Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit privater (multinationaler) Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen [1 ed.] 9783428532407, 9783428132409

Die Arbeit nimmt die Diskussion über eine größere menschenrechtliche Verantwortlichkeit von Wirtschaftsunternehmen, die

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German Pages 300 Year 2010

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Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit privater (multinationaler) Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen [1 ed.]
 9783428532407, 9783428132409

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Schriften zum Völkerrecht Band 191

Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit privater (multinationaler) Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen

Von

Constantin Köster

a Duncker & Humblot · Berlin

CONSTANTIN KÖSTER

Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit privater (multinationaler) Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen

Schriften zum Völkerrecht Band 191

Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit privater (multinationaler) Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen

Von

Constantin Köster

a Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Technischen Universität Dresden hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-13240-9 (Print) ISBN 978-3-428-53240-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-83240-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Henrike

Vorwort Die Idee zur der vorliegenden Arbeit entstand während eines Studienaufenthaltes an der George Washington University in Washington D. C./USA. Einer meiner Professoren dort, der Völkerrechtler Ralph Steinhardt, hatte die Vertretung einiger Kläger im Unocal-Verfahren, dem ersten Schadensersatzverfahren wegen Menschenrechtsverletzungen gegen ein privates Wirtschaftsunternehmen in den USA, übernommen. Seine Berichte von dem Verfahren erregten mein Interesse, insbesondere an der völkerrechtlichen Problematik der Einbeziehung privater Akteure in den internationalen Menschenrechtsschutz. Das Unocal- und die ihm nachfolgenden Verfahren beinhalten aber auch eine interessante Vermischung völkerrechtlicher und zivilrechtlicher Normen. In der Arbeit werden deshalb immer wieder die amerikanischen Entscheidungen analysiert. Die Diskussion um eine stärkere menschenrechtliche Bindung privater Wirtschaftsunternehmen steht immer noch an ihrem Anfang. Ich hoffe, die Arbeit kann einen Beitrag dazu leisten. Ich danke vor allem meinem Doktorvater Prof. Dr. Ulrich Fastenrath für seine langjährige Unterstützung und Begleitung. Ohne seine Offenheit für neue rechtliche Wege und seine Geduld, wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ebenso danke ich Staatsministerin Prof. Dr. Sabine von Schorlemer für vielfältige Anregungen und die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Meinem Kollegen an der TU Dresden, Dr. Thomas Groh, verdanke ich intensive und anregende Diskussionen, nicht nur zur unmittelbaren Thematik meiner Doktorarbeit. Für die kritische Durchsicht danke ich Katja Weigelt M. A. und Dr. Tina Roeder. Große moralische Unterstützung habe ich von Prof. Dr. Matthias Lehmann, Dr. Nikolaus Tacke und Christiane Gräfin von Hohenthal-Cenariu erfahren. Meinen Eltern und meiner Schwester danke ich für ihren unermüdlichen Zuspruch. Berlin, im März 2010

Constantin Köster

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Unternehmen als Verpflichtete völkerrechtlicher Menschenrechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtssubjektivität im Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kurzer historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstrakte Definition der Völkerrechtssubjektivität. . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendigkeit genereller Verleihung von Völkerrechtssubjektivität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterschiedliche Reichweite der Berechtigung oder Verpflichtung 5. Bedeutung von völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismen . . . . III. Grundsätzliche Überlegungen zur Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen im Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verträge zwischen Staaten und Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmen als juristische Person des innerstaatlichen Rechts. . . 4. Zuweisung von Rechtsfähigkeit/Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . a) Konkret durch einzelne Normen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Im Völkerrecht/Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Im innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durch generelle Verleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Im innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswirkungen einer generellen Verleihung . . . . . . . . . . . . . . 5. Übertragung auf die völkerrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mögliche Bindung von Privaten durch Völkerrechtsnormen . . . b) Problembehandlung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kurze Einführung in den ATCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsprechung der US-Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Menschenrechtliche Verpflichtungen Privater im Bereich bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte 1. Menschenrechtliche Verträge und unverbindliche Dokumente . . . . a) Staat als Verpflichteter der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) UN-Charta und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 24 24 24 25 26 27 28 29 32 33 35 37 39 39 39 42 43 43 44 44 46 47 49 49 52 54 54 55 55 55

8

Inhaltsverzeichnis

b)

c)

d) e)

bb) UN-Pakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Spezielle menschenrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) ILO-Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Regionale Menschenrechtspakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drittwirkung im deutschen Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbare Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mittelbare Drittwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Alternative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Konzeption von Schwabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das 3-Ebenen-Modell Alexys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Begründung der Drittwirkung mit der Schutzfunktion der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutzpflichten im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Normen, die faktisch von Privaten verletzt werden können bb) Schutzpflichten des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Herleitung aus dem Text völkerrechtlicher Verträge . . (2) Internationale Spruchpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtliche Bindung Privater durch Schutzpflichten?. . . . . . (1) Staaten als Adressaten der Schutzpflichten. . . . . . . . . . . (2) Staatlicher Spielraum zur Erfüllung der Schutzpflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleichbarkeit von (mittelbarer) Drittwirkung und völkerrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmittelbare Drittwirkung im Völkerrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpflichtung Privater in rechtlich unverbindlichen Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Resolution 53/144 der UN-Generalversammlung . . . . . (3) Vorentwurf einer UN-Erklärung über die soziale Verantwortung des Menschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Amerikanische Erklärung über Rechte und Pflichten des Menschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpflichtung spezifisch für Unternehmen in rechtlich unverbindlichen Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) UN-Norms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) UN Global Compact. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) OECD-Leitsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) ILO Tripartite Declaration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Menschenrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Präambeln der beiden UN-Pakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 57 58 59 59 60 62 65 65 66 67 68 69 71 72 72 72 75 75 76 77 79 79 80 83 84 86 87 88 90 91 92 93 94 94

Inhaltsverzeichnis (2) Beschwerdemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auslegungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Einzelne materielle Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Bürgerliche und politische Rechte . . . . . . . . . (bb) Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Rechte aus ILO-Konventionen . . . . . . . . . . . . (b) Sklavereiverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Sklaverei als Rechtsinstitution und faktische Sklaverei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Fälle aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Private als Haupttäter der Sklaverei. . . . . . . . (ee) Parallele zur Formulierung der Koalitionsfreiheit in Art. 9 III GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ff) Art. 4 I EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (gg) Umfang des Sklavereiverbots . . . . . . . . . . . . . (hh) Übertragung auf Unternehmen . . . . . . . . . . . . (c) Verbot der Zwangsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Identität von Zwangsarbeit und Sklaverei? (bb) Enger Zusammenhang von Sklaverei und Zwangsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Übertragung auf Unternehmen . . . . . . . . . . . . (d) Einschränkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Afrikanische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . dd) Spricht das Ermessen bei der Erfüllung staatlicher Schutzpflichten gegen eine direkte Bindung Privater? . . . . ee) Äußerungen der UN-Vertragsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Menschenrechtsverständnis und Position der Staaten . . . . . (1) Position der Regierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Haltung der US-Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Bedeutung für Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbot . . . . . . hh) Offenheit der Frage einer direkten Verpflichtung Privater 2. Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pirateriebekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Piraterie und Weltrechtsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewohnheitsrechtliches Verbot der Piraterie. . . . . . . . . . . . . dd) Neuere Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

V.

ee) Ansicht der westdeutschen Bundesregierung und der EU-Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bindung von Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sklavereiverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewohnheitsrechtliche Geltung des Sklavereiverbots . . . . . bb) Gleichlauf von vertraglichem und gewohnheitsrechtlichem Verbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ansichten in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . dd) Haltung der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Übertragung auf Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verbot der Zwangsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff: Völkerstrafrecht im engeren und im weiteren Sinne . . . . . . 2. Völkerstrafrecht im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Direkte völkerrechtliche Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bindung Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Makrokriminalität mit staatlichen Handlungserfordernissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Nürnberger Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) ILC Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Haltung der US-Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Völkermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Praxis der ad hoc-Tribunale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Kriegsverbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterscheidung zwischen internationalem und nichtinternationalem Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt . . . . . . . . (a) Kontrolle einer Bürgerkriegspartei durch einen fremden Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Entsendung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen durch einen Staat in einen anderen Staat . . . . . . . . . (c) Teilnahme Privater an Kriegsverbrechen des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Kriegsverbrechen Privater unabhängig von staatlichen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Einzelne Begehungsformen der Kriegsverbrechen (f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kriegsverbrechen im nicht-internationalen Konflikt. . .

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Inhaltsverzeichnis (a) Existenz von Kriegsverbrechenstatbeständen im nicht-internationalen Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bindung von Tätern der nicht-staatlichen Konfliktpartei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Einzelne Begehungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Verbrechen gegen die Menschlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Notwendigkeit eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung . . . . . . . . . . . . (2) Notwendigkeit einer hinter dem Angriff stehenden staatlichen oder privaten Organisation . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Frage der Gebietsbeherrschung der nicht-staatlichen Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Privatpersonen als Täter auch außerhalb der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Aggression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zukünftige vertragliche Festlegung des Aggressionstatbestandes im ICC-Statut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gewaltausübung zwischen Staaten und Führungsverbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Fälle aufgrund des KRG 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Definitionsversuche der ILC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Offenheit der Frage der Einbeziehung Privater in den Aggressionstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aggressionsverbrechen als Völkergewohnheitsrecht . . (a) Fraglichkeit der Existenz als Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Mögliche Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . jj) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bindung privater juristischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf Menschen im Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teilbarkeit der Völkerstrafnormen in abstraktes Verbot und Strafermächtigung/strafrechtliche Verantwortlichkeit cc) Keine Beschränkung der materiellen Verpflichtungen auf natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Urteil im I. G.-Farben-Prozeß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) US-Entscheidung im Rahmen von ATCA-Verfahren . . . . . ff) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Völkerstrafrecht im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Struktur des normativen Inhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Positivistische Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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165 166 167 167 168 169 171 171 173 173 173 174 175 176 177 178 178 179 179 179 180 182 183 184 185 187 187 187 188 189 189

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Inhaltsverzeichnis (2) Alternative Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ansätze in der Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtsprechung der US-Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bindung privater natürlicher Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) UN-Folterkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Bindung privater juristischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Völkermordkonvention und Genfer Konventionen mit ZP I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Haltung der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Materielle Bestimmungen der kriegsrechtlichen Verträge . . . . . . . . . . . . 1. Bindung durch strafrechtliche Absicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindung im nicht-internationalen Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Bindung von nationalen und multinationalen Unternehmen . . . . . . . . . .

C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch für die Verletzung von Menschenrechten durch Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensersatzansprüche in den ATCA-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidungen der unterinstanzlichen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entscheidung des Supreme Court in Sosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten . . . 1. Entschädigungspflichten in menschenrechtlichen Verträgen . . . . . . . 2. Ausgangspunkt: völkerrechtliche Verantwortlichkeit/Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit als allgemeines Prinzip, das auch Private bindet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anhaltspunkte in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anhaltspunkte in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendung des Prinzips auf Internationale Organisationen und Aufständische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Völkerrechtliche Handlungsfähigkeit Privater . . . . . . . . . . . . . . . . e) Deliktsfähigkeit als eigenständiges Erfordernis? . . . . . . . . . . . . . . f) Die Diskussion über allgemeine Wiedergutmachungsansprüche Privater gegen den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Art. 75 ICC-Statut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Völkerrecht ausschließlich als öffentliches Recht? . . . . . . . . . . . . 4. Mögliche Völkerrechtsquelle der Verantwortlichkeit zwischen Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkergewohnheitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Rechtsgrundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verletztes Rechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sklaverei und Zwangsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Völkerstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190 192 193 195 195 197 198 198 199 199 199 200 201 204 204 204 207 207 207 208 209 210 210 211 212 214 217 218 221 222 225 225 226 231 231 231

Inhaltsverzeichnis aa) Völkermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kriegsverbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verbrechen gegen die Menschlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Aggression. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Völkerstrafrecht im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Piraterie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Weitere Fragen der Verantwortlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt der Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitwirkung an der Verletzung von Normen, die auch Private binden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkung an der Verletzung von rein staatengerichteten Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ergebnis: Völkerrechtsbeziehung zwischen Privaten . . . . . . . . . . . . . D. Anwendung des Weltrechtsprinzips auf innerstaatliche Schadensersatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Weltrechtsprinzip im Strafrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkunft und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Begründung des Weltrechtsprinzips . . . . . . . . . . . . III. Völkerrechtliche Grenzen der Zivilgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zuständigkeitsbegründung in den ATCA-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . V. Materielles Recht in den ATCA-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Nutzen des Weltrechtsprinzips im Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Für die internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Für das anwendbare materielle Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Übertragbarkeit des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren. . . . . . . . . . . VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 232 233 236 236 238 239 239 241 242 243 244 245 248 251 252 252 252 252 254 255 256 259 260 260 261 261 266

E. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

Abkürzungsverzeichnis AC ACMR

Appeals Chamber Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker AcP Archiv für die civilistische Praxis AEMR Allgemeine Erklärung der Menschenrechte AFDI Annuaire Français de Droit International AG Aktiengesellschaft AK Alternativkommentar AktG Aktiengesetz Ala. L. Rev. Alabama Law Review Alb. L. Rev. Albany Law Review Am. J. Int’l L. American Journal of International Law AMRK Amerikanische Menschenrechtskonvention Am. Soc’y Int’l L. Proc. American Society of International Law Proceedings Am. U. Int’l L. Rev. American University International Law Review Am. U. L. Rev. American University Law Review AP Additional Protocol appl. application Art. Artikel AT allgemeiner Teil ATCA Alien Tort Claims Act ATS Alien Tort Statute (= Alien Tort Claims Act) Aufl. Auflage AVR Archiv des Völkerrechts Az. Aktenzeichen BAG Bundesarbeitsgericht BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts BB Der Betriebs-Berater Bd. Band BDGV Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Berkeley J. Int’l L. Berkeley Journal of International Law BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BImSchG Bundes-Immissionsschutzgesetz Brook. L. Rev. Brooklyn Law Review BV Besloten Vennootschap

Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE BYIL bzgl. Case W. Res. J. Int’l L. Cath. U. L. Rev. CCPR CESCR CIA CISG CLF Colum. Hum. Rts. L. Rev. Colum. J. L. & Soc. Probs. Colum. J. Transnat’l L. Com. CRC CSR Doc. Duke L. J. DVBl. ECHR ECOSOC EG EGMR EJIL EMRK

EPIL ESC EU EuGRZ Fletcher F. World Aff. Fn. Fordham L. Rev. FrauenDisK FS GA GBl. DDR

Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht British Yearbook of International Law bezüglich Case Western Reserve Journal of International Law Catholic University Law Review Convention on Civil and Political Rights Committee on Economic, Social and Cultural Rights Central Intelligence Agency United Nations Convention for the International Sale of Goods Criminal Law Forum Columbia Human Rights Law Review Columbia Journal of Law and Social Problems Columbia Journal of Trannational Law communication Committee on the Rights of the Child Corporate Social Responsibility Document Duke Law Journal Deutsches Verwaltungsblatt European Convention on Human Rights United Nations Economic and Social Council Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte European Journal of International Law Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention) Encyclopedia of International Law Europäische Sozialcharta Europäische Union Europäische Grundrechtezeitschrift Fletcher Forum of World Affairs Fußnote Fordham Law Review Übereinkommen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau Festschrift General Assembly Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik

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16 GC GG GK GmbH GmbHG GWB GYIL Harv. Int’l L. J. Harv. L. Rev. HGB HLKO Hofstra L. Rev. HRC HRLJ Hrsg. HStR Hum. Rts. Brief Hum. Rts. L. Rev. Hum. Rts. Q. HumVR IAC IAGMR ICC ICCPR ICJ ICSID ICTR ICTY i. E. i. e. S. IGH IGO ILC ILM ILO IMF IMT IMTFE IPBPR

Abkürzungsverzeichnis General Comments Grundgesetz Genfer Konventionen Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen German Yearbook of International Law Harvard International Law Journal Harvard Law Review Handelsgesetzbuch Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (Haager Landkriegsordnung) Hofstra Law Review Human Rights Committee Human Rights Law Journal Herausgeber Handbuch des Staatsrechts Human Rights Brief Human Rights Law Review Human Rights Quarterly Humanitäres Völkerrecht Inter Action Council Inter-Amerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte International Criminal Court International Covenant on Civil and Political Rights International Court of Justice International Centre for the Settlement of Investment Disputes International Criminal Tribunal for Rwanda International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia im Ergebnis im engeren Sinne Internationaler Gerichtshof International Governmental Organization International Law Commission International Legal Materials International Labour Organization International Monetary Fund International Military Tribunal International Military Tribunal for the Far East Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Abkürzungsverzeichnis IPRax IPWSKR IRRC i. w. S. J. Transnat’l L. & Pol’y JuS JZ KartR KG KinderRK KRG Law & Soc’y Rev. Lfg. LG LJIL LK L. Q. Rev. Mass. Mich. J. Int’l L. MNC MNE MNU m. w. N. NCP NGO NILR NJIL NJW NJW-RR no. Notre Dame L. Rev. Nr. NSDAP NYIL OAS OECD OHG OLG PCIJ Penn St. Int’l Rev. PMC

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Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte International Review of the Red Cross im weiteren Sinne Journal of Transnational Law and Policy Juristische Schulung Juristenzeitung Kartellrecht Kommanditgesellschaft Übereinkommen über die Rechte des Kindes Kontrollratsgesetz Law and Society Review Lieferung Landgericht Leiden Journal of International Law Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Law Quarterly Review Massachusetts Michigan Journal of International Law Multinational Corporation Multinational Enterprise multinationale Unternehmen mit weiteren Nachweisen National Contact Point Non-Governmental Organization Netherlands International Law Review Nordic Journal of International Law Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport number Notre Dame Law Review Nummer Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Netherlands Yearbook of International Law Organization of American States Organization for Economic Cooperation and Development Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Permanent Court of International Justice Penn State International Law Review Private Military Company

18 Prep. Com. Publ. Q. L. Rev. RabelsZ RassenDisK RdA RdC Regent J. Int’l L. Rep. Res. Rest. RGBl. R. G. D. I. P. RIW RTLM Rz. S. San Diego Int’l L. J. SDA Ser. SIPRI s. o. S. p. a. S. r. l. StGB StIGH StR s. u. SWGCA SZIER T. Marshall L. Rev. T. M. Cooley L. Rev. TC Tex. L. Rev. TNC Tul. J. Int’l & Comp. L. TVPA u. u. a. U. Chi. Legal F.

Abkürzungsverzeichnis Preparatory Commission Publication Quarterly law Review Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung Recht der Arbeit Receuil des Cours Regent Journal of International Law Reports resolution Restatement Reichsgesetzblatt Revue Général de Droit International Public Recht der internationalen Wirtschaft Radio Television Libre des Milles Collines Randziffer Seite San Diego International Law Journal Seventh Day Adventist Church series Stockholm International Peace Research Institute siehe oben Società per azioni Società a responsabilità limitata Strafgesetzbuch Ständiger Internationaler Gerichtshof Strafrecht siehe unten Special Working Group on the Crime of Aggression Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht Thurgood Marshall L. Rev. Thomas M. Cooley Law Review Trial Chamber Texas Law Review Transnational Corporation Tulane Journal of International and Comparative Law Torture Victim Protection Act und und andere University of Chicago Legal Forum

Abkürzungsverzeichnis U. Cin. L. Rev. UCLA UCLA J. Int’l L. & Foreign Aff. UN UNCC UNCLOS UNFolterK UN-Norms

UNO UNTS U. Pa. L. Rev. US USA U. S. C. v. Va. J. Int’l L. Vand. J. Transnat’l L. vgl. VMordK vol. WKRK WL WVRK Yale J. Int’l L. Yale L. J. YBILC ZaöRV z. B. ZEuS Ziff. zit. ZP ZSR ZStW

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University of Cincinnati Law Review Unilateral Controlled Latino Assets UCLA Journal of International Law and World Affairs United Nations United Nations Compensation Commission United Nations Convention on the Law of the Sea Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe Norms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights United Nations Organization United Nations Treaty Series University of Pennsylvania Law Review United States United States of America United States Code von; versus Virginia Journal of International Law Vanderbilt Journal of Transnational Law vergleiche Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Völkermordkonvention) volume Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (Wiener Konsularrechtskonvention) Westlaw Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention) Yale Journal of International Law Yale Law Journal Yearbook of the International Law Commission Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europarechtliche Studien Ziffer zitiert Zusatzprotokoll Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

A. Einleitung Schon seit einiger Zeit ist die Tendenz festzustellen, auch nichtstaatliche Akteure in die Völkerrechtsordnung einzubinden. War das Völkerrecht des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark staatenzentriert, so ist seit dem Ende des zweiten Weltkrieges eine Entwicklung festzustellen, die sich von dieser Zentrierung löst. Sichtbarer Ausdruck dessen ist der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz. Dadurch wurde der einzelne als Privatperson in die Völkerrechtsordnung einbezogen, da er nunmehr zumindest der direkte Nutznießer völkerrechtlicher Gewährleistungen ist. Der internationale Menschenrechtsschutz hat mittlerweile eine herausgehobene Stellung und eine große Dynamik innerhalb des Völkerrechts erlangt. Der Blickwinkel war bisher grundsätzlich auf den Staat als Verpflichteten der materiellen Gewährleistungen gerichtet. Der Staat wurde und wird nach wie vor als der primäre Verletzer der Menschenrechte angesehen. Daneben geraten aber immer mehr private Akteure als Verpflichtete der Menschenrechte in den Fokus der Politik und der Völkerrechtslehre. Dabei ist der Blick gerade auf weltweit tätige Wirtschaftsunternehmen gerichtet, die mittlerweile problemlos staatliche Grenzen überschreiten und sich so staatlicher Regulierung entziehen können. Durch ihre Größe und die damit verbundene Machtstellung kann das Verhalten dieser Unternehmen schon rein faktisch Auswirkungen auf die Menschenrechte der von ihren Handlungen betroffenen Personen haben. Dies gilt besonders für die Tätigkeit solcher Unternehmen in Entwicklungsländern und in Staaten mit mangelhafter Rechtsstaatlichkeit. Wo es keinen effektiven innerstaatlichen Rechtsschutz gibt, können auch Menschenrechte nicht durchgesetzt werden. Internationale Durchsetzungsmechanismen sind bisher kein adäquater Ersatz. Entweder entfalten sie formal keine rechtliche Verbindlichkeit, wie zum Beispiel die „Views“ des UN-Menschenrechtsausschusses, oder falls doch, wie die Urteile des Europäischen und des Inter-Amerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ist ihre Durchsetzung in Staaten ohne oder mit schwach ausgeprägter Rechtsstaatlichkeit nicht gesichert. In Staaten mit einem funktionierenden Rechtssystem werden Menschenrechte auch durch die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche geschützt. Dies geschieht zumeist unbemerkt. Einer zivilrechtlichen Deliktsklage wegen der Zerstörung oder Beschädigung einer Sache zwischen Privaten wird kaum das Etikett „Menschenrechtsschutz“ angehängt. Aber nichts anderes ist es, wenn mit ihr das Menschenrecht auf Eigentum verfolgt wird. In Staa-

22

A. Einleitung

ten ohne funktionierendes Rechtssystem ist diese Durchsetzungsart der Menschenrechte erheblich eingeschränkt. Hier stellt sich die Frage, ob eine Einbeziehung von Unternehmen als völkerrechtlich Verpflichtete einen positiven Beitrag zur Durchsetzung des Menschenrechtsschutzes leisten kann. Durch eine solche Bindung und ihre gerichtliche Durchsetzung in Staaten mit einem funktionierenden Rechtssystem könnten die eben beschriebenen Defizite zumindest abgemildert werden. Versuche in diese Richtung existieren bereits in der Gerichtspraxis der USA. Zumeist geht es um Fälle von großen multinationalen Unternehmen der Rohstoffgewinnungsbranche mit Sitz des Mutterunternehmens in Nordamerika oder Europa, die bei Investitionen in Entwicklungsländern an Menschenrechtsverletzungen im Zusammenwirken mit den dortigen Regierungen beteiligt sein sollen und deshalb zur Zahlung von Schadensersatz verklagt wurden. Bedingt durch eine Norm des amerikanischen Bundesrechts (Alien Tort Claims Act)1 haben die Bundesgerichte dabei weitreichende Aussagen zur völkerrechtlichen Bindung von Unternehmen gemacht. Eingebettet sind diese Verfahren in den USA in eine Bewegung, die die soziale Verantwortlichkeit von Unternehmen auf vielfältige Weise steigern will. Die gerichtliche Durchsetzung von Menschenrechtsstandards ist dabei nur ein Mittel. Auch auf der Ebene der Vereinten Nationen gibt es Initiativen, Unternehmen stärker an internationale Standards zu binden. Hier soll nur die Global Compact Initiative2 des UN-Generalsekretärs und die umstrittene Ausarbeitung der Norms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights3 (UN-Norms) durch einen Unterausschuß der UN-Menschenrechtskommission erwähnt werden. Diese Initiativen fußen auf einer längeren Beschäftigung der UN mit multinationalen Unternehmen, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts begann und nicht zuletzt durch die Verwicklung multinationaler Unternehmen in den Putsch gegen die Regierung Allende in Chile ausgelöst wurden.4 Stand aber anfangs die Einschränkung von Umgehungen nationaler wirtschaftsregulierender und steuerrechtlicher Normen im Vordergrund, spielt nunmehr die Bindung an menschenrechtliche Standards eine immer größere Rolle, wie gerade das Beispiel der UN-Norms zeigt. Daneben sind auch noch Versuche der Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) und der International Labour Organization (ILO), mit Codizes für eine größere Bindung multinationaler Unternehmen zu sorgen, erwähnenswert. 1 2 3 4

28 U. S. C. § 1350. http://www.unglobalcompact.org. UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2003/12/Rev.2 vom 26.8.2003. Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, S. 6.

A. Einleitung

23

Aus dem eben Geschilderten ergeben sich interessante völkerrechtliche Fragen. Sind (multinationale) Unternehmen an völkerrechtliche Normen des Menschenrechtsschutzes unmittelbar gebunden und in welchem Umfang? Kann ein völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch des verletzten Opfers gegen ein Unternehmen begründet werden? Und schließlich: Wie wirkt das Völkerrecht in Fällen von Schadensersatzverfahren vor nationalen Gerichten auf die Fragen der internationalen Zuständigkeit und der Anwendung des materiellen Rechts ein? Kann insbesondere das Weltrechtsprinzip auf solche Verfahren angewendet werden? Weitere Probleme der zivilrechtlichen Haftung, wie zum Beispiel die Frage der Durchgriffshaftung in einem multinationalen Konzern, würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen und sollen deshalb nicht näher erörtert werden. Schließlich soll nicht verschwiegen werden, daß der Autor der vorliegenden Arbeit von einem gewissen Leitbild bei der Behandlung der aufgeworfenen Fragen ausgegangen ist. Durch den Abbau staatlicher Schranken im Zuge der Globalisierung ist ein regulatorisches Defizit entstanden, das es aufzufüllen gilt. Dies kann durch weltweit geltende Mindestnormen geschehen, die von jedem, ob staatlicher Akteur oder Privater, eingehalten werden müssen und die in möglichst vielen Staaten durchgesetzt werden können.5 Das Völkerrecht als Rechtsordnung mit weltweit geltenden Vorschriften scheint der richtige Ort für die Verankerung solcher Mindestnormen zu sein.

5

Vgl. Hobe, Globalisierung, AVR 37 (1999), 253, 265 f.

B. Unternehmen als Verpflichtete völkerrechtlicher Menschenrechtsnormen I. Methodisches Vorgehen Da das Problem der unmittelbaren völkerrechtlichen Verpflichtung von Unternehmen als Privatrechtssubjekte relativ neu ist, empfiehlt es sich, methodische Vorüberlegungen anzustellen und das Vorgehen der Untersuchung zu erläutern. Die Einbindung von Unternehmen in die Völkerrechtsordnung wirft zunächst einmal die Frage nach der Völkerrechtssubjektivität dieser Einheiten auf. Eine Rechts- oder Pflichtenposition in einer bestimmten Rechtsordnung wird gemeinhin nur deren Rechtssubjekten zugestanden. Deshalb werden zunächst Ausführungen zur Rechtssubjektivität im Völkerrecht gemacht. Dabei wird hauptsächlich untersucht, welche Relevanz das Konzept der Rechtssubjektivität für die vorliegende Fragestellung hat und ob generelle Aussagen über die Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen im Völkerrecht getroffen werden können. In einem zweiten Schritt wird dann untersucht, inwieweit private Akteure unmittelbare völkerrechtliche Pflichten im menschenrechtlichen Bereich haben. Dabei wird auf einzelne konkrete Pflichten eingegangen.

II. Rechtssubjektivität im Völkerrecht Völkerrechtliche Lehrbücher widmen dem Problem der Völkerrechtssubjektivität breiten Raum. Zumeist wird aber relativ abstrakt erörtert, wer Subjekt der Völkerrechtsordnung ist. Konkrete Rechte oder Pflichten dieser Subjekte werden in diesem Stadium allenfalls kursorisch behandelt. Dies wird in der Regel mit einer historischen Herangehensweise verbunden.6 So steht dann der Kreis der Rechtssubjekte bei der weiteren Erörterung des materiellen Völkerrechts von vornherein fest. Diese Perspektive erschwert die Anerkennung neuer Völkerrechtssubjekte.7 Sie soll hier deshalb nur für die bessere Verständlichkeit kurz nachgezeichnet werden.

6 7

Z. B. Doehring, Völkerrecht, S. 24 ff. Vgl. Higgins, Problems and Process, S. 49.

II. Rechtssubjektivität im Völkerrecht

25

1. Kurzer historischer Überblick Ausgangspunkt der Überlegungen bildet immer der Staat als das primäre Völkerrechtssubjekt.8 Wenn man aber, wie hauptsächlich im 19. Jahrhundert, das Völkerrecht als eine Rechtsordnung nur zwischen souveränen Staaten ansieht, ergibt sich daraus von selbst, daß nur die Staaten auch die Rechtsubjekte dieser Ordnung sein müssen und sein können.9 Eine Erweiterung des Subjektekreises erfuhr das Völkerrecht durch die Schaffung von Internationalen Regierungsorganisationen (International Governmental Organizations, IGO) auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge. Dabei war nicht von vornherein klar, daß diesen neuen Gebilden eine Subjektsstellung in der Völkerrechtsordnung zukommen würde. Allerdings hat der IGH in seinem Gutachten Reparations for Injuries Suffered in the Service of the United Nations schon 1949 klargestellt, daß von Staaten geschaffene Internationale Organisationen (hier die Vereinten Nationen) Völkerrechtssubjekte im Rahmen der ihnen übertragenen Funktionen sein können.10 Dabei wird diesen Organisationen die Rechtsstellung im Völkerrecht von den Staaten verliehen. Diesbezüglich spricht man dann auch von gekorenen oder abgeleiteten im Gegensatz zu den geboren oder originären Völkerrechtssubjekten, den Staaten.11 Dieses Beispiel weist schon darauf hin, daß es keinen ein für alle mal abgeschlossenen Kreis von Völkerrechtssubjekten gibt, sondern daß dieser einer Entwicklung offen steht. Die Lehre von der alleinigen Völkerrechtssubjektivität der Staaten wurde damit durchbrochen. In der historisch gesehen dritten Erweiterungsrunde wurden die Individuen in das Völkerrecht einbezogen. In der klassischen Völkerrechtsperiode wurde der Mensch als völlig durch seinen Staat mediatisiert angesehen, das heißt, er war ein reines Objekt völkerrechtlicher Regeln.12 Deutlichstes Beispiel dieser sogenannten Objektstheorie ist das völkerrechtliche Fremdenrecht. Danach ist ein Staat völkerrechtlich verpflichtet, die auf seinem Gebiet befindlichen Ausländer gemäß gewissen Mindeststandards zu behandeln. Als Inhaber dieser Gewährleistungen wird aber nicht das Individuum sondern der Heimatstaat des Ausländers angesehen. Verstößt der den Ausländer aufnehmende Staat gegen diese Mindestnormen, werden keine völkerrechtlichen 8

Für eine eingehende Untersuchung der Geschichte und Theorie der Völkerrechtssubjektivität siehe Nijman, The Concept of International Legal Personality. 9 Als klassisches Beispiel dieser Lehre soll hier die Aussage von Oppenheim, International Law I, S. 19 angeführt werden: „Subjects of the rights and duties arising from the Law of Nations are States solely and exclusivley“. 10 ICJ Rep. 1949, S. 174, 179. 11 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 57, Rz. 7. 12 Cassese, International Law in a Divided World, S. 99, Rz. 57; Hobe, Völkerrecht, S. 166.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

Rechte des Ausländers verletzt, sondern die seines Heimatstaates.13 Der Mensch ist so nur der Nutznießer dieser Mindestnormen, ohne selbst Rechtsinhaber zu sein. Diese Sichtweise änderte sich insbesondere seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Das Individuum wuchs zunehmend in die Völkerrechtsordnung hinein. Auslöser war die Entwicklung des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes. Nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte14 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen entstand eine Fülle von völkerrechtlichen Verträgen15, die alle ein Ziel haben: den Schutz der Rechte des Individuums. Durch den Abschluß der menschenrechtlichen Verträge verpflichten sich die Staaten, bestimmte Rechte der ihrer Hoheitsgewalt unterworfenen Menschen zu achten und zu gewährleisten.16 Schon der Wortlaut der einzelnen menschenrechtlichen Normen des Völkervertragsrechts macht vielfach deutlich, daß der Mensch der Inhaber dieser Rechte ist. So heißt es zum Beispiel in Art. 6 I 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR): Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben. Heute wird deshalb auch anerkannt, daß durch die menschenrechtlichen Normen der einzelne eine unmittelbare Rechtsstellung auf der völkerrechtlichen Ebene erlangt hat.17 2. Abstrakte Definition der Völkerrechtssubjektivität Die aufgezeigte historische Entwicklung verdeutlicht, daß das Konzept der Völkerrechtssubjektivität offen ist für neue Rechts- und Pflichtenträger. Zu dieser Offenheit gelangt man auch, wenn man die abstrakte Definition von Völkerrechtssubjektivität betrachtet. In terminologischer Hinsicht wird neben dem Begriff des Rechtssubjektes auch der Begriff der Rechtsperson18 und der Rechtsfähigkeit verwendet. Teils werden die Begriffe synonym gebraucht19, teils wird ihnen eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen 13 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 651, Rz. 49; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 818 § 1228. 14 A/RES/217 A (III) vom 10.12.1948. 15 Siehe die Übersicht bei Marie, International Instruments Relating to Human Rights, HRLJ 24 (2003), 115 ff. 16 Vgl. z. B. Art. 2 Internationaler Pakt über brügerliche und politische Rechte (IPBPR), BGBl. 1973 II, 1533. 17 Doehring, Völkerrecht, S. 113, Rz. 250; Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 169, Rz. 14; Higgins, Conceptual Thinking, S. 476, 487; Janis, Individuals as Subjects of International Law, 61 Cornell Int’l L. J. 61, 73 (1984); Hobe, Völkerrecht, S. 167. 18 Shaw, International Law, S. 175.

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ohne daß aber die Unterschiede klar erkennbar wären.20 Hier kann und soll deshalb auch nicht näher auf den terminologischen Streit eingegangen werden. Die am weitesten gehende allgemeine Begriffsbestimmung von Rechtssubjektivität besagt, daß zu den Rechtssubjekten jeder gerechnet wird, der Träger von Rechten und/oder Pflichten ist.21 Diese Definition wird auch in der völkerrechtlichen Literatur verwendet. Demnach ist ein Völkerrechtssubjekt, wer Träger von völkerrechtlichen Rechten und/oder Pflichten ist.22 Diese Definition ist inhaltsleer, da sich mit ihr nicht bestimmen läßt, wer Träger derartiger Rechte und Pflichten und wer demnach Völkerrechtssubjekt ist. Sie verleitet aber zu dem Zirkelschluß, daß nur derjenige Träger von völkerrechtlichen Rechten oder Pflichten sein kann, der auch Völkerrechtssubjektivität genießt.23 3. Notwendigkeit genereller Verleihung von Völkerrechtssubjektivität? Hier stellt sich also die Frage, ob neben dem Staat völkerrechtliche Rechts- und Pflichtenträger existieren können, ohne daß diese Gebilde zuvor allgemein von der Staatengemeinschaft zu Völkerrechtssubjekten gekürt wurden. Die bisherige Völkerrechtsentwicklung bejaht diese Frage. Dies zeigt schon die Stellung der Individuen und der internationalen Regierungsorganisationen im Völkerrecht. Wie bereits erwähnt (s. o. B.II.1.) ist das Individuum mittlerweile durch die in den völkerrechtlichen Menschenrechtsverträgen enthaltenen Rechtspositionen zu einem völkerrechtlichen Rechtsträger gereift. Diese Verträge enthalten aber keine generelle Verleihung von Völkerrechtssubjektivität. Auch sonst existiert keine Norm, die dem Men19

Kinley/Tadaki, Human Rights Responsibilities for Corporations, 44 Va. J. Int’l L. 931, 945 (2004); Malanczuk, Multinational Enterprises and Treaty-Making, S. 54; Menon, International Personality of Individuals, 1 J. Transnat’l L. & Pol’y 151 (1992); Mosler, Subjects of International Law, EPIL IV, S. 710, 711. 20 Vgl. zum Ganzen schon Mosler, Die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte, ZaöRV 22 (1962), 1, 18 ff. Nach Klabbers, International Institutional Law, S. 43 soll Subjektivität im Völkerrecht ein akademischer Begriff sein, wohingegen der Begriff der Rechtspersönlichkeit einen Status bezeichnen soll, den die Rechtsordnung verleiht. Worin der Unterschied liegt, wird aber nicht deutlich. 21 Tilch/Arloth, Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 3, S. 3502, Stichwort „Rechtssubjekt“. 22 Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 167, Rz. 2; Seidl-Hohenveldern/ Stein, Völkerrecht, S. 129, Rz. 600; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 221 f., § 375. 23 Klabbers, The Concept of Legal Personality, 11 IUS Gentium 35, 49 (2005); v. Lübtow, Zur Theorie des Rechtssubjektes und ihrer geschichtlichen Entwicklung, S. 422; vgl. Brownlie, International Law, S. 57.

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schen generell die Völkerrechtsfähigkeit zuspricht. Hier wird also der Mensch durch konkrete völkerrechtliche Normen zu einem Subjekt dieser Rechtsordnung. Ganz ähnlich verhält es sich mit den internationalen Regierungsorganisationen, wie schon das Reparations-Gutachten des IGH zeigt. Die UN-Charta enthält keine generelle Zuweisung von Völkerrechtsfähigkeit. Lediglich die Rechtsfähigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten ist geregelt. Dennoch hat der IGH im wesentlichen aus den der UN zugewiesenen Aufgaben, also aus den einzelnen Normen ihrer Charta, auf ihre Völkerrechtsfähigkeit geschlossen. Diesbezüglich kann also festgehalten werden, daß für eine Rechts- und/ oder Pflichtenträgerschaft von nicht-staatlichen Akteuren im Völkerrecht keine vorhergehende generelle Verleihung von Völkerrechtssubjektivität notwendig ist. Anders formuliert: die völkerrechtlichen Rechten und Pflichten, die einem Gebilde zustehen, bedingen seine Völkerrechtsfähigkeit.24 4. Unterschiedliche Reichweite der Berechtigung oder Verpflichtung Das eben Gesagte beantwortet auch die weitere Frage, ob die verschiedenen Arten von Völkerrechtssubjekten die gleichen Rechte und Pflichten haben. Wenn die Subjektstellung darauf beruht, daß einzelne Normen Rechte verleihen oder Pflichten auferlegen, dann erstreckt sich die Völkerrechtsfähigkeit auch nur auf diese Normen. Wenn man also vom Menschen als Völkerrechtssubjekt spricht, weil die Menschenrechtsverträge ihm bestimmte Rechte einräumen, besagt dies nicht, daß dem einzelnen auch Rechte zukommen, die ausschließlich an den Staat gerichtet sind oder ausschließlich internationale Regierungsorganisationen berechtigen oder verpflichten. Dies hat bereits der IGH in dem Reparations-Gutachten für die internationalen Regierungsorganisationen festgestellt. Die Anerkennung als Völkerrechtssubjekt bedeute nicht automatisch, daß eine internationale Regierungsorganisation die gleichen völkerrechtlichen Rechte oder Pflichten wie die Staaten hätte.25 Deshalb spricht man auch bei internationalen Organisationen und bei Individuen von partiellen Völkerrechtssubjekten, weil sie nicht im gleichen Umfang wie die Staaten dem Völkerrecht unterliegen.26 Außerdem ist wichtig in diesem Zusammenhang festzustellen: die Bezeichnung des 24 Mosler, Die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte, ZaöRV 22 (1962), 1, 41, 45. 25 ICJ Rep. 1949, S. 174, 179. 26 Doehring, Völkerrecht, S. 111, Rz. 245; Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 168, Rz. 9.

II. Rechtssubjektivität im Völkerrecht

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Menschen als Völkerrechtssubjekt bedeutet nicht, daß er dem Staat als gleichrangig gegenübertreten kann, mit der Folge etwa, daß das Individuum Immunität27 vor den staatlichen Gerichten genießen würde. Denn die souveräne Gleichheit, aus der die Immunität gefolgert wird, ist im Völkerrecht eine Norm, die ausschließlich die Staaten berechtigt und verpflichtet. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Staat besitze sämtliche völkerrechtlichen Rechte und Pflichten.28 Historisch gesehen mag dies für die klassische Völkerrechtsperiode, in der lediglich die Staaten Völkerrechtssubjekte waren, zutreffend gewesen sein. Für das gegenwärtige Völkerrecht kann dies aber nicht gelten. Ein Staat hat zum Beispiel nicht das Recht oder die Kompetenz, wie der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Bindungswirkung für die UN-Mitglieder wirtschaftliche oder militärische Sanktionen nach Kapitel VII der UN-Charta zu verhängen. Auch stehen dem Staat keine völkerrechtlichen Menschenrechte zu. Wie schon erwähnt, kann der Staat zwar verlangen, daß seine Staatsangehörigen im Ausland nach den Regeln des Fremdenrechts behandelt werden. Der Inhaber von Menschenrechten, die auch im Verhältnis zu seinen eigenen Staatsangehörigen gelten, ist er aber nicht. So hat zum Beispiel ein Staat kein angeborenes Recht auf Leben aus Art. 6 IPBPR. Ein Staat hat etwa auch keinen völkerrechtlichen Anspruch auf Einhaltung der Verfahrensgarantien vor seinen eigenen Gerichten aus Art. 14 IPBPR. Dies zeigt, daß es ebensowenig wie im innerstaatlichen Recht im Völkerrecht Subjekte gibt, die sämtlichen Rechten und Pflichten unterfallen29, vielmehr muß im einzelnen geprüft werden, welche völkerrechtlichen Normen auf welche Personen anwendbar sind. Sicherlich kann man sagen, daß der Staat verglichen mit den internationalen Regierungsorganisationen und den Menschen die meisten völkerrechtlichen Rechts- und Pflichtenpositionen innehat, aber eben nicht alle. 5. Bedeutung von völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismen Die Inhaltsleere der genannten Definition versuchen diejenigen abzumildern, die eine Völkerrechtssubjektivität nur dann anerkennen, wenn völkerrechtliche Durchsetzungsmechanismen zur Verfügung stehen. Dies wird 27 Nach geltendem Völkerrecht genießt ein Staat vor den Gerichten eines anderen Staates zumindest für Hoheitsakte Immunität. 28 So Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 168, Rz. 8; Malanczuk, Multinational Enterprises and Treaty-Making, S. 55; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, S. 129, Rz. 603; aber auch der IGH vertrat schon im Reparations for Injuries Suffered Gutachten diese Ansicht, wo ausgeführt wird: „. . . a state possesses the totality of international rights an duties recognized by international law . . .“, ICJ Rep. 1949, S. 174, 180. 29 Vgl. Klabbers, International Institutional Law, S. 43.

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meistens im Zusammenhang mit der völkerrechtlichen Berechtigung von Individuen, weniger mit deren völkerrechtlichen Verpflichtung diskutiert. Aus Gründen der Logik darf aber für die Verpflichtungsseite nichts anderes gelten.30 Ein Individuum soll nur dann eine unmittelbare völkerrechtliche Rechtsposition innehaben, wenn es diese Positionen unmittelbar auf der Völkerrechtsebene durchsetzen könne.31 Einige der menschenrechtlichen Schutzregime enthalten tatsächlich die Möglichkeit der Individualbeschwerde vor einem internationalen Gremium.32 Die unter der Ägide der UN geschaffenen Vertragsorgane können zwar nur formal unverbindliche Stellungnahmen abgeben.33 Aber immerhin hat hier das Individuum die Möglichkeit, eine Konventionsverletzung vor einem internationalen Spruchkörper geltend zu machen. Weiter entwickelt sind die regionalen Rechtsschutzsysteme der Amerikanischen, der Europäischen und mittlerweile auch der Afrikanischen Menschenrechtskonvention, da deren Gerichtshöfe verbindliche Urteile über Konventionsverletzungen fällen können.34 Zumindest wird man sagen können, daß das Vorhandensein eines irgendwie gearteten völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismus des ein30

Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 100, Rz. 14. Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 96 f., Rz. 5; Eustathiades, Le Sujets du Droit International et la Responsibilité Internationale, RdC 84 (1953 III), 397, 412; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 254, § 420. Auch für Unternehmen fordert dies Dumberry, L’Entreprise, Sujet de Droit International?, R. G. D. I. P. 2004, 103, 111. 32 Art. 1 des 1. Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1. FP-IPBPR) vom 19.12.1966, BGBl. 1992 II, 1247, UNTS Bd. 999, S. 302; Art. 14 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (RassenDisK) vom 7.3.1966, BGBl. 1969 II, 962, UNTS Bd. 660, S. 195; Art. 22 des Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe (UNFolterK) vom 10.12.1984, BGBl. 1990 II, 247; Art. 1, 2 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (FP-FrauenDisK) vom 6.10.1999, BGBl. 2001 II, 1238, UN Doc. A/RES/54/4; Art. 77 der Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen vom 18.12.1990, UN Doc. A/RES/45/158 (Artikel noch nicht in Kraft); Art. 44 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK) vom 22.11.1969, OAS Treaty Series Nr. 36, EuGRZ 1980, 435, Art. 34 der (Europäischen) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4.11.1950, BGBl. 2002 II, 1054; Art. 55 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (ACMR) vom 26.6.1981, HRLJ 1986, 403. 33 Art. 5 IV 1. FP-IPBPR; Art. 14 VII, lit. b RassenDisK; Art. 22 VII UNFolterK; Art. 7 III, IV FP-FrauenDisK. 34 Art. 68 I AMRK; Art. 46 I EMRK; Art. 30 des Protokolls zur ACMR über die Errichtung eines Afrikanischen Gerichtshofes der Menschenrechte und Rechte der Völker vom 10.6.1998, http://www.africa-union.org/Official_documents/Treaties_ %20Conventions_%20Protocols/africancourt-humanrights.pdf. 31

II. Rechtssubjektivität im Völkerrecht

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zelnen, für die Existenz eines materiellen Rechts spricht.35 Ob man aber umgekehrt aus dem Fehlen eines solchen Mechanismus auf das Nichtvorhandensein einer materiellen Rechtsposition im Völkerrecht schließen kann, erscheint sehr fraglich. Bei den internationalen Menschenrechtsverträgen müssen die Vertragsstaaten die Zuständigkeit der Vertragsorgane für Individualbeschwerden ausdrücklich anerkennen, bevor ein Individuum sich an das betreffende Gremium wenden kann. Die Ratifizierung des Vertrages enthält aber nicht automatisch die Zustimmung zur Individualbeschwerde. Tatsächlich hat jeweils nur ein Teil der Vertragsstaaten diese Anerkennung ausgesprochen.36 Die materielle Rechtsträgerschaft des einzelnen würde nun von der Anerkennung der Individualbeschwerde durch den betreffenden Staat abhängen. Die Staaten, die der Zuständigkeit des Vertragsorgans nicht zugestimmt haben, unterliegen aber den gleichen materiellen Verpflichtungen durch den menschenrechtlichen Vertrag, wie die Staaten, die die Anerkennung ausgesprochen haben. Warum aber ein und derselbe Normtext einmal materielle Individualrechte erzeugen soll, im anderen Fall aber nicht, ist nicht ersichtlich.37 Bei den Staaten als Völkerrechtssubjekte fällt die materielle Rechtsträgerschaft auch nicht zwingend mit der Möglichkeit, sich völkerrechtlicher Durchsetzungsmechanismen zu bedienen, zusammen. So kann zum Beispiel ein Staat einen anderen Staat vor dem IGH nur verklagen, wenn die Parteien die Zuständigkeit des IGH anerkannt haben (Art. 36 IGH-Statut). Auch ohne eine solche Unterwerfung zweifelt aber niemand an der materiellen Rechtsinhaberschaft der Staaten. Auch das Urteil des IGH im Fall La Grand38 spricht gegen die Forderung eines völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismus als Bedingung für die Rechtssubjektivität. In dem Verfahren hatte Deutschland die Vereinigten Staaten von Amerika wegen der Verletzung von Art. 36 der Wiener Konsularrechtskonvention (WKRK)39 verklagt. Die dortigen Behörden hatten es unterlassen, die deutsche Auslandsvertretung über die Inhaftierung eines deutschen Staatsbürgers zu unterrichten und den Inhaftierten über die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem deutschen Konsulat aufzuklären, wie es aber Art. 36 I, lit. b WKRK fordert. Der deutsche Staatsangehörige wurde dann wegen Raubmordes zum Tode verurteilt. Der IGH stellte eine Konventionsverletzung 35 Dörr, Anmerkung zu LG Bonn, Urteil v. 10.12.2003, Az. 1 O 361/02 – „Vavarin“, JZ 2004, 574, 575; vgl. Malanczuk, International Law, S. 101. 36 Siehe dazu die Übersicht bei Marie, International Instruments Relating to Human Rights, HRLJ 27 (2006), 145 ff. 37 Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 74. 38 La Grand Case, ICJ Rep. 2001, S. 466, 494, Rz. 77. 39 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963, BGBl. 1969 II, 1585.

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fest. Er äußert in seiner Begründung die Ansicht, Art. 36 I WKRK erzeuge individuelle Rechte (individual rights).40 Ein völkerrechtliches Durchsetzungsverfahren für den einzelnen sieht die Konsularrechtskonvention aber gerade nicht vor. Die Vertragsstaaten können aber durch die Ratifizierung eines Zusatzprotokolls die obligatorische Gerichtsbarkeit des IGH für Streitigkeiten aus der Konvention anerkennen.41 Wenn der Heimatstaat des Verletzten den Klageweg vor dem IGH beschreitet, macht er, so der IGH, das individuelle Recht aus Art. 36 I für seinen Bürger geltend. Daraus folgt, daß für den IGH ein völkerrechtliches Durchsetzungsverfahren für den einzelnen offensichtlich keine Bedingung für das Entstehen individueller Rechtspositionen darstellt.42 Nach alledem ist die Ansicht, der einzelne könne nur eine unmittelbare völkerrechtliche Rechtsposition innehaben, wenn er auch über ein Durchsetzungsverfahren auf der Völkerrechtsebene verfüge, abzulehnen.43 Entsprechend muß es auch prinzipiell möglich sein, daß der einzelne völkerrechtliche Pflichten hat, ohne daß ein völkerrechtlicher Durchsetzungsmechanismus gegeben ist.

III. Grundsätzliche Überlegungen zur Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen im Völkerrecht Die eben gemachten Ausführungen ergeben zwar noch keine Subjektstellung privater Unternehmen im Völkerrecht; einen prinzipiellen Ausschluß einer solchen aber auch nicht. Hier müssen deshalb grundsätzliche Überlegungen für die Rechtsfähigkeit privater Unternehmen im Völkerrecht angestellt werden, wobei zunächst auf die Gegenstimmen eingegangen werden soll. Nach dem oben Dargelegten wird hier Rechtsfähigkeit oder Subjektivität nicht in einem umfassenden Sinne verstanden, sondern als Fähigkeit, irgendwelche völkerrechtlichen Rechte oder Pflichten zu haben44. 40

Siehe dazu auch Oellers-Frahm, Stellung des Individuums, NJW 2001, 3688 f. Art. I des Fakultativprotokolls über die obligatorische Beilegung von Streitigkeiten vom 24.4.1963, BGBl. 1969 II, 1688. 42 So auch Grzeszick, Rechte des Einzelnen im Völkerrecht, AVR 43 (2005), 312, 328. 43 Doehring, Völkerrecht, S. 112, Rz. 247; Dörr, Anmerkung zu LG Bonn, Urteil v. 10.12.2003, Az. 1 O 361/02 – „Vavarin“, JZ 2004, 574, 575; Schwarze, Rechtsschutz Privater bei völkerrechtswidrigem Handeln fremder Staaten, AVR 24 (1986), 408, 414; Stein/von Butlar, Völkerrecht, Rz. 501; ebenso auch schon Lauterpacht, The Subjects of the Law of Nations, 63 L. Q. Rev. 438, 455 (1947). 44 In diesem Sinne bezogen auf Internationale Organisationen Schmalenbach, Die Haftung Internationaler Organisationen, S. 55; siehe dazu auch die Ausführungen des Sonderberichterstatters der ILC für die Frage der Verantwortlichkeit internatio41

III. Überlegungen zur Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen

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1. Gegenstimmen Die meisten ablehnenden Äußerungen zur Völkerrechtssubjektivität von Wirtschaftsunternehmen beziehen sich auf multinationale Unternehmen. Wenn aber schon die multinationalen Unternehmen, die in vielfältiger Weise nationale Grenzen überschreiten und so eine große faktische Rolle auf der internationalen Ebene spielen, keine Rechtsfähigkeit im Völkerrecht besitzen sollen, dann müßte dies erst recht für rein nationale Unternehmen gelten. Diese Stimmen behandeln die Frage sehr abstrakt und lehnen die Völkerrechtssubjektivität dieser Gebilde pauschal ab, ohne zu erörtern, ob einzelne völkerrechtliche Normen direkt auf Unternehmen anwendbar sind.45 Einige dieser Autoren gehen anscheinend davon aus, daß zu einer Subjektsstellung im Völkerrecht eine generelle Verleihung dieses Status durch die Staaten notwendig ist. Hobe etwa führt dazu aus, im gegenwärtigen Völkerrecht gäbe es keine gewohnheitsrechtliche Norm, die multinationale Unternehmen an das Völkerrecht binde.46 Deutlich wird dies auch bei Cassese, wenn er ausführt: „States have not upgraded these entities to international subjects proper.“47 Eine generelle Verleihung existiert zwar bis heute nicht. Hier wurde aber bereits dargelegt, daß eine solche generelle Verleihung von Subjektivität nicht notwendig für die unmittelbare völkerrechtlich Berechtigung oder Verpflichtung von nicht-staatlichen Akteuren ist (s. o. B.II.3.). Es gibt keinen Grund, warum das für Wirtschaftsunternehmen anders sein soll. Aus der Aussage von Cassese ergibt sich auch noch die Frage, was genau mit „subject proper“ gemeint ist. Nach Malanczuk kommt damit zum Ausdruck, daß die Staaten multinationale Unternehmen völkerrechtlich nicht als Gleiche akzeptieren wollen.48 Ebenso wendet sich Charney gegen eine benaler Organisationen, Giorgio Gaja, in seinem ersten Bericht, UN Doc. A/CN.4/ 532, 26.3.2003, Ziff. 15: „. . . an entity has to be regarded as a subject of international law even if only a single obligation is imposed on it under international law.“ 45 Anderes, Fremde im eigenen Land, S. 108; Arzt/Lukashuk, Participants in International Legal Relations, S. 76 f.; Brownlie, International Law, S. 66; Cassese, International Law in a Divided World, S. 103; nach Epiney/Egbuna-Joss, Private Sicherheitsfirmen, SZIER 2007, 215, 216 sind private Unternehmen „in der Regel“ keine Völkerrechtssubjekte; Hailbronner, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 178, Rz. 44; für den gegenwärtigen Stand des Völkerrechts aber offenlassend für die Zukunft Hobe, Völkerrecht, S. 165 und v. Schorlemer, Der „Global Compact“ der Vereinten Nationen, S. 509 f.; Kokkini-Iatridou/de Waart, Foreign Investments in Developing Countries – Legal Personality of Multinationals in International Law, NYIL 14 (1983), 87, 102; Rigaux, Transnational Corporations, S. 129, Ziff. 19; Sauvant/ Aranda, The International Legal Framework for Transnational Corporations, S. 84; offenlassend Shaw, International Law, S. 225. 46 Hobe, Völkerrecht, S. 164. 47 Cassese, International Law in a Divided World, S. 103. 48 Malanczuk, Multinational Enterprises and Treaty-Making, S. 57.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

deutsame Völkerrechtspersönlichkeit (significant international legal personality) dieser Unternehmen, da sie dadurch staatlicher Kontrolle entgehen und so eine zu große Machtposition gegenüber den Staaten einnehmen könnten.49 Nach Baade soll man nur dann von voller Völkerrechtspersönlichkeit (full international personality) sprechen können, wenn ein privates Unternehmen auch am völkerrechtlichen Normsetzungsprozeß direkt teilnehmen kann.50 Um eine mit den Staaten vergleichbare Stellung von Unternehmen geht es hier aber gar nicht.51 Die Staaten könnten natürlich private Unternehmen als Gleiche in ihrer „Gemeinschaft“ akzeptieren. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum sie das tun sollten. Die entscheidende Frage ist, ob die Staaten Unternehmen erst als Gleiche akzeptieren müssen, bevor die Unternehmen Träger von völkerrechtlichen Rechten oder Pflichten sein können. Die Macht der großen Unternehmen existiert schon heute. Sie ist nicht abhängig von einer formalen Stellung im Völkerrecht, sondern ergibt sich aus ihrer Wirtschaftskraft. Viele Menschen sind als Arbeitnehmer von diesen Unternehmen abhängig und der Staat ist auf die direkten und indirekten Steuereinnahmen angewiesen. Auch die mangelnde rechtliche Eingrenzung und Kontrolle dieser Unternehmen durch den Staat basiert nicht auf einer etwaigen völkerrechtlichen Stellung dieser Wirtschaftseinheiten, sondern auf der Deregulierungspolitik der Staaten oder ihrer mangelnden Fähigkeit, vorhandene nationale Regeln durchzusetzen. Diese mangelnde Fähigkeit der Rechtsdurchsetzung beruht auf den vielfach vorgenommenen Marktöffnungen, wodurch es großen multinationalen Unternehmen relativ leicht gemacht wird, sich der Regulierung eines Staates durch die Verlagerung von Produktion und Investitionen in andere, weniger stark regulierte Staaten zu entziehen.52 Eine mangelnde staatliche Kontrolle hätte nur dann etwas mit der Völkerrechtssubjektivität der Unternehmen zu tun, wenn aus diesem Status folgen würde, daß der Staat völkerrechtlich daran gehindert wäre, in den „Machtbereich“ der Unternehmen einzugreifen. Die souveräne Gleichheit und daraus folgend der Schutz vor ungerechtfertigter Intervention in die eigene Souveränitätssphäre steht im geltenden Völkerrecht aber nur den Staaten zu. Auch das Individuum und die internationalen Regierungsorganisationen können sich nicht darauf berufen, obwohl sie als Völ49 Charney, Transnational Corporations and Developing Public International Law, 42 Duke L. J. 748, 772-73 (1983); vgl. Friedmann, The Changing Structure of International Law, S. 223. 50 Baade, The Legal Effects of Codes of Conduct for Multinational Enterprises, S. 8. 51 Vgl. Dumberry, L’Entreprise, Sujet de Droit International?, R. G. D. I. P. 2004, 103, 110. 52 Kinley/Tadaki, Human Rights Responsibilities for Corporations, 44 Va. J. Int’l L. 931, 938 u. Fn. 12 (2004); Thürer, The Emergence of Non-Governmental Organizations and Transnational Enterprises, S. 47 f.

III. Überlegungen zur Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen

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kerrechtssubjekte mittlerweile akzeptiert sind. Hier muß noch einmal an die oben getroffene Feststellung erinnert werden, daß die verschiedenen Subjekte der Völkerrechtsordnung im Umfang ihrer Berechtigung oder Verpflichtung ganz unterschiedlich sein können und auch tatsächlich sind. Bei den genannten Autoren scheint ein anderes Verständnis von Völkerrechtspersönlichkeit zum Ausdruck zu kommen. Danach ist wohl ein „richtiges“ Völkerrechtssubjekt nur ein Gebilde, das einen völkerrechtlichen Status vergleichbar mit dem der Staaten hat, ihnen also von Gleich zu Gleich gegenübertreten kann. In der Tat könnten dann diese Unternehmen sich staatliche Einmischungen in ihre inneren Angelegenheiten verbitten. Nach dem hier vertretenen Verständnis ist eine „volle“ Völkerrechtssubjektivität nicht notwendig, damit ein nichtstaatliches Gebilde bestimmte völkerrechtliche Rechte oder Pflichten haben kann. Nach diesem Verständnis stellt sich die Möglichkeit, am völkerrechtlichen Normsetzungsprozeß direkt teilzunehmen einfach als ein weiteres Recht dar, das einem Gebilde zustehen mag, das aber nichts über die Existenz weiterer Rechte oder Pflichten aussagt. Aber das alles ist mehr ein Streit um Begriffe und weniger um Inhalt. Es wurde daher sogar vorgeschlagen, sich von dem Begriff der Völkerrechtssubjektivität zu lösen, da er keine ausreichende Aussagekraft mehr habe.53 Für die vorliegende Fragestellung ist nur wichtig festzustellen, ob ein privatrechtliches Unternehmen grundsätzlich an völkerrechtliche Normen gebunden sein kann. Mit welchem abstrakten Begriff man dann eine solche Bindung bezeichnet, ist sekundär. So bestreitet zum Beispiel Malanczuk auch gar nicht, daß die Staaten privaten Unternehmen völkerrechtliche Rechte einräumen können.54 Aus den hier genannten Gründen ist deshalb die pauschale Ablehnung einer direkten völkerrechtlichen Berechtigung oder Verpflichtung von Privatunternehmen nicht überzeugend. 2. Verträge zwischen Staaten und Unternehmen Nur kurz soll hier noch auf einen Streit eingegangen werden, der vor allem in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts geführt wurde, aber bis heute nachwirkt. Große multinationale Unternehmen schließen häufig 53 Higgins, Problems and Process, S. 49 f. spricht über die Lehre der Völkerrechtssubjekte von einem intellektuellen Gefängnis und schlägt vor, nicht mehr von Subjekten oder Objekten der Völkerrechtsordnung zu sprechen, sondern nur noch von Teilnehmern (participants); siehe dazu auch Thürer, The Emergence of NonGovernmental Organizations and Transnational Enterprises, S. 53 der eine Konstitutionalisierung der Völkerrechtsordnung vorschlägt, um so NGOs und MNEs besser in das Völkerrecht zu integrieren. 54 Malanczuk, Multinational Enterprises and Treaty-Making, S. 55, 71.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

mit Entwicklungsstaaten Verträge über große Investitionsprojekte, insbesondere im Bereich der Rohstoffgewinnung. Diese Verträge enthalten häufig Rechtswahlklauseln, die sich in verschiedenen Formulierungen auch auf das Völkerrecht beziehen.55 Aus der Sicht der Unternehmen soll damit und mit der häufigen anzutreffenden Vereinbarung, Streitigkeiten aus dem Vertrag einem internationalen Schiedsgericht [z. B. dem International Centre for the Settlement of Investment Disputes in Washington D. C. (ICSID)]56 zu unterbreiten, ihre Investition geschützt werden, indem der Vertrag einer einseitigen nationalen Rechtsänderung der staatlichen Vertragspartei entzogen wird.57 Tatsächlich werden auch häufig Streitigkeiten, die aus diesen Verträgen entstehen, nach völkerrechtlichen Grundsätzen entschieden.58 Aus diesem Umstand und weiteren Merkmalen dieser Verträge, auf die hier aber nicht weiter eingegangen werden soll59, folgern einige Autoren in der völkerrechtlichen Literatur, daß damit die vertragsschließenden multinationalen Unternehmen zu partiellen Völkerrechtssubjekten gemacht würden und die Verträge dem Völkerrecht unterstünden (sog. international agreement doctrine).60 Dem wird entgegengehalten, eine solche Rechtswahl entspringe lediglich der Privatautonomie der Parteien und mache die private Vertragspartei noch nicht zum Völkerrechtssubjekt, da die Gültigkeit dieser Rechtswahl nach nationalem Recht zu beurteilen sei.61 Der Streit muß hier nicht entschieden werden. Selbst wenn man die Entstehung von Völkerrechtssubjektivität durch solche Verträge annehmen würde, bezöge sie sich nur auf die Rechte und Pflichten aus dem speziellen Vertrag und würde allein für die Vertragsparteien gelten. Sie ließe keinen 55

Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, S. 86 f.; siehe auch einzelne Formulierungen bei Malanczuk, Multinational Enterprises and Treaty-Making, S. 58. 56 Siehe dazu auch unten B.III.4.a)aa). 57 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 286 f., Rz. 2 f.; Malanczuk, Multinational Enterprises and Treaty-Making, S. 58. 58 Dolzer, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 526, Rz. 57; Texas Overseas Petroleum Co. & California Asiatic Oil Co. v. Libyan Arab Republic, 17 ILM 1 (1978); vgl. auch Art. 42 I ICSID-Konvention und z. B. ICSID-Schiedsspruch Nr. ARB/84/3 vom 20.5.1992, Southern Pacific Properties Limited v. The Arab Republic of Egypt, Yearbook of Commercial Arbitration 19 (1994), 51, 60, Rz. 83–85. 59 Siehe dazu eine Zusammenstellung bei Ijalaye, The Extension of Corporate Personality in International Law, S. 152–154. 60 Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, S. 304; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/2, S. 257 f.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, S. 288, Rz. 7; Ijalaye, The Extension of Corporate Personality in International Law, S. 243, Wildhaber, Multinationale Unternehmen und Völkerrecht, S. 42. 61 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 121 f., Rz. 12; ablehnend auch Malanczuk, Multinational Enterprises and Treaty-Making, S. 60.

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Schluß auf andere Bereiche des Völkerrechts zu. Das betreffende Unternehmen würde nur partielle Völkerrechtssubjektivität bezogen auf den Vertragsinhalt genießen.62 Bisher sind in solchen Verträgen aber keine menschenrechtlichen Verpflichtungen enthalten. Und selbst wenn dies so sein sollte, könnte man daraus keine Schlüsse über die Bindung des jeweiligen Unternehmens an völkerrechtliche Menschenrechte ableiten, die anderen Völkerrechtsquellen entspringen. 3. Unternehmen als juristische Person des innerstaatlichen Rechts Um weitere Aussagen über eine mögliche völkerrechtliche Berechtigung oder Verpflichtung von privaten Unternehmen treffen zu können, soll ein Blick auf ihre innerstaatliche Rechtsstellung geworfen werden. Diese Stellung bestimmt sich ganz wesentlich nach dem jeweiligen nationalen Gesellschaftsrecht. Dabei ist festzustellen, daß das nationale Recht meistens eine bestimmte Anzahl von gesellschaftsrechtlichen Typen vorgibt, aus denen bei der Gründung eines Unternehmens eine auszuwählen ist.63 Das nationale Recht unterscheidet nun meist zwischen solchen Gesellschaften die selbst Träger von Rechten und Pflichten sind, und solchen, denen eine eigene Rechtsfähigkeit nicht zukommt. Bewußt wurde hier noch nicht von einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, also einer juristischen Person gesprochen, da im deutschen Recht (§ 14 BGB) und in Teilen der deutschen gesellschaftsrechtlichen Literatur64 und Rechtsprechung65 ein Unterschied zwischen rechtsfähigen (Personen-)Gesellschaften (z. B. OHG, KG) und den eigentlichen juristischen Personen (z. B. GmbH, AG) gemacht wird.66 Dieses Problem ist aber für die folgende Erörterung irrelevant und wird deshalb auch nicht vertieft. Entscheidend ist die Frage, ob eine Gesellschaft eigene Rechte und Pflichten hat oder zumindest haben kann, nicht wie diese Eigenschaft bezeichnet wird und was sonst noch aus einer solchen Unterscheidung folgen mag. Da hier aber Aussagen getroffen werden sollen, die nicht nur eine nationale Rechtsordnung betreffen, wird im folgenden der Begriff der juristischen Person (legal person, personne 62 Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, S. 187, 200. 63 Für das deutsche Recht siehe z. B. Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 4, Rz. 5 oder Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 96, 98. 64 Siehe z. B. Ulmer, Gesamthandsgesellschaft, AcP 198 (1998), 113, 119 ff. 65 BGHZ 146, 341, 343. 66 Siehe dazu z. B. Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 21 f., Rz. 5–7 mit weiteren Nachweisen.

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morale) und synonym die Begriffe der Rechtsfähigkeit und der Rechtssubjektivität67 auf Gesellschaften angewendet, die nach nationalem Recht die Eigenschaft besitzen, selbst Träger von Rechten oder Pflichten zu sein. Der Begriff der juristischen Person wird hier also in einem weiten Sinne verstanden.68 Ebensowenig ist es für die vorliegende Betrachtung notwendig, auf die Unterschiede in der Binnenstruktur der einzelnen Gesellschaftsformen in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen einzugehen. Entscheidend ist hier ihre Rechtsstellung nach außen. Zur besseren Veranschaulichung sollen hier ein paar Beispiele von Gesellschaftstypen aus unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen genannt werden, die eigene Rechtsfähigkeit besitzen. Aus dem deutschen Recht wurden schon die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) genannt. Aber auch die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) genießen eigene Rechtsfähigkeit. In China besitzen zum Beispiel die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Aktiengesellschaft und das Equity Joint Venture eigene Rechtsfähigkeit.69 In Japan besitzen die gôdô kaisha (vergleichbar mit der US-amerikanischen Limited Liability Company), die kabushiki kaisha (AG), die gômei kaisha (OHG) und die gôshi kaisha (KG) eigene Rechtspersönlichkeit.70 Aus dem US-amerikanischen Recht sind vor allem die zwar nicht nach ihrer Anzahl jedoch nach ihrer Wirtschaftskraft71 bedeutenden business corporations zu nennen, ebenso wie die limited liability company.72 In den Niederlanden kommt jedenfalls der Besloten Vennootschap BV (GmbH) und der Naamloze Vennootschap NV (AG) eigene Rechtspersönlichkeit zu.73 Im italienischen Recht besitzen zumindest die Società per azioni (S. p. a.) und die Società a responsabilità limitata (S. r. l.) eigene Rechtsfähigkeit.74 Gleiches gilt in Spanien für die dortigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Sociedad de Responsabilidad limitada) und die Aktiengesellschaften (Sociedad Anónima)75 und auch für die OHG (Socie67 Vgl. dazu Timm, Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Haftungsverfassung, NJW 1995, 3209, 3210. 68 Ebenso für ein weites Verständnis des Begriffs der juristischen Person zumindest im deutschen Recht Raiser, Der Begriff der Juristischen Person, AcP 199 (1999), 104, 136–140. 69 Guang, Joint Ventures in China, S. 24, 26. 70 Marutschke, Einführung in das japanische Recht, S. 301; Raidl/Takata, Handelsrecht, S. 145. 71 Siehe dazu die Tabelle bei Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 128. 72 Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 137, Rz. 141. 73 Gotzen, Niederländisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rz. 260, 373. 74 Hofmann, Gesellschaftsrecht in Italien, S. 25. 75 Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, S. 111, 116.

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dad Colectiva) und KG (Sociedad Comanditaria)76. In Frankreich besitzen sowohl die Personengesellschaften (société en nom collectif und société en commandite simple) als auch die Kapitalgesellschaften (société à responsabilité limitée und société anonyme) eigene Rechtspersönlichkeit.77 Im englischen Recht kommt den verschiedenen Formen der inkorporierten companies eigene Rechtspersönlichkeit zu.78 Grundlage der folgenden Erörterungen sind demnach Unternehmen, die nicht Staat und nicht natürliche Person sind und denen nach innerstaatlichem Recht eigene Rechtsfähigkeit zukommt. 4. Zuweisung von Rechtsfähigkeit/Rechtspersönlichkeit Interessant ist nun die Frage, wie ein Unternehmen als gesellschaftsrechtliches Gebilde Rechtsfähigkeit erlangt. Zwei mögliche Wege bieten sich hier grundsätzlich an: einmal kann einer Gesellschaft durch eine spezifische Norm ein konkretes Recht verliehen oder eine konkrete Pflicht auferlegt werden; zum anderen kann eine Norm aber auch generell einer Gesellschaft Rechtsfähigkeit oder Rechtspersönlichkeit verleihen. a) Konkret durch einzelne Normen Wenn eine einzelne Norm eine Gesellschaft berechtigt oder verpflichtet, dann erstreckt sich die Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaft auch nur auf dieses einzelne Recht oder diese einzelne Pflicht. Eine weiterreichende Aussage über die Rechtsfähigkeit dieses Gebildes ist damit noch nicht möglich. Nach dem hier vertretenen Verständnis von Rechtssubjektivität genügt aber ein Recht oder eine Pflicht aus, um die Gesellschaft zu einem Rechtssubjekt zu machen. aa) Im Völkerrecht/Beispiele Im Völkerrecht lassen sich bereits Normen feststellen, die privatrechtlichen Unternehmen konkrete Rechtspositionen zubilligen oder Pflichten auferlegen. An erster Stelle soll hier die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) genannt werden. Nach deren Art. 1 müssen die Vertrags76

Cremades, Gesellschaftsrecht in Spanien, S. 57 f. Hübner/Constantinesco, Einführung in des französiche Recht, S. 219; Sonnenberger/Autexier, Einführung in des französische Recht, S. 121, 190. 78 Boyle/Birds, Company Law, S. 43; v. Bernstorff, Einführung in das englische Recht, S. 217 f. 77

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staaten allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen die in der Konvention aufgeführten materiellen Rechte zusichern. Der Begriff der Person wird nicht näher definiert. Allerdings können gemäß Art. 34 EMRK neben natürlichen Personen oder Personengruppen auch nichtstaatliche Organisationen eigene Rechtsverletzungen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geltend machen. Daraus folgt, daß den nichtstaatlichen Organisationen auch materielle Rechte aus der EMRK zustehen müssen, denn die eigene Rechtsverletzung ist Voraussetzung für das Klagerecht.79 Zu den nichtstaatlichen Organisationen rechnen die Literatur und der EGMR auch privatrechtlich organisierte Wirtschaftsunternehmen.80 Die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) beschränkt zwar die materielle Trägerschaft der in ihr aufgeführten Rechte auf natürliche Personen (Art. 1 II AMRK). Eine Konventionsverletzung kann aber von jedermann vor der Inter-Amerikanischen Kommission für Menschenrechte gerügt werden, ohne selbst von der Verletzung betroffen zu sein.81 Diese Beschwerdemöglichkeit steht gemäß Art. 44 AMRK auch nichtstaatlichen Einheiten (any nongovernmental entity) zu, wenn sie in einem Mitgliedstaat der OAS rechtlich anerkannt sind. In der Praxis wurden schon zahlreiche Beschwerden von Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und Berufsverbänden erhoben.82 So kann man davon ausgehen, daß auch einem privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen diese Möglichkeit offensteht. Weitere Beispiele sind die Klagemöglichkeiten von Unternehmen vor dem International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) und dem Internationalen Seegerichtshof. Das ICSID wurde durch einen völkerrechtlichen Vertrag83 geschaffen, dem mittlerweile 142 Staaten angehören. Es ist zuständig für Investitionsstreitigkeiten zwischen Angehörigen von Vertragsstaaten mit anderen Vertragsstaaten, die von den Streitparteien dem ICSID unterbreitet werden. Dabei können neben natürlichen Personen gemäß Art. 25 II, lit. b ICSID-Konvention auch juristische Personen als Partei einer Investitionsstreitigkeit auftreten. In der Tat handelt es sich bei den meisten privaten Parteien um Unternehmen. Ganz unabhängig von der Frage, welches materielle Recht auf die unterbreitete Investitionsstreitigkeit anwendbar ist, gewährt die ICSID-Konvention damit privaten Unternehmen ein völkerrechtliches Recht auf Zugang zum Schiedsmechanismus des ICSID.84 79

Grabenwarter, EMRK, S. 51, Rz. 8, 102, Rz. 5. van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, European Convention, S. 53; Frowein/ Peukert-Peukert, EMRK, Art. 25, Rz. 16; vgl. Grabenwarter, EMRK, S. 102, Rz. 5. 81 Kokott, Interamerikanisches System, S. 56 f. 82 Kokott, Interamerikanisches System, S. 56, Fn. 243. 83 Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States vom 18.3.1965, BGBl. 1969 II, 369. 80

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Auch der durch das UN-Seerechtsübereinkommen85 geschaffene Internationale Seegerichtshof in Hamburg steht gemäß Art. 20 II seines Statuts86 „Rechtsträgern, die nicht Vertragsstaaten sind“ (entities other than State Parties), offen. Darunter sind neben natürlichen Personen und Internationalen Organisationen auch juristische Personen des Privatrechts zu verstehen,87 also auch Unternehmen, die als solche organisiert sind. Neben Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Tiefseebodenregime, sieht das Statut (Art. 20 II) auch vor, daß nichtstaatliche Parteien durch Übereinkunft Streitigkeiten dem Gerichtshof unterbreiten können.88 Aber auch Pflichten lassen sich schon im geltenden Völkerrecht feststellen. So sieht zum Beispiel das Internationale Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden89 vor, daß der Eigentümer für Ölverschmutzungen, die von seinem Schiff verursacht wurden, auf Schadensersatz haftet (Art. III 1 des Übereinkommens). Eigentümer können dabei gemäß Art. I Nr. 2, 3 des Übereinkommens sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts sein und somit auch privatwirtschaftliche Unternehmen. Die Haftungsnorm in Art. III ist als direkte Verpflichtung des Eigentümers formuliert („. . . haftet der Eigentümer eines Schiffes . . .“). Das Abkommen sieht nicht vor, daß die Vertragsstaaten die Haftung des Schiffseigentümers erst in ihrem nationalen Recht gewährleisten. Entsprechend verweist § 1 I des deutschen Ölschadengesetzes90 bezüglich der Haftungsgrundlage nur auf das internationale Übereinkommen und enthält keine eigene Anspruchsgrundlage. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, daß die Haftung eines Schiffseigentümers für Ölverschmutzungsschäden schon durch das internationale Übereinkommen selbst direkt geregelt wird und damit eine völkerrechtliche Verpflichtung geschaffen wurde. Die zuletzt genannten Beispiele setzen zwar eine juristische Person nach innerstaatlichem Recht voraus. Das ändert aber nichts daran, daß diesen Gebilden durch die genannten völkerrechtlichen Normen konkrete Rechte eingeräumt oder Pflichten auferlegt werden. Auch kann man daran schon erkennen, daß eine Völkerrechtssubjektivität eines Gebildes durchaus auch von einer Rechtsfähigkeit, die durch innerstaatliches Recht verliehen wurde, abhängen kann. 84 Schmalenbach, Multinationale Unternehmen und Menschenrechte, AVR 39 (2001), 57, 64. 85 Vom 10.12.1982, BGBl. 1994 II, 1799. 86 Das Statut ist in Anlage VI des UN-Seerechtsübereinkommens enthalten. 87 Nordquist/Rosenne/Sohn, UNCLOS 1982 Commentary V, S. 375 f. 88 Mensah, International Tribunal, RabelsZ 63 (1999), 330, 338. 89 Vom 27.11.1992, BGBl. 1996 II, 671. 90 BGBl. 1988 I, 1770, 1994 I, 1802.

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Diese Beispiele genügen schon, um erhebliche Zweifel an der oben wiedergegebenen Rechtsansicht hervorzurufen, wonach Unternehmen keine Völkerrechtssubjektivität genießen würden. Zumindest diejenigen Unternehmen, die im Anwendungsbereich der eben aufgeführten Normen liegen, genießen Völkerrechtsubjektivität bezüglich dieser Rechte oder Pflichten.91 bb) Im innerstaatlichen Recht Auch im innerstaatlichen Recht lassen sich Beispiele für eine konkrete Berechtigung oder Verpflichtung von Unternehmen finden. Hier sollen ein paar Beispiele aus der deutschen Rechtsordnung genügen. Eine solche Norm findet sich zum Beispiel in § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der das Kartellverbot für Unternehmen beinhaltet. Was ein Unternehmen ist, wird im GWB nicht näher definiert. Die Literatur und Rechtsprechung ist sich aber einig, daß der Begriff weit zu verstehen ist und alle Personen und Gebilde erfaßt, die funktional unternehmerisch tätig sind.92 Auf die Rechtsform und darauf, ob das Unternehmen sonst eigene Rechtsfähigkeit besitzt, kommt es nicht an.93 Entsprechendes gilt auch für das Kartellverbot in Art. 81 EG, das ebenfalls „Unternehmen“ an das Verbot bindet.94 Noch spezifischere Normen, die nur einen bestimmten Gesellschaftstyp berechtigen oder verpflichten, finden sich im GmbHG und im AktG. So müssen zum Beispiel Leistungen, die Aktionäre von einer Aktiengesellschaft ungerechtfertigterweise erhalten haben, an diese nach § 62 I AktG zurückerstattet werden. § 62 II AktG spricht diesbezüglich von einem Anspruch der Aktiengesellschaft. Inhaber dieses Rechts ist also ausschließlich die Aktiengesellschaft.95 Nach § 71 AktG darf eine Aktiengesellschaft nur unter bestimmten, dort festgelegten Voraussetzungen eigene Aktien erwerben. Eine ähnliche Vorschrift findet sich auch in § 33 GmbHG. Gemäß § 5 I, 7 I des deutschen Versicherungsaufsichtsgesetzes dürfen nur Aktiengesellschaften, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Anstalten das Versicherungsgeschäft betreiben. 91 So auch hinsichtlich der völkerrechtlichen Berechtigung von Privatunternehmen Nowrot, Normative Ordnungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 531–534. 92 Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1, Rz. 27, 32 mit weiteren Verweisen; Langen/Bunte-Bunte, KartR I, § 1, Rz. 13. 93 Vgl. Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1, Rz. 41; Langen/ Bunte-Bunte, KartR I, § 1, Rz. 16. 94 Langen/Bunte-Bunte, KartR II, Art. 81, Rz. 5. 95 Hüffner, AktG, § 62, Rz. 3, 13.

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Eine solche spezifische Normadressierung ist eine Möglichkeit, um einen gewissen Rechtsrahmen für Unternehmen zu schaffen. Sie läßt aber keine Aussage darüber zu, ob nicht auch Normen, die keine solche spezifische Adressierung enthalten, auf ein Unternehmen oder einen bestimmten Gesellschaftstyp angewendet werden können. b) Durch generelle Verleihung Die andere, bereits erwähnte Möglichkeit besteht darin, daß einem Gesellschaftstyp generell die Rechtsfähigkeit verliehen wird. aa) Im Völkerrecht Wie bereits erwähnt, existiert im Völkerrecht gegenwärtig keine Norm, die Unternehmen generell Völkerrechtsfähigkeit oder Völkerrechtssubjektivität zuweist.96 Dennoch sind solche generellen Zuweisungen im Völkerrecht nicht völlig unbekannt. Eine generelle „Zuweisung“ besteht ja bezüglich der Staaten. Dies ergibt sich aber schon aus der Völkerrechtsordnung selbst und ist keine Zuweisung eines anderen Subjekts. Die Staaten haben sich sozusagen selbst zu Völkerrechtssubjekten gemacht. Interessant ist, daß dies nirgendwo ausdrücklich niedergelegt wurde. Es lassen sich aber Beispiele einer ausdrücklichen Zuweisung bei Internationalen Regierungsorganisationen finden. Zwar enthalten die meisten Satzungen Internationaler Regierungsorganisationen keine explizite Bestimmung über ihre Völkerrechtssubjektivität97, bei einigen wenigen Organisationen ist das aber der Fall. Prominentestes Beispiel ist die Europäische Gemeinschaft (EG). Art. 281 EG weist der Gemeinschaft allgemein Rechtspersönlichkeit zu. Nach Art. 282 EG besitzt die Gemeinschaft auch die innerstaatliche Rechtsfähigkeit in ihren Mitgliedstaaten. Mit einem Umkehrschluß kann man nun folgern, daß Art. 281 EG die Völkerrechtsfähigkeit umfassen muß.98 Aber auch unbekannteren Organisationen wie dem Internationalen Olivenölrat wurde in der Satzung die Völkerrechtsfähigkeit verliehen.99 96 Nach Nowrot, Normative Ordnungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 566 sollen insbesondere multinationale Unternehmen allein schon wegen ihrer machtvollen Position auf internationaler Ebene als Völkerrechtssubjekte gelten und damit auch völkerrechtlichen Pflichten unterworfen sein. 97 Schermers/Blokker, International Institutional Law, § 1565; Schmalenbach, Die Haftung Internationaler Organisationen, S. 70. 98 Lenz/Borchardt-Booß, EU- und EG-Vertrag, Art. 281 EG, Rz. 1; von der Groeben/Schwarze-Tomuschat, Kommentar EU/EG-Vertrag, Art. 281 EG, Rz. 1. 99 Art. 5 I des International Olive Oil and Table Olives Agreement vom 29.4.2005, http://www.internationaloliveoil.org/downloads/Convenio03eng.pdf.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

Es wäre also durchaus denkbar, daß Staaten privaten Unternehmen auf diesem Wege Völkerrechtsfähigkeit verleihen könnten, wenn auch der Gebrauch dieser Variante nicht wahrscheinlich ist. bb) Im innerstaatlichen Recht Im nationalen Recht ist eine generelle Verleihung von Rechtsfähigkeit bei bestimmten Gesellschaftstypen die Regel. Diese erfolgt entweder durch eine gesetzliche Bestimmung oder durch die Rechtsprechung. Im deutschen Recht ist beides anzutreffen. Der OHG, KG, der GmbH und der AG steht die Rechtsfähigkeit aufgrund gesetzlicher Normen zu.100 Für die BGB-Gesellschaft erfolgte dies erst kürzlich durch die Rechtsprechung.101 Im englischen Recht kommt den companies seit der Entscheidung des House of Lords im Fall Salomon v. Salomon & Co Ltd102 aus dem Jahr 1897 eigene Rechtspersönlichkeit zu. Dort hatten die Lord-Richter entschieden, daß eine company eine Rechtsperson ist, die sich von der Rechtspersönlichkeit der Anteilseigner unterscheidet und unabhängig von ihnen existiert.103 In den USA finden sich Aussagen zur eigenen Rechtsfähigkeit der corporation in der Rechtsprechung104 und in entsprechenden Gesetzen der einzelnen Bundesstaaten105. cc) Auswirkungen einer generellen Verleihung Die Auswirkungen genereller Verleihungen ergeben sich aus den Gründen, warum generelle Zuweisungen von Rechtssubjektivität im innerstaatlichen Recht vorkommen. Der wichtigste Grund ist, der juristischen Person eine weitgehende Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsverkehr, vergleichbar mit einer natürlichen Person, zu ermöglichen.106 Dazu ist es aber notwendig, daß auch Rechtsnormen auf die juristische Person angewendet werden, die nicht ausdrücklich die juristische Person als Adressaten benennen. 100

§ 124 I, 161 II HGB, § 13 I GmbHG, § 1 I AktG. BGHZ 146, 341. 102 A. C. 22, HL. 103 Davies, Principles of modern Company Law, S. 27; Hannigan, Company Law, S. 63. 104 Northern Securities Co. v. United Sates, 193 U. S. 197, 331 (1904). 105 Siehe z. B. § 122 des Delaware General Corporation Law, abgedruckt in: Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 720, 737. 106 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, § 13, Rz. 2; vgl. Medicus, Allgemeiner Teil BGB, Rz. 1085 ff.; Raiser, Der Begriff der Juristischen Person, AcP 199 (1999), 104, 134; Rebmann/Säcker/Rixecker-Reuter, Münchener Kommentar BGB, Vor § 21, Rz. 12. 101

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Die Existenz von Normen, die spezifisch einen bestimmten Gesellschaftstyp berechtigen oder verpflichten, wurde bereits dargelegt.107 Solche Normen sind aber eher selten. Meistens wird der Adressat der Norm generell umschrieben oder es wird eine Funktionsbezeichnung gewählt. Dies soll anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden: § 433 BGB normiert die grundlegenden Verpflichtungen des Verkäufers und des Käufers einer Sache. Hier werden also die Parteien eines Kaufvertrages in ihren Funktionen beschrieben. Wer alles Käufer und Verkäufer sein kann, darüber sagt die Norm nichts aus. Es ist jedoch eine Selbstverständlichkeit, daß der Mensch108 als Käufer oder Verkäufer auftreten kann. Dazu hätte es auch nicht unbedingt des § 1 BGB bedurft, der die Rechtsfähigkeit des Menschen festhält. Die Zuweisung der allgemeinen Rechtsfähigkeit an bestimmte Gesellschaftstypen bewirkt nun aber, daß § 433 BGB auch auf solche rechtsfähigen Gebilde angewendet werden kann, daß also zum Beispiel eine Aktiengesellschaft als Verkäufer oder Käufer einen Kaufvertrag schließen kann. Ein anderes Beispiel: nach § 4 I Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bedürfen Anlagen, von denen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, der Genehmigung. Die Genehmigungspflicht trifft den Anlagenbetreiber. Wer alles Anlagenbetreiber sein kann, definiert das BImSchG nicht. Jedenfalls werden dazu aber Menschen und juristische Personen gerechnet.109 Theoretisch könnte man diese Frage auch so lösen, daß man in jeder Rechtsnorm, die auch auf Gesellschaften angewendet werden soll, ausdrücklich die verschiedenen Gesellschaftstypen als Adressaten aufnimmt. Dann wäre die generelle Verleihung von Rechtsfähigkeit entbehrlich. Dies würde aber angesichts des Umfangs, den die meisten nationalen Rechtsordnungen mittlerweile angenommen haben, ein uferloses Unterfangen darstellen. Viel praktischer ist es da, eine generelle Zuweisung vorzunehmen. Das heißt aber nicht, daß alle Normen auch auf private juristische Personen angewendet werden können. So existieren natürlich Normen, die ausschließlich an den Staat oder seine Organe gerichtet sind. Auch muß man für solche Normen eine Bindung juristischer Personen ablehnen, die ausschließlich den Menschen berechtigen oder verpflichten. So kann zum Beispiel eine Gesellschaft trotz Rechtsfähigkeit keine zivilrechtliche Ehe eingehen.110 Eine Gesellschaft kann auch nicht zum Wehrdienst herangezogen 107

s. o. B.III.4.a)bb). In der Rechtswissenschaft auch häufig als „natürliche Person“ bezeichnet. Aber warum so einen abstrakten Begriff verwenden, wenn es auch einfacher und konkreter geht? 109 Jarass, BImSchG Kommentar, § 3, Rz. 81, § 4, Rz. 42. 110 Medicus, Allgemeiner Teil BGB, Rz. 1099. 108

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werden. Aber insgesamt kann man sagen, daß durch die Verleihung von Rechtspersönlichkeit eine Gesellschaft in ihrer Rechtsstellung einer natürlichen Person angeglichen werden soll. Diese Sichtweise einer generellen Verleihung von Rechtsfähigkeit/ Rechtspersönlichkeit läßt sich grundsätzlich auch in anderen nationalen Rechtsordnungen feststellen. Der US Supreme Court hat schon im Jahre 1844 festgestellt, daß eine corporation grundsätzlich wie eine natürliche Person zu behandeln ist.111 Nachfolgende Entscheidungen haben dies bestätigt.112 Das englische House of Lords hat in dem schon erwähnten Fall Salomon v. Salomon & Co Ltd zu der Frage ausgeführt: „. . . once the company is legally incorporated it must be treated like any other independent person with rights and liabilities appropriate to itself . . .“.113 Auch wenn die Reichweite der Rechtspersönlichkeit von Unternehmen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen im Detail sicherlich unterschiedlich ist, so kann man doch den Grundsatz festhalten, daß ein Gebilde, wenn es generell Rechtsfähigkeit besitzt oder verliehen bekommen hat, auch fähig ist, Rechte und Pflichten zu besitzen, die nicht ausdrücklich diesem Gebilde zugewiesen wurden. 5. Übertragung auf die völkerrechtliche Ebene Es stellt sich nun die Frage, ob diese Erkenntnis auch auf der völkerrechtlichen Ebene nutzbar zu machen ist. Dabei muß hier erst mal festgehalten werden, daß die Verleihung von innerstaatlicher Rechtsfähigkeit an eine Gesellschaft nicht bedeutet, daß diese Gesellschaft auch generell ein Völkerrechtssubjekt ist. Wenn man jedenfalls der dualistischen Lehre folgt, sind das innerstaatliche Recht und das Völkerrecht zwei verschiedene Rechtsordnungen.114 Ein Rechtssubjekt in der einen Rechtsordnung muß nicht auch ein Subjekt in der anderen Ordnung sein. So war es ja lange Zeit für den Menschen, der jedenfalls nach überwiegender Ansicht keine eigene Rechtsstellung im Völkerrecht innehatte.115 Dies bedeutet aber nicht, 111

Louisville R. Co. v. Letson, 2 How. 497, 558 (1844). Monell v. New York City Dept. of Social Services, 436 U. S. 658, 687, 98 S.Ct. 2018, 2034 (1978); Wilson v. Omaha Indiana Tribe, 442 U. S. 653, 666, 99 S.Ct. 2529, 2537 (1978): der Begriff „person“ in einer Gesetzesnorm umfaßt neben natürlichen Personen auch juritische; siehe dazu auch Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 184, Rz. 249. 113 [1897] A. C. 22, 30 (Lord Halsbury); aus jüngerer Zeit siehe Maclaine Watson, Co. Ltd. v International Tin Council [1989] 3 All ER 523, 531 (Lord Templeman). 114 Kunig, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 99, Rz. 30. 115 s. o. B.II.1. 112

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daß man die innerstaatliche Rechtsfähigkeit nicht auch für die Ebene des Völkerrechts nutzbar machen kann. a) Mögliche Bindung von Privaten durch Völkerrechtsnormen Zur weiteren Erörterung der Frage soll hier davon ausgegangen werden, daß im Völkerrecht Normen feststellbar sind, die zumindest auch Private, also nicht-staatliche Akteure, direkt verpflichten, ohne ausdrücklich private Unternehmen oder Gesellschaften als Adressaten zu nennen, so wie das bei den meisten innerstaatlichen Rechtsvorschriften auch der Fall ist. Die spontane Antwort auf die Frage, wer der Adressat dieser Norm ist, lautet, daß dadurch neben dem Menschen grundsätzlich auch private juristische Personen des nationalen Rechts gebunden werden.116 Es sei denn, die völkerrechtliche Norm richtet sich ausschließlich und wesensnotwendig an natürliche Personen. Es wäre nur schwer verständlich, private rechtsfähige Gebilde von einer solchen Bindung auszunehmen. Sonst müßte man ja auch an der Bindung des Menschen durch eine solche völkerrechtliche Norm zweifeln, wenn sie ihn nicht ausdrücklich als Adressaten benennt. Dann würde aber als Adressat auf nicht-staatlicher Seite niemand mehr übrig bleiben. Den wesentlichen Schritt der Bindung einer innerstaatlichen juristischen Person hat hier schon das Völkerrecht gemacht, indem es Private bindet. Daß man zu den Privaten auch die privaten juristischen Personen rechnet, ergibt sich aus dem nationalen Recht, das eine Rechtspersönlichkeit von nicht-menschlichen Gebilden anerkennt. Hier kommt es also zu einem Zusammenspiel von völkerrechtlicher Norm und nationaler Rechtsfähigkeitsverleihung. Es entspricht dem fragmentarischen Charakter des Völkerrechts, daß die Frage der Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen dort nicht geregelt ist. Es bleibt also nur ein Rückgriff auf das nationale Recht. Zur Veranschaulichung soll das oben schon erwähnte Statut des Internationalen Seegerichtshofes117 als Beispiel dienen. Wie ausgeführt [s. o. B.III.4.a)aa)], berechtigt sein Art. 20 II nicht-staatliche Akteure vor dem Gerichtshof als Parteien aufzutreten. Im authentischen englischen Vertragswortlaut werden diese Akteure als entities bezeichnet. Der Begriff entity ist ziemlich weit und unspezifisch. Der bereits zitierte Kommentar zum Statut geht nun selbstverständlich davon aus, daß damit neben natürlichen Personen auch juristische Personen gemeint sind.118 Dies wird einfach festgestellt, ohne die Frage näher zu erörtern. Der Grund dürfte darin liegen, daß 116

In diesem Sinne auch Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 79. 117 s. o. Fn. 85, 86. 118 Nordquist/Rosenne/Sohn, UNCLOS 1982 Commentary V, S. 375.

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die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person mittlerweile eine aus den nationalen Rechtsordnungen bekannte Selbstverständlichkeit ist. Ein weiteres Beispiel kann man auch aus dem ebenfalls schon angeführten Internationalen Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden119 konstruieren. Angenommen, das Abkommen hätte nicht in Art. I Nr. 2 und 3 näher definiert, daß Eigentümer eines Schiffes eine natürliche oder juristische Person sein kann. Zur Bestimmung des Adressaten der Haftung hätte man also nur den Begriff des Eigentümers zur Verfügung. Hier wird der Adressat der Haftungsnorm in seiner Funktion beschrieben. Da das Völkerrecht keine Bestimmungen enthält, wer Eigentümer eines Schiffes ist, würde man auf das jeweilige nationale Recht zurückgreifen müssen. Aus diesem würde sich ergeben, daß auch eine rechtsfähige Gesellschaft Eigentümerin eines Schiffes sein kann. Ein solches Zusammenspiel von völkerrechtlicher Norm mit Bestimmungen des nationalen Rechts ist weder neu noch ungewöhnlich. Bei der Frage, welcher Staat diplomatischen Schutz bei Maßnahmen gegen ein Unternehmen ausüben darf – der Heimatstaat des Unternehmens oder derjenige der Anteilseigner – hat schon der IGH 1970 in dem Verfahren Barcelona Traction entschieden, daß bezüglich der Beurteilung der rechtlichen Eigenständigkeit eines Unternehmens auf das nationale Recht zurückgegriffen werden muß, da das Völkerrecht keine entsprechenden Regeln bereithält.120 Hier ging es zwar nicht um eine Subjektstellung des Unternehmens selbst im Völkerrecht – denn das Recht zur Geltendmachung diplomatischen Schutzes ist ein Recht des Staates121 – aber um die kombinierte Anwendung von völkerrechtlichen Regeln mit nationalen Normen, die die Subjektstellung eines Unternehmens im innerstaatlichen Bereich regeln. In diesem Sinne hat 1949 Philip Jessup ausgeführt: „Solange die nationale Rechtsprechung solche juristischen Personen schafft, muß das internationale Recht sie als Personen behandeln.“122 Das eben gesagte bedeutet nicht, daß nur Vereinigungen, denen nach innerstaatlichem Recht Rechtspersönlichkeit zukommt, vom Völkerrecht verpflichtet werden können. Es sind natürlich völkerrechtliche Normen vorstellbar, die Gebilde ohne innerstaatliche Rechtspersönlichkeit Rechte verleihen oder Pflichten auferlegen.

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s. o. Fn. 89. Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), Judgment 5.2.1970, ICJ Rep. 1970, 4, 33 f. Ziff. 38. 121 s. o. B.II.1. 122 Jessup, Modernes Völkerrecht, S. 33. 120

III. Überlegungen zur Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen

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b) Problembehandlung in den USA Interessant ist nun, wie die amerikanischen Bundesgerichte die Frage der Völkerrechtssubjektivität von Unternehmen in den schon angesprochenen Verfahren behandeln. aa) Kurze Einführung in den ATCA Zum besseren Verständnis muß hier kurz auf den Alien Tort Claims Act123 (ATCA) eingegangen werden, der die Grundlage dieser Gerichtsverfahren bildet. Der ATCA wurde 1789, also in der Anfangszeit der USA erlassen, wobei dessen ursprüngliche Intention etwas im Dunkeln liegt.124 Der ATCA ist denkbar kurz gehalten. In seiner jetzigen Form lautet er: The district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States.

Der ATCA ist primär eine Zuständigkeitsnorm für die US-Bundesgerichtsbarkeit. Nach dem amerikanischen Verfassungsrecht besitzen die Bundesgerichte keine allgemeine Zuständigkeit, sondern sind nur dann zuständig, wenn ihnen positiv bestimmte Verfahren entweder durch die Verfassung selbst oder durch Bundesgesetze, die sich im Rahmen des Art. III US-Verfassung bewegen müssen, zugewiesen wurden.125 Ohne den ATCA und ohne das Eingreifen anderer Zuständigkeitszuweisungen an die Bundesgerichte könnten solche Fälle nur vor den Gerichten der einzelnen US-Bundesstaaten verhandelt werden.126 Damit die Bundesgerichte ihre Zuständigkeit nach dem ATCA begründen können, müssen sie also prüfen, ob der Beklagte ein Delikt unter Verletzung des sogenannten law of nations oder eines völkerrechtlichen Vertrages, dessen Vertragspartei die USA sind, begangen hat. Unter dem Begriff law of nations wird im US-Recht das Völ123 28 U. S. C. § 1350; eine gebräuchliche Bezeichnung ist auch Alien Tort Statute (ATS); für den ursprünglichen Wortlaut siehe das Zitat bei Bradley, The Alien Tort Statute and Article III, 42 Va. J Int’l L. 587 (2002). 124 Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88, 105 Fn. 10 (2nd Cir. 2000); Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, 244 F.Supp.2d 289, 304 (S. D. N. Y. 2003); für eine ausführliche Erörterung der historischen Umstände des ATCA und seiner rechtspolitischen Begründung siehe Burley, The Alien Tort Statute and the Judiciary Act of 1789, 83 Am. J. Int’l L. 461, 464–488 (1989); eine kürzere Darstellung findet sich bei D’Amato, The Alien Tort Statute and the Founding of the Constitution, 82 Am. J. Int’l L. 62–67 (1988). 125 Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 1. 126 Rubin, U. S. Tort Suits by Aliens Based on International Law, 18 Fletcher F. World Aff. 65, 66 (1994).

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kergewohnheitsrecht verstanden.127 Wenn also eine zivilrechtliche Deliktsklage gegen ein Unternehmen vor einem US-Bundesgericht auf Grund des ATCA erhoben wird, muß dargelegt werden, daß dieses Unternehmen Völkerrecht verletzt hat. Der ATCA spielte für fast 200 Jahre nur eine marginale Rolle in der amerikanischen Gerichtspraxis. Das änderte sich 1980 mit dem Verfahren Filártiga v. Peña-Irala.128 Der Vater und die Schwester eines in Paraguay zu Tode gefolterten Jugendlichen verklagten den Folterer, einen hohen paraguayischen Polizeioffizier, vor einem New Yorker Bundesgericht auf Schadensersatz.129 Nach einem mehrjährigen Verfahren wurde der Polizeioffizier zu einer hohen Schadensersatzsumme verurteilt.130 Filártiga war der Ausgangspunkt für eine mittlerweile unüberschaubare Anzahl von ATCA-Verfahren. Zahlreiche kleine und große Potentaten und ihre Handlanger wurden von ihren Opfern verklagt und teilweise auch verurteilt.131 Ein für das vorliegende Thema wichtiger Fall war das Verfahren gegen Radovan Karadzic. Bosnische Opfer hatten den Führer der bosnischen Serben wegen den von seinen Einheiten verübten Menschenrechtsverletzungen auf Schadensersatz verklagt.132 Der District Court hatte Karadzic als nichtstaatlichen Täter angesehen und die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß die in Frage stehenden Völkerrechtsnormen, das Verbot des Völkermordes, der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nur Staaten binden würden.133 In der Berufung hat sich der Court of Appeals unabhängig von der Qualifizierung Karadzics als staatlichen oder pri127 Flores v. Southern Peru Copper Corporation, 343 F.3d 140, 154 (2nd Cir. 2003); Villeda Aldana v. Fresh Del Monte Produce, Inc., 305 F.Supp.2d 1285, 1292 (S. D. Fla. 2003). 128 Stephens, Expanding Remedies for Human Rights Abuses, GYIL 40 (1997), 117, 122. 129 Für den Sachverhalt siehe Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 878 f. (2nd Cir. 1980) und Blum/Steinhardt, Federal Jurisdiction over International Human Rights Claims, 22 Harv. Int’l L. J. 53, 54 (1981). 130 Filártiga v. Peña-Irala, 577 F.Supp. 860, 867 (D. C. N. Y. 1984). 131 So z. B. der argentinische General Suarez-Mason: Forti v. Suarez-Mason, 672 F.Supp. 1531 (N. D. Cal. 1987); der frühere philippinische Präsident Ferdinand Marcos: In re Estate of Ferdinand Marcos, Human Rights Litigation, 978 F.2d 493 (9th Cir. 1992), 25 F.3d 1467 (9th Cir. 1994); der frühere guatemaltekische Verteidigungsminister Hector Gramajo: Xuncax v. Gramajo, 886 F.Supp. 162 (D. Mass. 1995); der ehemalige chinesische Premierminister Li Peng: Bao Ge v. Li Peng, 201 F.Supp.2d 14 (D. D. C. 2000), Zhou v. Peng, 2002 WL 1835608 (S. D. N. Y. 2002), 286 F.Supp.2d 255 (S. D. N. Y. 2003); der zimbabwische Präsident Robert Mugabe: Tachiona v. Mugabe, 169 F.Supp.2d 259 (S. D. N. Y. 2001), 216 F.Supp.2d 262 (S. D. N. Y. 2002), 234 F.Supp.2d 401 (S. D. N. Y. 2002). 132 Doe v. Karadzic, 866 F.Supp. 734, 735–737 (S. D. N. Y. 1994). 133 Doe v. Karadzic, 866 F.Supp. 734, 740 f. (S. D. N. Y. 1994).

III. Überlegungen zur Rechtsfähigkeit von privaten Unternehmen

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vaten Akteur gegen diese Argumentation gewandt. Nach seiner Ansicht gibt es im Völkerrecht einige wenige Delikte, die auch von Privaten begangen werden können.134 Danach dauerte es nicht lange, bis das erste privatwirtschaftliche Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen verklagt wurde. Dies geschah 1996 in dem Verfahren Doe v. Unocal.135 Unocal, ein kalifornisches Ölund Gasförderunternehmen, hatte in Burma zusammen mit dem französischen Unternehmen Total und einem burmesischen Staatsunternehmen eine Gaspipeline gebaut. Während des Baus soll es zu schweren Menschenrechtsverletzungen durch burmesische Militär- und Polizeieinheiten an der dortigen Bevölkerung, insbesondere zur Heranziehung zur Zwangsarbeit, gekommen sein.136 Burmesische Opfer dieser Menschenrechtsverletzungen verklagten daraufhin Unocal und Total vor der US-Bundesgerichtsbarkeit auf Schadensersatz. Die Kläger warfen dem Unternehmen vor, daß es von den Menschenrechtsverletzungen des burmesische Militärs wußte, aber trotzdem den Bau der Pipeline weiterbetrieben hätte. Das Verfahren wurde Ende 2004 durch einen Vergleich beendet.137 Sowohl der zuständige District Court, als auch der Court of Appeals hielten in Zwischenurteilen fest, daß privatrechtliche Unternehmen an bestimmte völkerrechtliche Menschenrechtsgewährleistungen gebunden sind.138 Die Unocal-Entscheidungen inspirierten zahlreiche weitere Verfahren. Das Spektrum reicht von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Abbau von Bodenschätzen139, über die Verwendung von Zwangsarbeit durch deutsche140 und japanische141 Unternehmen während des 2. WeltkrieKadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 239-40 (2nd Cir. 1995); siehe dazu Bello/Posener, International Decision, Kadic v. Karadzic, 90 Am. J. Int’l L. 658 (1996) und Enslen, Filartiga’s Offspring, 48 Ala. L. Rev. 695 (1997). 135 Doe v. Unocal Corp., 963 F.Supp. 880 (C. D. Cal. 1997). 136 963 F.Supp. 880, 883-86 (C. D. Cal. 1997). 137 Presseerklärung der Unocal Corp. vom 13.12.2004, http://www.finanznach richten.de/nachrichten-2004-12/artikel-4194377.asp; Chambers, The Unocal Settlement, 13 No. 1 Hum. Rts. Brief 14 (2005); die Höhe der Zahlung von Unocal an die Kläger wurde leider nicht bekannt gegeben. 138 Doe v. Unocal Corp., 963 F.Supp. 880, 891-92 (C. D. Cal. 1997); Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 945 (9th Cir. 2002). 139 Z. B. Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88 (2nd Cir. 2000); Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289 (S. D. N. Y. 2003); Sarei v. Rio Tinto, Plc., 2006 WL 2242146 (9th Cir. 2006). 140 Z. B. Burger-Fischer v. Degussa AG, 65 F.Supp.2d 248 (D. N. J. 1999); Iwanowa v. Ford Motor Co., 67 F.Supp.2d 424 (D. N. J. 1999). 141 In re World War II Era Japanese Forced Labor Litigation, 164 F.Supp.2d 1160 (N. D. Cal. 2001); Deutsch v. Turner Corporation, 324 F.3d 692 (9th Cir. 2003). 134

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ges bis zur Apartheid in Südafrika142, um nur einige zu nennen. Zu einer rechtskräftigen Verurteilung eines Unternehmens kam es bis jetzt nicht.143 Durch die Eigenart des amerikanischen Zivilprozeßrechts mit seinen zahlreichen Verfahrensinstrumenten, über die die Prozeßparteien verfügen, existieren aber zahlreiche Zwischenurteile, die sich mit den völkerrechtlichen Fragen auseinandersetzen. Wie im Unocal-Fall handelten die Unternehmen auch in den anderen Fällen meistens nicht völlig selbständig, sondern die Menschenrechtsverletzungen entwickelten sich durch ein Zusammenwirken der privaten Unternehmen mit staatlichen Stellen. bb) Rechtsprechung der US-Gerichte Die grundsätzliche Frage der Bindung von privatrechtlichen Unternehmen an das Völkerrecht hat in den ATCA-Verfahren erstaunlich wenig Beachtung gefunden. Die meisten Urteile behandeln dieses Thema überhaupt nicht, sondern gehen selbstverständlich davon aus, daß Völkerrechtsnormen, die zumindest auch für Private gelten, auch rechtsfähige Unternehmen binden. Im Unocal Verfahren spricht der zuständige Circuit des Court of Appeals nur von dem beklagten Unternehmen als einer privaten Partei, ohne aber zwischen natürlichen und juristischen Personen zu unterscheiden.144 Ebenso erörtert ein District Court im Fall Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc. nur, ob das Völkerrecht auch Normen enthält, die private Akteure (private actor) binden, was aber im Hinblick auf die Rechtsprechung im Fall Karadzic bejaht wird.145 Das Gericht geht offensichtlich davon aus, daß die beklagte corporation ein solcher privater Akteur sein kann. In Bigio v. Coca Cola Co.146 mußte der gleiche Circuit des Court of Appeals, der auch Karadzic entschieden hatte, erörtern, ob das Unternehmen Coca-Cola als nichtstaatlicher Akteur bestimmte Völkerrechtsnormen verletzen kann. Implizit bejaht das Gericht diese Frage mit Verweis auf seine Entscheidung in Karadzic.147 Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob Normen, die jedenfalls private natürliche Personen binden, auch juristische Personen verpflichten, unterblieb. 142 In re: South African Apartheid Litigation; 346 F.Supp.2d 538 (S. D. N. Y. 2004). 143 Der UN-Sonderberichterstatter für das Thema Menschenrechte und Unternehmen nennt in seinem Zwischenbericht vom Februar 2006 insgesamt 36 ATCA-Verfahren gegen Unternehmen von denen bisher 20 abgewiesen wurden und 3 mit einem Vergleich endeten, UN Doc. E/CN.4/2006/97 vom 22.2.2006, Ziff. 62. 144 Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 945 (9th Cir. 2002). 145 969 F.Supp. 362, 371 (E. D. La. 1997). 146 239 F.3d 440 (2nd Cir. 2000). 147 239 F.3d 440, 447–48 (2nd Cir. 2000).

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Eingehender mit der Problematik beschäftigt sich die Entscheidung im Fall Presbyterian Church of Sudan v. Talisman148. Dabei wird die Frage aber nicht so sehr abstrakt erörtert, sondern es werden konkret Bindungen aus verschiedenen Bereichen des Völkerrechts, insbesondere des Menschenrechtsschutzes, diskutiert.149 Dabei führt das Gericht völkerrechtliche Verträge auf, die Unternehmen ausdrücklich verpflichten, wie zum Beispiel das oben [B.III.4.a)aa)] schon erwähnte Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden.150 Damit will das Gericht zeigen, daß durch das Völkerrecht grundsätzlich auch private juristische Personen, insbesondere privatwirtschaftliche Unternehmen verpflichtet werden können. Auf die Ausführungen des Urteils zu den Menschenrechten wird jeweils unten bei den einzelnen menschenrechtlichen Instrumenten näher eingegangen. Zusammenfassend kommt das Gericht zu dem Schluß, daß private Unternehmen als juristische Personen nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Völkerrechts ausgeschlossen sind. Das Gericht sieht auch keinen logischen Grund, warum nicht grundsätzlich völkerrechtliche Verpflichtungen von privaten natürlichen Personen auch auf rechtsfähige Unternehmen angewendet werden sollen.151 Einen Hinweis auf eine grundsätzliche Gleichbehandlung von Individuen und privaten juristischen Personen liefert auch der US-Supreme Court in der Entscheidung Sosa v. Alvarez-Machain. Darin wird ausgeführt, daß die Gerichte im Rahmen von ATCA-Verfahren prüfen müssen, ob die fragliche Völkerrechtsnorm gerade den Beklagten bindet, wenn es sich um einen privaten Akteur, wie ein inkorporiertes Unternehmen oder ein Individuum handelt.152 Das Gericht nennt hier also ein Unternehmen in einem Atemzug mit natürlichen Personen als mögliche Verpflichtete von Völkerrechtsnormen. Zusammenfassend kann man sagen, daß die US-Gerichte mit großer Selbstverständlichkeit eine Einbindung von privaten rechtsfähigen Unternehmen bezüglich derjenigen völkerrechtlichen Normen annehmen, die auch Private verpflichten oder berechtigen. Hier ist also zu beobachten, was zum Beispiel Karsten Schmidt für das deutsche Recht festgestellt hat, daß nämlich „(D)ie juristische Person zu einer handhabbaren Kategorie geworden (ist)“ und „sich der heutige Jurist der Rechtsfigur der juristischen Person mit 148

244 F.Supp.2d 289 (S. D. N. Y. 2003). 244 F.Supp.2d 289, 315–19 (S. D. N. Y. 2003). 150 244 F.Supp.2d 289, 317 (S. D. N. Y. 2003). 151 244 F.Supp.2d 289, 319 (S. D. N. Y. 2003): „A private corporation is a juridical person and has no per se immunity under U. S. domestic or international law. [. . .] Given that private individuals are liable for violations of international law in certain circumstances, there is no logical reason why corporations should not be held liable [. . .]“. 152 124 S.Ct. 2739, 2766 Fn. 20 (2004). 149

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einer technischen Selbstverständlichkeit bedienen (kann)“.153 Warum sollte ausgerechnet im Völkerrecht etwas anderes gelten, das doch als primäres Subjekt ebenfalls eine juristische Person, nämlich den Staat, kennt?154 6. Zwischenergebnis Danach kann festgehalten werden: Da es nicht darum gehen kann, Unternehmen insgesamt an das Völkerrecht zu binden, ist das abstrakte Konzept der Völkerrechtssubjektivität selbst wenig geeignet, menschenrechtliche Verpflichtungen von Unternehmen festzustellen.155 Das Konzept der Völkerrechtssubjektivität ist offen für neue Rechts- und Pflichtenträger. Das geltende Völkerrecht hat bereits in Teilbereichen Unternehmen mit Rechten und Pflichten ausgestattet. Die pauschale Verneinung oder der prinzipielle Ausschluß der Völkerrechtssubjektivität von Unternehmen muß deshalb abgelehnt werden. Sind menschenrechtliche Normen im Völkerrecht feststellbar, die auch Private binden, dann spricht eine widerlegbare Vermutung für die Bindung von Wirtschaftsunternehmen, die als juristische Personen des innerstaatlichen Rechts konstituiert sind.

IV. Menschenrechtliche Verpflichtungen Privater im Bereich bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte In einem Zwischenschritt soll nun untersucht werden, ob und inwieweit Privaten direkt durch das Völkerrecht menschenrechtliche Pflichten auferlegt sind. Wie bereits erwähnt, wird schon seit einiger Zeit die Problematik der Bindung nichtstaatlicher Akteure an die Menschenrechte in der Völkerrechtswissenschaft156, aber auch auf der UN-Ebene157, diskutiert. 153

Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 186 f. Vgl. Wells/Elias, Corporate Players, S. 155. 155 Vgl. Jägers, Corporate Human Rights Obligations, S. 27. 156 Siehe zum Beispiel Clapham, Private Sphere, S. 1, 89; Jochnick, Impunity of Non-State Actors, 21 Hum. Rts. Q. 56 (1999); Moore, Non-State Agents, 31 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 82, 92 (1999); Weissbrodt, Non-State Entities, S. 175 ff.; Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 31 ff. 157 Siehe dazu die schon in der Einleitung erwähnten Norms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights (s. o. Fn. 3) und das im Vorfeld der Norms erstellte Arbeitspapier von Weissbrodt, Principles relating to the human rights conduct of companies, E/CN.4/ Sub.2/2000/WG.2/WP.1 vom 25.5.2000. 154

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1. Menschenrechtliche Verträge und unverbindliche Dokumente Es soll geklärt werden, ob die menschenrechtlichen Verträge Privatpersonen unmittelbar zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten. Betrachtet werden dabei die wichtigsten Verträge mit internationaler Verbreitung, die regionalen Menschenrechtsabkommen, sowie die wichtigsten Verträge mit arbeitsrechtlichem Inhalt, die im Rahmen der ILO geschaffen wurden. Daneben werden auch formal unverbindliche Dokumente internationaler Regierungsorganisationen untersucht. Das Völkerstrafrecht und die kriegsrechtlichen Verträge bleiben einer gesonderten Betrachtung vorbehalten. a) Staat als Verpflichteter der Menschenrechte Wie bereits in der Einleitung erwähnt, wird traditionell der Staat als Verpflichteter der Menschenrechte angesehen. Im nationalen Kontext haben sich die Menschenrechte überwiegend als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Herrscher und später gegen den Staat entwickelt.158 Die Menschenrechte sollen vorrangig dem Bürger einen von staatlichen Eingriffen freien Raum schaffen, in dem er sich entfalten kann.159 Die Verpflichtung des Staates kommt zum Beispiel deutlich in Art. 1 III GG zum Ausdruck, der alle Staatsgewalt an die Grundrechte bindet. In einem ersten Schritt soll erläutert werden, wie sich diese Adressierung der Menschenrechte an den Staat im Völkervertragsrecht niedergeschlagen hat. Damit soll keineswegs bereits an dieser Stelle ausgedrückt werden, daß der Staat der ausschließliche Verpflichtete der menschenrechtlichen Gewährleistungen im Völkerrecht ist. Es soll lediglich der historische Ausgangspunkt der Verträge dargelegt werden. aa) UN-Charta und Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Für die Entwicklung des modernen völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes waren gerade die Erfahrungen der massenhaften staatlichen Menschenrechtsverletzungen im 2. Weltkrieg und durch das Deutsche Reich entscheidend.160 Daraus wurde die Notwendigkeit gefolgert, auch völkerrecht158 Siehe zur frühen Entwicklung der Idee der Menschenrechte Stern, Staatsrecht, III/1, S. 57–82. 159 Siehe zum Beispiel für den deutschen Rechtsraum Denninger, AK-GG, vor Art. 1, Rz. 6 ff.; Isensee, HStR V, S. 145, Rz. 2. 160 Buergenthal, International Human Rights, S. 21; siehe auch, sowie ausführlich zur geschichtlichen Entwicklung des modernen Menschenrechtsschutzes Sohn, The New International Law, 32. Am. U. L. Rev. 1, 9 ff. (1982); siehe allgemein zur Ent-

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lich das Individuum gegenüber der unkontrollierten staatlichen Machtausübung zu schützen. Dies hat schon zum Ende des 2. Weltkrieges seinen Niederschlag in der Charta der Vereinten Nationen gefunden. In Art. 56 UN-Charta verpflichten sich die Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Zusammenarbeit, um das in Art. 55 lit. c der Charta definierte Ziel der Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte zu erreichen. Damit sieht die UNCharta die Einhaltung der Menschenrechte als staatliche Pflicht an. Sie enthält allerdings keinen Katalog einzelner menschenrechtlichen Gewährleistungen. Um diese Lücke zu füllen, wurde im Dezember 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) als Resolution der UNGeneralsversammlung erlassen. Damit existierte zum ersten Mal auf internationaler Ebene ein ausformulierter Katalog einzelner menschenrechtlicher Gewährleistungen. Da die Resolutionen der Generalversammlung nur empfehlenden Charakter haben (Art. 10, 13 UN-Charta), ist die AEMR allerdings nicht unmittelbar völkerrechtlich verbindlich.161 In ihrer Präambel weist sie ausdrücklich auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus der UN-Charta hin, die Menschenrechte durchzusetzen.162 Dazu sei aber eine gemeinsame Vorstellung vom Inhalt der Menschenrechte notwendig.163 Auch wenn die Präambel dann den einzelnen und alle Organe der Gesellschaft in die Verwirklichung der Menschenrechte einbeziehen will164, ändert das nichts daran, daß sie ebenso wie die UN-Charta die Einhaltung der Menschenrechte als eine primär staatliche Verpflichtung ansieht. bb) UN-Pakte Erst mit den beiden UN-Pakten von 1966 über bürgerliche und politische (IPBPR) und wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR)165 wurden auf universeller Ebene die meisten der in der AEMR enthaltenen Rechte in völkerrechtlich verbindliche Verträge gegossen.166 Art. 2 I IPBPR bestimmt, daß die Vertragsstaaten zur Achtung und Gewährleistung der Rechte aus dem Pakt verpflichtet sind. Darüber hinaus verpflichtet der Pakt die Vertragsstaaten, auch gesetzgeberische Maßnahmen wicklung des modernen völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes Buergenthal, The Normative and Institutional Evolution of Human Rights, 19 Hum. Rts. Q. 703 ff. (1997). 161 Siehe dazu Sohn, The New International Law, 32. Am. U. L. Rev. 1, 15 (1982). 162 Abs. 6 Präambel. 163 Abs. 7 Präambel. 164 Absatz 8 der Präambel. 165 BGBl. 1973 II, 1570; UNTS Bd. 993, 3. 166 Ausführlich zur Entwicklung von der Allgemeinen Erklärung zu den beiden UN-Pakten Warg, Universeller Menschenrechtsschutz, ZEuS 2002, 607 ff.

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zu ergreifen, um die aufgeführten Rechte zu verwirklichen (Art. 2 II). In seiner Präambel verweist der Pakt wiederum auf die Verpflichtung der Staaten aus der UN-Charta, die Achtung der Menschenrechte zu fördern.167 Auch die Verfahren vor dem durch den Pakt geschaffenen Ausschuß für Menschenrechte machen die staatlichen Adressaten deutlich. Nach Art. 40 IPBPR sind die Vertragsstaaten verpflichtet, Berichte vorzulegen, in denen sie ihre Maßnahmen zur Vertragserfüllung erläutern. Die schon erwähnte Staatenbeschwerde nach Art. 41 I IPBPR kann vor dem Ausschuß nur ein Vertragsstaat gegen einen anderen Vertragsstaat erheben. Und die im Zusatzprotokoll vorgesehene Individualbeschwerde kann sich gemäß Art. 1 ZP ebenfalls nur gegen einen Vertragsstaat richten. Das gleiche Bild ergibt sich auch, wenn man den IPWSKR betrachtet. Genau wie beim IPBPR verweist die Präambel des IPWSKR auf die staatlichen Verpflichtungen aus der UN-Charta. Nach Art. 2 I IPWSKR verpflichten sich die Vertragsstaaten, die Verwirklichung der im Pakt enthaltenen Rechte zu erreichen. Bei den einzelnen Rechten werden ausdrücklich immer die Vertragstaaten als die Verpflichteten aufgeführt. Auch bei solchen Rechten, die zu ihrer Verwirklichung der Gestaltung von Privatrechtsverhältnissen bedürfen, wie zum Beispiel das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen in Art. 7, bleibt der Staat völkerrechtlich verpflichtet. Die Vertragsstaaten unterliegen wiederum einer Berichtspflicht aus Art. 16 IPWSKR. cc) Spezielle menschenrechtliche Verträge Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (RassenDisK) verpflichtet in Art. 2 die Vertragsparteien, eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung zu verfolgen. Die weiteren Gewährleistungen verpflichten ausdrücklich die Vertragsstaaten (Art. 3–7). Die Vertragsstaaten müssen dem Ausschuß für die Beseitigung der Rassendiskriminierung Berichte nach Art. 9 des Übereinkommens vorlegen. Die Staaten- (Art. 11) und Individualbeschwerden (Art. 14) können sich nur gegen Vertragsstaaten richten. Ebenso richtet sich auch das Übereinkommen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (FrauenDisK)168 an die Vertragsparteien, um die geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen zu beseitigen (Art. 2 I).169 167

Absatz 4 der Präambel. BGBl. 1985 II, 648; UNTS Bd. 1249, 13. 169 Die Verpflichtung zur Vorlage von Berichten folgt aus Art. 18 FrauenDisK; die sich gegen einen Vertragsstaat richtende Individualbeschwerde zum zum Ausschuß für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau ist in Art. 2 ff. FP-Frauen168

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

Dem gleichen Muster folgt das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe170 (UNFolterK) und das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (KinderRK)171, letzteres allerdings ohne die Möglichkeit der Staaten- oder Individualbeschwerde172. Sklaven werden zwar ganz überwiegend von Privaten gehalten, dennoch verpflichtet Art. 2 des Übereinkommen betreffend die Sklaverei173 von 1926 die Vertragsstaaten den Sklavenhandel zu verhindern und auf eine vollständige Abschaffung der Sklaverei hinzuarbeiten. Auch das Zusatzübereinkommen von 1956174 sieht es als eine staatliche Verpflichtung an, Sklaverei, Sklavenhandel und ähnliche Einrichtungen und Praktiken durch eigene Maßnahmen und Gesetzgebung zu unterbinden (Art. 1–6). dd) ILO-Konventionen Die wichtigsten im Rahmen der ILO verhandelten und ausgearbeiteten Verträge sind als Teil des internationalen Menschrechtsschutzregimes zu betrachten.175 Sie betreffen grundlegende Rechte in der Arbeitswelt, wie zum Beispiel die Koalitionsfreiheit, das Recht zu Kollektivverhandlungen, das Recht von Frauen und Männern auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit und das Verbot der Kinderarbeit. Sie erfassen demnach im starken Maße Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten. Die Übereinkommen verpflichten aber dennoch die Vertragsstaaten, durch eigene Maßnahmen, wie zum Beispiel durch eigene Gesetzgebung, diese Rechte zu verwirklichen.176 DisK geregelt; die Möglichkeit der Statenbeschwerde ist nicht vorgesehen, allerdings sieht Art. 29 FrauenDisK die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens bei einer Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens zwischen Vertragsstaaten vor. 170 Art. 2 I verpflichtet die Vertragsstaaten zur Verhinderung von Folter und Art. 16 zur Verhinderung von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe; Staatenberichte Art. 19, Staatenbeschwerde Art. 21, Individualbeschwerde Art. 22. 171 Vom 20.11.1989, BGBl. 1992 II, 122, Art. 2, 4. 172 Die Vertragsparteien sind aber gemäß Art. 44 KinderRK verpflichtet, dem Ausschuß für die Rechte des Kindes regelmäßig Berichte über die Umsetzungsmaßnahmen vorzulegen. 173 In der Fassung des Änderungsprotokolls vom 7.12.1953, BGBl. 1972 II, 1473, UNTS Bd. 212, 17. 174 Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken, BGBl. 1958 II, 205, UNTS Bd. 266, 40. 175 Vgl. die Auflistung bei Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 777 f., Rz. 8, 779, Rz. 12.

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ee) Regionale Menschenrechtspakte Auch die Verträge der regionalen Schutzmechanismen verpflichten die Staaten zur Einhaltung und Gewährleistung der Menschenrechte. Ähnlich wie bei den beiden internationalen Pakten enthalten sie eine generelle Norm, die die Vertragsstaaten zur Einhaltung und Gewährleistung der festgelegten Rechte verpflichtet.177 Die vorhandenen Durchsetzungsmechanismen (Staaten- und Individualbeschwerde) richten sich, wie bei den universellen Schutzsystemen, ausschließlich gegen die Vertragsparteien.178 b) Drittwirkung im deutschen Verfassungsrecht Die primäre Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Einhaltung der Menschenrechte schließt eine Bindung Privater nicht automatisch aus. Immerhin sind die Verträge nicht so formuliert, daß nur die Vertragsstaaten verpflichtet wären. In der völkerrechtlichen Literatur wird die Bindung von Privaten an die Menschenrechte häufig unter dem aus der deutschen Verfassungslehre stammenden Begriff der Drittwirkung diskutiert.179 Auch die englischsprachige völkerrechtliche Literatur verwendet diesen deutschen Begriff.180 176 Art. 1, 11 des Übereinkommens über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts vom 9.7.1948 (ILO-Übereinkommen Nr. 87, BGBl. 1956 II, 2037, UNTS Bd. 68, 17), geändert durch ILO-Übereinkommen Nr. 116 vom 26.6.1961 (BGBl. 1963 II, 1135, UNTS Bd. 423, 11); Art. 8 I des Übereinkommens über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechts und des Rechts zu Kollektivverhandlungen vom 1.7.1949 (ILO-Übereinkommen Nr. 98, BGBl. 1955 II, 1123, UNTS Bd. 96, 257), geändert durch ILO-Übereinkommen Nr. 116 vom 26.6.1961 (BGBl. 1963 II, 1135, UNTS Bd. 423, 11); Art. 2, 4 des Übereinkommens über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit vom 29.6.1951 (ILO-Übereinkommen Nr. 100, BGBl. 1956 II, 24, UNTS Bd. 165, 303); Art. 2, 3 des Übereinkommens über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25.6.1958 (ILO-Übereinkommen Nr. 111, BGBl. 1961 II, 98, UNTS Bd. 362, 31); Art. 1, 2 des Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung vom 26.6.1973 (ILO-Übereinkommen Nr. 138, BGBl. 1976 II, 201, UNTS Bd. 1015, 297); Art. 1, 5 des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit vom 17.6.1999 [ILO-Übereinkommen Nr. 182, BGBl. 2001 II, 1290, 38 ILM 1207 (1999)]. 177 Art. 1 EMRK, Art. 20 der Europäischen Sozialcharta vom 18.10.1961 (BGBl. 1964 II, 1262, UNTS Bd. 529, 89), Art. 1, 2 AMRK, Art. 1 ACMR. 178 Staatenbeschwerde: Art. 33 EMRK, Art. 45 AMRK, Art. 47 ACMR; Individualbeschwerde: siehe Verweise bei Fn. 32. 179 Siehe z. B. Frowein/Peukert-Frowein, EMRK, Art. 1, Rz. 12, Art. 11, Rz. 15; Grabenwarter, EMRK, S. 130, Rz. 14. 180 Siehe zum Beispiel Alkema, Drittwirkung, S. 33; Clapham, Private Sphere, S. 180; vgl. Dickson, Horizontal Application, S. 60, Fn. 2; Drzemczewski, Private

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Mitunter wird ihm auch ein gewisser Sex-Appeal zugesprochen.181 Deshalb soll hier zuerst auf dieses Konzept im deutschen Verfassungsrecht eingegangen werden, bevor eine mögliche Bindung Privater an die menschenrechtlichen Verträge untersucht wird. Bekanntermaßen bedeutet Drittwirkung, daß sich die Grundrechte der Verfassung nicht nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat auswirken, sondern ihre Wirkung auch zwischen den Bürgern entfalten.182 Dabei werden gemeinhin zwei Arten der Drittwirkung unterschieden: die unmittelbare und die mittelbare. In der westdeutschen Verfassungslehre war es nach dem Erlaß des Grundgesetzes einige Zeit umstritten, welche Art der Drittwirkung die Grundrechte entfalten. Dabei ging es aber relativ bald schon nicht mehr um die grundsätzliche Frage, ob den Grundrechten überhaupt Drittwirkung zukommt, sondern vielmehr um ihre inhaltliche Ausgestaltung.183 aa) Unmittelbare Drittwirkung Die Drittwirkung in der unmittelbaren Form bindet Privatpersonen direkt an das Grundrecht im Verhältnis zu anderen Privatpersonen. In einem Rechtsstreit zwischen Privaten kann sich eine Partei direkt auf das Grundrecht als unmittelbar streitentscheidende Norm berufen und gegen die andere Partei geltend machen.184 Ausdrücklich schreibt das Grundgesetz nur in Art. 9 III 2 eine solche unmittelbare Geltung vor. Vor allem das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat aber in seiner frühen Rechtsprechung die unmittelbare Drittwirkung auch für andere Grundrechte vertreten. Es sah in einigen Grundrechten nicht nur Freiheitsrechte gegenüber der Staatsgewalt sondern auch Ordnungssätze für das soziale Leben, die unmittelbare Bedeutung für die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern haben sollten und an die sie sich zu halten hätten. Ausdrücklich verweist das BAG auch auf die mangelnde Wirksamkeit der Grundrechte, wenn neben dem Staat nicht auch wirtschaftliche und „soziale Mächte“ unmittelbar an die Grundrechte gebunden wären.185 Es ist also kein Zufall, daß gerade das BAG die unmittelbare Drittwirkung vertreten hat. Ein Beweggrund dafür war dabei sicherlich die ungleiche Machtverteilung zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern und der daraus gefolgerten besonderen Schutzbedürftigkeit der Letzteren. Parties, NILR 26 (1979), S. 163; Jägers, Corporate Human Rights Obligations, S. 36 ff. 181 Clapham, The „Drittwirkung“ of the Convention, S. 163. 182 v. Münch/Kunig-v. Münch, GG, Vorb. Art. 1–19, Rz. 28. 183 Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1531. 184 Guckelberger, Die Drittwirkung der Grundrechte, JuS 2003, 1151, 1153; Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1538 f. 185 BAGE 1, 185, 193/4; 4, 274, 276.

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Das BAG konnte sich bei seinen Entscheidungen auf Stimmen in der Literatur, vor allem auf H. C. Nipperdey, stützen. Nipperdey wandte sich gegen das traditionelle Verständnis, das Menschen- und Grundrechte nur als Abwehrrechte gegen den Staat ansah. Die Grundrechte seien grundlegende Rechtssätze, die das Gemeinschaftsleben beherrschten. Ihre Sicherung bedürfe der allgemeinen Beachtung und Durchsetzung. Genau wie das BAG sah er die Grundrechte als höchste Normen an, die nur dann effektiv durchgesetzt werden könnten, wenn der Bürger vor sozialer Gewalt, das heißt vor Beeinträchtigungen durch Private, geschützt werde.186 Dies sei eben nur bei einer unmittelbaren Bindung der „Rechtsgenossen“ an die Grundrechte der Fall. Dabei sah Nipperdey nicht von vornherein alle Grundrechte gleichermaßen als drittwirkungsfähig an, sondern es müsse bei jedem diese Eignung gesondert geprüft werden.187 Er verweist auch auf Art. 1 II GG, der von den Menschenrechten als der Grundlage jeglicher menschlichen Gemeinschaft spricht.188 Eine menschliche Gemeinschaft erschöpft sich aber keineswegs in dem Verhältnis des einzelnen zum Staat oder zur Herrschaftsgewalt, sondern ist gerade durch die Beziehungen zwischen den Menschen geprägt. Aus der Sicht des einzelnen macht es tatsächlich vielfach keinen Unterschied, ob der Staat oder ein mächtiger Privater in ein Grundrecht eingreift. In beiden Fällen findet eine Verletzung seiner Rechtsposition statt. Aus dem Gedanken eines möglichst umfassenden Schutzes der Grundrechte ist es also durchaus sinnvoll, auch Private unmittelbar an die Menschenrechte zu binden. Nach dieser Ansicht würden sich aber die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektiv öffentliche Abwehrrechte gegen den Staat nicht einfach gegen Private richten, sondern die Grundrechte würden zusätzlich subjektiv private Rechte, die gegenüber anderen Privatpersonen gelten, beinhalten.189 Nach dieser Drittwirkungskonzeption wirkt sich die unmittelbare Bindung von Privaten an die Grundrechte im Zivilrecht zum Beispiel dergestalt aus, daß ein grundrechtswidriger Vertrag wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig wäre, nicht erst nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit. Im Deliktsrecht könnte ein Schadensersatzbegehren auf § 823 I BGB gestützt werden, da die Grundrechte als sonstiges Recht betrachtet werden könnten.190 186 Nipperdey, Gleicher Lohn der Frau für gleiche Leistung, RdA 1950, 121, 124; Nipperdey, Die Würde des Menschen, Hdb. Grundrechte II, S. 19 f. 187 Nipperdey, Gleicher Lohn der Frau für gleiche Leistung, RdA 1950, 121, 124. 188 Nipperdey, Gleicher Lohn der Frau für gleiche Leistung, RdA 1950, 121, 125; vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rz. 190. 189 Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 376. 190 Nipperdey, Die Würde des Menschen, Hdb. Grundrechte II, S. 36 f. bezüglich der Menschenwürde aus Art. 1 I GG.

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bb) Mittelbare Drittwirkung Diese Sichtweise der Geltung der Grundrechte zwischen Privaten hat viel Kritik erfahren und konnte sich nicht durchsetzen. Die Lehre der unmittelbaren Drittwirkung bildet aber dennoch die Grundlage für die heute weithin vertretene Theorie der mittelbaren Drittwirkung, da sie jedenfalls den Blick für die Notwendigkeit einer irgendwie gearteten Geltung der Grundrechte zwischen Privaten geschärft hat.191 Der Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung wird entgegengehalten, daß Art. 1 III GG nur die drei Staatsgewalten an die Grundrechte bindet. Private werden als Adressaten nicht erwähnt. Wenn eine unmittelbare Bindung Privater gewollt gewesen wäre, hätten die Mütter und Väter des Grundgesetzes dies auch ausdrücklich formulieren können, so wie sie es ja bei Art. 9 III GG getan haben.192 Dies entspräche auch dem herkömmlichen Verständnis der Grundrechte, die sich zumindest ab dem 19. Jahrhundert vor allem als Abwehrrechte gegen den Staat entwickelt hatten. Auch das Schrankensystem der Grundrechte richtet sich erkennbar an den Staat in Gestalt des Gesetzgebers und nicht an Privatpersonen.193 Insbesondere wird gegen die unmittelbare Drittwirkung vorgebracht, sie gefährde die Privatautonomie der Bürger, wenn zivilrechtliche Streitigkeiten unmittelbar auf Grund von Grundrechtsnormen der Verfassung entschieden würden und nicht mehr durch die Anwendung der eigentlich dafür vorgesehenen zivilrechtlichen Normen.194 Dem Bürger sei auch gerade wegen der Berechtigung durch die Grundrechte in ihren Beziehungen untereinander mehr erlaubt als dem Staat in seiner Beziehung zu dem Bürger.195 In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik, die das Gebot der Gewaltenteilung gegen die unmittelbare Drittwirkung in Stellung bringt. Bei der Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten müßten oft widerstreitende Grundrechtspositionen der Parteien abgewogen werden. Dies sei aber primär die Aufgabe des Gesetzgebers. Würde nun der Richter unmittelbar Grundrechtsnormen zur Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten anwenden, so würde primär er und nicht mehr der Gesetzgeber den Ausgleich kollidierender Grundrechte vornehmen.196 191 Vgl. Maunz/Dürig-Dürig, GG, 35. Lfg., Art. 1, Rz. 131 und Maunz/DürigHerdegen, GG, 44. Lfg., Art. 1 III, Rz. 65; Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1552 f. 192 Guckelberger, Die Drittwirkung der Grundrechte, JuS 2003, 1151, 1153. 193 Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 204. 194 Guckelberger, Die Drittwirkung der Grundrechte, JuS 2003, 1151, 1153; Maunz/Dürig-Dürig, GG, 35. Lfg., Art. 1, Rz. 129 und Maunz/Dürig-Herdegen, GG, 44. Lfg., Art. 1 III, Rz. 59. 195 Vgl. Dürig, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, S. 163. 196 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 42 f.

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Der Kritik an der unmittelbaren Drittwirkung läßt sich aber mit stichhaltigen Argumenten entgegnen. Zum Beispiel kann man dem Einwand, Art. 1 III GG binde nur die Staatsgewalt an die Grundrechte, entgegenhalten, daß er aber eine Bindung Privater auch nicht ausschließt. Immerhin bestimmt Art. 1 III GG nicht, daß „nur“ die Staatsgewalt gebunden sei. Das Gewaltenteilungsargument überzeugt nur dann, wenn die Zivilgerichte tatsächlich die meisten privaten Streitigkeiten unmittelbar auf Grund der Grundrechtsnormen entscheiden würden. Aber selbst bei einer unmittelbaren Geltung der Grundrechte zwischen Privaten, wäre der Zivilrichter erst einmal verpflichtet, die vorhandenen einfachgesetzlichen Normen anzuwenden, bevor er auf die Verfassungsnormen zurückgreifen könnte. Dazu wird er schon durch Art. 20 III GG verpflichtet. Wie die bereits oben [B.IV.1.b)aa)] angeführten Beispiele zeigen, kann auch eine unmittelbare Bindung an die Grundrechte in das vorhandene zivilrechtliche System integriert werden. Zumindest die Rechtsfolgen von privaten Grundrechtsbeeinträchtigungen würden sich aus dem Zivilrecht ergeben und nicht unmittelbar aus den Grundrechten.197 Es besteht also nicht die Gefahr der kompletten Ersetzung des Zivilrechts durch die Grundrechte. Die ganze Diskussion pro und kontra unmittelbare und mittelbare Drittwirkung muß hier nicht abschließend nachgezeichnet werden. Jedenfalls ist es wichtig festzustellen, daß die Kritiker der unmittelbaren Drittwirkung auch die Notwendigkeit einer Berücksichtigung von Grundrechtspositionen im Zivilrechtsverkehr erkannt haben. Auch sie sehen das Problem privater Grundrechtsbeeinträchtigungen durch „soziale Mächte“ und die daraus folgende Schutzbedürftigkeit des Bürgers.198 Sie lösen das Problem aber nicht durch eine unmittelbare Bindung der Privatrechtssubjekte, sondern über eine Berücksichtigung der Grundrechte bei der Anwendung und Auslegung der zivilrechtlichen Normen, insbesondere der zivilrechtlichen Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe.199 Diese ausfüllungsfähigen und -bedürftigen Normen sind sogenannte „Einbruchstellen“ für die Grundrechte. Wenn nun der Richter bei der Entscheidung einer zivilrechtlichen Streitigkeit solche Normen anzuwenden habe, dann muß er dabei die Grundrechtspositionen der beteiligten privaten Parteien berücksichtigen und gegeneinander abwägen. Den Rechtsstreit entscheidet der Richter aber immer noch unmittelbar durch Anwendung der einfachgesetzlichen zivilrechtlichen Norm. Insoweit entfalten die Grundrechte eine Ausstrahlungswirkung auf die zivilrechtlichen Gesetze.200 197

Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 357. Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 206; Dürig, Grundrechte und Zivilrechtssprechung, S. 166. 199 Dürig, Grundrechte und Zivilrechtssprechung, S. 176. 198

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Dieser Ansicht ist das BVerfG gefolgt. In der grundlegenden Entscheidung dazu, dem Fall Lüth, begründet das Verfassungsgericht diese Ausstrahlungswirkung der Grundrechte insbesondere durch die objektive Wertordnung, die von den Grundrechten ausgehe. Die Grundrechte seien nicht nur subjektive Abwehrrechte gegen den Staat, sondern stellten auch objektives Recht dar, das in jedem Fall auch von der Judikative wegen Art. 1 III GG zu beachten sei. Die Grundrechte entfalteten sich in zivilrechtlichen Streitigkeiten durch die einfachgesetzlich normierten bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Die Auslegung zivilrechtlicher Normen müsse daher der Verfassung folgen, wenn grundrechtliche Positionen betroffen seien.201 Die praktische Anwendung der Theorie der mittelbaren Drittwirkung soll anhand des bekannten Falles kurz veranschaulicht werden. Der Hamburger Senatsdirektor Erich Lüth hatte wegen der Nazivergangenheit des Filmregisseurs Veit Harlan zum Boykott dessen neuen Films „Unsterbliche Geliebte“ aufgerufen. Die Verleiher des Films hatten daraufhin Lüth auf Unterlassung des Boykottaufrufs verklagt. Das Landgericht Hamburg verurteilte Lüth antragsgemäß. Dieses Urteil wurde vom OLG Hamburg bestätigt. Die Zivilgerichte sahen in dem Boykottaufruf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Filmverleiher gemäß § 826 BGB, die einen Unterlassungsanspruch rechtfertige. Lüth erhob gegen die zivilgerichtlichen Urteile Verfassungsbeschwerde mit der Begründung, die Urteile verletzten ihn in seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 I GG.202 Das BVerfG sah § 826 BGB als eine Generalklausel an, bei deren Anwendung der Zivilrichter die Grundrechtspositionen der Parteien berücksichtigen müsse. Bei der Bestimmung, was sittenwidrig sei, müßten die in den Grundrechten enthaltenen Wertentscheidungen und sozialen Ordnungsprinzipien beachtet werden.203 Wenn der Zivilrichter dabei die Abwägung der verschiedenen grundrechtlichen Interessen falsch vornehme, sei das Grundrecht (hier die Meinungsfreiheit) verletzt.204 Der Zivilrichter verstoße damit nicht nur gegen den objektiven Gehalt des Grundrechts, sondern auch gegen das subjektive Abwehrrecht des Bürgers aus dem Grundrecht. Im Ergebnis kommt das BVerfG zu einem Vorrang der Meinungsfreiheit Lüths gegenüber den Interessen der Filmverleiher und Harlans. Die Zivilgerichte hätten also bei richtiger Abwägung die Sittenwidrigkeit des Boykottaufrufs verneinen müssen. Das Verfassungsgericht hob daher die zivilgerichtlichen Urteile wegen Verstoßes gegen Art. 5 I GG auf.205 200 Maunz/Dürig-Dürig, GG, 35. Lfg., Art. 1, Rz. 132; Sachs, Verfassungsrecht II, S. 64, Rz. 39. 201 BVerfGE 7, 198, 204–206. 202 BVerfGE 7, 198, 199–202. 203 BVerfGE 7, 198, 214 f. 204 BVerfGE 7, 198, 212.

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Wichtig ist hier festzuhalten, daß die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung eine unmittelbare Bindung Privater an Grundrechtsnormen ablehnt. Eine unmittelbare Bindung findet innerhalb der Rechtsbeziehungen zu anderen Privaten nur durch die zivilrechtlichen Normen statt. Bei der Anwendung dieser zivilrechtlichen Normen sind aber die Grundrechtspositionen der beteiligten Privatrechtssubjekte zu beachten. Die Abwägung der entgegengesetzten Grundrechtspositionen führt dann zu einer bestimmten Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Normen. cc) Alternative Ansätze Zu den dargelegten Konzeptionen der Drittwirkung haben sich alternative Begründungsmodelle herausgebildet. Die Konzeption von Schwabe und das Modell Alexys ragen dabei heraus. (1) Die Konzeption von Schwabe Schwabe hält die Frage nach der Drittwirkung für eine Scheindiskussion. Nach seiner Ansicht gibt es keine von der Staatsmacht losgelöste private Gewalt, gegen die die Wirkung der Grundrechte erst erstreckt werden muß.206 In einem Rechtsstaat sei rechtlich zulässige private Gewalt immer staatlich sanktioniert. Hinter jeder privaten Beeinträchtigung von Grundrechten stehe die staatliche Rechtsmacht.207 Entweder verbiete das staatliche Recht den privaten Eingriff nicht oder es ermächtige den Privaten zu entsprechendem Verhalten. Dagegen könne sich aber der Bürger mit den Grundrechten in ihrer klassischen Funktion als subjektive Abwehrrechte gegenüber der durch Art. 1 III GG gebundenen Staatsmacht wehren.208 So kann Schwabe von unmittelbarer Geltung der Grundrechte im Privatrecht sprechen209, ohne aber offensichtlich eine unmittelbare Bindung der Privatrechtssubjekte an die Grundrechte anzunehmen. Demnach führt auch diese Ansicht nicht zu einer unmittelbaren Bindung Privater an die Grundrechte.

205 206 207 208 209

BVerfGE 7, 198, 230. Schwabe, Die sogenannte Schwabe, Die sogenannte Schwabe, Die sogenannte Schwabe, Die sogenannte

Drittwirkung Drittwirkung Drittwirkung Drittwirkung

der der der der

Grundrechte, Grundrechte, Grundrechte, Grundrechte,

S. S. S. S.

16 f. 16 f. 26. 99.

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(2) Das 3-Ebenen-Modell Alexys Alexy versucht nun die drei eben dargelegten Modelle in einem einzigen mit drei Ebenen zu vereinen.210 Die erste Ebene umfaßt die Theorie der mittelbaren Drittwirkung. Bei der Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten ist der staatliche Richter verpflichtet, die aus den Grundrechten fließende objektive Wertordnung zu beachten. Auf dieser Ebene geht es also um Pflichten des Staates.211 Auf der zweiten Ebene liegen die subjektiven Rechte des Bürgers aus den Grundrechten gegenüber dem Staat. Wenn das Zivilgericht bei seiner Entscheidung die Grundrechtspositionen der privaten Parteien falsch abwägt, dann verletzt es damit zugleich das Grundrecht der einen Partei. Alexy verweist hier auf die oben zitierte Stelle des Lüth Urteils, in der das BVerfG eben dies festgestellt hat.212 Auf der dritten Ebene schließlich ist nun die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte angesiedelt. Für Alexy steckt in jeder mittelbaren Drittwirkung zugleich zwingend auch eine unmittelbare. Er folgert dies aus dem Vergleich zweier Entscheidungsergebnisse eines zivilgerichtlichen Verfahrens. Einmal entscheidet der Zivilrichter die private Streitigkeit allein auf Grund der zivilrechtlichen Normen ohne Berücksichtigung grundrechtlicher Positionen der Streitparteien. Wenn nun in der anderen Variante das Gericht unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Positionen zu einer anderen Entscheidung des Falles kommt, dann würden bestimmte Rechte oder Pflichten aus grundrechtlichen Gründen bestehen, die ohne Einbeziehung der Grundrechte nicht bestehen würden. Insofern entfalteten aber die Grundrechte eine unmittelbare Wirkung zwischen Privatrechtssubjekten.213 Alexy folgert aus dieser dritten Ebene, daß man zumindest terminologisch zu dem Schluß kommen kann, ein Privater könne ein Grundrecht verletzen.214 Aber letztlich ist nicht ganz klar, was er genau damit meint. Denn nach seiner Vorstellung der unmittelbaren Drittwirkung tritt der Private nicht einfach an die Stelle des Staates als Adressat der Grundrechte, da Rechte des Bürgers gegen den Staat nicht zugleich Rechte des Bürgers gegen andere Bürger sein könnten.215 Insofern kann bei Alexy nicht genau bestimmt werden, ob er Private unmittelbar an die Grundrechte binden will.216

210 211 212 213 214 215 216

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 485. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 485. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 485–487. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 489 f. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 493. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 489. Vgl. Langner, Grundrechte zwischen Privaten, S. 81.

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(3) Begründung der Drittwirkung mit der Schutzfunktion der Grundrechte Eine andere Ansicht will die Drittwirkung der Grundrechte vor allem mit ihrer Schutzfunktion begründen.217 Neben der Abwehrfunktion beinhalten zumindest einige Grundrechte des Grundgesetzes nach heute ganz überwiegender Ansicht auch eine Schutzfunktion.218 Diese Schutzfunktion erstreckt sich gerade auch auf private Beeinträchtigungen.219 Ausdrücklich finden sich im Wortlaut der Grundrechte Schutzpflichten bezogen auf das Grundrechtsgut nur bei der Menschenwürde (Art. 1 I 2), bei Ehe und Familie (Art. 6 I) und bei der Stellung von Müttern (Art. 6 IV).220 Abgesehen von diesen dürren Hinweisen im Text des Grundgesetzes lassen sich staatliche Schutzpflichten mit der Notwendigkeit effektiven Grundrechtsschutzes begründen. Ohne den Schutz vor nicht-staatlichen Beeinträchtigungen können die Grundrechte nicht umfassend verwirklicht werden.221 Das BVerfG hat grundrechtliche Schutzpflichten vor allem für das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II GG) entwickelt. Grundlegend dazu war seine erste Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch aus dem Jahr 1975.222 Neben dem Wortlautargument aus Art. 1 I 2 GG, das auch auf andere Grundrechte übertragbar ist, soweit sie als Ausfluß der Menschenwürde gelten können, hat das BVerfG die Schutzpflichten aus der objektiven Wertordnung der Grundrechte gefolgert.223 Es benutzt hier also das gleiche Argument wie bei der Begründung der mittelbaren Drittwirkung. Diese Begründungslinie wurde in mehreren nachfolgenden Entscheidungen bestätigt.224 In der Literatur werden teilweise abweichende Begründungsversuche für die Schutzpflichten unternommen.225 Das soll hier aber keine Rolle spielen. Klar ist jedenfalls, daß die Schutzpflichten den Staat treffen und nicht die Privatsubjekte. Der 217 So schon Dürig in der alten Kommentierung von Maunz/Dürig, GG, 35. Lfg., Art. 1, Rz. 131 f. 218 v. Münch/Kunig-v. Münch, GG, Vorb. Art. 1–19, Rz. 22; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rz. 110 ff.; Schmidt, Grundrechte, Rz. 304. 219 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht V, § 111, Rz. 1, 89. 220 Siehe eine detaillierte Wortlautanalyse bei Jaeckel, Schutzpflichten, S. 30–35. 221 Stern, Staatsrecht, III/1, S. 948 f.; Streuer, Die positiven Verpflichtungen des Staates, S. 48 f., vgl. Unruh, Schutzpflichten, S. 56. 222 BVerfGE 39, 1. 223 BVerfGE 39, 1, 41 f. 224 Siehe dazu z. B. bezüglich Gefahren aus atomaren Anlagen BVerfGE 49, 89, 141 f und 53, 30, 57; zu chemischen Waffen 77, 170, 214 und 88, 203, 251 f., dem 2. Urteil über den Schwangerschaftsabbruch. 225 Siehe dazu die Darstellung und Nachweise bei Jaeckel, Schutzpflichten, S. 43–45.

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Staat muß mit eigenen positiven Maßnahmen für den Schutz der Bürger vor privater faktischer Verletzung seiner Grundrechte sorgen.226 Die Verfassungsrechtsprechung räumt dabei den Staatsgewalten, insbesondere dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum ein, wie er den Schutzpflichten nachkommen will.227 Durch die Bedeutung des zu schützenden Rechtsgutes und die Schwere des Eingriffs kann der Ermessenspielraum auch reduziert sein.228 Im Fall des Schwangerschaftsabbruchs hat das BVerfG aus dem Grundrecht auf Leben die grundsätzliche Verpflichtung des Staates zum Erlaß von Strafnormen gefolgert.229 Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht läßt sich nun auch mit diesem Schutzgedanken begründen.230 Wie oben beschrieben muß der Zivilrichter bei der Entscheidung eines Falles die Grundrechtspositionen der Streitparteien berücksichtigen. Eine der Grundrechtspositionen wird sich aber durchsetzen. Auf Grund dieser obsiegenden Grundrechtsposition wird dann einer Partei zivilrechtlich etwas zugesprochen. Das kann zum Beispiel die Zuerkennung eines Anspruchs auf eine bestimmte Leistung, von Schadensersatz, eines Unterlassungsanspruchs oder etwa die Feststellung der Nichtigkeit einer vertraglichen Verpflichtung sein.231 Damit wird dann aber zugleich die obsiegende Grundrechtsposition durch den Staat vor der privaten Beeinträchtigung geschützt. Insofern stellt sich die mittelbare Drittwirkung als Schutzpflichtverwirklichung im Zivilrecht dar.232 dd) Zwischenergebnis und Bewertung Dieser kurze Ausflug ins deutsche Verfassungsrecht hat gezeigt, daß den Grundrechten im Bürger-Bürger-Verhältnis eine erhebliche Bedeutung zukommt. Vor allem die Erkenntnis, daß die Grundrechte nicht nur durch die Staatsmacht gefährdet sind, sondern auch durch privates Verhalten, hat die Erstreckung der Grundrechte auf das Verhältnis zwischen Privaten befördert. Dieser Ausgangspunkt ist fast allen Theorien der Erstreckung gemein. Die Theorie der unmittelbaren Drittwirkung konnte sich in Rechtsprechung und Literatur nicht durchsetzen. Die herrschende Lehre von der mittelbaren 226

Isensee, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch Staatsrecht V, § 111, Rz. 3. Zum Beispiel BVerfGE 46, 160, 164; Streuer, Die positiven Verpflichtungen des Staates, S. 140 ff. m. w. N. 228 BVerfGE 39, 1, 42. 229 BVerfGE 39, 1, 50 f. 230 So vor allem Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 225; Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1560 m. w. N. 231 Siehe dazu die Beispiele bei Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184 (1984), 201, 229 ff. 232 Maunz/Dürig-Herdegen, GG, Art. 1 III, Rz. 57. 227

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Drittwirkung führt zwar zur Anwendung der Grundrechte in privatrechtlichen Beziehungen, aber gerade nicht zur unmittelbaren Bindung Privater an die Grundrechte. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den beiden Lehren in ihrer praktischen Auswirkung nicht immer klar erkennbar.233 Es dürfte in der täglichen Praxis keinen großen Unterschied machen, ob beispielsweise die Nichtigkeit eines privatrechtlichen Vertrages wegen Verstoßes gegen die Grundrechte aus § 134 BGB oder aus § 138 BGB folgt. Die Konzeption von Schwabe und das Erklärungsmodell der Schutzpflichten sind klar staatsgerichtet. Hier ist kein Raum für eine direkte Bindung des Bürgers. Der Staat muß die Grundrechte im privaten Verhältnis garantieren. Bei dem Erklärungsmodell der Schutzpflichten muß noch berücksichtigt werden, daß dem Staat bei der Erfüllung der Schutzpflichten ein Gestaltungsspielraum zukommt. Das Drei-Ebenen-Modell Alexys, das auch die unmittelbare Drittwirkung zu integrieren versucht, kommt in eine gedankliche Nähe zur unmittelbaren Bindung. Seine Argumentation der unmittelbaren Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten auf der dritten Ebene seines Modells ist überzeugend. Warum sollte man nur von mittelbarer Bindung sprechen, wenn die Berücksichtigung von Grundrechten in privatrechtlichen Streitigkeiten zu einer anderen Lösung führt als ihre Mißachtung? Wenn man also getrost von einer unmittelbaren Wirkung zwischen Privaten ausgehen kann, was fehlt dann noch zu einer unmittelbaren Bindung? Aber auch Alexy scheint diesen Schritt nicht gehen zu wollen. Deshalb spricht er auch davon, daß man nur terminologisch zu dem Schluß kommen könne, ein Privater kann ein Grundrecht verletzen. Bei einer klaren Bindung Privater an die Grundrechte bedürfte es nicht dieser „terminologischen“ Einschränkung. c) Schutzpflichten im Völkerrecht Die Feststellung, daß die Staaten als Vertragsparteien zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet sind, bedeutet nicht denknotwendig, daß Private keine direkten Verpflichtungen aus den Menschenrechtsverträgen trifft. Aus der Adressierung an den Staat folgt lediglich, daß die menschenrechtlichen Verträge dem grundsätzlichen Muster des Völkervertragsrechts folgen, indem sie jedenfalls staatliche Verpflichtungen normieren. Allerdings können Private in den Anwendungsbereich völkerrechtlicher Verträge einbezogen werden. Ein Mittel mit dem privates Handeln erfaßt werden kann, ist die Entwicklung staatlicher Schutzpflichten. Die Idee solcher Schutzpflichten existiert in zwei Spielarten. Zum einen bedeutet die 233

Vgl. Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1531.

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Auferlegung von Schutzpflichten, daß der Staat nicht nur die negative Pflicht hat, Eingriffe in Menschenrechte zu unterlassen, sondern mitunter auch positive Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung ergreifen muß. Den Staat treffen nicht nur Unterlassungs- sondern auch Handlungspflichten, um die Menschenrechte zu gewährleisten. Ein normiertes Beispiel für eine solche positive staatliche Verpflichtung ist das Recht eines Angeklagten aus Art. 6 III, lit. c EMRK, falls notwendig, unentgeltlich einen Pflichtverteidiger gestellt zu bekommen.234 Hier muß der Staat mit eigenen Maßnahmen für die Ermöglichung dieser Pflichtverteidigung sorgen, indem er etwa das Honorar für den Pflichtverteidiger bezahlt.235 Neben spezieller Normierung kann man solche Handlungspflichten auch aus den oben schon zitierten generellen Gewährleistungsartikeln der Menschenrechtskonventionen folgern. Sie verlangen nicht nur von den Vertragsstaaten, die Menschenrechte zu achten und zu wahren, sondern auch zu sichern und zu gewährleisten236, was schon vom Wortlaut über reine Unterlassungspflichten hinaus geht und vielmehr auch positive Pflichten umfaßt.237 Konkreter verpflichtet zum Beispiel Art. 2 II IPBPR die Vertragsstaaten zum Erlaß nationaler Gesetze, falls dies für die Verwirklichung der Rechte erforderlich ist. Ebenso verpflichtet auch schon Art. 2 I IPWSKR zu positiven Maßnahmen, um die im Pakt enthaltenen Rechte Schritt für Schritt zu verwirklichen. Zum anderen beinhaltet aber die Idee der Schutzpflichten, und das ist die für die vorliegenden Zwecke interessantere Variante, daß der Staat neben seiner Verpflichtung, eigene Menschenrechtsverletzungen zu unterlassen, auch verpflichtet ist, die Menschenrechte vor den Beeinträchtigungen Privater zu schützen.238 Das heißt, der Staat muß positiv tätig werden, um den Bürger vor den Eingriffen anderer Bürger in seine Menschenrechte zu bewahren. Damit geraten Private als Verletzer in den Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes. Das setzt, genauso wie im nationalen Kontext, allerdings voraus, daß es Menschenrechte gibt, die auch von Privaten beeinträchtigt werden können. Ein Privater kann aber nur dann an die Menschenrechte rechtlich gebunden sein, wenn er sie auch faktisch verletzen kann. Wenn man schon auf dieser Stufe zu dem Schluß gelangt, Private seien überhaupt nicht fähig, Menschenrechte zu beeinträchtigen, erübrigt sich 234

Siehe dazu Frowein/Peukert-Peukert, EMRK, Art. 6, Rz. 199; Peters, EMRK, S. 137. 235 Siehe weitere Beispiele bei Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 102 ff. 236 Siehe hierzu die authentischen englischen Textfassungen: Art. 2 I IPBPR und Art. 1 I AMRK: to respect and to ensure; Art. 1 EMRK: to secure; Art. 1 ACMR: to recognize and to give effect. 237 Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 87. 238 Grabenwarter, EMRK, S. 127, Rz. 7; Nowak, CCPR Commentary, Art. 2, Rz. 20; Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 84.

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auch die Frage nach einer rechtlichen Verpflichtung. Hier soll im Weiteren von faktischer Verletzung oder von Beeinträchtigung gesprochen werden, um nicht den Eindruck zu erwecken, als sollte mit dem Begriff Verletzung schon festgestellt werden, Private seien die unmittelbaren Verpflichteten dieser Rechte. aa) Normen, die faktisch von Privaten verletzt werden können In den Menschenrechtsverträgen lassen sich diesbezüglich zwei Gruppen von Gewährleistungen feststellen. Umfangreichere Übersichten wurden schon an anderer Stelle vorgenommen.239 Das soll hier nicht wiederholt werden. Statt dessen sollen beide Gruppen nur anhand von Beispielen illustriert werden. Die eine Gruppe von Rechten kann auf Grund ihrer Charakteristik ausschließlich vom Staat verletzt werden. Dazu zählen vor allem die Rechtsschutzgarantie240, die Verfahrensgarantien vor den staatlichen Gerichten241, das Recht auf Anerkennung als Rechtsperson242 und das Recht auf Staatsangehörigkeit243. Nur der Staat kann die Staatsangehörigkeit entziehen oder mit seinem Recht den Individuen ihre Rechtspersönlichkeit absprechen. Nur der Staat kann einem das Recht absprechen vor den staatlichen Gerichten Rechtsschutz zu erlangen. Die andere Gruppe von Menschenrechten lassen die Person oder Institution des Verletzers offen. Die von ihnen geschützten Rechtsgüter können auch durch das Verhalten von Privaten beeinträchtigt oder faktisch verletzt werden. Zu dieser Gruppe gehört etwa das Recht auf Leben. Nicht nur der Staat kann durch seine Organe töten, sondern auch jede Privatperson. Wie bereits erwähnt, wird traditionell das Verbot der Sklaverei hauptsächlich durch Private verletzt. Beim Verbot der Folter muß unterschieden werden. Nach Art. 1 UNFolterK kann zwar der unmittelbare Folterer durchaus auch eine Privatperson sein. Die Folterung muß aber mindestens mit der stillschweigenden Duldung eines staatlichen Amtsträgers vorgenommen worden sein. Demnach erfaßt die Konvention nur Folterhandlungen mit staatlicher Beteiligung. Anders verhält es sich dagegen bei den Folterverboten aus Art. 7 IPBPR, Art. 3 EMRK, Art. 5 II AMRK und Art. 5 ACMR. Dort verlangt der Wortlaut der Folterverbote keine staatliche Beteiligung an der Folterhandlung. Auch Eingriffe in das Privat- und Familienleben (Art. 17 239 240 241 242 243

Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 20 ff. Art. 14 I IPBPR, Art. 6 I EMRK, Art. 8 I AMRK. Art. 14 III IPBPR, Art. 6 III EMRK, Art. 8 II AMRK. Art. 16 IPBPR, Art. 3 AMRK. Art. 20 AMRK.

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IPBPR, Art. 8 EMRK, Art. 11 AMRK, Art. 18 I ACMR) können von Privaten, und nicht nur vom Staat, vorgenommen werden. Noch deutlicher wird die faktische Verletzbarkeit durch Private bei Menschenrechten im wirtschaftlichen Bereich. Zum Beispiel betrifft das Recht von Frauen auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit wie bei Männern aus Art. 7 IPWSKR (oder Art. 2 Nr. 1 ILO-Konvention Nr. 100244) gerade Rechtsbeziehungen zwischen Privaten. Wenn ein privater Arbeitgeber Arbeitnehmerinnen für gleiche Arbeit schlechter entlohnt als die männlichen Angestellten, so hat er dieses Recht zumindest faktisch verletzt. bb) Schutzpflichten des Staates (1) Herleitung aus dem Text völkerrechtlicher Verträge Die Existenz von Schutzpflichten gegen private Beeinträchtigungen der Menschenrechte ergibt sich teilweise schon unmittelbar aus den Bestimmungen der menschenrechtlichen Verträge. So verlangt zum Beispiel Art. 2 I lit. d RassenDisK von den Vertragsstaaten, mit eigenen Maßnahmen von Personen, Gruppen oder Organisationen ausgeübte Rassendiskriminierungen zu bekämpfen. Da Art. 2 I lit. a RassenDisK schon die vom Staat ausgehende Rassendiskriminierung erfaßt, können aus systematischen Gründen damit nur private Rechtssubjekte gemeint sein.245 Die RassenDisK geht folglich davon aus, daß von Privaten faktische Ungleichbehandlungen auf Grund rassischer Merkmale ausgehen können, die die Staaten unterbinden müssen. Eine ähnlich lautende Bestimmung findet sich auch in Art. 2 lit. e FrauenDisK. (2) Internationale Spruchpraxis Ganz überwiegend wurden Schutzpflichten aber durch die Spruchpraxis der Organe der menschenrechtlichen Hauptverträge entwickelt. Insbesondere der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat dabei eine Vorreiterrolle gespielt. Mit seinen Urteilen in den Fällen Young, James 244

s. o. Fn. 176. Vgl. Joseph, Human Rights Accountability, S. 77 und Vásquez, Direct vs. Indirect Obligations of Corporations Under International Law, 43 Colum. J. Transnat’l L. 927, 934 (2005). Als weiteres Beispiel aus der RassenDisK kann hier Art. 5 lit. b angeführt werden, der bestimmt, daß jeder diskriminierungsfrei das Recht auf Sicherheit der Person und auf staatlichen Schutz gegen Gewalttätigkeit und Körperverletzung genießt, unabhängig davon ob dieses Recht durch den Staat oder Private beeinträchtigt wird. 245

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and Webster246 1981 und X and Y v. the Netherlands247 aus dem Jahre 1985 hat der Gerichtshof in Straßburg die Grundlage für seine weitere Rechtsprechung zu den Schutzpflichten gelegt. Im ersten Fall ging es um Zwangsmitgliedschaften in einer Gewerkschaft, die durch ein Abkommen zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft begründet wurde. Das britische Recht erlaubte solche Abkommen. Der Gerichtshof bejahte eine staatliche Verletzung von Art. 11 EMRK (Vereinigungsfreiheit).248 Die unmittelbare Ursache der Zwangsmitgliedschaft sei zwar in dem Abkommen zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft zu sehen. Der Staat sei aber verantwortlich, da das nationale Recht eine solche Zwangsmitgliedschaft erlaubte und der Staat deshalb nichts zum Schutz der Vereinigungsfreiheit unternommen habe. Ausdrücklich verweist der Gerichtshof dabei auf die Verpflichtung der Staaten aus Art. 1 EMRK, die Konventionsrechte zu sichern.249 Die Sicherung der Vereinigungsfreiheit (hier der negativen) hätte der Staat durch eine entsprechende Gestaltung der nationalen Rechtsordnung vornehmen müssen. Die Entscheidung X and Y betraf das Recht auf Achtung der Privatsphäre aus Art. 8 EMRK. Eine Vergewaltigung konnte nach niederländischem Recht nicht strafrechtlich verfolgt werden, da dazu ein Strafantrag nötig war, den das geistig behinderte Opfer aber nicht stellen konnte. In seiner Entscheidung führte der EGMR aus, Art. 8 verpflichte die Vertragsstaaten nicht nur eigene Eingriffe in die Privatsphäre des Bürgers zu unterlassen, sondern auch Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der Privatsphäre in den Beziehungen der Bürger untereinander zu gewährleisten.250 Der Gerichtshof bejahte eine Verletzung von Art. 8 EMRK, da das niederländische Recht dem Vergewaltigungsopfer keinen Schutz bot.251 Die Verpflichtung der Vertragsstaaten das Recht aus Art. 8 EMRK auch vor privaten Beeinträchtigungen zu schützen, hat der EGMR jüngst in der Caroline-Entscheidung bestätigt.252 Ein anderes deutliches Beispiel ist der Fall A v. United Kingdom253 von 1998, der sich auf das Verbot der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aus Art. 3 EMRK bezieht. Ein kleiner Junge war mehrmals von seinem Stiefvater mit einem Stock geschlagen worden. Die Ge246 247 248 249 250 251 252 253

Urteil vom 13.8.1981, Appl. No. 7601/76, 7806/77, Series A 44. Urteil vom 27.2.1985, Appl. No. 8978/80, Series A 91. Rz. 65. Rz. 49. Rz. 23. Rz. 30. von Hannover v. Germany, Urteil vom 3.6.2004, Appl. No. 59320/00, Rz. 57. Urteil vom 23.9.1998, Appl. No. 25599/94, Reports 1998-VI.

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richte lehnten jedoch eine Verurteilung des Stiefvaters wegen Körperverletzung ab, da sie die Schläge als eine gerechtfertigte „Erziehungsmaßnahme“ ansahen.254 Das Urteil des EGMR stellt ausdrücklich fest, daß Art. 3 EMRK in Verbindung mit Art. 1 EMRK die Vertragsparteien verpflichte, auch Schutz vor Mißhandlungen zu gewähren, die durch Privatpersonen verübt werden. Dieser Schutz könne etwa in der wirksamen Abschreckung solcher Taten bestehen.255 Der Gerichtshof stellte dann fest, daß das britische Recht keinen genügenden Schutz gegen solche Mißhandlungen biete. Er verurteilte deshalb das Vereinigte Königreich wegen Verletzung von Art. 3 der Konvention.256 Daneben läßt sich der Judikatur der damaligen Kommission (EKMR) und des Gerichtshofs noch Schutzpflichten für das Recht auf Leben (Art. 2)257, für gewisse Aspekte des Rechts auf ein faires Verfahren, insbesondere die Unschuldsvermutung (Art. 6)258, die Religionsfreiheit (Art. 9)259 und die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10)260 entnehmen. Auch der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) hat die Existenz von Schutzpflichten anerkannt. Herausragendes Beispiel dafür ist seine Entscheidung im Fall des verschwundenen Studenten Velásquez Rodríguez. In dem Urteil führten die Richter aus, daß die Vertragsstaaten der Konvention nicht nur verpflichtet sind, eigene Menschenrechtsverletzungen zu unterlassen, sondern ihre Verantwortlichkeit auch dann gegeben sei, wenn nicht mit der nötigen Sorgfalt (due diligence) private Beeinträchtigungen verhindert würden.261 Ebenso wie der EGMR folgert der IAGMR dies aus der generellen Verpflichtungsnorm der Konvention (Art. 1 I AMRK), der von den Staaten auch verlangt, die Menschenrechte zu sichern (to ensure).262 Der Gerichtshof mußte in diesem Fall auch eine private Verursachung berücksichtigen, da eine unmittelbare Beteiligung der Staatsorgane am Verschwindenlassen des Studenten nicht direkt, sondern nur aus den äußeren Umständen heraus bewiesen werden konnte.263 254

Rz. 10 f. Rz. 22. 256 Rz. 24. 257 EGMR, Osman v. United Kingdom, Urteil vom 28.10.1998, Appl. No. 23452/ 94, Reports 1998-VIII, Rz. 115. 258 Grabenwarter, EMRK, S. 394, Rz. 126; Peters, EMRK, S. 133. 259 EGMR, Otto-Preminger-Institut v. Austria, Urteil vom 23.8.1994, Appl. No. 13470/87, Series A 295-A, Rz. 47. 260 EKMR, Rommelfanger v. Germany, Entsch. vom 6.9.1989, Appl. No. 12242/ 86. 261 Velásquez Rodríguez Case, Merits, Urteil vom 29.7.1988, Series C, No. 4, Rz. 172, 182. 262 Velásquez Rodríguez Case, Rz. 166. 263 Velásquez Rodríguez Case, Rz. 122 ff. 255

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Der Gerichtshof nahm eine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit, auf Unverletzlichkeit und des Rechts auf Leben (Art. 7, 5, 4 AMRK) an.264 Für den IPBPR hat der UN-Menschenrechtsausschuß in einigen Auffassungen (views)265, vor allem aber in seinen General Comments266 (GC), ebenfalls die Existenz von Schutzpflichten vor privaten Beeinträchtigungen der Menschenrechte für das Recht auf Leben (Art. 6), zum Verbot der Folter (Art. 7) und zum Schutz des Privat und Familienlebens (Art. 17) angenommen. Exemplarisch kommt die Haltung des Ausschusses dazu in einem im Jahre 2004 verabschiedeten GC zur generellen Verpflichtung der Staaten aus Art. 2 IPBPR zum Ausdruck. Darin hält der Ausschuß in allgemeiner Weise fest, daß bei denjenigen Menschenrechten, die im Verhältnis zwischen Privaten anwendbar sind, ein Vertragsstaat nur dann seine Verpflichtungen aus Art. 2 des Paktes voll erfüllen würde, wenn er Individuen auch gegen Beeinträchtigungen von privater Seite schützt.267 Insgesamt ist also eine reichhaltige Spruchpraxis festzustellen, welche die Existenz von Schutzpflichten bestätigt. cc) Rechtliche Bindung Privater durch Schutzpflichten? (1) Staaten als Adressaten der Schutzpflichten Wie bereits erläutert, setzt die Annahme von Schutzpflichten die faktische Verletzbarkeit von Menschenrechten durch Private voraus. Die aufgeführte Vertragspraxis hat bestätigt, daß bestimmte Menschenrechte von privater Seite beeinträchtigt werden können. Damit ist der erste Schritt in Richtung einer völkerrechtlichen Verpflichtung von privaten natürlichen Personen getan. Eine unmittelbare Bindung Privater an die völkerrechtlichen Menschenrechte kann nur dort erfolgen, wo diese auch rein faktisch fähig sind, in die Rechte einzugreifen. Aber es ist eben nur der erste Schritt. Für eine unmittelbare rechtliche Bindung des Privaten an die Völkerrechtsnorm ist aber noch ein zweiter Schritt notwendig, der eben diese 264

Velásquez Rodríguez Case, Rz. 155–157. Rubio v. Colombia, Com. No. 161/1983, Views vom 2.11.1987, Rz. 10.3, UN Doc. CCPR/C/31/D/161/1983; Páez v. Colombia, Com. No. 195/1985, Views vom 12.7.1990, Rz. 5.5, UN. Doc. CCPR/C/39/D/195/1985. 266 GC Nr. 6 zum Recht auf Leben von 1982, §§ 2, 3, enthalten in UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.7 vom 12.5.2004, S. 128–129; GC Nr. 16 von 1988, § 1, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.7, S. 142; GC Nr. 20 von 1992, § 2, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.7, S. 150. 267 GC Nr. 31 vom 29.3.2004, § 8, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.7, S. 192–197. 265

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rechtliche Bindung herbeiführt. Dieser zweite Schritt ist von den Vertragsorganen bisher nicht vorgenommen worden. Aus der Spruchpraxis ergibt sich nur eine staatliche Verpflichtung, den Schutzpflichten nachzukommen. Das hängt auch entscheidend mit den in den Verträgen vorgesehenen Durchsetzungsmechanismen zusammen. Beschwerden können nur gegen Vertragsstaaten gerichtet werden.268 In der Anfangszeit der Europäischen Menschenrechtskonvention wurden tatsächlich einige Beschwerden an die damals existierende Kommission gegen andere Privatpersonen gerichtet.269 Die Kommission wies aber alle Anträge zurück, oder formulierte sie in Anträge gegen einen Vertragsstaat um.270 Die Organe sind insofern gezwungen, staatliche Verletzungen zu suchen. Andernfalls können sie keine Konventionsverletzung feststellen. Nach alledem kann festgehalten werden: aus dem Gedanken der Schutzpflicht ergibt sich keine unmittelbare rechtliche Bindung Privater an die völkerrechtlichen Menschenrechte. Es bleibt bei den staatlichen Pflichten zur Gewährleistung der Menschenrechte. (2) Staatlicher Spielraum zur Erfüllung der Schutzpflichten Die Spruchpraxis zu den Schutzpflichten räumt durchweg den Vertragsstaaten einen gewissen Spielraum ein, wie sie ihre Schutzpflichten erfüllen sollen.271 Die Dogmatik der Schutzpflichten führt nicht zu einer absoluten Verhinderungspflicht von privaten Eingriffen seitens des Staates. Eine solche Pflicht könnte der Staat auch gar nicht erfüllen. Vielmehr müssen die Staaten die erforderliche Sorgfalt (due diligence) aufwenden, um private Beeinträchtigungen zu verhindern.272 Hat ein Staat die erforderliche Sorgfalt aufgewandt und kommt es dennoch zu einer privaten Verletzung, so hat er nicht gegen die jeweilige menschenrechtliche Verpflichtung verstoßen. Erst bei Mißachtung der nötigen Sorgfalt tritt die völkerrechtliche Verantwortlichkeit ein. Wie der Staat aber der Sorgfaltspflicht nachkommt, ist zunächst einmal seine Sache. Die staatlichen Machtmittel stellen eine breite Auswahl von Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung.273 Vielleicht genügt es schon, daß der Staat gewisse Informationen zur Verfügung stellt. Er kann 268

Siehe Verweise oben unter B.IV.1.a)bb), cc) und ee). Siehe z. B. X v. Germany, Entsch. vom 30.3.1966, Appl. No. 2646/65, Collection 19, 89–94; M v. United Kingdom, Entsch. vom 24.1.1986, Appl. No. 11864/85; Durini contre l’Italie, Entsch. vom 12.1.1994, Appl. No. 19217/91. 270 Eissen, Duties of the Individual, Nordisk Tidsskrift for Internationale Ret 32 (1962), 230, 242; Frowein/Peukert-Frowein, EMRK, Art. 1 Rz. 13. 271 Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 168. 272 So schon der IAGMR, Velásquez Rodríguez Case, Merits, Urteil vom 29.7.1988, Series C, No. 4, Rz. 172. 273 Siehe dazu Grabenwarter, EMRK, S. 127 ff., Rz. 8 ff. 269

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auch das zwischen den Bürgern anzuwendende Recht in einer bestimmten Art und Weise gestalten, so daß private Beeinträchtigungen der Menschenrechte ausgeschlossen oder zumindest erschwert werden. Daran anknüpfend kann er private Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten schaffen. Oder er stellt ein bestimmtes privates Verhalten unter Strafe und sorgt für die Durchsetzung der Strafnorm. Das den Staaten zur Verfügung stehende Ermessen kann auch durch die Stärke des Eingriffs oder die Bedeutung des zu schützenden Menschenrechts eingeschränkt sein, so daß der Staat ein bestimmtes Mittel ergreifen muß. So erfordert zum Beispiel regelmäßig die Gewährleistungspflicht für das Recht auf Leben, daß der Staat auch private Tötungshandlungen unter Strafe stellt.274 Wie aber diese Strafnorm genau aussehen soll und welche genaue Strafe gefordert ist, liegt im Ermessen des Staates. Die Zuerkennung eines solchen Ermessens läßt sich damit begründen, daß das Völkerrecht dem Staat nicht in allen Einzelheiten vorgeben soll, wie er Konflikte zwischen Privatpersonen lösen will. Die menschenrechtlichen Verträge sollen in solchen Konstellationen nur soweit als nötig Vorgaben für die nationale Rechtsordnung machen, damit dem Staat ein genügend großer Spielraum zur eigenen Gestaltung bleibt. Auch soll der Staat nicht gezwungen werden, nationale Eigenheiten aufzugeben, die er in der Gestaltung seiner Rechtsordnung verwirklicht sehen möchte.275 In der Spruchpraxis des EGMR firmiert dieser Ermessensspielraum unter dem englischen Begriff margin of appreciation.276 d) Vergleichbarkeit von (mittelbarer) Drittwirkung und völkerrechtlichen Schutzpflichten Die im deutschen Verfassungsrecht vorherrschende Lehre der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte läßt sich, wie dargestellt, auch mit den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates begründen. Es stellt sich also die Frage, ob die Lehre der mittelbaren Drittwirkung mit der im völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz entwickelten Konzeption der Schutzpflichten vergleichbar ist. Die Frage der mittelbaren Drittwirkung betrifft im deutschen Verfassungsrecht immer nur die Geltung der Grundrechte im Zivilrecht.277 Wenn 274 Siehe dazu zum Beispiel General Comment Nr. 6 des UN-Menschenrechtsausschusses von 1982, § 3, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.7 vom 12.5.2004, S. 128; die EMRK verlangt schon nach dem Wortlaut ihres Art. 2 I den gesetzlichen Schutz des Lebens, siehe dazu Grabenwarter, EMRK, S. 139 f., Rz. 16. 275 Vgl. Streuer, Die positiven Verpflichtungen des Staates, S. 259. 276 Clapham, Private Sphere, S. 224. 277 s. o. B.IV.1.b)bb).

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nun die staatlichen Schutzpflichten als Begründung für die mittelbare Drittwirkung herangezogen werden, dann bedeutet dies, daß die Erfüllung der Schutzpflichten durch die Zivilrechtsgesetzgebung oder die Zivilrechtsrechtsprechung erfolgt. Auf der Völkerrechtsebene beziehen sich die Schutzpflichten nicht nur auf das Zivilrecht, sondern auf alle Rechtsgebiete und staatlichen Handlungsmöglichkeiten. Wie bereits dargelegt ist es grundsätzlich Sache des Staates, wie er den völkerrechtlichen Schutzpflichten nachkommen will. Er kann das durchaus durch die Gestaltung des Zivilrechts verwirklichen, wenn dies zur Erfüllung der Schutzpflicht ausreichend ist. Er kann aber auch Maßnahmen im Straf- oder Verwaltungsrecht ergreifen oder nicht-normative Schutzhandlungen vornehmen. Aus der Perspektive der Schutzpflichterfüllung läßt sich also die Lehre der mittelbaren Drittwirkung durchaus mit der völkerrechtlichen Verpflichtung zum Schutz vor privaten Menschenrechtsbeeinträchtigungen vergleichen. Die Theorie der mittelbaren Drittwirkung bewirkt nichts anderes als die Verwirklichung von Schutzpflichten im zivilrechtlichen Bereich.278 Die völkerrechtlichen Schutzpflichten erstrecken sich aber auch auf staatliche Handlungsbereiche, die über das Zivilrecht hinausgehen. Dies deckt sich mit der übrigen Lehre der grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen Verfassungsrecht. Jedoch kann man einen Unterschied darin erblicken, daß der deutsche Zivilrichter stets verpflichtet ist, die grundrechtlichen Wertungen in einem Fall zu berücksichtigen. Eine solche unbedingte Verpflichtung ergibt sich aus den völkerrechtlichen Menschenrechten nicht. Wie eben geschildert, kann grundsätzlich die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht auch auf anderem Wege erfolgen. Allerdings sollte dieser Umstand nicht überbewertet werden. Wenn der Staat keine anderen Schutzmaßnahmen ergriffen hat, bleibt dem Zivilrichter gar nichts anderes übrig, als die menschenrechtlichen Wertungen bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soll der Staat nicht gegen seine völkerrechtliche Pflicht verstoßen. Bei der Verwendung des deutschen Begriffs der Drittwirkung in der englischsprachigen völkerrechtlichen Literatur wird durchaus auch zwischen der unmittelbaren und mittelbaren Variante unterschieden.279 Die Autoren kommen dabei wegen der Existenz staatlicher Schutzpflichten überwiegend zu dem Schluß, das die Menschenrechtsverträge eine mittelbare (indirect) Drittwirkung entfalten. Gleichwohl sind aber auch sachliche Unklarheiten bei der Verwendung des Begriffes der Drittwirkung festzustellen. Dies sollte aber nicht verwundern, da schon im deutschen Kontext die Drittwirkung keine klaren Konturen bereithält. 278

Ebenso Grabenwarter, EMRK, S. 131, Rz. 15 für die EMRK. Für die deutschen Begriffe mittelbar und unmittelbar werden im Englischen meist die Wörter indirect und direct verwendet, siehe dazu etwa Drzemczewski, Private Parties, NILR 26 (1979), S. 163 f. 279

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e) Unmittelbare Drittwirkung im Völkerrecht? Wie gezeigt, erfassen die völkerrechtlichen Menschenrechte zumindest über die staatlichen Schutzpflichten private faktische Verletzungshandlungen. Gleichwohl handelt es sich bei den Schutzpflichten um rein staatliche Verpflichtungen. Eine direkte völkerrechtliche Verpflichtung Privater kann damit nicht begründet werden. Eine etwaige Verpflichtung Privater zur Einhaltung der Menschenrechte erfolgt in diesem Zusammenhang über die nationale Gesetzgebung, mit der ein Staat seinen Schutzpflichten nachkommt. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob sich aus anderen Umständen eine direkte Bindung Privater begründen läßt, ob also, um in der deutschen Terminologie zu bleiben, die Menschenrechtsverträge eine unmittelbare Drittwirkung entfalten. aa) Verpflichtung Privater in rechtlich unverbindlichen Dokumenten Bevor die völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge auf die vorstehende Frage hin untersucht werden, soll hier auf rechtlich unverbindliche Menschenrechtsdokumente, insbesondere auf die AEMR eingegangen werden. Zwar können diese Dokumente allein keine unmittelbare Bindung Privater erzeugen, sie bilden aber den Hintergrund vor dem die Verträge betrachtet werden können. Immerhin sind viele formal nicht-verbindliche Erklärungen der Vereinten Nationen und anderer Organisationen wie Rechtstexte formuliert. Mitunter stellen sie die Basis für spätere völkerrechtliche Verträge dar. Dies gilt vor allem für die AEMR.280 Einige ihrer Bestimmungen wurden wortgleich im IPBPR übernommen (z. B. Art. 4, 5 AEMR u. Art. 7 S. 1, 8 IPBPR). Man kann also den Bestimmungen dieser Erklärungen entnehmen, ob sie potentiell rechtsverbindliche Normen darstellen sollen, ohne daß sie schon selbst zu diesem Kreis gehören. Die Bestimmungen solcher Erklärungen können auch auf schon bestehende Rechtsnormen verweisen, die aus den völkerrechtlichen Rechtsquellen stammen. Schließlich können die Bestimmungen solcher Dokumente auch Ausdruck für eine allgemeine Rechtsüberzeugung sein. Durch entsprechende Praxis kann so Völkergewohnheitsrecht entstehen. Bezüglich der AEMR wird auch argumentiert, daß sie eine autoritative Definition der in Art. 55 lit. c UN-Charta angesprochenen Menschenrechte darstelle und ihr deshalb im Zusammenhang mit dieser Vertragsnorm rechtliche Gültigkeit zukomme.281 280 Vgl. Opsahl/Dimitrijevic, Art. 29 and 30 (Universal Declaration of Human Rights), S. 636. 281 Simma/Alston, The Sources of Human Rights Law, S. 21 f.; Sohn, The New International Law: Protecting the Rights of Individuals Rather Than States, 32 Am. Univ. L. R. 1, 17 (1982).

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Wie schon in der Einleitung angesprochen hat bisher die Frage von direkten Verpflichtungen Privater im Völkerrecht nicht die gleiche Aufmerksamkeit erfahren wie die Rechtsstellung des Individuums. Das zeigt die bisherige Geschichte des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes. Primär ging es um die Berechtigung des Menschen – insbesondere dem Staat gegenüber – und nicht um seine Verpflichtungen gegenüber anderen Menschen, der Gesellschaft oder dem Staat. Dies mag auch mit dem unterschiedlichen Menschenrechtsverständnis der nord-westlichen gegenüber der südlichen und östlichen Welt zusammenhängen.282 Nach dem westlichen Verständnis hat der Mensch gewisse angeborene Rechte, die der Staat respektieren muß. Asien, Afrika aber auch Südamerika betonen dagegen stärker die Pflichten des einzelnen gegenüber der Gemeinschaft. Dieser Unterschied sollte allerdings nicht überbetont werden. Wie dargestellt, bedingen die staatlichen Schutzpflichten, daß dem Individuum Pflichten auferlegt werden, um die Menschenrechte der anderen Individuen zu schützen. Diese Pflichten muß der Staat allerdings in seinem innerstaatlichen Recht schaffen und ergeben sich nach dieser Konzeption nicht unmittelbar aus dem Völkerrecht. Das ist aber kein grundsätzlicher Unterschied, denn auch im Falle der Schutzpflichten wird das Individuum als Pflichtenträger angesehen. (1) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte folgt in weiten Bereichen der Vorstellung vom Menschen als dem Inhaber unveräußerlicher Rechte, die sich aus seiner Würde ableiten. Dies wird schon im ersten Absatz ihrer Präambel deutlich, die diese beiden Elemente als Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden ansieht.283 Die Präambel verweist dann weiter auf den Zweck der Allgemeinen Erklärung, nämlich eine gemeinsame Auffassung der Menschenrechte zu entwickeln, damit die UN-Mitgliedstaaten ihre Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte aus der UN-Charta (Art. 55 lit. c, 56) nachkommen können.284 Aber die Generalversammlung weist nicht nur auf die Verpflichtung der UN-Mitgliedstaten aus der Charta zur Einhaltung der Menschenrechte hin, sondern sieht die Erklärung als gemeinsames Ideal aller Völker und Nationen 282 Vgl. dazu Martínez, Responsibilities I, Nr. 12 und Responsibilities II, Nr. 13, 14, 28. 283 Abs. I der Präambel: „Da die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet . . .“. 284 Abs. VI, VII Präambel.

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an, damit auch „jeder einzelne und alle Organe der Gesellschaft sich diese Erklärung stets gegenwärtig halten und sich bemühen, durch Unterricht und Erziehung die Achtung dieser Rechte und Freiheiten zu fördern und durch fortschreitende Maßnahmen . . . zu gewährleisten.“285 Hier werden also durchaus alle möglichen Arten von Privaten Akteuren angesprochen, darunter auch Unternehmen.286 Allerdings sollen sich diese „nur“ bemühen, die Menschenrechte zu fördern und zu gewährleisten. Diese Formulierung unterscheidet sich deutlich von den klaren staatlichen Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte in Art. 2 IPBPR und den anderen völkerrechtlichen Verträgen, aber auch zur staatlichen Verpflichtung das Ziel der Verwirklichung der Menschenrechte zu erreichen aus Art. 55 lit. c, 56 UN-Charta.287 Es ist deshalb wenig überzeugend, wenn in dem ATCA-Verfahren gegen Talisman einfach von dieser Präambel auf eine Bindung Privater, einschließlich von Unternehmen, an grundlegende Menschenrechte geschlossen wird.288 Die Formulierungen der einzelnen Rechte lassen den Verpflichteten durchaus offen, wenn sich nicht aus dem Gegenstand des Rechts ergibt, daß nur der Staat der Verpflichtete sein kann [wie zum Beispiel beim Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz vor innerstaatlichen Gerichten aus Art. 8 AEMR; vgl. dazu auch schon die Ausführungen oben B.IV.1.c)aa)]. Einen generellen Artikel über die staatliche Gewährleistungspflicht, wie zum Beispiel Art. 2 IPBPR, enthält die AEMR nicht. Die für die Frage privater Verpflichtungen interessanteste Bestimmung ist aber Art. 29 I AEMR.289 Darin wird festgehalten, daß jeder Mensch Pflichten gegenüber der Gemeinschaft hat, denn nur in der Gemeinschaft sei die freie und volle Entwicklung der Persönlichkeit möglich290. Schon zu Beginn der Verhandlungen zur Allgemeinen Erklärung wurde in der UN-Menschenrechtskommission deutlich, daß in den Text neben Rechten auch Pflichten des einzelnen aufgenommen werden sollten. Einige Staatenvertreter befürchteten das Entstehen von Anarchie und Tyrannei, wenn den Rechten nicht auch Pflichten des einzelnen gegenüber der Gesellschaft zur Seite ge285

Abs. VIII der Präambel. Henkin, The Universal Declaration at 50 and the Challenge of Global Markets, 25 Brook. J. Int’l L. 17 (1999); Thürer, Globalisierung der Wirtschaft, ZSR 2000, 107, 120 spricht hier von einer „gewissen Horizontal- oder Drittwirkung“ der AEMR ohne aber schon eine rechtliche Bindung anzunehmen. 287 Vgl. Kinley/Tadaki, Human Rights Responsibilities for Corporations, 44 Va. J. Int’l L. 931, 948 (2004). 288 Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 318 (S. D. N. Y. 2003). 289 Zur Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung und zu Art. 29 II AEMR siehe Knox, Horizontal Human Rights Law, 102 Am. J. Int’l L. 1, 6–10 (2008). 290 Siehe dazu auch Daes, Individual’s Duties, S. 17, Nr. 2. 286

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stellt würden. Der einzelne könne nur in der Gesellschaft seine Freiheit verwirklichen. Deshalb müsse ein geeigneter Ausgleich zwischen den Interessen des einzelnen und denen der Gesellschaft gefunden werden.291 Diese Überlegungen mündeten schließlich in die Textfassung von Art. 29 I. Die Pflichten werden allerdings im Gegensatz zu den Rechten in der AEMR nicht näher definiert. Dies alleine macht schon deutlich, daß ihnen nicht dasselbe Gewicht zukommt wie den Rechten.292 Die Ausformulierung der Menschenrechte in der Erklärung ergibt sich aus dem historischen Hintergrund ihrer Entstehung. Nach dem 2. Weltkrieg lag das Augenmerk, zumindest der westlichen Staaten, auf dem Schutz des Individuums vor der unkontrollierten Machtentfaltung des Staates. Folgerichtig spricht die UN-Charta in Art. 1 Nr. 4 und Art. 55 lit. c auch nur von Menschenrechten und Grundfreiheiten und nicht von Verpflichtungen des einzelnen gegenüber Staat und Gesellschaft. Im Hinblick auf die eben erörterte Präambel der Allgemeinen Erklärung kann man natürlich auch die Einhaltung der Menschenrechte zu den Pflichten aus Art. 29 I zählen. Es können aber auch noch zusätzliche Pflichten, wie etwa die Pflicht zur Leistung von Militärdienst oder die Pflicht Steuern zu zahlen, gemeint sein. Die Unbestimmtheit der Vorschrift legt aber den Schluß nahe, daß es sich hier gar nicht um potentiell völkerrechtliche Pflichten des einzelnen, sondern vielmehr um ethisch-moralische Pflichten außerhalb des rechtlichen Bereichs handelt.293 Man kann sich auch die Frage stellen, ob man Art. 29 I rechtliche Pflichten des einzelnen entnehmen würde, wenn er in einem völkerrechtlichen Vertrag stehen würde. Das ist kaum möglich. Wie sollte etwa ein Richter die Pflichten näher bestimmen und definieren? Ein solcher Satz kann alles und nichts bedeuten. Neben Art. 29 I sind noch Art. 29 III und die Auslegungsvorschrift des Art. 30 erwähnenswert. Art. 29 III bindet die Ausübung der in der Erklärung enthaltenen Rechte an die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen. Die Rechte dürfen nicht im Widerspruch zu diesen Zielen und Grundsätzen ausgeübt werden. Art. 30 bestimmt, daß sich niemand, auch nicht ein privates Individuum, auf die Menschenrechte berufen kann, um diese Rechte zu beseitigen oder zu zerstören. Ob es sich hierbei um selbständige Pflichten des einzelnen oder aber nur um Modalitäten bei der Ausübung der Menschenrechte handelt, ist umstritten. Auf die Frage wird weiter unten ausführlicher eingegangen, wenn die entsprechenden Bestimmungen in den menschenrechtlichen Verträgen diskutiert werden.294 291

Daes, Individual’s Duties, S. 17, Nr. 7, 11 ff., S. 19, Nr. 29, 30. Vgl. Opsahl/Dimitrijevic, Art. 29 and 30 (Universal Declaration of Human Rights), S. 637. 293 Daes, Individual’s Duties, S. 17, Nr. 2; ihr folgend Martínez, Responsibilities I, Nr. 44; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 95. 294 s. u. B.IV.1.e)cc)(3). 292

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(2) Resolution 53/144 der UN-Generalversammlung Ende 1998 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die „Erklärung über das Recht und die Verpflichtung von Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft, die allgemein anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen“.295 Darin geht es vor allem um die möglichst ungehinderten Handlungsmöglichkeiten der sogenannten Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, also von Menschen und privaten Organisationen, die sich für die Einhaltung und Verwirklichung der Menschenrechte einsetzen. In der Erklärung wird in Art. 2 auf die Hauptverantwortung der Staaten zum Schutz und zur Verwirklichung der Menschenrechte hingewiesen. Aber schon der Titel der Erklärung spricht auch von der Verantwortung (responsibilities) der Privaten zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte. In Art. 18 I der Erklärung findet sich wiederum fast wortgleich zu Art. 29 I AEMR der Hinweis auf die Pflichten des einzelnen gegenüber der Gesellschaft. Das oben dazu Gesagte trifft auch hier zu. In Art. 18 II und III wird festgehalten, daß Private eine Verantwortung besitzen, die Menschenrechte zu fördern und zu einer internationalen Ordnung, in der die Menschenrechte verwirklicht werden können, beizutragen. Besonders der Begriff der Förderung macht deutlich, daß hier keine strengen Rechtspflichten seitens der Privaten gemeint sind. Fördern kann man die Menschenrechte auf ganz verschiedene Weise, ohne an sie rechtlich gebunden zu sein. Zwar wird der Begriff Verantwortung (Hauptverantwortung) auch im eben schon erwähnten Art. 2 der Erklärung verwendet, aber der Text spricht dann weiter von der Pflicht der Staaten, die Menschenrechte zu verwirklichen. Das ist in der Formulierung schon ein erheblicher Unterschied zu Art. 18 II und III. Art. 2 stellt einen Verweis auf die unstrittige völkerrechtliche Pflicht der Staaten zur Einhaltung der Menschenrechte dar. Die abgeschwächte Formulierung in Art. 18 II, III macht demgegenüber deutlich, daß es hier nicht um eine Völkerrechtspflicht der Privaten geht. Im Gegensatz dazu sieht Jägers darin eine klare Anerkennung einer direkten Verantwortlichkeit von privaten Akteuren zur Einhaltung der Menschenrechte.296 Sie setzt sich aber nicht näher mit dem Wortlaut der Erklärung auseinander und bleibt eine Begründung ihrer Behauptung schuldig.297 295

Im englischen Original: Declaration on the Right and Responsibility of Individuals, Groups and Organs of Society to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Freedoms, UN Doc. A/RES/53/144 vom 8.3.1999. 296 Jägers, Corporate Human Rights Obligations, S. 72. 297 Ebenso ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Text Paust, Human Rights Responsibilities of Private Corporations, 35 Vand. J. Transnat’l L. 801, 810-11, Fn. 36 (2002).

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In Art. 10 der Erklärung wird bestimmt, daß niemand durch sein Verhalten an Menschenrechtsverletzungen mitwirken darf. Dieser Artikel ist schon eher wie eine rechtsverbindliche Norm formuliert. Man kann die Bestimmung so verstehen, daß sich private Akteure nicht an staatlichen Menschenrechtsverletzungen beteiligen dürfen. Was wäre nun, wenn dieser Artikel in einem verbindlichen völkerrechtlichen Vertrag enthalten wäre? Könnte man daraus eine direkte völkerrechtliche Pflicht des Menschen folgern, wenn schon nicht selbst Menschenrechtsverletzungen zu begehen, so doch zumindest nicht daran teilzunehmen? Dagegen könnte man einwenden, daß die Begriffe „Verletzung der Menschenrechte“ (violating human rights) und „mitwirken“ (participate) zu unbestimmt seien, um daraus rechtliche Pflichten zu folgern. Menschenrechtsverletzungen können in unendlich vielen Variationen auftreten. Allerdings sind staatliche Menschenrechtsverletzungen zweifellos bestimmbar, sonst könnte es keine Überprüfung der Einhaltung der Menschenrechte durch die internationalen Spruchkörper oder nationale Gerichte geben. Der Begriff Mitwirkung kann auch durch Auslegung näher definiert und bestimmt werden. Man könnte insoweit auf deliktsrechtliche und strafrechtliche Figuren wie Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe zurückgreifen. Es sollte also durchaus möglich sein – rechtliche Verbindlichkeit vorausgesetzt – unmittelbare Rechtspflichten für Privatpersonen aus Art. 10 zu folgern. Wenn es schon im nationalen Recht möglich ist, eine so unbestimmte Norm wie § 185 StGB als Strafnorm anzuwenden298, dann sollte es auch im Völkerrecht möglich sein, eine Bestimmung wie Art. 10 unmittelbar auf Private anzuwenden. (3) Vorentwurf einer UN-Erklärung über die soziale Verantwortung des Menschen Um die in Art. 29 I AEMR und anderen Menschenrechtsdokumenten genannten Pflichten des einzelnen näher zu definieren, hat die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen im Jahr 2000 die Unterkommission zur Förderung und Schutz der Menschenrechte beauftragt, eine Untersuchung zu der Frage von Menschenrechten und menschlichen Verpflichtungen zu erstellen.299 Der unmittelbare Anlaß dafür war wohl die Verabschiedung eines Entwurfs einer Universal Declaration of Human Responsibilities durch den sogenannten Inter Action Council (IAC) im Jahre 1997. Der IAC ist eine private Vereinigung von ehemaligen Regierungschefs und Staatsoberhäuptern, die 1983 vom ehemaligen japanischen Ministerpräsidenten Takeo Fukuda gegründet wurde, um sich mit der Lösung weltweiter 298 299

BVerfGE 93, 291 f. Res. 2000/63 vom 26.4.2000.

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politischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme zu beschäftigen. Der Entwurf der IAC-Erklärung wurde in der Hoffnung an die UN weitergeleitet, daß sie durch die Generalversammlung verabschiedet würde.300 Dazu kam es aber bisher nicht. Im März 2003 hat dann der von der Unterkommission beauftragte Sonderberichterstatter Martínez seinen abschließenden Bericht vorgelegt.301 Er weist darauf hin, daß die Frage von Verpflichtungen des einzelnen im UN-System bisher nur ganz geringe Aufmerksamkeit erfahren hat und es deshalb höchste Zeit sei, diese Situation zu ändern.302 Als Annex zu dem Bericht ist ein Vorentwurf einer Erklärung über die soziale Verantwortung des Menschen (Declaration on Human Social Responsibility) beigefügt.303 Einige der darin enthaltenen Artikel beziehen sich auch auf Menschenrechte (so z. B. Art. 9, 11 und 16), ohne aber spezifische Pflichten zu formulieren. Der Rest der verschlungen formulierten Pflichten verliert sich irgendwo in einem globalen Gutmenschentum.304 Art. 5 stellt die Behauptung auf, daß die Rechte des Individuums untrennbar mit seinen sozialen Pflichten verbunden sind. Allerdings stellen Art. 1 und 3 des Entwurfes klar, daß mit dieser Erklärung keine potentiell rechtsverbindlichen Pflichten des einzelnen geschaffen werden sollen, sondern nur moralische und soziale Verhaltensnormen postuliert werden. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des Sonderberichterstatters.305 Von besonderem Interesse sind hier die bisherigen Reaktionen auf den Vorentwurf. Der Bericht stellt eine unterschiedliche Haltung zwischen den Industriestaaten des Nordens und den Entwicklungsländern des Südens zur Frage der Pflichten des Menschen fest.306 Dies wird durch die von einigen UN-Mitgliedstaaten abgegebenen Bemerkungen zu dem Vorentwurf der Erklärung bestätigt. Obwohl der Entwurf nur von ethischen und moralischen Pflichten spricht, wenden sich einige europäische Staaten, die Europäische Union, die USA und Kanada strikt gegen die in Art. 5 des Vorentwurfs enthaltene Verbindung von Menschenrechten und Pflichten des Individuums. Der Genuß der Rechte dürfe nicht von der Erfüllung von Pflichten abhängig 300 Siehe zum IAC und zu seinem Erklärungsentwurf Saul, In the Shadow of Human Rights, 32 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 565, 572–580 (2001), der Text des Erklärungsentwurfs findet sich auf S. 618–622; deutsche Version http://www.interaction council.org/udhr/declaration/de_udhr.pdf. 301 UN Doc. E/CN.4/2003/105 vom 17.3.2003. 302 UN Doc. E/CN.4/2003/105, S. 10, Nr. 28. 303 UN Doc. E/CN.4/2003/105, Annex I, S. 20 ff. 304 Siehe z. B. Art. 14 der Erklärung, wonach der einzelne verpflichtet ist, sich brüderlich zu verhalten oder Art. 21, der jede Person verpflichtet zur Überwindung sozialer Übel („eradication of social ills“) beizutragen. 305 UN Doc. E/CN.4/2003/105, S. 3. 306 UN Doc. E/CN.4/2003/105, S. 2.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

gemacht werden. Dies widerspräche den Grundprinzipien des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes.307 Nach Ansicht der Tschechischen Republik enthalten die internationalen Menschenrechte keine Verpflichtungen des einzelnen gegenüber dem Staat. Nur der Staat könne dem einzelnen Pflichten auferlegen.308 In die gleiche Richtung weist auch der Kommentar Armeniens. Die Pflichten des einzelnen müßten durch die nationale Gesetzgebung bestimmt werden, die sich aber im Rahmen des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes bewegen müsse.309 Es wird die Befürchtung ausgedrückt, daß Staaten die Auferlegung von Pflichten auf der internationalen Ebene zur Rechtfertigung ihrer eigenen Menschenrechtsverletzungen nutzen könnten.310 Im Gegensatz dazu begrüßen etwa Kuba und die Russische Föderation den Vorentwurf der Erklärung. Gemäß der kubanischen Regierung würde die Erklärung einen wichtigen Beitrag zur Definition und näheren Ausgestaltung der in Art. 29 I AEMR angesprochenen Pflichten leisten und so den konzeptionellen Unterschied zu den ausformulierten Rechten überwinden oder zumindest abmildern.311 Insgesamt haben sich aber nur 27 Staaten zu dem Vorentwurf geäußert. Es ist also schwierig, daraus ein allgemeines Meinungsspektrum abzuleiten. Immerhin ist aber deutlich geworden, daß westliche Staaten dem Vorhaben sehr skeptisch gegenüber stehen. (4) Amerikanische Erklärung über Rechte und Pflichten des Menschen Die amerikanische Menschenrechtserklärung, 1948 verabschiedet von der Organisation of American States (OAS),312 spricht schon in ihrem Titel Pflichten des einzelnen an. Dies setzt sich in ihrer Präambel fort, die stark auf menschliche Pflichten bezug nimmt. Danach ist die Erfüllung von Pflichten seitens des einzelnen eine Voraussetzung für die Rechte aller. Rechte und Pflichten stünden in einer Wechselbeziehung (Abs. 2 der Präambel). Das besondere Augenmerk auf Pflichten setzt sich im operativen Teil der Erklärung fort. Sie ist in zwei Kapitel aufgeteilt. Der Erste Teil (Art. I– 307

UN Doc. E/CN.4/2005/99 vom 7.2.2005, S. 2–4, 6, 7. UN Doc. E/CN.4/2005/99 vom 7.2.2005, S. 3. 309 UN Doc. E/CN.4/2005/99 vom 7.2.2005, S. 3. 310 UN Doc. E/CN.4/2005/99, S. 4, Nr. 13. 311 UN Doc. E/CN.4/2005/99, S. 5 f. 312 American Declaration of the Rights and Duties of Man, OAS Res. XXX vom 2.5.1948, OAS: Handbook of Existing Rules Pertaining to Human Rights, 1979, S. 16 ff. 308

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XXVIII) beinhaltet die klassischen freiheitlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte des Menschen und der zweite Teil (Art. XXIX– XXXVIII) beschäftigt sich mit seinen Pflichten313. Einige der darin enthaltenen Pflichten beziehen sich auf zuvor definierte Rechte. So wird zum Beispiel aus dem Recht zur Arbeit (Art. XIV) eine Pflicht zu arbeiten (Art. XXXVII), aus dem Recht auf Bildung (Art. XII) eine Pflicht zumindest eine Basisausbildung zu erlangen (Art. XXXI), und aus dem Recht auf soziale Sicherheit (Art. XVI) wird die Pflicht mit dem Staat und der Gemeinschaft bei der sozialen Sicherung zusammenzuwirken (Art. XXXV). Mit diesen Pflichten wird der Mensch aber nicht an die Einhaltung der entsprechenden Rechte gebunden. Die Pflicht zur Einhaltung etwa des Rechts auf Arbeit würde bedeuten, daß der einzelne nicht in das Recht auf Arbeit eines anderen Menschen eingreifen darf. Das ist etwas ganz anderes, als selber zur Arbeit verpflichtet zu sein. Andere Pflichten in der Erklärung, wie etwa die Pflicht zur Zahlung von Steuern und die Pflicht zur Leistung von Ziviloder Militärdienst haben mit Menschenrechten nichts zu tun und finden deshalb auch keine Entsprechung im ersten Teil der Erklärung.314 Am ehesten kommt noch Art. XXIX in die Nähe einer Pflicht zur Einhaltung der Menschenrechte. In diesem Artikel wird der einzelne verpflichtet, sich so zu verhalten, daß andere Menschen ihre Persönlichkeit voll entfalten können. Wenn man nun den Gebrauch der Menschenrechte als Teil der Persönlichkeitsentfaltung ansieht, könnte man darin eine Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte annehmen. Allerdings ist der Artikel so unspezifisch und vage formuliert, daß man daraus keine potentielle Rechtspflicht seitens des einzelnen folgern kann. Also selbst, wenn dieser Artikel Teil eines völkerrechtlichen Vertrages wäre, würde er keine konkreten Rechtspflichten dem einzelnen auferlegen. Zu dem gleichen Ergebnis muß man auch bezüglich des Art. XXX gelangen, in dem es um die wechselseitigen Fürsorge- und Schutzpflichten zwischen Eltern und Kindern geht. Insgesamt kann man den Befund an menschenrechtlichen Pflichten des einzelnen in den zitierten Dokumenten nur als äußerst dürftig bezeichnen. bb) Verpflichtung spezifisch für Unternehmen in rechtlich unverbindlichen Dokumenten Mit den UN-Norms, dem Global Compact, den OECD-Leitsätzen und der ILO-Declaration existieren Dokumente, die sich bezüglich der Menschenrechte spezifisch an (multinationale) Unternehmen richten. 313 Siehe dazu auch Tomuschat, Grundpflichten des Individuums nach Völkerrecht, AVR 21 (1983), 289, 291. 314 Knox, Horizontal Human Rights Law, 102 Am. J. Int’l L. 1, 4 (2008).

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(1) UN-Norms Das am weitesten fortgeschrittene Dokument sind die schon in der Einleitung erwähnten Norms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights315 (UN-Norms). Sie wurden nach längeren Vorarbeiten 2003 von der Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights der damaligen UN-Menschenrechtskommission verabschiedet. Ein ausdrückliches Mandat dazu existierte nicht.316 Die UN-Norms sind von ihrem Sprachduktus her als verbindliche Regeln formuliert und in der Unterkommission bestand die Hoffnung, daß sie sich zu bindendem Völkerrecht entwickeln.317 Mit Ziff. 1 UN-Norms werden transnationale318 und andere Unternehmen generell an die völkerrechtlichen Menschenrechte gebunden.319 Diese generelle Verpflichtung wird anschließend noch konkretisiert bezüglich des Diskriminierungsverbots (Ziff. 2), des Rechts auf Sicherheit der Person (Ziff. 3–4), worunter unter anderem Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Folter gezählt werden und bezüglich der Arbeitnehmerrechte (Ziff. 5–9). Ziff. 12 bindet die Unternehmen explizit an wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie an die bürgerlichen und politischen. Darüber hinaus werden auch Regelungen zum Verbraucher- und Umweltschutz getroffen (Ziff. 13–14). Schließlich werden mit den Ziff. 15– 18 Durchsetzungsmechanismen wie etwa ein Berichtssystem und Schadensersatzpflichten festgelegt.320 Aufschlußreich in diesem Zusammenhang ist auch die Präambel der UN-Norms. Darin wird festgehalten: 315

s. o. Fn. 3. Zur Entstehungsgeschichte siehe Backer, Multinational Corporations, Transnational Law, 37 Colum. Hum. Rts. L. Rev. 287, 308–330 (2006) und Nowrot, UNNorms, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, 21 (2003), 6–10. Siehe auch Hillemanns, UN Norms, German Law Journal 4 (2003), 1065, 1068 f. Für einen kurzen Überblick über wechselvolle Behandlung von multinationalen Unternehmen in der UN siehe Vagts, The UN Norms for Transnational Corporations, LJIL 16 (2003), 795, 797. 317 Weissbrodt, Business and Human Rights, 74 U. Cin. L. Rev. 55, 67 (2005); Weissbrodt/Kruger, Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations, 97 Am. J. Int’l L. 901, 913–915 (2003). 318 Die UN verwendet für multinationale Unternehmen den Begriff transnationale Unternehmen. 319 Ziff. 1 Satz 2 UN-Norms: „Within their respective spheres of avtivity and influence, transnational corporations and other business enterprises have the obligation to promote, secure the fulfilment of, respect, ensure respect of and protect human rights recognized in international as well as national law, including the rights and interests of indigenous peoples and other vulnerable groups.“ 320 Siehe auch den Überblick bei Strohscheidt, Initiativen für einen international verbindlichen Verhaltenskodex für Unternehmen, S. 250. 316

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„Realizing that transnational corporations and other business enterprises, their officers and persons working for them are also obligated to respect generally recognized responsibilities and norms contained in United Nations treaties and other international instruments such as . . .“321

Danach folgt nicht nur eine lange Liste von Menschenrechtsverträgen, inklusive solcher des humanitären Völkerrechts, sondern auch eine erkleckliche Anzahl rechtlich unverbindlicher Menschenrechtserklärungen. Wörtlich genommen würde das bedeuten, daß private Unternehmen de lege lata unmittelbar an all die dort genannten Instrumente gebunden sind, unabhängig, ob es sich um verbindliche Verträge oder unverbindliche Empfehlungen oder Erklärungen handelt. Dies wäre in jeder Hinsicht eine erstaunliche Rechtsansicht.322 Nach der Verabschiedung der UN-Norms durch die Unterkommission wurden sie an die UN-Menschenrechtskommission zur weiteren Behandlung zugeleitet.323 Daraufhin betonte die Kommission in einer Empfehlung an den Wirtschafts- und Sozialrat die Unverbindlichkeit der UN-Norms. Außerdem regte sie die Abfassung eines Berichtes über die Problematik der UN-Norms durch den UN-Hochkommissar für Menschenrechte an, der auch Stellungnahmen der Staaten, Internationaler Organisationen und anderer sogenannter Stakeholder zu den UN-Norms berücksichtigen sollte.324 Dieser Bericht wurde vom Hochkommissar Anfang 2005 vorgelegt.325 Entsprechend wird darin auch die bis dahin geäußerte Kritik und Zustimmung zu den UN-Norms zusammengefaßt.326 Zur weiteren Erforschung des Themas wurde vom UN-Generalsekretär auf Bitten der Menschenrechtskommission ein Sonderbeauftragter eingesetzt327, der Anfang 2006 einen Zwischenbericht328 und ein Jahr darauf den Hauptbericht329 vorlegte. Aufgrund der 321

Präambel, Abs. 4. Vgl. Fastenrath, Die Verantwortlichkeit transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte, S. 85. 323 Weissbrodt, Business and Human Rights, 74 U. Cin. L. Rev. 55, 68 (2005). 324 UN Doc. E/CN.4/DEC/2004/116 vom 22.4.2004. 325 Report of the United Nations High Commissioner on Human Rights on the responsibilities of transnational corporations and related business enterprises with regard to human rights, UN Doc. E/CN.4/2005/91 vom 15.2.2005. 326 Zur Kritik der Staaten s. u. B.IV.1.e)ff)(1). 327 Siehe dazu und zum inhaltlichen Auftrag des Sonderberichterstatters John Ruggie die Resolution 2005/69 der UN-Menschenrechtskommission vom 20.4.2005, UN Doc. E/CN.4/2005/L.87 vom 15.4.2005. 328 Interim report of the Special Representative of the Secretary-General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, UN Doc. E/CN.4/2006/97 vom 22.2.2006. 329 „Business and Human Rights: Mapping International Standards of Responsibility and Accountability for Corporate Acts“, Report of the Special Representative 322

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Kürze der Bearbeitungszeit sprach der Sonderberichterstatter aber keine Empfehlungen aus, sondern regte statt dessen eine einjährige Verlängerung seines Mandats an.330 Im April 2008 hat der Sonderberichterstatter einen weiteren Bericht vorgelegt, der aber bezüglich einer unmittelbaren völkerrechtlichen Verpflichtung von Unternehmen unergiebig ist.331 Die Zukunft der UN-Norms ist daher völlig unklar. (2) UN Global Compact Der Global Compact wurde 2000 auf Vorschlag des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan eingerichtet.332 Damit will sich die UN der privaten Unternehmenswelt öffnen und eine Form der Zusammenarbeit installieren, um eine stabilere und gerechtere wirtschaftliche Entwicklung auf den Weltmärkten zu erreichen und die weltweite wirtschaftliche Dynamik sozial abzufedern.333 Den Kern des Global Compact bilden mittlerweile zehn Prinzipien, die Unternehmen bei ihrer Tätigkeit berücksichtigen334 sollen.335 Der Global Compact ist ausdrücklich als ein freiwilliges Forum und Netzwerk konzipiert, aus dem sich keine Rechtspflichten für die teilnehmenden Unternehmen ergeben. Gemäß den Prinzipien eins und zwei sollen Unternehmen die völkerrechtlichen Menschenrechte beachten und sich nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligen. Nach den Prinzipien drei bis sechs sind Unternehmen gehalten, elementare Rechte im Arbeitsbereich zu wahren: Anerkennung der Vereinigungsfreiheit und von Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Abschaffung der Zwangs- und of the Secretary General (SRSG) on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, UN Doc. A/HRC/035 vom 9.2.2007. 330 UN Doc. A/HRC/035, Ziff. 88. Die inhaltlichen Fesstellungen des Berichts werden an den entsprechenden Stellen in dieser Arbeit behandelt. 331 „Promotion and Protection of all Human Rights, Civil, Political, Economic, Social and Cultural Rights, Including the Right to Development, Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights“, Report of the Special Representative of the Secretary General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, UN Doc. A/HRC/8/5 vom 7.4.2008, Ziff. 51–81. 332 Öffentlich wurde der Global Compact in einer Rede Annans auf dem World Economic Forum 1999 in Davos vorgestellt; die Rede ist abgedruckt in der UNPresseerklärung, UN Doc. SG/SM/6881/Rev.1 vom 1.2.1999. 333 Kell/Levin, The Global Compact, An Historic Experiment, UN Chrinicle 2003/1, 64; v. Schorlemer, Der „Global Compact“ der Vereinten Nationen, S. 513, 516 f. 334 Die englischsprachige Broschüre zum Global Compact verwendet die Worte „embrace, support and enact“. 335 Die Prinzipien sind im Internet zu finden unter: http://www.unglobalcompact. org/AboutTheGC/TheTenPrinciples/index.html.

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Kinderarbeit und die Beachtung des Diskriminierungsverbots im Arbeitsverhältnis. Die verbleibenden Prinzipien (7–10) betreffen den Umweltschutz und die Verhinderung der Korruption. Grundlage dieser Prinzipien bilden die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die ILO-Erklärung über fundamentale Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, die Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung und die UN-Konvention gegen Korruption. Am Global Compact nehmen mittlerweile über 3700 Unternehmen und eine ganze Anzahl von NGOs teil, so daß die Gesamtzahl der Teilnehmer fast 5000 erreicht hat.336 Die teilnehmenden Unternehmen sollen einmal im Jahr einen Bericht über ihre Maßnahmen zur Verwirklichung der Prinzipien veröffentlichen (Communication on Progress).337 Durch eine interne Strukturreform338 des Global Compact im Jahre 2005 wurde auch eine Beschwerdemöglichkeit für jedermann geschaffen, falls ein teilnehmendes Unternehmen systematisch oder schwerwiegend gegen die Prinzipien des Global Compact verstößt. Falls das betreffende Unternehmen nicht in einen Dialog über die erhobenen Vorwürfe eintritt, kann es als „nicht-kommunizierend“ auf der Internetseite des Global Compact geführt werden. Schlimmstenfalls kann es aus der Teilnehmerliste gestrichen werden.339 (3) OECD-Leitsätze Die im Rahmen der OECD verabschiedeten Leitsätze für multinationale Unternehmen340 (Guidelines for Multinational Enterprises) sind als Empfehlungen der OECD-Mitgliedstaaten an die in oder von ihrem Gebiet operierenden multinationalen Unternehmen zu verstehen.341 Die Leitsätze sol336

http://www.unglobalcompact.org/ParticipantsAndStakeholders/index.html. Siehe dazu das GC Paper „Policy for ‚Communication on Progreß‘“, http:// www.unglobalcompact.org/docs/communication_on_progress/COP_Policy.pdf. Für eine beispielhafte Analyse der Umsetzung des Global Compacts innerhalb eines Unternehmens siehe Tavis, Novartis and the U. N. Global Compact, 36 Vand. J. Transnat’l L. 735 ff. (2003). 338 Siehe Einzelheiten dazu bei Nowrot, The New Governance Structure of the Global Compact, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, 47 (2005), 17–30. 339 GC-Paper „The Global Compact’s Next Phase“, Attachment 1, „Note on Integrity Measures“, Nr. 4 „Allegations of Systematic or Egregius Abuses“, http:// www.unglobalcompact.org/docs/about_the_gc/2.3/gc_gov_framew.pdf. 340 Die Leitsätze sind im Anhang der OECD-Erklärung über internationale Investitionen und multinationale Unternehmen (Declaration on International Investment and Multinational Enterprises) enthalten, OECD Doc. DAFFE/IME(2000)20 vom 9.11.2000, Annex 1. Deutscher Text unter http://www.oecd.org/dataoecd/56/40/ 1922480.pdf. 341 Der empfehlende Charakter der Leitsätze ergibt sich aus Punkt I. der Erklärung, Nr. 1 der Einleitung und Nr. 1 von Kapitel I. der Leitsätze selbst. 337

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len erreichen, „daß die Aktivitäten multinationaler Unternehmen im Einklang mit den staatlichen Politiken stehen, die Vertrauensbasis zwischen den Unternehmen und dem Gastland gestärkt, das Klima für ausländische Investitionen verbessert und der Beitrag der multinationalen Unternehmen zur nachhaltigen Entwicklung gesteigert werden.“ Die ursprüngliche Version der Leitsätze stammt von 1976.342 Einen ausdrücklichen menschenrechtlichen Bezug hatte diese Version noch nicht. Allerdings enthielt sie schon die Empfehlung für Unternehmen, sich an wichtige arbeitsrechtliche Mindeststandards zu halten.343 Durch eine Revision im Jahr 2000 wurde die Empfehlung eingefügt, daß sich multinationale Unternehmen an diejenigen menschenrechtlichen Verpflichtungen halten sollen, die völkerrechtlich für die Staaten verbindlich sind, in denen sich die Unternehmen betätigen.344 Im Arbeitsbereich wurden die Leitsätze mit dem Verbot der Kinderund der Zwangsarbeit ergänzt.345 Gemäß einer Entscheidung des OECD-Rates müssen die Mitgliedstaaten sogenannte Nationale Kontaktstellen (National Contact Point, NCP) für die Leitsätze einrichten. Neben der allgemeinen Förderung ihrer Anwendung sind die NCPs auch zuständig „zur Lösung von Problemen bei(zu)tragen, die sich bei der Umsetzung der Leitsätze in besonderen Fällen ergeben.“ Mit dieser verklausulierten Formulierung ist gemeint, daß man sich über die Nichteinhaltung der Leitsätze durch ein multinationales Unternehmen beschweren kann und der betreffende NCP dann eine gütliche Einigung zwischen den Parteien herbeiführen soll. Wenn keine Einigung erzielt werden kann, soll der NCP eine Erklärung abgeben und nötigenfalls Vorschläge zur Umsetzung der Leitsätze machen. Bisher wurden über 130 solche Verfahren vor den NCPs eingeleitet.346 (4) ILO Tripartite Declaration Die von der ILO 1977 verabschiedete Dreigliedrige Grundsatzerklärung über Multinationale Unternehmen und Sozialpolitik347 (Tripartite Declara342 Text abgedruckt in: Horn (Hrsg.), Legal Problems of Codes of Conduct for Multinational Enterprises, S. 454–461. 343 Siehe dazu das Kapitel „Employment and Industrial Relations“ der Leitsätze von 1976. 344 II. General Policies, Nr. 2. 345 IV. Employment and Industrial Relations, Nr. 1, lit. b u. c. 346 Siehe dazu die jüngste Übersicht der OECD, Specific Instances Considered by National Contact Points vom 14.9.2007, http://www.oecd.org/dataoecd/15/43/ 33914891.pdf. 347 Die neueste Version der Erklärung wurde 2006 verabschiedet, http://www.ilo. org/public/english/employment/multi/download/declaration2006.pdf.

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tion of Principles concerning Multinational Enterprises and Social Policy) richtet sich grundsätzlich an multinationale Unternehmen, aber auch an Regierungen, sowie an Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände.348 Einige wenige Bestimmungen richten sich aber auch an rein nationale Unternehmen.349 Den Schwerpunkt der Empfehlungen bilden die grundlegenden arbeitsrechtlichen Normen, wie sie in den entsprechenden ILO-Konventionen und Empfehlungen festgehalten sind.350 Die ILO-Erklärung enthält aber auch die Empfehlung an die multinationalen Unternehmen, sich an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und an die entsprechenden UNMenschenrechtsverträge zu halten.351 Anders als bei den Arbeitsnormen wird diese Empfehlung aber nicht näher inhaltlich ausgestaltet. Auch für die ILO-Erklärung existiert eine Art Beschwerdeverfahren. Das Verfahren ist darauf gerichtet, „die Bestimmungen der Erklärung auszulegen, wenn dies erforderlich ist, um eine sich aufgrund einer konkreten Situation ergebende Meinungsverschiedenheit über ihre Bedeutung zwischen den Parteien, an die sich die Erklärung richtet, beizulegen“.352 An der Auslegung der Erklärung sind dann mehrere ILO-Organe beteiligt und das Ergebnis wird gegebenenfalls im Official Bulletin der ILO veröffentlicht.353 Bisher wurden aber nur in fünf Verfahren Auslegungsantworten durch das zuständige Organ verabschiedet.354 (5) Zusammenfassung Die bisher entstandenen unverbindlichen Instrumente zeigen, daß den Staaten und der Völkerrechtsgemeinschaft durchaus die negativen Auswirkungen, die private Unternehmen auf die Verwirklichung der Menschenrechte haben können, bewußt sind. Deshalb wird auch die Empfehlung an die Unternehmen ausgesprochen, sich an die Menschenrechte und die grundlegenden Arbeitsnormen zu halten. Zu einem speziellen Instrument, das auf der Völkerrechtsebene Unternehmen an die Menschenrechte bindet, 348

Nr. 4 der Erklärung. Siehe Nr. 36, 42, 58 und 59 der Erklärung. 350 Im Annex und im Addendum I zur ILO-Erklärung sind die entsprechenden Instrumente aufgelistet. 351 Nr. 8 der Erklärung. 352 Nr. 1 der Verfahrensregeln, Procedure for the Examination of Disputes Concerning the Application of the Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy by Means of Interpretation of its Provisions, ILO-Official Bulletin 1986, Vol. LXIX, Series A, No. 3, pp. 196–197. 353 Nr. 9 der Verfahrensregeln. 354 Siehe dazu die Übersicht unter http://www.ilo.org/public/english/employ ment/multi/tripartite/cases.htm. 349

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konnte sich die Völkerrechtsgemeinschaft aber noch nicht durchringen. Deutlich wird auch, daß ein besonderes Augenmerk auf den multinationalen Unternehmen liegt. Entsprechend dem Empfehlungscharakter des Global Compact, der OECD-Leitsätze und der ILO-Erklärung sind auch die Überprüfungsmöglichkeiten äußerst schwach und unverbindlich ausgestaltet. cc) Menschenrechtliche Verträge Eine ausdrückliche und generelle Norm, die Private unmittelbar zu direkten Verpflichteten der Menschenrechte macht, enthalten die völkerrechtlichen Verträge nicht. Allerdings lassen einige Sätze der Präambeln und Normen der operativen Vertragsteile Spielraum für Interpretation. Im folgenden soll deshalb untersucht werden, ob die menschenrechtlichen Verträge Hinweise auf eine unmittelbare Bindung Privater bereithalten. (1) Präambeln der beiden UN-Pakte Die rechtliche Verbindlichkeit eines völkerrechtlichen Vertrages erstreckt sich auch auf seine Präambel.355 Meistens enthalten die Präambeln aber keine materiellen Bestimmungen, sondern Motive und Hintergrundinformationen zu dem jeweiligen Vertrag.356 Der IGH hat aber betont, daß die Präambel bei der teleologischen Auslegung des operativen Vertragsteils berücksichtigt werden muß.357 Aus Art. 31 II des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge358 (WVRK) ergibt sich mittlerweile, daß die Präambel für die systematische Auslegung eines Vertrages heranzuziehen ist.359 Das WVRK ist zwar gemäß seines Art. 4 nicht auf die beiden UN-Pakte anwendbar, da sie vor dem In-Kraft-Treten der Wiener Vertragsrechtskonvention geschlossen wurden. Man kann aber davon ausgehen, daß Art. 31 WVRK schon existierendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert hat.360 Die materiellen Bestimmungen des IPBPR und des IPWSKR sind also auch im Lichte ihrer Präambeln zu betrachten. 355

Vgl. Köck, Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention, S. 29 f. Fitzmaurice, The Law and Procedure of the International Court of Justice 1951-4, BYIL 33 (1957), 203, 227. 357 Siehe dazu schon Case Concerning Rights of Nationals of The United States of America in Morocco (France v. United States of America) ICJ Rep. 1952, 176, 196 und Asylum Case (Colombia/Peru) ICJ Rep. 1950, 266, 282. 358 BGBl. 1985 II, S. 927. 359 Siehe eingehender dazu Kotzur, Theorieelemente des internationalen Menschenrechtsschutzes, S. 103–108. 360 Vitzthum, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 62, Rz. 123. 356

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Die Aussage des Art. 29 I AEMR, daß der einzelne Pflichten gegenüber der Gemeinschaft hat, wurde in die Präambeln des IPBPR und des IPWSKR aufgenommen (jeweiliger Abs. V). Im gleichen Absatz wird dann hinzugefügt, daß der einzelne „gehalten ist, für die Förderung und Achtung der in diesem Pakt anerkannten Rechte einzutreten“. Im authentischen englischen Wortlaut heißt es, „the individual . . . is under a responsibility to strive for the promotion and observance of the rights recognized in the . . . Covenant.“ Der einzelne hat also nur die Verantwortung, sich um die Beachtung der Konventionsrechte zu bemühen (to strive). Dies bedeutet keine rechtliche Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte.361 Auch der Begriff responsibility muß nicht unbedingt eine rechtliche Verpflichtung bedeuten. Er wird auch im Sinne einer außerrechtlichen Verpflichtung gebraucht.362 Paust allerdings sieht diese Präambelbestimmung als eine rechtliche Verpflichtung des Individuums an, die Menschenrechte nicht zu verletzen.363 Er setzt sich jedoch nicht näher mit dem Wortlaut dieser Präambelbestimmung auseinander und geht auch nicht auf die Eigenarten einer Präambel ein. Insbesondere erklärt er nicht, wie aus einem Bemühensgebot eine strikte rechtliche Bindung entstehen kann. Man muß hier also von demselben Bedeutungsgehalt ausgehen, wie er schon oben bei der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erörtert wurde. Demnach verweist also der jeweilige Abs. V der Präambeln für sich genommen auf moralische und ethische Pflichten, aber nicht auf rechtliche. Auch die Aufnahme in einen rechtsverbindlichen Vertrag ändert nichts an der Unbestimmtheit des Satzes, zumal in einer Präambel, wie bereits ausgeführt, für gewöhnlich keine operativen Normen aufgenommen werden. Auch ist es schwer zu begründen, warum sich im Zusammenspiel der Präambel mit Normen der operativen Vertragsteile eine menschenrechtliche Verpflichtung des einzelnen ergeben soll. Wenn ein menschenrechtlicher Vertrag in seinem operativen Teil eine ausdrückliche Norm enthält, die Private an die Menschenrechte bindet, dann muß nicht mehr auf die Präambel Bezug genommen werden. Sind die Bestimmungen des operativen Teils in dieser Hinsicht aber unklar, wird diese für eine rechtliche Bindung zu vage Präambelbestimmung auch nicht für mehr Klarheit sorgen.

361 Vgl. Forde, Non-Governmental Interferences with Human Rights, BYIL 56 (1985), 253, 263 f. 362 Siehe dazu unten B.IV.1.e)ee). 363 Paust, Human Rights Responsibilities of Private Corporations, 35 Vand. J. Transnat’l L. 801, 813 (2002).

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(2) Beschwerdemöglichkeit In Art. 2 III, lit. a IPBPR, Art. 13 EMRK und Art. 25 I AMRK werden die Vertragparteien verpflichtet, dem einzelnen eine Beschwerdemöglichkeit bei Konventionsverletzungen einzuräumen, auch wenn die Verletzungen von Personen begangen wurden, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben. Daraus folgern einige Stimmen in der Literatur, daß im Umkehrschluß diese Beschwerdemöglichkeiten auch gegeben sein müssen, wenn Private die Menschenrechte verletzt haben, woraus sich wiederum zwingend eine Bindung Privater an die in den Verträgen festgelegten materiellen Menschenrechte ergeben soll.364 Es ist durchaus möglich, von der Regelung einer Beschwerdemöglichkeit auf das Vorhandensein materieller Rechte oder Pflichten zu schließen. So ergibt sich zum Beispiel aus Art. 34 EMRK, der neben natürlichen Personen auch nichtstaatlichen Organisationen das Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einräumt, daß diese Organisationen auch materiell Träger der für sie anwendbaren EMRK-Rechte sind.365 Allerdings ist doch sehr fraglich, ob aus den hier in Rede stehenden Normen unbedingt zwingend eine völkerrechtliche Pflichtenstellung Privater folgt. Selbst wenn man annimmt, daß diese Vorschriften auch Beschwerdemöglichkeiten gegen private faktische Menschenrechtsverletzungen verlangen, bedeutet dies nicht automatisch, daß deshalb Private auch unmittelbar an die menschenrechtlichen Gewährleistungen aus diesen Verträgen gebunden sein müssen. Um der Bestimmung Folge zu leisten, genügt es ja, die materiellrechtlichen Bindungen durch das innerstaatliche Recht herbeizuführen und gegen diese Verletzungen dem einzelnen ein Rechtsmittel einzuräumen. Dies läßt sich problemlos in das System der oben366 dargestellten staatlichen Schutzpflichten integrieren, nach dem der Staat verpflichtet ist, private faktische Verletzungen der Menschenrechte nach Möglichkeit zu verhindern. Demnach ist es keineswegs so, daß aus der staatlichen Verpflichtung eine Beschwerdemöglichkeit des Bürgers für Menschenrechtsverletzungen durch Private zu schaffen, zwingend eine materiellrechtliche Bindung des einzelnen an eben diese Menschenrechte folgt. Allerdings kann dieses prozessuale Recht als Argument für die Erstreckung der Menschenrechte auf private faktische Verletzungen und damit für die Schutzpflicht des Staates herangezogen werden.367 364 So für die EMRK Eissen, Duties of the Individual, Nordisk Tidsskrift for Internationale Ret 32 (1962), 230, 236 f.; Moser, Menschenrechtskonvention, S. 106 ff.; nicht eindeutig im Sinne einer unmittelbaren Bindung Privater v. Weber, Die strafrechtliche Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention, ZStW 65 (1953), 334, 340 f. 365 Grabenwarter, EMRK, S. 51, Rz. 8, 102, Rz. 5. 366 B.IV.1.c).

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Ein weiteres Argument gegen die zwingende Annahme einer privaten Bindung an die Menschenrechte aus den genannten Artikeln ergibt sich aus dem authentischen englischen Wortlaut dieser Vorschriften. Die oben wiedergegebene deutsche Übersetzung ist an den französischen Vertragswortlaut angelehnt, der den letzten Teilsatz bezüglich der in amtlicher Eigenschaft handelnden Personen mit „alors même que“ einleitet. Dies kann so interpretiert werden, daß die Verletzung der Rechte durch einen Amtsträger nur einen möglichen Fall und nicht unbedingt den Regelfall darstellt.368 Im Gegensatz dazu beginnt die englische Version den Halbsatz mit dem Wort „notwithstanding“. Dies muß im Deutschen eher mit „trotzdem . . .“ oder „unbeschadet der Tatsache, daß ein Amtsträger gehandelt hat“ übersetzt werden.369 Dieser Unterschied der englischen Sprachversion läßt sich damit erklären, daß im angelsächsischen Recht der Staat nur eingeschränkt für seine Amtsträger haftet. Die Verwendung des Wortes „notwithstanding“ in der Norm soll also vielmehr bekräftigen, daß der einzelne ein Rechtsmittel bei staatlichen Menschenrechtsverletzungen hat.370 Die bisherige Betrachtung hat ergeben, daß Art. 2 III, lit. a IPBPR, Art. 13 EMRK und Art. 25 I AMRK nicht im Sinne einer materiellrechtlichen Bindung Privater ausgelegt werden muß, da noch eine andere Interpretationsmöglichkeit vorhanden ist. Der unklare Wortlaut dieser Normen schließt eine Interpretation zugunsten menschenrechtlicher Bindungen Privater aber auch nicht aus. Zu welchem Ergebnis man schließlich gelangt, kann nicht aus der Norm selbst entschieden werden. (3) Auslegungsregel Die oben [B.IV.1.e)aa)(1)] schon erwähnte Auslegungsregel des Art. 30 AEMR hat Eingang in Art. 5 IPBPR, Art. 17 EMRK und Art. 29 lit. a AMRK gefunden. Danach haben private Akteure kein Recht, die in den Konventionen enthaltenen menschenrechtlichen Gewährleistungen zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Daraus folgern manche Stimmen in der Lite367

Vgl. in bezug auf den IPBPR Nowak, CCPR-Commentary, Art. 2, Rz. 20. Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 41. 369 Glatzel, Einwirkung der EMRK, S. 61; Guradze, Schutzrichtung der Grundrechtsnormen, S. 764; siehe zur Übersetzung z. B. auch Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache I, S. 531. 370 Guradze, Schutzrichtung der Grundrechtsnormen, S. 764; vgl. dazu auch Morvay, Entscheidungen nationaler Gerichte zu völkerrechtlichen Fragen, ZaöRV 21 (1961), 316, 319 f.; nach Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 41 soll dieser Bedeutungsunterschied in den authentischen Sprachversionen allerdings unbeachtlich sein, da menschenrechtliche Verträge zugunsten eines möglichst umfassenden Menschenrechtsschutzes auszulegen seien. 368

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ratur, daß damit eine eigene Pflicht Privater zur Einhaltung der Menschenrechte normiert ist.371 Warum aber aus dem Umstand, daß die in den Verträgen festgelegten Menschenrechte einem nicht das Recht geben, eben diese Rechte zu zerstören, schon sogleich eine entsprechende eigenständige Pflicht Privater folgen soll, wird von diesen Autoren nicht begründet. Sie folgern einfach aus dem Nicht-Vorhandensein eines Rechts eine Pflicht. Im Allgemeinen würde man annehmen, daß eine eigenständige Pflicht einer besonderen Normierung bedarf und nicht einfach aus der Versagung eines Rechts folgt. Die aus dieser Auslegungsregel folgende Versagung eines Rechts auf Einschränkung oder Beseitigung der Menschenrechte aktualisiert sich auch nur dann, wenn sich der Private auf die Menschenrechte beruft. Dies bedeutet, daß dem Einzelnen der Schutz der Menschenrechte versagt werden kann, wenn er gleichzeitig genau diese Menschenrechte zu zerstören trachtet.372 Man kann darin eine Pflicht sehen, seine Rechte nur in einer bestimmten Art und Weise auszuüben, nämlich so, daß die Rechte nicht beseitigt werden. Daraus folgt aber keine eigenständige Pflicht Privater zur Einhaltung der Menschenrechte.373 (4) Einzelne materielle Bestimmungen Bei den nun zu untersuchenden materiellen Bestimmungen kann man zwei Kategorien unterscheiden: solche die als Rechte formuliert sind und jene die nach ihrem Wortlaut von Pflichten sprechen. Natürlich geht es hier nur um solche Rechte, die auch zumindest faktisch von Privaten verletzt werden können. (a) Rechte (aa) Bürgerliche und politische Rechte Die meisten materiellen Gewährleistungen aus dem Bereich der bürgerlichen und politischen Rechte enthalten ausdrücklich das Wort Recht und sind aus dem Blickwinkel des Gewährleistungsinhabers formuliert. So ist 371 Paust, Human Rights Responsibilities of Private Corporations, 35 Vand. J. Transnat’l L. 801, 811–13 (2002); für die EMRK Moser, Menschenrechtskonvention, S. 106; offenlassend Eissen, Duties of the Individual, Nordisk Tidsskrift for Internationale Ret 32 (1962), 230, 235 f. 372 Glatzel, Einwirkung der EMRK, S. 63; Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 36; siehe dazu auch Clapham, Private Sphere, S. 184 ff. mit Verweisen auf die Rechtsprechung der damaligen Europäischen Kommission für Menschenrechte. 373 van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, European Convention, S. 31; vgl. Drzemczewski, Private Parties, NILR XXVI (1979), 163, 176.

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zum Beispiel in Art. 6 I 1 IPBPR formuliert, daß jeder Mensch ein angeborenes Recht auf Leben hat. Oder Gemäß Art. 10 I 1 EMRK besitzt jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung. Andere Gewährleistungen beschreiben das Verhalten, daß gegenüber dem Rechtsinhaber untersagt ist. Art. 7 IPBR bestimmt, daß niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Diese Art der Formulierung läßt den Verpflichteten offen. Aus der Zusammenschau mit den jeweiligen generellen Verpflichtungsnormen dieser Verträge374 ergibt sich, daß jedenfalls der Vertragsstaat unmittelbar an die Rechte gebunden ist [s. o. B.IV.1.a)]. Eine unmittelbare Bindung Privater an diese Rechte ist aber durch eine solche Formulierung auch nicht ausgeschlossen.375 Die generellen Verpflichtungsnormen besagen nicht, daß ausschließlich der Staat verpflichtet ist, die Rechte einzuhalten.376 (bb) Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rechte Etwas anders sind die Rechte im IPWSKR formuliert. Hier wird bei den einzelnen Gewährleistungen ausdrücklich der Staat als Verpflichteter genannt.377 Ganz ähnlich sind auch die materiellen Bestimmungen der Europäischen Sozialcharta378 (ESC) formuliert. Als weiteres Beispiel können hier auch die meisten Gewährleistungen der FrauenDisK genannt werden.379 Hier ist es schwerer zu argumentieren, daß auch Private direkt an diese Rechte gebunden sein sollen, da die staatliche Verpflichtung deutlicher ist. Völlig ausgeschlossen ist dies aber auch hier nicht. Genauso wie bei den Verträgen mit den generellen Verpflichtungsnormen besagt der IPSWKR und die ESC nicht, daß ausschließlich der Staat der Verpflichtete ist. (cc) Rechte aus ILO-Konventionen In derselben Weise sind auch die Gewährleistungen der im Rahmen der ILO ausgehandelten Verträge formuliert. Entweder sind die darin enthaltenen Rechte bezüglich des Verpflichteten neutral ausgestaltet380 oder die 374

Art. 2 IPBPR, Art. 1 EMRK, Art. 1 AMRK, Art. 1 ACMR. Vgl. bezügl. der EMRK Glatzel, Einwirkung der EMRK, S. 60. 376 Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 33. 377 Art. 6–13, 15 IPWSKR: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht auf . . . an.“ oder „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, folgende Rechte zu gewährleisten.“ 378 Vom 18.10.1961, BGBl. 1964 II, S. 1262; revidierte Fassung vom 5.3.1996 (European Treaty Series No. 163), allerdings noch nicht in Kraft für Deutschland. 379 Art. 2–16 FrauenDisK. 380 Z. B. Art. 2, 3, 5 ILO-Übereinkommen Nr. 87 (s. o. Fn. 176). 375

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Vertragsstaaten werden ausdrücklich durch den Text der einzelnen Gewährleistung verpflichtet381. In der schon erwähnten amerikanischen Entscheidung Presbyterian Church of Sudan v. Talisman geht der zuständige USDistrict Court offensichtlich davon aus, daß Art. 1 I der ILO-Konvention Nr. 98382 Unternehmen direkt bindet. Nach dieser Bestimmung sind Arbeiter in ihrem Arbeitsverhältnis vor Diskriminierungen aufgrund ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit zu schützen. Das Gericht stützt sich dabei auf Ausführungen von Ratner in seinem Aufsatz über Unternehmen und Menschenrechte.383 Ratner führt darin aber bezüglich dieser Bestimmung nur aus, daß die Verwirklichung dieses Rechts eine Verpflichtung des Unternehmens als Arbeitgeber voraussetzt.384 Daraus wird aber nicht ganz klar, ob er damit die klassische Schutzpflichtenkonstellation meint oder tatsächlich von einer direkten Bindung des privaten Arbeitgebers durch die Konventionsbestimmung selbst ausgeht. Zweifellos wird der Vertragsstaat durch diese Konventionsbestimmung verpflichtet, in seinem nationalen Recht entsprechende Schutzvorschriften zu schaffen. Aus dem Wortlaut alleine ergibt sich aber noch keine eindeutige Bindung des privaten Arbeitgebers. (b) Sklavereiverbot Die Formulierung des Rechts, nicht versklavt zu werden, folgt im IPBPR, in der AMRK und in der ACMR einem anderen Muster. In diesen Verträgen wird wörtlich festgehalten, daß die Sklaverei verboten ist.385 Es bedarf einer gesonderten Untersuchung, ob sich daraus eine völkerrechtliche Verpflichtung Privater ergibt. (aa) Definition Der Begriff der Sklaverei wird in den genannten Konventionen nicht näher definiert. Man kann aber auf die Definition in Art. 1, Nr. 1 der Sklavereikonvention von 1926386 zurückgreifen.387 Danach bedeutet Sklaverei im authentischen englischen Vertragswortlaut „the status or condition of a person over whom any or all of the powers attaching to the right of ownership 381

Z. B. Art. 2 ILO-Übereinkommen Nr. 100 (s. o. Fn. 176). s. o. Fn. 176. 383 244 F.Supp.2d 289, 317 (S. D. N. Y. 2003). 384 Ratner, Corporations and Human Rights, 111 Yale L. J. 443, 478-79 (2001). 385 Art. 8 I IPBPR, Art. 6 I AMRK, Art. 5 ACMR. 386 Slavery Convention (Übereinkommen über Sklaverei) vom 25.9.1926 in der Fassung des Änderungsprotokoll vom 7.12.1953 (BGBl. 1972 II, 1473). 387 Nowak, CCPR-Commentary, Art. 8, Rz. 10; Tretter, Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung der internationalen Sklavereiverbote, S. 568. 382

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are exercised.“388 Bei dem Konzept der Sklaverei geht es also um die Beherrschung eines Menschen durch eine andere Person. Nach dieser Definition ist ein Sklave ein Mensch, der zu einer Sache herabgestuft wurde und an der man Befugnisse eines Eigentümers ausübt.389 (bb) Sklaverei als Rechtsinstitution und faktische Sklaverei Für die vorliegende Fragestellung entscheidend ist nun, ob diese Definition Sklaverei nur dann erfaßt, wenn im nationalen Recht eines Staates Eigentumsrechte am Menschen vorgesehen sind oder ob sie sich nicht auch auf faktische Beherrschungsverhältnisse bezieht. Wenn Sklaverei nur existieren kann, soweit das staatliche Recht dies vorsieht, dann könnte der Staat das Sklavereiverbot einfach dadurch erfüllen, daß er die betreffenden Rechtssätze aus seiner nationalen Rechtsordnung beseitigt. Sklaverei könnte es dann in diesem Staat gar nicht mehr geben. Eine unmittelbare Bindung Privater an das Verbot wäre in diesem Fall nicht zu begründen, da es sich ausschließlich an den Staat richten würde.390 Kann hingegen Sklaverei auch ohne Sanktionierung im staatlichen Recht existieren, erscheint eine private Bindung als möglich. Wie die Sklavereidefinition verstanden werden muß, ist durchaus nicht klar. In einem Bericht an den Wirtschafts- und Sozialrat von 1953 ging der damalige UN-Generalsekretär offensichtlich davon aus, daß das Verständnis der Sklaverei, das der Konvention von 1926 zu Grunde liegt, jedenfalls die rechtliche Eigentümerstellung über den Sklaven beinhaltet.391 Diese klassische Form, die im Englischen mit chattel slavery bezeichnet wird392, scheint auch bei den Diskussionen in der UN, die zur Formulierung des Art. 8 IPBPR geführt haben, eine Rolle gespielt zu haben. Dort wurde ausgeführt, daß der Begriff slavery gegenüber dem Begriff servitude in Art. 8 II IPBPR eine engere, technische Bedeutung habe und die Zerstörung der Rechtsfähigkeit eines Menschen bedeute.393 Man könnte daraus folgern, 388 Entsprechend definiert der authentische französische Vertragstext Sklaverei als „l’état ou condition d’un individu sur lequel s’exercent les attributs du droit de propriété ou certains d’entre eux.“ 389 Vgl. Tretter, Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung der internationalen Sklavereiverbote, S. 531. 390 Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 22. 391 Report of the Secretary General, Slavery, the Slave Trade, and Other Forms of Servitude, UN Doc. E/2357 (1953), Ziff. 36, Fn. 1; darin werden in 6 Punkten die wesentlichen Charakteristika der Sklaverei festgehalten. 392 Lassen, Slavery and Slavery-Like Practices, NJIL 1988, 197, 205. 393 Bossuyt, Guide to ICCPR, S. 164, 167; Nowak, CCPR Commentary, Art. 8, Rz. 9.

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daß Sklaverei nur ein Rechtsstatus sein kann und keine faktischen Beherrschungsverhältnisse umfaßt.394 Auch bezogen auf Art. 4 EMRK wird teilweise von einem solchen Verständnis ausgegangen.395 Diese Sichtweise mag ursprünglich der Sklavereikonvention von 1926 zu Grunde gelegen haben. Eine Analyse der Sklavereidefinition und der internationalen Praxis kommt aber zumindest heute zu einem anderen Ergebnis. Der authentische englische Wortlaut der Sklavereikonvention von 1926 spricht von dem „status or condition“ einer Person, an der Eigentumsrechte ausgeübt werden. Es liegt nahe, daß in dieser Definition „status“ und „condition“ jeweils etwas Unterschiedliches bedeuten, sonst wären nicht zwei Begriffe verwendet worden. In der englischen Rechtssprache deutet „status“ auf die rechtliche Stellung einer Person hin396, wohingegen bei dem Wort „condition“ die tatsächliche Lage oder der tatsächliche Zustand einer Sache oder Person im Vordergrund steht397. Die beiden in der authentischen französischen Version verwendeten Wörter „l’état“ und „condition“ werden dagegen mit beiden Bedeutungsgehalten verwendet.398 Da aber beide Begriffe verwendet werden, kann man davon ausgehen, daß einer die Rechtsstellung und der andere die tatsächliche Stellung der Person meint, ohne daß man diese unterschiedliche Bedeutung den beiden Wörtern genau zuordnen müßte. Entsprechend werden diese beiden Begriffe aus Art. 1 I Sklavereikonvention 1926 in der zwar nicht authentischen, aber doch amtlichen deutschen Übersetzung mit „Rechtsstellung oder Lage“ wiedergegeben399. Die Definition spricht auch nicht davon, daß der Sklave im Eigentum eines anderen stehen muß, sondern lediglich davon, daß Befugnisse, die mit dem Eigentumsrecht verbunden sind, ausgeübt werden. Darauf weist ein Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien hin. Der Gerichtshof hatte in dem Fall darüber zu befin394 Von einem solchen Verständnis geht offenbar Bülck, Die Zwangsarbeit im Friedensvölkerrecht, S. 10 bezogen auf die Definition der Sklavereikonvention von 1926 aus. 395 van Dijk/van Hoof/van Rijn/Zwaak, European Convention, S. 444; widersprüchlich Ovey/White, ECHR, S. 111, einerseits soll Sklaverei nur bei „legal ownership“ gegeben sein, andererseits soll aber zwischen Sklaverei und servitude ein gradueller Unterschied bestehen. 396 Black, Black’s Law Dictionary, Eintrag „status“, S. 1410; Dietl/Lorenz, Wörterbuch Recht, Wirtschaft, Politik I, Eintrag „status“, S. 793; Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache I, Eintrag „status“, S. 769. 397 Vgl. Dietl/Lorenz, Wörterbuch Recht, Wirtschaft, Politik I, Eintrag „condition 2“, S. 152; Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache I, Eintrag „condition II“, S. 161. 398 Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache I, Eintrag „état“, S. 308 und Eintrag „condition 1“, S. 159. 399 BGBl. 1972 II, 1474.

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den, ob die Angeklagten ihre Opfer versklavt (enslavement) hatten. Nach Art. 5 lit. c seines Statuts400 ist die Versklavung eine Erscheinungsform des Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Für die Auslegung des Begriffes „Versklavung“ griffen sowohl die erstinstanzliche als auch die Berufungskammer auf die Definition aus der Sklavereikonvention von 1926 zurück.401 Die Berufungskammer merkte dabei an, daß es in der Rechtsordnung gar kein Eigentumsrecht am Menschen gäbe und daß die Definition der Sklavereikonvention auch diesbezüglich vorsichtiger formuliere.402 Richtigerweise muß man sagen, daß es mittlerweile wohl in keiner staatlichen Rechtsordnung ein Eigentumsrecht am Menschen gibt oder ein solches offiziell anerkannt wird. In der Blütezeit des transatlantischen Sklavenhandels und auch danach war das allerdings anders. So hat zum Beispiel das US-amerikanische Recht bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vor der Einfügung des 13. Verfassungszusatzes403 das Eigentum an Sklaven anerkannt.404 Die erstinstanzliche Kammer des Jugoslawientribunals verurteilte dann auch zwei der Angeklagten wegen Versklavung, weil sie ihre Opfer, zwei Mädchen, faktisch wie ihr Eigentum behandelt hatten.405 Mittlerweile greift auch das ICC-Statut in Art. 7 II, lit. c auf die Sklavereidefinition aus der Konvention von 1926 zurück, um den Begriff der Versklavung näher auszugestalten.406 400 UN Doc. S/25704 Annex, angenommen durch Resolution des Sicherheitsrates S/RES/827 vom 25.5.1993, zuletzt geändert durch S/RES/1481 vom 19.5.2003. 401 Prosecutor v. Kunarac (IT-96-23-T & IT-96-23/1-T), TC Judgment, 22.2.2001, Ziff. 519, 539; Prosecutor v. Kunarac (IT-96-23-T & IT-96-23/1-T), AC Judgment, 12.6.2002, Ziff. 117. 402 Prosecutor v. Kunarac (IT-96-23-T & IT-96-23/1-T), AC Judgment, 12.6.2002, Ziff. 118. 403 U. S. Const. amend. XIII, in Kraft getreten am 6.12.1865; siehe zum geschichtlichen Hintergrund McKee, Modern-Day Slavery, 55 Cath. U. L. Rev. 141, 147–153 (2005). 404 Siehe z. B. den vom US-Supreme Court entschiedenen Fall Dred Scott v. Sandford, 60 U. S. 393, 395 (1856) („The Constitution of the United States recognizes slaves as property, and pledges the Federal Government to protect it.“), die Entscheidung des Supreme Court von Kalifornien In re Perkins, 2 Cal. 424, 439 (1852) („. . . still the Constitution of the United States recognizes a property in this class of persons . . .“) oder Supreme Court von North Carolina in State v. Hale, 9 N. C. 582 (2) (1823) („A wanton injury committed on a slave is a great provocation to the owner . . .“), siehe dazu auch Swartz, Codifying the Law of Slavery in North Carolina, 29 T. Marshall L. Rev. 285, 291, 295 (2004). 405 Prosecutor v. Kunarac (IT-96-23-T & IT-96-23/1-T), TC Judgment, 22.2.2001, Ziff. 728, 742, 781, 782. 406 Siehe dazu auch Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Criminal Law, S. 311 und Triffterer-Hall, Commentary ICC-Statute, Art. 7, Rz. 26–30 der aber die Definition aus der Sklavereikonvention von 1926 nach wie vor eng verstanden wissen will, unter den Begriff „enslavement“ aber auch faktische Beherrschungsverhältnisse faßt.

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Der Wortlaut der Definition legt demnach nahe, daß Sklaverei nicht nur auftreten kann, wenn das nationale Recht Eigentumsrechte an Menschen vorsieht, sondern auch ohne solche Rechtssätze, wenn Menschen andere Menschen so beherrschen, als ob sie faktisch in ihrem Eigentum stehen oder zumindest faktisch gewisse Eigentumsrechte ausgeübt werden407. Das ist dann natürlich immer mit der Ausübung von privater Gewalt verbunden.408 Dieses Ergebnis wird auch von einer weiteren Bestimmung der Sklavereikonvention von 1926 gestützt. Anders als die Menschenrechtspakte verbietet die Konvention die Sklaverei noch nicht an sich, sondern nur den Sklavenhandel (Art. 2, lit. a). Bezüglich der Sklaverei werden die Konventionsstaaten nach Art. 2, lit. b der Konvention lediglich verpflichtet „in zunehmendem Maße und sobald als möglich auf die vollständige Abschaffung . . . hinzuarbeiten.“ Wenn aber ein Staat die Sklaverei schon abgeschafft hat, dann verpflichtet ihn Art. 6, Verstöße gegen die dazu erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit schweren Strafen zu belegen. Wenn nun aber Sklaverei ohne entsprechendes staatliches Recht gar nicht existieren könnte, dann würde die Pflicht zur Strafbarmachung von vornherein sinnlos sein. Der Staat müßte lediglich seine interne Rechtsordnung so ausgestalten, daß Eigentumsrechte an anderen Menschen ausgeschlossen sind, um die Sklaverei abzuschaffen. Sklaverei könnte dann gar nicht mehr existieren. Wenn aber Art. 6 die Staaten zum Erlaß von Strafvorschriften verpflichtet, dann kann dies nur bedeuten, daß die Sklavereidefinition auch faktische Beherrschungsverhältnisse erfaßt, selbst wenn im nationalen Recht Eigentumsrechte an Menschen nicht vorgesehen sind. (cc) Fälle aus der Praxis Einen Hinweis auf ein erweitertes Verständnis von Sklaverei gibt auch die Praxis der Vereinten Nationen. Die Republik Mauretanien hatte erst Anfang der 1980er Jahre die Sklaverei de jure mittels zweier Dekrete abgeschafft.409 Dennoch wurden Vorwürfe erhoben, wonach weiterhin Sklaverei de facto ausgeübt werde.410 Daraufhin beschloß die damalige Unterkommis407 Vgl. Rassam, Contemporary Forms of Slavery, 39 Va. J. Int’l L. 303, 320 (1999); siehe auch Tretter, Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung der internationalen Sklavereiverbote, S. 528; für die EMRK Grote/Marauhn-Marauhn, EMRK/ GG, S. 538. 408 Rassam, International Law and Contemporary Forms of Slavery, 23 Penn St. Int’l Rev. 809, 815, 817 (2005). Weissbrodt/Anti-Slavery International, Contemporary Forms of Slavery, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2000/3, S. 7 Nr. 20. 409 Dekrete der Mauretanischen Regierung vom 5.7.1980 und vom 9.11.1981, abgedruckt in: UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1984/23, Annex IV und V vom 2.7.1984.

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sion zur Verhütung von Diskriminierung und zum Schutz von Minderheiten (Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities, mittlerweile Sub-Commission for the Promotion and Protection of Human Rights) eine Untersuchungsdelegation (Fact-finding-Mission) in den Staat zu entsenden, um festzustellen, ob tatsächlich weiterhin Sklaverei und sklavereiähnliche Praktiken ausgeübt werden.411 In seinem Abschlußbericht kommt der Berichterstatter zu dem Schluß, daß in einigen entlegenen Landesteilen de facto Sklaverei durchaus noch existieren könnte.412 Selbst noch 1998 hat die schwedische Einwanderungsbehörde im Falle eines mauretanischen Asylbewerbers konstatiert, daß immer noch Sklaverei in Teilen Mauretaniens existiert.413 Als ein weiteres Beispiel kann hier der Sudan angeführt werden. Obwohl Sudan 1924 offiziell die Sklaverei abgeschafft hatte und in der Verfassung von 1998 die Freiheit von Sklaverei als ein Menschenrecht formuliert wurde414, gab es in jüngster Zeit immer wieder Berichte über dennoch existierende Sklaverei in dem von einem Bürgerkrieg erschütterten Land415. Im Dezember 2001 vereinbarten die beiden Bürgerkriegsparteien den Besuch einer sogenannten „International Eminent Persons Group“ unter amerikanischer Führung zuzulassen, die unter anderem untersuchen sollte, ob es immer noch Sklaverei im Sudan gibt.416 Die Expertengruppe stellte in ihrem Abschlußbericht fest, daß sie auf einige Fälle von Sklaverei in dem Land gestoßen ist,417 obwohl Sudan die Sklaverei offiziell abgeschafft hatte. Dabei legte sie die Definition aus der Sklavereikonvention von 1926 zugrunde.418 410

Den Vorwurf erhob die private Anti-Slavery-Society, die Konsultativstatus beim ECOSOC genießt. Siehe dazu UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1984/23, S. 2. 411 Resolutionen der Unterkommission 16 (XXXIV) vom 10.9.1981 und 1982/15 vom 7.9.1982. 412 UN Doc. E/CN.4/Sub.2/1984/23, S. 8, Rz. 39. 413 Dies kann man einem Entscheidung entnehmen in dem der EGMR die Klage des Asylbewerbers gegen Schweden als unzulässig abgewiesen hat, Ould Barar v. Sweden, Beschluß vom 19.1.1999, Appl. No. 42367/98, S. 2, 4. 414 Dygert, Eradicating Sudanese Slavery, 3 Regent J. Int’l L. 143, 149 (2005). 415 Siehe dazu z. B. den Bericht von der NGO Anti-Slavery International an die UN-Menschenrechtskommission vom Juni 2001, http://www.antislavery.org/ archive/submission/submission2001-Sudan.htm. 416 Report of the International Eminent Persons Group, Slavery, Abduction und Forced Servitude in Sudan vom 22.5.2002, S. 7, http://www.state.gov/documents/ organization/11951.pdf. 417 Report of the International Eminent Persons Group, Slavery, Abduction und Forced Servitude in Sudan vom 22.5.2002, S. 9, 10 (Finding 5), http://www.state. gov/documents/organization/11951.pdf. 418 Report of the International Eminent Persons Group, Slavery, Abduction und Forced Servitude in Sudan vom 22.5.2002, S. 9, 19, http://www.state.gov/ documents/organization/11951. pdf.

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Es sollte jetzt auch deutlich geworden sein, daß Sklaverei trotz ihrer offiziellen Abschaffung nach wie vor ausgeübt wird.419 Selbst Europa ist keineswegs frei davon. Dies bestätigt zum Beispiel eine Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von 2004 in der darauf hingewiesen wird, daß in Europa auch im 21. Jahrhundert Sklaverei existiert, obwohl sie vor langer Zeit offiziell abgeschafft wurde.420 Die Parlamentarische Versammlung bezog sich dabei besonders auf die Lage von Frauen, die aus dem Ausland nach Europa gelockt werden und dann unter unwürdigen Umständen als „Hausangestellte“ ohne entsprechenden Lohn arbeiten müssen. Ein weiterer Bereich, in dem heute Sklaverei auftritt, ist die Zwangsprostitution.421 Es gibt schätzungsweise gegenwärtig weltweit 27 Millionen Sklaven.422 Die ein Sklavereiverbot enthaltenden menschenrechtlichen Verträge verpflichten daher nicht nur die Vertragsstaaten, die Sklaverei aus ihrem nationalen Recht zu verbannen, sondern legen ihnen auch darüber hinausgehende Schutzpflichten auf423. (dd) Private als Haupttäter der Sklaverei Nach alledem kann hier festgestellt werden, daß der Begriff der Sklaverei in den genannten Menschenrechtsverträgen auch die faktische Sklaverei ohne Sanktionierung im staatlichen Recht umfaßt. Dies eröffnet die Möglichkeit einer privaten Bindung an das Sklavereiverbot, ohne daß dadurch allein schon eine Bindung festgestellt werden kann. Dazu muß hier noch ein anderer Umstand berücksichtigt werden. Die Sklaverei wurde und wird ganz überwiegend von Privatpersonen betrieben, weniger durch den Staat selbst.424 Vor diesem Hintergrund zielt die Formulierung in den eingangs 419

Siehe dazu auch McDougal/Lasswell/Chen, Human Rights and World Public Order, S. 480 f. m. w. N. und Trebilcock, Slavery, EPIL IV, S. 422, 426. 420 Empfehlung 1663 (2004) vom 22.6.2004, Rz. 1. 421 Hendriks, Modern Slavery and the Production of Consumer Goods in a Global Economy, 20 T. M. Cooley L. Rev. 431, 440–442 (2003). 422 Dodson, Slavery in the Twenty-First Century, UN Chronicle 3/2005, 28; die ILO schätzt, daß weltweit etwa 8,4 Millionen Kinder von den schwersten Formen von Kinderarbeit unter Einschluß von u. a. auch Sklaverei betroffen sind, International Labour Office, A Future Without Child Labour, Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work, International Labour Conference, 90th Session, 2002, Report I (B), S. 17, 31. 423 Für den IPBPR Nowak, CCPR Commentary, Art. 8, Rz. 6; für die EMRK siehe die Entscheidung des EGMR in Case of Siliadin v. France, Appl. No. 73316/ 01, Urteil vom 26.7.2005, Rz. 89, 112 wonach der Staat zum Schutz des einzelnen vor Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit geeignete Strafvorschriften erlassen muß. Siehe zur EMRK auch Szczekalla, Schutzpflichten, S. 907, insbesondere Fn. 2374, 2375.

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zitierten Menschenrechtsverträgen, daß die Sklaverei verboten ist, auch direkt auf die privaten Sklavenhalter. Wenn ein Verhalten, das fast ausschließlich von Privaten ausgeführt wird, durch eine Norm schlicht verboten wird, dann liegt es nahe, daß der Private auch direkt an dieses Verbot gebunden ist. Dem könnte man entgegenhalten, daß das private Verhalten doch schon ausreichend durch die Auferlegung der schon erwähnten staatlichen Schutzpflicht erfaßt ist, sozusagen in „bester“ völkerrechtlicher Tradition eine direkte Bindung Privater also gar nicht notwendig sei. Aber die Notwendigkeit einer direkten Bindung Privater ist hier nicht die entscheidende Frage, sondern was man aus der Formulierung des Sklavereiverbots entnehmen kann. Es würde einem natürlichen Textverständnis widersprechen, wollte man die so formulierten Sklavereiverbote nur an den Staat gerichtet ansehen, obwohl ganz überwiegend Private die Verletzer sind. Es wird ein ganz bestimmtes Verhalten verboten. Die Zielrichtung dieser Normen ist eine andere als die sonst übliche Ausgestaltung von Rechten, die aus der Sicht des Rechteinhabers formuliert sind. Das Sklavereiverbot schafft nicht nur eine Freiheitssphäre für den einzelnen, sondern beschränkt schon mit seinem Wortlaut die Handlungsmöglichkeiten des potentiellen Täters. Die Besonderheit der direkten Sklavereiverbote wird auch bei einem Vergleich mit denjenigen Menschenrechten deutlich, die den Staat ausdrücklich zu einem Tätigwerden verpflichten. So verpflichtet zum Beispiel Art. 6 I 1 IPBPR die Vertragsstaaten, das Recht jedes Menschen auf Leben gesetzlich zu schützen. Hier ist es schon sehr viel schwieriger eine direkte private Bindung zu begründen, denn diese muß ja erst durch den Staat in seinem internen Recht geschaffen werden. Bei den genannten Sklavereiverboten existiert aber das Verbot bereits in der Völkerrechtsnorm selbst. Eine weitere Überlegung soll dies hier untermauern. Nehmen wir einmal an, das Verfassungsrecht eines Vertragsstaates, zum Beispiel des IPBPR, ist so ausgestaltet, daß völkervertragsrechtliche Normen direkt innerstaatlich angewendet werden können425 und der Staat das Sklavereiverbot aus dem IPBPR nicht gesondert in nationales Recht umgesetzt hat. Nehmen wir nun an, daß ein Sklavereiopfer seinen Sklavenhalter vor einem innerstaatlichen Gericht auf Schadensersatz oder Unterlassung verklagt. Es wäre für den staatlichen Richter sehr schwer zu argumentieren, daß das Sklavereiverbot aus Art. 8 I IPBPR nicht direkt auf den Sklavenhalter angewendet werden kann, sein Verhalten nicht direkt an dieser Norm zu messen ist. Der Richter muß nur das in Art. 8 I IPBPR enthaltene Verbot anwenden, um die Unzu424 Jägers, Corporate Human Rights Obligations, S. 54; Nowak, CCPR Commentary, Art. 8, Rz. 5; Tretter, Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung der internationalen Sklavereiverbote, S. 529, 530. 425 So zum Beispiel in Deutschland gemäß der herrschenden Auslegung von Art. 59 GG.

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lässigkeit des Verhaltens des Beklagten festzustellen. Damit hätte der Richter den Sklavenhalter aber direkt an diese Norm gebunden. (ee) Parallele zur Formulierung der Koalitionsfreiheit in Art. 9 III GG Hier bietet sich auch eine Parallele zum deutschen Verfassungsrecht, konkreter zu dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG an. Zwar sollen hier nicht einfach verfassungsrechtliche Denkmodelle auf das Völkerrecht übertragen werden, doch die Problemlage ist hier die Gleiche. Es handelt sich um ein Grund-/Menschenrecht und es geht um die Frage einer direkten Bindung Privater. Art. 9 III 1 GG bestimmt, daß jeder das Recht hat, auf dem Arbeits- und Wirtschaftsgebiet Vereinigungen zu bilden. Nach Satz 2 von Art. 9 III GG sind Abreden, die dieses Recht einschränken oder behindern, nichtig und darauf gerichtete Maßnahmen rechtswidrig. Vom Wortlaut her ist diese Vorschrift ganz ähnlich wie die Sklavereiverbote formuliert. Ob ein Verhalten rechtswidrig oder verboten ist, macht vom materiellen Gehalt keinen Unterschied. Art. 9 III 2 GG geht zwar über ein reines Verbot hinaus, indem es eine konkrete Rechtsfolge, nämlich die Nichtigkeit von Verträgen, anordnet. Dies unterstreicht aber nur die Unzulässigkeit der Grundrechtseinschränkungen. Die Koalitionsfreiheit betrifft auch ganz überwiegend private Parteien. Zwar tritt auch in Deutschland der Staat als großer Arbeitgeber auf, dennoch bestehen die meisten Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft. Wenn nun Art. 9 III 2 GG die Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit solcher privater Abreden und Maßnahmen anordnet, dann bindet diese Vorschrift auch direkt die Privatrechtssubjekte. Deshalb wird Art. 9 III GG in der Rechtsprechung426 und der Verfassungslehre427 als ein Grundrecht angesehen, das ausnahmsweise unmittelbare Drittwirkung entfaltet. Nach alledem kann hier festgehalten werden, daß die genannten völkerrechtlichen Sklavereiverbote auch Private direkt binden, ohne daß man dazu schon eine allgemeine Bindung von Privaten an die völkerrechtlichen Menschenrechte aus den Verträgen annehmen müßte. (ff) Art. 4 I EMRK Eingangs wurden nur die Sklavereiartikel aus dem Internationalen Pakt, der Amerikanischen und der Afrikanischen Konvention zitiert, nicht jedoch 426

BVerfGE 57, 220, 245. Dreier-Bauer, GG, Art. 9, Rz. 88, 89; Maunz/Dürig-Scholz, GG, Art. 9, Rz. 171, 332; Sachs-Höfling, GG, Art. 9, Rz. 124; nicht klar zwischen unmittelbarer und mittelbarer Drittwirkung unterscheidend Schmidt-Bleibtreu-Kannengießer, GG, Art. 9, Rz. 29; Stern, Staatsrecht, III/1, S. 1570. 427

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Art. 4 I EMRK. Der Textteil dieser Norm ist anders formuliert, nämlich, daß „niemand (. . .) in Sklaverei und Leibeigenschaft gehalten werden (darf)“. Das macht zwar die Sklaverei auch unzulässig, ist aber nicht so scharf formuliert, wie das Verbot in den anderen Verträgen. Der Ausgangspunkt dieses Wortlauts ist wiederum der Rechteinhaber und nicht so sehr der Verpflichtete. Allerdings lautet die offizielle Überschrift von Art. 4 EMRK „Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit“. Wenn man nun die Überschrift zusammen mit Absatz 1 von Art. 4 liest, ergibt sich kein Unterschied zu den anderen Konventionen. Das Sklavereiverbot in der EMRK bindet demnach ebenfalls Privatpersonen. (gg) Umfang des Sklavereiverbots Welche unterschiedlichen Beherrschungsformen alle unter den Begriff der Sklaverei fallen ist bisher nicht ganz geklärt worden. Daß hier Unklarheiten bestehen, zeigt schon das Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken von 1956428. Diese Konvention verpflichtet in Art. 1 die Vertragsstaaten so schnell wie möglich sklavereiähnliche Praktiken wie unter anderem Schuldknechtschaft oder Leibeigenschaft abzuschaffen und zwar unabhängig davon, ob diese Praktiken unter den Sklavereibegriff aus der Sklavereikonvention von 1926 fallen. Den Personen, die das Zusatzabkommen von 1956 formuliert haben, war also selbst nicht klar, ob diese Praktiken schon unter die Sklavereidefinition fallen oder nicht. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen hier eine genaue Abgrenzung vorzunehmen. Es ist aber durchaus möglich, daß alle oder zumindest einige der in Art. 1 Zusatzabkommen 1956 genannten Praktiken Sklaverei darstellen. In diesem Fall werden diese Praktiken schon von den Sklavereiverboten der Menschenrechtsverträge erfaßt und binden auch unmittelbar Private. Es wurde schon kurz angesprochen, daß im IPBPR neben der Sklaverei auch servitude erfaßt wird. Das Gleiche gilt auch für die EMRK und die AMRK. Hier wurde bewußt der englische Begriff verwendet, denn die deutsche Übersetzung mit Leibeigenschaft dürfte zu eng sein.429 Jedenfalls für den IPBPR wird man sagen können, daß mit servitude zumindest die sklavereiähnlichen Praktiken, wie sie im Zusatzabkommen von 1956 aufgeführt sind, erfaßt werden sollen.430 In Art. 8 I IPBPR, Art. 6 I AMRK und Art. 5 ACMR wird neben der Sklaverei auch noch ausdrücklich der Sklavenhandel verboten. In Art. 4 428 429 430

BGBl. 1958 II, 205. Frowein/Peukert-Frowein, EMRK, Art. 4, Rz. 2. Nowak, CCPR Commentary, Art. 8, Rz. 13.

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EMRK fehlt eine ausdrückliche Erwähnung. Man wird aber sagen können, daß das Verbot der Sklaverei gleichzeitig auch den Sklavenhandel erfaßt. Denn wenn ein Mensch gehandelt wird, werden ja schon Befugnisse eines Eigentümers ausgeübt. Umgekehrt ist dies nicht der Fall. Ein Verbot des Sklavenhandels muß nicht gleichzeitig auch die Sklaverei verbieten. Das zeigt die Sklavereikonvention von 1926 deutlich, die in Art. 2 die Vertragsstaaten verpflichtet, den Sklavenhandel sofort zu unterbinden, die Sklaverei aber nur sobald als möglich abzuschaffen. (hh) Übertragung auf Unternehmen Sklaverei kann genauso im Rahmen eines Unternehmens wie auch durch eine Einzelperson betrieben werden. Irgendwelche Anhaltspunkte, die das Sklavereiverbot auf natürliche Personen beschränken könnte, existieren nicht. Die Sklavereiverbote binden deshalb auch Unternehmen als juristische Personen. (c) Verbot der Zwangsarbeit Hier muß noch auf das in den Menschenrechtsverträgen enthaltene Verbot der Zwangsarbeit431 eingegangen werden. (aa) Identität von Zwangsarbeit und Sklaverei? Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob Zwangsarbeit von der Sklavereidefinition erfaßt wird. Wäre dies der Fall, dann würde auch das Verbot der Zwangsarbeit an der Verpflichtungswirkung gegenüber Privaten des Sklavereiverbots teilnehmen, unabhängig davon, ob das in den Menschenrechtspakten enthaltene ausdrückliche Verbot der Zwangsarbeit selbst sich schon direkt an Private richtet. Die zitierten Menschenrechtsverträge enthalten keine Definition der Zwangsarbeit. Zur näheren Bestimmung des Begriffs kann man aber auf Art. 2 I des ILO-Übereinkommens über die Zwangsund Pflichtarbeit432 zurückgreifen.433 Danach ist Zwangsarbeit jede Arbeit, die unfreiwillig unter Androhung von Strafe geleistet wird. Das Zwangsarbeitsverbot kann auch faktisch von Privaten verletzt werden. Denn wenn schon ein Privater eine solche Macht über einen Menschen ausüben kann, 431 432

Art. 8 III a IPBPR, Art. 4 II EMRK und Art. 6 II AMRK. ILO-Übereinkommen Nr. 29 vom 28.6.1930, BGBl. 1956 II, 641 und 1963 II,

1136. 433 Nowak, CCPR Commentary, Art. 8, Rz. 15; Frowein/Peukert-Frowein, EMRK, Art. 4, Rz. 4; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 4, Rz. 2.

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daß er diesen versklavt, dann gilt dies erst recht auch für die Beherrschung zur Zwangsarbeit. Aus den Zwangsarbeitsverboten kann man deshalb auch eine staatliche Schutzpflicht folgern, private Beeinträchtigungen zu verhindern.434 Dies wird durch Art. 4 ILO-Übereinkommen über die Zwangs- und Pflichtarbeit bestätigt, der eine Verpflichtung der Vertragsstaaten enthält, Zwangsarbeit für private Zwecke weder aufzuerlegen noch zuzulassen.435 Ebenso verweist Art. 5 ILO-Übereinkommen über die Zwangs- und Pflichtarbeit auf staatliche Schutzpflichten, da die Vertragsstaaten verpflichtet werden, keine Konzessionen an Private zu erteilen, wenn dadurch Zwangsarbeit durch die Privaten auferlegt wird.436 Wenn man wieder von der Definition aus der Sklavereikonvention von 1926 ausgeht, müßte sich darunter auch die Zwangsarbeit subsumieren lassen. Denn wenn jemanden einen anderen Menschen zur Arbeit zwingt, dann übt er doch quasi eine Eigentümerbefugnis aus, so wie der Eigentümer einer Maschine diese nach Belieben an und ausschalten kann. Meistens wird ja ein Mensch versklavt, damit dessen Arbeitskraft nach Gutdünken ausgenutzt werden kann. Es besteht also ein enger Zusammenhang zwischen Sklaverei und Zwangsarbeit, auch wenn die Sklavereidefinition konkret nichts zur Zwangsarbeit aussagt und die Leistung von Zwangsarbeit auch keine Voraussetzung für das Vorliegen von Sklaverei ist. Im Unocal-Verfahren war sowohl der zuständige District Court als auch der Court of Appeals der Ansicht, daß Zwangsarbeit eine Form der Sklaverei sei und deshalb das Verbot der Zwangsarbeit direkt auch Private binde.437 Unmittelbar anwendbare Norm war zwar das völkergewohnheitsrechtliche Sklaverei- oder Zwangsarbeitsverbot, die Gerichte verwiesen dabei aber auch auf völkerrechtliche Verträge. Deshalb muß hier darauf eingegangen werden. Ausgangspunkt der Überlegungen des District Court ist dabei das schon genannte ILO-Übereinkommen über die Zwangs- und 434

Nowak, CCPR Commentary, Art. 8, Rz. 18. Siehe dazu die Ausführungen in dem Bericht des Generalsekretärs der ILO: Stopping Forced Labour, Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work, International Labour Conference, 89th Session 2001, Report I (B) von 2001, Ziff. 34 und in dem Bericht der ILOUntersuchungskommission zur Zwangsarbeit in Myanmar: Forced Labour in Myanmar (Burma), Report of the Commission of Inquiry appointed under article 26 of the Constitution of the International Labour Organization to examine the observance by Myanmar of the Forced Labour Convention, 1930 (No. 29) vom 2.7.1998, Ziff. 205. 436 Kinley/Tadaki, Human Rights Responsibilities for Corporations, 44 Va. J. Int’l L. 931, 979 (2004). 437 John Doe I v. Unocal Corp., 963 F.Supp. 880, 892 (C. D. Cal. 1997); Doe I v. Unocal Corp., 110 F.Supp.2d 1294, 1307-8 (C. D. Cal. 2000); Doe I v. Unocal Corporation, 395 F.3d 932, 946-7 (9th Cir. 2002). 435

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Pflichtarbeit und ihre Definition der Zwangsarbeit. Das Gericht verweist dabei auf den Bericht einer ILO-Untersuchungskommission zur Verwendung von Zwangsarbeit in Burma. Einen Absatz dieses Berichts interpretiert das Gericht so, daß dort Zwangsarbeit als vom Sklavereibegriff umfaßt angesehen wird.438 Diese Schlußfolgerung ergibt sich aber nicht eindeutig aus der zitierten Passage. Der Untersuchungsbericht bezeichnet Zwangsarbeit als sklavereiähnliche Einrichtung und kommt dann zu dem Schluß, daß das Sklavereiverbot heute auch alle modernen Formen der Sklaverei umfaßt.439 Dabei wird aber nicht ganz klar, ob mit zu diesen modernen Formen auch die Zwangsarbeit zu zählen ist. Allerdings hat die International Labour Conference in einer Resolution zur Zwangsarbeit in Burma 1999 die Zwangsarbeit als zeitgenössische Form der Sklaverei bezeichnet.440 Die ILO hat aber 2001 und 2005 zwei allgemeine Berichte zur Zwangsarbeit veröffentlicht.441 In keinem dieser Berichte wird vertreten, daß reine Zwangsarbeit von der Sklavereidefinition umfaßt wird, obwohl insbesondere in dem Bericht von 2005 auf die Frage des Verhältnisses von Zwangsarbeit und Sklaverei eingegangen wird.442 Der Court of Appeals argumentiert im wesentlichen mit dem Verbot der Sklaverei im 13. Zusatzartikel der US-Verfassung. Die Rechtsprechung zu diesem Artikel hätte unter den Begriff Sklaverei auch die Zwangsarbeit gefaßt. Allerdings ist dieser Rückgriff auf das nationale Recht zur Bestimmung völkerrechtlicher Begriffe sehr problematisch, da man nicht einfach von der Akzeptanz des nationalen Begriffsverständnisses auf der internationalen Ebene ausgehen kann.443 Das Gericht mag sich zu seiner Schlußfolgerung auch durch den Verweis auf die Straftatbestände aus dem Statut des International Military Tribunal (IMT) von Nürnberg veranlaßt gesehen haben. Zur Begründung eines gewohnheitsrechtlichen Verbots der Zwangsarbeit beruft sich das Gericht auch auf dieses Statut.444 In Art. 6, lit. b IMT-Statut445 wird die Deportation zur Sklavenarbeit (deportation to slave labor) als ein Kriegsver438

Doe I v. Unocal Corp., 110 F.Supp.2d 1294, 1308 (C. D. Cal. 2000). Forced Labour in Myanmar (s. o. Fn. 435), Ziff. 198. 440 ILO-Resolution on the widespread use of forced labour in Myanmar vom 17.6.1999, 38 ILM 1215, 1216 (1999). 441 ILO-Bericht 2001: Stopping Forced Labour (s. o. Fn. 435) und Report of the Director General, A Global Alliance Against Forced Labour, Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work, International Labour Conference, 93rd Session 2005, Report I (B) von 2005. 442 ILO-Bericht 2005: A Global Alliance Against Forced Labour (s. o. Fn. 441), Ziff. 25–27. 443 Vgl. Bridgeford, Imputing Human Rights Obligations on Multinational Corporations, 18 Am. U. Int’l L. Rev. 1009, 1039 (2003); Gaedtke, Der US-amerikanische Alien Tort Claims Act und der Fall Doe v. Unocal, AVR 42 (2004), 241, 247. 444 Doe I v. Unocal Corporation, 395 F.3d 932, 945 (9th Cir. 2002). 439

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brechen definiert und Art. 6, lit. c IMT-Statut führt die Versklavung (enslavement) als eine Form des Verbrechens gegen die Menschlichkeit auf. Schon die Verwendung des Begriffes Sklavenarbeit zeigt, daß hier keine strikte Trennung von Sklaverei und Zwangsarbeit gewollt war. Das IMT hat dann in seinem Urteil über die Hauptkriegsverbrecher bezüglich des deutschen Zwangsarbeitsprogramms während des Zweiten Weltkrieges auch nicht zwischen Sklaverei und Zwangsarbeit unterschieden und das Geschehen unter die Begriffe Sklavenarbeit und Versklavung gefaßt.446 Deshalb gibt es Stimmen, die auch heute den Begriff der Versklavung im Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit so verstehen wollen, daß er reine Zwangsarbeit umfaßt.447 Daraus kann man aber nicht folgern, daß auch außerhalb der Anwendbarkeit dieser Völkerstraftatbestände das allgemeine Sklavereiverbot auch gleichzeitig die reine Zwangsarbeit erfaßt. Der Court of Appeals hat in seiner Entscheidung auch gar nicht weiter die Anwendbarkeit der Tatbestände der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Fall geprüft.448 Die amerikanischen Gerichte stehen allerdings mit ihrer Ansicht nicht alleine da. Zumindest Lassen vertritt die Ansicht, daß jedenfalls heutzutage die Zwangsarbeit eine Form der Sklaverei darstellt.449 Gegen eine Identität des friedensrechtlichen Sklavereibegriffes mit dem Begriff der Zwangsarbeit sprechen aber systematische Argumente. In Art. 5 Sklavereikonvention 1926 verpflichten sich die Vertragsstaaten, zu verhindern, „daß die Zwangsarbeit . . . der Sklaverei ähnliche Verhältnisse herbeiführt.“ Eine systematische Auslegung von der in Art. 1 enthaltenen Sklavereidefinition mit Art. 5 macht nun deutlich, daß Zwangsarbeit für sich allein genommen noch keine Sklaverei sein kann. Denn sonst würde es keinen Sinn machen, den Staaten gesondert aufzugeben, daß sie die Entwicklung der Zwangsarbeit zu sklavereiähnlichen Verhältnissen unterbinden mögen. 445

Abgedruckt in: van den Wyngaert (Hrsg.), International Criminal Law, Den Haag, London, Boston 1996, S. 419–425; in Deutsch abgedruckt in: Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 401–406. 446 Siehe dazu den Abschnitt „Die Politik der Zwangsarbeit“ im Urteil des IMT vom 1.10.1946, abgedruckt in: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Verhandlungsniederschriften, Nürnberg 1948, Bd. XXII, S. 552–558 und z. B. die Ausführungen in dem Urteil zum Angeklagten von Schirach, S. 642 f. 447 Für das ICC-Statut Triffterer-Hall, Commentary ICC-Statute, Art. 7, Rz. 30; vorsichtiger Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 802, der Zwangsarbeit dann als Versklavung ansieht, wenn zumindest angemaßte Eigentumsrechte ausgeübt werden; in einem solchen Fall liegt dann aber schon Sklaverei vor. 448 Kritisch zur Haltung des Gerichts auch Wells, A Wolf in Sheep’s Clothing, 32 Colum. J. L. & Soc. Probs 35, 49–50 (1998). 449 Lassen, Slavery and Slavery-Like Practices, NJIL 1988, 197, 206.

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Noch ein weiterer Umstand spricht gegen die Identität von Sklaverei und Zwangsarbeit. Sowohl in dem ILO-Übereinkommen Nr. 29 als auch in den Menschenrechtsverträgen ist die Zwangsarbeit nicht absolut verboten. Gewichtige Ausnahmen für öffentliche Zwecke sind zulässig.450 Ganz im Gegensatz zum Sklavereiverbot, das absolut gilt und von dem auch nicht während eines öffentlichen Notstandes abgewichen werden darf.451 Im Falle einer Identität würden die Ausnahmemöglichkeiten bezüglich der Zwangsarbeit keinen Sinn machen. Hier kann also festgehalten werden, daß nach dem Völkervertragsrecht Zwangsarbeit an sich noch keine Sklaverei ist.452 Deshalb kann man auch nicht einfach die Verpflichtungsrichtung des Sklavereiverbots auf das Zwangsarbeitsverbot übertragen. (bb) Enger Zusammenhang von Sklaverei und Zwangsarbeit Das schließt aber natürlich auch nicht aus, daß die Zwangsarbeitsverbote Private dennoch direkt verpflichten. Die Zwangsarbeitsverbote im IPBPR und in der AMRK sind allerdings anders formuliert als die darin enthaltenen Sklavereiverbote. Es wird nicht festgestellt, daß Zwangsarbeit verboten ist, sondern es wird bestimmt, daß niemand gezwungen werden darf Zwangsarbeit zu leisten. Dieser Wortlaut ist schwächer als der der Sklavereiverbote. In der EMRK allerdings ergibt sich mit der offiziellen Überschrift des Art. 4 ein ebenso scharf formuliertes Zwangsarbeitsverbot wie bezüglich der Sklaverei. Dennoch lassen sich einige Argumente für eine direkte Verpflichtung Privater durch die Zwangsarbeitsverbote im IPBPR und der AMRK anführen. Für einen Gleichlauf der Verpflichtungsrichtung von Zwangsarbeitsverbot und Sklavereiverbot spricht die enge Beziehung von Zwangsarbeit und Sklaverei. Wie oben bereits erwähnt, liegt der Hauptzweck der Sklaverei in der zwangsweisen Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Die ILO spricht von der Sklaverei als eine Form der Zwangsarbeit.453 Eine Unterscheidung zwischen Zwangsarbeit und Sklaverei ist deshalb schwierig vor450 Art. 2 II ILO-Übereinkommen Nr. 29; Art. 8 III, lit. b, c IPBPR; Art. 4 III EMRK und Art. 6 II, III AMRK. 451 Art. 4 II IPBPR, Art. 15 II EMRK, Art. 27 II AMRK. 452 Kinley/Tadaki, Human Rights Responsibilities for Corporations, 44 Va. J. Int’l L. 931, 979 Fn. 225 (2004); im Ergebnis ebenso Rassam, International Law and Contemporary Forms of Slavery, 23 Penn St. Int’l Rev. 809, 815, 838 (2005) und Weissbrodt/Anti-Slavery International, Contemporary Forms of Slavery, UN Doc. E/ CN.4/Sub.2/2000/3, S. 9, Ziff. 30. 453 Report of the Director General, A Global Alliance Against Forced Labour, Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work von 2005, Ziff. 26.

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zunehmen. Ein plausibles Differenzierungskriterium kann man in den Fällen, in denen die Sklaverei nicht als Rechtsinstitut, sondern als faktisches Machtverhältnis existiert, in dem Grad der Beherrschung des Zwangsarbeiters oder Sklaven sehen. Erstreckt sich die Beherrschung nur auf die Bestimmung zur Arbeit, liegt lediglich Zwangsarbeit vor. Geht die Macht über den anderen Menschen darüber hinaus, etwa hinsichtlich der Intensität oder der Dauer, spricht viel für Sklaverei.454 Die genaue Grenzziehung dürfte aber sehr schwierig sein. Das bestätigt auch die Praxis der Working Group on Contemporary Forms of Slavery der Vereinten Nationen die oft nicht zwischen Sklaverei und Zwangsarbeit unterscheidet.455 Es würde also nur von dem schwierig zu bestimmenden Grad der Beherrschung abhängen, ob der Private völkerrechtlich gebunden wäre oder nicht. Schon wegen dieser schwierigen Unterscheidung spricht viel für eine direkte Verpflichtung Privater durch die Zwangsarbeitsverbote. Betrachten wir nun die Frage, wer überwiegend Menschen zur Zwangsarbeit bestimmt. Die ILO schätzt, daß gegenwärtig mindestens 12,3 Millionen Menschen zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Von diesen werden 9,8 Millionen Menschen durch Private ausgebeutet. Das schließt natürlich Sklavereisituationen ein, in denen Zwangsarbeit geleistet werden muß. Diese hohe Zahl an privater Ausnutzung der Zwangsarbeit kommt durch die weite Verbreitung von zwangsweiser Prostitution und zwangsweiser Arbeit im landwirtschaftlichen und häuslichen Bereich zustande.456 Demnach wird also Zwangsarbeit überwiegend von privaten Tätern auferlegt. Auch dies spricht, ebenso wie beim Sklavereiverbot, für eine Verpflichtungswirkung gegenüber Privaten. Obwohl also nach dem geltenden Völkervertragsrecht reine Zwangsarbeit nicht schon Sklaverei bedeutet, kann man eine Bindung Privater an die Zwangsarbeitsverbote begründen. (cc) Übertragung auf Unternehmen Bezüglich der Frage der Bindung von Unternehmen an die Zwangsarbeitsverbote gilt das Gleiche wie bezüglich der Sklavereiverbote.

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Vgl. dazu Bülck, Die Zwangsarbeit im Friedensvölkerrecht, S. 10 der allerdings für die Sklaverei ein Eigentumsrecht am Menschen verlangt. 455 Lassen, Slavery and Slavery-Like Practices, NJIL 1988, 197, 205 f. 456 Report of the Director General, A Global Alliance Against Forced Labour, Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work von 2005, Ziff. 37–40.

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(d) Einschränkungsmöglichkeiten Einige der in den Verträgen enthaltenen Rechte sehen zugleich auch die Möglichkeit der Einschränkung zugunsten der Rechte Dritter vor. Besonders deutlich ist dies im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. So darf in Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zum Schutz der „Rechte anderer“ eingeschränkt werden.457 Art. 19 III IPBPR spricht sogar ausdrücklich davon, daß die Freiheit der Meinungsäußerung mit „besonderen Pflichten und einer besonderen Verantwortung verbunden“ ist.458 Wie bei den Auslegungsregeln realisiert sich diese Pflicht aber nur bei der Ausübung der Meinungs- oder Versammlungsfreiheit, ist also keine eigenständige Pflicht zur Einhaltung der Rechte anderer. Hinzu kommt noch, daß die dem Schutz der Rechte anderer dienenden Begrenzungen der Meinungs- oder Versammlungsfreiheit nicht schon aus den Konventionen selbst folgen. Die besagten Artikel ermöglichen nur, den Vertragsstaaten in ihrem internen Recht entsprechende Einschränkungen zu regeln.459 Die konkrete „Pflicht“, seine Rechte nicht unter der Verletzung der Menschenrechte anderer auszuüben, ergibt sich also erst aus dem innerstaatlichen Recht und nicht aus dem Völkerrecht. (e) Pflichten An wenigen Stellen in den menschenrechtlichen Verträgen sind auch Pflichten Privater festgehalten. In Art. 24 I IPBPR und Art. 19 AMRK wird Kindern ein Schutzanspruch gegen die Familie, die Gesellschaft und den Staat zugesprochen. Dem Schutzanspruch des Kindes entspricht eine Schutzpflicht auf Seiten der in der Norm genannten Anspruchsgegner. Bei der Familie und der Gesellschaft handelt es sich um Private. Zumindest muß man bei der Gesellschaft von einer nichtstaatlichen Einheit ausgehen, da ja der Staat in diesen Normen gesondert aufgeführt ist. Aber aus den Normen wird nicht klar, wer oder was genau Familie und Gesellschaft ist.460 Der Gesellschaft als Ganzes kann man schwerlich eine Rechtspflicht auferlegen. Auch bei dem Begriff der Familie bestehen Schwierigkeiten. Sicherlich sind zumindest die Eltern 457 Art. 19 III, lit. a und Art. 21 IPBPR. Entsprechende Regelungen finden sich auch in Art. 10 II EMRK, Art. 13 II, lit. a AMRK und Art. 11 ACMR. 458 Eine fast wortgleiche Regelung findet sich auch in Art. 10 II EMRK. 459 Vgl. International Council on Human Rights Policy, Taking Duties Seriously, S. 15, 17 f. 460 Bzgl. des IPBPR vgl. Nowak, CCPR Commentary, Art. 23, Rz. 8 u. Art. 24 Rz. 4.

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damit gemeint. Es kann aber auch die weitergehende Familie darunter fallen. Diese Unbestimmtheit des Verpflichteten und des Inhaltes der Schutzpflicht sprechen dafür, daß hier keine unmittelbaren völkerrechtlichen Pflichten Privater normiert wurden. Vielmehr handelt es sich um eine staatliche Pflicht, in der jeweiligen nationalen Rechtsordnung Schutzansprüche der Kinder zu schaffen und inhaltlich näher auszugestalten.461 Gleiches gilt auch für den Schutzanspruch der Familie gegen Gesellschaft und Staat aus Art. 23 I IPBPR und Art. 17 I AMRK. Ähnlich wie in Art. 29 I AEMR beinhaltet Art. 32 I AMRK Verpflichtungen des einzelnen gegenüber der Gesellschaft. Die Formulierung in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention ist aber ebenso unbestimmt formuliert wie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Aus ihr läßt sich demnach keine unmittelbare völkerrechtliche Pflicht des einzelnen folgern. (f) Afrikanische Menschenrechtskonvention Die Afrikanische Menschenrechtskonvention besitzt mit ihren Art. 27 bis 29 ein eigenes Kapitel (Kapitel II) über Pflichten des Individuums. Die darin enthaltene detaillierte Ausformulierung von Pflichten ist eine Besonderheit der Charta von Banjul. Die Afrikanische Konvention folgt damit einem vom westlichen Verständnis unterschiedlichen Menschenbild.462 Danach ist der Mensch nicht so sehr ein isoliertes Einzelwesen, das hilflos dem mächtigen Staat gegenübersteht, sondern eingebunden in eine Gruppe anderer Menschen (Familie, Stamm). Um eine harmonische und gedeihliche Entwicklung der Gruppe zu gewährleisten, darf der einzelne nicht rücksichtslos seine Rechte durchsetzen, sondern er muß auch gewisse Pflichten gegenüber den anderen Gruppenmitgliedern und der Gruppe als Ganzem erfüllen.463 Die Menschenrechte sind danach untrennbar mit den Menschenpflichten verbunden. Die Erwähnung von Pflichten in der Afrikanischen Charta ist nicht ohne Kritik geblieben. Es wird befürchtet, daß die Vertragsstaaten die Regelung von Pflichten dazu verwenden werden, noch stärker die in der Konvention enthaltenen Rechte zu beschränken.464 Dies kann 461

Bzgl. des IPBPR Nowak, CCPR Commentary, Art. 24, Rz. 4. Vgl. Radunski, Die Afrikanische Union und der Afrikanische Menschenrechtsgerichtshof, MenschenRechtsMagazin 2005, 59, 68. 463 M’Baye, Les Droits de L’Homme en Afrique, S. 239 f.; Mutua, Language of Duties, 35 Va. J. Int’l L. 339, 359–361 (1995). 464 Buergenthal/Kiss, La Protection Internationale des Droits de L’Homme, S. 132 f.; Flinterman/Ankumah, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, S. 166. 462

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hier nicht geklärt werden.465 Es bleibt aber zu untersuchen, ob diese Bestimmungen dem Individuum menschenrechtliche Pflichten auferlegen. Nach einem generellen Verweis auf Pflichten des einzelnen gegenüber Familie, Gesellschaft, Staat und internationaler Gemeinschaft in Art. 27 I werden spezifischere Pflichten in den Art. 28 und 29 ausgeführt. Neben einer allgemeinen Achtungspflicht anderen Menschen gegenüber in Art. 28 zählt Art. 29 eine ganze Reihe unterschiedlicher Pflichten des einzelnen auf. Das geht von der Pflicht, seine Familie zu bewahren und seine Eltern zu achten, über die Pflicht die Sicherheit seines Landes und seine Unabhängigkeit und territoriale Integrität nicht zu gefährden, bis zur Pflicht zu arbeiten und Steuern und Abgaben zu bezahlen. Art. 29 beinhaltet damit keine Pflicht zur Einhaltung der Menschenrechte, sondern bestimmt eine andere Art Pflichten, die dem Wohle der Familie und des Staates dienen sollen. Es ist auch sehr zweifelhaft, ob diese Pflichten allein aufgrund ihrer Normierung in Art. 29 durchgesetzt werden könnten.466 Wie schon bei entsprechenden Bestimmungen anderer menschenrechtlicher Texte festgestellt wurde, ist die Normierung von Pflichten in Art. 27 zu unspezifisch, um daraus konkrete Pflichten und eine rechtliche Bindung des Individuums zu folgern467. Zu einem anderen Ergebnis kann man vielleicht bei Art. 28 gelangen. Die darin enthaltene Formulierung, die Mitmenschen zu respektieren und zu achten ist etwas konkreter, als die in Art. 27 I enthaltene allgemeine Auferlegung von Pflichten. Man kann durchaus zu dem Schluß gelangen, daß die Achtung der Mitmenschen gerade in der Einhaltung ihrer Menschenrechte besteht. Dagegen kann man aber argumentieren, daß falls ein solcher Sinngehalt bezweckt gewesen wäre, problemlos der Begriff der Menschenrechte in Art. 27 hätte eingefügt werden können. Aus der Spruchpraxis der Afrikanischen Kommission für Menschenrechte ergeben sich bisher keine Hinweise über den Inhalt der individuellen Pflichten. Lediglich die von der Kommission erlassen Richtlinien für die periodischen Staatenberichte geben den Vertragssaaten auf, Einzelheiten über gesetzgeberische Maßnahmen und Gerichtsentscheidung zur Umsetzung der Pflichten bekannt zu geben.468 Abgesehen von der Frage, ob Art. 28 den 465 Nach Nmehielle, Development of the African Human Rights System in the Last Decade, 11 No. 3 Hum. Rts. Brief 6, 7 (2004) hatte die Normierung von Pflichten bisher keine negativen Auswirkungen, da weder die Vertragsstaaten noch die Afrikanische Menschenrechtskommission die Pflichten zur Rechtfertigung von Einschränkungen der Menschenrechte herangezogen haben. 466 Opsahl/Dimitrijevic, Art. 29 and 30 (Universal Declaration of Human Rights), S. 640. 467 Siehe dazu auch Opsahl/Dimitrijevic, Art. 29 and 30 (Universal Declaration of Human Rights), S. 639.

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einzelnen auch an die Achtung der Menschenrechte bindet, ergibt sich daraus eher, daß die in der Konvention enthaltenen Pflichten einer Umsetzung durch die Staaten bedürfen und deshalb nicht unmittelbar die Menschen verpflichtet. Letztlich kann die Frage aber aus dem Text der Afrikanischen Menschenrechtskonvention nicht entschieden werden. dd) Spricht das Ermessen bei der Erfüllung staatlicher Schutzpflichten gegen eine direkte Bindung Privater? Es muß noch der Frage nachgegangen werden, ob nicht der den Staaten eingeräumte Spielraum bei der Erfüllung der Schutzpflichten überhaupt eine Bindung Privater an die Menschenrechte ausschließt. Gegen eine unmittelbare Bindung Privater könnte man einwenden, daß dadurch der staatliche Spielraum zur Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen Privaten beseitigt oder zumindest einschränkt würde.469 Dieses Argument wurde auf nationaler Ebene bei der Diskussion um die Drittwirkung der Grundrechte in der deutschen Rechtsordnung verwendet.470 Durch eine direkte Bindung Privater an die Grundrechte würde sich der Ausgleich widerstreitender Grundrechtspositionen von der Legislative auf die Judikative verlagern und so die demokratische Steuerungsfähigkeit des Gesetzgebers unterminieren. Die gleiche Problematik würde sich auch bei einer unmittelbaren Verpflichtung Privater aus den völkerrechtlichen Menschenrechten ergeben, wenn sie von der nationalen Judikative vorrangig anzuwenden wären und dadurch der Interessenausgleich zwischen den Grundrechtspositionen von der Legislative auf die Judikative verlagert werden würde.471 Bei den völkerrechtlichen Menschenrechten tritt aber noch eine weitere Dimension hinzu, wenn ein internationales Gericht, wie etwa der EGMR oder der IAGMR über die Einhaltung der völkerrechtlichen Menschenrechte entscheidet. Nicht so sehr die innerstaatliche Gewaltenteilung zwischen Legislative und Judikative ist dabei das Problem, sondern eine Art Gewaltenteilung zwischen nationaler und internationaler Ebene. Auch zwischen die468 Viljoen, The African Charter on Human and Peoples’ Rights, HRLJ 25 (2004), 313, 319. 469 In diese Richtung, allerdings bezogen auf eine mittelbare Drittwirkung argumentiert bzgl. der EMRK Wiesbrock, Verletzung durch Private, S. 62 f. Für eine direkte Drittwirkung der Menschenrechte dürfte dann aber nichts anderes gelten. 470 s. o. B.IV.1.b)bb). 471 So Fastenrath, Die Verantwortlichkeit transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte, S. 90; vgl. dazu auch den Bericht des UN-Hochkommissars für Menschenrechte zu den UN-Norms, UN Doc. E/CN.4/2005/91 vom 15.2.2005, S. 10.

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sen Ebenen stellt sich die Frage, ob durch eine unmittelbare Bindung Privater an die Menschenrechte der staatliche Spielraum zur Erfüllung der Schutzpflichten und damit eine souveräne Entscheidungsmöglichkeit des Staates über den Interessenausgleich zwischen Privaten472 eingeschränkt wird. Zwei Konstellationen sollten dabei unterschieden werden: einmal die direkte innerstaatliche Durchsetzung einer unmittelbaren Bindung und zum anderen eine direkte Durchsetzung auf internationaler Ebene. Wie bereits geschildert, können die internationalen Spruchkörper der Menschenrechtsverträge nach gegenwärtigem Stand nur Verletzungsverfahren gegen die Mitliedstaaten durchführen.473 Eine direkte Bindung Privater kann deshalb gar nicht unmittelbar vor diesen Spruchkörpern geltend gemacht werden. Es bleibt aber die Möglichkeit, eine solche Bindung direkt vor innerstaatlichen Instanzen geltend zu machen, wenn nach dem jeweiligen Verfassungsrecht die menschenrechtlichen Verträge unmittelbar angewendet werden können. In einem solchen Fall würde aber zunächst der Staat über den Interessenausgleich zwischen den streitenden Privatpersonen entscheiden. Ob diese Entscheidung ein innerstaatliches Gericht, der nationale Gesetzgeber oder die Exekutive trifft, ist aus Sicht des Völkerrechts unerheblich. Das ist ein Problem der innerstaatlichen Gewaltenteilung und nicht ein Problem einer völkerrechtlichen Verpflichtung. Der Staat muß lediglich seinen völkerrechtlichen Schutzverpflichtungen nachkommen. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob ein Privater an ein Menschenrecht unmittelbar gebunden ist oder nur mittelbar, denn auch im Falle einer unmittelbaren Bindung muß der Staat den Interessenausgleich durch eine Abwägung der widerstreitenden Menschenrechtspositionen vornehmen. Denn erst nach einer solchen Abwägung kann eine private Verletzung festgestellt werden. Im Rahmen dieser Beurteilung würde wieder der staatliche Spielraum bei der Erfüllung der Schutzpflichten eingreifen. Die internationalen Spruchkörper können dann überprüfen, ob diese Abwägungsentscheidung sich noch im Ermessensspielraum der staatlichen Schutzpflichterfüllung bewegt.474 Es ist nicht ersichtlich, warum auf internationaler Ebene wegen einer direkten Bindung Privater an die Menschenrechte auf die staatlichen Handlungsspielräume verzichtet werden sollte. Die Erwägungen, die zur Gewährung staatlichen Ermessens geführt haben475, hätten nach wie vor Gültigkeit. 472 Dies befürchtet Fastenrath, Die Verantwortlichkeit transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte, S. 90. 473 s. o. B.IV.1.c)cc)(1). 474 Vgl. Jaeckel, Schutzpflichten, S. 171. 475 s. o. B.IV.1.c)cc)(2).

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Wie ist das Problem nun zu beurteilen, falls die internationalen Überwachungsinstanzen doch die Kompetenz eingeräumt bekommen, direkt über private Verletzungen zu entscheiden? Das internationale Gericht könnte dann direkt feststellen, ob eine Privatperson das Menschenrecht einer anderen Person verletzt hat. Eine Entscheidung darüber wird das Gericht, wie jetzt schon bei Verfahren gegen Staaten üblich, aber erst nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges treffen können. Wenn nun die nationalen Gerichte entschieden haben, daß keine private Menschenrechtsverletzung vorliegt, dann kann das internationale Gericht dieses Ergebnis akzeptieren, wenn es sich in der Bandbreite des staatlichen Spielraumes bewegt. Wenn nun aber das internationale Gericht im Gegensatz zu den innerstaatlichen Gerichten eine private Menschenrechtsverletzung feststellen würde, dann hätte das Gericht implizit festgestellt, daß der Staat seinen Ermessensspielraum überschritten und damit seine Schutzpflicht verletzt hat. Das ist aber schon heute bei den Verfahren gegen die Vertragsstaaten der Fall. Als ein solches Beispiel jüngeren Datums kann hier das schon erwähnte Caroline Urteil des EGMR476 angesehen werden.477 Die monegassische Prinzessin hatte vor deutschen Gerichten gegen die Veröffentlichung von Photographien aus ihrem Privatleben durch deutsche Boulevardzeitschriften geklagt. Die deutschen Gerichte – einschließlich des BVerfG – versagten ihr aber bezüglich eines Teils der Bilder einen Anspruch, da sie in diesem Falle die Pressefreiheit der Zeitschriften höherangig als ihr Persönlichkeitsrecht einstuften.478 Die Klage gegen Deutschland vor dem EGMR hatte dagegen Erfolg. Die europäischen Richter kamen bei der Abwägung zu dem genau gegenteiligen Schluß, daß nämlich in diesem Fall der Schutz der Privatsphäre (Art. 8 EMRK) überwiegen muß.479 Für den EGMR boten die Kriterien, die die deutschen Gerichte bei ihrer Abwägungsentscheidung zugrundegelegt hatten, keinen ausreichenden Schutz für Carolines Privatsphäre. Sie urteilten deshalb, daß Deutschland seinen Spielraum bei der Erfüllung der Schutzpflicht überschritten habe.480 Also auch in einer solchen Konstellation könnte es immer noch einen staatlichen Spielraum bei der Erfüllung der Schutzpflichten geben. Wie ist es aber nun, wenn das internationale Gericht nicht nur befugt ist, bei privaten Verletzungen eine Konventionsverletzung festzustellen, sondern 476

von Hannover v. Germany, Urteil vom 3.6.2004, Appl. No. 59320/00. Siehe näheres zu dem Urteil des EGMR bei Behnsen, Das Recht auf Privatleben und die Pressefreiheit, ZaöRV 65 (2005), 239. 478 OLG-Hamburg, NJW-RR 1995, 790, 793; BGHZ 131, 332, 335, 343 ff.; BVerfG, DVBl. 2000, 353, 356. 479 von Hannover v. Germany, Urteil vom 3.6.2004, Appl. No. 59320/00, Rz. 76 ff. 480 von Hannover v. Germany, Urteil vom 3.6.2004, Appl. No. 59320/00, Rz. 79. 477

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darüber hinaus noch eine bestimmte Rechtsfolge, wie etwa Schadensersatz oder die Verpflichtung zum Unterlassen, auszusprechen? Hier kann es sehr leicht zu einer Divergenz der innerstaatlichen Rechtslage zur völkerrechtlichen kommen. Das internationale Gericht könnte zum Beispiel dem Verletzten mehr Schadensersatz zusprechen als die innerstaatlichen Gerichte. Um sich konventionstreu zu verhalten, müßte der Vertragsstaat sein Schadensersatzniveau in diesen Fällen anheben. Dadurch würde dann sein Spielraum, die Rechtsfolgen von privaten Menschenrechtsverletzungen zu regeln, tatsächlich eingeschränkt. Die Befugnis, Rechtsfolgen auszusprechen, müßte dem internationalen Gericht aber vorher völkervertraglich eingeräumt worden sein. Der Vertragsstaat hätte also der Einschränkung seines Spielraumes insoweit zugestimmt. Dies spricht also auch nicht gegen eine unmittelbare völkerrechtliche Bindung Privater. Die Problematik verkompliziert sich allerdings, wenn nicht ein internationales Gericht, dem ausdrücklich die Befugnis dazu eingeräumt wurde, sondern die Gerichte eines fremden Staates über eine Menschenrechtsverletzung entscheiden und damit ihre Abwägungsentscheidung an die Stelle der Entscheidung des anderen Staates setzen. Das ist die Konstellation in den meisten ATCA-Fällen, wo es ja um Menschenrechtsverletzungen nicht in den USA, sondern in anderen Staaten geht. Hier kann die eigene Abwägungsentscheidung einen Eingriff in die Souveränität des anderen Staates darstellen.481 Das hängt aber nicht unbedingt an einer unmittelbaren Bindung Privater an die Menschenrechte. Auch wenn die Gerichte primär nationales Zivilrecht anwenden und dabei, wie in der deutschen Rechtsordnung nach der Lehre der mittelbaren Drittwirkung, die menschenrechtlichen Positionen der Parteien berücksichtigen, treffen sie genauso eine Abwägungsentscheidung, die in die Souveränität des anderen Staates eingreifen kann. Das ist hier also weniger eine Frage der unmittelbaren Bindung privater Akteure an die Menschenrechte, als vielmehr eine Frage der staatlichen Rechtsprechungs- und Regelungskompetenz.482 Um aber dem Argument des Eingriffs in die Gewaltenteilung durch eine unmittelbare Bindung Privater zu begegnen, kann man sich überlegen, ob es nicht für eine unmittelbare Bindung geeignetere und weniger geeignete Menschenrechte gibt. Als geeigneter in diesem Zusammenhang kann man solche Menschenrechte ansehen, die keiner Abwägung mit anderen menschenrechtlichen Interessen Privater zugänglich sind. Als Beispiel soll hier das Sklavereiverbot dienen. Das sich aus dem Verbot ergebende Recht des einen Menschen, von Sklaverei frei zu sein, kann nicht mit einem Recht 481 Fastenrath, Die Verantwortlichkeit transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte, S. 90. 482 Siehe dazu ausführlich unten Abschnitt D.

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des potentiellen Sklavenhalters abgewogen werden. Das Sklavereiverbot gilt absolut.483 Gleiches gilt auch für das Folterverbot.484 Anders verhält es sich aber zum Beispiel mit der Meinungsfreiheit. Einschränkungen sind hier möglich485 und so kann in einer Abwägung mit anderen Menschenrechten, die Meinungsfreiheit auch zurücktreten. Man kann das in dem Sinne verallgemeinern, daß alle Rechte, die irgendwie zulässigerweise eingeschränkt werden können, auch einer Abwägung mit anderen Menschenrechten zugänglich sind. Weniger geeignet für die direkte Bindung Privater erscheinen auch solche Rechte, die den Staaten einen weiten Ermessensspielraum bei ihrer Umsetzung einräumen. Das ist insbesondere bei den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten der Fall. So gibt es für einen Staat viele Möglichkeiten für einen angemessenen Lohn und Lebensunterhalt für Arbeitnehmer (Art. 7 lit. a IPWSKR) zu sorgen. Hier wäre es problematisch darin eine unmittelbare Verpflichtung für den Arbeitgeber zu erblicken einen bestimmten Mindestlohn zu zahlen.486 ee) Äußerungen der UN-Vertragsorgane Wenden wir uns nun den Aussagen zu, die einige der Vertragsorgane der verschiedenen UN-Menschenrechtsverträge in ihren General Comments (GC) zur Frage einer direkten Verpflichtung Privater gemacht haben. Das Augenmerk fällt dabei zunächst auf die GC des Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR) zu den Rechten auf Nahrung und Gesundheit aus Art. 11 und 12 IPWSKR. Dort führt das CESCR jeweils fast wortgleich aus: While only States are parties to the Covenant and are thus ultimately accountable for compliance with it, all members of society – individuals, families local communities, non-governmental organizations, civil society organizations, as well as the private business sector – have responsibilities in the realization of the right to adequate food [bzw.] regarding the realization of the right to health.487

Hier stellt sich die Frage, ob mit responsibilities, die die privaten Akteure zur Realisierung der betroffenen Rechte haben sollen, rechtliche Verpflichtungen aus der Konvention gemeint sind. Den englischen Begriff responsibility kann man durchaus im Sinne einer rechtlichen Verpflichtung verste483

Nowak, CCPR Commentary, Art. 8, Rz. 7. Art. 2 II UNFolterK; Nowak, CCPR Commentary, Art. 7, Rz. 1. 485 Siehe z. B. Art. 19 III IPBPR. 486 Vergleiche dazu z. B. die Diskussion in Deutschland um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. 487 GC Nr. 12 von 1999, Ziff. 20 und GC Nr. 14 von 2000, Ziff. 42, enthalten in UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 67 und 97. 484

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hen.488 So wird im englischen Sprachgebrauch die allgemeine völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten gewöhnlich mit dem Begriff responsibility bezeichnet.489 Mit dem Begriff kann aber auch eine nicht-rechtliche Verpflichtung ausgedrückt werden.490 Ob die Ausschußmitglieder diesen rechtlichen Bedeutungsgehalt zu Grunde gelegt haben und diesen auf die Konvention beziehen, ist aber nicht klar. Immerhin wird nicht gesagt, daß nur die Vertragsstaaten zur Einhaltung der Konvention verpflichtet sind, sondern sie sind nur „ultimately accountable for compliance“, was durchaus auch Raum für andere Verpflichtete läßt. Jägers folgert in ihrer Arbeit aus dem Satz, der Ausschuß habe damit ausdrücklich die direkte Horizontalwirkung dieser Rechte anerkannt.491 Sie erörtert dabei aber nicht näher den Wortlaut der Aussage des Ausschusses und geht auch nicht auf die Ambivalenz des Begriffes responsibility ein. Im GC Nr. 12 zu Art. 11 IPWSKR ist das Kapitel, in dem die zitierte Aussage enthalten ist, mit „obligations and violations“ überschrieben.492 Darunter sind sicherlich Rechtspflichten zu verstehen, denn sonst werden in dem Abschnitt nur Verpflichtungen der Vertragsstaaten behandelt, die sich aber auch ausdrücklich auf Schutzpflichten der Staaten gegen private Beeinträchtigungen beziehen493. Die betreffende Kapitelüberschrift im GC 14 zu Art. 12 IPWSKR spricht sogar ausdrücklich von „State parties’ obligations“.494 Gleich im Anschluß an den eingangs zitierten Satz verweist der Ausschuß auch jeweils auf die Pflicht der Staaten, ein Umfeld zu schaffen, in dem die genannten privaten Akteure ihrer Verantwortung (responsibility) nachkommen können. Dies spricht eher dafür, daß der Ausschuß keine völkerrechtliche Verpflichtung der Privatwirtschaft propagieren, sondern auf die faktische Verletzbarkeit der Rechte durch die Privaten hinweisen wollte.495 In einem späteren GC zu dem aus Art. 11 und 12 IPWSKR folgenden Recht auf Wasser hat der Ausschuß den eingangs zitierten Satz nicht mehr wiederholt, sondern die Staaten dazu aufgerufen, der Privatwirtschaft und anderen nichtstaatlichen Akteuren die Wichtigkeit des Rechts auf Wasser zu verdeutlichen.496 Im GC zu Art. 15 488 Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache I, Eintrag „responsibility“, S. 697. 489 Siehe z. B. Brownlie, International Law, S. 433; Shaw, International Law, S. 694. 490 Siehe dazu Cheng, General Principles, S. 163 f. 491 Jägers, Corporate Human Rights Obligations, S. 66, 69. 492 UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 66. 493 GC Nr. 12 von 1999, Ziff. 15, HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 66. 494 UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 94. 495 Siehe dazu auch GC Nr. 12, Ziff. 27 und GC Nr. 14, Ziff. 55, UN Doc. HRI/ GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 68 und 100. 496 GC Nr. 15 von 2002, Ziff 49, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 116.

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IPWSKR geht zwar der Ausschuß unter der Kapitelüberschrift „Obligations of Actors Other than State Parties“ auch auf die Privatwirtschaft ein, aber nur in dem Sinne, daß die Vertragsstaaten die Verantwortlichkeit der Unternehmen für das Recht regeln sollten.497 Dies fügt sich aber nahtlos in die bekannte Schutzpflichtenkonzeption ein. Eine direkte völkerrechtliche Verpflichtung Privater kann man dem nicht entnehmen. Noch deutlicher wird der Ausschuß im GC zu Art. 6 IPWSKR, dem Recht auf Arbeit. Zwar wiederholt er seine Aussage aus den GC Nr. 12 und 14 zur Verantwortung der privaten Akteure, fügt aber sogleich hinzu: Private enterprises – national and multinational – while not bound by the Covenant, have a particular role to play in job creation, hiring policies and non-discriminatory access to work.498

Man könnte noch argumentieren, daß Privatunternehmen natürlich nicht insgesamt an den Pakt gebunden sind. Aber wenn der Ausschuß von der Bindung an einzelne Rechte ausgegangen wäre, hätte er das problemlos feststellen können. Daraus ergibt sich also, daß der Ausschuß responsibilities nicht als völkerrechtliche Verpflichtungen ansieht und deshalb eine direkte Horizontalwirkung der Konventionsrechte ablehnt. Noch klarer kommt die Ablehnung einer direkten Horizontalwirkung von Konventionsrechten im GC des Human Rights Committee (HRC) bezüglich der generellen Staatenverpflichtungen aus Art. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte zum Ausdruck. Der Ausschuß führt dazu aus: The article 2, paragraph 1, obligations are binding on States parties and do not, as such, have direct horizontal effect as a matter of international law. The Covenant cannot be viewed as a substitute for domestic criminal or civil law.499

Jetzt könnte man einwenden, daß sich die generelle Verpflichtungsklausel in Art. 2 IPBPR ausdrücklich auf die staatlichen Verpflichtungen bezieht und keine Aussage über eine Verpflichtung Privater aus den einzelnen Rechten enthält. Da sich aber Art. 2 auf die Einhaltung der Konventionsrechte bezieht, liegt es nahe, daß der Menschenrechtsausschuß auch bei den einzelnen Rechten keine direkte Horizontalwirkung sieht. Die anderen Konventionsorgane der UN-Menschenrechtspakte haben sich, mit Ausnahme des Committee on the Rights of the Child (CRC), bisher nur zu den staatlichen Schutzpflichten geäußert. Das CRC sieht auch 497

GC Nr. 17 von 2005, Ziff. 55, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 144. 498 GC Nr. 18 von 2005, Ziff. 52, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 159. 499 GC Nr. 31 von 2004, Ziff. 8, UN Doc. HRI/GEN/1/Rev.8 vom 8.5.2006, S. 235.

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eine Verantwortung (responsibility) von nicht-staatlichen Akteuren für die Einhaltung der Kinderrechte. Es verweist dabei auf die anfangs zitierte Ausführung des CESCR in GC Nr. 14.500 Aber auch hier ist es nicht wahrscheinlich, daß der Kinderrechtsausschuß damit eine direkte völkerrechtliche Verpflichtung von Privaten gemeint hat. Vielmehr dürfte es sich auch hier ein Hinweis auf den nötigen staatlichen Schutz vor privaten Beeinträchtigungen handeln. ff) Menschenrechtsverständnis und Position der Staaten Die bisherige Analyse hat sich stark auf den Text der menschenrechtlichen Verträge gestützt. Trotz einiger Bestimmungen, die Auslegungsspielraum bieten, ist das Ergebnis für eine direkte Bindung Privater, vom Sklavereiverbot abgesehen, dürftig. Das ist aus der historischen Entwicklung des Menschenrechtsverständnisses heraus auch nicht verwunderlich. Wie oben [B.IV.1.e)aa)] schon kurz angesprochen sollte mit der Allgemeinen Erklärung und den nachfolgenden Menschenrechtsverträgen primär die Rechtsstellung des einzelnen gegenüber dem Staat gestärkt werden.501 Aus diesem Blickwinkel heraus war es auch nicht unbedingt notwendig, Pflichten des einzelnen auf der Völkerrechtsebene festzulegen, denn die einzelnen nationalen Rechtsordnungen enthalten bereits eine Vielzahl von Pflichten des einzelnen gegenüber dem Staat und anderen Personen. Die direkte Bindung an die Menschenrechte hätte die Position des einzelnen belastet und es war ja gerade das Ziel, mit dem Menschenrechtsschutz seine rechtliche Position zu verbessern. Im innerstaatlichen Bereich mag der Weg von der mittelbaren Drittwirkung zur unmittelbaren, das heißt zur direkten Bindung Privater an die Menschenrechte, gedanklich recht kurz sein, wie das exemplarisch die Argumentation von Alexy zeigt, der ja in jeder mittelbaren auch eine unmittelbare Drittwirkung sieht.502 Auf der völkerrechtlichen Ebene ist aber ein solch schneller Sprung mit Skepsis zu betrachten. Das liegt an der historischen Staatenzentriertheit der Völkerrechtsordnung, die man bedauern kann. Diese Staatenzentriertheit ist zwar heute vor allem durch den völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz wesentlich abgemildert und durchlöchert worden. Gleichwohl bildet sie aber ein Erbe, das nicht einfach beiseite gewischt werden kann. Diese staatenzentrierte Sichtweise läßt einige Staaten vor der Schaffung privater völkerrechtlicher Pflichten zurückschrecken. Die Ansichten der Staaten müssen für die Interpretation der Menschenrechtsver500 501 502

GC Nr. 5 von 2003, Ziff. 56, UN Doc. CRC/GC/2003/5. B.IV.1.e)aa). s. o. B.IV.1.b)cc)(2).

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träge berücksichtigt werden, spielen sie doch für eine dynamische Vertragsauslegung eine gewichtige Rolle.503 (1) Position der Regierungen Schon bei der Erörterung des Vorentwurfs einer UN-Erklärung zur sozialen Verantwortung des Menschen504 wurde deutlich, daß zumindest einige westliche Staaten erhebliche Probleme haben, völkerrechtliche Pflichten des einzelnen anzuerkennen, obwohl in dem Entwurf nicht einmal rechtliche Pflichten festgelegt werden sollen. Als ein weiteres Beispiel können hier die Äußerungen der Staatenvertreter in der nunmehr durch den Menschenrechtsrat (Human Rights Council) abgelösten Menschenrechtskommission (Commission on Human Rights) der Vereinten Nationen zur Frage des Terrorismus angeführt werden. Beginnend in den 90er Jahren bis 2003 hat die Kommission in schöner Regelmäßigkeit eine Resolution verabschiedet, in der Terrorakte und der Terrorismus insgesamt verurteilt wurden.505 Insbesondere westliche Staaten haben diese Resolutionen in der Kommission kritisiert. Dabei wendeten sie sich natürlich nicht gegen die Verurteilung des Terrorismus an sich. Stein des Anstoßes war vielmehr die in den Erwägungsgründen der Resolutionen enthaltene Aussage, daß Terroristen mit ihren Taten schwere Menschenrechtsverletzungen begehen. Ihre Ablehnung begründen diese Staaten damit, daß mit dieser Aussage die Terroristen an die Menschenrechte gebunden und sie dadurch einen völkerrechtlichen Status gleich dem der Staaten erlangen würden. Nur die Staaten aber seien Verpflichtete der völkerrechtlichen Menschenrechte. Die Terroristen hingegen würden „lediglich“ Verbrechen begehen.506 Die Vertreterin der USA trug zur Resolution von 1996 sogar vor, 503 Es ist als Norm des Völkergewohnheitsrechts anerkannt, daß das Verhalten der Vertragsparteien nach Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages zur Auslegung herangezogen werden kann; siehe dazu McDougal/Laswell/Miller, The Interpretation of International Agreements and World Public Order, S. 132 f.; McNair, Law of Treaties, S. 424–427 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. Dieser Grundsatz wurde mittlerweile in Art. 31 III, lit. b WVRK kodifiziert; siehe dazu Köck, Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention, S. 42–44. 504 s. o. B.IV.1.e)aa)(3). 505 UN Commission on Human Rights Res. „Human Rights and Terrorism“ E/CN.4/RES/1994/46, E/CN.4/RES/1995/43, E/CN.4/RES/1996/47, E/CN.4/RES/ 1997/42, E/CN.4/RES/1998/47, E/CN.4/RES/1999/27, E/CN.4/RES/2000/30, E/CN.4/RES/2001/37, E/CN.4/RES/2002/35, E/CN.4/RES/2003/37. 506 Crook, The Fiftieth Session of the UN Commission on Human Rights, 88 Am. J. Int’l L. 806, 814 (1994); Crook, The Fifty-First Session of the UN Commission on Human Rights, 90 Am. J. Int’l L. 126, 132 (1996); UN Press Release, UN Doc. HR/CN/99/59 vom 26.4.1999; Dennis, The Fifty-Fifth Session of the UN

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wenn man Terrorakte als Menschenrechtsverletzungen beschreibe, würde man den Terroristen ein Maß an Legitimität zugestehen, den sie mit ihren schrecklichen Taten gerade zu erreichen suchten.507 Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA gab es zwar keine Gegenstimmen mehr gegen die Resolution, die sich der Stimme enthaltenden und in der Menschenrechtskommission vertretenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ebenso wie Argentinien, Chile, Kanada und Kroatien508 blieben aber bei ihrer Rechtsauffassung, daß private Terrorakte rechtlich keine Menschenrechtsverletzungen darstellen.509 Immerhin gestanden die EU-Mitgliedstaaten zu, daß Terrorakte eine Aggression, die den internationalen Frieden und die Sicherheit bedroht, darstellen können.510 Warum diese Staaten meinen, eine direkte Bindung an die völkerrechtlichen Menschenrechte würde den Terroristen einen Status wie den Staaten verleihen, wird aus ihren Äußerungen nicht deutlich. Erstaunlich ist auch die eben dargestellte Rechtsauffassung der USA. Wörtlich genommen würde sie bedeuten, daß man durch Menschenrechtsverletzungen Legitimität erlangt. Es ist schwer vorstellbar, daß dies gemeint war. Es scheint aber so zu sein, daß die westlich orientierten Staaten das rechtliche Monopol für Menschenrechtsverletzungen behalten wollen. Dabei ist aus der Formulierung der Resolutionen nicht klar ersichtlich, ob darin eine formal-rechtliche Bindung der Terroristen an die Menschenrechte zum Ausdruck kommt oder ob nur die faktische Verletzung von Menscherechten gemeint ist. Letzteres wird man wohl kaum bestreiten können. Zumindest haben aber die westlichen Staaten die Resolutionen im Sinne einer formal-rechtlichen Bindung verstanden. Was hier wiederum durchzuschimmern scheint, ist die Ansicht, daß die direkte Bindung eines Privaten an das Völkerrecht diesen irgendwie auf eine Stufe mit den Staaten stellen, Commission on Human Rights, 94 Am. J. Int’l L. 189, 192 f. (2000); Dennis, The Fifty-Sixth Session of the UN Commission on Human Rights, 95 Am. J. Int’l L. 213, 214 f. (2001); Dennis, The Fifty-Seventh Session of the UN Commission on Human Rights, 96 Am. J. Int’l L. 181, 183 (2002). 507 Dennis, The Fifty-Sixth Session of the UN Commission on Human Rights, 91 Am. J. Int’l L. 167, 170 (1997). 508 Commission de Droits de L’Homme, Comte rendu analytique de la 50. séance, UN Doc. E/CN.4/2002/SR.50 vom 30.7.2002, Rz. 70, 67, 73, 75. 509 Der stellvertretend für die anderen EU-Mitgliedstaaten sprechende Vertreter Spaniens trug auch die Rechtsansicht der EU vor, UN Doc. E/CN.4/2002/SR.50 vom 30.7.2002, Rz. 72; Dennis, Human Rights in 2002: The Annual Sessions of the UN Commission on Human Rights and the Economic and Social Council, 97 Am. J. Int’l L. 364, 366 (2003). 510 Dennis, Human Rights in 2002: The Annual Sessions of the UN Commission on Human Rights and the Economic and Social Council, 97 Am. J. Int’l L. 364, 366 (2003).

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ihm also so etwas wie Souveränität verleihen würde. Diese Ansicht wurde bereits oben als nicht stichhaltig zurückgewiesen.511 Die dargestellten Rechtsauffassungen sind aber gleichwohl bei der Auslegung der menschenrechtlichen Verträge zu berücksichtigen. Die hier aufgeführten Aussagen sind durchaus verallgemeinerungsfähig. Unmittelbarer Anlaß waren zwar Handlungen von Terroristen. Wenn die westlichen Staaten bei dieser Gelegenheit aber verlauten lassen, daß nur der Staat an die völkerrechtlichen Menschenrechte gebunden ist, dann schließt das auch andere private Akteure von einer Bindung aus. Speziell zur Frage der Bindung privater Unternehmen an die Menschenrechte hatten die Staaten nach der Veröffentlichung der UN-Norms Gelegenheit Stellung zu nehmen. Nur gut 20 Staaten und die EU haben davon Gebrauch gemacht.512 Einige Staaten gehen dabei gar nicht auf die spezielle Problematik der Bindung privater Unternehmen an die Menschenrechte in den UN-Norms ein, sondern beschreiben lediglich eigene Aktivitäten im Bereich der freiwilligen sozialen Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) oder stellen nationale Gesetze im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts dar.513 Die meisten Stellungnahmen erkennen die Bedeutung der sozialen Unternehmensverantwortung an. In der Stellungnahme der EU, die sich auch zahlreiche EU-Mitgliedstaaten514 zu eigen machen, wird auf die primäre Verantwortung der Staaten verwiesen, in der eigenen Rechtsordnung für die Durchsetzung der Menschenrechte auch gegenüber privaten Akteuren zu sorgen515. Die Unternehmen seien verpflichtet sich an die nationalen Gesetze zu halten. Allerdings wird eine Verantwortlichkeit (responsibility) der Unternehmen angenommen, sich nicht an Menschenrechtsverletzungen zu beteiligen.516 Aus dem Zusammenhang der Stellungnahme ergibt sich aber, daß damit keine rechtliche Verantwortlichkeit gemeint ist.517 Die Schweiz und Deutschland betrachten die UN-Norms als interessanten Diskussionsbeitrag, ohne sich aber bezüglich 511

B.II.4. Die Stellungnahmen waren anfangs auf der Internetseite des UN-Hochkomissars für Menschenrechte zugänglich (http://www.ohchr.org). Im Zuge einer Umstrukturierung der entsprechenden Unterseite (http://www2.ohchr.org/english/issues/ globalization/business/index.htm) sind die Verlinkungen mittlerweile aber nicht mehr vorhanden. Die Stellungnahmen können aber direkt über das Büro des Hochkommissars bezogen werden. 513 So die Stellungnahmen von Mauritius, Kroatien, den Philippinen und Schweden. 514 Dies sind Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Polen, Tschechien und Ungarn. 515 Ziff. 7 Stellungnahme EU. 516 Ziff. 7 Stellungnahme EU. 517 Dies ergibt sich insbesondere aus Ziff. 6 Stellungnahme EU. 512

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der Frage einer menschenrechtlichen Bindung von Unternehmen festzulegen. Dagegen lehnen Australien, Kanada und die USA dezidiert eine direkte völkerrechtliche Bindung privater Unternehmen im Menschenrechtsbereich ab. Etwas vorsichtiger äußert sich das Vereinigte Königreich. Es hält eine Bindung von Unternehmen dann für diskussionswürdig, wenn ein Staat unfähig oder unwillig sei, die Menschenrechte durchzusetzen, warnt aber gleichzeitig davor, private Unternehmen an die Stelle des Staates zu setzen.518 Lediglich Kuba äußert sich positiv zu den UN-Norms. Zusammenfassend muß man festhalten, daß ein nicht unerheblicher Anteil der Staaten einer direkten menschenrechtlichen Bindung privater Akteure skeptisch bis ablehnend gegenüber steht. (2) Haltung der US-Gerichte Die Aussagen der amerikanischen Gerichte zu den bisher erörterten menschenrechtlichen Verträgen sind bezüglich einer Verpflichtung Privater, abgesehen von dem oben zitierten Beispiel, äußerst dürftig. Wenn mal konkret solche Vertragsbestimmungen erörtert werden, dann bezüglich einer Verpflichtung, die sich nur auf staatliches Handeln bezieht519 (state action requirement) und als Verweis für existierendes Gewohnheitsrecht520. Dazu lassen sich im wesentlichen zwei Gründe anführen. Nach dem ATCA kann ein völkerrechtlicher Vertrag nur dann herangezogen werden, wenn die USA selbst Vertragspartei sind (or a treaty of the United States). Die USA haben aber im menschenrechtlichen Bereich nicht so viele Verträge ratifiziert wie zum Beispiel einige europäische Staaten. Damit der US-Präsident einen völkerrechtlichen Vertrag ratifizieren kann, bedarf er der Zustimmung des US-Senats (advise and consent). Bei menschenrechtlichen Verträgen hat es sich der Senat aus verschiedenen Gründen zur Regel gemacht, seine Zustimmung mit einer Erklärung zu versehen, daß die Bestimmungen des jeweiligen Vertrages im innerstaatlichen Bereich von den Gerichten nicht angewendet werden können (non-self-executing Charakter der Vertragsnormen). Nach der Rechtsprechung des Supreme Court können Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages nur dann direkt von amerikanischen Ge518

Ziff. 5 Stellungnahme Vereinigtes Königreich. Siehe z. B. Cabelo v. Fernandez-Larios, 157 F.Supp.2d 1345, 1349-50, 1360 (S. D. Fla. 2001); extralegale Hinrichtung eines hohen Beamten der Allende-Regierung durch einen Angehörigen der chilenischen Armee nach dem Putsch Pinochets als Verstoß gegen Art. 6 IPBPR. 520 Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 2002 WL 319887, 1, 6 (S. D. N. Y. 2002); Verweis auf UNFolterK zur Bekräftigung des gewohnheitsrechtlichen Folterverbots und auf Art. 12 IPBPR als Nachweis eines gewohnheitsrechtlichen Verbots von Zwangsexil. 519

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richten angewendet werden, wenn sie self-executing sind, was bedeutet, sie bedürfen keiner weiteren innerstaatlichen Umsetzung. Würden also Gerichte, die mit einem solchen Zusatz versehenen Verträge direkt anwenden, würden sie sich dem Vorwurf aussetzen, die Erklärung des Senats zu mißachten. Der Supreme Court hat jüngst in der Entscheidung Sosa v. Alvarez Machain521 klargestellt, daß im Rahmen des ATCA Vertragsbestimmungen, die der Senat als non-self-executing deklariert hat, nicht angewendet werden können.522 Darüber hinaus werden in der US-Rechtsprechung auch einige menschenrechtlich relevante Verträge, wie zum Beispiel die Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konventionen auch ohne eine solche Erklärung des Senats als non-self-executing betrachtet und können daher nicht in einem ATCA-Verfahren herangezogen werden.523 gg) Bedeutung für Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbot Hier taucht natürlich die Frage auf, ob die eben geschilderte Haltung der Vertragsorgane und vieler Staaten nicht gegen die Annahme einer direkten Bindung Privater an die Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbote in den zitierten Verträgen spricht. Diese Haltung bezieht sich aber sehr pauschal auf die Verträge. Differenzierungen zwischen den einzelnen Gewährleistungen werden nicht gemacht. Weder die Vertragsorgane noch die Staaten setzen sich näher mit dem Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbot auseinander. Zudem kann man zumindest beim Sklavereiverbot mit einem relativ klaren Wortlaut für eine Bindung Privater argumentieren. Die Äußerungen der Staaten und der Vertragsorgane sind deshalb nicht geeignet etwas an der Verpflichtung der Privaten durch diese Verbote zu ändern. hh) Offenheit der Frage einer direkten Verpflichtung Privater Wurde hier die Auffassung vertreten, daß sich aus den menschenrechtlichen Verträgen, mit Ausnahme von Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbot, eine direkte Bindung Privater nicht überzeugend begründen läßt, so ist aber doch die oben dargestellte gegenteilige Auffassung nicht unvertretbar. Auch in der deutschen Verfassungslehre gelangten ja sowohl die Vertreter der direkten als auch diejenigen der mittelbaren Drittwirkung mit dem gleichen 521

124 S.Ct. 2739 (2004). Siehe dazu auch die Kritik an der Entscheidung Cabelo v. Fernandez-Larios (s. o. Fn. 519) in Aldana v. Del Monte Fresh Produce, 416 F.3d 1242, 1247 (11th Cir. 2005). 523 Siehe z. B. Iwanowa v. Ford Motor Co., 67 F.Supp.2d 424, 439, Fn. 16 (D. N. J. 1999). 522

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Normtext und dem gleichen juristischen Handwerkszeug zu ihren unterschiedlichen Ergebnissen. Es ist also weniger eine Frage juristischer Methodik, als vielmehr eine der rechtspolitischen Einstellung, ob man Private direkt an die menschenrechtlichen Verträge gebunden sieht. Die überwiegend ablehnende Einstellung der westlichen Staaten kann sich durchaus ändern. Immerhin haben sie akzeptiert, daß die menschenrechtlichen Verträge ihnen Schutzpflichten auferlegt und so privates Verhalten durch die Menschenrechte schon erfaßt ist. Allerdings stellt eine generelle Bindung Privater an die Menschenrechte aus der Sicht dieser Staaten ein erheblich größerer Schritt dar, da sie ihre Stellung als alleinige Verpflichtete der Menschenrechtsverträge verlieren würden. Da zumindest, wie gerade gezeigt, die westlichen Staaten auch nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 an ihrer Haltung festgehalten haben, ist hier nicht mit einem schnellen Wandel zu rechnen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, von völkerrechtlichen Normen deutlichere Hinweise für die Annahme unmittelbarer völkerrechtlicher Pflichten für Private zu verlangen, als es in den bisherigen menschenrechtlichen Verträgen der Fall ist. 2. Gewohnheitsrecht a) Allgemein Die Frage, ob die in diesem Abschnitt diskutierten Menschenrechte auch gewohnheitsrechtlich gelten, ist durchaus umstritten. Nach einer Ansicht, soll die gesamte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mittlerweile gewohnheitsrechtlich gelten.524 Weit häufiger ist jedoch die Meinung anzutreffen, nur die fundamentalsten Menschenrechte genießen den Status des Gewohnheitsrechts.525 Dieser Ansicht ist auch der IGH, wie er es in einem obiter dictum in der Entscheidung Barcelona Traction zum Ausdruck gebracht hat (basic rights of the human person).526 Man kann hier die Frage stellen, ob neben dem Element der Rechtsüberzeugung das für die Entstehung eines Völkergewohnheitsrechtsatz ebenfalls erforderliche Element der allgemeinen Übung angesichts der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen weltweit vorhanden ist.527 Diesem Einwand kann man aber begegnen, indem man die dauernde 524

McDougal/Lasswell/Chen, Human Rights and World Public Order, S. 274,

325. 525 Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 317 (S. D. N. Y. 2003). 526 Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), Judgment 5.2.1970, ICJ Rep. 1970, 4, 32 Ziff. 34.

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verbale Bekräftigung der Verbindlichkeit zumindest der grundlegenden Menschenrechte durch die Staaten, ihrer Vertreter in der UNO und durch die UN selbst als die relevante Praxis ansieht.528 Das ist zwar eine Abweichung vom traditionellen Konzept des Völkergewohnheitsrechts, da hier als relevante Praxis eigentlich der Ausdruck von Rechtsüberzeugung herangezogen wird und damit das Gewohnheitsrecht nur noch aus diesem Element besteht. Seine Rechtfertigung findet dieses Vorgehen aber darin, daß die Menschenrechtsverletzungen entweder nicht offen geschehen und die Verletzerstaaten sich bemühen, sie zu vertuschen, oder die Staaten ihre Taten zu rechtfertigen versuchen, was aber nur die grundsätzliche Geltung der Menschenrechtsnorm bestätigt.529 So stellen die Verletzungen dann Normbrüche dar, ändern aber nichts an der gewohnheitsrechtlichen Geltung der wichtigsten Menschenrechte. In der Literatur werden verschiedene grundlegende Menschenrechte genannt, die auch gewohnheitsrechtlich gelten sollen. Als gemeinsamer harter Kern haben sich dabei die Verbote des Völkermordes, der Sklaverei, der extralegalen Tötung, der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, der willkürlichen und längeren Inhaftierung und der systematischen Rassendiskriminierung herauskristallisiert.530 Selbst wenn man aber der Meinung folgt, daß die gesamte AEMR mittlerweile zu Gewohnheitsrecht erstarkt ist, bedeutet dies noch nicht automatisch eine gewohnheitsrechtliche Bindung Privater an diese Menschenrechte. Oben wurde bereits gezeigt, daß die Formulierungen in der Präambel und in einzelnen Artikeln der AEMR zwar durchaus Private ansprechen, für eine konkrete Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte aber von ihrem Wortlaut her noch nicht ausreichend sind.531 Wenn man dem eben beschriebenen Modell des Gewohnheitsrechts im Menschenrechtsbereich folgt, dann müßte man eine allgemeine Meinung bei den Staaten feststellen können, daß auch Private unmittelbar an die Menschenrechte gebunden sind. Bei der Erörterung des Menschenrechtsverständnisses der Staaten wurde oben schon gezeigt, daß dies zur Zeit nicht der Fall ist.532 Die aufgeführten negativen Äußerungen insbesondere der westlich orientierten Staa527 Siehe ausführlich dazu Simma/Alston, The Sources of Human Rights Law, S. 10 ff. 528 Schachter, International Law in Theory and Practice, RdC 178 (1982 V), 336. 529 Siehe zu dieser Argumentationsmöglichekit die Entscheidung des Jugoslawientribunals in Furundzija. (IT-95-17/1), TC Judgement, 10.12.1998, Ziff. 138; vgl. Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 82 f. 530 Casese, International Law, S. 394; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 78 f.; American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, § 702; Schachter, International Law in Theory and Practice, RdC 178 (1982 V), 336. 531 s. o. B.IV.1.e)aa)(1). 532 s. o. B.IV.1.e)ff)(1).

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ten unterscheiden dabei nicht zwischen der Geltung der Menschenrechte durch völkerrechtlichen Vertrag und durch Gewohnheitsrecht, sondern beziehen sich offensichtlich auf beide Rechtsquellen. Bezieht sich diese Feststellung auf die Breite der menschenrechtlichen Gewährleistungen, so schließt sie doch nicht aus, daß ausnahmsweise einzelne Menschenrechte dennoch unmittelbar Private binden. Wie schon bei dem Vertragsrecht bedarf das Sklavereiverbot besonderer Betrachtung. Zuvor wird aber noch die völkerrechtliche Erfassung der Seeräuberei behandelt. b) Pirateriebekämpfung Die Piraterie ist durchaus kein Phänomen aus grauer Vorzeit.533 Dazu genügt ein Blick in die Tagespresse.534 Der Indische Ozean und die Südchinesische See sind dafür besondere Brennpunkte. aa) Definition Piraterie ist im wesentlichen Raub auf Hoher See, der von Privaten von einem Schiff zu eigennützigen Zwecken gegen ein anderes Schiff, deren Besatzung oder Passagiere verübt wird.535 Eine vertragliche Definition der Seeräuberei findet sich in Art. 101 UN-Seerechtsübereinkommen536. Die dortige Definition dürfte das geltende Gewohnheitsrecht wiedergeben.537 Von der Piraterie können also die Freiheit, die Gesundheit, das Leben und das Eigentum betroffen sein, alles Rechtsgüter, die menschenrechtlich geschützt sind. Piraterie ist ein Delikt, das nur von Privaten begangen werden kann.538 Staatliche Täter kommen dafür nicht in Betracht, es sei denn, die 533 Vgl. aber Cassese, International Criminal Law, S. 4, der die Piraterie für obsolet hält. 534 Siehe z. B. AP, U. S. destroyer chases down suspected pirate ship, 22.1.2006, http://us.cnn.com/2006/WORLD/africa/01/22/navy.pirates.ap/index.html; dpa, Piraten vor Somalia: Marine schützt „MS Deutschland“, 9.11.2005, http://www.n24.de/ index.php? a2005110914122360495; Die Welt, Piraten kapern UN-Frachter, 13.10.2005, A. Seith, Somalia wird zum Piratenparadies, Spiegel-Online 20.7.2005, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,365946,00.html; Spiegel-Online, Heftige Piratenattacken vor Afrikas Küsten, 27.11.2006; http://www.spiegel.de/wirtschaft/ 0,1518,450882,00.html. 535 Grassi, Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, S. 277; siehe dazu auch die Definition in United States v. Smith, 18 U. S. 153, 154 (1820) nach der aber auf alle Fälle Raub oder Plünderung vorliegen muß. 536 s. o. Fn. 85; diese Definition erweitert die Piraterie noch um den Angriff auf Luftfahrzeuge und um Orte, die keine staatliche Hoheitsgewalt unterstehen. 537 Brownlie, International Law, S. 229. 538 Kelsen, Principles of International Law, S. 124.

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Besatzung eines Staatsschiffes meutert und begeht dann eine seeräuberische Handlung (Art. 102 UN-Seerechtsübereinkommen). In diesem Fall ist es aber schwer von staatlichen Tätern zu sprechen. Das UN-Seerechtsübereinkommen enthält selbst kein ausdrückliches Verbot der Piraterie. Das Abkommen ermächtigt die Vertragsstaaten aber auf der Hohen See, Seeräuberschiffe aufzubringen und die an Bord befindlichen Personen durch eigene nationale Gerichte abzuurteilen (Art. 105).539 bb) Piraterie und Weltrechtsprinzip Diese Berechtigung der Staaten ohne besonderen Anknüpfungspunkt Piraten auf Hoher See zu fangen und vor nationalen Gerichten abzuurteilen, wird schon seit mehreren hundert Jahren als Satz des Völkerrechts angenommen.540 Das zeigen beispielhaft einige Urteile des amerikanischen Supreme Court von 1820.541 Der Pirat wird als ein hostis humani generis angesehen, also als ein Feind der gesamten Menschheit.542 Diese Norm ist eine frühe und war lange Zeit die einzige Verwirklichung dieses sogenannten Weltrechtsprinzips.543 cc) Gewohnheitsrechtliches Verbot der Piraterie Es ist umstritten, ob darüber hinausgehend das Völkergewohnheitsrecht die Piraterie an sich verbietet. Eine Meinung will die völkerrechtliche Erfassung der Piraterie auf die Anwendung des Weltrechtsprinzips beschränken. Diese Meinung führt als Argument an, die Staaten hätten Piraten immer nur gemäß ihrem nationalen Recht bestraft, eine völkergewohnheits539

Das Seerechtsübereinkommen enthält keine Verpflichtung zu Strafverfolgung durch die Staaten. Zur Farge einer völkerrechtlichen Bindung Privater durch vertragliche Verpflichtungen zur staatlichen Strafverfolgung siehe die Ausführungen zum Völkerstrafrecht im weiteren Sinne, unten B.V.3. 540 Kontorovich, The Piracy Analogy, 45 Harv. Int’l L. J. 183, 190 (2004). 541 United States v. Klintock, 18 U. S. 144, 147 f., 152 (1820); United States v. Smith, 18 U. S. 153, 162 (1820); United States v. Furlong, 18 U. S. 184, 197 (1820). 542 Blackstone, Commentaries IV, S. 71; Blum/Steinhardt, Federal Jurisdiction over International Human Rights Claims, 22 Harv. Int’l L. J. 53, 60 (1981); siehe auch die Ausführungen des amerikanischen Justizministers (attorney general) in United States v. Klintock, 18 U. S. 144, 147 (1820) und United States v. Smith, 18 U. S. 153, 156 (1820). 543 Kontorovich, Implementing Sosa v. Alvarez Machain: What Piracy Reveals About the Limits of the Alien Tort Statute, 80 Notre Dame L. Rev. 111, 135 (2004); vgl. United States v. Layton, 509 F.Supp. 212, 223 (N. D. Cal. 1981). Siehe zum Weltrechtsprinzip ausführlicher unten Abschnitt D.II.

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rechtliche Verbotsnorm lasse sich so nicht nachweisen.544 Nach dieser Meinung würde, abgesehen vom Weltrechtsprinzip, das Völkergewohnheitsrecht also nur eine Definition der Piraterie bereithalten, ohne diese selbst schon zu verbieten. In der Tat wurden Piraten von amerikanischen und englischen Gerichten unmittelbar nur aufgrund einer nationalen Strafnorm abgeurteilt. Dies hat dann zu zahlreichen Diskussionen geführt, ob die in diesen nationalen Normen enthaltene Definition der Piraterie mit der des Völkerrechts übereinstimmt.545 Aber zumindest einigen frühen Urteilen des amerikanischen Supreme Court läßt sich die Aussage entnehmen, die Piraterie verstoße auch gegen das law of nations.546 In der Entscheidung United State v. Smith faßt der Richter Story den damaligen Meinungsstand in der Literatur in diesem Sinne zusammen.547 Besonders erwähnt werden muß hier der englische Richter Blackstone, der in seinen Commentaries in dem Kapitel über die „Offences against the Law of Nations“ Piraterie als ein „offence against the universal law of society“ bezeichnete.548 Das law of nations war damals noch stark naturrechtlich geprägt549 und sollte nicht mit unserem heutigen Völkerrechtsverständnis gleichgesetzt werden, die Richtung zu einem weltweiten gewohnheitsrechtlichen Verbot ist aber klar abzusehen. 1927 spricht der Richter des Ständigen Internationalen Gerichtshofes Moore in seiner abweichenden Meinung zum Lotus-Fall ebenfalls von der Piraterie als einem Verstoß gegen das law of nations.550 Mit dem law of nations wurden zu diesem Zeitpunkt keine naturrechtlichen Vorstellungen mehr verbunden, sondern damit war das Völkergewohnheitsrecht gemeint. Auch jüngere Äußerungen für ein völkerrechtliches Verbot der Piraterie lassen sich in der Literatur finden.551 Ein völkerrechtliches Verbot der Piraterie muß sich aber logischerweise unmittelbar gegen Private richten, denn nur sie können die Piraterie ausüben. 544 Korowicz, The Problem of the International Personality of Individuals, 50 Am. J. Int’l L. 533, 545 (1956). 545 Dickinson, Is the Crime of Piracy Obsolete?, 38 Harv. L. Rev. 334, 342-44 (1925). 546 United States v. Smith, 18 U. S. 153, 162 (1820); The Marianna Flora, 11 Wheat. 1, 41 (1825); The Brig Malek Adhel, 43 U. S. 210, 229 f. (1844). 547 United States v. Smith, 18 U. S. 153, 162–63 (1820). 548 Blackstone, Commentaries IV, S. 66, 71. 549 Blackstone definiert das law of nations als ein „system of rules, deducible by natural reason, and established by universal consent among the civilized inhabitants of the world“, Commentaries IV, S. 66. 550 Lotus Case, PCIJ, Ser. A, No.10 (1927), S. 70. 551 Grassi, Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, S. 278; Kelsen, Principles of International Law, S. 124; Nguyen Quoc/Daillier/Pellet, Droit International Public, S. 706 f.; in diese Richtung auch O’Connell, International Law II, S. 658.

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dd) Neuere Gerichtsentscheidungen Die jüngsten Entscheidungen der amerikanischen Bundesgerichte bestätigen das völkergewohnheitsrechtliche Piraterieverbot. Bisher wurde zwar noch kein Privater wegen Piraterie verklagt, aber einige Gerichte haben im Rahmen von ATCA-Verfahren die Piraterie als ein frühes Beispiel einer völkerrechtlichen Norm genannt, die direkt Private bindet. Schon im ersten modernen ATCA-Verfahren, in Filártiga, findet sich ein Verweis auf den Piraten als hostis humani generis und zwar im Hinblick auf seine zivilrechtliche Verantwortlichkeit.552 In Tel-Oren v. Libyan Arab Republic zählte der Richter Edwards das völkerrechtliche Verbot der Piraterie zu den frühen Ausnahmen eines rein staatengerichteten Völkerrechts, obwohl nicht ganz klar wird, ob er schon eine direkte völkerrechtliche Bindung des Privaten annimmt.553 Aber in Karadzic wird mit Verweis auf die frühe amerikanische Rechtsprechung ein gewohnheitsrechtliches Verbot der Piraterie angenommen, das sich direkt gegen Private richtet.554 Der amerikanische Supreme Court hat jüngst in Sosa v. Alvarez-Machain die Piraterie als völkerrechtlich verboten beschrieben und dieses Verbot als eine der wenigen Völkerrechtsnormen angesehen, auf die sich der ATCA ursprünglich bei seinem Erlaß 1789 bezogen haben muß. Da nach Ansicht des Supreme Court eine Klage aufgrund des ATCA gegen eine private Partei nur dann Erfolg haben kann, wenn auch der Private eine Völkerrechtsnorm verletzt hat, muß der Supreme Court von einer direkten Bindung Privater durch das Piraterieverbot ausgehen.555 ee) Ansicht der westdeutschen Bundesregierung und der EU-Kommission Wenn man nun nach Stimmen von Regierungen oder regierungsähnlichen Institutionen für ein gewohnheitsrechtliches Verbot der Piraterie sucht, so lassen sich zumindest Äußerungen der Europäischen Kommission und der deutschen Bundesregierung feststellen. Die Kommission hat im Sosa-Verfahren ein Amicus Curiae Brief verfaßt, in dem sie ein gewohnheitsrechtliches Piraterieverbot, das sich unmittelbar an Private richtet, bejaht.556 Die westdeutsche Bundesregierung hat 1976 in einer Antwort auf einen FrageFilártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 890 (2nd Cir.). Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 794 f. (D. C. Cir. 1984). 554 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 239 (1995). 555 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2756, 2765-66, Fn. 20 (2004). 556 Brief of Amicus Curiae the European Commission in Support of Neither Party vom 23.1.2004, 2004 WL 177036, S. 11; für die Begründung des Interesses der Kommission an dieser Stellungnahme siehe S. 2 des Briefs. 552 553

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bogen des UN-Generalsekretärs zur Frage der Pflichten des Individuums die unmittelbare Bindung Privater unter anderem an ein gewohnheitsrechtliches Piraterieverbot angenommen.557 Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob dies für den Nachweis einer gewohnheitsrechtlichen Norm ausreicht. Auf die Modifizierung der Elemente einer gewohnheitsrechtlichen Norm im menschenrechtlichen Bereich wurde bereits hingewiesen [s. o. B.IV.2.a)]. Jedenfalls kann man nicht behaupten, die Annahme einer direkten Bindung Privater an ein Piraterieverbot finde keine Stütze in der Literatur und der Rechtsprechung. ff) Bindung von Unternehmen Bleibt noch zu erörtern, ob das völkergewohnheitsrechtliche Piraterieverbot direkt auch Unternehmen als juristische Personen des innerstaatlichen Rechts erfaßt. Nach den oben gemachten Ausführungen kann man von einer Geltung auch für juristische Personen ausgehen, es sei denn, aus der Norm ergäbe sich, daß sie nur auf Menschen beschränkt sein soll. Dies ist aber bei dem Piraterieverbot nicht erkennbar. Es ist ohne weiteres auch auf private juristische Personen anwendbar. Natürlich kann nur ein Mensch auf der hohen See Piratenhandlungen ausführen. Dies ist aber so mit allen rechtlichen Verboten. Eine juristische Person ist selbst handlungsunfähig. Nur durch Menschen, die für dieses Gebilde handeln, kann sie in Aktion treten. Dies ändert aber nichts an der rechtlichen Bindung der juristischen Person. Sicherlich ist es nicht wahrscheinlich, daß die heute agierenden Piratengruppen, nach dem Gesellschaftsrecht eines Staates verfaßt sind, ihnen also danach Rechtspersönlichkeit zukommt. Ganz auszuschließen ist dies aber nicht. Auch kann man nicht ausschließen, daß gesellschaftsrechtlich verfaßte Unternehmen an der Verwertung der Piratenbeute teilnehmen. c) Sklavereiverbot aa) Gewohnheitsrechtliche Geltung des Sklavereiverbots Das Verbot der Sklaverei gehört zu jenem Kernbestand an Menschenrechten, bei dem von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung auszugehen ist.558 Die gewohnheitsrechtliche Geltung an sich, bedarf hier keiner weiteren Erörterung oder Begründung. Immerhin ist auch der IGH in Barcelona Trac557

Daes, Individual’s Duties, S. 23, 24. Siehe ausführlich zum gewohnheitsrechtlichen Geltung des Sklavereiverbots Rassam, Contemporary Forms of Slavery, 39 Va. J. Int’l L. 303–342 (1999); Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 86. 558

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tion von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung des Sklavereiverbots ausgegangen.559 Fraglich ist hier allein, ob dieses Verbot direkt auch Private bindet. Bei der Erörterung der menschenrechtlichen Verträge wurde schon festgestellt, daß der Wortlaut des Sklavereiverbots auch Private direkt bindet, oder daß zumindest eine solche Bindung begründbar ist. Hier muß nun erörtert werden, ob dies für das Gewohnheitsrecht auch der Fall ist. bb) Gleichlauf von vertraglichem und gewohnheitsrechtlichem Verbot Wenn man davon ausgeht, daß das gewohnheitsrechtliche Verbot der Sklaverei den gleichen Inhalt wie die vertragsrechtlichen Verbote hat, dann kann man auch mit den dort schon vorgebrachten Argumenten von einer direkten Bindung Privater ausgehen. Es liegt nahe, hier von einem Gleichlauf der vertraglichen und der gewohnheitsrechtlichen Norm auszugehen. Nach dieser Überlegung hätte das gewohnheitsrechtliche Sklavereiverbot die gleiche Wirkung wie die vertragsrechtlichen Verbote. cc) Ansichten in Rechtsprechung und Literatur Diese Annahme kann durch die Rechtsprechung der US-Gerichte gestützt werden. Schon in der zitierten Entscheidung Tel-Oren v. Libyan Arab Republic bezieht der amerikanische Bundesrichter Edwards seine oben [B.IV.2.b)dd)] wiedergegebenen Ausführungen zur Piraterie auch auf das Verbot des Sklavenhandels.560 In amerikanischen Urteilen wird häufig nicht genau zwischen Sklaverei und Sklavenhandel unterschieden, so daß man diese Aussage auch auf das Sklavereiverbot beziehen muß. Auf die Ausführungen in Tel-Oren stützte sich der Court of Appeals in der Entscheidung gegen den bosnischen Serbenführer Karadzic. Das Gericht führte aus, daß sich das Völkerrecht nicht ausschließlich an Staaten richte, sondern in einigen wenigen Fällen auch Private direkt binde, wozu auch das Verbot des Sklavenhandels gehöre.561 Auf die Ausführungen in Tel-Oren und Karadzic bezogen sich auch die Zwischenurteile im ATCA-Verfahren gegen Unocal für die Bejahung einer privaten Bindung an das gewohnheitsrechtliche Sklavereiverbot.562 Ebenso führt der District Court von New Jersey in Iwanowa 559 Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), Judgment 5.2.1970, ICJ Rep. 1970, 4, 32 Ziff. 34. 560 726 F.2d 774, 794-5 (D. C. Cir. 1984). 561 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 239-40 (2nd Cir. 1995). 562 John Doe I v. Unocal Corp., 963 F.Supp. 880, 891-2 (C. D. Cal. 1997); National Coalition Government of Union of Burma v. Unocal, Inc., 176 F. R. D. 329,

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v. Ford Motor Co. unter Verweis auf die vorstehenden Entscheidungen das gewohnheitsrechtliche Verbot des Sklavenhandels als ein Beispiel für eine direkte Bindung Privater an.563 Das Talisman-Gericht sieht ebenfalls eine Bindung Privater an das Sklavereiverbot. Das Gericht begründet dies aber mit der Präambel der AEMR. Auf die Problematik dieses Schlusses wurde bereits hingewiesen.564 In der Literatur ist die Frage einer direkten Bindung Privater an das gewohnheitsrechtliche Sklavereiverbot nur selten erörtert worden. Häufig wird einfach ohne nähere Problematisierung der Frage auf die amerikanischen Urteile verwiesen.565 dd) Haltung der Bundesregierung Die westdeutsche Bundesregierung wiederum hat in der oben schon zitierten Antwort auf den UN-Fragebogen die Ansicht vertreten, daß neben dem Piraterieverbot auch das gewohnheitsrechtliche Sklavereiverbot Private direkt bindet.566 ee) Übertragung auf Unternehmen Aus dem gewohnheitsrechtlichen Sklavereiverbot ergibt sich keine Beschränkung auf natürliche Personen. Zumindest sind daran auch Unternehmen gebunden, wenn sie Rechtspersönlichkeit besitzen. d) Verbot der Zwangsarbeit Durch die enge Verbindung zum Sklavereiverbot kann man eine gewohnheitsrechtliche Geltung des Zwangsarbeitsverbots annehmen.567 Wie bei den vertraglichen Verboten muß man auch beim gewohnheitsrechtlichen Zwangsarbeitsverbot von einer unmittelbaren Bindung Privater ausgehen. 348-9 (C. D. Cal. 1997); Doe I v. Unocal Corp., 110 F.Supp.2d 1294, 1307-8 (C. D. Cal. 2000); John Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 945-6 (9th Cir. 2002). 563 67 F.Supp.2d 424, 443-4 (D. N. J. 1999). 564 s. o. B.IV.1.e)aa)(1). 565 Siehe z. B. Goodman/Jinks, Filartiga’s Firm Footing, 66 Fordham L. Rev. 463, 506 (1997); Seibert-Fohr, Deliktshaftung von Unternehmen, ZaöRV 63 (2003), 195, 198, 201; Steinhardt, Corporate Responsibility, S. 196 f.; Stephens, Expanding Remedies for Human Rights Abuses, GYBIL 40 (1997), 117, 131; Stephens, The Amorality of Profit, 20 Berk. J. Int’l L. 45, 75 f. (2002). 566 s. o. B.IV.2.b), Fn. 557. 567 Vgl. Ratner/Abrams, Accountability for Human Rights Atrocities, S. 119.

V. Völkerstrafrecht

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Ebenso wie beim Sklavereiverbot ergibt sich keine Beschränkung auf natürliche Personen, so daß auch private juristische Personen an das Verbot gebunden sind.

V. Völkerstrafrecht Wie bei den Menschenrechten muß auch beim Völkerstrafrecht untersucht werden, ob privaten Akteuren völkerrechtliche Pflichten auferlegt werden. Nach einer Begriffsbestimmung soll dies anhand von drei Schritten erörtert werden. Zunächst ist allgemein zu klären, ob die völkerstrafrechtlichen Normen überhaupt völkerrechtliche Verpflichtungen enthalten. In einem zweiten Schritt muß geprüft werden, ob die Straftatbestände auch private Täter unmittelbar binden. Im Falle einer Bejahung dieser Frage ist schließlich zu klären, ob diese Pflichten auch private Unternehmen treffen. Hier sollen zu diesen Fragen möglichst allgemeine Antworten gefunden werden. Auf die Einzelheiten der mitunter sehr umfangreichen Tatbestände wird deshalb nur insoweit eingegangen, als sie der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen dienen. 1. Begriff: Völkerstrafrecht im engeren und im weiteren Sinne Fraglich ist, was genau unter Völkerstrafrecht zu verstehen ist. Im gegenwärtigen Völkerrecht haben sich verschiedene Arten von Normen herausgebildet, die sich mit der Strafbarkeit von Personen beschäftigen. Auf der einen Seite stehen diejenigen Normen, die eine direkte Strafbarkeit auf der Völkerrechtsebene bewirken. Die Strafbarkeit des Täters folgt also hier unmittelbar aus der Völkerrechtsnorm selbst, sie ist auch materielles Strafrecht.568 Einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es hier nicht.569 Auf der anderen Seite stehen Normen, die den Staat verpflichten, ein bestimmtes Verhalten in seinem nationalen Recht strafbar zu machen. Das zu bestrafende Verhalten ist zwar in der Völkerrechtsnorm näher definiert, die Strafbarkeit folgt unmittelbar aber erst aus der innerstaatlichen Norm.570 Als Beispiel soll hier Art. 4 I UNFolterK dienen, wonach „jeder Vertragsstaat . . . dafür Sorge (trägt), daß nach seinem Strafrecht alle Folterhandlungen als Straftaten gelten“. Die Terminologie in der völkerrechtlichen Literatur für diese beiden Arten von Normen ist nicht einheitlich. Man mag die 568 Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 9; Bassiouni, Crimes against Humanity in International Criminal Law, S. 369; Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 661, Rz. 1. 569 Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 82. 570 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 430, 431, 438.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

erstgenannte Art von Normen als Völkerstrafrecht im engeren und die letztgenannte Art als Völkerstrafrecht im weiteren Sinne bezeichnen (dieser Terminologie soll hier gefolgt werden).571 Manche wollen den Begriff Völkerstrafrecht auch nur auf die erstgenannten Normen beschränken.572 Die Begrifflichkeit muß hier nicht weiter vertieft werden.573 Wichtig ist nur festzuhalten, daß diese unterschiedlichen Arten von „völkerstrafrechtlichen“ Normen existieren. Beide sollen im Folgenden auf unsere Fragestellung hin untersucht werden. 2. Völkerstrafrecht im engeren Sinne a) Entstehungsgeschichte Das eigentliche Völkerstrafrecht hat eine wechselvolle Geschichte erlebt. Diese kann hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden.574 Zum besseren Verständnis der Herkunft und der Quellen sollen hier nur die wichtigsten Wegmarken genannt werden. Ein erster Versuch so etwas wie ein Völkerstrafrecht und ein internationales Gericht dafür zu schaffen wurde nach dem 1. Weltkrieg unternommen. Der ehemalige deutsche Kaiser Wilhelm II sollte vor einen internationalen Gerichtshof gestellt und gemäß Art. 227 des Versailler Friedensvertrages von 1919575 wegen „schwerster Verletzung des internationalen Sittengesetzes und der Heiligkeit der Verträge“ öffentlich angeklagt werden. Die Schwammigkeit dieser „Tatbestände“ deutet schon an, daß es hier um ein politisches Verfahren, weniger um einen richtigen Strafprozeß gehen sollte.576 Das Verfahren wurde aber nie durchgeführt, da die Niederlande die Auslieferung Wilhelms II. ablehnten. 571 Fastenrath, Möglichkeiten und Grenzen repressiven Menschenrechtsschutzes, S. 375–377; vgl. auch Schröder, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 598 f, Rz. 40 f. 572 So z. B. Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 661, Rz. 1. 573 In der englischsprachigen Literatur werden für beide Arten von Normen die Begriffe „international criminal law“ (siehe dazu z. B. Ratner/Abrams, Accountability for Human Rights Atrocities, S. 10 f.) und „international crimes“ verwendet. Siehe auch Werle, Völkerstrafrecht, S. 35, Fn. 153 mit Hinweisen auf den französischen und spanischen Wortgebrauch. 574 Für eingehende Darstellungen siehe Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit; König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 38–148 und für die Zeit bis zu den Nürnberger Prozessen Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 19– 148. 575 RGBl. 1919 II, 687. 576 Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 37.

V. Völkerstrafrecht

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Als den entscheidenden Ausgangspunkt für das Völkerstrafrecht im engeren Sinne muß man daher die Nürnberger und Tokioter Kriegsverbrecherprozesse ansehen. In Nürnberg wurde zum ersten Mal ein internationales Gericht (International Military Tribunal – IMT) geschaffen, der die Angeklagten direkt auf Grund von Straftatbeständen, die durch einen völkerrechtlichen Vertrag577 festgelegt worden waren, abzuurteilen hatte. Vor dem IMT wurde aufgrund von Art. 6 II, lit. a-c IMT-Statuts Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Die gleichen Straftatbestände enthielt auch das Statut des International Military Tribunal for the Far East (IMTFE) in Tokio.578 Dieses beruhte allerdings nicht auf einem völkerrechtlichen Vertrag, sondern wurde durch eine „Special Proclamation“ des Oberbefehlshabers der Alliierten Streitkräfte, des amerikanischen Generals McArthur, erlassen.579 Zu erwähnen sind hier noch die sogenannten Nürnberger Nachfolgeprozesse, die in Deutschland in den vier Besatzungszonen auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10580 (KRG 10) vor Besatzungsgerichten durchgeführt wurden. Die Straftatbestände des KRG 10 entsprachen jenen des IMT-Statuts. Vor den amerikanischen Besatzungsgerichten wurden auch Verfahren gegen hohe Industrielle und ihre Mitarbeiter durchgeführt, also gegen Personen die keine staatlichen Amtsträger waren. Ende 1946 hat dann die UN-Generalversammlung die in der Charta des Nürnberger Kriegsverbrechertribunals und in seinem Urteil enthaltenen völkerrechtlichen Prinzipien ausdrücklich bestätigt.581 1950 hat dann die ILC diese Prinzipien ausformuliert.582 Danach trat eine längere Pause in der Entwicklung ein. Diese wurde aber mit der Schaffung der ad hoc Strafgerichte für die Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien (International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia – ICTY) und Ruanda (International Criminal Tribunal for Rwanda – ICTR) durch den UN-Sicherheitsrat beendet. Ihre Statuten entspringen allerdings nicht völkerrechtlichen Verträgen, sondern wurden durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrates geschaffen.583 577 Statut für den Internationalen Militärgerichtshof, Anhang III des Londoner Vier-Mächte-Abkommens vom 8.8.1945, s. o. Fn. 445. 578 Art. 5 der Charter of the International Military Tribunal for the Far East vom 19.1.1946 (IMTFE-Statut), abgedruckt in: Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 407–410. 579 Bassiouni, Vermächtnis von Nürnberg, S. 15. 580 Abgedruckt in: Jung, Nürnberger Prozesse, S. 226–231. 581 GA Res. 95 (I), Affirmation of the Principles of International Law recognized by the Charter of the Nürnberg Tribunal, 11.12.1946. 582 Formulation of the Nürnberg Principles, YBILC 1950 II, S. 374–378. 583 ICTY: UN Doc. S/25704 Annex, angenommen durch Resolution des Sicherheitsrates S/RES/827 vom 25.5.1993, zuletzt geändert durch S/RES/1481 vom 19.5.2003; ICTR: UN Doc. S/RES/955 vom 8.11.1994 Annex.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

Die darin enthaltenen Straftatbestände umfassen Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.584 Der bisherige Höhepunkt der Entwicklung wurde dann mit der Schaffung des Internationalen Strafgerichtshofes (International Criminal Court – ICC) in Den Haag durch einen völkerrechtlichen Vertrag585 erreicht. Zusätzlich zu den schon in den Statuten des ICTY und des ICTR enthaltenen Straftatbestände ist der ICC auch für das Verbrechen der Aggression zuständig (Art. 5 I, lit. d). Der Tatbestand der Aggression ist allerdings bisher noch nicht näher definiert worden, so daß er im Moment nicht verwendet werden kann.586 b) Rechtsquellen Mit dem ICC-Statut sind die völkerstrafrechtlichen Normen zum ersten Mal allgemein vertragsrechtlich festgeschrieben worden. Allerdings hat das Statut mit gegenwärtig 108 Vertragsstaaten587 noch keine universelle Verbreitung gefunden. Die Lücke wird aber durch das Gewohnheitsrecht geschlossen. Allerdings ist es nicht so einfach auch die gewohnheitsrechtliche Geltung des Völkerstrafrechts festzustellen. Neben Problemen der hinreichenden Bestimmtheit tauchen hier auch die gleichen Probleme, wie bei der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Menschenrechte [s. o. B.IV.2.a)] auf, nämlich eine hinreichende Staatenpraxis festzustellen.588 Allerdings geben die Statuten des ICTY und des ICTR und ihre Entstehungsgeschichte einen deutlichen Hinweis auf eine auch gewohnheitsrechtliche Existenz des Völkerstrafrechts. Um nicht mit dem auch im Völkerstrafrecht geltenden Legalitätsprinzip (nullum crimen/nulla poena sine lege) und dem damit verbundenen Rückwirkungsverbot in Konflikt zu geraten, sollten die Statuten keine neuen Völkerstraftatbestände schaffen, sondern auf schon existierende Tatbestände verweisen. Der UN-Generalsekretär hat in seinem Bericht, der dem Erlaß des Statuts des Jugoslawientribunals vorausging, ausgeführt, das Gericht müsse sich bei seinen Entscheidungen auf die schon existierenden gewohnheitsrechtlich geltenden Regeln des humanitären Völkerrechts stützen.589 Der Be584

Art. 2–5 ICTY-Statut und Art. 2–4 ICTR-Statut. Rome Statute of the International Criminal Court, 37 ILM 1002 (1998), BGBl. 2000 II, 1394, in Kraft getreten am 1.7.2002. 586 Siehe dazu Art. 5 II ICC-Statut. 587 Stand Juli 2008; siehe dazu die Übersicht unter http://www.icc-cpi.int/states parties.html. 588 König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 212 ff. 589 Report of the Secretary General pursuant to paragraph 2 of Security Council resolution 808 (1993), UN Doc. S/25704, 3.5.1993, Ziff. 33 ff.; vgl. dazu auch König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 29. 585

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richt spricht zwar unmittelbar nur von den Regeln des humanitären Völkerrechts selbst und nicht ausdrücklich von gewohnheitsrechtlich geltenden Strafnormen. Die Berufungskammer des ICTY hat dies aber so verstanden, daß das Statut keine neuen Straftatbestände enthält, sondern die Zuständigkeit des Gerichts sich auf schon im Völkergewohnheitsrecht existierende Strafnormen erstreckt.590 Ebenso wollten die Vertragsstaaten des ICC-Statuts bei den ausformulierten Tatbeständen, also bei Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, im wesentlichen Völkergewohnheitsrecht kodifizieren.591 Die Annahme der Gewohnheitsrechtlichen Geltung der eben genannten Tatbestände befindet sich demnach auf sicherem Grund. Das Verbrechen der Aggression muß diesbezüglich einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden.592 c) Direkte völkerrechtliche Bindung Die bisher entstandenen völkerstrafrechtlichen Normen i. e. S. ermöglichen die Bestrafung von natürlichen Personen. Hier greift also das Völkerrecht direkt auf den Menschen zu, indem es ihn strafrechtlich verantwortlich macht. Dies kommt schon in dem oft zitierten Ausspruch des Nürnberger Gerichtshofs zum Ausdruck, daß nicht die Staaten als abstrakte Gebilde völkerrechtliche Verbrechen begingen, sondern Menschen und nur durch ihre Bestrafung könne das Völkerrecht durchgesetzt werden.593 Dies war ein wichtiger Schritt, um die hohen deutschen Amtsträger zur Verantwortung zu ziehen. Die Verteidigung hatte nämlich argumentiert, die Angeklagten könnten nicht verurteilt werden, da das Völkerrecht nur den Staat als juristische Person binde, nicht jedoch den handelnden Amtsträger.594 Diese Sichtweise entsprach durchaus dem traditionellen Völkerrechtsverständnis als ein Recht ausschließlich zwischen den Staaten als abstrakte Gebilde. Danach sind die staatlichen Amtsträger nur durch das innerstaatliche Recht und nicht unmittelbar durch das Völkerrecht gebunden.595 Im heutigen ICC-Statut ergibt sich dieser Grundsatz der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die im Statut enthaltenen Verbrechen aus Art. 25 I und II. 590 Delalic et al. (IT-96-21), AC Decision on application for leave to appeal by Hazim Delic (defects in the form of the indictment), 6.12.1996, IV (b). 591 Siehe dazu aus der Entstehungsgeschichte des ICC-Statuts Bos, in: Cassese/ Gaeta/Jones, ICC Commentary, Bd. I, S. 41, 48; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 152. 592 s. u. B.V.2.d)hh)(2)(a). 593 IMT-Urteil (s. o. Fn. 446) S. 529. 594 IMT-Urteil (s. o. Fn. 446), S. 528. 595 Vgl. Eustathiades, Le Sujets du Droit International et la Responsibilité Internationale, RdC 84 (1953 III), 397, 418.

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Es stellt sich die Frage, ob aus der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eine völkerrechtliche Verpflichtung gefolgert werden kann. Dabei kann man durchaus Anleihen beim nationalen Strafrecht machen. Die Antwort kann aus dem Sinn und Zweck der Strafe gefolgert werden. Die Strafe soll vor allem vor der Begehung der Tat abschrecken596, was in der Strafrechtswissenschaft mit dem Begriff der Generalprävention bezeichnet wird, und eine schon begangene Tat sühnen.597 Dies dient der Einhaltung der Rechtsnormen.598 Rechtsverstöße sollen geahndet werden und mit der Bestrafung soll vor neuen Rechtsverstößen abgeschreckt werden. Der Täter, der eine Strafnorm verletzt begeht also einen Rechtsbruch. Will er sich rechtstreu verhalten, muß er die Begehung der Tat unterlassen oder, im Falle einer Unterlassungstat599, eine bestimmte Handlung vornehmen. Aus einer Strafnorm kann man also eine Unterlassungs- und/oder eine Handlungspflicht folgern.600 Oder anders ausgedrückt, eine Strafnorm enthält ein rechtliches Verbot, solche Taten zu begehen.601 Die meisten völkerstrafrechtlichen Normen sollen der Durchsetzung schon existierender völkerrechtlicher Normen dienen. Besonders deutlich wird dies bei den Kriegsverbrechen. So definiert Art. 8 II, lit. a ICC-Statut Kriegsverbrechen als schwere Verletzungen der Genfer Konventionen602 von 1949. Zwar werden dann einzelne Begehungsformen eigens näher im ICC-Statut definiert, die Grundlage dazu bilden aber die Regeln des huma596 Roxin, StR AT I, S. 78, Rz. 21; für das Völkerstrafrecht Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 994 f.; kritisch zur abschreckenden Wirkung der Strafdrohung beim Völkerstrafrecht aber Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 194 f. 597 Jescheck/Weigend, StR AT, S. 4. 598 Jescheck/Weigend, StR AT, S. 2; Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 195 f. schreibt der Strafdrohung im Völkerstrafrecht eine sittenbildende Kraft zu, die das Bewußtsein an das Völkerrecht als verbindliche Rechtsordnung schärfen soll. 599 Siehe zum Unterlassen die Vorgesetztenverantwortlichkeit aus Art. 28 ICCStatut und Ambos, VölkerStR AT, S. 667. 600 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 100, Rz. 14; Eser, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC Commentary, Bd. I, S. 770; Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 212; Maurach/Zipf, StR AT 1, S. 81, Rz. 4; Ratner, Corporations and Human Rights, 111 Yale L. J. 443, 467 (2001). 601 Cassese, International Criminal Law, S. 3; Morris/Scharf, Guide to ICTY I, S. 92; Roxin, StR AT I, S. 280, Rz. 2. 602 I. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde, II. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See, III. Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen und IV. Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, alle vom 12.8.1949, BGBl. 1954 II, 783; 813; 838; 917.

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nitären Völkerrechts. Genauso verhält es sich mit dem Tatbestand des Völkermordes. Was Völkermord ist, wurde grundsätzlich schon mit der Völkermordkonvention603 von 1948 (VMordK) festgelegt. Art. 1 ICTY-Statut bestimmt die Zuständigkeit des Jugoslawientribunals für Personen, die schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begangen haben. Man könnte also auf die Idee kommen, daß die Völkerstraftatbestände gar keine eigenen Verbote begründen, sondern lediglich in anderen Völkerrechtsnormen enthaltene Verbote unter Strafe stellen. Diese Betrachtungsweise würde aber übersehen, daß durch die Definition eines Tatbestandes, der durchaus auch auf andere Völkerrechtsnormen verweisen mag, die Strafnorm selbst das verbotene Verhalten umschreibt. Die Völkerstrafnormen enthalten also eigene Verbote, die neben die anderen völkerrechtlichen Verbote treten. Eine Strafnorm läßt sich damit in zwei Teile aufspalten. Ein Teil der Norm, der Tatbestand, enthält das Verbot eine solche Tat zu begehen und der andere Teil bestimmt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters, oder enthält, aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, die Ermächtigung für das Gericht zur Verhängung der vorgesehenen Strafe.604 Im ICC-Statut wurden diese beiden Teile auf unterschiedliche Artikel aufgespalten. Die Art. 5–8 enthalten lediglich die Tatbestände und die Bestrafungsermächtigung ist in Art. 77 geregelt. Diese beiden Teile muß man aber zusammen sehen und ergeben erst die komplette Strafnorm. d) Bindung Privater Die Bindung des einzelnen bedeutet noch nicht automatisch, daß auch Privatpersonen an die völkerstrafrechtlichen Normen gebunden sind. Im nationalen Recht sind ja auch Amtsdelikte bekannt, die nur von staatlichen Amtsträgern verwirklicht werden können. aa) Wortlaut der Tatbestände Wenn man sich den Wortlaut der Völkerstrafnormen i. e. S. ansieht, so ist dort nirgends eine ausdrückliche Beschränkung der möglichen Täter auf Amtspersonen auszumachen. Das gilt gleichermaßen für die Straftatbestände der Nürnberger Verfahren, des ICTY und ICTR und des ICC-Statuts. Art. 6 IMT-Statut erstreckt die Zuständigkeit des Gerichtshofes auf Personen, die im Interesse der Achsenmächte als Einzelpersonen oder als Mitglie603 Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes vom 9.12.1948, BGBl. 1954 II, 730. 604 Vgl. König, Internationale Strafjustiz, S. 209.

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der von Organisationen gehandelt haben.605 Eine Einschränkung auf Amtsträger findet dadurch nicht statt, denn auch als Privater kann man im Interesse des Staates handeln. Art. I KRG 10 erklärt das IMT-Statut zum untrennbaren Bestandteil des Gesetzes. In Art. II 2., lit. f KRG 10 werden sogar bezüglich des Verbrechens gegen den Frieden Personen mit gehobener Stellung im finanziellen, industriellen und wirtschaftlichen Leben als mögliche Täter aufgeführt. Im jeweiligen Art. 1 der Statuten des ICTY und ICTR wird die Zuständigkeit der ad-hoc Gerichte allgemein für Personen begründet, die in den betreffenden Gebieten schwere Verstöße des humanitären Völkerrechts begangen haben. Auch aus den Bestimmungen der Statuten zur individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit (Art. 7 I ICTY u. 6 I ICTR) ergibt sich kein Hinweis auf eine Beschränkung der Delikte auf Amtsträger. Das gleiche gilt auch für die betreffenden Bestimmungen des ICC-Statuts (Art. 25 I, II). Die einzelnen Tatbestände der Verbrechen sind hinsichtlich des möglichen Täters neutral und nicht als Amtsdelikte formuliert. Gemein ist den genannten Statuten aber, daß sie die amtliche Eigenschaft des Täters für unerheblich für ihre Strafbarkeit erklären.606 Damit soll der Einwand der Immunität von staatlichen Amtsträgern abgeschnitten werden, der sie ja sonst vor der Gerichtsbarkeit fremder staatlicher Gerichte schützen würde. Daraus kann man aber nicht schließen, daß nur Amtsträger Völkerstraftaten begehen können. Die Normen besagen lediglich, daß Amtsträger vor den internationalen Strafgerichten keine Immunität genießen. bb) Makrokriminalität mit staatlichen Handlungserfordernissen Eine Beschränkung der Tatbestände könnte sich aber auch implizit aus den Tatbestandsmerkmalen der einzelnen Delikte ergeben. Immerhin handelt es sich bei Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (vom Verbrechen der Aggression gar nicht zu reden), um mit Jäger zu sprechen, um sogenannte Makrokriminalität.607 Die Straftatbestände erfassen einzelne Taten nur, wenn sie in ein Gesamtgeschehen eingebettet sind. So bedarf es zur Begehung von Kriegsverbrechen eines bewaffneten Konflikts608, und damit der Tatbestand der Verbrechen gegen die 605 Art. 6, 1 IMT-Statut: „The Tribunal . . . shall have the power to try and punish persons who, acting in the interests of the European Axis countries, whether as individuals or as members of organizations, committed any of the following crimes.“ 606 Art. 7 IMT-Statut, Art. 7 II ICTY-Statut, Art. 6 II ICTR-Statut und Art. 27 I ICC-Statut. 607 Jäger, Makroverbrechen, S. 325; ebenso Ambos, VölkerStR AT, S. 50. 608 Dies ergibt sich aus dem Verweis von Art. 8 II, lit. a ICC-Statut auf schwere Verletzungen der Genfer Konventionen. Nach den übereinstimmenden Art. 2 und 3

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Menschlichkeit anwendbar ist, muß ein systematischer Angriff auf die Zivilbevölkerung stattfinden609. Man könnte versucht sein, darin einen Hinweis darauf zu erblicken, daß nur staatliche Täter diese Verbrechen begehen können, da häufig von staatlichen Kräften solche Gesamtgeschehen zumindest initiiert werden. Das schießt aber nicht aus, daß selbst innerhalb eines staatlich initiierten Gesamtgeschehens Private völkerrechtliche Verbrechen begehen. Und angesichts ihrer Machtfülle setzen auch private Akteure solche Gesamtgeschehen in Gang. Nach Ambos können deshalb auch nichtstaatliche Akteure Völkerstraftaten begehen.610 Ebenso pauschal bejaht auch Bassiouni die Bindung Privater an das Völkerstrafrecht.611 cc) Das Nürnberger Beispiel Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß würden nur hohe staatliche Amtsträger oder hohe Funktionäre der NSDAP verurteilt. Durch die enge Verquickung der NSDAP mit dem Deutschen Reich während der Naziherrschaft, kann man die Parteifunktionäre durchaus den staatlichen Amtsträgern gleichstellen. Zu den Angeklagten vor dem Internationalen Militärgerichtshof gehörte ursprünglich auch Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, bis 1943 Aufsichtsratsvorsitzender der Krupp AG612. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nicht durchgeführt.613 So mußte sich das IMT nicht mit der Frage der Strafbarkeit von Privaten auseinandersetzen. Anders jedoch die amerikanischen Militärgerichte, vor denen aufgrund des KRG 10 drei Verfahren gegen hohe deutsche Industrielle und Unternehmer durchgeführt wurden. Das war einmal der Prozeß gegen Friedrich Flick und mehrere seiner Mitarbeiter, der Prozeß gegen Carl Krauch und 22 andere Führungspersonen der I. G.-Farben AG und schließlich das Verfahren gegen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und elf leitende Angestellte des Krupp-Unternehmens.614 Im der vier Genfer Konventionen sind ihre Bestimmungen nur im Falle eines bewaffneten Konfliktes anwendbar. I. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde, II. Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See, III. Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen und IV. Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten, alle vom 12.8.1949, BGBl. 1954 II, 783; 813; 838, 917. 609 Art. 7 I ICC-Statut. 610 Ambos, VölkerStR AT, S. 51. 611 Bassiouni, Crimes against Humanity in International Criminal Law, S. 381. 612 http://www.thyssenkrupp.de/de/konzern/geschichte_grfam_k4.html. 613 IMT-Urteil (s. o. Fn. 446), S. 467. 614 Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 99.

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Flick-Verfahren hatte die Verteidigung argumentiert, das Völkerrecht binde keine Individuen und erst recht keine Privatpersonen.615 Das Gericht wischte diese Argumente beiseite. Mit Verweis auf das IMT-Verfahren sah es die Strafbarkeit von Individuen nach völkerstrafrechtlichen Normen als allgemein akzeptiert an. Ebenso verneinte das Gericht eine Beschränkung der Straftatbestände auf staatliche Amtsträger. Sie gälten gleichermaßen für Privatpersonen wie für öffentliche Beamte. Eine Differenzierung könne bei der Schuld vorgenommen werden.616 Das Urteil im I. G.-Farben-Prozeß zitiert diesbezüglich das Flick-Urteil.617 dd) ILC Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind Die Formulierung der Straftatbestände und der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit im ICC-Statut wurde auch vom ILC-Draft Code of Crimes against Peace and Security of Mankind618 beeinflußt.619 Dieser Draft Code wurde schon 1947 von der UN-Generalversammlung in Auftrag gegeben, damit die in der Charta des IMT und seinem Urteil enthaltenen Prinzipien in einen allgemeinen völkerrechtlichen Vertrag gegossen werden können. Nach mühevollen Verhandlungen in der ILC mit zahlreichen Rückschlägen konnte der Draft Code erst 1996 verabschiedet werden.620 Der Code enthält schon diejenigen Straftatbestände die sich dann im ICC-Statut wiederfinden, ergänzt um einen speziellen Straftatbestand der Verbrechen gegen Mitarbeiter der Vereinten Nationen (Art. 19), der nicht im ICC-Statut enthalten ist. Aus dem Kommentar zu Art. 2 des Draft Codes, der die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit regelt, ergibt sich, daß zumindest Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch von nicht-staatlichen Tätern begangen werden können. Das Verbre615

Jung, Nürnberger Prozesse, S. 182. Vereinigte Staaten von Amerika gegen Friedrich Flick u. a., Urteil vom 22.12.1947, abgedruckt in: Thieleke (Hrsg.), Fall 5, Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses, Berlin 1965, S. 315, 318; für die Argumentation der Anklagevertreter in diesem Punkt siehe S. 85–90 des gleichen Bandes; Jung, Nürnberger Prozesse, S. 191. 617 Militärgericht VI der Vereinigten Staaten, Vereinigte Staaten von Amerika gegen Carl Krauch u. a. (I. G.-Farben), Urteil vom 29.7.1948, abgedruckt in: Radandt (Hrsg.), Fall 6, Ausgewählte Dokumente und Urteil des I. G.-Farben-Prozesses, Berlin 1970, S. 171, 223. 618 Yearbook of the International Law Commission 1996, Vol. II, Part Two, S. 17–56, UN Doc. A/CN.4/SER.A/1996/Add.1 (Part 2). 619 Bos, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC Commentary, Bd. I, S. 51 f. 620 Siehe zur Geschichte des Draft Codes die Ausführungen in YBILC 1996 II/2, S. 15–16. 616

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chen der Aggression hingegen soll danach nur von „agents of the State“ verwirklicht werden können.621 ee) Haltung der US-Gerichte Das entscheidende Urteil für ein Verpflichtung Privater durch die Völkerstraftatbestände ist die Entscheidung in dem oben [B.III.5.b)aa)] schon zitierten Verfahren gegen den bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic. Der Court of Appeals entschied, daß zumindest Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch von Privatpersonen begangen werden können. Bezüglich der Kriegsverbrechen stützt sich das Gericht dabei im wesentlichen auf die Nürnberger Urteile.622 Die Frage einer Bindung Privater an das Völkerstrafrecht i. e. S. soll anhand der einzelnen Delikte überprüft und dargestellt werden. ff) Völkermord (1) Tatbestand Der Völkermordtatbestand in den ICTY-, ICTR- und ICC-Statuten wurde wortgleich aus der Völkermordkonvention von 1948 übernommen. Eine Abweichung zum völkergewohnheitsrechtlichen Tatbestand sollte damit vermieden werden.623 Der IGH hat schon 1951 festgestellt, daß die Definition des Völkermordes aus der VMordK gewohnheitsrechtlich gilt. Die Konvention verpflichtet zwar primär die Staaten, Völkermord zu bestrafen. Ein internationales Strafgericht, das für Völkermord zuständig sein soll, wird aber als eine zukünftige Möglichkeit erwähnt (Art. VI). Mit der Errichtung der ad hoc Tribunale für Jugoslawien und Ruanda und des ICC hat sich diese Hoffnung mittlerweile erfüllt.624 Wegen dieses Hinweises auf ein internationales Gericht und wegen der Definition der Tat als ein „Verbrechen gemäß internationalem Recht“ in Art. I liegt es nahe, der Konvention selbst schon ein für den einzelnen direkt wirksames Verbot des Völkermordes zu entnehmen.625 Jedenfalls existiert darüber hinaus ein gewohnheitsrechtlicher Völkermordstraftatbestand und mit dem ICC-Statut 621

YBILC 1996 II/2, S. 19, Ziff. 5. Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 239, 243 (2nd Cir. 1995). 623 von Hebel/Robinson, in: Lee, ICC – Making of the Rome Statute, S. 89; vgl. Cassese, International Criminal Law, S. 146. 624 Vgl. Shabas, Genocide in International Law, S. 368. 625 Jescheck, Genocide, EPIL II, S. 542. 622

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existiert zusätzlich ein Vertrag, der weltweite Verbreitung finden kann. Die Bestimmungen der VMordK können deshalb zur Auslegung der Statuten und des gewohnheitsrechtlichen Völkermordtatbestandes herangezogen werden.626 Schon 1946 hat die UN-Generalversammlung in einer Resolution festgestellt, daß Völkermord sowohl von Privatpersonen als auch von staatlichen Amtsträgern begangen werden kann.627 Entsprechend ist in Art. IV VMordK ausdrücklich festgehalten, daß neben „regierenden Personen“ und „öffentlichen Beamten“ auch „private Einzelpersonen“ wegen Völkermords zu bestrafen sind. Folglich müssen auch Privatpersonen Völkermord begehen können. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Festlegung in der VMordK nicht auch für den gewohnheitsrechtlichen und den im ICC-Statut enthaltenen Tatbestand gelten soll. Dennoch taucht hier die Frage auf, ob diese generelle Festlegung auch für alle Begehungsformen des Völkermordes gilt. Es ist ja vorstellbar, daß einige der in Art. II VMordK beziehungsweise Art. 6 ICC-Statut aufgeführten Tathandlungen des Völkermordes so beschaffen sind, daß dafür nur Amtsträger als Täter in Frage kommen. Das Töten und Verursachen großer körperlicher und seelischer Schäden an Mitgliedern der verfolgten Gruppe (lit. a u. b) kann ohne weiteres auch von Privatpersonen vorgenommen werden. Bei der Begehungsform in lit. c, der „vorsätzliche(n) Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung . . . herbeizuführen“ ist dies nicht ganz so klar. Das Auferlegen von Lebensbedingungen setzt ja eine gewisse Beherrschung der Gruppe voraus. Spontan denkt man natürlich daran, daß ein Staat mit seinen Machtmitteln in der Lage ist, die Lebensbedingungen von Menschen zu bestimmen. Aber diese Fähigkeit besitzt nicht nur der Staat, sondern auch Private. Wenn zum Beispiel in einem Bürgerkrieg ein Teil des Staatsgebietes nicht mehr vom Staat, sondern von den Aufständischen und damit von nicht-staatlichen Akteuren beherrscht wird, dann sind auch diese Aufständischen in der Lage, die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu bestimmen. Auch bei Erscheinungen wie zum Beispiel der Colonia Dignidad in Chile sind Private in der Lage, umfassend auf das Leben anderer Menschen einzuwirken. Aber selbst wenn staatliche Kräfte solche Lebensbedingungen auferlegen, kann sich ein Privater immer noch daran beteiligen.

626 Für das ICC-Statut siehe Triffterer-Shabas, Commentary ICC-Statute, Art. 6, Rz 3; für das ICTY-Statut: Jelisic (IT-95-10-T), TC Judgement, 14.12.1999, Ziff. 60. 627 GA Res. 96 (I) vom 11.12.1946.

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(2) Praxis der ad hoc-Tribunale Beim Ruanda-Tribunal steht natürlich die Anklage und Aburteilung von Völkermord im Vordergrund. Die meisten der bisher verurteilten Personen waren staatliche Amtsträger, wie etwa Bürgermeister, Präfekten oder Minister der Regierung, einschließlich des Premierministers.628 In ein paar Fällen wurden aber Täter verurteilt, die sich nicht in den Staatsapparat einordnen lassen, oder deren staatliche Stellung zumindest sehr zweifelhaft ist. So wurde der Radiosprecher Georges Ruggiu wegen Aufstachelung zum Völkermord (Art. 2 III, lit. c ICTR-Statut) verurteilt. Ruggiu arbeitete bei dem Radiosender Radio Television Libre des Milles Collines (RTLM) und hat dort als Radiosprecher die Bevölkerung zum Mord an den Tutsi aufgerufen.629 RTLM wurde zwar von mehreren Regierungsmitgliedern gegründet, die auch seine Anteilseigner waren und sendete auch über Frequenzen des Staatssenders, war aber eine private Radiostation.630 Auch wenn man an dem rein privaten Charakter von RTLM wegen der engen personellen und sachlichen Verknüpfung zum Staat zweifeln mag, so ist doch das ICTR nirgendwo in dem Urteil auf die Frage eingegangen, ob nur staatliche Täter Völkermord begehen können. In einem anderen Verfahren wurde der Kaufmann (commercial trader) Obed Ruzindana, der keine Stellung im Staatsgefüge innehatte, wegen Völkermordes verurteilt.631 Er hatte zusammen mit einem Präfekten mordende Polizisten und Paramilitärs zu Tutsi-Flüchtlingen transportiert und auch selber Tutsi umgebracht.632 Das erstinstanzliche Urteil spricht bezüglich Ruzindana ausdrücklich von einem non-State actor.633 In seiner Berufung gegen das Urteil argumentierte Ruzindana, daß er als gewöhnlicher Kaufmann ohne eigene Machtmittel nicht den Völkermordtatbestand erfüllen könne.634 Die Berufungskammer wies diese Argumentation zurück. Der Völkermordtatbestand sei nicht auf bestimmte Personenkategorien beschränkt und verlange auch keine bestimmten Mittel, um die Tat zu begehen.635 Die Berufungskammer spricht zwar nicht ausdrücklich von pri628 Siehe z. B. Akayesu (ICTR-96-4-T), AC Judgement, 1.6.2001, Ziff. 3; Kayishema (ICTR-95-1-A), AC Judgement, 1.6.2001, Ziff. 5; Kambanda (ICTR-97-23-S), TC Judgement and Sentence, 4.9.1998, Ziff. 39. 629 Ruggiu (ICTR-97-32-I), TC Judgement, 11.6.2000, Ziff. 42, 44. 630 Des Forges, Kein Zeuge darf überleben, S. 99. 631 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff. 24, VIII. Verdict. 632 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff. 468, 470. 633 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff. 126. 634 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-A), AC Judgement, 1.6.2001, Ziff. 167. 635 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-A), AC Judgement, 1.6.2001, Ziff. 169, 170.

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vaten Tätern. Aus ihrer Argumentation und aus der Verurteilung des privaten Kaufmanns kann man aber entnehmen, daß eine Amtsstellung des Täters nicht nötig zur Verwirklichung des Völkermordtatbestandes ist. Ein weiterer Fall, der hier erwähnt werden sollte, ist das Verfahren gegen Elizaphan Ntakirutimana und seinen Sohn Gérard. Elizaphan Ntakirutimana war ein Pfarrer und bekleidete eine Funktion in der Seventh Day Adventist Church (SDA), sein Sohn arbeitete als Arzt in einem Krankenhaus dieser Kirche.636 Man kann davon ausgehen, daß die SDA kein Teil des ruandischen Staates war und die beiden Angeklagten demnach auch keine staatlichen Amtsträger. Der Vater wurde schließlich wegen Beihilfe zum Völkermord und der Sohn wegen selbst begangenen Völkermordes verurteilt.637 Die private Stellung der Angeklagten wurde dabei nicht als Problem angesehen. Das Jugoslawientribunal hat bisher nur zwei Angeklagte wegen Völkermordes verurteilt.638 Einige Völkermordanklagen wurden nicht verhandelt, da die Angeklagten ein sogenanntes plea agreement639 mit der Anklage getroffen haben und die Anklage wegen Völkermordes deshalb fallen gelassen wurde.640 In wenigen Fällen wurden die Angeklagten vom Vorwurf des Völkermordes freigesprochen.641 Bei den zwei Verurteilten, wie auch bei den meisten wegen Völkermordes Angeklagten handelte es sich um Offiziere der bosnisch serbischen Armee der selbsternannten Republica Srpska. Die sogenannte Republica Srpska war die organisatorische Struktur der bosnischen Serben innerhalb von Bosnien-Herzegowina.642 Diese Einheit hatte eine Regierung, eine Verwaltung, Polizei und eine eigene Armee. Man kann sicherlich unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob dieses Gebilde schon einen Staat im völkerrechtlichen Sinne darstellte oder nicht. Jedenfalls hat das Jugoslawientribunal in einer frühen Entscheidung einer Berufungskammer festgelegt, daß es sich nicht um einen Staat handelt. Das Gericht hat 636 Ntakirutimana (ICTR-96-10 & ICTR-96-17-T), TC Judgement, 21.2.2003, Ziff. 36–38. 637 Ntakirutimana (ICTR-96-10-A & ICTR-96-17-A), AC Judgement, 13.12.2004, IX. Disposition. 638 Blagojevic ´ (IT-02-60-T), TC Judgement, 17.1.2005, Ziff. 797; Krstic´ (IT-9833-A), AC Judgement, 19.4.2004, Ziff. 143. 639 Rule 62 ter der ICTY Rules of Procedure and Evidence, UN Doc. IT/32/ Rev.39 vom 22.8.2006. 640 Z. B. Obrenovic ´ (IT-02-60/2-S), TC Judgement, 10.12.2003, Ziff. 3, 18; Nicolic´ (IT-02-60/1-A), AC Judgement, 8.3.2006, Ziff. 3; Plavsˇic´ (IT-00-39 & 40/1), TC Sentencing Judgement, 27.2.2003, Ziff. 5. 641 Jelisic ´ (IT-95-10-T), TC Judgement, 14.12.1999, Ziff. 138; Sikirica et al. (IT-95-8-T), TC Judgement on Defence Motions to Acquit, 3.9.2001, para 97; Krajisˇnik (IT-00-39-T), TC Judgement, 27.9.2006, Ziff. 1125. 642 Tadic ´ (IT-94-1-T), TC Judgement, 7.5.1997, Ziff. 78.

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die bosnischen Serben deshalb als Aufständische in dem Staat Bosnien-Herzegowina angesehen.643 Folglich kann es sich aus der Sicht des Gerichts bei den Tätern, die für die Republika Srpska gehandelt haben, auch nicht um formal staatliche Amtsträger handeln. In den beiden Fällen in denen es zu einer Verurteilung wegen Völkermordes gekommen ist, wird die Frage, ob es sich bei den Angeklagten um staatliche oder nicht-staatliche Täter handelt, nicht erörtert.644 Daraus kann man nur folgern, daß für den Völkermordtatbestand die staatliche Eigenschaft des Täters nicht notwendig ist, sonst hätte das Gericht dazu Ausführungen machen müssen. In den Fällen, in denen die Angeklagten vom Vorwurf des Völkermordes freigesprochen wurden, geschah dies auch nicht deshalb, weil die Angeklagten keine staatlichen Täter waren, sondern weil der subjektive Tatbestand, die spezielle Völkermordabsicht fehlte.645 gg) Kriegsverbrechen Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Straftatbestände der Kriegsverbrechen zur Durchsetzung der kriegsrechtlichen Regeln646 vor allem aus den vier Genfer Konventionen dienen.647 Die vertraglichen kriegsrechtlichen Regeln setzen sich aus zwei Regelungsbereichen zusammen, dem älteren Haager Recht, insbesondere die Haager Landkriegsordnung648 (HLKO) von 1907, und dem jüngeren Genfer Recht mit den vier Genfer Konventionen von 1949 und ihren zwei Zusatzprotokollen649 von 1977. Das Haager Recht 643 Tadic ´ (IT-94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 72, 76. 644 Kristic ´ (IT-98-33-T), TC Judgement, 2.8.2001, Ziff. 539–599, 619–645; (IT98-33-A), AC Judgement, 19.4.2004, Ziff. 39–144; Blagojevic´ (IT-02-60-T), TC Judgement, 17.1.2005, Ziff. 633–760, 776–787. 645 Jelisic ´ (IT-95-10-T), TC Judgement, 14.12.1999, Ziff. 107, 108; Sikirica et al. (IT-95-8-T), TC Judgement on Defence Motions to Acquit, 3.9.2001, para 94, 97; Krajisˇnik (IT-00-39-T), TC Judgement, 27.9.2006, Ziff. 867, 869. 646 Die Regeln des humanitären Völkerrechts setzen keinen Kriegszustand, im Sinne eines erklärten Krieges zwischen zwei oder mehreren Staaten voraus. Das ergibt sich aus den gemeinsamen Art. 2 der vier Genfer Konventionen, wonach die Konventionen auch ohne Kriegserklärung im Falle eines bewaffneten Konflikts anzuwenden sind. Der Einfachheit halber wird hier aber dennoch von kriegsrechtlichen Regeln gesprochen. Ebenso verwendet auch der Art. 8 ICC-Statut den Begriff der Kriegsverbrechen. 647 s. o. B.V.2.c). 648 Abkommen, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (Anlage: Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs) vom 18.10.1907, RGBl. 1910, 107. 649 Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (ZP I), Zusatzprotokoll zu

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beschäftigt sich hauptsächlich mit den zulässigen Methoden der Kriegsführung, wohingegen das Genfer Recht Regeln zum Schutz bestimmter Personengruppen in einem bewaffneten Konflikt aufstellt.650 Ziel dieser Verträge ist es, die schrecklichen Folgen militärischer Auseinandersetzungen zumindest abzumildern. Es liegt also nahe, die kriegsrechtlichen Regeln auch als Teil des Menschenrechtschutzes, als Menschenrechtsschutz im bewaffneten Konflikt zu begreifen.651 Um die Bindung Privater an diese Tatbestände näher zu erörtern, muß ein Blick auf diese Verträge geworfen werden. (1) Unterscheidung zwischen internationalem und nicht-internationalem Konflikt Die vier Genfer Konventionen unterscheiden in bezug auf ihren Regelungsgehalt zwischen einem international bewaffneten Konflikt und einem Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist.652 Diese Unterscheidung ergibt sich aus den gemeinsamen Art. 2 und 3 der vier Genfer Konventionen. Nach Art. 2 GK I–IV sind die Genfer Konventionen in ihrer Gesamtheit anwendbar im Falle eines bewaffneten Konflikts zwischen zwei oder mehreren „hohen Vertragsparteien“. Da nur Staaten Vertragsparteien der Genfer Konventionen sind653, setzt Art. 2 also einen bewaffneten Konflikt zwischen Staaten voraus. Im Gegensatz dazu greift Art. 3 GK I–IV für einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt, der also nicht zwischen mindestens zwei Staaten, sondern lediglich auf dem Gebiet einer Vertragspartei entstanden ist, einen Mindestbestand von kriegsrechtlichen Regeln heraus, der von den Konfliktparteien einzuhalten ist. Für den nicht-internationalen Konflikt gelten demnach nicht alle Regeln der Genfer Konventionen.654 Diese Unterscheidung setzt sich auch bei den zwei Zusatzprotokollen von 1977 zu den Genfer Konventionen fort. Das ZP I ist in internationalen den Genfer Abkommen vom 12. August über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (ZP II), beide vom 8.6.1977, BGBl. 1990 II, 1551, 1637. 650 Hobe, Völkerrecht, S. 548 ff.; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 39; McCoubrey, International Humanitarian Law, S. 1, 2; McCoubrey/ White, International Law and Armed Conflict, S. 209. 651 Vgl. Bothe, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 700, Rz. 83; Gasser, Einführung in das humanitäre Völkerrecht, S. 26; Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 11. 652 David, Principes de droit des conflits armés, S. 104; Gasser, Humanitäres Völkerrecht, S. 22 f. 653 Gegenwärtig sind 194 Staaten Vertragsparteien der vier Genfer Konventionen von 1949 (http://www.icrc.org/Web/Eng/siteeng0.nsf/htmlall/genevaconventions). Damit gehören sie zu denjenigen völkerrechtlichen Verträgen, die fast universale Verbreitung gefunden haben. 654 David, Principes de droit des conflits armés, S. 114 ff.

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Konflikten im Sinne des Art. 2 GK I–IV anwendbar (Art. 1 III ZP I) und das ZP II entwickelt Art. 3 GK I–IV weiter, bezieht sich also auf nicht-internationale Konflikte (Art. 1 ZP II). Die HLKO wiederum ist nur zwischen den Vertragsstaaten anwendbar655, setzt also auch einen internationalen Konflikt voraus. Diese Unterscheidung wurde auch in den Statuten des Jugoslawien- und Ruandatribunals und des ICC aufgenommen. Im ICTR-Statut werden nur Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 GK I–IV und ZP II als Tatbestand aufgeführt, also Kriegsverbrechen im nicht-internationalen Konflikt.656 Im Statut des Jugoslawientribunals werden in Art. 2 schwere Verletzungen der Genfer Konventionen und in Art. 3 Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges unter Strafe gestellt. Nach der Rechtsprechung des ICTY bezieht sich Art. 2 nur auf einen internationalen Konflikt, obwohl dies vom Wortlaut her nicht erkennbar ist.657 Aber der Verweis auf „schwere Verletzungen“ der Genfer Konventionen hat seinen Ursprung in den Bestimmungen der GK I–IV, in denen die Vertragsstaaten verpflichtet werden, solche Verletzungen in ihrem nationalen Recht strafbar zu machen und nach dem Weltrechtsprinzip zu verfolgen. Nach Ansicht der Berufungskammer war der damit verbundene Eingriff in die Staatensouveränität nur erträglich, wenn Kriegsverbrechen in einem internationalen Konflikt von einem fremden Staat verfolgt werden und nicht lediglich Verbrechen in einem rein internen Konflikt.658 Art. 3 ICTY-Statut bezieht sich hingegen auf die „Gesetze und Gebräuche“ des Krieges, womit einmal schwere Verletzungen des Haager Kriegsrechts, insbesondere der Haager Landkriegsordnung (HLKO) gemeint sind.659 Andererseits aber auch auf schwere Verletzungen des vertraglichen und gewohnheitsrechtlichen humanitären Völkerrechts, das in einem nicht-internationalen Konflikt anwendbar ist, also insbesondere auch auf Verletzungen des gemeinsamen Art. 3 der Genfer Konventionen.660 Damit umfaßt die Strafbarkeit für „Kriegsverbrechen“ im Statut des ICTY Ver655 Art. 2 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs, dessen Anlage die HLKO bildet (s. o. Fn. 648). 656 Art. 4 ICTR-Statut. 657 Tadic ´ (IT-94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 71, 84; für entsprechende Stimmen in der Literatur siehe z. B. Bothe, War Crimes in Non-International Armed Conflicts, S. 294. 658 Tadic ´ (IT-94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 80. Für eine Beschränkung der „schweren Verletzungen“ auf internationale Konflikte in der Literatur siehe z. B. Kokott, Gehorsamspflicht, ZaöRV 47 (1987), 506, 510; Meron, Humanitarian Norms, S. 33 Fn. 100. 659 Tadic ´ (IT-94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 87. 660 Tadic ´ (IT-94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 89.

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stöße gegen das Genfer und Haager Recht und ihre gewohnheitsrechtlichen Entsprechungen im internationalen bewaffneten Konflikt und Verstöße gegen die vertraglichen und gewohnheitsrechtlichen Regeln in einem nicht-internationalen Konflikt. In Art. 8 ICC-Statut schließlich wird ausdrücklich zwischen internationalen und nicht-internationalen Konflikten unterschieden. Art. 8 II, lit. a und b regeln die schon bekannten „schweren Verletzungen“ der Genfer Konventionen und die Verletzungen der „Gesetze und Gebräuche“ im internationalen Konflikt. Art. 8 II, lit. c definiert hingegen die Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 GK und Art. 8 II, lit. e enthält die Straftatbestände bei schweren Verstößen gegen die Gesetze und Gebräuche im nicht-internationalen Konflikt. Diese Unterscheidung wird in der folgenden Erörterung beibehalten. (2) Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt Der Regelfall des internationalen bewaffneten Konflikts ist der Kampf zweier staatlicher Armeen gegeneinander. Da die Armeeangehörigen alle staatliche Amtsträger sind, ist man bei einem flüchtigen Blick auf diese Konstellation geneigt, anzunehmen, daß nur staatliche Amtsträger Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt begehen können. Hier stellt sich aber die Frage, ob in einem internationalen Konflikt nicht auch private Akteure Kriegsverbrechen begehen können. Entscheidend ist also, in welchen Konstellationen ein internationaler Konflikt im Sinne der Art. 2 GK I–IV vorliegt. (a) Kontrolle einer Bürgerkriegspartei durch einen fremden Staat Eine Konstellation betrifft einen Bürgerkrieg, also ein interner Konflikt, an dem aber ein anderer Staat beteiligt ist. Nehmen wir an, ein Bürgerkrieg entsteht zwischen der Regierung eines Landes und einer aufständischen Gruppe, also einer nicht-staatlichen Konfliktpartei. Diese nicht-staatliche Gruppe wird nun von einem anderen Staat in irgendeiner Form unterstützt. Eine solche Konstellation hatte das ICTY bezüglich Bosnien-Herzegowinas zu beurteilen. Das Gericht hatte den dortigen Konflikt bis zum Abzug der Jugoslawischen Volksarmee im Mai 1992 als einen internationalen charakterisiert.661 Für die Zeit nach dem Abzug war aber fraglich, wie der Konflikt eingestuft werden mußte. Hätte man ihn für einen rein internen Konflikt zwischen den bosnischen Serben und ihrer Armee und der bosnischen 661

Tadic´ (IT-94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 72; Tadic´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 86.

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Zentralregierung gehalten, so hätte der erste Angeklagte des Jugoslawientribunals – Tadic´ – nicht wegen Kriegsverbrechen im internationalen (Art. 2 ICTY-Statut) sondern nur wegen solcher im nicht-internationalen Konflikt (Art. 3 ICTY-Statut), verurteilt werden können. Die Berufungskammer führte aber aus, daß in einer solchen Bürgerkriegsituation der Konflikt internationalisiert wird, wenn ein anderer Staat direkt mit seinen Truppen interveniert oder wenn eine Konfliktpartei des Bürgerkriegs für den anderen Staat handelt.662 Dies soll dann der Fall sein, wenn die Handlungen dieser Konfliktpartei dem fremden Staat zugerechnet werden können. Die Entscheidung verweist einmal auf die gewohnheitsrechtlichen Zurechnungsregeln der Staatenverantwortlichkeit.663 Zum anderen setzt sich die Kammer aber auch mit dem Nicaragua-Urteil des IGH auseinander, in dem über die Verantwortlichkeit der USA für die Handlungen der von ihnen unterstützten Contra-Rebellen und anderer Personen in Nicaragua geurteilt werden mußte.664 Die Lösung der Internationalisierungsfrage über die Zurechnung und die Heranziehung des Nicaragua-Urteils ist umstritten. Es wird argumentiert, daß es bei den Verfahren vor dem Jugoslawientribunal um die Strafbarkeit von Individuen geht und nicht um die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Jugoslawien und deshalb die Nicaragua-Entscheidung gar nicht einschlägig sei.665 Dem entgegnete die Berufungskammer aber mit dem Hinweis, daß die Frage der staatlichen Zurechenbarkeit nur eine Vorfrage sei, damit auf die Individuen überhaupt die Tatbestände der Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt angewendet werden können.666 Auf die Einzelheiten dieser Zurechnung muß hier nicht näher eingegangen werden.667 Im Ergebnis kommt das Gericht jedenfalls zu dem Schluß, daß eine Zurechnung der Handlungen einer Konfliktpartei dann erfolgen kann, wenn der fremde Staat Kontrolle über diese Partei ausübt.668 Dabei muß der fremde Staat nur eine generelle Kontrolle ausüben und nicht jede einzelne Handlung der Bürgerkriegspartei bestimmen, wenn diese Bürgerkriegspartei einen gewissen militärischen Organisationsgrad aufweist.669 Die so kontrol662

Tadic´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 84. Tadic´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 98, 105. 664 Tadic ´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 99 ff. 665 Meron, Classification of Armed Conflict in the Former Yugoslavia, 92 Am. J. Int’l L. 236, 241 (1998). 666 Tadic ´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 104, 104. 667 Für eine detaillierte Darstellung siehe Ambos, Zur Bestrafung von Verbrechen im internationalen, nicht-internationalen und internen Konflikt, S. 331–335. 668 Tadic ´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 94 f. 669 Tadic ´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 115, 131. Hier weicht das ICTY von der Nicaragua-Entscheidung des IGH ab. Der IGH wollte die Handlungen der Contras den USA nur dann zurechnen, wenn diese Handlungen im einzelnen durch die USA kontrolliert würden, obwohl es sich bei den Contras auch um 663

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lierte nicht-staatliche Bürgerkriegspartei werde dann zu einem de facto Organ des fremden Staates, im Gegensatz zu einem de jure Organ, das rechtlich mit dem Staat verbunden ist.670 Das de facto Organ wird aber dadurch nicht zu einem staatlichen Täter, denn das Gericht bezeichnet die einzelnen Täter weiterhin als private Individuen.671 Für die Kontrolle der Streitkräfte der bosnischen Kroaten durch Kroatien hat das Gericht diese Rechtsprechung bestätigt.672 Dies entspricht auch den gewohnheitsrechtlichen Zurechnungsregeln, wie sie in den von der ILC erarbeiteten Artikeln über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen673 zum Ausdruck kommen.674 Dort werden in Art. 8 dem Staat Handlungen zugerechnet, die Private in seinem Auftrag, unter seiner Leitung oder Kontrolle vorgenommen haben. Der Begriff der Kontrolle wird in dem Artikel aber nicht näher definiert, so daß hier genügend Raum für eine Ausgestaltung im Einzelfall bleibt.675 Durch die Kontrolle des Staates werden die Privaten auch nicht zu de jure Staatsorganen, denn sonst könnten ihre Handlungen schon nach Art. 4, der die Zurechnung der Handlungen von de jure Staatsorganen regelt, dem Staat zugerechnet werden. Art. 8 wäre damit überflüssig. Sie behalten also ihren Charakter als nicht-staatliche Akteure. Das ergibt sich auch aus der Kommentierung der ILC zur Vorläufernorm des jetzigen Art. 8.676 Aber selbst wenn man die Privaten durch die faktische staatliche Kontrolle als Teil des Staates oder als Staatsorgan ansieht677, bleibt es doch dabei, daß diese Privaten ohne förmliche Eingliederung in einen organisierten militärischen Verband handelte; Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and Against Nicaragua (Nacaragua v. United States of America), Judgment 27.6.1986, ICJ Rep. 1986, S. 14, 62 Ziff. 110, 64 Ziff. 115. 670 Tadic ´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 98. 671 Tadic ´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 103. 672 Aleksovski (IT-95-14/1-A), AC Judgement, 24.3.2000, Ziff. 125, 134. 673 Responsibility of States for internationally wrongful acts, UN Doc. A/RES/ 56/83 Annex vom 12.12.2001. Die UN-Generalversammlung hat in dieser Resolution den ILC Entwurf zur Kenntnis genommen und sie der „Aufmerksamkeit“ der Regierungen empfohlen; diese Kenntnisnahme und Empfehlung hat sie Ende 2004 und 2008 erneuert, UN Doc. A/RES/59/35 vom 16.12.2004 und A/RES/62/61 vom 8.1.2008. 674 Bezüglich der gewohnheitsrechtlichen Geltung siehe unten Fn. 906 und begleitenden Text. 675 Siehe dazu die Kommentierung der ILC zu Art. 8, in der sowohl das Nicaragua-Urteil des IGH als auch die Tadic´-Entscheidung des ICTY beispielhaft aufgeführt werden, Commentaries to the draft articles on Responsibility of States for internationally wrongful acts, in: Report of the International Law Commission 53rd Session, UN Doc. A/56/10, 2001, S. 105–107. 676 YBILC 1974 II/1, S. 283. 677 Diese Ansicht vertritt offensichtlich Epiney, Verantwortlichkeit für Private, S. 101 ff., die hier auch den Begriff des de facto Organs verwendet, allerdings verlangt, daß der Private im Namen des Staates handeln muß.

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den Staatsapparat agieren und als Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ihr nicht-staatlicher Charakter bestehen bleibt. Die Literatur sieht ebenfalls die Möglichkeit einer Internationalisierung eines primär internen Konfliktes.678 Neben der schon genannten Kritik an der Zurechnungslösung wird zwar auch die konkrete Ausgestaltung der Zurechnung durch die Berufungskammer des ICTY bemängelt679. Dies ist aber für die vorliegende Fragestellung nicht entscheidend, denn auch die kritischen Stimmen bejahen ja die Möglichkeit der Internationalisierung eines primär internen Konfliktes. Die Folge der Internationalisierung des Konfliktes ist, daß die Mitglieder der privaten Bürgerkriegspartei Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt, also die bekannten „schweren Verletzungen“ (grave breaches) der Genfer Konventionen begehen können, wie die Praxis des Jugoslawientribunals zeigt.680 Damit sind die Mitglieder der nicht staatlichen Konfliktpartei an die strafrechtlichen Verbote, die im internationalen Konflikt gelten, direkt gebunden. (b) Entsendung bewaffneter nicht-staatlicher Gruppen durch einen Staat in einen anderen Staat Eine andere Konstellation besteht in dem Entsenden bewaffneter nichtstaatlicher Gruppen durch einen Staat in einen anderen Staat, um dort militärische Gewalt anzuwenden. Hier greift ein Staat also nicht in einen schon existierenden Konflikt ein, sondern durch das Entsenden der privaten Gruppe entsteht erst der bewaffnete Konflikt. Ein solches Szenario findet sich zum Beispiel in der Aggressionsdefinition681 der UN-Generalversammlung. Darin wird der Begriff der Angriffshandlung (act of aggression) in Art. 39 UN-Charta näher definiert. Nach Art. 3 lit. g der Aggressionsdefinition liegt nun eine Angriffshandlung eines Staates auch dann vor, wenn er eine private bewaffnete Gruppe in einen anderen Staat entsendet, damit sie dort Waffengewalt von solcher Schwere anwendet, die, würde sie vom Staat selbst ausgeführt, auch als eine Angriffshandlung an678 Kreß, Der Jugoslawien-Strafgerichtshof im Grenzbereich zwischen internationalem bewaffneten Konflikt und Bürgerkrieg, S. 28; Triffterer-Zimmerman, Commentary ICC-Statute, Art. 8, Rz. 251 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 966. 679 König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 356. 680 So z. B. außer in Tadic ´ (IT-94-1-A), AC Judgement, 15.7.1999, Ziff. 171 in Blasˇkic´ (IT-95-14-A), AC Judgement, 29.7.2004, Ziff. 3, 167, 171, 182 und Kordic´ and Cˇerkez (IT-95-14/2-A), AC Judgement, 17.12.2004, XI. Disposition. 681 UN Doc. GA Res. 3314 (XXIX) – Annex vom 14.12.1974.

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gesehen werden würde. Der IGH führte in seiner Nicaragua-Entscheidung aus, daß dies dem geltenden Völkergewohnheitsrecht entspricht.682 Die Handlungen dieser entsendeten Gruppe werden demnach dem Staat, wiederum in Übereinstimmung mit den gewohnheitsrechtlichen Normen zugerechnet.683 Entsprechend hat der IGH in Nicaragua die Handlungen der sogenannten Unilateral Controlled Latino Assets (UCLA) den USA zugeschrieben. Die UCLAs waren Angehörige einiger lateinamerikanischer Staaten, die von der CIA beauftragt und finanziert wurden, um Häfen in Nicaragua zu verminen und Anschläge auf Flughäfen und andere Einrichtungen zu verüben684, was seitens des IGH als Verstoß der USA gegen das Gewaltverbot bewertet wurde685. Da nun aber der beauftragende Staat eine Angriffshandlung gegenüber dem anderen Staat vornimmt, handelt es sich um einen internationalen bewaffneten Konflikt im Sinne der vier Genfer Konventionen und ihrem ZP I. Folglich müssen auch die Mitglieder der entsendeten privaten Gruppe Kriegsverbrechen in einem internationalen Konflikt, also die schon bekannten schweren Verletzungen (grave breaches) der GK begehen können. Das Szenario läßt sich auch dergestalt abwandeln, daß zwischen zwei oder mehr Staaten ein internationaler bewaffneter Konflikt entsteht, in dem hauptsächlich die eigenen staatlichen Streitkräfte eingesetzt werden, bestimmte militärische Aufgaben aber auf Private übertragen werden. Jüngstes Beispiel dafür sind die Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak, wo die USA zahlreiche Aufgaben, sogenannten Private Military Companies (PMC) übertragen haben.686 (c) Teilnahme Privater an Kriegsverbrechen des Staates Aber auch unabhängig von einer Beauftragung oder einer Kontrollausübung durch den Staat können Private Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt begehen, wie die völkerrechtliche Praxis zeigt. Hier sind die privaten Unternehmer und ihr Führungspersonal zu nennen, die nach dem 2. Weltkrieg von amerikanischen Militärgerichten wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurden, weil sie sich an Kriegsverbrechen des Staates beteiligt hatten. Als Beispiel kann hier wiederum das Flick-Urteil herangezogen werden. Es wurde oben schon darauf hingewiesen, daß die Richter des Verfahrens pauschal die Anwendbarkeit der im KRG 10 enthaltenen Völkerstraf682 683 684 685 686

ICJ Rep. 1986, S. 103 Ziff. 195. Vgl. Wolf, Haftung für Privatpersonen, S. 388. ICJ Rep. 1986, S. 45 Ziff. 75, 48 Ziff. 81, 50 Ziff. 86. ICJ Rep. 1986, S. 118 Ziff. 227, 123 Ziff. 238. Holmqvist, Private Security Companies, S. 23.

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taten auf Private angenommen haben.687 Dies bezog sich natürlich auch auf Kriegsverbrechen. In dem Verfahren wurden die Angeklagten auch beschuldigt, an dem vom IMT in seinem Urteil festgestellten Zwangsarbeitsprogramm des Deutschen Reiches in unterschiedlicher Weise teilgenommen zu haben.688 Dabei wurden auch Kriegsgefangene in der rüstungsrelevanten Produktion eingesetzt. Das Gericht bewertete dies als eine Mißhandlung von Kriegsgefangenen im Sinne von Art. II, 1 b) KRG 10, da kein Kriegsgefangener gezwungen werden darf, die Kriegshandlungen gegen ihr eigens Land zu unterstützen689.690 Zwei der Angeklagten, unter ihnen auch Flick selbst, wurden dafür verurteilt, daß sie sich aktiv um die Zuteilung von Zwangsarbeitern durch staatliche Stellen bemüht hatten.691 Als markantes Beispiel muß hier auch noch das Strafverfahren gegen Bruno Tesch und Karl Weinbacher vor einem britischen Militärgericht genannt werden. Tesch war Eigentümer eines Unternehmens, das der SS das in den Gaskammern der Konzentrationslager verwendete Zyklon B verkauft hatte. Weinbacher war Prokurist des Unternehmens. Tesch und Weinbacher wurden zum Tode verurteilt, weil sie wußten, wozu das Zyklon B verwendet wurde und sich damit an Kriegsverbrechen des Staates beteiligt hatten.692 (d) Kriegsverbrechen Privater unabhängig von staatlichen Akteuren Aus der Praxis der Verfolgung von Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg sind aber auch Fälle bekannt, in denen Private von sich aus, unabhängig vom Staat Kriegsverbrechen begangen haben. Hier ist vor allem die Tötung von über Deutschland abgeschossenen alliierten Flugzeugbesatzungen durch die lokale Bevölkerung zu nennen.693

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s. o. B.V.2.d)cc). Vereinigte Staaten von Amerika gegen Friedrich Flick u. a. (s. o. Fn. 616), S. 316, 320 ff.; Jung, Nürnberger Prozesse, S. 51. 689 Siehe dazu heute Art. 8 II, 2 a) v) u. b) xv) ICC-Statut und Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 1050 ff. 690 Vereinigte Staaten von Amerika gegen Friedrich Flick u. a. (s. o. Fn. 616), S. 321, 328; Jung, Nürnberger Prozesse, S. 198. 691 Vereinigte Staaten von Amerika gegen Friedrich Flick u. a. (s. o. Fn. 616), S. 328; Jung, Nürnberger Prozesse, S. 200. 692 Siehe zum Ganzen die Auszüge des Urteils unter http://www.ess.uwe.ac.uk/ WCC/zyklonb.htm. 693 Dinstein, The Distinctions Between War Crimes and Crimes Against Peace, S. 4; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 977, Fn. 203. 688

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(e) Einzelne Begehungsformen der Kriegsverbrechen Der Begriff des Kriegsverbrechens ist nur ein Sammelbegriff, der vielfältige Begehungsformen zusammenfaßt. Im ICC-Statut sind 34 verschiedene Begehungsformen der Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt aufgezählt [Art. 8 II, lit. a) u. b)]. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob in einem internationalen Konflikt alle diese verschiedenen Tatbestände auch von Privaten verwirklicht werden können. So kann man Zweifel haben, ob zum Beispiel ein Privater einem Kriegsgefangenen ein unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren vorenthalten [Art. 8 II, lit. a) vi)] oder eine Beschlagnahme feindlichen Eigentums [Art. 8 II, lit. b) xiv)] vornehmen kann. Ein ähnliches Problem wurde hier schon einmal im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverträgen angesprochen. Dort ging es um die Frage, ob Private auch alle menschenrechtlichen Gewährleistungen zumindest faktisch beeinträchtigen können. Das Ergebnis bei den Menschenrechtsverträgen war, daß einige Gewährleistungen, wie etwa die Verfahrensgarantien, eigentlich nur vom Staat verletzt werden können. Man mag hier eine Parallele ziehen. Dennoch sollte man bedenken, daß zum Beispiel in der Konstellation der Internationalisierung eines Bürgerkrieges eine nicht-staatliche Konfliktpartei, wie etwa die Republika Srpska der bosnischen Serben in Bosnien Herzegowina, durchaus in der Lage sein kann, ein Gebiet wie ein Staat zu beherrschen und entsprechende Machtmittel (wie etwa ein Gerichtsverfahren oder eine Beschlagnahme) einzusetzen vermag. In einem solchen Fall wäre es widersinnig, die entsprechende Begehungsart der Kriegverbrechen auszuklammern, nur weil die private Konfliktpartei nicht alle Merkmale eines Staates aufweist. Außerdem besteht ja noch die Möglichkeit der Teilnahme eines Privaten an einer staatlichen Begehung von Kriegsverbrechen. So ist vorstellbar, daß ein Privater bei der staatlichen Vorenthaltung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens oder bei einer Beschlagnahme mitwirkt. Aufgrund der vielgestaltigen Konstellationen der Involvierung Privater in einen internationalen Konflikt ist es nicht sinnvoll, einige Begehungsarten der Kriegsverbrechen von vornherein auf staatliche Täter zu beschränken. (f) Zusammenfassung Die eben aufgezeigten Konstellationen sollten hinreichend belegen, daß auch in einem internationalen Konflikt Private Kriegsverbrechen begehen können.694 Voraussetzung ist allerdings, daß mindestens zwei Staaten derge694 Im Ergebnis ebenso Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 976 ohne allerdings insoweit zwischen internationalem und nicht-internationalem Konflikt zu unterscheiden.

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stalt involviert sind, damit überhaupt ein internationaler Konflikt entsteht. Dies ist aber eine strafrechtliche Vorfrage für die Verantwortlichkeit der privaten Täter. Die genannten Beispiele sind nicht abschließend gemeint. Andere Konstellationen sind durchaus vorstellbar. Als weitere gemeinsame Voraussetzung muß noch der funktionale Zusammenhang der Tat mit dem bewaffneten Konflikt gegeben sein.695 Damit wurde gezeigt, daß Private im internationalen Konflikt Kriegsverbrechen begehen können und folglich an die in den Tatbeständen enthaltenen Verbote unmittelbar gebunden sind. (3) Kriegsverbrechen im nicht-internationalen Konflikt (a) Existenz von Kriegsverbrechenstatbeständen im nicht-internationalen Konflikt Im nicht-internationalen Konflikt kämpfen nicht zwei Staaten gegeneinander. Im Paradebeispiel des Bürgerkrieges, kämpfen Aufständische in einem Land gegen die Regierung und ihre Truppen oder gegen andere Aufständische. Es war lange Zeit umstritten, ob das Konzept der Kriegsverbrechen auch für den nicht-internationalen Konflikt gilt, ob dafür also Völkerstrafnormen im engeren Sinne existieren.696 Wie bereits geschildert, bezieht sich das grave-breaches-System der Genfer Konventionen, jedenfalls nach überwiegender Ansicht, nur auf Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt.697 Verletzungen der gemeinsamen Art. 3 GK I–IV und des ZP II werden davon nicht erfaßt. Der Streit hat sich aber mit dem Erlaß der Statuten für das Ruanda- und Jugoslawientribunal durch den UN-Sicherheitsrat und durch das In-Kraft-Treten des ICC-Statuts erledigt. Nach der Rechtsprechung des Jugoslawientribunals verweist Art. 3 ICTY-Statut (Gesetze und Gebräuche des Krieges) [s. o. B.V.2.d)ff)(1)] auch auf die im nicht-internationalen Konflikt anwendbaren gemeinsamen Art. 3 GK I–IV, das ZP II und ihre völkergewohnheitsrechtlichen Entsprechungen. In einem weiteren Schritt nun erläutert das Gericht, daß sich im Laufe der Zeit auch die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit für schwere Verletzungen dieser Normen gewohnheitsrechtlich herausgebildet hat und bejaht damit die Existenz von gewohnheitsrechtlichen Kriegsverbrechenstatbeständen im nicht-internationalen Konflikt.698 Das Statut des Ruandatribunals erstreckt 695

Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 977. Ambos, Zur Bestrafung von Verbrechen im internationalen, nicht-internationalen und internen Konflikt, S. 340 f. mit weiteren Nachweisen. 697 s. o. B.V.2.d)ff)(1). 698 Tadic ´ (IT-94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 128 f. 134; Delalic´ et al., (IT-96-21-T), TC 696

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in Art. 4 die Zuständigkeit ausdrücklich auf schwere Verstöße der Art. 3 GK I–IV und des ZP II. Auch hier geht das Gericht von der gewohnheitsrechtlichen Existenz der entsprechenden Völkerstraftatbestände aus.699 Auf die detaillierte Ausgestaltung der Kriegsverbrechen im internen Konflikt in Art. 8 ICC-Statut wurde bereits eingegangen. (b) Bindung von Tätern der nicht-staatlichen Konfliktpartei Da bei einem nicht-internationalen Konflikt zumindest eine der Konfliktparteien eine nicht-staatliche Partei ist, müssen die entsprechenden Tatbestände der Kriegsverbrechen logischerweise auch private Täter erfassen, denn sonst könnten nur die Kriegsverbrechen der staatlichen Konfliktpartei abgeurteilt werden. Dies wäre aber ein sehr unbilliges Ergebnis, das keineswegs der Intention eines weitgehenden Schutzes für die Opfer des humanitären Völkerrechts gerecht werden würde. Im Akayesu-Verfahren vor dem Ruandatribunal hatte die Trial Chamber (TC) aber die Anwendung von Art. 4 ICTR-Statut auf Militärangehörige einer Konfliktpartei oder auf Vertreter einer Regierung beschränkt.700 Damit wurde die Begehung von Kriegsverbrechen im nicht-internationalen Konflikt nicht auf staatliche Täter eingeengt, denn ein Militärangehöriger einer nicht-staatlichen Konfliktpartei ist ein privater Täter. Aber außerhalb der Streitkräfte kann nach dieser Ansicht ein Täter nur verurteilt werden, wenn er der Vertreter einer staatlichen Regierung ist. Die Berufungskammer ist dieser Auslegung entgegengetreten. Sie legt dabei das Augenmerk vor allem auf die potentiellen Opfer einer Verletzung des gem. Art. 3 GK I–IV. Diese müßten einen möglichst umfassenden Schutz genießen und dies könne man nur erreichen, wenn strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht auf bestimmte Tätergruppen beschränkt ist.701 Außerdem weist die Berufungskammer darauf hin, daß weder Art. 4 ICTR-Statut noch die Bestimmung über die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit (Art. 7) die Täterschaft beschränken.702 Aus dieser Entscheidung ergibt sich deutlich, daß auch Privatpersonen Kriegsverbrechen im nicht-internationalen Konflikt begehen können, so wie es die Logik eines solchen Konfliktes ja auch verlangt. Voraussetzung ist allerJudgement, 16.11.1998, Ziff. 301, 307, 316; Delalic´ et al., (IT-96-21-A), AC Judgement, 20.2.2001, Ziff.171, 174; siehe eingehenden zur Tadic´-Entscheidung Kreß, Friedenssicherungs- und Konfliktvölkerrecht auf der Schwelle zur Postmoderne, EuGRZ 1996, 638 ff., insbes. 647. 699 Akayesu (ICTR-96-4-T), TC Judgement, 2.9.1998, Ziff. 617; Rutaganda (ICTR-96-3-T), TC Judgement, 6.12.1999, Ziff. 90. 700 Akayesu (ICTR-96-4-T), TC Judgement, 2.9.1998, Ziff. 631. 701 Akayesu (ICTR-96-4-T), AC Judgement, 1.6.2001, Ziff. 442, 443. 702 Akayesu (ICTR-96-4-T), AC Judgement, 1.6.2001, Ziff. 435, 436.

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dings, wie auch schon bei den Kriegsverbrechen im internationalen Konflikt703, daß zwischen der Tat und dem bewaffneten Konflikt ein Zusammenhang besteht.704 Das Jugoslawientribunal hat zahlreiche Täter über Art. 3 ICTY-Statut wegen Verletzung der gemeinsamen Art. 3 GK I–IV und ihre gewohnheitsrechtlichen Entsprechungen verurteilt.705 Dies betraf auch Angehörige der Streitkräfte der selbsternannten Republica Srpska, die, daran sei nochmals erinnert, von der Berufungskammer des ICTY als eine nicht-staatliche Konfliktpartei angesehen wird.706 (c) Einzelne Begehungsformen Auch bei den Kriegsverbrechen im nicht-internationalen Konflikt gibt es zumindest nach dem ICC-Statut Begehungsformen, die bei oberflächlicher Betrachtungsweise nur von staatlichen Tätern verwirklicht werden können, wie eine Verurteilung durch ein nicht ordentliche bestelltes Gericht [Art. 8 II, lit. c) iv)] oder die Beschlagnahme von Feindeigentum [Art. 8 II, lit. e) xii)]. Hier gelten aber die gleichen Überlegungen, die schon bei den Begehungsformen im internationalen Konflikt angestellt wurden.707 hh) Verbrechen gegen die Menschlichkeit Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde erstmalig im IMT-Statut formuliert [Art. 6 (c)]. Dort war er noch an die Begehung der anderen Tatbestände, insbesondere an die Kriegsverbrechen geknüpft.708 703

s. o. B.V.2.d)ff)(2)(f). Akayesu (ICTR-96-4-T), AC Judgement, 1.6.2001, Ziff. 444. 705 Z. B. Tadic ´ (IT-94-1-T), TC Judgement, 7.5.1997, Ziff. 722, 726; Blagojevic´ and Jokic´ (IT-02-60-T), TC Judgement, 17.1.2005, Ziff. 539, 797, 798; Jelisic´ (IT95-10-T), TC Judgement, 14.12.1999, Ziff. 34, 58. 706 s. o. B.V.2.d)ee)(2). 707 s. o. B.V.2.d)ff)(3)(c). 708 Bassiouni, Crimes Against Humanity, S. 49: Cassese, International Criminal Law, S. 104. Art. 6 (c) IMT-Statut im authentischen englischen Wortlaut: „[The following acts, or any of them, are crimes coming within the jurisdiction of the Tribunal for which there shall be individual responsibility:] . . . Crimes against humanity: namely, murder, extermination, enslavement, deportation, and other inhumane acts committed against any civilian population, before or during the war; or persecutions on political, racial or religious grounds in execution of or in connection with any crime within the jurisdiction of the Tribunal, whether or not in violation of the domestic law of the country where perpetrated.“ (Hervorhebung durch den Verfasser) Siehe dazu auch die Formulierung des Tatbestandes der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Nürnberger Prinzipien durch die ILC: „Crimes against 704

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Diese Verbindung zu einem bewaffneten Konflikt findet sich auch in Art. 5 ICTY-Statut. Im ICTR- und ICC-Statut fehlt diese Verknüpfung allerdings, so daß es sich heute um einen eigenständigen Tatbestand handelt.709 Ähnlich wie bei den Kriegsverbrechen faßt der Straftatbestand eine Vielzahl von unterschiedlichen Begehungsformen, wie etwa Tötung, Versklavung, Vertreibung oder Folter zusammen. (1) Notwendigkeit eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung Zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden diese einzelnen Delikte aber erst dann, wenn sie „im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung“ begangen werden. So sehen es zumindest die Tatbestände im ICC und im ICTR Statut vor.710 Nach Art. 5 ICTY-Statut müssen diese Taten lediglich „gegen die Zivilbevölkerung gerichtet“ sein. Die Rechtsprechung des ICTY hat aber die beiden Merkmale in das Statut hineingelesen.711 Das Erfordernis eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung ist, in der historischen Entwicklung gesehen, quasi der Ersatz für die ursprüngliche Verknüpfung des Tatbestandes mit den Kriegsverbrechen.712 Damit sollen isolierte Einzeltaten aus der Strafnorm herausgehalten werden713, um die Heraufstufung des Tatbestandes zu einem völkerrechtlichen Verbrechen und damit zu einer internationalen Angelegenheit zu rechtfertigen.714 humanity: Murder, extermination, enslavement, deportation and other inhuman acts done against any civilian population, or persecutions on political, racial or religious grounds, when such acts are done or such persecutions are carried on in execution of or in connexion with any crime against peace or any war crime. (Hervorhebung durch den Verfasser) s. o. Fn. 582, S. 377, Principle VI c. 709 Die Berufungskammer des ICTY hat in der Tadic ´ -Jurisdiktionsentscheidung festgestellt, daß der gewohnheitsrechtliche Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit keine Verknüpfung mehr zu einem bewaffneten Konflikt verlangt. Die Formulierung in Art. 5 ICTY-Statut sei deshalb enger als notwendig, Tadic´ (IT94-1-AR72), AC Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Ziff. 141. 710 Art. 7 I 1 ICC-Statut, Art. 3 ICTR-Statut. 711 Nicolic ´ (IT-94-2-R61), TC Review of Indictment Pursuant to Rule 61of the Rules of Procedure and Evidence, 20.10.1995, Ziff. 26; Tadic´ (IT-94-1-T), TC Judgement, 7.5.1997, Ziff. 644, 646; Blasˇkic´, TC Judgement, 3.3.2000, Ziff. 202. 712 Cassese, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC Commentary, Bd. I, S. 356, mit weiteren Nachweisen über die Eckpunkte der historischen Entwicklung. Siehe ausführlicher zur historischen Entwicklung Ambos/Wirth, Crimes Against Humanity, CLF 13 (2002), 3–12. 713 Für das ICC-Statut siehe Triffterer-Dixon, Commentary ICC-Statute, Art. 7, Rz. 4.

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(2) Notwendigkeit einer hinter dem Angriff stehenden staatlichen oder privaten Organisation Besonders das Merkmal des systematischen Angriffs auf eine Zivilbevölkerung hat dazu geführt, daß sowohl das ICTY als auch das ICTR zumindest implizit die Notwendigkeit eines Plans oder einer Politik als hinter dem Angriff stehend angenommen haben.715 Ein solcher Plan oder eine solche Politik kann nicht von einem Einzelnen formuliert und durchgeführt werden, sondern setzt eine gewisse Organisation voraus.716 Nach den Nürnberger Prozessen war lange nicht klar, ob diese Organisation nur der Staat sein kann oder ob auch nicht-staatliche Akteure darunter fallen sollen. Das zeigt auch die sich ändernde Formulierung des Tatbestandes in den verschiedenen Entwürfen der ILC für den Code of Crimes against Peace and Security of Mankind717. So sah zwar der Entwurf von 1954 vor, daß auch Private als unmittelbare Täter Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen können, verlangte aber, daß deren Handeln von Staatsorganen angestiftet oder geduldet wird.718 Im Entwurf von 1991 läßt der Wortlaut des Tatbestandes offen, wer hinter den Verbrechen stehen muß.719 Allerdings macht die Kommentierung deutlich, daß der Tatbestand auch Verbrechen von Privatpersonen oder nicht-staatlichen Gruppen mit de facto Macht erfaßt.720 In der endgültigen Fassung des Codes von 1996 wird hingegen schon im Wortlaut des Tatbestandes festgehalten, daß die Verbrechen entweder vom Staat oder von jeder anderen Organisation oder Gruppe veranlaßt oder gesteuert werden können.721 Die Rechtsprechung der beiden ad hoc Tribunale ist dem gefolgt. So macht die Tadic´-Entscheidung von 1997 deutlich, daß neben dem Staat auch Gruppen, die ein bestimmtes Territorium beherrschen, oder sogar Terror714 Ambos/Wirth, Crimes Against Humanity, CLF 13 (2002), 13 f.; Badar, Crimes Against Humanity, 5 San Diego Int’l L. J. 73, 109 (2004); Triffterer-Dixon, Commentary ICC-Statute, Art. 7, Rz. 11. 715 ICTY: Nicolic ´ (IT-94-2-R61), TC Review of Indictment Pursuant to Rule 61of the Rules of Procedure and Evidence, 20.10.1995, Ziff. 26; Tadic´ (IT-94-1-T), TC Judgement, 7.5.1997, Ziff. 644, 653; Kupresˇkic´ et al. (IT-95-16-T), TC Judgement, 14.1.2000, Ziff. 551; Blasˇkic´, TC Judgement, 3.3.2000, Ziff. 203. ICTR: Akayesu (ICTR-96-4-T), TC Judgement, 2.9.1998, Ziff. 580; Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff. 123, 124. 716 Manske, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 165; Meseke, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 145 f. 717 s. o. B.V.2.d)cc)(1). 718 Art. 2 (11) Draft Code 1954, YBILC 1954 II, S. 150. 719 Vgl. Badar, Crimes Against Humanity, 5 San Diego Int’l L. J. 73, 86 (2004). 720 Art. 21 Draft Code 1991 und Commentary, Ziff. (5), YBILC 1991 II/2, S. 103. 721 Art. 18 Draft Code 1996, YBILC 1996, II/2, S. 17, 47.

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gruppen hinter einer solchen Politik stehen können. Dabei wird ausdrücklich auf die ILC Draft Codes von 1991 und 1996 und ihre Kommentierungen verwiesen.722 Ein Bürgerkrieg wie zum Beispiel in Bosnien Herzegowina ist eine typische Situation, in der ein nicht-staatlicher Akteur (die Bürgerkriegspartei, die gegen die Regierung kämpft) fähig ist, einen Angriff auf die Zivilbevölkerung zu organisieren. Das ICTY-Statut gibt mit der sonst ja nicht mehr notwendigen Verbindung zu einem bewaffneten Konflikt einen Hinweis auf die Einbeziehung nicht-staatlicher Organisationen in den Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Art. 5 ICTY läßt nämlich einen internen Konflikt genügen.723 Wären die Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf staatliche Akteure beschränkt, könnten die Verbrechen der nichtstaatlichen Partei nicht verfolgt werden. Dies wäre ein grob unbilliges Ergebnis, wenn man daran denkt, daß nach dem 2. Weltkrieg die meisten bewaffneten Auseinandersetzungen, in denen auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden, interne Konflikte waren.724 In Akayesu entschied das Ruanda-Tribunal, die hinter den Verbrechen stehende Politik müsse nicht vom Staat betrieben werden.725 Und unter Verweis auf den ILC Draft Code von 1996 führte das Gericht in Kayishema and Ruzindana aus, das ICTRStatut verlange keinen Staat hinter den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern private Gruppen und Organisationen seien ebenso erfaßt.726 Insbesondere das Tadic´-Urteil und der ILC Draft Code von 1996 beeinflußten die Ausgestaltung des Tatbestandes der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im ICC-Statut.727 So muß nach der Definition in Art. 7 II, lit. a ICC-Statut der Angriff gegen die Zivilbevölkerung „in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation“ vorgenommen werden, wobei mit dem Begriff Organisation gerade auch nicht-staatliche Einheiten gemeint sind728. Hier kann man also festhalten, daß hinter den Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowohl der Staat als auch nicht-staatliche Gruppen oder Organisationen stehen können. 722

Tadic´ (IT-94-1-T), TC Judgement, 7.5.1997, Ziff. 654, 655. Luban, A Theory of Crimes Against Humanity, 29 Yale J. Int’l L. 85, 96 (2004). 724 Vgl. Gil Gil, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, ZStW 112 (2000), 381, 392. Siehe dazu auch Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Criminal Law, S. 274. 725 Akayesu (ICTR-96-4-T), TC Judgement, 2.9.1998, Ziff. 580. 726 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff. 125, 126. 727 von Hebel/Robinson, in: Lee, ICC – Making of the Rome Statute, S. 96 f.; Meseke, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 137 f. 728 von Hebel/Robinson, in: Lee, ICC – Making of the Rome Statute, S. 97. 723

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(3) Die Frage der Gebietsbeherrschung der nicht-staatlichen Organisation In diesem Zusammenhang spricht das Jugoslawientribunal in Tadic´ und in Kupresˇkic´ von einer Gruppe, die ein bestimmtes Territorium de facto beherrscht, ohne aber de jure ein Staat zu sein.729 Ob die Gebietsbeherrschung aber eine Voraussetzung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, wird nicht ganz klar. In der Literatur scheint das teilweise als Bedingung verstanden worden zu sein.730 Allerdings nennt die Tadic´-Entscheidung auch eine Terrorgruppe als mögliche Organisation hinter einem Angriff auf die Zivilbevölkerung.731 Nun kann natürlich auch eine Terrorgruppe ein Gebiet beherrschen. Die Regel ist dies aber nicht, wenn man mal davon absieht, daß einige Terrorgruppen Ausbildungslager unterhalten und deren Gebiet auch beherrschen. Allerdings sind diese Camps viel zu klein, um von einer Gebietsbeherrschung im obigen Sinne zu sprechen. Gewöhnlich handelt es sich bei Terrorgruppen auch um nicht-staatliche Akteure. Die Frage ist nicht unerheblich, denn bei Verzicht auf das Merkmal der Gebietsbeherrschung können solche Taten wie die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA durch Al Qaida in den Bereich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelangen. Einige Stimmen in der Literatur bejahen dies.732 Auf die Frage der Gebietsbeherrschung durch die Terrororganisation gehen diese Autoren allerdings nicht ein. Andere verzichten aber ausdrücklich auf diese Voraussetzung.733 Die Frage kann hier nicht abschließend beantwortet werden. Die Erörterung soll aber zeigen, daß mit dem Verzicht auf dieses Merkmal weitere private Akteure in den Täterkreis aufrücken können. (4) Privatpersonen als Täter auch außerhalb der Organisation Bisher wurde schwerpunktmäßig erörtert, welche Organisation hinter den Verbrechen gegen die Menschlichkeit stehen muß und es wurde gezeigt, 729 Tadic ´ (IT-94-1-T), TC Judgement, 7.5.1997, Ziff. 654; Kupresˇkic´ et al. (IT95-16-T), TC Judgement, 14.1.2000, Ziff. 552. 730 Ambos/Wirth, Crimes Against Humanity, CLF 13 (2002), 27; Badar, Crimes Against Humanity, 5 San Diego Int’l L. J. 73, 114-5 (2004); Bassiouni, Crimes Against Humanity in International Criminal Law, S. 275; Meseke, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 146. 731 Tadic ´ (IT-94-1-T), TC Judgement, 7.5.1997, Ziff. 654. 732 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 273, Rz. 259; Cassese, Terrorism, EJIL 12 (2001), 993, 994 f.; Cassese, International Criminal Law, S. 175 f.; Mallat, „Terrorism“ or „Crime Against Humanity“?, 34 Case. W. Res. J. Int’l L. 245, 247 (2002); Proulx, Terrorism as Crimes Against Humanity?, 19 Am. U. Int’l L. Rev 1009, 1083 (2004); Tomuschat, Der 11. September 2001 und seine rechtlichen Konsequenzen, EuGRZ 2001, 535, 536. 733 Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 775.

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daß dies durchaus auch eine private sein kann, unabhängig davon, ob an sie weitere Anforderungen, wie etwa die Gebietsbeherrschung, zu stellen sind. Offen blieb bisher, wer unmittelbarer Täter dieser Verbrechen sein kann. Die Täter können natürlich die jeweiligen Mitglieder der Organisationen sein, die hinter den Angriffen auf die Zivilbevölkerung stehen. Im Falle einer privaten Organisation sind dies selbstverständlich ebenfalls private Täter. Aber auch Personen außerhalb der jeweiligen Organisation können Täter sein, wenn sie im Rahmen des Angriffsplans handeln, also ein ausreichender Zusammenhang mit diesem besteht.734 So ist es auch möglich, daß eine Privatperson ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, wenn die Angriffspolitik vom Staat ausgeht. Das zeigen deutlich die Fälle, in denen nach dem 2. Weltkrieg deutsche Privatpersonen für Denunziationen von regimekritischen Äußerungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vom Obersten Gerichtshof für die Britische Zone gemäß Art. II, 1 lit. c KRG 10 verurteilt wurden. Die Denunzierten wurden von der Staatsmacht mißhandelt, zu Haftstrafen oder zum Tod verurteilt. Das Gericht sah die Denunziationen durch die Privatpersonen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit an, weil sie sich in die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft einfügten.735 In Kupresˇkic´ hat das ICTY ebenfalls geurteilt, daß der Täter kein Amtsträger sein muß, wenn der Angriff vom Staat ausgeht, solange sich die Tat in die staatliche Politik einfügt. Dabei verweist er auch auf die eben zitierten Urteile des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone.736 Die oben bei der Behandlung des Völkermords erörterte Entscheidung in Kayishema and Ruzindana des ICTR737 bestätigt dieses Ergebnis. Der Privatmann Ruzindana wurde in diesem Verfahren neben Völkermord auch der Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.738 Das Gericht hatte in dem Völkermordplan gleichzeitig auch einen ausgedehnten und systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung gesehen.739 Die Urheber dieses Angriffs waren Teile des ruandischen Staatsapparates und einige der politischen Parteien.740 Zu einer Verurteilung Ruzindanas wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit kam es nur 734 Meseke, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 147; vgl. Triffterer-Dixon, Commentary ICC-Statute, Art. 7, Rz. 10; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 780. 735 Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Strafsachen 1, 6 ff.; insbes. 122, 124; 141 ff.; 2, 17 ff.; 67 ff. 736 Kupres ˇkic´ et al. (IT-95-16-T), TC Judgement, 14.1.2000, Ziff. 555. 737 s. o. B.V.2.d)ee)(2). 738 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, I. 1.2. Indictment, Ziff. 17. 739 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff. 582. 740 Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff. 54, 279.

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deshalb nicht, weil das Gericht seine Taten als von der Verurteilung wegen Völkermordes konsumiert ansah.741 (5) Zusammenfassung Zusammenfassend kann hier festgehalten werden, daß Privatpersonen in mehreren Konstellationen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen können. Entweder handeln sie als Teil einer nicht-staatlichen Organisation, von der ein Angriff auf eine Zivilbevölkerung ausgeht. Oder sie befinden sich außerhalb einer Organisation, ihre Taten fügen sich aber in den Angriffsplan ein. In der letztgenannten Konstellation kann die Organisation auch der Staat sein. ii) Aggression Das Verbrechen der Aggression ist der problematischste Tatbestand im Völkerstrafrecht. Die Einbeziehung der Aggression in die Kriegsverbrecherprozesse von Nürnberg und Tokio wurde als Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot kritisiert.742 Die Statuten des Jugoslawien- und Ruandatribunals enthalten keinen Aggressionstatbestand. Oben wurde schon darauf hingewiesen, daß sich die Zuständigkeit des ICC auch auf die Aggression erstreckt, diese Zuständigkeit sich aber im Wartestand befindet, da der Tatbestand bisher noch nicht näher vertraglich definiert wurde. Daneben existiert noch die Frage nach der Existenz eines gewohnheitsrechtlichen Aggressionsverbrechens und seiner Reichweite. Die beiden Rechtsquellen werden getrennt erörtert. (1) Zukünftige vertragliche Festlegung des Aggressionstatbestandes im ICC-Statut Für die Ausgestaltung des Aggressionstatbestandes im ICC-Statut wurde eine eigene Arbeitsgruppe (Special Working Group on the Crime of Aggression, SWGCA) eingerichtet, die den Vertragsstaaten einen Textvorschlag machen soll. Dieser Vorschlag könnte dann 2009 bei der nächsten großen Vertragskonferenz in das Statut eingefügt werden. Aus der bisherigen Arbeit der Arbeitsgruppe sind schon einige Konturen des Tatbestandes erkennbar, insbesondere auch zu dem möglichen Täterkreis. 741

Kayishema and Ruzindana (ICTR-95-1-T), TC Judgement, 21.5.1999, Ziff.

579. 742

Ahlbrecht, Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, S. 84; Werle, International Criminal Law, Rz. 1324. Siehe zur Entstehungsgeschichte des Tatbestandes im IMT-Statut auch Hummrich, Aggression, S. 56 f.

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(a) Gewaltausübung zwischen Staaten und Führungsverbrechen Bei dem Verbrechen der Aggression geht es nur um die Ausübung von Gewalt zwischen Staaten.743 Somit sind Gewaltakte privater Gruppen, wenn sie denn nicht einem Staat zugerechnet werden können744, von vornherein aus dem Tatbestand ausgeschlossen. Der anvisierte Tatbestand geht insoweit konform mit der Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung von 1974, nach der Aggression nur die militärische Gewaltausübung eines Staates gegen einen anderen Staat bedeutet745. Die gerade diskutierten verschiedenen Wortlautversionen enthalten darüber hinaus aber noch die Einschränkung, daß sich nach dem Statut nur Personen der Aggression strafbar machen können, die sich „in a position effectively to exercise control over or to direct the political or military action of a State“ befinden.746 Diese Einschränkung soll auch für die Tatteilnehmer im Sinne von Art. 25 ICCStatut gelten.747 Hier stellt sich nun die Frage, ob diese Formulierung den Aggressionstatbestand auf staatliche Amtsträger beschränkt. Der Wortlaut spricht nicht von staatlichen Amtsträgern, sondern von Personen, die tatsächlich die politischen oder militärischen Handlungen eines Staates bestimmen können. Es kommt also nicht auf eine formale Amtsstellung an, sondern auf eine tatsächliche Machtposition.748 Deshalb sind Private nicht von vornherein von der Täterschaft ausgeschlossen. Zwei Fragen müssen in diesem Zusammenhang auseinandergehalten werden: einmal die Frage, ob nur Führungspersonen den Tatbestand verwirklichen können, zum anderen, ob auch Private als Täter in Frage kommen. Die Beschränkung auf Führungspersonen ergibt sich schon aus der bisherigen Entwicklung des Tatbestandes seit Nürnberg und Tokio. Vor dem IMT und dem IMTFE wurden nur die sogenannten Hauptkriegsverbrecher ange743 Siehe dazu die Ausführungen der SWGCA in: Assembly of States Parties, Resumed 5th session, 29 January–1 February 2007, ICC Publ. ICC-ASP/5/35, annex II, Ziff. 14. 744 Vgl. o. B.V.2.d)ff)(2)(b). 745 Art. 1 Aggressionsdefinition, s. o. Fn. 681. 746 Assembly of States Parties, Resumed 5th session, 29 January–1 February 2007, Discussion paper proposed by the Chairman, ICC Publ. ICC-ASP/5/SWGCA/ 2, 16.1.2007, Annex; Assembly of States Parties, 6th session, SWGCA, 30 November–14 December 2007, Informal inter-sessional meting of the Special Working Group on the Crime of Aggression, held at the Liechtenstein Institute on Self-Determination, Woodrow Wilson School, Princeton University, Unted States, from 11 to 14 June 2007, ICC Publ. ICC-ASP/6/SWGCA/INF.1, 25.7.2007, Annex II. 747 Siehe dazu die verschiedenen Textversionen in ICC Publ. ICC-ASP/5/ SWGCA/2, 16.1.2007, Annex und die Erläuterung dazu in ICC-ASP/6/SWGCA/ INF.1, 25.7.2007, Ziff. 6, 11. 748 Westdickenberg/Fixson, Aggression, S. 503.

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klagt. Aus dem KRG 10 ergibt sich ausdrücklich, daß sich nur Personen in gehobenen Stellungen der Aggression schuldig machen konnten.749 Die ILC spricht im Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind von 1996 von einem „individual as leader or organizer“ als möglichen Täter.750 Der Sinn hinter dieser Einschränkung liegt darin, daß nicht jeder Soldat gleich welchen Ranges im Falle eines Angriffskrieges angeklagt werden soll, denn dies würde sowohl internationale als auch nationale Gerichte überfordern.751 Für die Frage einer Täterschaft Privater ergibt sich aus der bisherigen Entwicklung kein eindeutiges Bild. Die Einschränkung der Zuständigkeit des IMT und des IMTFE auf die Hauptkriegsverbrecher enthielt keine Unterscheidung zwischen staatlichen und privaten Tätern. Es wurden aber sowieso nur hohe deutsche und japanische Staats- und Militärfunktionäre angeklagt und wegen Aggression verurteilt.752 (b) Fälle aufgrund des KRG 10 Im KRG 10 (Art. II 2, lit. f) wurde allerdings explizit für das Verbrechen der Aggression neben Personen im staatlichen und militärischen Bereich die Täterschaft von Personen mit „gehobene(r) . . .Stellung . . . im finanziellen, industriellen und wirtschaftlichen Leben“ festgeschrieben. Tatsächlich wurden dann vor den amerikanischen Militärgerichten im I. G.Farben- und im Krupp-Verfahren die Spitzenmanager der beiden Unternehmen auch der Aggression angeklagt. Allerdings wurden alle Angeklagten in diesem Punkt freigesprochen, weil sie keinen ausreichenden Einfluß auf die politischen Entscheidungen zur Führung der Angriffskriege im Deutschen Reich und auch keine Kenntnis von den Angriffsplänen hatten, sondern die Regierung darin durch ihre Rüstungsproduktion lediglich unterstützt hatten. Die Richter verwiesen dabei auf die hohen Anforderungen, die in der Entscheidung des IMT für eine Verurteilung wegen Aggression aufgestellt worden waren.753 So hatte das IMT zum Beispiel Albert Speer 749

Art. II 2, lit. f KRG 10. Art. 16 Draft Code (s. o. Fn. 618). 751 Westdickenberg/Fixson, Aggression, S. 504; siehe dazu auch schon die Erläuterung der ILC zu den Nürnberger Prinzipien, ILC, Formulation of the Nürnberg Principles, Principle VI a, Yearbook of the International Law Commission, 1950, vol. II, S. 374, 376, Ziff. 117. 752 Siehe dazu die Übersicht in Prep. Com. ICC, Historical review of developments relating to aggression, UN Doc. PCNICC/2002/WGCA/L.1, 24.1.2002, S. 29–34 und 102–114. Beim IMT wiederum mit der Ausnahme von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, gegen den das Verfahren aber nicht durchgeführt wurde [s. o. B.V.2.d)cc)]. 750

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vom Vorwurf des Verbrechens gegen den Frieden freigesprochen, da er nicht an den ursprünglichen Planungen der Angriffskriege beteiligt war, sondern erst Rüstungsminister nach dem Beginn der verschiedenen Angriffskriege geworden war. Die Organisation der deutschen Rüstung sah das Gericht aber nicht als ausreichend für eine Verurteilung an.754 Im Krupp-Verfahren wies das Gericht aber ausdrücklich darauf hin, daß damit eine mögliche Täterschaft von Industriellen nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird, sondern lediglich in dem Fall die Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichten.755 Angesichts des Wortlautes des KRG 10 wäre ein solcher grundsätzlicher Ausschluß auch gar nicht möglich gewesen. In der französischen Zone wurde auch ein Stahl- und Rüstungsunternehmer, nämlich Hermann Röchling, wegen Aggression angeklagt. Die erste Instanz verurteilte ihn wegen der Beteiligung an der deutschen Rüstungsanstrengung.756 Die zweite Instanz hob in diesem Punkt aber das Urteil auf und sprach Röchling vom Vorwurf der Aggression frei. Ähnlich wie im I. G.-Farben und Krupp-Fall sah das Gericht keine Beweise dafür, daß Röchling mit dem Vorsatz einen Angriffskrieg zu unterstützen an der Aufrüstung teilgenommen und auch keine führende Rolle im Kriegsgeschehen gespielt hat.757 Auch dies bedeutet keinen grundsätzlichen Ausschluß Privater als Täter der Aggression. (c) Definitionsversuche der ILC Im ILC Draft Code von 1954 werden in Art. 2 (1–9) verschiedene Aggressionsformen definiert, als deren Täter ausdrücklich Staatsorgane genannt werden.758 Die jeweilige Kommentierung der ILC stellt klar, daß unmittelbare Täter der Aggression nur Staatsorgane sein können, daß aber Privatpersonen sich gemäß der in Art. 2 (13) (i–iv) festgeschriebenen Teilnahmeformen759 an dem Aggressionsverbrechen beteiligen kön753 Vereinigte Staaten von Amerika gegen Carl Krauch u. a. (I. G.-Farben) u. Vereinigte Staaten von Amerika gegen Alfried Felix Alwyn Krupp von Bohlen und Halbach u. a., zit. nach Prep. Com. ICC, Historical review of developments relating to aggression, UN Doc. PCNICC/2002/WGCA/L.1, 24.1.2002, Ziff. 135–139, 145–147. 754 IMT-Urteil (s. o. Fn. 446), S. 657. 755 Prep. Com. ICC, Historical review of developments relating to aggression, UN Doc. PCNICC/2002/WGCA/L.1, 24.1.2002, Ziff. 148. 756 Prep. Com. ICC, Historical review of developments relating to aggression, UN Doc. PCNICC/2002/WGCA/L.1, 24.1.2002, Ziff. 261. 757 Prep. Com. ICC, Historical review of developments relating to aggression, UN Doc. PCNICC/2002/WGCA/L.1, 24.1.2002, Ziff. 263–266. 758 YBILC 1954 II, S. 151. 759 Dies sind: conspiracy, direct incitement, complicity und attempt.

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nen.760 Der Wortlaut des Aggressionstatbestandes aus dem endgültigen Draft Code von 1996 (Art. 16) spricht, wie bereits kurz erwähnt761, nur von Führungspersonen als mögliche Täter, läßt aber offen, ob dies nur staatliche oder auch private Täter sein können. In der Kommentierung dazu sieht die ILC neben Regierungsmitgliedern und hochrangigen Militärangehörigen auch Führungspersonen aus Parteien und der Wirtschaft und damit auch Privatpersonen als mögliche Täter an.762 Dies steht allerdings zu der oben763 schon dargestellten Kommentierung des Artikels über die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit im Widerspruch, die den möglichen Täterkreis für das Aggressionsverbrechen auf Staatsorgane beschränkt. (d) Offenheit der Frage der Einbeziehung Privater in den Aggressionstatbestand Diese Unsicherheit bei der Festlegung des möglichen Täterkreises innerhalb der ILC hat sich auch auf die Beratungen in der SWGCA übertragen, denn mit Verweis auf das KRG 10 haben einige Mitglieder der Arbeitsgruppe weiteren Diskussionsbedarf zu dieser Frage angemeldet.764 Es ist deshalb zur Zeit offen, ob der künftige vertragliche Tatbestand Private einbezieht. Rechtspolitisch wäre ein Ausschluß Privater negativ zu beurteilen. Denn durch den enormen Machtzuwachs privater Institutionen und ihrer Vertreter steigt auch ihr Einfluß auf die staatliche Politik. Verschiedentliche Warnungen vor dem sogenannten militärisch-industriellen Komplex und seinen Einfluß auf staatliche Entscheidungen sollen hier als Beleg genügen.765 Falls die zur Zeit in der SWGCA vorgeschlagene Formulierung von den ICCVertragsstaaten ohne weitere Konkretisierungen und Ergänzungen beschlossen werden sollte, wird die Einbeziehung Privater entscheidend von der Rechtsprechung des ICC abhängen, wenn es überhaupt zu Anklagen kommen sollte. Die restriktive Handhabung der Frage durch die KRG 10-Gerichte nach dem 2. Weltkrieg wird wahrscheinlich aber auch die Richter des ICC beeinflussen.

760 Die für den Aggressionstatbestand relevante Kommentierung des Draft Codes von 1954 ist enthalten in: YBILC 1951 II, S. 135 f. 761 s. o. B.V.2.d)hh)(1)(a). 762 YBILC 1996 II/2, S. 43, Ziff. 2. 763 B.V.2.d)cc)(1). 764 ICC Publ. ICC-ASP/6/SWGCA/INF.1 (s. o. Fn. 746), Ziff. 12. 765 Siehe z. B. die Abschiedsrede des US-Präsidenten Eisenhower vom 17.1.1961, http://coursesa.matrix.msu.edu/~hst306/documents/indust.html.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

(2) Aggressionsverbrechen als Völkergewohnheitsrecht (a) Fraglichkeit der Existenz als Völkergewohnheitsrecht Die Schwierigkeit der vertraglichen Festlegung des Aggressionstatbestandes wirft auch ihre Schatten auf die Frage seiner gewohnheitsrechtlichen Existenz. Die mangelnde Einigung über den Inhalt des Aggressionstatbestandes bei den Verhandlungen zum ICC-Statut macht es, anders als bei den übrigen Tatbeständen, nicht leicht eine allgemeine Rechtsüberzeugung anzunehmen. Die Praxis beschränkt sich nur auf das Nürnberger und Tokioter Beispiel unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg. Die Frage der gewohnheitsrechtlichen Existenz bleibt deshalb umstritten.766 Wie immer beim Gewohnheitsrecht kommt es darauf an, welche Anforderungen man an die Rechtsüberzeugung und an die Praxis stellt. Eindeutige Maßstäbe gibt es dafür bisher nicht. Bezüglich der Praxis lassen die Befürworter die Verurteilungen in Nürnberg und Tokio genügen und stören sich nicht an dem langen praxislosen Zeitraum danach. Ähnlich wie bei der Begründung der gewohnheitsrechtlichen Geltung von Menschenrechten läßt man Nachweise einer Rechtsüberzeugung, also wiederholte staatliche Äußerungen für einen völkerrechtlichen Aggressionstatbestand, für die Praxis genügen.767 Dazu werden neben der Erklärung der Nürnberger Prinzipien auch die Aggressionsdefinition768 und die Erklärung über freundschaftliche Beziehungen zwischen den Staaten769 der UN-Generalversammlung gezählt, in denen die Aggression als ein völkerrechtliches Verbrechen bezeichnet wird.770 Der letzte Baustein der Argumentationskette ist dann die Aufnahme der Aggression in das ICC-Statut.771 Diese Stimmen nehmen an, daß eine Rechtsüberzeugung hinsichtlich eines Mindestbestandes der Strafbarkeit existiert. Dieser Mindestbestand soll in der Ausgestaltung des Aggressionsverbrechens durch das IMT liegen.772 Mit einem solchen Argu766

Dafür: Hummrich, Aggression, S. 147; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 1293, 1299. Dagegen: König, Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, S. 390; Tomuschat, Das Strafgesetzbuch der Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit, EuGRZ 1998, 1, 5. Unentschieden: Bassiouni, Vermächtnis von Nürnberg, S. 24; Triffterer, Bestandsaufnahme zum Völkerstrafrecht, S. 207. 767 Hummrich, Aggression, S. 139 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 1298. 768 s. o. Fn. 681, Annex, Art. 5, Nr. 3. 769 UN Doc. GA Res. 2625 (XXV), Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, 24.10.1970, Annex, Principle 1, Abs. 2. 770 Hummrich, Aggression, S. 110 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 1297. 771 Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 1297. 772 Hummrich, Aggression, S. 112 f.

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mentationsschema läßt sich vielleicht die Existenz irgendeiner gewohnheitsrechtlichen Norm begründen. Ob dies aber gerade auch für eine Strafnorm ausreicht, kann bezweifelt werden. Denn auch im Völkerrecht gilt der, wenn auch vielleicht gegenüber dem innerstaatlichen Recht gelockerte, Grundsatz der ausreichenden Bestimmtheit von Strafnormen773 und deshalb fragt es sich, ob hier nicht eine höhere Meßlatte für die Annahme einer gewohnheitsrechtlichen Norm anzulegen ist. Dies kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Es genügt festzuhalten, daß die Existenz des Aggressionstatbestandes mit einem großen Fragezeichen versehen ist. (b) Mögliche Täter Wenn man aber das Verbot des Aggressionsverbrechens als Satz des Gewohnheitsrechtes bejaht, so muß man feststellen, daß er sich auch nur gegen Führungspersonen richtet, die die staatliche Politik bestimmen können.774 Das Nürnberger Beispiel zeigt, daß der Tatbestand auf diese hochrangigen Personen beschränkt sein soll. Zwar kann man keinen formalen Ausschluß von Privatpersonen feststellen; angesichts der Spruchpraxis, insbesondere der KRG 10-Gerichte, dürfte aber eine Verurteilung von Privatpersonen und seien es auch hochgestellte Personen aus der Wirtschaft, sehr unwahrscheinlich sein, weil sie in der Regel nicht über die nötige politische Bestimmungsgewalt verfügen. jj) Ergebnis Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die Völkerstraftatbestände des Völkermordes, der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowohl vertragsrechtlich (ICC-Statut) als auch gewohnheitsrechtlich existieren und auch private natürliche Personen völkerrechtlich unmittelbar verpflichten, diese Taten nicht vorzunehmen. Ein gültiger vertraglicher Aggressionstatbestand existiert bisher nicht und eine gewohnheitsrechtliche Existenz ist mit großer Unsicherheit behaftet. Die Einbeziehung Privater darin ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber eher theoretischer Natur. e) Bindung privater juristischer Personen Die Frage einer Bindung privater juristischer Personen durch die Völkerstraftatbestände i. e. S. wird in der Literatur relativ wenig diskutiert. Nach 773

Ambos, VölkerStR AT, S. 370 f.; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 100. Dinstein, The Distinctions Between War Crimes and Crimes Against Peace, S. 5 spricht hier von „policy-makers“. 774

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

Weissbrodt sollen Unternehmen faktisch (effectively) an die menschenrechtlichen Verpflichtungen von Individuen gebunden sein, da Unternehmen aus Menschen bestehen.775 Es ist richtig, daß eine juristische Person nur durch Menschen handeln kann. Wenn nun ein bestimmtes Verhalten für natürliche Personen verboten und strafbar ist, dann gilt dies natürlich auch für Menschen, die für eine juristische Person handeln. Das heißt, die juristische Person kann diese Handlungen gar nicht rechtmäßig vornehmen, da dies den handelnden Menschen untersagt ist. Diese Überlegung zeigt, wie juristische Personen und natürliche Personen rechtlich verflochten sind. Es fragt sich aber, ob man mit diesem Argument allein schon eine formale Bindung der juristischen Person an die Verhaltensnorm konstruieren kann. Paust bejaht einfach die Bindung von Unternehmen durch das Völkerstrafrecht, da die Unternehmen als juristische Personen an dieselben Völkerrechtsnormen wie Individuen gebunden seien.776 Eine nähere Analyse der Völkerstrafnormen unterbleibt. Auf die grundsätzliche Gleichstellung von juristischen mit natürlichen Personen stellt auch Ratner ab, wiederum aber ohne eingehende dogmatische Befassung mit der Problematik.777 Diese Autoren greifen also die allgemeine Maxime auf, daß juristische Personen grundsätzlich an dieselben Normen gebunden sind wie natürliche Personen. Bei den Völkerstraftatbeständen ist aber gerade fraglich, ob diesem Grundsatz gefolgt werden kann. Ausgangspunkt der Überlegungen muß hier wiederum sein, ob die Völkerstrafnormen erkennbar nur natürliche Personen erfassen sollen. aa) Beschränkung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf Menschen im Völkerstrafrecht In der bisherigen Entwicklung des Völkerstrafrechts wurden von internationalen Gerichten ausschließlich natürliche Personen strafrechtlich verfolgt. Dies ergibt sich auch aus den jeweiligen Statuten. Die Zuständigkeit des IMT war auf die Hauptkriegsverbrecher der Achsenmächte beschränkt, die als Individuen oder als Mitglieder von Organisationen die Verbrechen begangen hatten (Art. 6 IMT-Statut). In der Kommentierung zu den Nürnberger Prinzipien hält die ILC fest, daß die Völkerstrafnormen Individuen binden sollen.778 Die Statuten des ICTY, des ICTR und des ICC beschränken die Zuständigkeit ausdrücklich auf natürliche Personen (Art. 6 ICTY, Art. 5 ICTR und Art. 25 I ICC). 775 Weissbrodt, Principles relating to the human rights conduct of companies, UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2000/WG.2/WP.1 vom 25.5.2000, S. 7. 776 Paust, Human Rights Responsibilities of Private Corporations, 35 Vand. J. Transnat’l L. 801, 803 (2002). 777 Ratner, Corporations and Human Rights, 111 Yale L. J. 443, 494 f. (2001). 778 Formulation of the Nürnberg Principles, s. o. Fn. 582, S. 374, Ziff. 99.

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Insbesondere die Entstehungsgeschichte des ICC-Statut ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich. Während den Verhandlungen wurde nämlich der Vorschlag gemacht, die Zuständigkeit des ICC auch auf juristische Personen auszudehnen779, was dann natürlich zur Folge gehabt hätte, daß sich juristische Personen aufgrund der Völkerstraftatbestände hätten strafbar machen können. Dies wurde aber schließlich abgelehnt, so daß es bei der ausschließlichen Zuständigkeit für natürliche Personen blieb. Jedoch ist auch heute im nationalen Recht die Strafbarkeit von juristischen Personen durchaus umstritten. Manche Rechtsordnungen kennen ein solches Institut780, andere lehnen hingegen eine solche Strafbarkeit ab. So ist zum Beispiel in der deutschen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung das Hauptargument gegen eine Strafbarkeit von juristischen Personen ihre fehlende Schuldfähigkeit, die nur beim Menschen angenommen wird.781 Andere Rechtsordnungen, wie zum Beispiel die US-amerikanische kennen solche Vorbehalte nicht. Bei den Verhandlungen über das ICC-Statut zu diesem Punkt sollen aber vorrangig praktische Probleme eine Rolle gespielt haben und weniger diese zentrale dogmatische Fragestellung.782 Unterschwellig werden diese unterschiedlichen nationalen Sichtweisen aber doch von Bedeutung gewesen sein.783 Nun sagt die mangelnde Zuständigkeit der internationalen Strafgerichte für juristische Personen noch nicht automatisch etwas über deren Strafbarkeit aus. Es ist ja durchaus vorstellbar, daß sich die Völkerstraftatbestände auch auf juristische Personen beziehen, aus anderen Erwägungen aber die Zuständigkeit der Gerichte auf Menschen beschränkt wurde. Dann müßte man aber aus anderen Umständen entnehmen können, daß sich die Strafbarkeit auch auf juristische Personen erstreckt. Weder ist eine solche Rechtsüberzeugung noch eine entsprechende Praxis feststellbar. Man kann also mit guten Gründen zu dem Schluß kommen, daß zur Zeit eine Strafbarkeit von juristischen Personen durch das Völkerstrafrecht i. e. S. nicht gegeben ist.784 Das heißt natürlich 779 Dies wurde von der französischen Delegation auf der Vertragskonferenz von Rom vorgeschlagen; siehe dazu eingehend Clapham, Legal Persons, S. 146–151. Für den Text des letzten französischen Vorschlags siehe UN Doc. A/CONF.183/ C.1/WGGP/L.5/Rev.2 vom 3.7.1998. 780 Siehe dazu die Ausführungen von Eidam, Straftäter Unternehmen, zur Rechtslage in den Staaten: Vereinigtes Königreich S. 30 ff.; USA S. 34 ff., Irland S. 38, Frankreich S. 39 ff., Niederlande S. 42 f. und Dänemark S. 44 f.; Heine, Kollektive Verantwortlichkeit, S. 100 f. 781 Korte, Juristische Person und strafrechtliche Verantwortung, S. 15 ff. 782 Clapham, Legal Persons, S. 191; Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 246. 783 Vgl. Frulli, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC Commentary, Bd. I, S. 532 f. und Triffterer-Ambos, Commentary ICC-Statute, Art. 25, Rz. 4. 784 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 131 f., Rz. 10; i. E. genauso Schröder, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 598, Rz. 38.

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nicht, daß eine solche Strafbarkeit nicht auch im Völkerrecht geschaffen werden könnte. Die Beispiele aus den nationalen Rechtsordnungen und die Verhandlungen zum ICC-Statut zeigen, daß dogmatische Bedenken überwunden werden können. Man könnte hier mit der Argumentation abbrechen und einfach feststellen, daß private juristische Personen nicht durch die Völkerstrafnormen gebunden sind. Dann würde man aber die Völkerstraftatbestände als eine unauftrennbare Einheit ansehen. Dieser Schluß ließe aber die besondere Struktur der Strafnormen außer Acht. Oben785 wurde bereits dargelegt, daß sich die Völkerstraftatbestände in zwei Teile aufspalten lassen. Diese Überlegung dient als Ausgangspunkt für eine andere Argumentation. bb) Teilbarkeit der Völkerstrafnormen in abstraktes Verbot und Strafermächtigung/strafrechtliche Verantwortlichkeit Die Aufteilung der Völkerstraftatbestände in ein materielles Verbot und in eine Sanktionsnorm, also in eine Primär- und Sekundärnorm, ist ein durchaus bekanntes Bild im Völkerrecht. So setzt sich zum Beispiel das Recht der Staatenverantwortlichkeit auf der Primärebene aus den die Staaten bindenden materiellen Völkerrechtsnormen und auf der Sekundärebene aus der Verpflichtung zur Wiedergutmachung im Falle des Verstoßes gegen die Primärnorm zusammen.786 Die Verpflichtung zur Wiedergutmachung als Sekundärnorm dient hier neben dem Schadensausgleich auch der Einhaltung der Primärnorm.787 Ähnlich ist es bei den Völkerstraftatbeständen, wie bereits ausgeführt wurde. Die Verhängung der strafrechtlichen Sanktion dient dazu die Einhaltung der in dem Straftatbestand definierten Verhaltensnorm abzusichern, indem sie vor neuem Unrecht abschreckt und bereits begangenes sühnt. Die Teilbarkeit der Straftatbestände ergibt sich auch noch daraus, daß sie schon vorhandene Völkerrechtsnormen strafrechtlich sanktionieren sollen. Bei der Begründung, daß die Straftatbestände eigene völkerrechtliche Bindungen erzeugen, wurde schon auf diesen Umstand hingewiesen. Das materielle Völkermordverbot aus der Völkermordkonvention und die kriegsrechtlichen Regeln aus den Genfer Konventionen und der Haager Landkriegsordnung existieren unabhängig von ihrer strafrechtlichen Sanktionierung. Das Verbot der Aggression ergibt sich aus Art. 2 (4) UN-Charta ganz unabhän785

B.V.2.c). Combacau/Alland, „Primary“ and „Secondary“ Rules, NYIL 16 (1985), 81, 83; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 867; Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 619, Rz. 6; Shaw, International Law, S. 694. Siehe dazu auch u. C.II.2. 787 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 867. 786

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gig von einer Strafbarkeit. Bezüglich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit existiert zwar keine gesonderte vertragliche Verbotsnorm, aber auf Grund von Gewohnheitsrecht macht sich ein Staat völkerrechtlich verantwortlich – ganz unabhängig von strafrechtlichen Sanktionierungen – wenn er solche Verbrechen begeht.788 Die Völkerstraftatbestände nehmen demnach diese Normen wieder auf und kombinieren sie mit der strafrechtlichen Sanktionsnorm. Diese beiden Teile in einer Strafnorm kann man gesondert betrachten.789 Die Sanktionsnorm alleine, ohne materielle Verbotsnorm, ist natürlich sinnlos, da man nicht weiß, welches Verhalten strafrechtlich sanktioniert ist. Das materielle Verbot kann aber sehr wohl ohne strafrechtliche Sanktion existieren und Auskunft darüber geben, welches Verhalten völkerrechtswidrig ist. Einen Hinweis auf die Existenz der völkerrechtlichen Verbotsnormen unabhängig von ihrer strafrechtlichen Sanktionierung gibt auch Art. 25 IV ICC-Statut, der klarstellt, daß die Strafvorschriften nicht die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Staaten berühren.790 Diese Norm ergibt nur dann einen Sinn, wenn man davon ausgeht, daß Staaten für solche Verbrechen haften, wenn die Voraussetzungen der Staatenverantwortlichkeit erfüllt sind.791 cc) Keine Beschränkung der materiellen Verpflichtungen auf natürliche Personen Sind also die hier diskutierten Völkerstrafnormen in primäre (materielle Ver- und Gebote) und sekundäre Normen (strafrechtliche Verantwortlichkeit) aufteilbar, so stellt sich die Frage, ob die Beschränkung der Sekundärnorm auf Menschen auch für die Primärnorm gilt. Hier wird „nur“ eine völkerrechtliche Bindung der privaten juristischen Personen diskutiert, nicht deren Durchsetzung. Die strafrechtliche Durchsetzung der Primärnormen ist nur eine Möglichkeit. Ist sie gegenüber juristischen Personen nicht möglich, sagt das noch nichts über die materielle Bindung aus der Verhaltensnorm aus.792 788

Siehe dazu schon Jescheck, Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerstrafrecht, S. 318 f. mit Verweisen auf Urteile der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. 789 Vgl. Vázquez, Direct vs. Indirect Obligations of Corporations Under International Law, 43 Colum. J. Transnat’l L. 927, 943 (2005). 790 Vgl. Frulli, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC Commentary, Bd. I, S. 533. 791 Siehe dazu auch die Kommentierung von Art. 4 des ILC-Draft Codes (s. o. Fn. 618, S. 23), auf den Art. 25 IV ICC-Statut zurückzuführen ist und die klarstellt, daß individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Staatenverantwortlichkeit parallel existieren können. 792 Vgl. Clapham, Legal Persons, S. 178.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

Die nächste Frage ist, ob die primären Normen, die Teil der Straftatbestände sind, nur natürliche Personen binden. Eine solche Beschränkung kann man diesen materiellen Normen selbst aber nicht entnehmen. Zumindest die Verbote des Völkermordes, der Kriegsverbrechen und der Aggression sind alle auch in völkerrechtlichen Verträgen enthalten, die unzweifelhaft die Vertragsstaaten binden. Ebenso ist es mit den gewohnheitsrechtlichen Entsprechungen, inklusive des Verbots der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wie immer man den Staat (völker-)rechtlich charakterisieren will, ob als juristische Person oder als eine Gebilde sui generis, er ist jedenfalls als Rechtssubjekt keine natürliche Person.793 Man kann also nicht argumentieren, daß diese materiellen Normen nur den Menschen völkerrechtlich verpflichten. Der materielle Verpflichtungsteil der Völkerstraftatbestände ist demnach nicht nur auf Menschen beschränkt. Das heißt natürlich noch nicht automatisch, daß auch private juristische Personen daran gebunden sind. Die über natürliche Personen hinausgehende Bindungswirkung wurde ja mit der Bindung des Staates festgestellt. Oben wurde aber schon dargestellt, daß die Völkerstrafnormen nicht nur staatliche, sondern auch private Täter binden. Das heißt aber auch, daß sich der materielle Verpflichtungsteil der Tatbestände auch an Private richtet, denn sonst könnte keine Privatperson wegen solcher Taten bestraft werden. Wenn man nun diese beiden Stränge zusammenführt, also einmal die Feststellung, daß die materielle Norm juristische Personen bindet, zum anderen die Erstreckung der Tatbestände auf nicht-staatliche Täter, ergibt sich eine Bindung von privaten juristischen Personen durch die materiellen Verpflichtungsteile der Straftatbestände. Oder anders formuliert: der Umstand, daß der Staat völkerrechtlich gebunden ist, zeigt uns, daß die materiellen Normen nicht auf Menschen beschränkt sind, und die Strafbarkeit von Privatpersonen macht deutlich, daß die materiellen Verpflichtungen nicht nur staatliche Täter binden. Beides zusammen ergibt eine Bindung privater juristischer Personen. dd) Urteil im I. G.-Farben-Prozeß In der Literatur wird immer wieder das Urteil des amerikanischen Militärgerichts im I. G.-Farben-Prozeß794 als Beleg für eine Bindung von Privatunternehmen an die in den Völkerstraftatbeständen enthaltenen materiel793 Vázquez, Direct vs. Indirect Obligations of Corporations Under International Law, 43 Colum. J. Transnat’l L. 927, 944 (2005) führt dazu aus, daß inkorporierte Unternehmen eine größere Ähnlichkeit mit Staaten als mit Individuen hätten, da sie auch künstliche „Personen“ seien. 794 s. o. B.V.2.d)cc).

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len Verhaltensnormen angeführt.795 Aufgrund des KRG 10 erstreckte sich die Zuständigkeit des Gerichts bekanntlich nur auf natürliche Personen. Bei der Beurteilung der Strafbarkeit der Manager der I. G.-Farben sprach das Gericht aber in einem obiter dictum von der „schuldigen juristischen Person“ I. G.-Farben.796 Daraus kann man schließen, daß nicht nur die Manager als Individuen, sondern auch das Unternehmen I. G.-Farben als juristische Person gegen die kriegsrechtlichen Regeln verstoßen hat. Das Gericht stellte allerdings klar, daß das Unternehmen selbst aber nicht unter Anklage steht.797 Eine dogmatische Begründung liefert die Entscheidung zwar nicht, aber für die Richter war offensichtlich selbstverständlich, daß die materiellen Verhaltensnormen, wenn sie denn schon nicht-staatliche Täter verpflichten, auch private juristische Personen binden. Schon dieses frühe Urteil bestätigt also die Annahme, daß die in den Völkerstrafnormen enthaltenen materiellen Verhaltensnormen auch private juristische Personen binden und daß dies nicht von einer gleichzeitigen Strafbarkeit der Unternehmen oder einer gerichtlichen Zuständigkeit abhängt. ee) US-Entscheidung im Rahmen von ATCA-Verfahren Wie bereits dargestellt wurde, haben sich die US-Bundesgerichte im Rahmen der ATCA-Verfahren eher kursorisch mit der dogmatischen Frage einer völkerrechtlichen Bindung privater juristischer Personen beschäftigt.798 Das trifft auch auf die Frage einer Bindung durch die Völkerstraftatbestände zu, obwohl einige diesbezüglich relevante Fälle bei den Bundesgerichten anhängig sind. Noch am ausführlichsten ist hier die Entscheidung im Fall Talisman. In dem Verfahren behaupten die Kläger, Bewohner des Sudan, das kanadische Unternehmen Talisman, das vom Sudan mit der Erkundung von Ölverkommen beauftragt war, habe mit der sudanesischen Regierung bei ethnischen Säuberungen zusammengewirkt. Nach Ansicht der Kläger hat das Unternehmen damit auch an Kriegsverbrechen und Völkermord mitge795 Clapham, Legal Persons, S. 166 ff.; Ramasastry, Corporate Complicity, 20 Berkeley J. Int’l L., 91, 106 (2002); Ratner, Corporations and Human Rights, 111 Yale L. J. 443, 477 (2001); Stephens, The Amorality of Profit, 20 Berkeley J. Int’l L. 45, 76 f. (2002). 796 Militärgericht VI der Vereinigten Staaten, Vereinigte Staaten von Amerika gegen Carl Krauch u. a. (I. G.-Farben), Urteil vom 29.7.1948, abgedruckt in: Radandt (Hrsg.), Fall 6, Ausgewählte Dokumente und Urteil des I. G.-Farben-Prozesses, Berlin 1970, S. 239. 797 Militärgericht VI der Vereinigten Staaten, Vereinigte Staaten von Amerika gegen Carl Krauch u. a. (I. G.-Farben), Urteil vom 29.7.1948, abgedruckt in: Radandt (Hrsg.), Fall 6, Ausgewählte Dokumente und Urteil des I. G.-Farben-Prozesses, Berlin 1970, S. 196, 239. 798 s. o. B.III.5.b)bb).

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wirkt.799 Bei seiner Begründung, warum Unternehmen als private juristische Personen auch an diese Tatbestände gebunden sind, bezieht sich das Gericht vor allem auf das eben zitierte I. G.-Farben-Urteil mit seinem obiter dictum einer Bindung des Unternehmens.800 Weiter führt die Entscheidung aus, daß die Völkermordkonvention und zum Beispiel der gemeinsame Art. 3 GK zwar nicht ausdrücklich Unternehmen als Verpflichtete nennen, aber dennoch ihr Verhalten erfassen, da diese Instrumente nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen unterschieden.801 Auf die besondere, oben aufgezeigte, Problematik der Völkerstraftatbestände geht das Gericht nicht ein. Seine Ausführungen weisen aber in die Richtung einer nicht auf natürliche Personen beschränkte Bindungswirkung der materiellen Verhaltensnormen. Mittlerweile hat der District Court die Klage abgewiesen, weil es die Voraussetzungen der Tatbestände als nicht erfüllt ansah.802 Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von Entscheidungen, die sich auch mit der Verletzung von Völkerstraftatbeständen durch Unternehmen beschäftigen, in denen aber eine Bindung von juristischen Personen nicht explizit diskutiert, sondern offensichtlich stillschweigend angenommen wird.803 Die Gerichte sprechen dabei auch in diesem Zusammenhang häufig vom beklagten Unternehmen als private defendant oder non-state-actor, ohne zwischen natürlichen und juristischen Personen zu unterscheiden.804 In einem jüngeren Verfahren, in dem eine jordanische Bank wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verklagt wurde, weil sie Terrorgruppen finanziert haben soll, hält das Gericht einfach fest, daß im Völkerrecht sowohl entities als auch natürliche Personen verantwortlich sein können.805 Eine nähere Diskussion unterbleibt auch hier. 799

Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 300-02, 305 (S. D. N. Y. 2003). 800 244 F.Supp.2d 289, 315 f. (S. D. N. Y. 2003). 801 244 F.Supp.2d 289, 316 f. (S. D. N. Y. 2003). 802 453 F.Supp.2d 633, 668–671 (S. D. N. Y. 2006). 803 Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 969 F.Supp. 362, 371 (Völkermord) (E. D. La. 1997), 197 F.3d 161, 167-8 (Völkermord) (5th Cir. 1999); Sarei v. Rio Tinto, Plc, 221 F.Supp.2d 1116, 1140–1149 (Kriegsverbrechen), 1149–1151 (Völkermord als Verbrechen gegen die Menschlichkeit) (C. D. Cal. 2002), 456 F.3d 1069, 1078 f. (Kriegsverbrechen) (9th Cir. 2006); Aldana v. Fresh Del Monte Produce, Inc., 305 F.Supp.2d 1285, 1299 f. (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) (S. D. Fla. 2003), Aldana v. Del Monte Fresh Produce, N. A., Inc., 416 F.3d 1242, 1247 (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) (11th Cir. 2005); Kiobel v. Royal Dutch Petroleum Company, 456 F.Supp.2d 457, 466 f. (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) (S. D. N. Y. 2006). 804 Siehe z. B. Sarei v. Rio Tinto, Plc, 221 F.Supp.2d 1116, 1142 (C. D. Cal. 2002); Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 969 F.Supp. 362, 371 (E. D. La. 1997). 805 Almog v. Arab Bank, Plc, 471 F.Supp.2d 257, 274 f., 293 (E. D. N. Y. 2007).

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ff) Zwischenergebnis Zusammenfassend kann man festhalten: die Völkerstraftatbestände i. e. S. binden auch private Akteure; obwohl sich die eigentliche Strafbarkeit bisher nur auf Menschen erstreckt, binden die in den Straftatbeständen enthaltenen Verhaltensnormen auch private juristische Personen. 3. Völkerstrafrecht im weiteren Sinne Das Völkerstrafrecht im weiteren Sinne ist dadurch gekennzeichnet, daß den Staaten aufgegeben wird, bestimmte Taten in ihrem nationalen Recht strafbar zu machen und zu verfolgen. Hier werden nur Verträge behandelt, die ausdrücklich die Vertragsstaaten zur Strafverfolgung verpflichten. Dies ist zum Beispiel nicht bei der Piraterie der Fall, da das UN-Seerechtsübereinkommen den Staaten die Strafverfolgung nach dem Weltrechtsprinzip lediglich gestattet, aber nicht gebietet. Die Piraterie wurde aber bereits oben gesondert behandelt.806 Zahlreiche Delikte, die Eingang in solche Verträge gefunden haben, betreffen menschenrechtliche Rechtsgüter. aa) Beispiele Als Beispiele werden hier die wichtigsten Verträge genannt. Die ersten Verträge dieser Art richteten sich gegen den Menschenhandel, so die Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels (1910)807 und zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels (1921)808. Der Schutz vor Menschenhandel wurde 1949 durch die Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausbeutung der Prostitution anderer809 und jüngst durch das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen und Kinderhandels (2000)810 ausgeweitet und verstärkt. Ein frühes Beispiel ist auch das schon bekannte Übereinkommen betreffend die Sklaverei (1926)811 mit dem Zusatzübereinkommen von 1956812. Dazu im engen Zusammenhang steht das 806

s. o. B.IV.2.b) insbesondere B.IV.2.b)bb). BGBl. 1972 II, 1079, 1483. 808 BGBl. 1972 II, 1081, 1490. 809 GBl. DDR 1975 II, 2. 810 UN Doc. A/RES/55/25, 8.1.2001, Annex II. Dieses Protokoll ergänzt das Übereinkommen der UN gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, enthalten in Annex I der eben genannten Resolution der UN-Generalversammlung. 811 s. o. Fn. 386. 812 s. o. Fn. 174. 807

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Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit (1930)813. Zum Schutz der Kinderrechte wurde 1999 das ILO-Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit814 geschlossen und im Jahr darauf die beiden Fakultativprotokolle zur Kinderrechtskonvention betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten815 und betreffend den Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornographie816. Zur Unterdrückung von kriminellen Handlungen gegen den Luftverkehr und allgemein von terroristischen Akten sind zu nennen: das Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (1970)817, das Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt (1971)818, das Übereinkommen gegen Geiselnahme (1979)819 und das Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge (1997)820. Schließlich enthält auch die UNFolterK821 eine staatliche Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung der Folter. Unter diese Art von Verträgen fallen auch die Völkermordkonvention und die vier Genfer Konventionen mit ihrem 1. Zusatzprotokoll. Hier überschneiden sich Völkerstrafrecht im engeren und im weiteren Sinne. Aus menschenrechtlicher Perspektive sind von den Tatbeständen in diesen Verträgen auf seiten der Opfer im wesentlichen das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und auf Freiheit betroffen. bb) Struktur des normativen Inhalts Diese Verträge folgen alle einem ähnlichen Muster. Einmal wird in ihnen relativ konkret und detailliert ein bestimmtes unerwünschtes menschliches Verhalten umschrieben. Zum anderen werden die Vertragsstaaten verpflichtet, in ihrem nationalen Recht diese Verhaltensweisen strafbar zu machen und gerichtlich zu verfolgen. Als Beispiel zu Veranschaulichung soll hier das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels dienen. Nach Art. 2, lit. a besteht der Zweck dieses Vertrages darin, den Menschenhandel, insbesondere 813 814 815 816 817 818 819 820 821

BGBl. 1956 II, 641, 1963 II, 1136. BGBl. 2001 II, 1290. BGBl. 2004 II, 1355. UN Doc. A/RES/54/263, 16.3.2001, Annex II. BGBl. 1972 II, 1505. BGBl. 1977 II, 1229. BGBl. 1980 II, 1361. BGBl. 2002 II, 2506. Für eine Fundstelle s. o. Fn. 32.

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von Frauen und Kindern, zu verhüten und zu bekämpfen. In Art. 3 wird dann detailliert umschrieben, was unter Menschenhandel zu verstehen ist. Schließlich wird in Art. 5 den Vertragsstaaten aufgegeben, den in Art. 3 definierten Menschenhandel in ihrem Recht strafbar zu machen, inklusive des Versuchs und der Teilnahme daran. In Art. 4 wird festgehalten, daß das Protokoll auch auf die strafrechtliche Verfolgung dieser Taten anwendbar ist. cc) Bindungswirkung Die entscheidende Frage ist nun, ob diese Verträge nur die Vertragsstaaten verpflichten im innerstaatlichen Recht solche Strafnormen zu erlassen, die dann erst den einzelnen binden, oder ob man diesen Verträgen schon direkt eine Bindung des einzelnen entnehmen kann. (1) Positivistische Argumentation Nach einer Argumentationslinie – sie wird hier als die konventionelle oder positivistische bezeichnet – gründet sich die Strafbarkeit des einzelnen in solchen Fällen nur auf die nationale Strafnorm.822 Meistens wird dabei nicht abstrakt eine direkte völkerrechtliche Bindung erörtert, sondern spezifisch die Strafbarkeit. Man kann aber davon ausgehen, daß die Vertreter dieser Argumentationslinie gleichzeitig auch nur eine Bindung des einzelnen durch das nationale (Straf-)Recht und nicht durch das Völkerrecht annehmen.823 Es spricht einiges für diese Argumentationsweise. Auf den ersten Blick ergibt sich aus diesen Verträgen nur eine staatliche Bestrafungs822

Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 661, Rz. 1, 662, Rz. 4; vgl. Schröder, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 598 f., Rz. 40; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 510, Rz. 4, 5; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 417, Rz. 1164. 823 Schindler, Crimes Against the Law of Nations, EPIL I, S. 875, 876 spricht beim Völkerstrafrecht im engeren Sinne von direkter völkerrechtlicher Verantwortlichkeit von Individuen, nicht aber beim Völkerstrafrecht im weiteren Sinne, wo er nur die Strafbarkeit aufgrund des nationalen Rechts erörtert. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 260 f. § 438 f. sprechen jedoch beim Völkerstrafrecht i. w. S. von Pflichten des einzelnen nur durch die staatliche Strafnorm; ebenso Verdross, Völkerrecht, S. 218; Seidel, Die Völkerrechtsordnung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, AVR 38 (2000), 23, 33 sieht mit den Verträgen des Völkerstrafrechts i. w. S. die Mediatisierung des einzelnen noch nicht durchbrochen. Dieser Ansicht ist offenbar auch der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte: in seiner Advisory Opinion OC-14/94, Re-introduction of the death penalty in the Peruvian Constitution, 9.12.1994, Ziff. 53 [abgedruckt in: 16 HRLJ 9, 14 (1995)] vertritt der Gerichtshof die Ansicht, daß individuelle Verantwortlichkeit im Völkerrecht nur bei Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord gegeben sei. Vázquez, Direct v. Indirect Obligations of Corporations Under International Law, 43 Colum. J. Transnat’l L. 927, 945 (2005).

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und Verfolgungspflicht. Auch dürfte es keinen Fall geben, in dem ein nationales Gericht nur aufgrund eines solchen Vertrages ein Individuum strafrechtlich verurteilt hat. (2) Alternative Argumentation Aber auch hier sollte man nicht bei dieser vermeintlichen Offensichtlichkeit stehen bleiben. Ein erster Ansatzpunkt für eine andere Argumentation ist die Frage, ob nur aus der Strafbarkeit eine unmittelbare rechtliche Verpflichtung folgen kann. Der Umstand, daß der Staat hier eine Strafnorm im nationalen Recht schaffen muß, bedeutet zunächst einmal nur, daß die strafrechtliche Ahndung dieser Taten aufgrund der staatlichen Normen erfolgen soll. Über eine völkerrechtliche Bindung des einzelnen, ganz unabhängig von der konkreten Durchsetzung dieser Bindung, sagt dies noch nichts aus. Man kann hier eine Anleihe zu der oben entwickelten Überlegung beim Strafrecht i. e. S. machen, daß die Beschränkung der Strafbarkeit auf natürliche Personen nicht schon eine Bindung von juristischen Personen an das in den Strafnormen steckende materielle Verbot ausschließt. Hier geht es zwar noch nicht um die Frage, ob nur natürliche oder auch juristische Personen gebunden sind. Aber der Gedanke ist auch hier nutzbar. Es kann ja sein, daß die hier genannten Verträge schon materielle Verhaltensnormen enthalten, die den einzelnen unmittelbar binden, und nur die Frage der unmittelbaren Strafbarkeit, also einer konkreten Durchsetzungsform, durch das nationale Recht geregelt werden muß. Aus diesem Gedanken ergibt sich, daß die staatliche Verpflichtung zur Strafbarmachung nicht die einzige Verpflichtung dieser Verträge sein muß. Ist erst einmal die Möglichkeit einer zusätzlichen Verpflichtungsrichtung eröffnet, muß man aber dennoch Argumente für eine direkte Bindung des einzelnen finden. Ganz generell kann man sagen, daß diese Verträge schon unmittelbar Verhaltensweisen definieren, die als verboten angesehen werden. Nach Grassi enthalten diese Verträge selbst schon völkerrechtliche Verbote, die die Staaten nur in ihre eigene Rechtsordnung übernehmen und so lediglich wiederholen.824 Das kann man schon dem Sinn und Zweck dieser Verträge entnehmen. Ziel ist es, die ihnen definierten Verhaltensweisen zu verhindern und zu unterdrücken. Dazu müssen sie als rechtswidrig definiert werden. Auch wenn dies nicht ausdrücklich geschieht, sondern der Wortlaut des Vertrages einfach nur die Staaten verpflichtet ein bestimmtes Verhalten strafbar zu machen825, kann man diesen Verträgen aber implizit ein unmittelbares völkerrechtliches Verbot solcher Taten entnehmen. 824

Grassi, Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, S. 270 f. So zum Beispiel Art. 1 der Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer (s. o. Fn. 809): „Die Parteien der 825

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Bleibt noch die Frage, ob die völkerrechtlichen Verhaltensnormen auch den einzelnen direkt binden. Hier kann man wieder auf die staatliche Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung dieser Taten zurückgreifen. Dadurch zielt schon das Völkerrecht auf den einzelnen. Es findet also eine Individualisierung einer völkerrechtlichen Pflicht statt.826 Zwar muß diese Individualisierung vom Vertragsstaat umgesetzt werden, aber schon das Völkerrecht bestimmt, daß die Verhaltensnormen durch Zugriff auf das Individuum durchzusetzen sind. Damit läßt sich schon dem Völkerrecht entnehmen, daß die betreffenden Verbote sich nicht nur an das abstrakte Gebilde Staat richten, sondern auch an das (ganz konkrete) Individuum.827 Besonders deutlich wird dies zum Beispiel schon im Wortlaut des Übereinkommens gegen Geiselnahme828. Nach dem authentischen englischen Text wird die Geiselnahme schon in der Präambel (Abs. 5) als ein „offence of grave concern to the international community“ bezeichnet. In der nichtauthentischen deutschen Version wird dies mit „Straftat“ übersetzt. Man könnte aber auch den neutraleren Begriff Verstoß verwenden. (Die französische Fassung spricht hier von „délit“.) Nach Art. 1 I des Vertrages begeht jede Person, die eine Handlung gemäß der dort enthaltenen Definition vornimmt, „the offence of taking of hostages within the meaning of this Convention“. Und schließlich verpflichtet Art. 2 die Vertragsparteien, die in Art. 1 definierten Verstöße (Englisch: offences; Französisch: infractions) mit angemessenen Strafen zu belegen. Zweierlei kann man daraus folgern: der Vertrag spricht unabhängig von einer innerstaatlichen Strafbarkeit von einem Verstoß (offence) bei einer Geiselnahme. Ein Verstoß im Rechtssinne kann sich aber nur gegen eine Norm richten. Da der Vertrag diesen Verstoß unabhängig von einer innerstaatlichen Strafnorm definiert, kann es sich bei dieser Norm nur um ein völkerrechtliches Verbot der Geiselnahme handeln. Und die Individualisierung des Normadressaten wird, abgesehen von der Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung, besonders in Art. 1 deutlich, wonach „jeder“ (any person) einen Verstoß begeht, der Geiseln im Sinne der Definition nimmt. Also verstößt in einem solchen Fall auch „jeder“ gegen das völkerrechtliche Geiselnahmeverbot. vorliegenden Konvention kommen überein, jede Person zu bestrafen, die, um die Leidenschaften einer anderen zu befriedigen: 1. eine andere Person, auch mit Zustimmung jener Person, zum Zwecke der Prostitution beschafft, sie zur Prostitution verführt oder verleitet; 2. die Prostitution einer anderen Person, auch mit Zustimmung jener Person, ausnutzt.“ 826 Vgl. Ratner, Corporations and Human Rights, 111 Yale L. J. 443, 467 (2001). 827 Im Ergebnis ebenso Grassi, Die Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, S. 270 der von einer völkerrechtlichen Pflicht des Einzelmenschen aus solchen Verträgen spricht. 828 s. o. Fn. 819.

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(3) Ansätze in der Literatur In der Literatur lassen sich einige Stimmen für eine solche alternative Argumentation finden. Schon vor Grassi hat Hans Kelsen in solchen Fällen Privatpersonen als Subjekte völkerrechtlicher Pflichten und damit als Völkerrechtssubjekte angesehen.829 Konkret sieht er zum Beispiel in dem Vertrag zum Schutze der unterseeischen Telegraphenkabel830, der das Beschädigen solcher Kabel als Straftat definiert (Art. 2) und die Vertragssaaten zur Verfolgung verpflichtet (Art. 8, 9), eine ummittelbare völkerrechtliche Verpflichtung des Individuums, auch wenn gleichzeitig nationales Recht angewendet wird.831 Und Hersch Lauterpacht betrachtet die Unterscheidung zwischen einer Verpflichtung aus dem nationalen Recht und einer aus dem Völkerrecht in diesem Bereich als künstlich.832 Dahm/Delbrück/Wolfrum fassen das Völkerstrafrecht im engeren und im weiteren Sinne unter dem einheitlichen Begriff des „materiellen internationalen Strafrechts“ zusammen.833 Eine Tat die von diesem materiellen internationalen Strafrecht erfaßt wird (also auch Völkerstraftaten im weiteren Sinne), verstoße gegen eine Norm des Völkerrechts.834 Daraus kann man eigentlich nur folgern, daß der individuelle Täter direkt an das völkerrechtliche Verbot gebunden ist. Allerdings widersprechen sich Dahm/Delbrück/Wolfrum hier, denn für die Frage der „Völkerrechtsunmittelbarkeit“ des Individuums soll es dennoch auf die Unterscheidung von staatlicher Bestrafungspflicht und individueller völkerrechtlicher Verantwortlichkeit des einzelnen (beim Völkerstrafrecht im engeren Sinne) ankommen.835 Es ist nicht klar, wie das Individuum zwar gegen eine Norm des Völkerrechts verstoßen kann, aber dennoch nicht unmittelbar daran gebunden sein soll. Konsequenter wäre es, bei der Bejahung eines Verstoßes gegen eine Norm auch deren Bindungswirkung für das Individuum anzunehmen. Für eine unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung des Individuums durch das Völkerstrafrecht im weiteren Sinne tritt offensichtlich auch Paust ein, allerdings ohne näher auf die Problematik einzugehen.836

829

Kelsen, Unrecht und Unrechtsfolge im Völkerrecht, S. 515 f. RGBl. 1888, 151. 831 Kelsen, Peace Through Law, S. 79 f. 832 Lauterpacht, The Subjects of the Law of Nations, 64 L. Q. Rev. 97, 106 (1948). 833 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 993 f. 834 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 996. 835 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 994. 836 Paust, The Reality of Private Rights, Duties, and Participation in the International Legal Process, 25 Mich. J. Int’l L. 1229, 1239 ff. (2004). 830

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(4) Rechtsprechung der US-Gerichte In Almog v. Arab Bank beschäftigt sich ein New Yorker District Court in einem ATCA-Fall mit dem schon genannten Übereinkommen über die Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge837 und dem Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus838, das die Vertragsstaaten verpflichtet, die Finanzierung von terroristischen Aktivitäten (Art. 2) strafrechtlich zu unterbinden (Art. 5). Das Gericht wendet zwar die Verträge nicht direkt an, stützt sich aber auf diese, als einen Beleg für entsprechendes Gewohnheitsrecht (law of nations839).840 Hier soll nicht erörtert werden, inwieweit der Inhalt dieser Verträge auch schon gewohnheitsrechtlich gilt. Relevant sind aber die Aussagen des Gerichts zu den Verträgen. Die Entscheidung sieht einmal die in den Verträgen definierten Verhaltensweisen als völkerrechtlich verboten an.841 Zum anderen wird gemäß dem Tatsachenvortrag der Kläger eine Verletzung dieser Verbote durch die beklagte Bank bejaht.842 Daraus folgt, daß das Gericht in diesen Verträgen völkerrechtliche Verbote sieht, die den einzelnen binden (ob das nur natürliche Personen sein können oder auch juristische, spielt auf dieser Stufe der Erörterung noch keine Rolle). Eine nähere dogmatische Begründung oder eine Diskussion über die Unterschiedlichkeit von Völkerstrafrecht im engeren und im weiteren Sinne unterbleibt. Nach Ansicht des Gerichts ist es also offensichtlich unproblematisch, daß der einzelne durch die genannten Verträge völkerrechtlich gebunden ist. Daneben bejahen einige Urteile auch noch ein gewohnheitsrechtliches Verbot der Flugzeugentführung, das den einzelnen bindet.843 Auf das Übereinkommen zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen844 wird dabei nicht eingegangen. Eine indirekte Verbindung wird aber durch Verweis auf § 404 Restatement 3rd hergestellt, der die An837

s. o. Fn. 820. BGBl. 1999 II, 1923. 839 Siehe zu diesem Begriff aus dem ATCA oben B.III.5.b)aa). 840 Almog v. Arab Bank, Plc, 471 F.Supp.2d 257, 269 (E. D. N. Y. 2007). 841 Almog v. Arab Bank, Plc, 471 F.Supp.2d 257, 280 f., 284 (E. D. N. Y. 2007). 842 Almog v. Arab Bank, Plc, 471 F.Supp.2d 257, 285 f., 294 (E. D. N. Y. 2007). 843 Doe v. Islamic Salvation Front, 257 F.Supp.2d 115, 120 (D. D. C. 2003); Burnett v. Al Baraka Investment and Development Corporation, 274 F.Supp.2d 86, 100 (D. D. C. 2003). Neben diesen Entscheidungen, die tatsächlich Fälle von Flugzeugentführungen behandeln, führen das entsprechende völkerrechtliche Verbot als individuell bindend in obiter dicta auch noch Bigio v. Coca Cola Co., 239 F.3d 440, 448 (2nd Cir. 2000) und Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 309 (S. D. N. Y. 2003) an, beide mit Verweis auf Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 240 (2nd Cir. 1995). 844 s. o. Fn. 817. 838

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wendung des Weltrechtsprinzips für diese Taten festhält und in seinen Anmerkungen das Übereinkommen nennt845. Schon der Court of Appeals in Filártiga846 hat den Folterer als einen Feind der gesamten Menschheit (hostis humani generis) bezeichnet, woraus sich – wie bei der Piraterie auch – eine unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung ergibt.847 Das wurde vielfach in nachfolgenden Entscheidungen bestätigt.848 Auch hier wird die UN-Folterkonvention nicht direkt zur Begründung herangezogen, sondern nur als ein Beleg für Völkergewohnheitsrecht angeführt. Allerdings stützen sich die neueren Entscheidungen hauptsächlich auf den Torture Victim Protection Act849 von 1991 (TVPA), der Folteropfern einen spezifischen Schadensersatzanspruch gegen natürliche Personen zur Verfügung stellt.850 Die Rechtsprechung zum Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbot wurde oben bereits dargestellt.851 Hier ist ja schon eine Bindung des einzelnen bejaht worden, ohne die staatlichen Strafverpflichtungen aus den hier behandelten Verträgen heranzuziehen. Um so mehr läßt sich aber nun mit der eben entwickelten Argumentation auch für diese Verbote durch die Wirkung des Sklaverei-Zusatzübereinkommens von 1956 und des ILO-Übereinkommens über die Zwangs- und Pflichtarbeit eine unmittelbare völkerrechtliche Bindung des einzelnen begründen. Zusammenfassend kann man sagen, daß die amerikanischen Bundesgerichte zumindest bei den Delikten des Völkerstrafrechts im weiteren Sinne, die nach ihrer Ansicht auch gewohnheitsrechtlich gelten, eine unmittelbare völkerrechtliche Bindung des einzelnen annehmen. Auch wenn keine eingehende dogmatische Auseinandersetzung stattfindet, kann man diese Rechtsprechung zur Unterstützung der hier aufgezeigten alternativen Argumentation heranziehen.

845 American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, S. 256. 846 s. o. B.III.5.b)aa). 847 Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 876, 890 (2nd Cir. 1980). 848 Forti v. Suarez-Mason, 672 F.Supp. 1531, 1541 (N. D. Cal. 1987). 849 Der TVPA wurde als Zusatz zum ATCA (28 U. S. C. § 1350) eingefügt, Pub.L. 102–256, Mar. 12, 1992, 106 Stat. 73. 850 Siehe allgemein zum Entstehen des TVPA und insbesondere sein Verhältnis zum ATCA Mariani, ATS and TVPA, 156 U. Pa. L. Rev. 1383 ff. (2008). 851 s. o. B.IV.2.c)cc).

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dd) Bindung privater natürlicher Personen Wenn man nun eine direkte völkerrechtliche Bindung des einzelnen durch das Völkerstrafrecht im weiteren Sinne annimmt, stellt sich als nächstes die Frage, ob davon auch private Personen erfaßt werden. In den hier aufgeführten Verträgen gibt es mit Ausnahme der UN-Folterkonvention keinen Hinweis auf eine Beschränkung der Delikte auf staatliche Amtsträger oder staatliche Täter. Hier soll wiederum ein Verweis auf Art. 1 des Übereinkommens gegen die Geiselnahme genügen, der die Geiselnahme von „jedem“ erfaßt. Da meistens die in den Verträgen definierten Taten von Privaten begangen werden, könnten sie gar nicht ihre Wirkung entfalten, wenn nur staatliche Täter zu verfolgen wären. ee) UN-Folterkonvention Eine Sonderstellung nimmt diesbezüglich die UNFolterK ein. Nach der darin enthaltenen Definition (Art. 1) muß die Folter „von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichen oder stillschweigendem Einverständnis“852 vorgenommen werden. Nach diesem Wortlaut liegt Folter im Sinne der Konvention nur vor, wenn der Staat beteiligt ist. Die Definition zeigt aber auch, daß der unmittelbare Täter nicht unbedingt eine Amtsperson oder ein staatlicher Bediensteter sein muß. Es genügt, daß ein solcher der Folterhandlung des Privaten zumindest sein stillschweigendes Einverständnis erteilt oder anders ausgedrückt, sie stillschweigend duldet. Nach Art. 4 UNFolterK müssen die Vertragsstaaten alle Folterhandlungen in ihrem Recht strafbar machen, also auch die Folter eines Privaten, die mit zumindest stillschweigendem Einverständnis eines staatlichen Bediensteten vorgenommen wird.853 Das kann man auch der Entstehungsgeschichte der Konvention entnehmen. Die Frage, ob sich die Konvention auf Folterhandlungen von staatlichen Amtsträgern beschränken sollte, wurde ausführlich diskutiert. Schließlich einigte man sich darauf, die Folterdefinition auch auf andere Täter auszuweiten, an der notwendigen Beteiligung der Amtsträger aber festzuhalten.854 Daraus ergibt sich dann mit der hier entwickelten Alternativargumentation und unter der Voraussetzung 852

Nach dem englischen Wortlaut muß es sich um einen „public official or other person acting in an official capacity“ handeln. 853 Vgl. Burgers/Danelius, The United Nations Convention against Torture, S. 129 f. 854 Siehe dazu die Darstellung der Diskussion bei Burgers/Danelius, The United Nations Convention against Torture, S. 45 f.

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der staatlichen Beteiligung eine direkte völkerrechtliche Bindung der Privatperson an das Folterverbot. Darüber hinaus gibt es auch Ansätze, das Erfordernis der staatlichen Beteiligung selbst aufzuweichen. Der UN-Ausschuß gegen Folter (Committee against Torture) mußte sich in Elmi v. Australia855 zu der Frage äußern, ob Australien mit der Abschiebung des Antragstellers nach Somalia gegen Art. 3 UNFolterK verstößt, der die Abschiebung einer Person in einen Staat untersagt, wenn dort die Gefahr der Folterung besteht. In Somalia existierte zu diesem Zeitpunkt praktisch keine Staatsmacht mehr, das Gebiet wurde vielmehr von verschiedenen Bürgerkriegsparteien entlang der Stammesstrukturen beherrscht. Der somalische Antragsteller konnte glaubhaft machen, daß er im Falle seiner Abschiebung sehr wahrscheinlich von Angehörigen eines anderen Stammes gefoltert werden würde. Australien argumentierte dagegen, daß ein Verstoß gegen Art. 3 nicht vorliegen könne, da die zu befürchtenden Mißhandlungen nicht von staatlichen Amtsträgern ausgehen würden und deshalb gar keine Folter im Sinne von Art. 1 UNFolterK darstellten.856 Der Ausschuß ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Er verwies vielmehr auf den Umstand, daß die verschiedenen Bürgerkriegsparteien als nicht-staatliche Akteure in Somalia faktisch das Staatsgebiet beherrschen und mitunter auch Aufgaben erfüllten, die zuvor von der Staatsmacht wahrgenommen wurden. Deshalb seien sie wie staatliche Amtsträger im Sinne der UNFolterK zu behandeln. Die befürchtete Mißhandlung sei deshalb Folter gemäß der Definition in Art. 1 UNFolterK.857 Kurz vor dieser Entscheidung hat der Ausschuß allerdings Folter durch die Guerillaorganisation Sendero Luminoso in Peru wegen mangelnder staatlicher Beteiligung als nicht von der Folterdefinition umfaßt angesehen.858 Die Frage einer Gebietsbeherrschung und der faktischen Ausübung von Staatsfunktionen durch den Sendero Luminoso wurde nicht erörtert. Hier deutet sich also eine Änderung der Rechtsauffassung des Ausschusses an. Aus dem nationalen Bereich ist zumindest das Urteil eines englischen Strafgerichts von 2004 bekannt, durch das der Kommandeur einer nicht-staatlichen afghanischen Gruppe unter Anwendung der Definition aus der UN-Konvention wegen Folter zu einer hohen Haftstrafe verurteilt wurde. Auch hier wurde das mit der Gebietsbeherrschung und der faktischen Ausübung staatlicher Funktionen durch diese private Gruppe begründet.859 855 Sadiq Shek Elmi v. Australia, Communication No. 120/1998, U. N. Doc. CAT/C/22/D/120/1998 (1999). 856 Elmi v. Australia, Ziff. 4.8. 857 Elmi v. Australia, Ziff. 6.5–6.9. 858 G. R. B. v. Sweden, Communication No. 83/1997, U. N. Doc. CAT/C/20/D/ 83/1997 (1998), Ziff. 6.5; in diesem Fall ging es auch um ein Verstoß gegen Art. 3 UNFolterK.

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Aus diesen Beispielen ergibt sich, daß der staatliche Bezug in der Folterdefinition aus Art. 1 UNFolterK nicht zu stark formal verstanden werden sollte. Wenn Private in der Lage sind Macht ähnlich wie ein Staat auszuüben und Gebiet zu beherrschen, dann fallen auch sie unter das Folterverbot. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Privater also auch ohne staatliche Beteiligung an das Folterverbot aus der Konvention gebunden. ff) Bindung privater juristischer Personen Will man die Frage einer Bindung privater juristischer Personen beantworten, steht man vor einem ähnlichen Problem wie beim Völkerstrafrecht im engeren Sinne. Die Strafverpflichtungen aus den hier genannten Verträgen beziehen sich nicht ausdrücklich auch auf juristische Personen. Meistens wird nur von Personen gesprochen, die zu bestrafen sind, ohne daß zwischen natürlichen oder juristischen Personen differenziert wird. Aus dem schon angesprochenen Umstand, daß in sehr vielen Rechtsordnungen die Strafbarkeit von juristischen Personen nicht anerkannt ist, ergibt sich jedoch eine Beschränkung auf natürliche Personen, ebenso wie aus anderen Bestimmungen der Verträge, zum Beispiel über die Verpflichtung zur Auslieferung. Damit ist nicht gesagt, daß Staaten nicht auch juristische Personen, die in solche Taten involviert sind, bestrafen können. Aus den hier genannten Verträgen ergibt sich aber keine völkerrechtliche Verpflichtung dazu. Man könnte also argumentieren, daß die in den Verträgen enthaltenen völkerrechtlichen Verbote auch nur auf Menschen zielen und nicht auf juristische Personen und deshalb letztere nicht gebunden werden. Dieses Argument ließe sich noch mit dem Hinweis auf Verträge im Bereich des Völkerstrafrechts im weiteren Sinne verstärken, die durchaus auch eine Verpflichtung zur Verfolgung von juristischen Personen enthalten. So verpflichtet zum Beispiel das OECD Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr860 von 1997 außer zur Strafverfolgung natürlicher Personen (Art. 1) auch zur Begründung der Verantwortlichkeit juristischer Personen für die Bestechung ausländischer Amtsträger (Art. 2). Der Begriff der Verantwortlichkeit wurde in dem Übereinkommen mit Bedacht gewählt, denn Art. 3 II stellt klar, daß in den Vertragsstaaten, die eine Strafbarkeit juristische Personen nicht kennen, andere Sanktionen angewendet werden müssen. Mit einem Umkehrschluß ließe sich nun sagen, daß bei Fehlen einer solchen Verpflichtung zur Verantwortlichkeit von juristischen Personen diese auch nicht völkerrechtlich gebunden sein können. 859 860

Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, S. 342 f. m. w. N. BGBl. 1998 II, 2329.

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Diese Argumentation läßt allerdings wieder außer acht, daß die Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung nur eine Durchsetzungsmodalität regelt, über die Bindungsrichtung des materiellen Verbots aber nichts Abschließendes aussagt. Oben wurde ja schon argumentiert, daß die Verträge eigenständige völkerrechtliche Verbote enthalten, daß also die materielle Verhaltensnorm von der spezifischen Durchsetzung getrennt werden kann. Ebenso wie beim Völkerstrafrecht im engeren Sinne muß man hier die Frage stellen, ob diese materielle Verhaltensnorm auch juristische Personen binden können oder sich ausschließlich an Menschen richten. Aus den materiellen Verboten ergibt sich aber keine Beschränkung auf natürliche Personen. Das ergibt sich auch aus der Überlegung, ob diese Verbote auch die Vertragsstaaten binden. Nehmen wir einmal an, eine Vertragspartei des Übereinkommens zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge schickt ein Bombenkommando los, das einen Anschlag verübt. Nach dem Anschlag werden die Täter durch den Staat strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Auch in so einem Fall wird man zu dem Schluß kommen müssen, daß der Staat gegen den Vertrag verstoßen hat und zwar nicht gegen die Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung, sondern gegen das in dem Vertrag ebenfalls enthaltene materielle Verbot Bombenanschläge durchzuführen. Da der Staat als juristische Person auch an das Verbot gebunden ist, kann seine Bindungswirkung nicht auf Menschen beschränkt sein. gg) Völkermordkonvention und Genfer Konventionen mit ZP I Was die Völkermordkonvention und die vier Genfer Konventionen mit ihrem ZP I anbelangt, so kann man mit der hier dargestellten Argumentation eine unmittelbare völkerrechtliche Verpflichtung von privaten natürlichen und juristischen Personen begründen, ohne auf das Völkerstrafrecht im engeren Sinne zurückgreifen zu müssen. Bei den Kriegsverbrechen ergibt sich schon eine enge Verbindung der beiden Arten des Völkerstrafrechts durch den Verweis in den Tatbeständen des ICC, des ICTY und des ICTR auf den Begriff der „schweren Verletzungen“ (grave breaches), der in den staatlichen Verpflichtungsnormen enthalten ist. Auch hier deutet der Begriff „Verletzung“ schon eine unmittelbare völkerrechtliche Bindung des einzelnen an. hh) Haltung der Staaten Die oben aufgezeigte ablehnende Haltung einiger Staaten bezüglich einer Bindung Privater an die Menschenrechte verhindert nicht die Annahme einer Bindung durch das Völkerstrafrecht im weiteren Sinne. Die staatlichen Äußerungen beziehen sich nicht auf die Verbote ganz bestimmter Verhal-

VI. Materielle Bestimmungen der kriegsrechtlichen Verträge

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tensweisen im Völkerstrafrecht, sondern auf die spezifischen Menschenrechtsnormen. Das Völkerstrafrecht greift sozusagen aus der Menge der möglichen Menschenrechtsverletzungen ganz bestimmte heraus und verbietet sie. Aus dem Völkerstrafrecht können sich daher unmittelbare Verpflichtungen ergeben, ohne daß der Private an die Menschenrechtsnormen gebunden sein muß. ii) Zwischenergebnis Abschließend kann man festhalten, daß auch beim Völkerstrafrecht im weiteren Sinne eine unmittelbare völkerrechtliche Bindung privater juristischer Personen und damit von privaten Unternehmen begründbar ist.

VI. Materielle Bestimmungen der kriegsrechtlichen Verträge 1. Bindung durch strafrechtliche Absicherung Hier geht es um die Frage, ob die materiellen Bestimmungen dieser Verträge selbst schon Private unmittelbar binden. Aus ihrem Wortlaut ergibt sich dies nicht. Wie oben schon angedeutet, sind die zentralen Gewährleistungen auch als staatliche Schutzpflichten formuliert. Genauso wie bei den Menschenrechtsverträgen ergibt sich daraus aber noch keine unmittelbare Pflicht Privater. Man muß sich aber fragen, welche Auswirkungen die unmittelbaren Bindungen aus dem Völkerstrafrecht (sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne) auf die materiellen Vertragsnormen haben. Es wurde schon dargelegt, daß die Kriegsverbrechen als Völkerstrafnormen im engeren Sinne eigene materielle Verhaltensnormen enthalten. Das gleiche gilt auch für die staatlichen Bestrafungspflichten aus den Genfer Konventionen und ihrem ZP I. Auch sie führen nochmal gesondert das verbotene Verhalten auf. Die Grundlage für die Kriegsverbrechenstatbestände bilden aber die materiellen Normen der kriegsrechtlichen Verträge. Die Kriegsverbrechenstatbestände im ICC-Statut und ICTY-Statut verweisen auf die schweren Verletzungen der Genfer Konventionen und auf Verstöße gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges, worunter auch die HLKO zu fassen ist. Die in den Tatbeständen enthaltenen materiellen Verhaltensnormen stammen also aus den materiellen Bestimmungen der Verträge. Die Strafnormen dienen der Durchsetzung der materiellen Normen. Aus der Bindung der Privaten durch die Völkerstraftatbestände ergibt sich daher gleichzeitig auch eine Bindung an die materiellen Vertragsnormen.861 Zumindest soweit die 861 In diese Richtung Greenwood, in: Fleck (Hrsg.), Handbook of International Humanitarian Law, S. 39, Ziff. 134; Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 1230 f., Rz. 3, 4.

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B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

strafrechtliche Sanktionierung reicht. Es wäre auch unnatürlich, wollte man hinsichtlich der Verpflichtungsrichtung zwischen den Strafnormen und den sie durchzusetzenden materiellen Normen unterscheiden. Dies gilt sowohl für den internationalen bewaffneten Konflikt, wie für den nicht-internationalen. Wie bereits oben862 dargestellt beziehen sich die staatlichen Bestrafungspflichten (Völkerstrafrecht im weiteren Sinne) aus den GK und dem ZP I nur auf den internationalen Konflikt, aber die Kriegsverbrechen als Völkerstrafrecht im engeren Sinne (ICTY-, ICTRund ICC-Statut) erfassen auch nicht-internationale Konflikte. Also binden auch die gem. Art. 3 GK I–IV und das ZP II Private, soweit ihre Verbote strafrechtlich abgesichert sind. 2. Bindung im nicht-internationalen Konflikt Beim nicht-internationalen Konflikt muß man sich auch die Frage einer direkten Bindung Privater unabhängig von der strafrechtlichen Sanktionierung stellen. Die Verpflichtung zur Einhaltung der im nicht-internationalen Konflikt geltenden Regeln erstreckt sich nach dem Wortlaut der gem. Art. 3 GK I–IV auf die am bewaffneten Konflikt „beteiligten Parteien“, also auch auf die nicht-staatliche Konfliktpartei.863 Trotz dieses Wortlautes ist umstritten, ob dieser Artikel die nicht-staatliche Konfliktpartei unmittelbar bindet. So wird etwa vorgebracht, diese könne gar nicht gebunden sein, da sie nicht Vertragspartei sei.864 Der Streitstand muß hier nicht näher wiederholt werden.865 Nur so viel: wenn das Argument stimmen sollte, dann könnten die Staaten private Akteure auch nicht durch die Straftatbestände des ICC-Statuts binden, denn dessen Vertragsparteien sind auch nur Staaten. Ja, sie könnten noch nicht einmal ihre staatlichen Amtsträger direkt völkerrechtlich dadurch binden, denn auch sie sind nicht Vertragspartei, sondern nur die juristische Person Staat. So muß man aufgrund des Wortlautes und der völkerrechtlichen Praxis die Bindung der nicht-staatlichen Konfliktpartei als Einheit durch die gem. Art. 3 GK I–IV annehmen.866 862

B.V.2.d)ff)(1). Vgl. o. B.V.2.d)ff)(3)(b). 864 Dieses Argument wurde schon auf der Vertragskonferenz zu den Genfer Konventionen vorgebracht, Pictet, Commentary I, Art. 3, S. 51. 865 Dazu Schröder, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 111–116. 866 Gasser, Einführung in das humanitäre Völkerrecht, S. 82; Gasser, Humanitäres Völkerrecht, S. 191 f.; Kessler, Durchsetzung der Genfer Abkommen, S. 179 f.; Schröder, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 116–118; siehe Wolfrum/Philipp, Die Taliban – Ein Subjekt des Völkerrechts?, S. 154 f. bezüglich der Bindung der Taliban an den gem. Art. 3 GK I–IV und der daraus folgenden Völkerrechtssubjektivität. 863

VII. Bindung von nationalen und multinationalen Unternehmen

201

Dabei spielt es keine Rolle, wie und ob die nichtstaatliche Konfliktpartei rechtlich konstituiert ist. Daraus ergibt sich, daß ein privates Unternehmen dann an Art. 3 GK I–IV unmittelbar gebunden ist, wenn es selbst als Konfliktpartei zu betrachten ist. Es mag zwar unwahrscheinlich sein, daß die nicht-staatliche Konfliktpartei im Sinne der Art. 3 GK I–IV nur aus einem privatwirtschaftlichen Unternehmen besteht. Ausschließen sollte man eine derartige Konstellation angesichts der Privatisierungstendenzen im Kriegswesen aber nicht. In einem solchen Fall bedarf es dann nicht mehr des Rückgriffes auf das Völkerstrafrecht, um eine völkerrechtliche Bindung des Unternehmens zu begründen.

VII. Bindung von nationalen und multinationalen Unternehmen Die Diskussion um menschenrechtliche Verpflichtungen von Unternehmen kreist meistens um sogenannte multinationale Unternehmen (MNU)867. Wollte man menschenrechtliche Verpflichtungen auf multinationale Unternehmen beschränken, würde man vor dem Problem stehen, daß es bis jetzt keine allgemein rechtlich verbindliche Definition solcher Unternehmen gibt.868 Man hätte also das Problem, den Verpflichteten nicht genau bestimmen zu können. In den UN-Norms869, den OECD-Leitsätzen870 und der ILO Tripartite Declaration871 sind Definitionen oder Umschreibungen multinationaler Unternehmen enthalten. Danach geht es um Unternehmen, die in mehr als einem Land wirtschaftlich tätig sind oder in mehreren Staaten 867 Im Englischen sind die Begriffe Multinational Enterprise (MNE) und Multinational Corporation (MNC), ebenso wie Transnational Corporation (TNC) oder Enterprise (TNE) gebräuchlich. 868 Siehe eingehend zu der Problematik Nowrot, Normative Ordnungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 51–92. 869 s. o. Fn. 3, Ziff. 20: „The Term ‚transnational corporation‘ refers to an economic entity operating in more than one country or a cluster of economic entities operating in two or more countries – whatever their legal form, whether in their home country or country of activity, and whether taken individually or collectively.“ 870 s. o. Fn. 340, Concepts and Principles Nr. 3: „These [multinational enterprises] usually comprise companies or other entities established in more than one country and so linked that they may co-ordinate their operations in various ways. While one or more of these entities may be able to exercise a significant influence over the activities of others, their degree of autonomy within the enterprise may vary from one multinational enterprise to another. Ownership may be private, state or mixed.“ 871 s. o. Fn. 347, Ziff. 6: „Multinational enterprises include enterprises, whether they are of public, mixed or private ownership, which own or control production, distribution, services or other facilities outside the country in which they are based.“

202

B. Unternehmen als Verpflichtete der Menschenrechtsnormen

Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften unterhalten und diese in irgendeiner Form kontrollieren.872 Diese Definitionsversuche und Umschreibungen decken sich im wesentlichen mit denen in der rechtswissenschaftlichen Literatur.873 Teilweise wird einfach eine der oben genannten Definitionen wiedergegeben oder auf diese verwiesen.874 Oder es werden Definitionsversuche der Wirtschaftswissenschaften als Grundlage herangezogen.875 Mitunter wird auch zusätzlich noch eine bestimmte Mindestgröße des multinationalen Unternehmens verlangt.876 Erst ab 100 Mio. US$ Jahresumsatz träten Probleme der „funktionellen Staatlichkeit“ auf, die es offensichtlich rechtfertigen sollen, kleinere Unternehmen von der Definition auszuschließen. Die in den genannten Erklärungen enthaltenen Definitionen teilen aber auch den unverbindlichen Status dieser Dokumente. Für eine speziell auf multinationale Unternehmen zugeschnittene völkerrechtliche Bindung reicht das aber nicht aus. Aus der menschenrechtlichen Perspektive ist es auch nicht sinnvoll, die vorstehend herausgearbeiteten Verpflichtungen auf multinationale Unternehmen zu beschränken. Eine solche Beschränkung würde nur Sinn machen, wenn man die grenzüberschreitende Tätigkeit der MNUs als Voraussetzung für die Bindung an die menschenrechtlichen Verpflichtungen ansehen würde. Ein grenzüberschreitendes Element ist aber gerade keine Voraussetzung für die Anwendung der völkerrechtlichen Menschenrechte. Durch die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes nach dem 2. Weltkrieg sollten gerade auch Menschenrechtsverletzungen innerhalb eines Staa872 Siehe dazu auch Großfeld, Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, S. 5; Hummer, Internationale nichtstaatliche Organisationen im Zeitalter der Globalisierung, S. 59; Schmalenbach, Multinationale Unternehmen und Menschenrechte, AVR 39 (2001), S. 57. 873 Siehe die Definitionen bei Großfeld, Multinationale Unternehmen und nationale Souveränität, JuS 1978, 73; Harms, Rechtsprobleme inter- und multinationaler Unternehmen, BB 1969, 603, 604; Koppensteiner, Internationale Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, S. 32; Nowrot, Normative Ordnungsstruktur und private Wirkungsmacht, S. 98. 874 Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, S. 13; Schmalenbach, Multinationale Unternehmen und Menschenrechte, AVR 39 (2001), S. 59; Wildhaber, Multinationale Unternehmen und Völkerrecht, BDGV 18, S. 7, 13 f. 875 So zum Beispiel bei Vagts, The Multinational Enterprise, 83 Harv. L. Rev. 739, 740 (1970), der eine Definition von Vernon, Economic Sovereignty at Bay, 47 Foreign Affairs 110, 114 (1968) zitiert. 876 So Hummer, Internationale und transnationale Akteure, Rz. 1153 und Wildhaber, Multinationale Unternehmen und Völkerrecht, BDGV 18, S. 7, 14 die einen Mindestjahresumsatz von 100 Mio US$ verlangen. Ebenso Anderes, Fremde im eigenen Land, S. 8.

VII. Bindung von nationalen und multinationalen Unternehmen

203

tes, also auch ohne grenzüberschreitenden Bezug, erfaßt werden.877 Da das Völkerrecht diesbezüglich also schon rein innerstaatliche Sachverhalte erfaßt und sie auf die internationale Ebene hebt, gibt es keinen Grund, in der Person des privaten Menschenrechtsverletzers ein grenzüberschreitendes Element zu fordern. Einen Hinweis darauf, daß menschenrechtliche Verpflichtungen Privater Unternehmen nicht auf multinationale Unternehmen beschränkt werden können, geben die UN-Norms selbst. Wie sich schon aus deren Titel ergibt, beziehen sie sich nicht nur auf multinationale Unternehmen, sondern erfassen auch „other business enterprises“, worunter auch rein nationale Unternehmen verstanden werden.878 Allerdings werden dann für nationale Unternehmen wieder Einschränkungen gemacht. Die Bestimmungen der UN-Norms sollen auf sie nur anwendbar sein, wenn sie mit MNUs in Beziehungen stehen, ihr Handeln nicht rein lokal begrenzt ist oder sie das Recht auf Sicherheit der Person879 verletzen. Aber auch diese Begrenzungen lassen sich nicht aus den Menschenrechtsnormen rechtfertigen. Die hier festgestellten völkerrechtlichen Bindungen Privater treffen auch private juristische Personen, unabhängig von ihrer sonstigen Strukturiertheit und ihren sonstigen Aktivitäten. Damit sind selbstverständlich auch MNUs erfaßt, die völkerrechtliche Bindung läßt sich aber nicht auf diese beschränken. Die hier diskutierten ATCA-Verfahren in den USA betreffen zwar durchweg MNUs. Aus den bisherigen Urteilen ergibt sich aber nicht, daß die verwendeten völkerrechtlichen Normen nur MNUs und nicht rein nationale Unternehmen binden. Die Erfassung speziell von MNUs in den OECD-Leitsätzen und der ILO-Deklaration hat seinen Grund darin, daß MNUs sich leicht nationaler Regelungsmacht durch das Ausweichen in andere Staaten entziehen können, ergeben sich aber nicht aus den Eigenheiten der Menschenrechtsnormen. So weist auch der Hauptbericht des im Zuge der Entstehung der UN-Norms eingesetzten UN-Sonderbeauftragten darauf hin, daß auch rein nationale Unternehmen Menschenrechte verletzen können.880

877

Kälin/Künzli, Universeller Menschenrerchtsschutz, S. 18 f. Ziff. 21 UN-Norms. 879 Darunter werden gemäß Ziff. 3 UN-Norms schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, wie z. B. Kriegsverbrechen, Völkermord oder Folter gezählt. 880 Ziff. 3 des Berichts (s. o. Fn. 329). 878

C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch für die Verletzung von Menschenrechten durch Unternehmen Kann man im gegenwärtigen Völkerrecht schon Menschenrechtsnormen finden, an die private Unternehmen unmittelbar gebunden sind, so stellt sich in einem logischen zweiten Schritt die Frage, ob das Völkerrecht auch einen Wiedergutmachungs- oder Schadensersatzanspruch gegen private Unternehmen bereithält. Denn für die Durchsetzung der Menschenrechtsnormen genügt es nicht, einfach eine materielle Bindung der privaten Unternehmen festzustellen, die dann quasi im luftleeren Raum hängt, wenn nicht auch sekundäre Ansprüche für ihre Durchsetzung existieren. Da die menschenrechtlichen Bindungen von Unternehmen nicht direkt gegen diese vor internationalen Gerichten geltend gemacht werden können, bleibt nur die Durchsetzung vor nationalen Gerichten. Besonders attraktiv erscheinen da Schadensersatzverfahren, die von den Opfern gegen die Unternehmen vor nationalen Gerichten eingeleitet werden. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage nach einer geeigneten Anspruchsgrundlage und ob eine solche schon im Völkerrecht selbst zu finden ist. Dazu soll zunächst die Rechtsprechung der US-Bundesgerichte in den ATCA-Verfahren unter diesem Gesichtspunkt kurz analysiert werden, bevor Überlegungen zu einem völkerrechtlichen Anspruch angestellt werden.

I. Schadensersatzansprüche in den ATCA-Verfahren 1. Entscheidungen der unterinstanzlichen Gerichte Die Entscheidungen der unterinstanzlichen Bundesgerichte zur Frage der materiellen Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzbegehren in den ACTA-Fällen sind durch eine gewisse Unübersichtlichkeit geprägt.881 Das hängt eng mit dem Begriff der cause of action zusammen, der in den ATCA-Verfahren immer wieder verwendet wird.882 Dabei geht es um die 881 Bishop Holton, Cause of Action, 21 Causes of Action 2d, 327, § 8 Choice of Law (2007); Chiminya Tachiona v. Mugabe, 216 F.Supp.2d 262, 268 (S. D. N. Y. 2002). 882 Siehe z. B. Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 777-79 (D. C. Cir. 1984) (Edwards, J., concurring); Forti v. Suarez-Mason, 672 F.Supp. 1531, 1539 (N. D. Cal. 1987); Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 944 (9th Cir. 2002).

I. Schadensersatzansprüche in den ATCA-Verfahren

205

Frage, ob der ATCA ausschließlich eine Zuständigkeitsnorm für die Bundesgerichtsbarkeit ist, oder zusätzlich noch eine notwendige „cause of action“ für den Kläger enthält. In der deutschen Literatur wird dieser Begriff häufig mit Anspruchsgrundlage übersetzt.883 Die Gleichsetzung des Begriffs mit dem der materiellen Anspruchsgrundlage im deutschen Recht ist jedoch fraglich. Die Bedeutung des Begriffs der cause of action im US-Recht selbst ist unklar.884 Das wird auch deutlich, wenn man die unterschiedlichen Konzeptionen der unterinstanzlichen US-Bundesgerichte zur Frage der Anspruchsgrundlage in menschenrechtlichen ATCA-Verfahren betrachtet. Nach der einen Konzeption soll sich der Schadensersatzanspruch aus schon vorhandenem nationalem Deliktsrecht ergeben.885 Welches nationale Deliktsrecht anzuwenden ist, folgt dann aus der Anwendung der nationalen Kollisionsnormen. In diesem Sinne ist der ATCA lediglich eine Zuständigkeitsnorm für die Bundesgerichte.886 Die Feststellung einer Völkerrechtsverletzung ebnet also nur den Weg zu den Bundesgerichten anstatt zu den Gerichten der Bundesstaaten. Das Gericht muß dann im anwendbaren nationalen Deliktsrecht ein der Völkerrechtsverletzung entsprechendes Delikt finden. Dessen eigene materielle Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Schadensersatz zugesprochen werden kann. Hier ergibt sich die cause of action aus dem nationalen Deliktsrecht.887 Nach der anderen Konzeption enthält der ATCA selbst eine cause of action.888 Dies führt aber nicht unbedingt dazu, daß schon allein aufgrund des ATCA Schadensersatz zugesprochen wird, sondern die Gerichte sind dazu 883 Hailer, Human Rights Litigation, AVR 44 (2006), 76, 78; Rau, Haftung privater Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen?, IPRax 2001, 372, 373; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 144; Seibert-Fohr, Deliktshaftung von Unternehmen, ZaöRV 63 (2003), 195, 196, Fn. 7; Seibert-Fohr/Wolfrum, Die einzelstaatliche Durchsetzung völkerrechtlicher Mindeststandards gegenüber transnationalen Unternehmen, AVR 43 (2005), 153, 155; v. Unger, Menschenrechte als transnationales Privatrecht, S. 41. 884 D’Amato, Judge Bork’s Concept of the Law of Nations Is Seriously Mistaken, 79 Am. J. Int’l L. 92, 95 (1985); siehe zur Problematik der cause of action in ATCA-Verfahren auch Steinhardt, Fulfilling the Promise of Filartiga, 20 Yale J. Int’l L. 65, 72-3 (1995). 885 So im Grundsatz schon Tel-Oren v. Libyan Arab Republic, 726 F.2d 774, 782 (D. C. Cir. 1984) (Edwards, J., concurring); 886 Siehe dazu In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493, 496 Fn. 4, 503 (9th Cir. 1992) mit Verweis auf ein Urteil des District Courts von Hawaii aus 1991. 887 In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493, 503 (9th Cir. 1992). 888 In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 25 F.3d 1467, 1475 (9th Cir. 1994); Doe I v. Unocal Corp., 110 F.Supp.2d 1294, 1303 (C. D. Cal. 2000).

206

C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

berufen, einen Schadensersatzanspruch im federal common law889, also im Fallrecht des Bundes für die jeweilige Völkerrechtsverletzung zu schaffen.890 Dahinter steht die Vorstellung, daß das Völkergewohnheitsrecht (law of nations) durch das federal common law Teil des US-Rechtes wird und deshalb die Durchsetzungsmöglichkeiten auch in diesem Rechtskörper geschaffen werden müssen.891 In diesem Fall ergeben sich die materiellen Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch aus dem Völkerrecht selbst.892 Der Vorteil dieser Herangehensweise soll darin liegen, daß die Gerichte so speziell auf die Völkerrechtsverletzungen zugeschnittene Ansprüche schaffen können und nicht auf gewöhnliche Deliktstatbestände des nationalen Rechts angewiesen sind.893 Wichtig ist hier festzustellen, daß auch nach der zweiten Konzeption sich der unmittelbare Schadensersatzanspruch aus einer Norm des nationalen Rechts, nämlich des amerikanischen federal common law ergibt, nur die grundlegenden materiellen Voraussetzungen würden sich aus dem Völkerrecht ergeben.894 Zur Verwirrung in diesem Bereich trägt auch schon die Entscheidung im Fall Filártiga bei. Der District Court folgt hier zunächst der zweiten Konzeption, stellt dann aber fest, daß Teil des federal common law auch die Kollisionsnormen des amerikanischen Internationalen Privatrechts sind und gelangt so zur Anwendung paraguayischen Deliktsrechts.895 Dies allerdings nur für den einfachen Schadensersatz. Für den von den Klägern auch verlangten Strafschadensersatz (punitive damages) greift das Gericht aber wieder auf das US-Recht zurück, da es dafür keine Grundlage im paraguayischen Recht gibt.896

889 Zur verfassungsrechtlichen Problematik des federal common law siehe Heidbrink, Der Alien Tort Claims Act, S. 126 ff. 890 Xuncax v. Gramajo, 886 F.Supp. 162, 182 f. (D. Mass. 1995); Abebe-Jira v. Negewo, 72 F.3d 844, 848 (11th Cir. 1996); Tachiona v. Mugabe, 234 F.Supp.2d 401, 419 (S. D. N. Y. 2002). 891 Steinhardt, Fulfilling the Promise of Filartiga, 20 Yale J. Int’l L. 65, 74-5 (1995); Filártiga v. Peña-Irala, 577 F.Supp. 860, 863 (D. C. N. Y. 1984). 892 Tachiona v. Mugabe, 234 F.Supp.2d 401, 413 (S. D. N. Y. 2002); vgl. v. Unger, Menschenrechte als transnationales Privatrecht, S. 17. 893 Xuncax v. Gramajo, 886 F.Supp. 162, 183 (D.Mass. 1995). 894 Vgl. v. Unger, Menschenrechte als transnationales Privatrecht, S. 129. 895 Filártiga v. Peña-Irala, 577 F.Supp. 860, 863-64 (D. C. N. Y. 1984). 896 Filártiga v. Peña-Irala, 577 F.Supp. 860, 864-65 (D. C. N. Y. 1984).

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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2. Die Entscheidung des Supreme Court in Sosa Wegen der Uneinigkeit der Bundesgerichte mußte der Supreme Court in Sosa auch zur Frage der cause of action bei ATCA-Verfahren Stellung nehmen.897 Er entschied, daß der ATCA lediglich eine Zuständigkeitsnorm sei und keine cause of action begründe.898 Dennoch sieht das Gericht aber die Bundesgerichte als befugt an, im federal common law spezielle Anspruchsgrundlagen für die Durchsetzung der jeweiligen Völkerrechtsnormen zu schaffen. Dies wird damit begründet, daß der US-Kongreß beim Erlaß des ATCA wohl die Vorstellung hatte, im common law könnten entsprechende Anspruchsgrundlagen gefunden werden.899 Im Ergebnis folgt der Supreme Court also der zweiten Konzeption hinsichtlich der Anspruchsgrundlage für ein Schadensersatzbegehren.900 3. Ergebnis Auch wenn die Bundesgerichte teilweise materielle Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch dem Völkerrecht entnehmen, bleibt doch die unmittelbare Anspruchsgrundlage auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Menschenrechten im nationalen Recht behaftet.

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten Wie eben gezeigt, ist die Verwendung von Schadensersatzansprüchen aus dem nationalen Recht ein gangbarer Weg, um Menschenrechtsverletzungen zwischen Private auszugleichen. Dies setzt aber voraus, daß das nationale Recht ein der Menschenrechtsverletzung entsprechendes Delikt bereithält, oder daß die Verletzung der Völkerrechtsnorm in das nationale Deliktsrecht integriert werden kann (wie bei § 823 II BGB). Das muß nicht immer gegeben sein. Aber auch andere Eigenheiten des nationalen Rechts können einen solchen Anspruch verhindern. Ein völkerrechtlicher Schadensersatz- oder Wiedergutmachungsanspruch kann hilfreich sein, um solche Hürden zu überwinden. Dies wäre dann ein völkerrechtlicher Anspruch zwischen Pri897

Vgl. Stephens, Human Rights Litigation, 70 Brook. L. Rev. 533, 541 (2005). Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2754 (2004). 899 Sosa v. Alvarez-Machain, 124 S.Ct. 2739, 2761 (2004); siehe näher dazu Stephens, Human Rights Litigation, 70 Brook. L. Rev. 533, 544-47 (2005); Ramsey, International Law Limits on Investor Liability in Human Rights Litigation, 50 Harv. Int’l L. J. 271, 298 (2009). 900 Vgl. v. Unger, Menschenrechte als transnationales Privatrecht, S. 127, 129. 898

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

vaten. Aber auch abgesehen von solch praktischen Erwägungen, stellt sich die Frage eines völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruches gegen private Unternehmen aus der Logik der Völkerrechtsordnung selbst. In Xuncax v. Gramajo hat der zuständige US-District Court ausgeführt, daß es merkwürdig wäre, wenn die Verletzung einer Völkerrechtsnorm mit einem „garden variety tort“ des nationalen Rechts geahndet würde.901 Damit wurde zwar begründet, warum es besser ist, in einem ATCA-Verfahren eine auf die spezielle Völkerrechtsverletzung abgestimmte Durchsetzungsnorm im federal common law der USA zu schaffen. Mit derselben Überlegung kann man sich aber auch die Frage stellen, warum die Verletzung einer Völkerrechtsnorm durch einen Privaten nicht auch eine völkerrechtliche Schadensersatzverpflichtung nach sich ziehen sollte. Zwei Grundüberlegungen bilden den Ausgangspunkt der Erörterung: einmal, daß dem völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz Schadensersatz- oder Wiedergutmachungsansprüche für Menschenrechtsverletzungen nicht unbekannt sind und zum anderen die Existenz eines Völkerrechtsgebietes, das gemeinhin mit „völkerrechtlicher Verantwortlichkeit“ bezeichnet wird. 1. Entschädigungspflichten in menschenrechtlichen Verträgen Die Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen durch Entschädigungszahlungen ist ein bekanntes Konzept im gegenwärtigen Menschenrechtsschutzsystem. Hier werden nur einige Beispiele genannt. Die bekanntesten Regelungen betreffen den Europäischen und den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Beide können bei festgestellten Konventionsverletzungen den Opfern eine angemessene Entschädigung zusprechen die von dem verurteilten Vertragssaat zu leisten ist (Art. 41 EMRK, Art. 63 I AMRK). Davon machen die beiden Gerichte ausgiebig Gebrauch. Für eine Entschädigungsregelung, die sich auf alle Rechte in einer Menschenrechtskonvention bezieht, kann man noch Art. 6 RassenDisK nennen, der den Opfern von Rassendiskriminierung das Recht auf eine angemessene Entschädigung zuspricht. Daneben existieren noch Entschädigungsregelungen bezüglich einzelner Gewährleistungen, wie zum Beispiel bei ungerechtfertigter Haft (Art. 9 V IPBPR, Art. 5 V EMRK) und bei Fehlurteilen (Art. 14 VI IPBPR, Art. 10 AMRK). Auch die UNFolterK enthält eine Entschädigungsregel für die Folteropfer (Art. 14). Bei Verletzungen des Humanitären Völkerrechts gebieten Art. 3 des Haager Abkommens und Art. 91 GK ZP 1 eine Schadensersatzpflicht für den verletzenden Staat. Neben diesen ausdrücklichen Regelungen kann sich eine Entschädigungsverpflichtung auch aus den menschenrechtlichen Schutzpflichten der Staa901

s. o. Fn. 893.

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

209

ten ergeben.902 Die Schaffung und Durchsetzung einer Entschädigungsregelung stellt dann für den Staat eine Möglichkeit dar, um seiner Schutzpflicht zu genügen. In den meisten Fällen richtet sich die Entschädigungspflicht gegen den Staat. Im Falle von Art. 6 IÜBRD und im Falle der Schutzpflichterfüllung aber auch gegen Private. Hier muß aber der Staat erst in seinem Recht solche Entschädigungsregelungen treffen. Die Entschädigungspflicht für Private ergibt sich somit nicht unmittelbar aus den Vertragsnormen. Eines machen diese Regelungen aber deutlich: das Völkerrecht sieht die Entschädigung als ein Mittel zur Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen an. 2. Ausgangspunkt: völkerrechtliche Verantwortlichkeit/ Staatenverantwortlichkeit Den zweiten Ausgangspunkt bildet die allgemeine völkerrechtliche Verantwortlichkeit. Terminologisch werden hier verschiedenen Begriffe verwendet. Neben „völkerrechtlicher Verantwortlichkeit“ ist im deutschen Sprachraum auch der Begriff des völkerrechtlichen Delikts gebräuchlich.903 Diese Verantwortlichkeit wird meistens im Zusammenhang mit der Verantwortung der Staaten für Völkerrechtsverletzungen dargestellt und diskutiert. Dies wird dann mit dem Begriff der Staatenverantwortlichkeit umschrieben.904 Der Inhalt der gewohnheitsrechtlich geltenden allgemeinen Staatenverantwortlichkeit läßt sich sehr gut den schon genannten905, durch die UNGeneralversammlung zur Kenntnis genommenen, ILC-Artikeln über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen (ILCArtikel) entnehmen, da er zumindest in den Grundzügen geltendes Gewohnheitsrecht wiedergibt.906 Danach beruht die Staatenverantwortlichkeit auf einem einfachen Grundsatz: Der Staat ist für jeden ihm zurechenbaren Völkerrechtsverstoß verantwortlich (Art. 1–3). Die Verantwortlichkeit besteht 902 Für die EMRK siehe Jaeckel, Schutzpflichten, S. 169 und Murswiek, Pflicht des Staates zum Schutz vor Eingriffen Dritter, S. 237. 903 Siehe z. B. Kunig, Das völkerrechtliche Delikt, Jura 1986, 344; v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 11. Siehe ausführlich zum unterschiedlichen Sprachgebrauch, insbesondere auch im englischen Sprachraum Schmalenbach, Die Haftung Internationaler Organisationen, S. 34–40; siehe auch Ginther, Verantwortlichkeit, Haftung und Verantwortung im Völkerrecht, S. 336–338. 904 Siehe z. B. Schweisfurth, Völkerrecht, S. 225; im Englischen wir meist der Begriff „state responsibility“ gebraucht, Brownlie, International Law, S. 434. 905 s. o. Fn. 673. 906 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 618, Rz. 2; Kempen/Hillgruber, Völkerrecht, S. 186, Rz. 60; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 230.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

einmal in der Verpflichtung, den Völkerrechtsverstoß einzustellen, falls er noch andauert (Art. 30, lit. a) und Wiedergutmachung für den von dem Völkerrechtsverstoß verursachten Schaden zu leisten (Art. 31 I). Diese Verpflichtung besteht dem durch den Völkerrechtsverstoß in seinen Rechten verletzten Staat gegenüber (Art. 42). Da diese Verantwortlichkeit hauptsächlich auf Wiedergutmachung zielt, ist sie am ehesten mit dem innerstaatlichen Deliktsrecht vergleichbar.907 Darauf hat schon der erste Berichterstatter für die Frage der Staatenverantwortlichkeit in der ILC, García-Amador hingewiesen, obwohl man unter den Begriff Verantwortlichkeit natürlich auch die strafrechtliche Sanktionierung fassen kann.908 Diese Verantwortlichkeit kann man so betrachten, daß bei einer Verletzung einer materiellen Völkerrechtsnorm, der Primärnorm, eine neue Rechtsbeziehung zwischen dem Verletzer und dem Verletzten entsteht. Diese neue Rechtsbeziehung besteht aus einer Sekundärnorm, die den Verletzer zur Wiedergutmachung gegenüber dem Verletzten verpflichtet.909 Diese konkreten Regeln lassen sich natürlich nicht einfach auf Private übertragen. In den ILC-Artikeln sind sie ausdrücklich als Normen formuliert, die den Staat binden und berechtigen. 3. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit als allgemeines Prinzip, das auch Private bindet Dennoch muß man sich hier die Frage stellen, ob die völkerrechtliche Verantwortlichkeit nicht ein allgemeines Prinzip darstellt, von dem die Staatenverantwortlichkeit nur eine spezielle Ausformung ist. Hier muß also erörtert werden, ob die völkerrechtliche Verantwortlichkeit verallgemeinerungsfähig in dem Sinne ist, daß auch andere Völkerrechtssubjekte als der Staat durch sie verpflichtet und berechtigt werden. a) Anhaltspunkte in der Literatur In der Literatur wird häufig die völkerrechtliche Verantwortlichkeit allgemein formuliert. Nicht nur, „der Staat ist für Rechtsverletzungen völkerrechtlich verantwortlich“, sondern „ein Völkerrechtssubjekt, das Völkerrecht verletzt, ist dem verletzten Völkerrechtssubjekt verantwortlich“.910 907 Vgl. Epiney, Verantwortlichkeit für Private, S. 39 f.; siehe schon Kelsen, Unrecht und Unrechtsfolge im Völkerrecht, S. 545. 908 State Responsibility, YBILC 1956 II, S. 173, 180, Ziff. 36–37. 909 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 619 f., Rz. 6 f. 910 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 864; Hobe, Völkerrecht, S. 249; Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 615, Rz. 2, 619, Rz. 4, 623, Rz. 16; Kunig, Das

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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Und nach Dörr erwirbt „jedes Völkerrechtssubjekt, das in seinen völkerrechtlichen Rechten verletzt wird, [. . .] daraus einen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch“.911 Eine solche Verallgemeinerung findet sich vor allem in der deutschsprachigen Literatur, ist aber auch bei englischsprachigen Autoren anzutreffen. So sieht zum Beispiel Brownlie die völkerrechtliche Verantwortlichkeit als eine allgemeine Frage an, die alle Völkerrechtssubjekte und nicht nur die Staaten als „Normalsubjekte“ betrifft.912 Auch nach Crawford und Olleson könnte die Formulierung der Staatenverantwortlichkeit in Art. 1 ILC-Artikel allgemein auf Völkerrechtssubjekte erweitert werden.913 Es lassen sich aber auch schon Stimmen finden, die konkret für private Akteure einen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch annehmen, wenn sie Völkerrechtsnormen verletzen, die unmittelbar für Private gelten.914 b) Anhaltspunkte in der Rechtsprechung In dieser Allgemeinheit hat den Grundsatz der Verantwortlichkeit auch schon der Ständige Internationale Gerichtshof 1928 in Chorzów Factory915 formuliert: „. . . it is a principle of international law, and even a general conception of law, that any breach of an engagement involves an obligation to make reparation.“

In Chorzów Factory ging es zwar um die völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Staates (in diesem Fall von Polen), dennoch hat das Gericht eine allgemeine Formulierung gewählt. Und in Phosphates in Morocco916 hat der StIGH die völkerrechtliche Verantwortlichkeit folgendermaßen umschrieben: „. . . we should look for the violation of international law – a definite act which would, by itself, directly involve international responsibility.“ völkerrechtliche Delikt, Jura 1986, 344, 345; Schlochauer, Die Entwicklung des völkerrechtlichen Deliktsrechts, AVR 16 (1974/75), 239, 243; Schröder, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 141; Schweißfurth, Völkerrecht, S. 226, Rz. 3; Verdross, Völkerrecht, S. 373. 911 Grote/Marauhn-Dörr, EMRK/GG, S. 1773. 912 Brownlie, International Law, S. 433. 913 Crawford/Olleson, International Responsibility, S. 452; ähnlich Hobe, Völkerrecht, S. 249. 914 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 864; Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905, 913; Seegers, Wiedergutmachung, S. 23 f. 915 Chorzów Factory (Merits), Judgement No. 13, PCIJ, Ser. A, No. 17 (1928), S. 29. 916 Phosphates in Morocco, PCIJ, Ser. A/B, No. 74 (1938), S. 10.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

Wenn man diese Formulierungen ernst nimmt, dann bindet die allgemeine völkerrechtliche Verantwortlichkeit alle Völkerrechtssubjekte und nicht nur die Staaten. Entscheidender Auslöser für die Verantwortlichkeit ist die Verletzung einer völkerrechtlichen Norm. Durch die Bindung von nichtstaatlichen Akteuren an bestimmte Völkerrechtsnormen müßten auch sie nach völkerrechtlichen Grundsätzen haften. Das wäre die logische Konsequenz der Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte. Oder, falls man den Begriff des Völkerrechtssubjekts nicht verwenden möchte: die logische Konsequenz der unmittelbaren völkerrechtlichen Bindung nicht-staatlicher Akteure. c) Anwendung des Prinzips auf Internationale Organisationen und Aufständische Für die Frage der Allgemeinheit der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ist die Diskussion um die allgemeine Haftung Internationaler Regierungsorganisationen917 (IGO) von Interesse. Dieses Rechtsgebiet hat bisher noch nicht eine so ausführliche dogmatische Durchdringung wie die Staatenverantwortlichkeit erfahren. In der ILC wird gegenwärtig ein Entwurf zur Verantwortlichkeit Internationaler Organisationen erarbeitet und diskutiert. Nach den bisher erarbeitenden Artikeln ist eine IGO für alle ihr zurechenbare Völkerrechtsverstöße verantwortlich (Art. 3 ILC-Entwurf)918. In seinem ersten Bericht hat der von der ILC für diese Frage eingesetzte Sonderberichterstatter Giorgio Gaja dazu ausgeführt, daß die Verantwortung Internationaler Organisationen demselben Grundsatz folgt wie die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Staaten.919 Das ist zwar nicht unbestritten. So hat zum Beispiel der International Monetary Fund (IMF) in seiner Stellungnahme zu den bisher erarbeiteten Artikeln auf die grundsätzliche Verschiedenheit von IGOs und Staaten, insbesondere was ihre Kompetenzen betrifft, hingewiesen und angezweifelt, daß Internationale Organisationen nach denselben Regeln verantwortlich sind wie Staaten.920 Auf der anderen Seite kann sich die ILC aber mit ihrem Vorschlag auf einige Stimmen in der Literatur stützen, die eine Anwendung des allgemeinen Verantwortlichkeitsgrundsatzes auf IGOs annehmen.921 Die gebräuchlichste Begründung 917

Im Gegensatz zu den sogenannten Non-Governmental Organizations (NGO). UN Doc. A/CN.4/L.632 vom 4.6.2003. 919 Gaja, First report on responsibility of international organizations, UN Doc. A/ CN.4/532 vom 26.3.2003, Ziff. 35. 920 UN Doc. A/CN.4/545 vom 25.6.2004, S. 6 f.; siehe auch Ginther, Verantwortlichkeit internationaler Organisationen, S. 184. 921 So schon der erste Berichterstatter der ILC für die Stattenverantwortlichkeit García-Amador in seinem ersten Bericht, YBILC 1956 II, S. 173, 189, Ziff. 83; 918

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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knüpft dabei an die Völkerrechtssubjektivität von IGOs an, also an die Bindung an bestimmte Völkerrechtsnormen. Im Falle der Verletzung dieser Normen durch die Internationale Organisation folgt dann ihre Verantwortlichkeit entsprechend dem allgemeinen Grundsatz.922 Auch wenn die Frage der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von IGOs noch nicht abschließend geklärt ist, zeigt sich doch aber eine starke Tendenz, die allgemeine völkerrechtliche Verantwortlichkeit in ihren Grundzügen jedenfalls auch auf diese Gebilde anzuwenden. Dies bedeutet, jedenfalls nach den Vertretern dieser Ansicht, daß die völkerrechtliche Verantwortlichkeit nicht auf Staaten beschränkt ist. IGOs sind zwar enger mit Staaten verknüpft als Privatpersonen, denn immerhin werden sie von Staaten gegründet. Aber sie sind dennoch von diesen zu unterscheidende Rechtssubjekte. Dies ist ein erster Hinweis darauf, daß die Grundsätze der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit tatsächlich, jedenfalls bezüglich des Haftungssubjekts, von allgemeiner Natur sind. Ein weiteres Beispiel für die Anwendung der Prinzipien der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit auf nicht-staatliche Akteure ist die Beurteilung der Haftung von Aufständischengruppen für Verletzungen des auf sie anwendbaren humanitären Völkerrechts. So bejaht zum Beispiel Schröder eine Verantwortlichkeit von bewaffneten Oppositionsgruppen als Konfliktparteien im Sinne von Art. 3 GK I–IV nach den Grundsätzen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit, ohne die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Prinzipien auf nicht-staatliche Akteure groß zu erörtern.923 Die Regelung des Inhalts der Verantwortlichkeit in den ILC-Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit, nämlich die Verpflichtung zur Beendigung des Völkerrechtsverstoßes und zur Wiedergutmachung, wendet er auch auf diese nicht-staatlichen Gruppen an, da sie für alle Arten von verantwortlichen Völkerrechtssubjekte gälten.924 Eine grundsätzliche Verantwortlichkeit solcher Gruppen sieht auch Zegveld, ohne allerdings auf den Inhalt der Verantwortlichkeit einzugehen.925 Hirsch, Responsibility of International Organizations, S. 8–10, 15 f.; Köck/Fischer, Internationale Organisationen, S. 590, 592; Meng, Internationale Organisationen im völkerrechtlichen Deliktsrecht, ZaöRV 45 (1985), 324, 335 f.; in diese Richtung auch Klein, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 310, Rz. 101 und Schermers/Blokker, International Institutional Law, § 1583; Brownlie, International Law, S. 683 f. hält die grundsätzliche Verantwortlichkeit von IGOs für vernünftig. 922 García-Amador, YBILC 1956 II, S. 173, 189, Ziff. 83; Köck/Fischer, Internationale Organisationen, S. 590, 592; Schermers/Blokker, International Institutional Law, §§ 1582, 1583. 923 Schröder, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 107 f., 143. 924 Schröder, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 140 f. 925 Zegveld, Accountability of Armed Opposition Groups, S. 151 f.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

d) Völkerrechtliche Handlungsfähigkeit Privater Die Frage der Anwendung der Grundsätze der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit auf Private wird, wenn sie denn überhaupt eine Erörterung erfährt, in der Literatur ganz überwiegend abgelehnt. Die älteren Stimmen verneinen eine Deliktsfähigkeit von Privatpersonen ohne große Diskussion, weil sie keine Völkerrechtssubjekte und deshalb auch nicht unmittelbar völkerrechtlich gebunden seien.926 Dies entspricht ganz dem damals im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts herrschenden Völkerrechtsverständnis, das nur den Staat als Rechtssubjekt akzeptierte und das private Individuum als vollständig mediatisiert ansah.927 Wenn der Private mangels Bindung gar keine Völkerrechtsnormen verletzen kann, erübrigt sich natürlich jede weitere Erörterung einer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit ebenso wie auf der anderen Seite die Diskussion über einen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch eines Privaten.928 In seinem Werk über das völkerrechtliche Delikt von 1963 diskutiert zwar von Münch die völkerrechtliche Haftung von Individuen und akzeptiert sie in Einzelfällen auch als Völkerrechtssubjekt.929 Er sieht jedoch mit Ausnahme vom völkerrechtlichen Strafrecht, Kriegsvölkerrecht und internationalem Beamtenrecht kaum das Individuum verpflichtende Normen im Völkerrecht und erörtert deshalb die Problematik nicht weiter.930 Erstaunlicherweise unterläßt er aber auch eine Diskussion der allgemeinen völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Individuen in den genannten Verpflichtungsbereichen. Ähnlich verweist auch Ipsen bezüglich der Verantwortlichkeit von Einzelpersonen sogleich auf das Völkerstrafrecht.931 Die allgemeine völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Individuen lehnt er, trotz begrenzter Annahme von völkerrechtlichen Pflichten, ab, da dem Individuum grundsätzlich die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit fehlen würde.932 Diese Annahme einer fehlenden völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit des Individuums bedarf näherer Erörterung. 926 So z. B. Ago, Le Délit International, RdC 68 (1939 II), 415, 452 f.; Strupp, Das völkerrechtliche Delikt, S. 23 f.; vgl. auch Strupp, Les Règles Générales du Droit de la Paix, RdC 47 (1934 I), 259, 559 wo zwar noch andere Völkerrechtssubjekte anerkannt werden, aber trotzdem nur der Staat für deliktsfähig gehalten wird; auch noch Berber, Völkerrecht 3, S. 18. 927 s. o. B.II.1. 928 Schwarze, Rechtsschutz Privater bei völkerrechtswidrigem Handeln fremder Staaten, AVR 24 (1986), 408, 412. 929 v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 126 ff., 278 f. 930 v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 279. 931 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 659, Rz. 11; ebenso Schweisfurth, Völkerrecht, S. 226, Rz. 4. 932 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 659, Rz. 11.

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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Neben Ipsen933 verlangen in der deutschen Literatur auch noch andere Stimmen ganz allgemein die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit des Verletzers für den Eintritt der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit.934 Dabei wird die Handlungsfähigkeit durchaus unterschiedlich definiert. Ipsen versteht in diesem Zusammenhang darunter die „rechtliche Befähigung [des] Völkerrechtssubjekts zu pflichtgemäßem Verhalten“.935 Roberto Ago sieht in der Handlungsfähigkeit die Fähigkeit Rechtshandlungen vorzunehmen (capacité d’accomplir des actes juridiques).936 Friedrich Klein hat kurz nach Ago ein Subjekt im deliktischen Bereich als handlungsfähig angesehen, wenn es die ihm auferlegten Pflichten durch eigenes Verhalten befolgen kann.937 Nach von Münch ist die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit die „tatsächliche Fähigkeit eines Völkerrechtssubjektes, im konkreten Fall durch seine Organe völkerrechtliche Rechte auszuüben und völkerrechtliche Pflichten zu übernehmen“.938 Bei Ipsen wird nicht klar, was unter der rechtlichen Befähigung zu normgemäßen Verhalten zu verstehen ist und warum sie bei Individuen gerade fehlen soll. Die von Münch’sche Definition zielt eher auf Staaten und IGOs ab, als auf private Akteure. Das liegt weniger daran, daß er hier die Organe eines Völkerrechtssubjektes ins Spiel bringt, denn auch eine private juristische Person verfügt über solche. Vielmehr paßt die Fähigkeit zur Übernahme völkerrechtlicher Pflichten nicht zu privaten Akteuren. Denn nach den bisherigen Erörterungen können Private nicht über die Übernahme von völkerrechtlichen Verpflichtungen selbst entscheiden, sondern die sie verpflichtenden Normen entstehen durch den völkerrechtlichen Rechtssetzungsprozeß der Staaten. Die Frage der völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit im Rahmen der Verantwortlichkeit wird deutlicher, wenn man die Fälle in denen ein Fehlen dieser Handlungsfähigkeit diskutiert wurde, betrachtet. Die Diskussion betraf Territorien, denen zwar eine eigene Völkerrechtssubjektivität zugebilligt wurde, die sich aber nicht selbst regieren konnten, sondern von einer fremden Macht, seinen es andere Staaten oder Internationale Organisationen, verwaltet wurden. Als Beispiele werden etwa Protektorate und Mandats-, respektive Treuhandgebiete im Rahmen des Völkerbundes oder der 933

Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 625, Rz. 28. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 871; Kunig, Das völkerrechtliche Delikt, Jura 1986, 344, 347 der allerdings den Begriff der Handlungsfähigkeit in den Begriff der Deliktsfähigkeit einbettet; v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 95; Schröder, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 586, Rz. 10; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 226, Rz. 3 der die Deliktsfähigkeit als Teil der Handlungsfähigkeit ansieht. 935 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 625, Rz. 28. 936 Ago, Le Délit International, RdC 68 (1939 II), 415, 454. 937 Klein, Die mittelbare Haftung im Völkkerrecht, S. 34. 938 v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 128. 934

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

UN (und das Deutsche Reich nach der Kapitulation der Wehrmacht 1945) genannt.939 Wenn ein solches Gebiet überhaupt keine eigenen Organe besitzt, kann es natürlich nicht selbst handeln und auch keine völkerrechtlichen Delikte begehen.940 Aber in einem solchen Fall sollte man sich fragen, ob schon mangels zurechenbaren Organverhaltens überhaupt ein Völkerrechtsverstoß vorliegen kann, ganz unabhängig von der Frage, ob nicht ein Völkerrechtsverstoß durch die Organe der beherrschenden Macht dieser zuzurechnen ist941. Der Sinn einer gesonderten Prüfung der Handlungsfähigkeit ist hier schwer erkennbar. Diese Beispiele machen auch deutlich, daß es eher um die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten von Staaten geht und weniger um eine rechtliche Befugnis im Sinne von Ipsen. Aber selbst wenn man die Handlungsfähigkeit als eine gesonderte Voraussetzung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit akzeptiert, ist ihr grundsätzliches Fehlen bei privaten Akteuren nicht ersichtlich. Der Mensch bedarf keiner Organe, um handeln zu können. Er kann es von sich aus. Natürlich kann es Situationen geben, in den auch ein Mensch handlungsunfähig ist, so z. B. bei Bewußtlosigkeit. Aber das sind seltene Ausnahmen und rechtfertigen keine grundsätzliche Ablehnung der Handlungsfähigkeit. Und wenn man die Handlungsfähigkeit im Ipsen’schen Sinne rechtlich betrachten möchte, ist es nicht einsichtig, warum eine gesonderte rechtliche Befugnis zur Normeinhaltung notwendig sein sollte. Wenn man zum Beispiel die Verbote des Völkermordes, der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit herausgreift, so hat grundsätzlich jedes Individuum die Befähigung, solche Taten zu unterlassen und sich damit normgemäß zu verhalten. Dies gilt auch für alle anderen private Akteure direkt treffenden völkerrechtlichen Pflichten. Es bedarf hier keiner gesonderten Rechtsnorm, die das Individuum zur Normeinhaltung quasi ermächtigt. Vielmehr wird doch das normgemäße Verhalten einfach erwartet. Das Gleiche gilt für private juristische Personen. Sie bedürfen genauso wie die Staaten der Organe, um überhaupt handeln zu können. So wie beim Staat ist es auch bei den privaten juristischen Personen vorstellbar, daß keine handlungsfähigen Organe vorhanden sind. Aber auch dies ist eine seltene Ausnahme und rechtfertigt nicht die generelle Ablehnung der Handlungsfähigkeit. Und auch private juristische Personen brauchen keine gesonderte rechtliche Ermächtigung zum pflichtgemäßen Verhalten. Die Annahme unmittelbarer völkerrechtlicher Pflichten für private Akteure impliziert schon die tatsächliche und rechtliche Handlungsmöglichkeit 939 Ago, Le Délit International, RdC 68 (1939 II), 415, 454; v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 129; Kunig, Das völkerrechtliche Delikt, Jura 1986, 344, 347. 940 Vgl. Ago, Le Délit International, RdC 68 (1939 II), 415, 455. 941 Ago, Le Délit International, RdC 68 (1939 II), 415, 456 f.; siehe dazu auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 893 f.

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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der Privaten zur Verletzung dieser Normen. Sonst würde schon die Auferlegung von unmittelbaren Pflichten keinen Sinn ergeben. Wenn man wie Ago die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit als die Fähigkeit definiert, Völkerrechtshandlungen vorzunehmen, dann liegt schon in der Verletzung der Völkerrechtsnorm die relevante Rechtshandlung. Das rechtserhebliche Verhalten ist die Verletzung der Völkerrechtsnorm. Die Frage der völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit ist aber auch für den verletzten Privaten bedeutsam. Wenn man hier mit Epping die Handlungsfähigkeit in der Fähigkeit erblickt, ein Recht in einem völkerrechtlichen Verfahren geltend zu machen942, müßte dies auch für den Wiedergutmachungsanspruch aus der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit gelten943. Das heißt, ohne die Möglichkeit auf der Völkerrechtsebene die Verantwortlichkeit einzufordern, dürfte dem privaten Verletzten kein Wiedergutmachungsanspruch gegen den Verletzer zustehen. Bei der Diskussion der Völkerrechtssubjektivität, sozusagen auf der Primärrechtsebene, wurde diese Ansicht bereits abgelehnt.944 Für die Sekundärrechtsebene, also den Wiedergutmachungsanspruch als Folge einer Völkerrechtsverletzung, kann nichts anderes gelten. Auch hier sind völkerrechtliche Rechtsinhaberschaft und verfahrensmäßige Durchsetzung voneinander zu trennen und ein solches Verfahren keine Voraussetzung für einen Wiedergutmachungsanspruch. Falls man der hier abgelehnten Ansicht aber doch folgte, dürfte sich die Frage eines völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruchs seitens des Privaten gar nicht mehr stellen, denn er hätte schon auf der Primärebene gar kein völkerrechtliches Recht inne, das verletzt worden sein könnte. Und auf seiten des Verletzer gäbe es keine völkerrechtliche Pflicht, gegen die er verstoßen könnte. e) Deliktsfähigkeit als eigenständiges Erfordernis? Neben der Handlungsfähigkeit taucht auch noch der Begriff der Deliktsfähigkeit gesondert in der Diskussion um die völkerrechtliche Verantwortlichkeit auf. Dabei ist aber nicht klar, ob die Deliktsfähigkeit ein eigenständiges Erfordernis darstellt oder, ob sie sich nicht vielmehr einfach aus der Völkerrechtssubjektivität und der Handlungsfähigkeit ergibt.945 Was den Staat be942

Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 96 f., Rz. 5. So zum Beispiel Schweisfurth, Völkerrecht, S. 226, Rz. 3, 4. 944 s. o. B.II.5. 945 Kunig, Das völkerrechtliche Delikt, Jura 1986, 344, 347 scheint die Deliktsfähigkeit immer dann anzunehmen, wenn die Handlungsfähigkeit des Subjektes gegeben ist; v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 130 f. hält ein Auseinanderfallen von Handlungs- und Deliktsfähigkeit theoretisch für möglich, sieht aber keine praktischen Anwendungsfälle; siehe auch Schröder, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 586, Rz. 10. 943

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

trifft, macht aber ein gesondertes Erfordernis keinen Sinn, da jeder handlungsfähige Staat auch deliktsfähig ist.946 Bei Individuen ist das jedenfalls nach nationalem Deliktsrecht häufig anders. Hier lassen sich Normen finden, die, insbesondere zum Schutz von Minderjährigen, diesen keine oder nur beschränkte Deliktsfähigkeit zusprechen. So ist zum Beispiel nach dem deutschen BGB ein Minderjähriger unter sieben Jahren völlig deliktsunfähig (§ 828 I BGB) und zwischen sieben und achtzehn Jahren, abhängig von der Einsichtsfähigkeit, eingeschränkt deliktsfähig (§ 828 III BGB). Im Falle einer Anwendung der Grundsätze der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit auf das Individuum müssen natürlich die gerechtfertigten rechtspolitischen Erwägungen des Minderjährigenschutzes ebenfalls berücksichtigt werden. Im Völkerstrafrecht wird dies zum Beispiel beim ICC durch den Ausschluß seiner Gerichtsbarkeit für Personen unter 18 Jahren gewährleistet.947 Aber auch dies stellt eine Ausnahme dar und trägt keine grundsätzliche Ablehnung der Verantwortlichkeit von privaten Individuen. Für private juristische Personen spielen Überlegungen des Minderjährigenschutzes sowieso keine Rolle. Enthalten also die Begriffe der Handlungs- und Deliktsfähigkeit nichts, das eine Ablehnung der grundsätzlichen völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Privaten rechtfertigen könnte, bleibt das entscheidende Kriterium für die Haftung also die unmittelbare Bindung an völkerrechtliche Pflichten. So wird ja auch von denjenigen, die die Handlungs- und Deliktsfähigkeit diskutieren, immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Völkerrechtssubjektivität als Grundlage der Verantwortlichkeit hingewiesen.948 f) Die Diskussion über allgemeine Wiedergutmachungsansprüche Privater gegen den Staat Jetzt wird aber mitunter in der Literatur auch die Anwendung des allgemeinen Verantwortlichkeitsgrundsatzes, also außerhalb der schon bekannten vertraglichen Wiedergutmachungsregelungen949, zwischen einem Staat und einem privaten Individuum auch im Falle der Verletzung von Menschenrechten abgelehnt.950 Das ist zwar nicht die Konstellation, die hier unter946

Darauf hat schon Ago in seinem dirtten Bericht über die Staatenverantwortlichkeit für die ILC hingewiesen, YBILC 1971 II/1, S. 224; Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 625 f., Rz. 29. 947 Art. 26 ICC-Statut. 948 Kunig, Das völkerrechtliche Delikt, Jura 1986, 344, 346 f.; v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 95, 129–131. 949 s. o. C.II.1. 950 Seegers, Wiedergutmachung, S. 197 ff. in bezug auf eine Geltung der Verantwortlichkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz; Tomuschat, Reparation for Victims of

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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sucht wird. Wenn man aber schon einen allgemeinen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch eines Privaten gegen einen Staat ablehnt, könnte man geneigt sein, erst recht einen solchen zwischen Privaten zu verneinen. Als eine Begründung für die Ablehnung eines allgemeinen Wiedergutmachungsanspruchs eines Privaten gegen den Staat wird vorgebracht, daß sich der völkerrechtliche Verantwortlichkeitsgrundsatz zwischen den Staaten als Teil einer Rechtsordnung zwischen Gleichen herausgebildet hat und auf das Unterordnungsverhältnis des Privaten zum Staat nicht ohne weiteres übertragbar ist. Individuelle Wiedergutmachungsansprüche für Menschenrechtsverletzungen würden außerdem stärker in die Souveränität der Staaten eingreifen als die subjektiven Menschenrechte an sich.951 Ein anderes Argument ist eher rechtspolitischer Natur und verweist auf die Folgen individueller Entschädigungsansprüche im Falle massenweiser Menschenrechtsverletzungen insbesondere nach Überwindung von Diktaturen und im Falle von kriegerischen Auseinandersetzungen. Nach den Regeln der Staatenverantwortlichkeit müssen Schäden, die durch das völkerrechtswidrige Verhalten entstanden sind in voller Höhe ausgeglichen werden.952 Bei massenhafter Verletzung der Menschenrechte könnte ein Staat schnell wirtschaftlich überfordert sein, wenn alle verletzten Individuen Wiedergutmachungsansprüche in voller Höhe geltend machen würden. Häufig würde die Bevölkerung wieder darunter leiden, denn in der Regel muß der Staat die Mittel zur Befriedigung der Ansprüche bei seinen Bürgern durch Steuern eintreiben.953 Entsprechend wird darauf hingewiesen, daß nach politischen Systemwechseln und am Ende von Kriegen pauschale Entschädigungsregelungen getroffen werden, die weit hinter dem vollen Wert der erlittenen Beeinträchtigungen zurückbleiben. Deshalb soll sich kein gewohnheitsrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch von Individuen gegen Staaten entwickelt haben.954 Und dies soll dann offenbar im Sinne einer generellen Regel auch für nur vereinzelte Menschenrechtsverletzungen gelten.955 Diese Argumente, ihre Stichhaltigkeit einmal unterstellt, tragen aber keine Ablehnung der Verantwortlichkeit zwischen Privaten. Das Verhältnis Grave Human Rights Violations, 10 Tul. J. Int’l & Comp. L. 157, 183 (2002) in bezug auf eine gewohnheitsrechtliche Geltung der Verantwortlichkeit. 951 Seegers, Wiedergutmachung, S. 198 f. 952 Art. 31 I ILC-Artikel. 953 Tomuschat, Individual Reparation Claims, S. 19; vgl. auch Tomuschat, Reparation for Victims of Grave Human Rights Violations, 10 Tul. J. Int’l & Comp. L. 157, 180 (2002). 954 Tomuschat, Reparation for Victims of Grave Human Rights Violations, 10 Tul. J. Int’l & Comp. L. 157, 180 (2002); Tomuschat, Individual Reparation Claims, S. 25. 955 Tomuschat, Individual Reparation Claims, S. 18.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

zwischen Privaten ist rechtlich gerade eines unter Gleichen. Hier gibt es kein Subordinationsverhältnis. Das gilt auch zwischen einer privaten juristischen Person und einem Individuum, mag die juristische Person auch noch so groß und im tatsächlichen Sinne mächtig sein. Wenn man also die Ratio der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zwischen Staaten darin sieht, daß Rechtsverletzungen zwischen gleichen Rechtsgenossen ausgeglichen werden müssen956, so ist diese Überlegung erst recht auf das Verhältnis zwischen privaten Akteuren anwendbar. Auch das Argument der Überforderung der Leistungsfähigkeit eines Staates bei massenweiser Verletzung der Menschenrechte ist so nicht auf das Verhältnis zwischen Privaten übertragbar. Einmal dürften die Fälle, in denen ein einzelnes privates Unternehmen dermaßen massenweise Menschenrechte verletzt, so daß ein Staat an seiner Stelle wirtschaftlich in die Knie gezwungen werden würde, eng begrenzt sein. Meistens wird es sich um eine überschaubare Anzahl von Opfern handeln. Zum anderen ist der Bestand eines privaten Unternehmens auch nicht so schützenswert wie der eines Staates. Abgesehen davon ist die Ablehnung eines Wiedergutmachungsanspruchs zwischen Staat und Privatem keineswegs einhellig. In der Literatur sind einige Stimmen zu finden, die eine Anwendung des allgemeinen Verantwortlichkeitsgrundsatzes auf dieses Verhältnis befürworten, mit der Folge individueller Ansprüche gegen den Staat.957 Diese Stimmen können sich immerhin auch auf die Rechtsprechung des Inter-Amerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte berufen, der festgestellt hat, daß die Verpflichtung zur Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen aus Art. 63 I AMRK nur die schon gewohnheitsrechtlich existierende völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Staaten vertraglich festschreibt.958 Zusätzlich hat auch die UN-Generalversammlung nach längeren Vorarbeiten959 Ende 2005 mit einer Resolution Grundsätze für die Behandlung von Opfern schwerer Menschenrechtsverletzungen aufgestellt, wonach diese gegen den verletzenden Staat einen Anspruch auf angemessene, effektive und unverzügliche Entschädi956

Seegers, Wiedergutmachung, S. 198. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 872; Kamminga, Legal consequences of an internationally wrongful act of a state against an individual, S. 74; Schwarze, Rechtsschutz Privater bei völkerrechtswidrigem Handeln fremder Staaten, AVR 24 (1986), 408, 415; Traßl, Die Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen im Völkerrecht, S. 57 f., 104 f. 958 Aloeboetoe et al. v. Suriname, Judgement (Reparations and Costs), 10.9. 1993, Series C No. 15, Ziff. 43; siehe auch Godínez-Cruz v. Honduras, Judgement (Reparations and Costs), 21.7.1989, Series C No. 8, Ziff. 23 und Velásquez Rodríguez v. Honduras, Judgement (Reparations and Costs), 21.7.1989, Series C No. 7, Rz. 25. 959 Siehe dazu Fischer-Lescano, Subjektivierung völkerrechtlicher Sekundärregeln, AVR 45 (2007), 299, 334 Fn. 133. 957

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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gung haben.960 In der Präambel dieser Grundsätze wird auch darauf hingewiesen, daß damit keine neuen, sondern nur schon existierende völkerrechtliche Verpflichtungen wiedergegeben werden.961 Abschließend kann man sagen, daß eine Ablehnung außervertraglicher Wiedergutmachungsansprüche des Privaten gegen den Staat, so zweifelhaft sie auch sein mag, eine Ablehnung von Ansprüchen zwischen Privaten nicht zu rechtfertigen vermag. g) Art. 75 ICC-Statut Eine interessante Entwicklung für einen Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten hat sich durch das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes ergeben. In Art. 75 wird dem Gerichtshof aufgegeben Grundsätze für die Wiedergutmachung der Opfer aufzustellen. Auf deren Grundlage kann das Gericht in einem Strafprozeß den konkreten Umfang der zu leistenden Wiedergutmachung bestimmen. Dabei kann die Wiedergutmachungsanordnung direkt gegen den Verurteilten erlassen werden (Art. 75 II 1). Die andere Möglichkeit besteht in der Leistung der Wiedergutmachung aus dem gemäß Art. 79 ICC-Statut eingerichteten Treuhandfond (Art. 75 II 2). Diese Bestimmung ist Teil eines Bündels von Regelungen, das die Stellung der Opfer in den Verfahren vor dem ICC im Gegensatz zum ICTY und ICTR verbessert.962 Die Eröffnung von Wiedergutmachungsmöglichkeiten im ICC-Statut war in den Vertragsverhandlungen unter anderem deshalb umstritten, weil in einigen nationalen Rechtsordnungen ein solches Adhäsionsverfahren963 unbekannt ist und auch eine Überfrachtung der Prozesse befürchtet wurde. Aber schließlich überwog doch die Überlegung, daß eine Wiedergutmachung bei den Opfern zum Rechtsfrieden beitragen kann.964 Art. 75 ist so formuliert, daß die Opfer keinen unbedingten Anspruch auf Wiedergutmachung haben, denn das Gericht kann eine solche Anordnung 960

Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law, UN Doc. A/Res/60/147, 21.3.2006, Annex, VII. Victim’s right to remedies – 11 (b). 961 Abs. 7 der Präambel; Fischer-Lescano, Subjektivierung völkerrechtlicher Sekundärregeln, AVR 45 (2007), 299, 335. 962 Jorda/de Hemptinne, in: Cassese/Gaeta/Jones, ICC Commentary, Bd. II, S. 1388. 963 Im deutschen Strafprozeßrecht ist ein solches Verfahren in den §§ 403–406c StPO geregelt. 964 Muttukumaru, in: Lee, ICC – Making of the Rome Statute, S. 263 f.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

treffen. Aber da das Gericht Grundsätze dafür aufstellen muß, wird es nicht willkürlich eine Wiedergutmachung versagen können, so daß die Opfer zumindest, um hier einen Begriff aus dem deutschen Verwaltungsrecht zu verwenden, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung haben dürften. Aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung ergibt sich nicht, ob mit der Wiedergutmachungsregelung schon bestehendes Völkerrecht kodifiziert werden sollte oder eine ganz neue Regelung getroffen wurde. Wenn aber das Gericht eine solche Anordnung trifft, dann ergibt sich jedenfalls aus der Anordnung selber ein völkerrechtlicher Anspruch auf die Wiedergutmachung für das bedachte Opfer. Da durch den ICC aufgrund seiner Straftatbestände965 auch Privatpersonen verurteilt werden können, wäre das im Falle einer Anordnung direkt gegen den Verurteilten ein völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten.966 Art. 75 ICC-Statut ist allerdings nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig. Er gilt nur bei Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Aber er rückt die Verantwortlichkeit zwischen Privaten bei der Verwirklichung des Völkerstrafrechts i. e. S. in eine völkerrechtliche Perspektive. Zumindest kann man seit dem In-Kraft-Treten des ICC-Statuts sagen, daß Wiedergutmachungsansprüche zwischen Privaten dem Völkerrecht nicht mehr unbekannt sind. Diese Entwicklung läßt sich auch für eine leichtere Bejahung eines außervertraglichen Wiedergutmachungsanspruchs zwischen Privaten nutzen. h) Völkerrecht ausschließlich als öffentliches Recht? Man könnte gegen einen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten einwenden, daß das Völkerrecht als öffentliches Recht solche Konstellationen gar nicht erfassen könne, da auf einer Seite der Rechtsbeziehung immer ein Hoheitsträger (ein Staat oder zumindest eine Internationale Regierungsorganisation) stehen müsse. So wird das Völkerrecht mitunter auch als internationales öffentliches Recht bezeichnet. Die gebräuchlichen englischen und französischen Bezeichnungen, public international law und droit international public, enthalten sowieso den Bezug zum Öffentlichen. Eine Definition spricht vom Völkerrecht als der „Gesamtheit der Rechtsnormen, die die grenzüberschreitenden öffentlich-rechtlichen Interaktionen von Völkerrechtssubjekten regeln“.967 Noch konkreter wird im Völkerrechtslehrbuch von Hobe formuliert: im Völkerrecht gehe es um die Rechtsbeziehungen zwischen Hoheitsträgern untereinander und 965 966 967

s. o. B.V.2.d)ii). Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905, 914. Vitzthum, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 16, Rz. 23.

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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zwischen Hoheitsträgern und Privaten, „nicht aber um die Regelung des Verhältnisses von Privaten zueinander“.968 Sind Rechtsbeziehungen zwischen Privaten dem Völkerrecht also wesensfremd, mit der Folge, daß es gar keine völkerrechtliche Verantwortlichkeit zwischen Privaten geben kann? Schon der eben besprochene Art. 75 ICC-Statut spricht eine andere Sprache. Wie bereits ausgeführt, entsteht jedenfalls mit einer Wiedergutmachungsanordnung direkt gegen einen privaten Verurteilten ein unmittelbarer völkerrechtlicher Anspruch des privaten Opfers gegen den Täter. Hier entsteht kein Rechtsverhältnis zwischen dem Opfer und einem Staat, sondern eine unmittelbare völkerrechtliche Rechtsbeziehung zwischen privatem Täter und privatem Opfer. Dies ist aber nicht das einzige Beispiel im Völkerrecht. Das schon erwähnte Internationale Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden969 beinhaltet einen völkerrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Schiffseigentümer. Im Falle der Schädigung eines privaten Akteurs durch ein Schiff eines privaten Eigentümers führt dies zu einer völkerrechtlichen Rechtsbeziehung zwischen Privaten. Das beste Beispiel dürfte aber das sogenannte UN-Kaufrecht sein. Die United Nations Convention for the International Sale of Goods970 (CISG) hat den Zweck, das Recht des grenzüberschreitenden Warenverkehrs zu vereinheitlichen. Das völkerrechtliche Abkommen regelt den Abschluß von Kaufverträgen durch Parteien aus verschiedenen Vertragsstaaten und die sich aus den Kaufverträgen ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten von Käufer und Verkäufer.971 Das CISG enthält demnach materielle kaufvertragliche Normen. In seinem Anwendungsbereich müssen die Bestimmungen des CISG auf Kaufverträge angewendet werden und nicht die durch das jeweilige Kollisionsrecht bestimmten Normen eines nationalen Kaufvertragsrechts.972 Die Normen des CISG regeln also unmittelbar ein Rechtsverhältnis zwischen Privaten. Nun wird dieses sogenannte Einheitsprivatrecht, für das es noch weitere Beispiele gibt973, als Rechtsquelle mitunter dem nationalen Recht zugeordnet. Es soll sich dabei lediglich um inhaltlich abge968

Hobe, Völkerrecht, S. 1. s. o. B.III.4.a)aa) und Fn. 89. 970 Vom 11.4.1980, BGBl. 1989 II, 588. 971 Art. 1 u. 4 CISG. 972 Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, S. 8, Rz. 8; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, S. 14 f., Rz. 65 f., 23, Rz. 99. 973 So etwa das Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS) vom 15.4.1994, BGBl. 1994 II, 1730. Das TRIPS enthält zum Beispiel Regelungen zum Urheberrecht, zu Marken und Patenten, also Bestimmungen die unmittelbar die Rechtsverhältnisse von Privaten betreffen. Siehe dazu Schwartmann, Private im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 302. 969

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

stimmte Rechtssetzung mehrerer Staaten handeln.974 Dem ist zuzugestehen, daß zum Beispiel in Deutschland das CISG durch das Zustimmungsgesetz zu diesem Vertrag gemäß Art. 59 II 1 GG im Rang eines Bundesgesetzes zu betrachten ist.975 Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die materiellen Bestimmungen des CISG in einem völkerrechtlichen Vertrag enthalten sind. Wenn ein staatliches Gericht einen Rechtsstreit aus einem Kaufvertrag anhand des CISG beurteilen muß, so wendet es unmittelbar Normen an, die einem völkerrechtlichen Vertrag entstammen. Daß die Bestimmungen auch als innerstaatliche gesetzliche Normen angewendet werden, kann daran nichts ändern. Ganz abgesehen davon, daß nach der deutschen Verfassungsdogmatik nur im Falle der Anwendung der Transformationstheorie es zu einer Doppelung des Vertragsinhaltes als deutsches Gesetz kommt. Nach der ebenfalls vertretenen Vollzugstheorie erteilt das Zustimmungsgesetz nur den Anwendungsbefehl, die Vertragsbestimmungen behalten dabei aber ihren Völkerrechtscharakter.976 Aber auf die Form der Einbeziehung von völkerrechtlichen Regeln in den innerstaatlichen Bereich kann es primär gar nicht ankommen. Die Frage muß erst einmal aus dem Völkerrecht selbst heraus beantwortet werden. Der völkerrechtliche Charakter des CISG wird auch dadurch unterstrichen, daß seine Normen gemäß den völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen, wie sie in Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention niedergelegt sind, interpretiert werden sollen.977 Diese Beispiele sollen genügen, um zu zeigen, daß Völkerrecht durchaus unmittelbar Rechtsbeziehungen zwischen privaten Akteuren regeln kann. Bei den genannten Beispielen kann man durchaus von einem völkerrechtlichen Zivilrecht sprechen, weil Bereiche geregelt werden, die sonst im nationalen Zivilrecht enthalten sind. Durch die Charakterisierung des Völkerrechts als öffentliches Recht sollte man sich keine zu engen dogmatischen Scheuklappen anlegen lassen. Solche Charakterisierungen haben durchaus ihre Berechtigung. Sie sollten allerdings nicht dazu führen, tatsächliche Erscheinungen – wie hier die unmittelbare völkerrechtliche Regelung privatrechtlicher Beziehungen – zu leugnen, nur weil sie nicht ins dogmatische „Bild“ passen. Völkerrechtliche Wiedergutmachungsansprüche zwischen Privaten sollten also nicht daran scheitern, daß man Rechtsbeziehungen zwischen Privaten als dem Völkerrecht wesensfremd einstuft. 974

So von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I, S. 51, Rz. 35. Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 161. 976 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, S. 156 f. 977 Happ, Anwendbarkeit völkerrechtlicher Auslegungsmethoden auf das UNKaufrecht, RIW 1997, 376, 379; Mann, Einheitsrecht und internationals Privatrecht, S. 208. 975

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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4. Mögliche Völkerrechtsquelle der Verantwortlichkeit zwischen Privaten Die Verantwortlichkeit zwischen Privaten muß sich auf eine außervertragliche Völkerrechtsquelle stützen lassen. Gemäß der Auflistung der Völkerrechtsquellen in Art. 38 I IGH-Statut werden das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze als mögliche Quellen diskutiert. a) Völkergewohnheitsrecht Auf den ersten Blick ist eine gewohnheitsrechtliche Geltung schwer zu begründen. Eine Praxis, die Wiedergutmachungsansprüche zwischen Privaten auf Völkerrecht stützt, existiert nicht. Wie gezeigt, stützt sich die USRechtsprechung auf nationale Normen, seien es US-amerikanische oder die anderer nationaler Rechtsordnungen.978 Auch eine spezifische Rechtsüberzeugung ist nicht feststellbar. Die Frage ist aber, ob man eine solche spezifische Praxis und Rechtsüberzeugung in diesem Falle braucht. Könnte man nicht die gewohnheitsrechtliche Geltung so begründen, daß man die Praxis und Rechtsüberzeugung, die sich im Rahmen der Staatenverantwortlichkeit herausgebildet hat, auch als einen Beleg heranzieht für die Geltung eines allgemeinen Verantwortlichkeitsgrundsatzes, der über die Staatenverantwortlichkeit hinaus Bedeutung hat und deshalb auch andere Völkerrechtssubjekte berechtigt und verpflichtet? Oder anders gefragt: wie abstrahierungsfähig ist die Praxis und Rechtsüberzeugung, die sich zur Staatenverantwortlichkeit entwickelt hat? Der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat in den eben979 schon zitierten Entscheidungen offensichtlich die gewohnheitsrechtliche Verantwortlichkeit als so generalisierungsfähig angesehen, daß sie zumindest auch zwischen Staaten und Privaten gilt. Hier sei auch nochmals auf die zahlreichen Formulierungen der Verantwortlichkeit in der Literatur hingewiesen, die von einer Verpflichtung zur Wiedergutmachung zwischen Völkerrechtssubjekten und nicht nur zwischen Staaten sprechen, auch wenn manche dann beim Privaten oder beim Individuum wieder einen Rückzieher machen. Die Frage ist hier also, ob die bisherige Praxis und Rechtsüberzeugung diese abstrakte Formulierung der Verantwortlichkeit trägt, mit der Folge, daß der Nachweis von Praxis und Rechtsüberzeugung für eine ganz bestimmte Art von Völkerrechtssubjekt entbehrlich ist. Einen ähnlichen Weg geht Traßl bei der Begründung der gewohnheitsrechtlichen Verantwortlichkeit des Staates dem Privaten gegenüber. Er scheint von einer Gel978 979

s. o. C.I. C.II.3.f).

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

tung des Verantwortlichkeitsgrundsatzes auch für dieses Verhältnis auszugehen. Anschließend fragt er, ob sich eine gewohnheitsrechtliche Norm gebildet hat, die die Verantwortlichkeit des Staates gegenüber dem Privaten ausschließt, was er aber verneint.980 Auch Gewohnheitsrechtssätze sind als Normen notwendigerweise abstrakt-generell. Dabei werden sie aber aus einer ganz konkreten Übung gewonnen. Durch die abstrakte Formulierung erfahren sie aber dann automatisch eine Erweiterung. Ein gutes Beispiel aus der Staatenverantwortlichkeit führt Bleckmann an: die Praxis betraf immer nur die Haftung für die Handlungen einzelner Staatsorgane; nach dem Gewohnheitsrechtssatz ist der Staat aber für die Handlungen aller seiner Organe verantwortlich.981 Hier hat sich also aus logischen Erwägungen heraus der Gewohnheitsrechtssatz so erweitert, daß alle Staatsorgane erfaßt sind. Das Gewohnheitsrecht ist also über die ganz konkrete Praxis hinaus durchaus in gewissem Umfang generalisierbar.982 Der entscheidende Punkt dürfte sein, wie vergleichbar der „neue“ Sachverhalt mit den bisher erfaßten ist. Wie groß ist also der Sprung von der Staatenverantwortlichkeit zu einer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zwischen Privaten? Das hängt stark von der Auffassung ab, die man vom Völkerrecht hat. Wenn man immer noch von der klassischen Völkerrechtsperiode beherrscht ist, mit dem Staat als fast alleinigem Subjekt, dann ist die Anerkennung einer völkerrechtlichen Haftung zwischen Privaten sicherlich ein sehr großer Schritt. Folglich wird man hier eine spezifische Praxis und Rechtsüberzeugung für die Annahme eines entsprechenden Gewohnheitsrechtssatzes fordern. Je mehr man aber die Einbeziehung von Privaten in die Völkerrechtsordnung als berechtigte und verpflichtete Subjekte akzeptiert, umso selbstverständlicher muß auch deren völkerrechtliche Haftung erscheinen, so daß man eher geneigt sein wird, die schon vorhandene Praxis und Rechtsüberzeugung weit zu interpretieren. b) Allgemeine Rechtsgrundsätze In der Literatur wird der wesentliche Inhalt der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit immer wieder als ein Beispiel für einen allgemeinen Rechtsgrundsatz genannt.983 Dabei wird durchweg auf den oben schon zitierten 980 Traßl, Die Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen im Völkerrecht, S. 57 f. 981 Bleckmann, Zur Feststellung und Auslegung von Völkergewohnheitsrecht, ZaöRV 37 (1977), 504, 509. 982 Bleckmann, Zur Feststellung und Auslegung von Völkergewohnheitsrecht, ZaöRV 37 (1977), 504, 515 f. 983 Cheng, General Principles, S. 169 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/ 1, S. 64; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 232, Rz. 4 sieht zumin-

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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Ausspruch des StIGH in Chorzów Factory verwiesen, wonach das Gebot der Wiedergutmachung bei der Verletzung von Verpflichtungen einer „general conception of law“ entspricht. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze sind neben dem Vertrags- und Gewohnheitsrecht als dritte Völkerrechtsquelle in Art. 38 I, lit. c IGH-Statut anerkannt. Es ist nicht ganz unumstritten, woraus die allgemeinen Rechtsgrundsätze gewonnen werden können.984 Einigkeit scheint mittlerweile aber darüber zu bestehen, daß es sich dabei jedenfalls um solche Grundsätze handelt, die übereinstimmend in den nationalen Rechtsordnungen zu finden sind und die dann auf die völkerrechtliche Ebene übertragen werden.985 Praktischerweise kann man dabei nicht verlangen, daß solche Rechtsgrundsätze in allen knapp 200 staatlichen Rechtsordnungen vorkommen, sondern man beschränkt sich auf die wichtigsten Rechtskreise.986 Dabei werden nicht die innerstaatlichen Normen einfach eins zu eins und detailliert auf das Völkerrecht übertragen, sondern man filtert die übereinstimmenden grundlegenden Aussagen des nationalen Rechts heraus, um sie dann auf der völkerrechtlichen Ebene entsprechend anzuwenden.987 Es bedarf keiner ausführlichen Begründung, daß es wohl in jeder staatlichen Rechtsordnung, zumindest in den großen Rechtskreisen, zivilrechtliche Normen gibt, die bei deliktischem Verhalten eine irgendwie geartete Wiedergutmachung vorschreiben. Es ist also durchaus naheliegend, daß die Herausbildung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit durch das nationale Deliktsrecht beeinflußt wurde. Die Übertragung dieses Grundsatzes auf die völkerrechtliche Ebene wird, was die Staatenverantwortlichkeit betrifft, auch dadurch erleichtert, daß die Staaten untereinander, ebenso wie die Privaten im innerstaatlichen Recht, als Gleiche auftreten. Die Staatenverantwortlichkeit als eine Ausformung dieses Grundsatzes läßt sich, jedenfalls in ihren Kernaussagen, also auch mit der Völkerrechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze begründen, wie das schon in Chorzów Factory anklang.988 Wenn dest einige Prinzipien der deliktischen Haftung als allgemeine Rechtsgrundsätze an; Hobe, Völkerrecht, S. 197; Schachter, International Law, S. 51; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 77 f., Rz. 107; Shaw, International Law, S. 95. 984 Lammers, General Principles, S. 53 ff.; van Hoof, Rethinking the Sources of International Law, S. 131 f. 985 Brownlie, International Law, S. 16; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 231, Rz. 3; Hobe, Völkerrecht, S. 197; Mosler, General Principles of Law, EPIL II, S. 517; Vitzthum, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 72, Rz. 143. 986 Doehring, Völkerrecht, S. 182, Rz. 413; Hailbronner, Rechtsvergleichung, ZaöRV 36 (1976), 190, 207 f.; Lammers, General Principles, S. 62 f. 987 Lammers, General Principles, S. 61 f.; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 78, Rz. 109; Weiß, Allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts, AVR 39 (2001), 394, 407. 988 Vgl. v. Münch, Das völkerrechtliche Delikt, S. 32 f.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

diese Verantwortlichkeit aber schon für Staaten im Völkerrecht anwendbar ist, dann doch erst recht auch für Private, also für diejenigen Subjekte, für die im innerstaatlichen Bereich dieser Rechtsgrundsatz primär geschaffen wurde. Wenn die Rechtsgleichheit der Subjekte der entscheidende Punkt ist, dann gilt dies ebenso für die Privatrechtssubjekte. Die Verbindung die die Privaten dabei zur Völkerrechtsebene haben, liegt in ihrer unmittelbaren völkerrechtlichen Verpflichtung und Berechtigung auf der Primärebene. Wenn das Völkerrecht einen Privaten schon unmittelbar verpflichtet, dann ist auch der Haftungsgedanke auf die völkerrechtliche Ebene übertragbar. Das Erfordernis der Übertragung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auf die völkerrechtliche Ebene wird auch manchmal so umschrieben, daß der innerstaatliche Grundsatz auf zwischenstaatliche Beziehungen989 oder einen zwischenstaatlichen Sachverhalt990 übertragbar sein muß. Das ist insoweit mißverständlich formuliert, weil man daraus schließen könnte, ein allgemeiner Rechtsgrundsatz könne im Völkerrecht nur dann existieren, wenn er einen staatliche Grenzen überschreitenden Sachverhalt regelt. Im Falle der Verantwortlichkeit hieße das, daß sie nur eingreifen würde, wenn eine grenzüberschreitende Verletzung der völkerrechtlichen Primärnorm vorläge. Aber das Völkerrecht regelt nicht nur grenzüberschreitende Sachverhalte. Der völkerrechtliche Menschenrechtsschutz ist ein gutes Beispiel für die Erfassung rein innerstaatlicher Sachverhalte. Die Menschenrechte, ob durch Vertrag vereinbart oder gewohnheitsrechtlich geltend, erfassen ja gerade auch das Verhältnis des Staates seinen eigenen Bürgern gegenüber, ohne daß dafür grenzüberschreitende Momente vorliegen müßten.991 Ob aus einem rein innerstaatlichen Sachverhalt heraus völkerrechtlich gehaftet wird, muß man also von den Tatbestandsvoraussetzungen der verletzten Völkerrechtsnorm abhängig machen. Wenn diese Norm auch rein innerstaatliche Sachverhalte erfaßt, dann muß das auch für die aus der Verletzung folgende Verantwortlichkeit gelten. Die oben zitierten Formulierungen sind auch insoweit unglücklich, da man aus ihnen folgern könnte, allgemeine Rechtsgrundsätze müßten auf Rechtsbeziehungen zwischen Staaten begrenzt sein. Wenn das Völkerrecht auch andere Subjekte als die Staaten kennt, ist es auch möglich, daß allgemeine Rechtsgrundsätze die Rechtsbeziehungen zwischen diesen anderen Subjekten regeln. Dennoch muß man sich hier aber die Frage stellen, ob es akzeptabel ist, daß völkerrechtliche Beziehungen zwischen Privaten gerade durch die Völkerrechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze geregelt 989

van Hoof, Rethinking the Sources of International Law, S. 140; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 77, Rz. 107; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 51, Rz. 161. 990 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 385 § 604. 991 s. o. B.VII.

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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werden. Die unmittelbare völkerrechtliche Regelung privatrechtlicher Beziehungen greift stark in den Souveränitätsbereich der Staaten ein, denn sie sind nicht mehr frei, die Rechtsverhältnisse zwischen ihren Bürgern nach Belieben zu gestalten. Das heißt natürlich nicht, daß solche Beziehungen der Regelung durch das Völkerrecht entzogen sind, wie das oben [C.II.3.h)] mit Beispielen schon dargelegt wurde. Auch die menschenrechtlichen Schutzpflichten schränken schon die Freiheit der Staaten ein, privatrechtliche Beziehungen zu regeln, wenn auch indirekter als bei unmittelbar zwischen Privaten anwendbaren Völkerrechtsnormen. Aber diese Beispiele bestehen alle aus völkerrechtlichen Verträgen oder aus Völkergewohnheitsrecht. Mit einem Vertrag stimmen die Staaten ausdrücklich der Einschränkung ihrer Souveränität zu. Beim Völkergewohnheitsrecht besteht zumindest die Möglichkeit als persitent objector die Bindung an eine Norm zu verhindern.992 Die Annahme allgemeiner Rechtsgrundsätze hängt dagegen viel weniger vom Willen der Staaten ab.993 Denn bei der Prüfung, ob ein innerstaatlicher Rechtsgrundsatz auch auf die völkerrechtliche Ebene transportiert werden kann, kommt es primär auf seine Eignung dafür an. Wenn die Staaten einen allgemeinen Rechtsgrundsatz ausdrücklich auf völkerrechtlicher Ebene akzeptieren, dann erleichtert das natürlich die Annahme eines solchen Rechtssatzes. Aber unbedingt notwendig ist dies nicht.994 So könnte zum Beispiel ein internationales Gericht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz anwenden, ohne daß sich die Staaten dazu geäußert haben. Es liegt also nahe, bei der Annahme allgemeiner Rechtsgrundsätze auf der völkerrechtlichen Ebene eine gewisse Zurückhaltung walten zu lassen, insbesondere dann, wenn es einen Bereich betrifft, der traditionell sehr stark in den Souveränitätsbereich der Staaten fällt. Man könnte gegen einen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten als allgemeinen Rechtsgrundsatz auch einwenden, daß so die Gefahr bestünde, daß auch andere Bereiche des Zivilrechts einfach auf die völkerrechtliche Ebene übertragen werden könnten und dadurch der Gestaltungsspielraum der Staaten weiter eingeschränkt würde. Auf der anderen Seite besteht auch bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen insofern eine Verbindung zum Staatswillen, da der Rechtsgrundsatz im nationalen Recht vorhanden sein muß. Und die Staaten haben als Vertragsparteien des IGH-Statuts auch der Existenz der allgemeinen Rechtsgrundsätze als Völkerrechtsquelle zugestimmt. Der Wille der Staaten spielt bei einem völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch auch insofern eine 992 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 222, Rz. 26; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 43, Rz. 138. 993 Vgl. Weiß, Allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts, AVR 39 (2001), 394, 414. 994 Charney, Universal International Law, 87 Am. J. In’l L. 529, 536 (1993).

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

Rolle, da dieser von der Existenz der Primärnormen im Völkerrecht abhängt. Die private Akteure bindenden und berechtigenden Primärnormen wurden hier aber bereits aus dem Völkervertrags- und Gewohnheitsrecht heraus begründet. Der völkerrechtliche Wiedergutmachungsanspruch besteht nicht isoliert, sondern nur im Falle eines Verstoßes gegen eine bereits vorhandene Völkerrechtsnorm. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, daß weitere Bereiche der nationalen Zivilrechte einfach so auf das Völkerrecht übertragen werden können und dadurch zivilrechtliche Streitigkeiten völkerrechtlich zu lösen sind. Denn dazu fehlt der Anlaß, warum sie gerade auf der völkerrechtlichen Ebene gelten sollen. Wie bereits ausgeführt, ist der Wiedergutmachungsanspruch abhängig von der Existenz der völkerrechtlichen Primärnorm. Man kann sich auch die Frage stellen, ob nicht durch eine Einbeziehung nicht-staatlicher Akteure in das Völkerrecht die Bedeutung allgemeiner Rechtsgrundsätze zunehmen wird.995 Viele Rechtsfragen, die durch eine Bindung oder Berechtigung der Privaten durch das Völkerrecht entstehen, werden nicht durch vorhandenes Vertrags- oder Gewohnheitsrecht gelöst werden können. Will man diese Rechtsfragen aber auf der Völkerrechtsebene lösen, wofür vieles spricht, dann bleiben nur noch die allgemeinen Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle. Es sollte deshalb nichts Ungewöhnliches sein, wenn diese Rechtsgrundsätze auch zwischen Privaten angewendet werden. Die Bejahung eines Wiedergutmachungsanspruchs als allgemeinen Rechtsgrundsatz wird hier auch durch den gegenwärtigen Trend im Völkerrecht erleichtert, die Durchsetzung menschenrechtlicher Normen und die Rechtsstellung der Opfer zu verbessern. Dieser Prozeß wird von den Staaten mitgetragen, wie zum Beispiel die Errichtung der Straftribunale für Jugoslawien und Ruanda und vor allem auch des ICC zeigt. Gerade durch den Art. 75 ICC-Statut haben die Vertragsstaaten zu erkennen gegeben, daß die Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen auch zwischen Privaten aus völkerrechtlicher Perspektive zu betrachten ist. Die Zukunft wird zeigen, ob ein völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten als allgemeiner Rechtsgrundsatz akzeptiert wird. Begründbar ist ein Anspruch aus dieser Rechtsquelle. Im Vergleich zur Quelle des Völkergewohnheitsrechts erscheint hier ein allgemeiner Rechtsgrundsatz als die geeignetere Möglichkeit.

995

Hobe, Globalisierung, AVR 37 (1999), 253, 267 f.; Weiß, Allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts, AVR 39 (2001), 394, 416; vgl. dazu auch Friedmann, General Principles, 57 Am. J. Int’l L. 279, 280 (1963).

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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5. Verletztes Rechtssubjekt Nach dem allgemeinen Grundsatz besteht die völkerrechtliche Verantwortlichkeit dem verletzten Völkerrechtssubjekt gegenüber. Zwischen Verletzer und Verletztem entsteht das neue Rechtsverhältnis aufgrund dessen der Verletzte Ansprüche gegen den Verletzer hat.996 Durch den völkerrechtswidrigen Akt muß eine Verpflichtung, die einem anderen Subjekt gegenüber bestand, verletzt worden sein. Spiegelbildlich bedeutet dies, daß durch das völkerrechtswidrige Verhalten ein völkerrechtliches Recht des Betroffenen verletzt worden sein muß.997 Hier muß also erörtert werden, ob in den oben festgestellten Fällen einer unmittelbaren völkerrechtlichen Bindung auch Rechte der Opfer betroffen sind. a) Sklaverei und Zwangsarbeit Keiner großen Erörterung bedarf dabei das Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit. Die Verbote verleihen gleichzeitig dem Menschen das Recht, frei von diesen Praktiken zu sein. Das wird schon deutlich durch ihre Aufnahme in die Menschenrechtsverträge.998 Wenn Private gegen diese Verbote verstoßen, verletzen sie gleichzeitig die Rechte der privaten Opfer. b) Völkerstrafrecht Bezüglich der Verpflichtungen aus dem Völkerstrafrecht sind mehrere Möglichkeiten denkbar, aus denen sich individuelle Rechte der Verletzten ergeben. Einmal kann die jeweilige Strafnorm selbst schon ein korrespondierendes Recht auf der Seite des Opfers enthalten. Andererseits kann die Verwirklichung des Straftatbestandes oder der Verstoß des in ihr enthaltenen Verbotes Rechte des Betroffenen verletzen, die sich aus anderen Völkerrechtsnormen, insbesondere aus den menschenrechtlichen Gewährleistungen ergeben. Die Frage stellt sich gleichermaßen für das Völkerstrafrecht im engeren wie im weiteren Sinne. Die Tatbestände der Statuten der ad hoc-Tribunale und des ICC sprechen selbst nicht von Rechten der Opfer. Sie beschreiben lediglich das verbotene Verhalten. Gleiches gilt auch für die Tatbestände aus den Verträgen des Völkerstrafrechts im weiteren Sinne. Dennoch stellt sich die Frage, ob aus die996

s. o. C.II.3.a). Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 623, Rz. 17; Schröder, in: Vitzthum, Völkerrecht, S. 586, Rz. 11; Seegers, Wiedergutmachung, S. 22, 197 und Zemanek, Responsibility of States, EPIL IV, S. 225 in bezug auf die Staatenverantwortlichkeit. 998 Z. B. Art. 8 IPBPR. 997

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

sen völkerrechtlichen Verboten selbst nicht schon implizit auch ein Anspruch oder ein Recht folgt, frei von solchen Verhaltensweisen zu sein. Ein rechtliches Verbot muß natürlich nicht notwendigerweise mit einem korrespondierenden Recht einer anderen Person auf Einhaltung dieser Norm einhergehen. Das Verbot kann ja lediglich allgemeine Interessen der Öffentlichkeit schützen. Dies hängt von der Schutzrichtung oder, um in der deutschen Terminologie zu bleiben, von dem Schutzzweck des Verbots oder der Strafnorm ab. Wenn die Norm auch individuelle Interessen schützt, dann liegt es nicht fern, in der Verbotsnorm selbst auch gleichzeitig ein Recht des Opfers zu sehen. Dann sollte es auch nicht auf eine ausdrückliche Erwähnung der Rechte in der Verbotsnorm ankommen. Um allerdings festzustellen, daß individuelle Interessen durch die Norm geschützt werden sollen, wird man zwangsläufig auch auf Rechte aus anderen Normen zurückgreifen. Die Frage einer Rechtsverleihung durch die Verbotsnorm selbst muß hier aber nicht vertieft werden, denn als individuelle Rechte stehen die völkerrechtlichen Menschenrechte und die des humanitären Völkerrechts zur Verfügung. Es wurde oben schon pauschal darauf hingewiesen, daß das Völkerstrafrecht auch dem Schutz individueller Rechte, insbesondere der Menschenrechte dient. Dies wird im Folgenden für die einzelnen Tatbestände detailliert erörtert. aa) Völkermord Die Besonderheit des Völkermordes liegt darin, daß sich die einzelnen Begehungsformen gegen eine Gruppe von Menschen mit verbindenden Merkmalen (nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen) richten müssen.999 Die besondere Absicht des Täters muß sich auf die Zerstörung einer solchen Gruppe richten. So schützt der Völkermordtatbestand das Existenzrechts solcher Gruppen.1000 Es fragt sich aber, ob sich die Schutzrichtung des Tatbestandes darin erschöpft1001 und nicht daneben auch Individualrechtsgüter geschützt werden. Zumindest kann man sagen, daß durch die einzelnen Begehungsformen des Völkermordes immer auch individuelle Menschenrechte der Gruppenmitglieder betroffen sind.1002 Allen voran das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit.1003 Da es also Völker999

Art. II VölkerMordK, Art. 6 ICC-Statut. Lüders, Völkermord, S. 37 f. 1001 So z. B. LK-Jähnke, § 220a, Rz. 8 bezüglich des Völkermordtatbestandes im alten § 220a des deutschen StGB. 1002 Triffterer, Völkermord, S. 1433; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 665 der allerdings auf die Menschenwürde abstellt; ebenso Tomuschat, International Crimes, S. 329. 1003 Siehe dazu die Aufzählung bei Bassiouni, Human Rights, S. 1462. 1000

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mord ohne Verletzung dieser Individualrechte nicht geben kann, ist nicht einzusehen, warum das Völkermordverbot nicht auch diese schützen soll.1004 bb) Kriegsverbrechen Bei den Kriegsverbrechen stellt sich zunächst die Frage, ob sich schon aus dem humanitären Völkerrecht selbst individuelle Rechte ergeben. In einem zweiten Schritt ist zu überlegen, ob hier nicht auch, ebenso wie beim Verbot des Völkermordes, die Menschenrechte relevant sind. Im Genfer Recht halten die gleichlautenden Art. 7 GK I–III und Art. 8 GK IV fest, daß die geschützten Personen unter keinen Umständen auf die ihnen durch die Konventionen verliehenen Rechte verzichten können.1005 Die Konventionen sprechen also selber von Rechten, die den geschützten Personen durch die Verträge verliehen wurden. Nach dieser Formulierung sind jedenfalls die geschützten Personen Inhaber dieser Rechte. Diese Artikel enthalten allerdings keine Aufzählung von Konventionsnormen, die als individuelle oder subjektive Rechte zu verstehen sind. In der Literatur werden jetzt mitunter als Beispiele nur wenige Bestimmungen der Genfer Konventionen genannt, die Rechte beinhalten sollen.1006 Erstaunlich ist, daß dabei die zentralen Schutzvorschriften der Genfer Konventionen, wie zum Beispiel Art. 13 GK III und Art. 27 GK IV fehlen. Das mag daran liegen, daß etwa die Schutzvorschrift für Kriegsgefangene aus Art. 13 GK III als Verpflichtung der Vertragspartei und nicht als Recht des Kriegsgefangenen formuliert ist.1007 Art. 27 GK IV spricht hingegen von Ansprüchen der geschützten Personen.1008 Aber selbst ohne die Verwendung solcher Begriffe 1004 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 202, Rz. 130 spricht hier von der Verletzung individueller Rechtsgüter als „notwendiges Durchgangsstadium“ zum Angriff auf die Gruppe. 1005 Siehe auch Art. 6 GK I–III und 7 GK IV wonach Sondervereinbarungen zwischen den Konfliktparteien keine Rechte beeinträchtigen dürfen, die den geschützten Personen durch die Abkommen verliehen werden. 1006 Siehe z. B. Fleck, Zur Rolle des einzelnen im Völkerrecht, S. 77 (Art. 119 III GK III [sic!], gemeint ist wohl Art. 109 III); Randelzhofer, The Legal Position of the Individual under Present International Law, S. 239 (Art. 78 II GK III, Art. 30, 52, 101 GK IV). 1007 „Die Kriegsgefangenen müssen jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden. Jede rechtswidrige Handlung oder Unterlassung seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in seinen Händen befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist untersagt und gilt als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens. . . .“ 1008 Ein subjektives Recht aus Art. 27 GK IV nimmt immerhin Zegveld, Remedies for victims of violations of international humanitarian law, IRRC 85 (2003), 497, 503, Fn. 25 an.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

sind individuelle Rechte nicht ausgeschlossen. So sind auch in menschenrechtlichen Verträgen manche Gewährleistungen als Verpflichtungen oder als Verbote und nicht als Rechte formuliert.1009 Außerdem muß man berücksichtigen, daß das Genfer Recht vorrangig dem Schutz von Menschen vor Kriegsfolgen dient1010 und die vier Konventionen von 1949 und erst recht die beiden Zusatzprotokolle in einer Zeit geschaffen wurden, in denen der Menschenrechtsschutz schon eine besondere Rolle spielte1011. Auch aus der Entstehungsgeschichte der vier Genfer Konventionen ergibt sich, daß subjektive Rechte geschaffen werden sollten.1012 Es liegt also nahe, auch solchen Normen, die nicht ausdrücklich den Begriff Recht oder Anspruch verwenden, aber dem Schutz von Menschen dienen, subjektive Rechte zu entnehmen. Man kann die Frage der subjektiven Rechte auch aus ihrer Verpflichtungsseite betrachten. Jedenfalls dann, wenn schwere Verletzungen der Genfer Konventionen im Sinne ihrer Strafvorschriften1013 vorliegen, sind subjektive Rechte verletzt.1014 Denn die schweren Verletzungen müssen sich gegen geschützte Personen oder Güter richten. Bei den Kriegsführungsregeln aus dem Haager Recht, insbesondere der Haager Landkriegsordnung mag ursprünglich noch nicht an subjektive Rechte gedacht worden sein.1015 Aber man kann sich die Frage stellen, ob nicht unter der menschenrechtlichen Perspektive diese Regelungen heute im Hinblick auf die Erzeugung subjektiver Rechte anders zu beurteilen sind. Außerdem sind die wichtigsten Regeln des Haager Rechts mittlerweile auch im ZP I zu den Genfer Konventionen enthalten.1016 Es besteht deshalb also weniger Anlaß hier zwischen den beiden Regelungskreisen des humanitären Rechts zu unterscheiden. Die Verbote und Regeln des Kriegsführungsrechts haben auch den Zweck Menschen zu schützen.1017 Das wird schon aus der 1009 Siehe zum Beispiel Art. 7 IPBPR: „Niemand darf der Folter . . . unterworfen werden.“ Oder das schon bekannte [s. o. B.IV.1.e)cc)(4)(b)] Beispiel des Verbots der Sklaverei aus Art. 8 I IPBPR: „Sklaverei und Sklavenhandel in allen ihren Formen sind verboten.“ 1010 s. o. B.V.2.d)ff)(1) und Nachweise in Fn. 650. Das ergibt sich auch schon aus den Titeln von GK I, II u. IV: „. . . zur Verbesserung des Loses der Verwundeten . . .“ und „. . . zum Schutz von Zivilpersonen . . .“; siehe auch Abs. 4 der Präambel des ZP I. 1011 Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905, 908. 1012 Pictet, Commentary IV, Art. 8, S. 77 f. 1013 Art. 50 GK I, 51 GK II, 130 GK III, 147 GK IV, 85 ZP I. 1014 Pictet, Commentary I, Art. 7, S. 83 und Pictet, Commentary IV, Art. 8, S. 78; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 944; Zegveld, Remedies for victims of violations of international humanitarian law, IRRC 85 (2003), 497, 504. 1015 Vgl. Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905, 908. 1016 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 1202, Rz. 8. 1017 Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 944.

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Präambel des Haager Abkommens von 1907 deutlich, dem die Haager Landkriegsordnung als Anlage beigefügt ist. Danach soll die HLKO den Interessen der Menschlichkeit dienen und die Leiden des Krieges mildern.1018 Ein individuelles Recht sollte auch nicht daran scheitern, daß durch eine Vorschrift zum Beispiel die „Zivilbevölkerung“, wie in Art. 48 ZP I geschützt wird.1019 Denn ein im Sinne dieses Artikels unterschiedsloser Angriff trifft ja einzelne Personen, die Teil der Zivilbevölkerung sind. Das deutsche Bundesverfassungsgericht sieht in den Verboten des humanitären Völkerrechts gleichzeitig Ansprüche der betroffenen Personen auf Einhaltung dieser Normen und bezieht dies auch auf die HLKO.1020 Aber selbst wenn man in den kriegsrechtlichen Regeln selbst keine subjektiven Rechte entdecken sollte, bleibt noch zu erörtern, ob nicht auch hier die Menschenrechte als subjektive Auffangrechte dienen können. Zunächst einmal muß man dazu feststellen, daß die Menschenrechte grundsätzlich auch während bewaffneter Konflikte im Sinne der Genfer Konventionen anwendbar sind. In der klassischen Völkerrechtsperiode mag ein Kriegszustand zwischen zwei Staaten die Anwendung des Friedensrechts zwischen ihnen verhindert haben.1021 Aber für die Menschenrechte gilt das heute nicht mehr, ganz abgesehen von dem Umstand, daß heute Kriege nicht mehr erklärt werden und deshalb auch kein formeller Kriegszustand herrscht. Außerdem kann auch in einem nicht-internationalen Konflikt im Sinne der Art. 3 GK I–IV und des ZP II gar kein formeller Kriegszustand herrschen. Die grundsätzliche Geltung der Menschenrechte im bewaffneten Konflikt wurde schon an anderer Stelle ausführlich dargestellt1022 und die Einzelheiten müssen hier nicht nochmal erörtert werden. Nur so viel: nach Art. 4 IPBPR dürfen die Vertragsstaaten im Falle eines amtlich erklärten öffentlichen Notstandes Rechte aus dem Pakt außer Kraft setzen. Ausgenommen davon sind allerdings einige grundlegende Menschenrechte, wozu das Recht auf Leben und das Verbot der Folter und Sklaverei zählen. Von diesen Gewährleistungen darf auch im Falle eines Notstandes nicht abgewichen werden. Als vordringlichstes Beispiel für einen solchen Notstand gilt 1018

Abs. 2 u. 5 der Präambel des Abkommens, betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (s. o. Fn. 648). 1019 So aber Dörr, Anmerkung zu LG Bonn, Urteil v. 10.12.2003, Az. 1 O 361/ 02 – „Vavarin“, JZ 2004, 574, 575. 1020 BVerfG NJW 2004, 3257, 3258; BVerfG NVwZ 2005, 560, 564. Vgl. dazu Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905, 909 f. 1021 Siehe dazu die Ausführungen bei Oppenheim/Lauterpacht, International Law, Bd. II, S. 302. 1022 Fischer-Lescano, Subjektivierung völkerrechtlicher Sekundärregeln, AVR 45 (2007), 299, 311–316; siehe auch Hofmann, Violations of International Humanitarian Law, S. 345.

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aber gerade ein bewaffneter Konflikt.1023 Entsprechende Regelungen existieren auch in der EMRK und der AMRK.1024 Dort wird sogar der Krieg ausdrücklich als ein Beispiel für einen Notstand genannt. Deshalb gelten auch in einem bewaffneten Konflikt zumindest die grundlegenden menschenrechtlichen Gewährleistungen. Die internationalen Spruchkörper, inklusive des IGH haben die grundsätzliche Geltung der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten, neben der Geltung des humanitären Rechts bestätigt.1025 Wie genau dabei das Verhältnis von humanitärem Recht und Menschenrechten ausgestaltet ist, muß hier nicht näher erörtert werden. Jedenfalls wird man bei der Verletzung und Beeinträchtigung von Personen und ihres Eigentums unter Verstoß der humanitären Regeln auch eine Verletzung ihrer Menschenrechte annehmen können.1026 cc) Verbrechen gegen die Menschlichkeit Bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit existieren keine Verträge wie beim humanitären Völkerrecht, die gesonderte Rechte der Opfer enthalten könnten. Rechte der Opfer können sich nur aus der Strafnorm selbst ergeben – mit der schon bekannten Problematik1027 – oder wiederum aus den Menschenrechten. Die einzelnen Begehungsformen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit richten sich auch gegen individuelle Schutzgüter. Hier sind von solchen Taten wiederum die grundlegenden Menschenrechte betroffen, vor allem das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Verbot der Sklaverei und der Folter und die persönliche Freiheit.1028 dd) Aggression Ein zukünftiger Aggressionstatbestand ist schwieriger zu beurteilen. Selbstverständlich sind von einem Angriffskrieg immer auch völkerrechtliche Individualrechtsgüter betroffen. Fraglich ist jedoch, ob das sich aus 1023

Nowak, CCPR Commentary, Art. 4, Rz. 12. Art. 27 AMRK, Art. 15 EMRK. 1025 Fischer-Lescano, Subjektivierung völkerrechtlicher Sekundärregeln, AVR 45 (2007), 299, 311–315 m. w. N. 1026 Siehe dazu zur möglichen Bandbreite der betroffenen Menschenrechte Bassiouni, Human Rights, S. 1460 f. 1027 s. o. C.II.5.b). 1028 Gil Gil, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord, ZStW 112 (2000), 381, 382; Manske, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 180 f.; detaillierter Meseke, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, S. 126–128; Werle, Völkerstrafrecht, Rz. 754; vgl. auch Vest, Humanitätsverbrechen, ZStW 113 (2001), 457, 463 f. 1024

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einem Aggressionstatbestand ergebende Aggressionsverbot auch diese schützen will. Sicherlich stehen bei dem Straftatbestand wie auch bei dem zugrunde liegenden Gewaltverbot aus Art. 2 (4) UN-Charta überindividuelle Schutzgüter wie der internationale Friede, die internationale Sicherheit und die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten im Vordergrund.1029 Die Frage ist aber, ob man das so einfach von den gleichzeitig betroffenen Individualrechtsgütern trennen kann. Bei der Schaffung des völkerrechtlichen Gewaltverbotes kurz nach dem 2. Weltkrieg wird man auch an das menschliche Leid gedacht haben, das ein Krieg verursacht und nicht nur an das friedliche Miteinander der Staaten in ihren internationalen Beziehungen. Einen Hinweis auf eine individualschützende Komponente des Gewaltverbots gibt auch die nach dem Ende des Krieges zwischen Irak und Kuwait 1991 durch eine Resolution1030 des UN-Sicherheitsrates eingerichtete United Nations Compensation Commission (UNCC). Die UNCC hat den Zweck neben Staaten und Internationalen Organisationen auch Privatpersonen und privaten Unternehmen Entschädigungen für erlittene Schäden zuzusprechen, die durch den irakischen Angriffskrieg entstanden sind. Und zwar nicht nur im Falle von Verstößen des Irak gegen das humanitäre Völkerrecht (ius in bello), sondern auch für Schäden die durch den Angriffskrieg als solchen entstanden sind.1031 Die Entschädigungszahlungen werden aus einem Fond geleistet, in den der Irak einen bestimmten Anteil seiner Öleinnahmen einzahlen muß.1032 Die Individuen und die privaten Unternehmen können dabei nicht direkt, sondern nur über ihre jeweiligen Heimatstaaten ihre Ansprüche geltend machen. Die Ansprüche werden von der UNCC aber individuell beschieden und die Entschädigungen müssen dann über die Heimatstaaten an die einzelnen Anspruchsteller ausgezahlt werden1033. Vor diesem Hintergrund und unter einer zunehmend menschenrechtlichen Perspektive wird man einem zukünftigen Aggressionstatbestand auch eine individualschützende Komponente nicht absprechen können.

1029

Vgl. die Ziele aus Art. 1 UN-Charta. S/RES/687 vom 3.4.1991, Ziff. 18; siehe dazu auch den Bericht des UN-Generalsekretärs S/22559 vom 2.5.1991, Ziff. 4. 1031 In S/RES/687, Ziff. 16 wird bekräftigt, daß der Irak für alle Schäden verantwortlich ist, die durch die rechtswidrige Invasion und Besetzung Kuweits entstanden sind. Fischer-Lescano, Subjektivierung völkerrechtlicher Sekundärregeln, AVR 45 (2007), 299, 330 f. 1032 S/RES/687, Ziff. 19. 1033 Siehe dazu die Beschreibung der Zahlungsvorgänge durch die UNCC auf ihrer Internetseite: http://www2.unog.ch/uncc/paymproc.htm. 1030

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ee) Völkerstrafrecht im weiteren Sinne Es wurde schon angemerkt, daß von den Delikten des Völkerstrafrechts im weiteren Sinne hauptsächlich die grundlegenden Menschenrechte, wie das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und auf Freiheit betroffen sind.1034 Wie beim Völkerstrafrecht im engeren Sinne müssen aber auch hier die Straftatbestände oder die sie regelnden Verträge den Zweck haben, diese Individualrechtsgüter zu schützen. Einige der Verträge enthalten keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechte der Opfer. Das gilt insbesondere für die älteren Übereinkommen. Hier wird lediglich das zu bestrafende Verhalten definiert und die Vertragsstaaten zur Verfolgung dieser Taten verpflichtet.1035 Aber auch wenn dies nicht gesondert ausgedrückt wird, stehen diese Verträge insgesamt im Zusammenhang mit dem Schutz des einzelnen. Soweit von diesen Taten menschenrechtliche Positionen betroffen sind, dienen die Straftatbestände automatisch auch dem Schutz des einzelnen. Der Zweck von solchen Strafvorschriften ist es ja gerade, durch die Strafbarmachung vor solchen Taten abzuschrecken und dadurch die Rechtspositionen des einzelnen zu schützen. Die älteren Verträge werden auch als frühe Beispiele des Menschenrechtsschutzes bezeichnet, noch bevor die eigentlichen menschenrechtlichen Verträge in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sind.1036 In neueren Verträgen sind dann auch deutliche Hinweise auf die geschützten Menschenrechte zu finden. Schon die Präambel der Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausbeutung der Prostitution anderer von 1949 hält diese Praktiken für unvereinbar mit Würde und Wert des Menschen und dem Wohlergehen des Individuums.1037 Das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels führt in seiner Präambel aus, daß durch die Bestrafung der Täter die Opfer des Menschenhandels und ihre international anerkannten Menschenrechte geschützt werden sollen.1038 Die beiden Fakultativprotokolle zur Kinderrechtskonvention verweisen sowieso auf die Kinderrechte, die durch die Protokolle einen zusätzlichen Schutz erfahren.1039 In den Verträgen zur Be1034

s. o. B.V.3.aa). Siehe z. B. Art. 1–3 des Übereinkommens zur Bekämpfung des Mädchenhandels von 1910 (s. o. Fn. 807). 1036 Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, S. 9 f. 1037 Abs. 1 der Präambel (s. o. Fn. 809). 1038 Abs. 1 der Präambel des Protokolls (s. o. Fn. 810). 1039 Abs. 1, 2 u. 6 Präambel FP Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten (s. o. Fn. 815) und Abs. 1 u. 2 Präambel FP Kinderhandel, Kinderporstitution und Kinderpornographie (s. o. Fn. 816). 1035

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kämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen und widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt wird zumindest auf die die Gefährdung der Sicherheit von Personen durch die verbotenen Handlungen hingewiesen.1040 Deutlicher wird der menschenrechtliche Bezug im Übereinkommen gegen Geiselnahme. In der Präambel wird ausdrücklich auf die Rechte auf Leben, Freiheit und Sicherheit aus der AEMR und dem IPBPR verwiesen.1041 Die UNFolterK bezieht sich in ihrer Präambel auf die „Unveräußerlichkeit der Rechte aller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft“ und auf die würde des Menschen.1042 Zusätzlich wird noch auf die Folterverbote in der AEMR und dem IPBPR verwiesen. Zusammenfassend kann folglich kein Zweifel bestehen, daß die hier aufgeführten Verträge des Völkerstrafrechts im weiteren Sinne auch den Zweck haben, individuelle Rechtspositionen zu schützen. c) Piraterie Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß auch bei der Piraterie zumindest menschenrechtliche Positionen der Opfer verletzt werden, wie etwa die Rechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum. 6. Weitere Fragen der Verantwortlichkeit Durch die vorstehenden Erörterungen ist klar geworden, daß einer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit privater Akteure keine grundsätzlichen Hindernisse entgegenstehen. Im Rahmen der Verantwortlichkeit sind aber noch Fragen der Zurechnung bei juristischen Personen, des Verschuldens und schließlich der Rechtsfolge der Verantwortlichkeit zu behandeln. Zunächst stellt sich das Problem, aus welcher Rechtsquelle Einzelheiten zu diesen Merkmalen gewonnen werden können. Entsprechend den eben gemachten Ausführungen zur Völkerrechtsquelle der Verantwortlichkeit bieten sich hier wieder die allgemeinen Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle an. Die nationalen Rechtsordnungen enthalten alle Normen zu diesen Fragen. Wenn sich, zumindest aus den Hauptrechtskreisen, übereinstimmende Grundsätze herauskristallisieren lassen, kann man diese auf die Völkerrechtsebene übertragen und so völkerrechtliche Normen für diese Problemkreise gewinnen. Der Vorteil liegt darin, daß so die rechtlichen Fragen mit größerer Einheitlichkeit beurteilt werden können, da der anwendbare Normgehalt der gleiche 1040 1041 1042

Jeweiliger Abs. 1 der Präambel (s. o. Fn. 817 u. 818). Abs. 2 Präambel (s. o. Fn. 819). Abs. 1 u. 2 Präambel (s. o. Fn. 32).

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wäre. Allerdings ist man bei innerstaatlichen Schadensersatzverfahren mit sehr vielen rechtlichen Details konfrontiert, die sich nicht alle im Wege von allgemeinen Rechtsgrundsätzen lösen lassen. Zur Füllung der Lücken bietet es sich aber an, auf das jeweils anwendbare nationale Recht zurückzugreifen. Warum sollte es nicht möglich sein, einen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch dem Grunde nach anzuerkennen, die Detailfragen dann aber dem nationalen Recht zu überlassen, soweit keine allgemeinen Rechtsgrundsätze für diese Fragen feststellbar sind? Die Urteile der US-Bundesgerichte in den ATCA-Fällen sind gute Beispiele für eine solche Möglichkeit, auch wenn dort der unmittelbare Schadensersatzanspruch aus nationalem Recht folgt. Aber immerhin wurde ja in einigen Entscheidungen ausgeführt, daß die materiellen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Deliktes dem Völkerrecht zu entnehmen sind, kombiniert dann mit einer Anspruchsgrundlage für das Schadensersatzbegehren aus dem nationalen federal common law.1043 Eine solche Kombination von Völkerrechtsnormen mit innerstaatlichem Recht ist auch keine Besonderheit der US-Rechtsordnung. So hat zum Beispiel in Deutschland das OLG-Köln in seiner Vavarin-Entscheidung bei der Verletzung des humanitären Völkerrechts durch den deutschen Staat die grundsätzliche Anwendbarkeit des deutschen Staatshaftungsrechts aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG angenommen. Den Maßstab für die notwendige Amtspflichtverletzung bilden dabei die kriegsrechtlichen Regeln.1044 Wenn man so das Völkerrecht mit nationalem Recht kombinieren kann, sollte das auch möglich sein, wenn man den Grundsatz einer Wiedergutmachungsverpflichtung im Völkerrecht annimmt, Details dieses Anspruches dann aber dem nationalen Recht entnimmt. Auch sprechen solche möglichen Lücken des Völkerrechts in Detailfragen nicht gegen die grundsätzliche Annahme einer völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zwischen Privaten. Die Grundaussage der Verantwortlichkeit, nämlich die Wiedergutmachungspflicht bei der völkerrechtswidrigen Verletzung der Rechte anderer, kann als Norm des Völkerrechts auch ohne die völkerrechtliche Regelung der Detailfragen existieren. Eine solche Beschränkung auf den Kern der Verantwortlichkeit kann man auch im Vertragsrecht feststellen. Sowohl Art. 41 EMRK und Art. 63 AMRK als auch Art. 75 ICC-Statut lassen die Details einer Wiedergutmachung offen. Das ICC-Statut gebietet dem Strafgerichthof erst noch Grundsätze für die Haftung aufzustellen. Dennoch bestehen keine Zweifel daran, daß aufgrund dieser Normen Wiedergutmachung zugesprochen werden kann. Die ständige Praxis des Europäischen und des Inter-Amerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestätigt dies.1045 1043 1044

s. o. C.I.1. OLG Köln NJW 2005, 2860, 2863.

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a) Zurechnung Da ein Unternehmen, wie jede juristische Person, von sich aus handlungsunfähig ist, bedarf es für eine Haftung grundsätzlich der Zurechnung des Verhaltens von Menschen, die für das Unternehmen handeln.1046 Die Situation eines Unternehmens ist diesbezüglich vergleichbar mit der eines Staates. Auch ein Staat kann von sich aus nicht handeln, sondern bedarf dafür natürlicher Personen, die für den Staat tätig werden. Entsprechend wird den Zurechnungsfragen in den ILC-Artikeln zur Staatenverantwortlichkeit breiter Raum gewährt.1047 Als Basisnorm wird dem Staat das Verhalten seiner Organe zugerechnet (Art. 4 ILC-Artikel).1048 Eigentlich ist das schon eine Frage des Normverstoßes. Denn ohne zurechenbares Verhalten kann eine juristische Person keine Völkerrechtsnorm verletzen. Jetzt kann man sich vorstellen, daß man diese grundlegende Zurechnungsnorm als Völkerrechtsnorm auch auf private juristische Personen anwenden kann.1049 Voraussetzung ist allerdings die Feststellung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus den innerstaatlichen Rechtsordnungen.1050 Ambos meint nun im Hinblick auf eine mögliche völkerstrafrechtliche Verantwortlichkeit von privaten Unternehmen, daß es eine solche schon mangels spezieller völkerrechtlicher Zurechnungsnormen nicht geben könne.1051 Wenn man diesen Gedanken auf die allgemeine Verantwortlichkeit übertragen wollte, dann hieße das, ohne völkerrechtliche Zurechnungsregeln gäbe es keine Haftung. Mit den eben gemachten Überlegungen kann dem aber entgegengetreten werden. Eine völkerrechtliche Haftung von privaten Unternehmen ist aber auch bei Anwendung der jeweiligen innerstaatlichen Zurechnungsregeln möglich. Wenn und soweit allgemeine Rechtsgrundsätze für die Zurechnung nicht feststellbar sind, bleibt noch der Rückgriff auf das nationale Recht.

1045 Siehe Näheres zur EMRK bei Grote/Marauhn-Dörr, EMRK/GG, S. 1772 ff. und Grabenwarter, EMRK, S. 87 ff.; zur AMRK bei Shelton, Reparations in the Inter-American System, S. 151 ff. 1046 Vgl. Flume, Die juristische Person, S. 377 f. und Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 247. 1047 Art. 4–11 ILC-Artikel (s. o. Fn. 673). 1048 Unter bestimmten Voraussetzungen aber auch das Verhalten von Nicht-Organen (Art. 5, 6, 8–10 ILC-Artikel). 1049 Vgl. Ratner, Corporations and Human Rights, 111 Yale L. J. 443, 495 (2001). Im deutschen Zivilrecht entspricht dies § 31 BGB. 1050 Im deutschen Zivilrecht ist die Zurechnung des Organhandelns in § 31 BGB geregelt. 1051 Ambos, Internationales Strafrecht, S. 132, Rz. 10.

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b) Verschulden Ein weiteres Problem bei der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit betrifft die Frage der Notwendigkeit eines Verschuldens. Im Rahmen der Staatenverantwortlichkeit ist umstritten, ob das Verschulden Bedingung für die Haftung ist.1052 In den ILC-Artikeln wird das Verschulden nicht als eigenes haftungsbegründendes Merkmal gefordert, so daß man bei der Staatenverantwortlichkeit von einer reinen Erfolgshaftung ausgehen könnte. Sozusagen als vermittelnde Ansicht wird allerdings vertreten, daß die Frage des Verschuldens von der jeweiligen verletzten völkerrechtlichen Pflicht abhängt, also eine Frage der Primärebene der Verantwortlichkeit ist. Fordert also die Primärnorm zu ihrer Verwirklichung ein Verschulden, dann soll auch die Verantwortlichkeit nur bei Verschulden eintreten, da ja eine Völkerrechtsverletzung vorliegen muß.1053 Ein Verschuldenserfordernis wird vor allem bei Unterlassungstaten angenommen.1054 Dieser vermittelnden Auffassung folgt wohl auch die ILC, was sich aus der Kommentierung zu Art. 2 ihres Entwurfes zur Staatenverantwortichkeit ergibt.1055 Den Verzicht auf ein Verschulden als gesondertes Merkmal der Verantwortlichkeit mag man beim Staat durch seine Eigenart als „Verbandseinheit“ rechtfertigen und so das Problem umgehen, ob bei einer juristischen Person eine eigentlich menschliche Kategorie wie das Verschulden vorliegen kann.1056 Dieselbe Problematik ergibt sich auch bei privaten Unternehmen, die als juristische Personen konstituiert sind.1057 Hier müssen aber die Frage der Verschuldenszurechnung bei einer juristischen Person und die Frage, ob ein bestimmtes Delikt ein Verschulden erfordert, auseinandergehalten werden. Im innerstaatlichen Recht dürfte die Verschuldenshaftung im deliktischen Bereich überwiegen.1058 Wenn man daraus also einen allgemeinen Rechtsgrundsatz ableiten könnte, läge es nahe, bei Völkerrechtsverstößen privater Akteure auch dann ein Verschulden zu verlangen, wenn die entsprechende Völkerrechtsnorm dies nicht fordert. Läßt sich ein solcher 1052

Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 945 mit weiteren Nachwei-

sen. 1053 Crawford/Olleson, International Responsibility, S. 465; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht I/3, S. 946. 1054 Stein/von Buttlar, Völkerrecht, S. 408 f., Rz. 1133, 1134; vgl. Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, S. 851 f. § 1266. 1055 YBILC 2001 II/2, S. 34 f., Ziff. 3 u. S. 36, Ziff. 10. 1056 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 627 f., Rz. 34. 1057 Siehe dazu die Ausführungen von Flume, Die juristische Person, S. 381 f., 384 zu § 31 BGB. 1058 Siehe z. B. für das deutsche Recht § 823 I BGB; für das US-Recht Hay, USAmerikanisches Recht, S. 105 ff., 109 ff.

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Rechtsgrundsatz nicht feststellen, bleibt der Rückgriff auf nationales Recht. Dasselbe gilt für die Frage der Verschuldenszurechnung bei juristischen Personen. c) Inhalt der Verpflichtung Bisher wurde die Folge der Verantwortlichkeit meistens mit der Verpflichtung zur Wiedergutmachung umschrieben. Nach den Regeln der Staatenverantwortlichkeit, wie sie in den ILC-Artikeln niedergelegt wurden, muß der Verantwortliche eine andauernde Verletzungshandlung beenden (Art. 30) und Wiedergutmachung (reparation) gewähren (Art. 31). Die Verpflichtung zur Beendigung einer Verletzungshandlung kann auch der Primärebene zugerechnet werden, denn sie ergibt sich zwanglos aus der verletzten Völkerrechtsnorm selbst.1059 Das Gleiche muß auch für Völkerrechtsverletzungen zwischen Privaten gelten. Aus der Bindung des Privaten an eine Völkerrechtsnorm ergibt sich die Verpflichtung zur Beendigung einer andauernden Verletzung. Spiegelbildlich ergibt sich daraus bei dem privaten Verletzten ein Anspruch auf Beendigung. Wenn man dies der Primärebene zuordnet, dann kann man diese Verpflichtung, respektive dieses Recht auch der Völkerrechtsquelle der Primärnorm entnehmen. Falls man diese Verpflichtung doch der Sekundärebene zuordnen will, kann man wieder versuchen aus den nationalen Rechtsordnungen einen dahingehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz zu gewinnen. Art. 34 ILC-Artikel gliedert die in Art. 31 festgehaltene Wiedergutmachungspflicht in die Verpflichtung zur Restitution (restitution, Art. 35), zum Schadensersatz (compensation, Art. 36) und zur Genugtuung (satisfaction, Art. 37) auf. Art. 35 regelt die sogenannte Naturalrestitution. Der Zustand der vor der Verletzung herrschte, muß wieder hergestellt werden.1060 Wenn dies nicht möglich ist, muß Schadensersatz, also eine Geldzahlung nach Art. 36 geleistet werden, die den durch die Völkerrechtsverletzung entstandenen Schaden in voller Höhe ausgleicht. Diese Wiedergutmachungsformen existieren auch im nationalen Deliktsrecht. Die Naturalrestitution mag zwar in Ländern des common law nicht so üblich sein1061, die Verpflichtung zum Schadensersatz in Geld wird man aber zumindest in den wichtigsten Rechtskreisen finden1062. Einen diesbezüglichen allgemeinen Rechtsgrund1059

Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 655 f., Rz. 65; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 244, Rz. 77; vgl. dazu auch BVerfG NJW 2004, 3257, 3258 zum primärrechtlichen Anspruch der Betroffenen auf Einhaltung des humanitären Völkerrechts. 1060 Siehe Beispiele bei Schweisfurth, Völkerrecht, S. 246, Rz. 48. 1061 Mann, International Wrong, BYIL 48 (1976–77), 2 f.

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

satz festzustellen, dürfte deshalb nicht allzu schwer sein. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz ist gerade auch zwischen privaten Akteuren anwendbar. Für die Einzelheiten der Schadensersatzbestimmung kann man wiederum auf das jeweilige nationale Recht zurückgreifen, wenn sich dazu keine allgemeinen Rechtsgrundsätze finden lassen. Wenn man dazu aber auf der völkerrechtlichen Ebene bleiben will, kann man sich auch an den Wiedergutmachungsanordnung der internationalen menschenrechtlichen Spruchkörper, insbesondere an denen des EGMR und des IAGMR orientieren.1063 Die in Art. 37 ILC-Artikel geregelte Genugtuung (satisfaction), die insbesondere aus dem Eingeständnis der Verletzung, dem Ausdruck des Bedauerns oder einer förmlichen Entschuldigung bestehen soll, dürfte dagegen vielen nationalen Rechtsordnungen, zumindest was die Rechtsverhältnisse Privater untereinander betrifft, fremd sein. Man wird aber deshalb nicht sagen können, daß die in den ILC-Artikeln geregelte Wiedergutmachung insgesamt nicht für die Anwendung auf die Verantwortlichkeit von Privatpersonen übertragbar ist.1064 Zumindest den Schadensersatz in Geld, ganz unabhängig von der Frage seines konkreten Umfanges, wird man als Völkerrechtsnorm zwischen Privaten etablieren können. 7. Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen Grundlage vieler ATCA-Verfahren gegen Unternehmen sind nicht eigene, sondern deren Mitwirkung an staatlichen Menschenrechtsverletzungen. Es stellt sich die Frage, wie diese Mitwirkung im Rahmen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zu handhaben ist. Unter Mitwirkung wird hier Anstiftung und Beihilfe (im englischen Sprachgebrauch aiding and abetting) verstanden. Einige Beispiele sollen dies veranschaulichen: Im Unocal-Fall wurde dem kalifornischen Öl und Gas-Unternehmen vorgeworfen, den Bau einer Gaspipeline vorangetrieben zu haben, obwohl es wußte, daß burmesisches Militär die lokale Bevölkerung für die Unterstützung des Pipelinebaus zur Zwangsarbeit heranzog und andere schwere Menschenrechtsverletzungen beging.1065 In Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co. behaupten die Kläger, der Ölkonzern habe die nigerianische Regierung angestiftet, den lokalen Protest gegen die Ölförderung des Konzerns gewaltsam zu unterdrücken.1066 Das 1062 Siehe z. B. § 249 BGB für das deutsche Recht und für das US-Recht Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 121 ff. 1063 Siehe zur Spruchpraxis des EGMR und des IAGMR Seegers, Wiedergutmachung, S. 107 ff. u. 134 ff. 1064 So aber Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 659, Rz. 11. 1065 Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 937 ff. (9th Cir. 2002). 1066 226 F.3d 88, 92 f. (2nd Cir. 2000).

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kanadische Unternehmen Talisman soll die sudanesische Regierung gebeten haben, „Säuberungsaktionen“ in Ölfördergebieten durchzuführen, wodurch tausende Menschen vertrieben wurden.1067 Und schließlich wurden zahlreiche Unternehmen verklagt, weil sie durch ihre Tätigkeit in Südafrika das damalige Apartheid-Regime unterstützt haben sollen.1068 Zwei Grundkonstellationen müssen hier auseinandergehalten werden: Einerseits die Mitwirkung am Verstoß gegen völkerrechtliche Normen, die auch Private binden und andererseits die Mitwirkung am Verstoß gegen Normen, die rein staatengerichtet sind. Genauso wie bei den anderen Punkten der Verantwortlichkeit sollen hier nur grundsätzliche und konzeptionelle Erwägungen angestellt werden. Die Frage der Haftung für Anstiftung und Beihilfe kann man auch als ein primärrechtliches Problem betrachten, nämlich ob der private Akteur durch die Beteiligung an dem Verstoß gegen eine völkerrechtliche Norm selber völkerrechtswidrig handelt. Sie läßt sich aber auch im Rahmen der Reichweite der Verantwortlichkeit, also auf der Sekundärebene verorten. Deshalb wird das Problem hier erörtert, ohne aber die primärrechtliche Komponente zu leugnen. a) Mitwirkung an der Verletzung von Normen, die auch Private binden Beteiligt sich ein privates Unternehmen an dem Verstoß gegen eine völkerrechtliche Norm, die auch ihn bindet, dann liegt es nahe, daß sich die völkerrechtliche Verantwortlichkeit auch auf diese Beteiligung erstreckt. Im Recht der Staatenverantwortlichkeit, wie es seinen Niederschlag im Entwurf der ILC1069 gefunden hat, ist zumindest die Beihilfe geregelt (Art. 16). Genauso wie bei der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Privater für direkte Völkerrechtsverletzungen stellt sich hier die Frage, ob sich die Verantwortlichkeit für eine Beteiligung aus einer Völkerrechtsquelle begründen läßt. Im Unocal-Verfahren hat sich eine Mehrheit der Richter des zuständigen Circuits des Court of Appeals dafür ausgesprochen, die Normen für die Frage der Beteiligung des Unternehmens an den burmesischen Menschenrechtsverletzungen dem Völkerrecht und nicht nationalem Recht zu entnehmen.1070 Fündig wird das Gericht beim Völkerstrafrecht i. e. S., das ebenfalls 1067 Presbyterian Chruch of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 300 ff. (S. D. N. Y. 2003). 1068 In Re: South African Apartheid Litigation, 346 F.Supp.2d 538, 544 f. (S. D. N. Y. 2004); Khulumani v. Barklay National Bank Ltd., 504 F.3d 254, 258 (2nd Cir. 2007). 1069 s. o. Fn. 673. 1070 Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 948 (9th Cir. 2002).

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

Anstiftung und Beihilfe erfaßt. Die dortigen Bestimmungen sollen entsprechend auch auf Schadensersatzverfahren anwendbar sein, da die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit mit der strafrechtlichen vergleichbar sei.1071 Andere Entscheidungen sind dem gefolgt. Dabei wird insbesondere auf die Statuten des ICTY, des ICTR und des ICC verwiesen, die alle die Strafbarkeit von Anstiftung und Beihilfe vorschreiben (Art. 7 I ICTY, Art. 6 I ICTR, Art. 25 III, lit. b u. c ICC).1072 Hier wurde den Völkerstrafnormen i. e. S. ein abstraktes Verbot entnommen, das Unabhängig von einer Strafbarmachung private Akteure, einschließlich privater Unternehmen, direkt bindet.1073 Warum sollte sich dieses Verbot nicht auch auf Anstiftung und Beihilfe unabhängig von einer Strafbarmachung erstrecken? Ebenso wie bei den Straftatbeständen selbst läßt sich bei den Beteiligungsformen die Strafkomponente von dem materiellen Normgehalt abtrennen. Das zeigt schon die Staatenverantwortlichkeit, die Beihilfe zu einer Völkerrechtsverletzung erfaßt, ohne daß dies zu einer „Strafbarkeit“ des Staates führt. Auch im nationalen Deliktsrecht existiert die Verantwortlichkeit für eine Beteiligung an einer Rechtsverletzung.1074 Aus dem Völkerstrafrecht kann man demnach entnehmen, daß eine Beteiligung an der Verletzung der in den Straftatbeständen enthaltenen Verbote ebenfalls völkerrechtlich verboten ist. Da auf der Primärebene mit der Beteiligung an einer entsprechenden Völkerrechtsverletzung ebenfalls eine Völkerrechtsverletzung vorliegt, muß dies auch zur allgemeinen völkerrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Der Unocal-Entscheidung ist darin zuzustimmen, daß die für das Völkerstrafrecht entwickelten Beteiligungsmaßstäbe auch auf deliktische Verfahren anwendbar sind. Strafrecht und Deliktsrecht sind strukturell vergleichbar. Ihr Unterschied besteht hauptsächlich in den Sanktionsmitteln: auf der einen Seite die Strafe, auf der anderen die Wiedergutmachung. Im innerstaatlichen Recht ist es überhaupt nichts Ungewöhnliches, daß ein und dasselbe Verhalten sowohl strafrechtliche wie deliktsrechtliche Folgen nach sich zieht. Entsprechend ergeben sich zum Beispiel im deutschen Deliktsrecht die Maßstäbe für Anstiftung und Beihilfe aus dem Strafrecht.1075 Diese Erwägungen kann man auch auf die allgemeine völkerrechtliche Verantwortlichkeit übertragen. Doe I v. Unocal Corp., 395 F.3d 932, 949 (9th Cir. 2002). Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 322 f. (S. D. N. Y. 2003), 374 F.Supp.2d 331, 337 ff. (S. D. N. Y. 2005), 453 F.Supp.2d 633, 665-68 (S. D. N. Y. 2006); Khulumani v. Barklay National Bank Ltd., 504 F.3d 254, 270 (2nd Cir. 2007) (Katzmann, J., concurring). 1073 s. o. B.V.2.e)ff). 1074 Siehe z. B. § 830 BGB. 1075 Erman-Schiemann, BGB II, § 830, Rz. 1, 3; Palandt-Sprau, BGB, § 830, Rz. 4; Soergel-Krause, BGB 12, § 830, Rz. 2. 1071 1072

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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Das Beispiel der Staatenverantwortlichkeit zeigt, daß die Verantwortlichkeit für eine Beteiligung nicht auf natürliche Personen beschränkt ist. Wenn schon eine private juristische Person für eine direkte Völkerrechtsverletzung verantwortlich ist, wäre es kaum vertretbar, die Verantwortlichkeit für eine Beteiligung daran auf natürliche Personen zu beschränken. Da das Völkerstrafrecht i. e. S. gewohnheitsrechtlich gilt1076, ergibt sich auch für das darin enthaltene abstrakte Verbot der Anstiftung und Beihilfe eine gewohnheitsrechtliche Geltung. Das folgt aus der Betrachtung der Beteiligung an einer Völkerrechtsverletzung auch als ein primärrechtliches Problem. Wie bereits ausgeführt ergibt sich dann der völkerrechtliche Wiedergutmachungsanspruch entweder aus Gewohnheitsrecht oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Das gewohnheitsrechtliche Verbot von Anstiftung und Beihilfe gilt zunächst einmal für die vom Völkerstrafrecht i. e. S. erfaßten Delikte, also Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zukünftig vielleicht Aggression. Den genannten amerikanischen Urteilen kann man aber auch entnehmen, daß sie die aus dem Völkerstrafrecht gewonnenen Beteiligungsnormen nicht auf die dortigen Delikte beschränken, sondern als allgemeines Prinzip auch auf andere Völkerrechtsverletzungen anwenden wollen.1077 Diesbezüglich stellt sich die gleiche Frage wie bei der gewohnheitsrechtlichen Geltung des völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruchs zwischen Privaten, wie verallgemeinerungsfähig eine spezifische Praxis und Rechtsüberzeugung ist.1078 Wenn man die Praxis und Rechtsüberzeugung, die sich bezüglich des Völkerstrafrechts gebildet hat, nur als Ausdruck einer allgemeinen Regel ansieht, kann man auch für andere völkerrechtliche Delikte das Verbot der Beteiligung gewohnheitsrechtlich begründen. Wenn man dies als zu weitgehend ablehnt, bleibt noch die Möglichkeit, das Verbot der Beteiligung als allgemeinen Rechtsgrundsatz zu begründen. Dazu muß man in den nationalen Rechtsordnungen übereinstimmende Grundsätze zur Beteiligung im deliktischen Bereich finden und sie auf die internationale Ebene heben. Für das deutsche Recht wurde schon auf den § 830 BGB verwiesen. Ebenso ist im US-Recht die deliktische Haftung für aiding and abetting etabliert.1079 Soweit man auch in anderen 1076

s. o. B.V.2.b). Im Unocal-Verfahren z. B. auf Zwangsarbeit, 395 F.3d 932, 947 f. (9th Cir. 2002); in Talisman auf Sklaverei, 244 F.Supp.2d 289, 326 (S. D. N. Y. 2003) und in Khulumani, ganz allgemein für Völkerrechtsverletzungen, 504 F.3d 254, 270 (2nd Cir. 2007) (Katzmann, J., concurring). 1078 s. o. C.II.4.a). 1079 American Law Institute, Rest. 2nd, Torts, § 876 (b); Halberstam v. Welch, 705 F.2d 472, 477 f. (D. C. Cir. 1983). 1077

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

Rechtsordnungen diesbezüglich fündig wird, kann man daraus einen allgemeinen Rechtsgrundsatz bilden. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz ließe sich dann auf die völkerrechtlichen Verbote aus dem Völkerstrafrecht i. w. S. anwenden, wenn man diesen Verträgen nicht schon selbst ein solches Verbot entnehmen kann. In manchen Verträgen, wie zum Beispiel dem Übereinkommen gegen Geiselnahme1080, wird die Beteiligung schon in die Definition des verbotenen Verhaltens integriert. In diesem Fall existiert ein vertragliches Verbot der Beteiligung, das auch für Private gilt. In anderen Verträgen ist die Beteiligung entweder gar nicht erwähnt1081 oder die Staaten sind verpflichtet die Beteiligung strafbar zu machen, soweit dies vom nationalen Recht zugelassen wird1082. Hier kann dann der allgemeine Rechtsgrundsatz seine Wirkung entfalten. Falls man die Frage der Beteiligung nicht völkerrechtlich lösen kann oder will, bleibt entsprechend den oben (C.II.6.) angestellten Überlegungen noch der Rückgriff auf das jeweilige nationale Recht. So sprechen sich einige US-Bundesrichter für den Rückgriff auf das federal common law aus, um aiding and abetting in ATCA-Verfahren zu erfassen.1083 b) Mitwirkung an der Verletzung von rein staatengerichteten Normen Die zweite hier zu behandelnde Konstellation setzt voraus, daß ein Staat gegen eine rein staatengerichtete Menschenrechtsnorm verstößt und ein privater Akteur sich an diesem Verstoß beteiligt. Hier ist es fraglich, ob auch der Private gegen das Völkerrecht verstoßen hat und sich daran eine Wiedergutmachungsverpflichtung anschließen kann. Die US-Gerichte lehnen in einer solchen Konstellation eine Völkerrechtsverletzung des Privaten und damit die sachliche Zuständigkeit nach dem ATCA nicht rundweg ab, sondern prüfen, ob der Private „under color of law“, also mit so etwas wie hoheitlichem Rechtsschein1084 gehandelt hat. 1080

s. o. Fn. 819, Art. 1 II (b). So z. B. im ILO-Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit, s. o. Fn. 813. 1082 Sie etwa Art. 4 der Konvention zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausbeutung der Prostitution anderer, s. o. Fn. 809. 1083 Doe I v. Unocal Corporation, 395 F.3d 932, 963 (9th Cir. 2002) (Reinhardt, J., Concurring); Khulumani v. Barklay National Bank Ltd., 504 F.3d 254, 284, 287 (2nd Cir. 2007) (Hall, J., concurring). 1084 Vgl. Seibert-Fohr/Wolfrum, Die einzelstaatliche Durchsetzung völkerrechtlicher Mindeststandards gegenüber transnationalen Unternehmen, AVR 43 (2005), 153, 167. 1081

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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Dabei stützen sich die Gerichte auf eine Norm (42 U. S. C. § 1983) des amerikanischen Bundesrechts, wonach auch private Akteure für die Verletzung von Bürgerrechten haften, wenn sie mit besagtem Rechtsschein gehandelt haben.1085 Ansonsten haftet nur der Staat für solche Verletzungen.1086 Dieser Rechtsschein soll dann erzeugt werden, wenn der Private zusammen mit Staatsorganen oder mit erheblicher Unterstützung durch den Staat handelt.1087 Das soll insbesondere der Fall sein, wenn der Private willentlich am staatlichen Handeln teilnimmt.1088 Unter diesen Voraussetzungen wird angenommen, daß auch beim Privaten „state action“ vorliegt und er damit die rein staatengerichtete Völkerrechtsnorm verletzt hat, mit der Folge seiner Verantwortlichkeit. Dadurch wird die Verantwortlichkeit Privater potentiell auf Verstöße gegen sämtliche Menschenrechtsnormen ausgeweitet, wenn er nur an einer staatlichen Verletzung in entsprechender Form mitwirkt.1089 Es ist sehr fraglich, ob diese Konzeption nach nationalem Recht auch im Völkerrecht begründbar ist. Die eben entwickelten Argumente für ein Verbot von Anstiftung und Beihilfe kann man nicht auf die Teilnahme an Z. B. Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 245 (2nd Cir. 1995); Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 969 F.Supp. 362, 374 (E. D. La. 1997); John Doe I v. Unocal Corp., 963 F.Supp. 880, 890 (C. D. Cal. 1997); Bigio v. Coca Cola Co., 239 F.3d 440, 448 (2nd Cir. 2000); Sarei v. Rio Tinto, Plc., 221 F.Supp.2d 1116, 1144 (C. D. Cal. 2002); Aldana v. Del Monte Fresh Produce, N. A., Inc., 416 F.3d 1242, 124748 (11th Cir. 2005). 42 U. S. C. § 1983 – Civil action for deprivation of rights, lautet: „Every person who, under color of any statute, ordinance, regulation, custom, or usage, of any State or Territory or the District of Columbia, subjects, or causes to be subjected, any citizen of the United States or other person within the jurisdiction thereof to the deprivation of any rights, privileges, or immunities secured by the Constitution and laws, shall be liable to the party injured in an action at law, suit in equity, or other proper proceeding for redress, except that in any action brought against a judicial officer for an act or omission taken in such officer’s judicial capacity, injunctive relief shall not be granted unless a declaratory decree was violated or declaratory relief was unavailable. For the purposes of this section, any Act of Congress applicable exclusively to the District of Columbia shall be considered to be a statute of the District of Columbia.“ 1086 Khalil, The Alien Tort Claims Act and Section 1983, 31 Hofstra L. Rev. 207, 209 (2002). 1087 Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 245 (2nd Cir. 1995): „A private individual acts under color of law within the meaning of section 1983 when he acts together with state officials or with significant state aid.“ 1088 John Doe I v. Unocal Corp., 963 F.Supp. 880, 890 (C. D. Cal. 1997) mit Verweis auf die Entscheidung des US-Supreme Court in Dennis v. Sparks, 449 U. S. 24, 27 (1980). 1089 Vgl. Seibert-Fohr/Wolfrum, Die einzelstaatliche Durchsetzung völkerrechtlicher Mindeststandards gegenüber transnationalen Unternehmen, AVR 43 (2005), 153, 168. 1085

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C. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch

der Verletzung rein staatengerichteter Normen übertragen. Denn die Grundlage davon ist, daß der Private direkt an die entsprechende Völkerrechtsnorm gebunden ist. Im Recht der Staatenverantwortlichkeit ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen die Zurechnung privaten Verhaltens zum Staat vorgesehen1090, dies führt aber nur zur Verantwortlichkeit des Staates. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß eine spezielle völkerrechtliche Norm die Verantwortlichkeit Privater anordnet, wenn sie sich an der Verletzung einer rein staatengerichteten Völkerrechtsnorm beteiligen. Aber gegenwärtig läßt sich eine solche Norm im Völkerrecht nicht feststellen. Auch dürfte sich kein diesbezüglicher allgemeiner Rechtsgrundsatz aus den nationalen Rechtsordnungen feststellen lassen. Die konkreteste Aussage in einem internationalen Dokument ist in dem schon beschriebenen Art. 10 der von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Resolution 53/144 enthalten, wonach niemand an Menschenrechtsverletzungen mitwirken darf.1091 Der Begriff Menschenrechte wird darin nicht näher definiert oder eingeschränkt, so daß er alle Menschenrechte, also auch die rein staatengerichteten, umfaßt. Da die Resolution aber von der UN-Generalversammlung verabschiedet wurde, hat sie keinen völkerrechtlich verbindlichen Charakter. Aus der Kommentierung zu Ziff. 1 der UN-Norms1092 ergibt sich, daß die umfassende Bindung der Unternehmen an die Menschenrechte sich auch auf die Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen erstreckt.1093 Aber auch die UN-Norms sind kein rechtsverbindlicher Text. Wegen des Fehlens einer völkerrechtlichen Entsprechung wird die Verwendung von § 1983 in ATCA-Verfahren zur Feststellung von Völkerrechtsverstößen von privaten Akteuren zu Recht kritisiert.1094 Denn die Frage, ob ein Völkerrechtsverstoß vorliegt, kann nur die Völkerrechtsordnung selbst beantworten. Das heißt aber nicht, daß die Verwendung von § 1983 in ATCA-Fällen ausgeschlossen ist. Denn das US-Recht selbst kann die Verantwortlichkeit von Privaten für die Teilnahme an staatlichen Menschenrechtsverletzungen vorschreiben.1095 So betrachtet würde dann „nur“ ein Verstoß des Privaten gegen das nationale Recht der USA vorliegen und 1090

Art. 8 ILC-Artikel (s. o. Fn. 673). s. o. B.IV.1.e)aa)(2). 1092 s. o. B.IV.1.e)bb)(1). 1093 UN Doc. E/CN.4/Sub.2/2003/38/Rev.2 vom 26.8.2003, Commentary (b) zu Ziff. 1. Siehe dazu auch De Schutter, Total et Unocal, AFDI 2006, 55, 71 f. 1094 Khalil, The Alien Tort Claims Act and Section 1983, 31 Hofstra L. Rev. 207, 225 ff. (2002); Rau, Haftung privater Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen?, IPRax 2001, 372, 375 f. 1095 In diese Richtung auch Olah, MNC Liability, 25 Q. L. Rev. 751, 782 f. (2007). 1091

II. Völkerrechtlicher Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten

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die Teilnahme an der staatlichen Völkerrechtsverletzung wäre eine Voraussetzung für die Verantwortlichkeit nach nationalem Recht. 8. Ergebnis: Völkerrechtsbeziehung zwischen Privaten Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit, die zu einem Wiedergutmachungsanspruch zwischen Privaten führt, begründbar ist, wenn ein privater Akteur eine ihn unmittelbar bindende Völkerrechtsnorm entweder selbst verletzt hat oder sich an der Verletzung beteiligt hat und dies zu einer völkerrechtlichen Rechtsbeeinträchtigung bei dem Opfer führt.

D. Anwendung des Weltrechtsprinzips auf innerstaatliche Schadensersatzverfahren I. Problemaufriß Mangels internationaler Durchsetzungsmechanismen für die menschenrechtlichen Verpflichtungen Privater, bleibt für die Opfer oft nur die Möglichkeit der Einleitung von Schadensersatzverfahren vor innerstaatlichen Gerichten. Wenn solche Verfahren, aus welchen Gründen auch immer, in dem Staat, in dem die Menschenrechtsverletzung staatgefunden hat, nicht durchführbar sind, können die Opfer nur versuchen, den privaten Verletzer vor den Gerichten eines anderen Staates zu verklagen. Das ist die Konstellation der meisten ATCA-Verfahren vor US-Gerichten, nicht nur gegen Unternehmen. Da die Menschenrechtsverletzung in dieser Konstellation nicht im Gerichtsstaat stattfindet, stellt sich besonders die Frage ob das Völkerrecht für die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und das anwendbare materielle Recht Vorgaben macht. Daran knüpft sich die Problematik an, ob das Weltrechtsprinzip für solche Verfahren nutzbar zu machen ist. Diese Fragen hat der Verfasser schon an anderer Stelle, allerdings bezogen auf Klagen gegen natürliche Personen, erörtert.1096 Es wird hier deshalb nicht alles wiederholt, was dort gesagt wurde, sondern auf die dortigen Ergebnisse verwiesen und, wo nötig, werden Ergänzungen und Vertiefungen vorgenommen.

II. Das Weltrechtsprinzip im Strafrecht 1. Herkunft und Bedeutung Das Weltrechtsprinzip hat sich in bezug auf die staatliche Strafverfolgung entwickelt. Für die Reichweite der nationalen Strafgewalt existieren allgemein anerkannte Anknüpfungspunkte. Am gewichtigsten ist dabei das Territorialitätsprinzip, wonach ein Staat seine Strafgerichtsbarkeit auf solche Taten erstrecken kann, die auf seinem Staatsgebiet stattfinden. Daneben haben sich noch das Personalitäts- und das Auswirkungsprinzip etabliert. Nach 1096

Köster, Schadensersatzansprüche, S. 239 ff.

II. Das Weltrechtsprinzip im Strafrecht

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dem Personalitätsprinzip, das sich in ein aktives und ein passives aufgliedern läßt, kann ein Staat seine Strafgerichtsbarkeit über solche Taten erstrecken, deren Täter (aktives) oder Opfer (passives) ein eigener Staatsangehöriger ist, gleichwohl die Tat aber auf einem fremden Territorium begangen wurde. Sind die eben genannten Anknüpfungspunkte nicht gegeben, wirkt sich die Tat aber auf den Gerichtsstaat aus, so genügt das nach dem Auswirkungsprinzip ebenfalls für die Erstreckung der Strafgerichtsbarkeit.1097 Liegen diese Anknüpfungspunkte nicht vor, so wird die Ausübung der Strafgewalt als völkerrechtswidrig angesehen.1098 Aus der souveränen Gleichheit der Staaten ergibt sich, daß sie sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen dürfen.1099 Um ihre Regelungs- und Gerichtshoheit auch auf Sachverhalte mit Auslandsbezug erstrecken zu können, bedarf es deshalb einer ausreichenden Verbindung (genuine link).1100 Die eben genannten Anknüpfungspunkte stellen diese Verbindung zum Gerichtsstaat her. Für eine eng umrissene Anzahl von Straftaten ermöglicht nun das Weltrechtsprinzip, die Strafgewalt ohne das Vorliegen dieser Anknüpfungspunkte auf Auslandssachverhalte zu erstrecken. Dazu zählen einmal die Völkerstraftaten im engeren Sinne, also Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, als auch Völkerstraftaten im weitern Sinne, wie etwa Folter, Flugzeugentführung und Geiselnahme.1101 Die Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips ergibt sich dabei entweder aus Gewohnheitsrecht1102 oder schon aus dem Vertragsrecht1103. Für die hiesige Erörterung ist nun interessant, was es bedeutet, wenn ein Staat seine Strafgewalt mittels des Weltrechtsprinzips auf solche Auslandstaten erstreckt. Es ermöglicht zunächst die Zuständigkeit der Strafgerichte für diese Taten zu begründen. Im Strafrecht ist dies aber gleichbedeutend 1097 Diese Anknüpfungspunkte sind beispielhaft in §§ 3, 5 und 7 des deutschen StGB aufgeführt. Siehe zu den einzelnen Anknüpfungspunkten näher Lowe, Jurisdiction, S. 342–348. 1098 Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 322 f., Rz. 91 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 780 § 1184. 1099 Fastenrath, Möglichkeiten und Grenzen repressiven Menschenrechtsschutzes, S. 383; Gärditz, Weltrechtspflege, S. 123; Reydams, Universal Jurisdiction, S. 27. 1100 Donovan/Roberts, Universal Civil Jurisdiction, 100 Am. J. Int’l L. 142 f. (2006); Köster, Schadensersatzansprüche, S. 240 f.; Wang, Strafanspruch, S. 80 f.; ausführlicher Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 115 ff. 1101 Köster, Schadensersatzansprüche, S. 243. 1102 Wie zum Beispiel bei Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit; siehe dazu Bassiouni, Universal Jurisdiction for International Crimes, 42 Va. J. Int’l L. 81, 119, 121 f. (2001). 1103 Siehe zum Beispiel Art. 5 II UNFolterK, Art. 129 III GK III, Art. 146 II GK IV. Fastenrath, Möglichkeiten und Grenzen repressiven Menschenrechtsschutzes, S. 380 f.; Rau, Ende der Weltrechtspflege?, HumVR 2003, 212, 214.

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D. Anwendung des Weltrechtsprinzips

mit der Anwendung des eigenen materiellen Strafrechts. Also ermöglicht das Weltrechtsprinzip einem Staat auch ohne Anknüpfungsmomente solche Taten mit seinem eigenen Strafrecht zu ahnden.1104 2. Völkerrechtliche Begründung des Weltrechtsprinzips Der Zweck des Weltrechtsprinzips liegt in der Erleichterung der Verfolgung der genannten Straftaten.1105 Denn wenn ein Staat, der nach den regulären Anknüpfungspunkten zuständig wäre, keine Strafverfolgung durchführen kann oder will, bleibt noch die Möglichkeit der Aburteilung des Täters in einem Staat, zu dem kein genuine link besteht. Das Weltrechtsprinzip wird häufig mit dem besonderen Charakter der in den Strafnormen zum Ausdruck kommenden völkerrechtlichen Verboten begründet. Diese Verbote schützen grundlegende Menschenrechte. Der Schutz dieser Rechte ist eine Angelegenheit der ganzen Staaten- und Völkerrechtsgemeinschaft. Die besondere Bedeutung dieser Normen ergibt sich auch aus ihrem zwingenden Charakter (ius cogens).1106 Ihre Einhaltung ist eine Verpflichtung erga omnes, besteht also gegenüber der ganzen Staatengemeinschaft, nicht nur gegenüber den unmittelbar betroffenen. Verletzt jemand diese Normen, dann richtet sich seine Tat gegen die gesamte Völkerrechtsgemeinschaft.1107 Deshalb werden die Täter mitunter auch als hostes humani generis, also als Feinde der gesamten Menschheit bezeichnet.1108 Da die Durchsetzung dieser Normen eine Angelegenheit aller Staaten darstellt und jeder Staat von so einer Tat betroffen ist, verletzt die Strafverfolgung auch ohne traditionelle Anknüpfungspunkte nicht die Souveränität anderer Staaten.1109 Sie stellt keine Einmischung in deren inneren Angelegenheiten dar, da es auch eine Aufgabe des verfolgenden Staates ist. 1104 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 333; Bungenberg, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung, AVR 39 (2001), 170, 183. Für das deutsche Strafrecht siehe Wang, Strafanspruch, S. 6. Vgl. auch Kreß, Weltrechtspflegeprinzip, ZStW114 (2002), 818, 830 f. 1105 Vgl. Gärditz, Weltrechtspflege, S. 292. 1106 Vgl. Fastenrath, Möglichkeiten und Grenzen repressiven Menschenrechtsschutzes, S. 383 f. 1107 Bungenberg, Extraterritoriale Strafrechtsanwendung, AVR 39 (2001), 170, 191 f.; Randall, Universal Jurisdiction under International Law, 66 Tex. L. Rev. 785, 329 ff. (1988). 1108 Siehe dazu schon oben B.IV.2.b)bb) bezüglich der Piraterie; Bassiouni, Universal Jurisdiction for International Crimes, 42 Va. J. Int’l L. 81, 96 (2001); Köster, Schadensersatzansprüche, S. 244. 1109 Fastenrath, Möglichkeiten und Grenzen repressiven Menschenrechtsschutzes, S. 384 spricht bezüglich der Verfolgung solcher Taten von einer internationalen Angelegenheit.

III. Völkerrechtliche Grenzen der Zivilgerichtsbarkeit

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Das Weltrechtsprinzip ist nicht unumstritten. Insbesondere dann, wenn es um Verfahren gegen Regierungspersonen geht, regt sich Protest. Deutlichstes Beispiel ist die Kritik der USA an der Anwendung eines belgischen Gesetzes, das die Verfolgung von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach diesem Prinzip ermöglichte. Aufgrund des großen außenpolitischen Drucks hatte Belgien das Gesetz wieder abgeschafft.1110 Aber hier spielten auch Immunitätsfragen eine Rolle, die inhaltlich vom Weltrechtsgrundsatz zu trennen sind. Trotz dieses negativen Beispiels existiert das Weltrechtsprinzip. Gesetze in anderen Staaten, insbesondere auch das deutsche Völkerstrafgesetzbuch1111, die eine Strafverfolgung nach dem Weltrechtsprinzip ermöglichen, belegen dies.1112 Nach wie vor umstritten ist aber, ob das Weltrechtsprinzip auch die strafrechtliche Verfolgung eines Täters ermöglicht, der sich nicht auf dem Territorium des Gerichtsstaates aufhält.1113

III. Völkerrechtliche Grenzen der Zivilgerichtsbarkeit Zwischen Straf- und Zivilverfahren besteht ein wichtiger Unterschied: Aus der internationale Zuständigkeit der Zivilgerichte eines Staates folgt nicht automatisch auch die Anwendung dessen materiellen Zivilrechts.1114 Bei Sachverhalten mit Auslandsbezügen können die Gerichte nach den jeweiligen Bestimmungen des internationalen Privatrechts (IPR) auch verpflichtet sein, das materielle Zivilrecht eines anderen Staates anzuwenden.1115 Man muß hier also – wie es im englischen Sprachgebrauch ausgedrückt wird – die jurisdiction to adjudicate und die jurisdiction to prescribe eines Staates unterscheiden.1116 Fraglich ist, ob die staatliche Zivilgerichtsbarkeit denselben völkerrechtlichen Begrenzungen unterfällt, wie die Strafgerichtsbarkeit. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Sie reichen sowohl für die Frage der internationalen Zuständigkeit als auch für die Problematik der Anwendung des 1110

Rau, Ende der Weltrechtspflege?, HumVR 2003, 212 m. w. N. BGBl. 2002 I, 2254. 1112 Siehe dazu Kreß, Weltrechtspflegeprinzip, ZStW 114 (2002), 818, 835 und Rau, Ende der Weltrechtspflege?, HumVR 2003, 212, 214 m. w. N. 1113 Kreß, Weltrechtspflegeprinzip, ZStW 114 (2002), 818, 848. 1114 Vgl. De Schutter, Total et Unocal, AFDI 2006, 55, 79. 1115 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 220 f. 1116 Siehe zur Unterscheidung der verschiedenen Jurisdiktionsarten American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, § 401 und Lowe, Jurisdiction, S. 337. 1111

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D. Anwendung des Weltrechtsprinzips

materiellen Zivilrechts von der völligen Ablehnung1117 irgendwelcher Beschränkungen bis zu der Annahme ähnlich strenger oder gar derselben Anknüpfungserfordernisse wie bei der Strafgerichtsbarkeit1118.1119 Aus der Staatenpraxis Begrenzungen herauszufiltern, wurde auch schon mit dem Versuch verglichen, „Pudding an die Wand zu nageln“.1120 Das Unmögliche soll hier nicht versucht werden. Wenn man allerdings die Staaten als völlig frei ansieht, ihre Zivilgerichtsbarkeit auch auf Auslandssachverhalte zu erstrecken, erübrigt sich auch die Frage der Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren. Um aber die Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips diskutieren zu können, soll hier die Existenz von völkerrechtlichen Grenzen angenommen werden, auch wenn deren genauen Umrisse hinter einer Nebelwand1121 verbleiben müssen.1122

IV. Zuständigkeitsbegründung in den ATCA-Verfahren Die ATCA-Verfahren in den USA werden häufig pauschal als Beispiele der Anwendung des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren genannt.1123 Hier lohnt sich aber ein differenzierter Blick auf diese Verfahren, der insbesondere die Unterscheidung der jurisdiction to adjudicate zu der to prescribe berücksichtigt. 1117 So z. B. Akehurst, Jurisdiction in International Law, BYIL 46 (1972–73), 145, 177; Schack, Internationale Zuständigkeit und Inlandsbeziehung, S. 505 f. 1118 Mann, Jurisdiction, RdC 111 (1964 I), 1, 73; American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, § 403, Comment lit. f. (S. 247), § 421, Comment lit. b. (S. 306); Ramsey, International Law Limits on Investor Liability in Human Rights Litigation, 50 Harv. Int’l L. J. 271, 284, 294 f. (2009). 1119 Für vermittelnde Ansichten siehe: für die internationale Zuständigkeit z. B. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozeßrecht, S. 11 f., Rz. 26; für das IPR z. B. Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 15; Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 51 f.; Ziegenhain, Genuine-Link, S. 99 f. 1120 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 182; vgl. auch Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, S. 15. 1121 Vgl. Schröder, Internationale Zuständigkeit, S. 766. 1122 Siehe dazu auch Grothe, Exorbitante Gerichtszuständigkeiten, RabelsZ 58 (1994), 686, 691 f. 1123 Bates, State Immunity for Torture, 7 Hum. Rts. L. Rev. 651, 666 (2007); Bianchi, International Law and US Courts, EJIL 15 (2004), 751, 777; Bradley, Universal Jurisdiction and U. S. Law, 2001 U. Chi. Legal F. 323, 342 (2001); Kontorovich, Implementing Sosa v. Alvarez Machain: What Piracy Reveals About the Limits of the Alien Tort Statute, 80 Notre Dame L. Rev. 111, 124 (2004); Nagy, Postapartheid Justice, 40 Law & Soc’y Rev. 623 (2006); Nolte, Das Weltrechtsprinzip in Zivilverfahren, S. 848, 850; Rau, Ende der Weltrechtspflege?, HumVR 2003, 212, 214; van der Vyver, Torture as a Crime Under International Law, 67 Alb. L. Rev. 427, 435 (2003).

IV. Zuständigkeitsbegründung in den ATCA-Verfahren

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Im Rechtssystem der USA ergibt sich die internationale Zuständigkeit in Zivilverfahren aus der sogenannten personal jurisdiction über den Beklagten.1124 Nur wenn der Beklagte über gewisse Mindestbeziehungen zu den USA verfügt, kann er vor ihren Gerichten verklagt werden.1125 Das gilt für natürliche ebenso wie für juristische Personen.1126 Diese personal jurisdiction muß auch in ATCA-Verfahren gegeben sein, damit die Zuständigkeit über einen bestimmten Beklagten begründet werden kann.1127 Hier sei nochmals daran erinnert, daß der ATCA als Zuständigkeitsnorm lediglich die sachliche Zuständigkeit der Bundesgerichte regelt1128, nicht aber die personal jurisdiction und damit nicht die internationale Zuständigkeit. Bisher haben die amerikanischen Bundesgerichte in keinem ATCA-Verfahren die personal jurisdiction bejaht, in dem der Beklagte, sei es eine natürliche Person oder ein Unternehmen, nicht über Minimalkontakte zu den USA verfügte. Dabei stützen sie sich neben regulären und völkerrechtlich unbedenklichen Gerichtsständen, wie dem regulären Aufenthaltsort oder Wohnsitz der beklagten natürlichen Person1129 oder der eigenen Staatszugehörigkeit eines Unternehmens1130, auch auf sogenannte beziehungsarme oder exorbitante Gerichtsstände, aber gerade nicht auf völlig beziehungslose. Die exorbitanten Gerichtsstände beruhen auf nur losen Kontakten des Beklagten zum Gerichtsstaat.1131 Ein gutes Beispiel dafür ist die im common law gebräuchliche tag oder transient jurisdiction für natürliche Personen. Danach genügt zur Begründung der personal jurisdiction die Klagezustellung an einen sich auch nur kurzzeitig – zum Beispiel auf der Durch1124 Schack, Zivilprozeßrecht, S. 23 f.; Schack, Internationale Zuständigkeit und Inlandsbeziehung, S. 500; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, S. 162. 1125 Kane, Civil Procedure, S. 48; T. Köster, Forum Shopping, S. 38; Lange/ Black, Zivilprozeß, S. 24. 1126 Bezüglich Unternehmen siehe Müller, Gerichtspflichtigkeit, S. 19. 1127 Siehe z. B. Kadic v. Karadzic, 70 F.3d 232, 246 f. (2nd Cir. 1995); Presbyterian Chruch of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 329 (S. D. N. Y. 2003); Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88, 94 (2nd Cir. 2000); ZiaZarifi, Multinational Corporations, 4 UCLA J. Int’l L. & Foreign Aff. 81, 124 (1999). 1128 s. o. B.III.5.b)aa). 1129 Köster, Schadensersatzansprüche, S. 242. 1130 Der Begriff der Staatszugehörigkeit entspricht für juristische Personen demjenigen der Staatsangehörigkeit für natürliche Personen. In den USA wird die Staatszugehörigkeit eines Unternehmens nach der Gründungstheorie bestimmt. Danach besitzt ein Unternehmen die Staatzugehörigkeit des Staates, nach dessen Recht das Unternehmen gegründet wurde. Siehe dazu Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, S. 334 f., Rz. 21 f. u. American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, § 421 Abs. 2, lit. (e). 1131 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 221 f.

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D. Anwendung des Weltrechtsprinzips

reise – im Gerichtsbezirk aufhaltenden Beklagten, ganz unabhängig von seinem sonstigen Wohnsitz oder regulärem Aufenthalt.1132 Für ausländische Unternehmen ist in den USA zum Beispiel der Gerichtsstand des doing business relevant. Danach kann über eine ausländische Gesellschaft die Gerichtsbarkeit begründet werden, wenn sie geschäftlich in den USA tätig ist.1133 Sowohl die tag jurisdiction als auch der Gerichtsstand des doing business ermöglichen die Ausübung der Zivilgerichtsbarkeit auch über solche Sachverhalte, die sonst keine Berührung zu den USA haben (sog. general jurisdiction im Gegensatz zur specific jurisdiction, die die Gerichtsbarkeit nur über solche Sachverhalte ermöglicht, die sich aus den Kontakten des Beklagten zum Gerichtsstaat entwickelt haben).1134 Wie eng diese Geschäftskontakte und wie dauerhaft und systematisch1135 sie sein müssen, um die general jurisdiction zu rechtfertigen, wird von den amerikanischen Gerichten unterschiedlich entschieden.1136 Im ATCA-Verfahren gegen das kalifornische Unternehmen Unocal1137 hat ein District Court die Klage gegen das ebenfalls beklagte französische Unternehmen Total abgewiesen, da keine ausreichenden Geschäftskontakte zu den USA bestanden. Zwar war Total vertraglich mit Unocal in dem Pipelineprojekt in Burma verbunden, aber weder diese vertragliche Beziehung noch die Existenz von Tochtergesellschaften der französischen Total in den USA reichten zur Begründung der personal jurisdiction aus.1138 Hingegen haben New Yorker Bundesgerichte in dem Verfahren Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co. die Zuständigkeit über den beklagten englisch-niederländischen Konzern für sein Verhalten in Nigeria bejaht. Der Konzern ließ seine Aktien auch an der New Yorker Börse handeln. Das allein wurde zur Begründung der general jurisdiction als noch nicht ausreichend angesehen.1139 Aber das von dem Konzern zusätzlich in New York unterhaltene Investor Relations Büro zur Pflege der Beziehungen zu amerikanischen Investoren stellte den nötigen Bezug zur Begründung der Zuständigkeit her.1140 1132

Lehmann, Zivilrechtliche Ansprüche, S. 271; American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, § 421 Abs. 2, lit. (h); Köster, Forum Shopping, S. 39. 1134 Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 43 f., Rz. 130, 133 f.; Müller, Gerichtspflichtigkeit, S. 57 (bzgl. doing business); Ziegenhain, Genuine-Link, S. 231 f. 1135 Siehe dazu auch Müller, Gerichtspflichtigkeit, S. 21 ff. 1136 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, S. 286; Ziegenhain, Genuine-Link, S. 232. 1137 Siehe dazu oben B.III.5.b)aa). 1138 Doe I v. Unocal Corp., 27 F.Supp.2d 1174, 1186, 1188, 1190 (C. D. Cal. 1998). 1139 226 F.3d 88, 97 (2nd Cir. 2000). 1140 226 F.3d 88, 99 (2nd Cir. 2000). 1133

V. Materielles Recht in den ATCA-Verfahren

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Bezüglich des Weltrechtsprinzips ergibt sich aus der vorstehenden Betrachtung folgendes: Da sich im US-Recht die internationale Zuständigkeit der Zivilgerichte aus der personal jurisdiction über den Beklagten ergibt, haben die US-Gerichte in den ATCA-Verfahren zur Begründung ihrer internationalen Zuständigkeit bisher nicht das Weltrechtsprinzip angewandt, da zumindest minimale Kontakte der Beklagten zu den USA vorhanden waren. Allerdings werden exorbitante Gerichtsstände zumindest als unerwünscht1141, teilweise sogar als völkerrechtswidrig angesehen. So wird beispielsweise die Anwendung der tag jurisdiction als ein Völkerrechtsverstoß gewertet, da der nur kurzzeitige Aufenthalt im Gerichtsstaat als ungenügender Anknüpfungspunkt für die Gerichtsbarkeit angesehen wird.1142 Das Gleiche müßte dann auch für den Gerichtsstand des doing business bei Unternehmen gelten, wenn die Zuständigkeit auf nur ganz minimalen Geschäftskontakten zum Gerichtsstaat beruht.1143

V. Materielles Recht in den ATCA-Verfahren Zur materiellrechtlichen Problematik der ATCA-Verfahren wurden schon einige Ausführungen gemacht.1144 Nach der einen von den US-Gerichten verfolgten Variante ergibt sich die unmittelbare Anspruchsgrundlage für das Schadensersatzbegehren aus demjenigen nationalen Recht, das durch die nationalen Kollisionsnormen bestimmt wird. Nach dem Kollisionsrecht der USA, ebenso wie nach dem der meisten anderen Staaten, wird bei Delikten in der Regel das Recht desjenigen Staates angewendet, auf dessen Gebiet sich das Delikt ereignet hat (lex loci delicti).1145 Unter dem Gesichtspunkt möglicher völkerrechtlicher Grenzen der materiellen Rechtsanwendung, ist die Entscheidung eines Deliktsfalles nach dem Tatortrecht unproblematisch. Das Territorialprinzip stellt das grundlegende Jurisdiktionskonzept dar. Wenn der Gerichtsstaat einen Deliktsfall nicht nach seinem eigenen Recht beurteilt, sondern nach demjenigen des Tatortstaates, respektiert er dessen Nähebeziehung zu dem Delikt.1146 1141

Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, S. 74 f., Rz 195. American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, § 421, Comment lit. e. (S. 307); Ziegenhain, Genuine-Link, S. 237. 1143 Vgl. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, S. 148, Rz. 409. 1144 s. o. C.I. 1145 Lehmann, Zivilrechtliche Ansprüche, S. 280; im Ergebnis ebenso Filártiga v. Peña-Irala, 577 F.Supp. 860, 863 f. (D. C. N. Y. 1984) und In re Estate of Ferdinand E. Marcos Human Rights Litigation, 978 F.2d 493, 496 Fn. 4, 503 (9th Cir. 1992) mit Verweis auf ein Urteil des District Courts von Hawaii aus 1991. 1146 Vgl. Filártiga v. Peña-Irala, 630 F.2d 867, 885 (2nd Cir. 1980). 1142

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D. Anwendung des Weltrechtsprinzips

Nach der anderen, insbesondere auch vom US Supreme Court vertretenen Variante1147 soll die Anspruchsgrundlage in ATCA-Verfahren im federal common law der USA vom Richter geschaffen werden. Daraus ergibt sich auch für im Ausland stattgefundene Menschenrechtsverletzungen zumindest für die unmittelbare Anspruchsgrundlage eine Anwendung von US-amerikanischem Recht. In diesem Fall nehmen die USA die jurisdiction to prescribe in Anspruch. Wenn man nun völkerrechtliche Grenzen auch für die Anwendung des materiellen Zivilrechts auf Auslandssachverhalte bejaht, ist diese Anwendung von US-Recht problematisch, wenn – abgesehen von den Minimalkontakten im Rahmen der personal jurisdiction – bei den Streitparteien keine weiteren Verbindungen zu den USA bestehen.1148 In einigen ATCA-Verfahren haben US-Bundesgerichte im Zusammenhang mit der jurisdiction to prescribe auf das Weltrechtsprinzip hingewiesen. Nähere Ausführungen dazu wurden aber nicht gemacht. Es unterblieb auch eine genauere Prüfung, ob im konkreten Fall zur Anwendung von materiellem Recht der USA der Rückgriff auf das Weltrechtsprinzip notwendig ist.1149

VI. Nutzen des Weltrechtsprinzips im Zivilverfahren 1. Für die internationale Zuständigkeit Entsprechend der Wirkung des Weltrechtsprinzips im Strafverfahren könnte man in einem Zivilverfahren die internationale Zuständigkeit ganz ohne Anknüpfungspunkte der Parteien oder des Sachverhalts zum Gerichtsstaat begründen. Das ist allerdings nicht sinnvoll. Je mehr Staaten das Weltrechtsprinzip in ihrem zivilgerichtlichen Zuständigkeitsrecht akzeptieren würden, umso größer wäre für den Beklagten die Gefahr einer uferlosen Ausweitung der Zivilgerichtsbarkeit. Anders als im Strafverfahren erfolgt die Einleitung eines Zivilverfahrens durch den privaten Kläger. Er könnte also frei entscheiden, in welchem Staat er ein Schadensersatzverfahren einleiten wollte. Der Beklagte sähe sich diesem Verfahren in einem fremden Staat ausgesetzt, zu dem er keinerlei Beziehung hat, inklusive der ganzen Komplikationen, die eine Verfahrensdurchführung aus der Ferne mit sich bringt.1150 Hier würden sich auch wieder menschenrechtliche Probleme bezüglich der Fairneß solcher Verfahren ergeben. 1147

s. o. C.I.2. Siehe dazu ausführlich Ramsey, International Law Limits on Investor Liability in Human Rights Litigation, 50 Harv. Int’l L. J. 271 (2009). 1149 Z. B. Xuncax v. Gramajo, 886 F.Supp. 162, 193 (D. Mass. 1995); Beanal v. Freeport-McMoRan, Inc., 969 F.Supp. 362, 371 (E. D. La. 1997); Presbyterian Chruch of Sudan v. Talisman Energy, Inc., 244 F.Supp.2d 289, 306 (S. D. N. Y. 2003). 1148

VII. Übertragbarkeit des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren

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Das Weltrechtsprinzip kann aber benutzt werden, um die Anwendung exorbitanter Gerichtsstände zu rechtfertigen. Wenn das Weltrechtsprinzip eigentlich die Zuständigkeitsbegründung ganz ohne Forumskontakte ermöglicht, dann erst recht auch Zuständigkeitsbegründungen mit Minimalkontakten. Unter der Wirkung des Weltrechtsprinzips kann man die beziehungsarmen Gerichtsstände nicht mehr als völkerrechtswidrig betrachten. Der nationale Gesetzgeber könnte so für Menschenrechtsverletzungen neue exorbitante Gerichtsstände einführen, oder die Gerichte könnten schon vorhandene beziehungsarme Gerichtsstände großzügiger auslegen und anwenden. Die US-Gerichte könnten etwa entscheiden, daß beim Gerichtsstand des doing business das Handeln von Aktien eines ausländischen Unternehmens an einer US-Börse für die Begründung der personal jurisdiction ausreichend ist. Den Opfern von Menschenrechtsverletzungen würde so die Rechtsdurchsetzung in einem fremden Staat erleichtert, wenn im eigenen eine solche nicht möglich ist. Auch könnten die Staaten bei einer Anwendung des Weltrechtsprinzips bei der Anerkennung ausländischer Urteile, die auf exorbitanten Gerichtsständen beruhen, großzügiger verfahren. Den Opfern würden sich so weitere Vollstreckungsmöglichkeiten bieten.1151 2. Für das anwendbare materielle Recht Im Strafrecht bewirkt das Weltrechtsprinzip auch die Anwendung des materiellen Strafrechts des Gerichtsstaates auf Auslandstaten.1152 Bei entsprechender Anwendung im Zivilverfahren wird die Anwendung des materiellen Rechts des Gerichtsstaates auf die im Ausland stattgefundenen Menschenrechtsverletzungen ermöglicht, ohne daß es zu einer Einmischung in den Souveränitätsbereich anderer Staaten kommt. Die Schaffung von Anspruchsgrundlagen im federal common law der USA in den ATCA-Fällen mit Auslandsbezug wäre dadurch völkerrechtlich unbedenklich.

VII. Übertragbarkeit des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren Im Völkerrecht existiert noch keine spezifische Norm, weder vertragsnoch gewohnheitsrechtlich, die ausdrücklich eine Anwendung des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren ermöglicht. Für eine gewohnheitsrecht1150 1151 1152

Köster, Schadensersatzansprüche, S. 245. Siehe näher dazu Köster, Schadensersatzansprüche, S. 243, 245. s. o. D.II.1.

262

D. Anwendung des Weltrechtsprinzips

liche Bestimmung fehlt eine ausreichende Praxis und Rechtsüberzeugung. In einer gemeinsamen Stellungnahme zum Verfahren Sosa v. AlvarezMachain1153 vor dem US-Supreme Court vertreten aber Australien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich die Ansicht, daß zur Anwendung des Weltrechtsprinzips im Zivilverfahren eine vertragliche oder gewohnheitsrechtliche Erlaubnisnorm notwendig sei. Ansonsten wäre die Anwendung amerikanischen Zivilrechts auf Menschenrechtsverletzungen im Ausland, ohne sonstige Verbindungen zu den USA völkerrechtswidrig.1154 Diese Bedenken haben das Vereinigte Königreich und die Schweiz1155, denen sich auch Deutschland1156 angeschlossen hat, in einem ATCA-Verfahren gegen europäische und amerikanische Unternehmen wegen ihrer Involvierung in das südafrikanische Apartheidregime wiederholt.1157 Gegen dieses Verfahren wendet sich auch die südafrikanische Regierung, weil sie es als einen Eingriff in ihre souveräne Gestaltung des Versöhnungsprozesses nach dem Ende der Apartheid ansieht.1158 Diese Haltung vertritt auch die US-Regierung gegenüber ihren eigenen Gerichten.1159 Es fragt sich aber, ob eine spezifische Norm überhaupt notwendig ist, damit das Weltrechtsprinzip auch im Zivilverfahren angewendet werden kann. Wenn man von der oben (D.II.2.) wiedergegebenen Begründung für das Weltrechtsprinzip ausgeht, verstößt ein Staat nicht gegen das völkerrechtliche Einmischungsverbot, wenn er seine Gerichtsbarkeit über solche Auslandstaten erstreckt, von denen die gesamte Völkerrechtsgemeinschaft be1153

s. o. C.I.2. Brief of the Governments of the Commonwealth of Australia, the Swiss Confederation and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland as Amici Curiae in Support of the Petitioner vom 23.1.2004 (ASU-Brief), S. 6 f., 11, http:// www.sdshh.com/Alvarez/Sosa%20 Brief%20Final.pdf. 1155 Das ergibt sich aus einem Brief des Botschafters des Vereinigten Königreichs an die amerikanische Außenministerin vom 30.1.2008 und einem Aide Memoire der Schweiz vom Dezember 2007, die als Appendix B u. C. dem Brief for the United States as Amicus Curiae in Support of Petitioners (US-Brief) in dem Verfahren American Isuzu Motors, Inc. v. Ntsebeza, 128 S.Ct. 2424 (2008) beigefügt sind, http://www.usdoj.gov/osg/briefs/2007/2pet/5ami/2007-0919.pet.ami.pdf. 1156 Dies wird von dem britischen Botschafter in seinem Schreiben an die amerikanische Außenminitserin ausdrücklich vermerkt. 1157 Siehe zu den Einzelheiten dieses Verfahrens die Entscheidungen In Re: South African Apartheid Litigation, 346 F.Supp.2d 538 (S. D. N. Y. 2004), Khulumani v. Barklay National Bank Ltd., 504 F.3d 254 (2nd Cir. 2007). 1158 Siehe dazu das Schreiben des südafrikanischen Justizministers vom 11.7.2003 an den Richter des US-District Courts im Verfahren In Re: South African Apartheid Litigation, abgedruckt als Appendix B des ASU-Briefs (s. o. Fn. 1154). 1159 US-Brief (s. o. Fn. 1155), S. 12, 19 f. 1154

VII. Übertragbarkeit des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren

263

troffen ist. Mit dieser Begründung kann man auch im Strafrecht auf eine ausdrückliche völkerrechtliche Erlaubnis für die Anwendung des Weltrechtsprinzips verzichten, denn die Erstreckung der Strafgerichtsbarkeit über solche Taten verstößt nicht gegen das Völkerrecht.1160 Das ergibt sich aus dem Umstand, daß die Staaten zur Ausübung ihrer Jurisdiktionsgewalt über Auslandssachverhalte keiner völkerrechtlichen Erlaubnis bedürfen, sondern nur von Verbotsnormen darin beschränkt werden.1161 Das hat im Grundsatz schon der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) in seiner Lotus-Entscheidung von 1927 festgestellt.1162 Die wichtigste Beschränkung liegt im besagten Einmischungsverbot.1163 Wenn aber schon die Durchführung eines Strafprozesses wegen einer alle Staaten betreffenden Tat ohne ausdrückliche völkerrechtliche Erlaubnis durchgeführt werden kann, muß dies erst recht auch für ein Zivilverfahren gelten.1164 In seinen Auswirkungen ist ein Schadensersatzverfahren für den ausländischen Beklagten in der Regel nicht gravierender als ein Strafverfahren. Eine strafrechtliche Verurteilung birgt in sich eine größere moralische und gesellschaftliche Abwertung als ein zivilrechtliches Urteil. Unter Souveränitätsaspekten gilt das Gleiche auch aus der Sicht der nach den traditionellen Anknüpfungsmomenten betroffenen Staaten. Sie sind durch ein Zivilverfahren in einem anderen Staat eher schwächer als durch ein Strafverfahren betroffen1165, da sich im Zivilverfahren zwei private Parteien streiten und das staatliche Gericht nur als eine Art Schiedsrichter auftritt.1166 Im Strafverfahren dagegen tritt der Staat einseitig gegen den Angeklagten auf. Der eben dargestellte Protest einiger Staaten gegen die ATCA-Verfahren ist sicherlich auch zu einem großen Teil durch den Umstand motiviert, daß in den USA punitive damages verhängt werden können, die oft ein Vielfaches der Höhe des einfachen Schadensersatzes erreichen. Dies kann erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen für beklagte Unternehmen haben und infolge dessen für die Arbeitsplatzsituation in denjenigen Staaten, in denen sie tätig sind. So hat die südafrikanische Regierung die Befürchtung geäußert, daß durch die ATCA-Verfahren die Investitionstätigkeit in ihrem Land 1160 Fastenrath, Möglichkeiten und Grenzen repressiven Menschenrechtsschutzes, S. 384 bzgl. der Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 1161 Köster, Schadensersatzansprüche, S. 240 f. 1162 Lotus, Judgement No. 9, PCIJ, Ser. A, No. 10 (1927), S. 19. 1163 Lowe, Jurisdiction, S. 341 f. 1164 van Schaack, Universal Civil Jurisdiction, 99 Am. Soc’y Int’l L. Proc 120 (2005); vgl. v. Unger, Menschenrechte als transnationales Privatrcht, S. 59. 1165 Donovan/Roberts, Universal Civil Jurisdiction, 100 Am. J. Int’l L. 142, 155 (2006). 1166 Vgl. Reydams, Universal Jurisdiction, S. 2 f., Fn. 14.

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D. Anwendung des Weltrechtsprinzips

zurückgehen und damit der wirtschaftliche Aufbau gefährdet werden könnte.1167 Ein Strafverfahren gegen hochrangige Unternehmensmanager hätte dagegen nicht so gravierende wirtschaftliche Konsequenzen, da sie ersetzt werden können. Aber diese Besonderheit des zivilrechtlichen Deliktsrechts eines Staates spricht nicht grundsätzlich gegen die Anwendung des Weltrechtsprinzips im Zivilverfahren. Südafrika ist auch insoweit eine Besonderheit, weil es dort um massenweise Menschenrechtsverletzungen über einen sehr langen Zeitraum geht, so daß sich etwaige Schadensersatzansprüche sehr stark kumulieren. In den anderen gegen Unternehmen gerichteten ATCA-Verfahren geht es um sehr viel überschaubarere Opfergruppen. Man muß auch berücksichtigen, daß eine Verurteilung zu punitive damages, nur sehr schwer in anderen Staaten anerkannt und vollstreckt werden kann.1168 Bezüglich des Apartheid-Verfahrens in den USA stehen diese Überlegungen sowieso unter dem Vorbehalt, daß den Unternehmen überhaupt eine Beteiligung an Völkerrechtsverstößen nachgewiesen werden kann, die dem Weltrechtsprinzip unterfallen. Als Begründung für das Weltrechtsprinzip im Strafrecht wurde oben (D.II.2.) auch angeführt, daß die Durchsetzung der betreffenden völkerrechtlichen Normen eine Angelegenheit jedes Staates ist. Ein Schadensersatzverfahren wegen Verletzung von Menschenrechten läßt sich ebenfalls in diesem Zusammenhang betrachten. Auch wenn der private Kläger eigene Vermögensinteressen geltend macht, bewirkt eine Verurteilung des Verletzers zugleich eine Durchsetzung der völkerrechtlichen Menschenrechtsnorm.1169 Beide Momente können durchaus zusammenfallen. Der Staat stellt seine Zivilgerichtsbarkeit zur Verfügung, damit das Opfer der Menschenrechtsverletzung sein Recht und damit ein Teil der Völkerrechtsordnung durchsetzen kann. Das klagende Opfer handelt im Zusammenspiel mit der staatlichen Gerichtsbarkeit auch in einer objektiven Funktion. Wie das Strafrecht können auch Schadensersatzverfahren abschreckende Wirkung haben und so potentielle Täter von Menschenrechtsverletzungen abhalten.1170 Das gilt umso stärker je mehr mögliche Staaten dem Opfer zur Durchsetzung seiner Rechte zur Verfügung stehen. Im Sosa-Verfahren hat neben den drei genannten Staaten auch die Europäische Kommission eine Stellungnahme abgegeben.1171 Darin spricht sie 1167

ASU-Brief, Appendix B (s. o. Fn. 1154 u. 1158), S. 15a f. Siehe zur deutschen Rechtslage BGHZ 118, 312. 1169 Stephens, Translating Filártiga, 27 Yale J. Int’l L. 1, 51 (2002); van Schaack, In Defense of Civil Redress, 42 Harv. Int’l L. J. 141, 156 (2001). 1170 Donovan/Roberts, Universal Civil Jurisdiction, 100 Am. J. Int’l L. 142, 154 (2006); van Schaack, In Defense of Civil Redress, 42 Harv. Int’l L. J. 141, 157 f. (2001). 1168

VII. Übertragbarkeit des Weltrechtsprinzips auf Zivilverfahren

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sich dafür aus, daß die USA auch in ATCA-Verfahren bei Fehlen traditioneller Anknüpfungspunkte ihre jurisdiction to prescribe nur über solche Völkerrechtsverletzungen ausübt, die im strafrechtlichen Bereich dem Weltrechtsprinzip unterfallen.1172 Sie hält also eine Anwendung des Weltrechtsprinzips im Zivilverfahren, zumindest bei der Frage des anwendbaren materiellen Rechts für möglich, weist aber gleichzeitig auf die ungesicherte Existenz des zivilrechtlichen Weltrechtsprinzips im Völkerrecht hin.1173 Neben der Kommission sieht auch das amerikanische Restatement des Foreign Relations Law das Weltrechtsprinzip im Zivilverfahren für anwendbar an.1174 Neben dem Fehlen einer ausdrücklichen völkerrechtlichen Regelung wird gegen das zivilrechtliche Weltrechtsprinzip auch der Umstand vorgebracht, daß in der Zivilgerichtsbarkeit ein Privater ein Verfahren einleiten kann. Bei der Strafverfolgung wird ein Verfahren in der Regel von einer staatlichen Behörde eingeleitet, die über ein gewisses Ermessen verfügt. Dabei können auch außenpolitische Erwägungen berücksichtigt werden. Der Staat kann so Verwicklungen mit anderen Staaten vermeiden. Ein privater Kläger muß sich über solche Fragen keine Gedanken machen.1175 Aber darin liegt gerade die Stärke der Durchsetzung von Menschenrechten durch Schadensersatzverfahren. Sie führt zu einer gewissen Emanzipierung des Opfers vom Staat, denn die Initiative zur Durchsetzung seiner Rechte geht von ihm aus. Außerdem muß man berücksichtigen, daß es hier um private Beklagte geht. Das kann zwar auch, wie das Beispiel Südafrika zeigt, zu diplomatischen Verwicklungen führen, aber für die auswärtigen Beziehungen eines Staates sind zivilrechtliche Klagen Privater gegen andere Staaten ungleich bedrohlicher. Jedenfalls im anglo-amerikanischen Rechtskreis existieren auch zivilprozessuale Rechtsinstitute, wie das forum non conveniens oder die political questions doctrine, die eine flexible Klageabweisung unter Berücksichtigung zahlreicher widerstreitender Interessen ermöglichen.1176 Und in Staaten, die solche Institute bisher nicht kennen, könnten sie durch den Gesetzgeber eingeführt werden, wenn sie sich dem zivilrechtlichen Weltrechtsprinzip öffnen würden. 1171 Brief of Amicus Curiae the European Commission in Support of Neither Party, 2004 WL 177036 (U. S.). 1172 2004 WL 177036 (U. S.), S. 4, 14. 1173 2004 WL 177036 (U. S.), S. 17. 1174 American Law Institute, Rest. 3rd, Foreign Relations Law of the United States, § 404. 1175 Bradley, Universal Jurisdiction and U. S. Law, 2001 U. Chi. Legal F. 323, 347 (2001). 1176 Siehe dazu Lehmann, Zivilrechtliche Ansprüche, S. 276 f., 279 f. und Donovan/Roberts, Universal Civil Jurisdiction, 100 Am. J. Int’l L. 142, 155 f. (2006).

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D. Anwendung des Weltrechtsprinzips

VIII. Ergebnis Es existieren demnach gute Gründe, das Weltrechtsprinzip auch auf Zivilverfahren anzuwenden, mit den Einschränkungen, die oben (D.VI.1.) bei der Frage der internationalen Zuständigkeit gemacht wurden. Sicherlich bleiben hier noch weitere Probleme zu erörtern, wie etwa die Frage, ob erst Rechtsschutzmöglichkeiten in sachnäheren Staaten zu erschöpfen sind, bevor das Weltrechtsprinzip angewendet werden kann. Dies würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

E. Zusammenfassung und Ausblick Mit der Arbeit sollte herausgefunden werden, ob mit dem vorhandenen völkerrechtlichen Instrumentarium eine menschenrechtliche Verpflichtung privater Unternehmen begründbar ist. Die Frage stellt sich nicht zuletzt wegen zahlreicher Schadensersatzverfahren gegen Unternehmen, die in den USA aufgrund des Alien Tort Claims Act wegen Menschenrechtsverletzungen anhängig gemacht wurden. Die wichtigste Frage ist dabei die unmittelbare Bindung privater Unternehmen an die völkerrechtlich verankerten Menschenrechte. Ausgangspunkt der Überlegung bildet die Feststellung, daß der Kreis der Völkerrechtssubjekte, also der Träger völkerrechtlicher Rechte und/oder Pflichten, nicht abschließend definiert und keineswegs auf Staaten und Regierungsorganisationen beschränkt ist. Wenn sich aus einer Völkerrechtsnorm ergibt, daß durch sie ein nichtstaatlicher Akteur berechtigt und/oder verpflichtet wird, genießt dieser Akteur insoweit Völkerrechtssubjektivität. Die Rechts- oder Pflichtenträgerschaft ist auch unabhängig von völkerrechtlichen Durchsetzungsmechanismen. Private Unternehmen, die als juristische Personen des innerstaatlichen Rechts entstanden sind, werden durch eine Völkerrechtsnorm dann berechtigt oder verpflichtet, wenn die Norm auch an private Akteure adressiert ist und sich aus ihr keine Beschränkung auf natürliche Personen ergibt. Das Völkerrecht kann insoweit auf die innerstaatliche Rechtspersönlichkeit eines Unternehmens zurückgreifen und muß die Frage der grundsätzlichen Rechtsfähigkeit nicht selber regeln. Ausdrücklich verpflichten die völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge, worunter auch die wichtigsten ILO-Konventionen zu rechnen sind, die Vertragsstaaten. Viele der menschenrechtlichen Gewährleistungen können zumindest faktisch von privater Seite und nicht nur durch den Staat beeinträchtigt werden. Die Entwicklung der völkerrechtlichen Schutzpflichten hat zu einer Verpflichtung der Staaten geführt, gegen private Menschenrechtsbeeinträchtigungen durch die Gestaltung der innerstaatlichen Rechtsordnung vorzugehen, wobei ihnen dabei ein gewisser Spielraum zusteht. Damit erfassen die völkerrechtlichen Menschenrechte bereits private Beeinträchtigungen. Die völkerrechtlichen Schutzpflichten sind – begrenzt auf den zivilrechtlichen Bereich – vergleichbar mit der in Deutschland entwickelten Lehre von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte.

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E. Zusammenfassung und Ausblick

Der Text der menschenrechtlichen Verträge läßt eine unmittelbare Bindung Privater offen. Weder gibt es eindeutige Formulierungen die dafür, noch die dagegen sprechen. Eine Ausnahme davon bildet das Sklavereiverbot. Sklaverei kann auch außerhalb eines entsprechenden Rechtsinstituts existieren. Das Verbot ist so formuliert, daß man daraus eine unmittelbare Bindung Privater folgern kann. Durch den engen Zusammenhang der Zwangsarbeit zur Sklaverei gilt das auch für das Zwangsarbeitsverbot. Eine Beschränkung der Bindungswirkung dieser Verbote auf natürliche Personen ist nicht ersichtlich, so daß auch private Unternehmen an sie gebunden sind. Die durch die menschenrechtlichen Verträge geschaffenen internationalen Spruchkörper erörtern die Bedeutung privater Akteure zur Einhaltung der Menschenrechte, daraus läßt sich aber keine über die staatliche Schutzpflichtenkonstellation hinausgehende unmittelbare Bindung Privater an die Menschenrechte entnehmen. Viele westlich orientierte Staaten wenden sich gegen eine unmittelbare völkerrechtliche Bindung privater Akteure im Menschenrechtsbereich. Mit Ausnahme des Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbots ist es deshalb zur Zeit schwierig, eine allgemeine Bindung privater Unternehmen an die völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge zu begründen. Einen Meinungsumschwung in der Völkerrechtsgemeinschaft vorausgesetzt, kann sich zukünftig aber ein anderes Ergebnis ergeben. Das Gleiche gilt grundsätzlich, wiederum mit der Ausnahme des Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbots, auch für die gewohnheitsrechtlich geltenden Menschenrechte. Als weitere Ausnahme im gewohnheitsrechtlichen Bereich muß man die Piraterie behandeln. Dem Völkergewohnheitsrecht kann man ein Verbot der Piraterie entnehmen. Da nur ein Privater Pirat sein kann, richtet sich das Verbot gegen nichtstaatliche Akteure unter Einschluß privater Unternehmen. Den zweiten untersuchten Bereich bildet das Völkerstrafrecht. Dabei ist zunächst einmal zwischen solchen Völkerstrafnormen zu unterscheiden, aus denen sich unmittelbar die Strafbarkeit des Täters ergibt (Völkerstrafrecht i. e. S.) und solchen, die Staaten verpflichten, im innerstaatlichen Recht bestimmte Taten strafbar zu machen (Völkerstrafrecht i. w. S.). Zur ersten Kategorie zählen Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zukünftig vielleicht Aggression. Diese Strafnormen schützen grundlegende Menschenrechte, wie Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum. Aus den Tatbeständen selber, sowie aus der Praxis der Nürnberger Prozesse und des Jugoslawien- und Ruandatribunals ergibt sich eine umfassende Bindung Privater an diese Normen. Für den zukünftigen Aggressionstatbestand kann man das auch annehmen. Allerdings ergibt sich aus den Statuten dieser Tribunale, daß die Strafbarkeit auf natürliche

E. Zusammenfassung und Ausblick

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Personen beschränkt ist. Die Strafnormen lassen sich aber in ein abstraktes Verbot und eine Sanktionierungsnorm aufteilen. Die Sanktionierungsnorm erfaßt nur natürliche Personen, das abstrakte Verbot aber nicht, denn auch der Staat als juristische Person ist daran gebunden. Wenn man beide Argumentationsstränge zusammenfügt, ergibt sich eine Bindung privater juristischer Personen. Das Völkerstrafrecht i. w. S. bindet zunächst einmal die Staaten, entsprechende Strafnormen im nationalen Recht zu schaffen. Es existieren eine ganze Reihe von Verträgen, deren erfaßte Taten grundlegende Menschenrechte beeinträchtigen. Ihnen kann man aber auch eigene völkerrechtliche Verbote der Taten entnehmen. Diese Verbote richten sich gegen Private, da die Taten nicht auf Amtsträger beschränkt sind. Wie beim Völkerstrafrecht i. e. S. lassen sich die Verbote nicht auf natürliche Personen begrenzen, so daß auch private juristische Personen und damit Unternehmen daran gebunden sind. Damit läßt sich eine unmittelbare völkerrechtliche Bindung privater Unternehmen an das Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbot, an das Piraterieverbot, an die Verbote von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sowie an die Verbote aus den relevanten Verträgen des Völkerstrafrechts i. w. S. feststellen. Dieses Ergebnis deckt sich im wesentlichen mit den bisherigen Feststellungen der amerikanischen Gerichte in den ATCA-Verfahren. Aus der unmittelbaren völkerrechtlichen Bindung von Unternehmen ergibt sich die Frage der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit. Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit, die sich auf die Wiedergutmachung der Völkerrechtsverletzung richtet, ist zwischen Staaten gewohnheitsrechtlich verankert. Sie stellt aber einen verallgemeinerungsfähigen Grundsatz dar, der sich aus nationalen Rechtsordnungen als allgemeiner Rechtsgrundsatz gewinnen läßt. Die Staatenverantwortlichkeit stellt insoweit nur eine spezielle Ausformung dieses Grundsatzes dar. Damit verpflichtet er alle Völkerrechtssubjekte, also auch private Unternehmen, wenn sie eine Private bindende Völkerrechtsnorm verletzen. Auf der anderen Seite steht das in seinen Menschenrechten verletzte Opfer, das einen völkerrechtlichen Wiedergutmachungsanspruch gegen das Unternehmen erlangt. Das führt zu einer völkerrechtlichen Rechtsbeziehung zwischen Privaten. Das ist dem Völkerrecht aber nicht unbekannt, wie das Beispiel des UN-Kaufrechts zeigt. Der völkerrechtliche Wiedergutmachungsanspruch ließe sich in einem Schadensersatzverfahren vor einem nationalen Gericht geltend machen, wenn nach der nationalen Rechtsordnung allgemeine Rechtsgrundsätze auch innerstaatlich gelten. Weitere Details der Verantwortlichkeit lassen sich entweder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder durch einen Rückgriff auf das jeweils

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E. Zusammenfassung und Ausblick

anwendbare nationale Recht gewinnen. Die US-Gerichte wenden in den ATCA-Verfahren als unmittelbare Anspruchsgrundlage für das Schadensersatzbegehren allerdings nationales Recht an. Teilweise werden aber die materiellen Maßstäbe dafür dem Völkerrecht entnommen. Die Durchsetzung der menschenrechtlichen Verpflichtungen von Unternehmen vor nationalen Gerichten würde durch die Anwendung des Weltrechtsprinzips auf zivilrechtliche Schadensersatzverfahren erleichtert. Das Weltrechtsprinzip hat sich im strafrechtlichen Bereich entwickelt und ermöglicht die Erstreckung der nationalen Strafgewalt auf Taten und Täter, die sonst keine Beziehung zu dem Gerichtsstaat aufweisen. Dies stellt keinen Eingriff in die Souveränität anderer Staaten dar, weil es sich um Taten handelt, von denen die gesamte Völkerrechtsgemeinschaft betroffen ist (Wirkung erga omnes). Entsprechend wird auch durch ein Schadensersatzverfahren wegen solcher Völkerrechtsverletzungen nicht in die Souveränität eines anderen Staates eingegriffen. Es ist aber nicht sinnvoll die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates in einem Zivilverfahren völlig ohne Beziehung des Sachverhalts oder der beteiligten Personen zu dem Staat zu begründen. Mit dem Weltrechtsprinzip kann man die sogenannten beziehungsarmen (exorbitanten) Gerichtsstände rechtfertigen und ausdehnen. Den Opfern von Menschenrechtsverletzungen stünden so weitere Staaten für die Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen Unternehmen offen. Daneben ermöglicht das Weltrechtsprinzip auch die Anwendung des materiellen Rechts des Gerichtsstaates. Der Gerichtsstaat kann eine Schadensersatzklage wegen einer Menschenrechtsverletzung, die die gesamte Staatengemeinschaft betrifft, nach seinem eigenen materiellen Recht beurteilen und muß keine kollisionsrechtlichen Überlegungen anstellen. Die hier festgestellten direkten menschenrechtlichen Bindungen von Unternehmen mögen auf den ersten Blick von ihrem Umfang her unbefriedigend erscheinen. Sie können aber als Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung dienen. Da es nicht so wahrscheinlich ist, daß auf internationaler Ebene Durchsetzungsmechanismen gegen private Menschenrechtsverletzungen geschaffen werden, bleibt nur die innerstaatliche Durchsetzung. Die US-Gerichte sind in dieser Frage weit vorgedrungen. Es bleibt zu hoffen, daß vermehrt solche Verfahren auch in anderen Staaten durchgeführt werden und die dortigen Richter eine ähnliche Offenheit für diese Problematik entwickeln, wie ihre amerikanischen Kollegen.

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Stichwortverzeichnis A v. United Kingdom (EGMR-Entscheidung) 73 Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker/Afrikanische Menschenrechtskonvention (ACMR) 30, 71–72, 100, 108–109, 117, 119 Aggression 173–176, 178, 247, 268 – Tatbestand 144, 173–174, 177–179, 236–237, 268 – Verbot 182, 184, 237 – Verbrechen der Aggression 144–145, 148, 151, 173–179 Aggressionsdefinition der UN-Generalversammlung 161, 174, 178 Akayesu (ICTR-Entscheidung) 166, 170 Al Qaida 171 Alien Tort Claims Act (ATCA) 22, 49–50, 52–53, 81, 122, 130–131, 137, 139, 185, 193, 203–205, 207– 208, 240, 244, 248, 250, 252, 256– 265, 267, 269–270 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) 26, 56, 79–84, 86, 91, 93, 95, 97, 117, 126, 132–133, 140, 239 Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) 30, 40, 71–72, 74–75, 96–97, 100, 108–109, 114, 116–117, 208, 220, 236, 240 Barcelona Traction (IGH-Entscheidung) 48, 132, 139 Beanal v. Freeport-McMoRan (US Bundesgerichte-Entscheidung) 52 Beschwerdemöglichkeit 40, 91, 96

bewaffneter Konflikt 148, 156, 161, 168, 170, 188, 235–236 – internationaler 156–159, 161–162, 164–165 – nicht-internationaler 156–157, 159, 165–167, 170, 200, 235 Bigio v. Coca-Cola (US Bundesgerichte-Entscheidung) 52 Bundesarbeitsgericht (BAG) 60–61 Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 64, 66–68, 121, 235 Caroline von Hannover v. Germany (EGMR-Entscheidung) 73, 121 cause of action 204–205, 207 chattel slavery 101 Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR) 123, 126 Committee on the Rights of the Child (CRC) 125 Corporate Social Responsibility (CSR) 129 de facto Organ 160 de jure Organ 160 Declaration on Human Social Responsibility 85–86, 127 Diskriminierungsverbot 88, 91 Drittwirkung 59–60, 65, 67, 78, 119 – mittelbare 62–69, 77–78, 122, 126, 131, 267 – unmittelbare 60, 62–63, 66, 68–69, 79, 108, 126 due diligence 74, 76 Europäische Gemeinschaft (EG) 43 Europäische Kommission 264

296

Stichwortverzeichnis

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) 39–40, 70–74, 96–97, 99, 102, 109–110, 114, 121, 208, 236, 240 Europäische Sozialcharta (ESC) 99 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) 40, 72–74, 77, 119, 121, 244 federal common law 206–208, 240, 248, 260–261 Filártiga v. Peña-Irala (US Bundesgerichte-Entscheidung) 50, 137, 194, 206 Flick (US Militärgericht-Entscheidung) 149–150, 162 Folterverbot 71, 73, 75, 99, 123, 133, 196–197, 236, 239 – Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UNFolterK) 58, 71, 141, 188, 194–197, 208, 239 forum non conveniens 265 Frauenrechte, Übereinkommen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (FrauenDisK) 57, 72, 99 Generalprävention 146 Genfer Konventionen (GK I-IV) 131, 146, 155–158, 161–162, 165–167, 182, 186, 188, 198–200, 213, 233– 235 genuine link 253–254 Gewaltverbot 162, 237 Global Compact 22, 87, 90–91, 94 Haager Landkriegsordnung (HLKO) 131, 155, 157, 182, 199, 234–235 Hauptkriegsverbrecher 113, 174–175, 180 hostis humani generis 135, 137, 194 ICC-Statut 103, 144–148, 150–152, 158, 164–168, 170, 173–174, 178– 183, 199–200, 221–223, 240, 246

ICTR-Statut 144, 147–148, 151, 153, 157, 166, 168, 170, 180, 200, 246 ICTY-Statut 144, 147–148, 151, 157, 159, 165, 167–168, 170, 180, 199– 200, 246 I. G.-Farben (US Militärgericht-Entscheidung) 149, 175–176, 184–185 ILC-Artikel über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidirge Handlungen (ILC-Artikel) 209–211, 213, 241–244 ILC-Draft Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind 150, 170, 175–177 ILO Dreigliedrige Grundsatzerklärung über Multinationale Unternehmen und Sozialpolitik (Tripartite Declaration of Principles concerning Multinational Enterprises and Social Policy) 92, 201 ILO-Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit 188 ILO-Übereinkommen über die Zwangsund Pflichtarbeit 110, 114, 194 Individualbeschwerde 30–31, 57–59 Inter Action Council (IAC) 84 Inter-Amerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) 21, 74, 119, 220, 225, 240, 244 international agreement doctrine 36 International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) 36, 40 International Criminal Court (ICC) 144, 151, 173, 177, 181, 198, 218, 221–222, 230–231 International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR) 143, 153, 169, 198, 221 International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia (ICTY) 143, 145, 157–158, 161, 167–169, 172, 221

Stichwortverzeichnis International Governmental Organization (IGO) 25, 212–213, 215 International Labour Conference 112 International Labour Organization (ILO) 22, 55, 58, 93, 99, 112, 114– 115 International Law Commission (ILC) 143, 150, 160, 169, 176–177, 180, 210, 212, 242, 245 International Military Tribunal (IMT) 112–113, 143, 149–150, 163, 174– 175, 178, 180 – IMT-Statut 112–113, 143, 147–148, 167, 180 International Military Tribunal for the Far East (IMTFE) 143, 174–175 International Monetary Fund (IMF) 212 Internationaler Gerichtshof (IGH) 25, 28, 31–32, 48, 94, 132, 151, 159, 162, 236 – IGH-Statut 31, 225, 227, 229 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) 26, 29, 56–57, 70–72, 75, 79, 81, 94–97, 99–101, 107, 109, 114, 116–117, 125, 208, 235, 239 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR) 56–57, 70, 72, 94–95, 99, 123–125 Internationales Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden 41, 48, 53, 223 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung (RassenDisK) 57, 72, 208 ius cogens 254 Iwanowa v. Ford Motor Co. (US Bundesgerichte-Entscheidung) 139 jurisdiction – general 258

– – – – –

297

personal 257–261 specific 258 tag/transient 257–259 to adjudicate 255–256 to prescribe 255, 260, 265

Karadzic (US Bundesgerichte-Entscheidung) 50, 52, 137, 139, 151 Kayishema and Ruzindana (ICTR-Entscheidung) 170, 172 Kinderarbeit 91 – Verbot 58 Kinderrechte, Übereinkommen über die Rechte des Kindes (KinderRK) 58 Koalitionsfreiheit 58, 108 Kontrollratsgesetz Nr. 10 (KRG 10) 143, 148–149, 162, 172, 175–177, 179, 185 Kriegsverbrechen 88, 112–113, 143– 144, 146, 148, 150–151, 155, 157– 159, 161–168, 185, 198–200, 233, 247, 253, 255, 268 – Tatbestand 145, 179 – Verbot 50, 184, 216, 269 Krupp (US Militärgericht-Entscheidung) 149, 175–176 Kupresˇkic´ (ICTY-Entscheidung) 171– 172 law of nations 49, 136, 193, 206 lex loci delicti 259 Lüth (BVerfG-Entscheidung) 64, 66 Makrokriminalität 148 margin of appreciation 77 Meinungsfreiheit 64, 123 multinationale Unternehmen (MNU) 33, 35, 92–93, 201–203 Nationale Kontaktstelle (National Contact Point, NCP) 92 Nicaragua (IGH-Entscheidung) 159, 162

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Stichwortverzeichnis

Non-Governmental Organization (NGO) 91 non-self-executing 130–131 Norms on the responsibilities of transnational corporations and other business enterprises with regard to human rights (UN-Norms) 22, 87–90, 129–130, 201, 203, 250 Ntakirutimana (ICTR-Entscheidung) 154 Nürnberger Prozesse 143, 149, 169, 178, 268 OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen (Guidelines for Multinational Enterprises) 87, 91, 94, 201, 203 Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) 22, 91 Organization of American States (OAS) 40, 86 Parlamentarische Versammlung des Europarates 106 persitent objector 229 Piraterie 134–137, 139, 187, 194, 239, 268 – Verbot 135–138, 140, 268–269 political questions doctrine 265 Presbyterian Church of Sudan v. Talisman (US Bundesgerichte-Entscheidung) 53, 81, 100, 140, 185, 245 Private Military Companies (PMC) 162 Prostitution 106, 115, 187 punitive damages 206 Recht auf Achtung der Privatsphäre 73, 121 Recht auf faires Verfahren 74 Recht auf gleichen Lohn 58, 72 Recht auf Leben 26, 29, 67–68, 71, 74–75, 77, 99, 107, 188, 232, 235– 236, 238–239, 268

Recht auf Privat- und Familienleben 71, 75 Recht zu Kollektivverhandlungen 58, 90 Religionsfreiheit 74 Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung 91 Ruggiu (ICTR-Entscheidung) 153 Schutzpflichten 67, 69–70, 72, 74–80, 87, 96, 100, 106, 111, 119–120, 124–125, 132, 199, 208, 229, 267– 268 schwere Verletzungen der Genfer Konventionen (grave breaches) 146, 157, 161–162, 198, 234 Sendero Luminoso 196 servitude 101 Sklaverei 58, 100–101, 104–107, 109–115, 139, 268 – Übereinkommen betreffend die Sklaverei 58, 100–105, 109–110, 187 – Verbot 71, 100–101, 104, 106–115, 122, 126, 131, 133, 138–140, 194, 231, 235–236, 268 – Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken 58, 109, 187, 194 Sosa v. Alvarez-Machain (US Supreme Court-Entscheidung) 53, 131, 137, 207, 262, 264 Special Working Group on the Crime of Aggression (SWGCA) 173, 177 Staatenbeschwerde 57 Staatenverantwortlichkeit 159, 182– 183, 209–213, 219, 225–227, 242– 243, 245–247, 250, 269 staatliche Bestrafungs- und Verfolgungspflicht 190, 192, 199–200 Stakeholder 89 Sub-Commission on the Promotion and Protection of Human Rights 88, 105

Stichwortverzeichnis Tadic´ (ICTY-Entscheidung) 159, 169–171 Tel-Oren v. Libyan Arab Republic (US Bundesgerichte-Entscheidung) 137, 139 Tesch und Weinbacher (Britisches Militärgericht-Entscheidung) 163 Torture Victim Protection Act (TVPA) 194 Umweltschutz 88, 91 under color of law 248 Unilateral Controlled Latino Assets (UCLA) 162 United Nations (UN) 22, 28, 30, 54, 85, 133, 216 – UN-Ausschuß gegen Folter (Committee against Torture) 196 – UN-Charta 28–29, 56–57, 79–82, 161, 182, 237 – UN-Generalsekretär 22, 89–90, 101, 138, 144 – UN-Generalversammlung 143, 150, 152, 161, 174, 178, 209, 220, 250 – UN-Menschenrechtsausschuß/Human Rights Committee (HRC) 75, 125 – UN-Menschenrechtskommission 22, 81, 84, 88–89, 127–128 – UN-Menschenrechtsrat (Human Rights Council) 127 – United Nations Compensation Commission (UNCC) 237 Universal Declaration of Human Responsibilities 84 Unocal (US Bundesgerichte-Entscheidung) 51–52, 111, 139, 244–246, 258 Unschuldsvermutung 74 Unterlassungstat 146, 242 US Supreme Court 46, 260 US-Verfassung 49, 112 Velásquez Rodríguez (IAGMR-Entscheidung) 74

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Verbraucherschutz 88 Verbrechen gegen die Menschlichkeit 88, 113, 143–144, 148, 150–151, 168–173, 183, 186, 236, 247, 253, 255, 268 – Tatbestand 145, 149, 167, 170, 179 – Verbot 50, 184, 216, 269 Vereinigungsfreiheit 73, 90 Versailler Friedensvertrag 142 Völkermord 88, 144, 147–148, 150– 155, 172, 185–186, 232–233, 247, 253, 255, 268 – Definition 151 – Tatbestand 145, 147, 151, 153–154, 179, 232 – Verbot 50, 133, 151, 182, 184, 216, 233, 269 völkerrechtliche Verantwortlichkeit 76, 124, 159, 183, 209–214, 217, 219–220, 223, 231, 245–246, 251, 269 völkerrechtliches Fremdenrecht 25 Völkerstrafrecht 55, 141–142, 173, 188, 222, 231, 247, 269 Weltrechtsprinzip 23, 135–136, 157, 187, 194, 252, 254–256, 260–261, 264, 266, 270 Wiener Konsularrechtskonvention (WKRK) 31 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVRK) 94 Wiwa v. Royal Dutch Petroleum (US Bundesgerichte-Entscheidung) 244, 258 Xuncax v. Gramajo (US Bundesgerichte-Entscheidung) 208 Zwangsarbeit 51, 110–111, 113, 115, 163, 244, 268 – Verbot 92, 109–110, 114–115, 131, 140, 194, 231, 268