, 683, 774
Naturgesetz 47f., 125, 197f., 352, 517, 541, 544, 784 Nikolaiten, s. Priesterehe
Laieninvestitur 215, 620, 643f., 646, 786 Losorakel, s. Orakel
Omayyaden/Umayyaden 233, 317–325 Opfer, Opferkult, Menschenopfer 33, 40, 57, 81, 106, 116, 124, 138, 143, 145, 149, 151–155, 161–163, 174, 181, 183–187, 207f., 210, 214, 219, 222f., 343, 345, 388, 457, 461–464, 472f., 479, 490f., 496, 524, 527, 556, 561, 563, 710, 726, 746f., 784f., 793, 811 Orakel, Wahrsagerei, Zeichendeutung 44, 81, 87, 107, 138, 143–145, 154–156, 161–163, 183, 185–187, 208f., 212f., 215, 219, 224f., 345, 614, 704, 747, 784f.
Magie, Zauber 93f., 123f., 128, 139, 154–156, 159, 161–163, 205f., 204–215, 219, 226, 299, 305, 312f., 502, 666, 707, 784 Märtyrer 89, 91, 100, 107, 109f., 126, 149, 174, 271, 325, 343, 348, 365, 414, 473, 588, 621, 662, 798, 820–822 Märtyrer von Córdoba 246, 320, 349, 405 Mauren 251, 256–258, 275–277, 280f., 288, 332, 337, 775, 777f. Messiasglaube 206, 299f., 305f., 342, 356, 412, 467f., 483, 489f., 495, 498, 502, 511, 519, 542, 801 Mission, Missionare, s. auch Christianisierung 4, 15, 24, 34, 54f., 60, 63–72, 81, 84–112, 115, 127f., 136f., 142f., 145, 179–182, 217–220, 222–228, 233–236, 375, 397, 411, 438, 568, 678, 699, 774, 777, 780, 784f., 788, 800, 824, 827 Missionsmethoden 71–106, 179, 218, 231 Mohammed 16, 233, 241, 250, 253, 261, 287, 293–316, 353, 356f., 367–370, 318, 320, 325–327, 340–342, 353, 355–357, 367–370, 377f., 380, 383, 385f., 388–393, 395, 400f., 404, 406, 544, 777, 801f., 822, 824 „Mohammedaner“ 261 Monotheismus 2–4, 25, 32, 62, 235, 241, 246, 350, 352–358, 367, 369, 376, 403, 405, 412, 508, 515, 520, 533, 537, 563, 690, 751, 775, 791, 800–802, 804, 826, 830 Moschee 267, 292, 347, 368 Mozaraber 244–246, 294f., 320, 334, 358, 378, 396, 398, 403, 774, 783 „Muslime“ (muslemitae) 261, 777
Paganisierung 5, 230, 232, 775, 785 Paradies 304, 306, 340 Passah 446–448, 460, 462f., 567, 732 Perser 123, 251, 254, 258, 260, 269f., 285, 303, 306, 328f., 371, 434 Pogrome, s. Judenverfolgung Polemik 19, 24, 238, 245, 247, 266, 294, 296f., 299–301, 308, 311f., 315f., 341, 346, 378, 382, 392–395, 397, 401f., 404, 406, 408, 416–419, 421, 423, 431, 441, 456, 466–520, 524, 526, 529, 559, 566, 568f., 589, 591, 689, 701, 737, 770, 775f., 782f., 786, 788, 793, 801, 822, 826, 829 Polygamie 193, 341, 352 Polytheismus 4, 7, 11, 14, 32, 149, 201, 224, 232f., 358, 365, 368f., 371, 375f., 515, 568, 775, 784, 791, 830 Predigt 71f., 84, 91, 94, 218, 226, 420, 442f., 457, 522, 607, 610f., 817, 821 Priester, Priestertum (anderer Religionen) 59, 83, 86–88, 93, 112, 127f., 143f., 149, 151–153, 156, 166, 182, 184–186, 194f., 264, 368, 479, 491–493, 527–529, 540, 669, 708, 710, 738, 740–744, 770, 784,787 Priesterehe, Nikolaitismus 579, 588, 602, 639, 725, 740–742, 763, 770, 786f.
Sachregister Primatanspruch des Papstes 677f., 683, 685, 701f., 711, 732, 749–752, 757f., 769, 782, 787, 803 Propheten, Pseudopropheten 45, 47f., 233, 253, 294–318, 325f., 344, 353–357, 377, 384f., 389f., 392f., 404, 406, 417, 436, 469, 471f., 477–479, 483, 485, 491, 496, 498, 500–502, 513, 522, 527, 542, 545, 569, 590, 608, 615, 618, 653, 801, 814, 824 Reconquista 234, 334, 774 Religionsgesetz 39, 45–48, 125, 177, 191f., 196f., 218f., 267, 292, 295, 297, 300, 306, 311, 313–315, 332, 341, 344, 346–348, 352f., 357, 376f., 386, 391, 393, 440, 453, 458, 465, 469, 471f., 483, 490, 496, 505, 511f., 516–519, 521, 523, 525f., 533–536, 538–542, 544f., 549, 560, 566, 589f., 610, 638, 659, 731, 763, 767, 784, 791, 793, 801f., 807, 817f. Religionsgespräch, Religionsdialog 180f., 223, 261, 295–297, 391f., 394f., 416–418, 452, 459, 467, 476–478, 496–499, 504–520, 567f., 570f., 595–600, 668, 724–734, 748, 751, 759, 774, 785, 802, 822, 825 Religiöse Abgrenzung, Religionsdifferenz 11, 18, 32, 43, 48, 51, 54, 64, 68, 130, 139, 212f., 217, 220, 225, 227, 231, 272, 275, 282, 289, 323, 324–326, 328, 336, 339f., 348, 350, 352, 360, 397–400, 404f., 411f., 418, 422, 424, 428, 431f., 439, 459, 466, 498, 520–525, 532–534, 536, 539, 541, 547, 567, 574f., 577, 584, 593f., 622, 625–636, 638, 643, 646–656, 662, 667, 670–672, 677, 679, 687, 689f., 698, 701–752, 758, 767–771, 774–778, 780–783, 785–798, 802–804, 806, 808, 810, 812, 814–822, 829, 831 Religiöse Bräuche, Sitten 57, 81, 88, 97, 99, 110, 127, 137, 142, 145, 155, 157, 159, 160–162, 167, 177–178, 185, 188, 190f., 198, 205–207, 209f., 212–219, 225, 225–228, 232, 256, 265, 335f., 361, 412, 445, 447f., 450, 460, 462–465,
941 495f., 499, 517, 524, 526, 596, 670, 703f., 707, 710f., 721, 730–732, 734f., 737–740, 744–748, 752, 757f., 763f., 770, 785, 787, 803 Religiöse Konfrontation, clash of religions 1, 12, 25, 63f., 220, 223, 226–232, 274–284, 288, 275, 359, 406, 411f., 577, 593, 609, 623, 626f., 630, 635–638, 650f., 653, 655, 661f., 664, 672, 677f., 679, 689, 703f., 705–752, 768, 770, 775, 785, 788, 799, 820f., 826 Riten, s. Kult Sabbat 446f., 457, 460–462, 472, 496, 499, 525, 537, 557, 819 Sakramente 70, 128, 205, 209, 388, 471, 556, 596, 616, 627, 631, 636, 655, 673, 727, 730, 732, 734, 757, 803, 819f. Sarazenen, s. Islam Schisma, Schismatiker 485, 550, 579, 619f., 626, 631–634, 642, 645f., 649f., 652, 655, 658, 661, 667, 678, 681, 685f., 708, 720, 722, 726, 728, 763, 786f., 789–791, 796, 808f., 816, 822f., 825, 827 Schlechte Christen, falsche Christen 34, 57, 154, 190, 215, 219, 617, 620, 633–635, 664, 672, 727, 754, 790–792, 794–797, 800, 806, 809–811, 817f., 821, 825, 828 Schöpfungsglaube, Schöpfergott 46, 48, 77f., 81, 124, 150, 152, 180, 197, 218, 306f., 350, 376, 389, 473, 491, 542, 587, 661, 793 Schriftgesetz, s. Religionsgesetz Simonie, Simonisten 215, 579, 629, 639–646, 669, 763, 786, 812 Speisegebote 204, 341, 418, 447–749, 460f., 496, 567, 814 Stereotype Wahrnehmung 19, 22, 72, 128, 135–145, 147, 159, 163, 179–181, 187, 202, 219f., 267, 294, 368f., 395, 401, 406, 419, 421, 488, 504, 512, 571, 595, 675, 699f., 775f., 780–782, 784, 788, 790, 802–804 Sündenstrafe 114f., 118–121, 123, 218, 247, 254, 277, 281, 288–292, 346, 349,
942 370, 430, 489, 494, 500, 512, 530, 541, 566, 798 Synagoge 417, 443, 461, 470, 472, 475, 481, 485f., 520, 536f., 547, 551, 555, 560, 619 Synkretismus, s. auch Paganisierung 5, 62, 68, 203–217, 230f., 775, 785 Talmud 386, 459, 501, 801 Tanz, s. Gesang Taufe, s. auch Zwangsbekehrung 34, 51– 59, 65–68, 71f., 77–80, 86, 88, 94, 97– 103, 106f., 110, 125, 132, 161, 179, 205, 207, 209f., 218, 222, 236, 341, 362, 367f., 388, 442f., 445–447, 451f., 454–456, 466, 473, 494f., 498, 506, 508, 513, 522, 538, 548, 556f., 559–562, 567, 588, 619, 631, 635, 643, 669, 708, 710, 734, 739, 747f., 763, 806, 810, 819f., 823, 829 Tempel, s. Heiligtum Terminologie, Begrifflichkeit 24, 31–43, 50f., 57f., 128, 137f., 217f., 250–262, 264f., 274, 339, 349, 397, 404, 423–427, 446f., 454, 565, 573–575, 579f., 582–585, 589, 613, 638–647, 649, 671f., 674, 679, 690–692, 768, 776–780, 786, 803, 826 Teufel, Teufelskult, Teufelsdienst 33, 45, 52–54, 58f., 64f., 73–77, 81f., 86, 89, 94, 111, 123f., 142, 149–151, 153, 156–158, 163f., 166–168, 177, 197, 205, 207–213, 218–220, 223, 228, 286f., 292, 300, 307f., 312f., 329, 354, 358, 362, 366–368, 375, 382f., 387, 390, 393, 400, 417, 428, 431, 439, 463, 473, 475, 477, 481–483, 485f., 498, 500f., 526f., 532, 535, 541, 551, 553–556, 569, 587f., 596, 608f., 615f., 619f., 622, 624, 627, 632f., 662, 665–667, 673, 675f., 701, 704f., 727, 759, 784f., 792, 796, 799f., 806, 808–811, 814, 824f. Toleranz 270, 399, 402, 404, 406, 514, 568, 598, 656–659, 662, 668, 675, 783, 826–831 Totenkult, Totenmahl 153, 193, 208f., 211f., 813
Register Türken 236, 243, 255, 259f., 285, 353, 358, 370f., 374 Ungesäuertes Brot, s. Azymitenstreit Unglaube, Ungläubige, infideles 34, 36–38, 43f., 46, 50, 55, 58, 63, 68f., 75, 108, 113, 120, 126, 128f., 134, 137, 147, 163, 172, 176, 183, 186, 190–192, 209, 220, 228, 252, 271, 286, 304, 342, 344, 364, 370, 373, 375f., 379, 383, 400, 404f., 418, 431, 433, 435, 437–439, 447f., 451f., 458f., 462, 467f., 473, 477–479, 481f., 484–486, 495, 497, 503, 508f., 512, 516, 519, 520, 522, 525, 528, 530, 532, 534–537, 540f., 548f., 551–553, 555–557, 563, 567–569, 575, 590, 602, 607, 609, 611f., 627f., 637, 640f., 648, 650, 658, 663, 667f., 670f., 673f., 755, 762, 789–792, 794f., 799f., 803–808, 811–815, 820–825 Volk, s. gentile Wahrnehmung Waschungen, rituelle 341, 343f., 351, 793 Wertung 24f., 130, 145, 164–202, 217, 219f., 266, 275f., 279–288, 294, 296, 301, 319, 324, 338, 345, 347f., 375f., 392f., 397, 400, 404–406, 425, 427, 431–433, 440, 447, 458, 466–521, 528, 531, 549f., 562, 565–567, 569, 571, 597, 609, 641, 649, 674, 687f., 693–700, 743, 750, 752–755, 768–772, 780, 797–802, 808–814, 824, 826f. Wunder, Wunderglaube 42, 76, 78f., 82f., 85f., 88, 92–94, 97f., 107, 116, 123, 142, 149, 152f., 166, 176–178, 184, 201, 206, 213, 218, 221, 224, 275, 287, 297, 299, 311, 314f., 342, 346, 390, 430f., 451, 475, 503f., 506, 560, 593, 599, 784f., 824 Zauber, s. Magie Zwangsbekehrung, Zwangstaufe 94, 102–106, 218, 322, 367, 375, 421, 441, 443f., 452, 466, 508, 557f., 561, 563–565, 568, 570, 774, 786, 830