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German Pages 237 Year 1909
Die Verwaltungsrechtswissenschaft Beiträge zur Systematik und Methodik der Rechtswissenschaften
Von
Ludwig Spiegel
Duncker & Humblot reprints
Die Verwaltunggrechtswissenschaft.
Die
Verwaltungsrechtswissenschaft. Beiträge zur Systematik und Methodik der ßechtswissenschafteii. Von
Dr. Ludwig Spiegel, Professor
an der deutschen U n i v e r s i t ä t
in
Prag.
Leipzig, V e r l a g von D un c k e r & 1909.
Humblot.
le R e c h t e
vorbehalte
Altenburg Pierersche Hofbuchdruckeroi Stephan Geibel & Co.
Vorwort. Nonum prematur in annum! Äußere Umstände haben den Verfasser genötigt, sich beinahe wörtlich an den Horazischen Satz zu halten. Vor einem Dezennium wurde die vorliegende Schrift in Angriff genommen und vor acht Jahren war ein großer Teil des Manuskripts bereits niedergeschrieben. Anderweitige unaufschiebbare Arbeiten haben die Veröffentlichung verzögert. Bios die ersten Partien (1—58) sind im Jahre 1904 im Österreichischen Verwaltungsarchiv (1, Iff.) zum Abdruck gelangt. Von einigen freundlichen Worten L a b a n d s (Arch. Öff. R. 19, 623) abgesehen, hat diese Publikation freilich keine literarische Beachtung gefunden. Ich will mich dadurch nicht abschrecken lassen, weil ich von der dringenden Notwendigkeit überzeugt bin, das Problem der Behandlung der Verwaltungsrechtswissenschaft zur Diskussion zu stellen. Allerdings nicht der Verwaltungsrechtswissenschaft allein ! Denn man kann sich über diese keine Klarheit verschaffen, wenn man ihr nicht die richtige Stellung im Rahmen der Rechtswissenschaften überhaupt anweist, und darum ist gerade der Verwaltungsjurist genötigt, sich unablässig mit den Nachbardisziplinen auseinanderzusetzen. Daraus erklärt sich der Untertitel der Schrift, der für die im Osterreichischen Verwaltungsarchiv erschienenen Kapitel allerdings zu anspruchsvoll war. Mußte ich so vielfach Streifzüge in Gebiete unternehmen, die jenseits meines Faches liegen, so habe ich mir doch i n einer anderen Richtung die größte Beschränkung auferlegt.
VI Wenn ich mich auf Gesetze, Verordnungen, Entscheidungen berufen habe, so sind darunter fast ausschließlich Quellen und Dokumente des ö s t e r r e i c h i s c h e n Rechts zu verstehen. Es wäre zwar nicht schwer gewesen, Belegstellen aus dem deutschen Recht zusammenzutragen. Aber eine derartige rein äußerliche Zutat hätte keinen Wert, weil in jenen Fragen, die hier behandelt werden, nur solche Anführungen überzeugend wirken können, die die vollkommene theoretische und praktische Vertrautheit des Verfassers mit einer bestimmten Rechtsordnung erkennen lassen. Der Jurist muß das positive Recht geradeso beherrschen wie seine Muttersprache. I n dieser Hinsicht befürchte ich auch keine Einwendung. Wohl aber muß ich damit rechnen, daß man eben deshalb einem Österreicher die Legitimation absprechen wird, in Fragen der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft das Wort zu ergreifen. So wie man die sprachlichen Eigentümlichkeiten des Deutschösterreichers als „Austriazismen" brandmarkt, so könnte man auch den österreichischen Juristen als Outsider behandeln, dem über Wege und Ziele der deutschen Rechtswissenschaft kein Urteil zustehe. Erst neuestens hat ja ein sehr hervorragender Staatsrechtslehrer diesem Gedanken Ausdruck gegeben: „Zurückhaltung im Urteil — auch auf Juristentagen! — ist hier Pflicht des wissenschaftlichen Taktes und wird immer die Folge wirklicher wissenschaftlicher Einsicht sein." ( Z o r n im Jahrb. Öff. R. 1,58.) Die p r i n z i p i e l l e Berechtigung dieses Vorhalts soll hier nicht erörtert werden. Was aber das V e r w a l t u n g s r e c h t betrifft, so wird es sich auch für die deutsche Wissenschaft als notwendig herausstellen, auf die österreichischen Einrichtungen Bedacht zu nehmen. Gerade in den habsburgischen Ländern hat sich zu Zeiten des alten deutschen Reichs die landesfürstliche Verwaltung am frühesten und kräftigsten entwickelt. Die räumliche Aus-
VII dehnung des Verwaltungsgebiets und die sorgfältige Behandlung jedes einzelnen Details geben der altösterreichischen Verwaltung ihr charakteristisches Gepräge. Und aus dieser Verwaltung sind unsere heutigen Einrichtungen und unser heutiges Verwaltungsrecht erwachsen. Man kann wohl behaupten, daß sich das österreichische Verwaltungsrecht von fremdländischen Elementen am meisten freigehalten hat und daß es darum das urwüchsigste Verwaltungsrecht im Gebiete des alten Reichs ist. Dieser Umstand ist aber von wesentlicher Bedeutung für die wissenschaftliche Behandlung des Verwaltungsrechts. Ein eigentümlicher Zufall hat es gefügt — oder vielleicht war es gerade k e i n Zufall —, daß unsere Disziplin die kräftigsten Impulse aus ElsaßLothringen, also von der französischen Grenze her erhalten hat. O t t o M a y e r s geniales Werk ist für die Bearbeitung verwaltungsrechtlicher Probleme richtunggebend geworden. Nun ist ja die überragende wissenschaftliche Bedeutung des M a y er sehen Verwaltungsrechts über jeden Zweifel erhaben, und unübersehbar sind die Anregungen, die dieses Buch in allen seinen Teilen dem Forscher bietet. Aber trotzdem darf nicht verkannt werden, daß es vielfach französische Rechtsgedanken sind, welche das im Elsaß entstandene und an die französische Rechtswissenschaft sich anlehnende Werk in die Darstellung des deutschen Rechts einführt. Unermüdlich verweist M a y e r auf die französische Jurisprudenz, die uns als leuchtendes Vorbild erscheinen soll. Uns gegen den französischen Fremdkörper zü wehren, der durch O t t o M a y e r in die deutsche Verwaltungsrechtsliteratur gelangt ist, sind nun wir Österreicher in erster Linie berufen. Denn unser Verwaltungsrecht ist deutscher oder — um die paradoxe Wendung zu \^ermeiden — es ist weniger französisch als das des Deutschen Reichs. Darum kann die österreichische Verwaltungsjurisprudenz das wirksamste Gegengewicht schaifen gegen die
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von Frankreich kommenden Einflüsse auf die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft. Auf die zentrale Stellung, welche die May er sehen Schriften in der Literatur einnehmen, ist es zurückzuführen, daß ein großer Teil meiner Arbeit einer Polemik gegen sie gewidmet ist. Leicht könnte sich darum der Leser die Meinung bilden, daß ich die außerordentliche Förderung, welche unsere "Wissenschaft durch O t t o M a y e r erfahren hat, nicht gebührend anerkenne. Diese Meinung wäre irrig. Die Kritik muß immer wortreicher sein als die Zustimmung. Wenn ich auch in vielen wichtigen Punkten einen anderen Standpunkt einnehme, so wtißte ich doch aus der verwaltungsrechtlichen Literatur kein Buch zu nennen, welches mächtiger auf mich gewirkt hätte und eingehender von mir studiert worden wäre, als M a y e r s Verwaltungsrecht. Und darum ist es mir ein Bedürfnis, nach löblichem Fechterbrauch den Gegner zu grüßen, ehe der Waffengang beginnt. P r a g , am 1. März 1909.
L. Spiegel.
Inhaltsverzeichnis. I . Einleitung1
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1—32
Das Verwaltungsrecht als eine aus dem Staatsrecht abgezweigte Rechtsdisziplin. Der moderne Ursprung des Staatsrechts im Gegensatz zur k o n t i n u i e r l i c h verlaufenden Geschichte der verwaltungsrechtlichen Institutionen. Wissenschaftliche Behandlung des öffentlichen Rechts i n der vorrevolutionären Zeit. D i e Reichspublizisten des 18. Jahrhunderts. Subjektivrechtliche Auffassung des Staatsrechts. Die Polizeiwissenschaft. Wandelbarkeit der Verwaltungsrechtsnormen i m Gegensatz zur Konstanz der Privatrechtsordnung. Polizeiwissenschaft und Naturrecht. Geringerer Rechtswert des Yerwaltungsrechts m i t Rücksicht auf die umfassenden Kompetenzen des absolutistischen Landesfürsten. Verwaltungsgesetzkunde und „kreisämtliclie Wissenschaft". Die wissenschaftliche Behandlung des öffentlichen Rechts i m konstitutionellen Staate. Das A u f b l ü h e n des Staatsrechts. D i e verwaltungsfeindliche Tendenz der Rechtsstaatsdoktrin, speziell die Ablehnung der Verwaltungsrechtspflege. D i e praktische Lösung des Problems der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die E i n f ü h r u n g von \ r erwaltungsgerichten. D i e Erfahrungen des konstitutionellen Lebens und i h r Einfluß auf die Bewertung des Verwaltungsrechts. Die Behandlung des Verwaltungsrechtsstoffs i m Staatsrecht und die Schwierigk e i t , die sich dieser Behandlung entgegenstellt. D i e Negierung einer selbständigen Verwaltungsrechtsdisziplin durch die Staatsrechtstheoretiker. Wissenschaftliche Bedeutung des Verwaltungsrechts. Rückständigkeit der verwaltungsrechtlichen Systeme. Monographien verwaltungsrechtlichen Inhalts. Unzureichende Behandlung der allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts.
I I . Staatsrecht und Yerwaltungsrecht Aufgabe des Staatsrechts. Die Lehre vom Staatsgebiet, von den Staatsbürgern, vom Staatsoberhaupt und von der Staatsgewalt. Die Organisation der Staatsgewalt: Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz. D i e gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Zweige der Staatsgewalt von einander und die sich daraus ergebende Schwierigkeit für die staatsrechtliche Darstellung. D i e Aufgabe des Verwaltungsrechts. D e r Staatsbegriff als Ausgangsp u n k t des Staatsrechts, der Verwaltungsbegriff als solcher des Verwaltungsrechts. Selbständigkeit des Verwaltungsrechts i n bezug
33—43
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χ
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auf die A u s w a h l des der Darstellung zugrunde zu legenden Verwaltungsbegriffs u n d i n bezug auf die Behandlung der Verwaltungsorganisation, Verwaltungsgerichtsbarkeit usw. Unmöglichkeit der gleichzeitigen Behandlung der verfassungs- und der verwaltungsrechtlichen Probleme. Unschädlichkeit der Doppelbehandlung der i m Staatsrecht und i m Verwaltungsrecht gleichmäßig auftauchenden Fragen.
I I I . Allgemeines und spezielles Verwaltungsrecht
44—58
A n t e i l der P r a k t i k e r an der literarischen Pflege des Verwaltungsrechts. Vergleich m i t der literarischen Betätigung der P r a k t i k e r auf anderen Rechtsgebieten. D e r Zusammenhang der Rechtsverhältnisse m i t den Erscheinungen des Lebens. Sonderstellung von Rechtsdisziplinen, welche singuläre Zustände oder Verhältnisse behandeln (Handels-, Bergrecht usw.). Vergleich dieser Spezialwissenschaften m i t dem Verwaltungsrecht, welches keine Speziai-, sondern eine das Leben i n seiner T o t a l i t ä t erfassende Wissenschaft ist. Beziehung der verschiedensten Wissenschaften zum Verwaltungsrecht. Vertreter aller F a k u l t ä t e n , Schulen und Disziplinen i m Verwaltungsdienst. U n m ö g l i c h k e i t , alle Wissenschaften, die für das Verwaltungsrecht bedeutsam sind, zu beherrschen. Die K o m p l i z i e r t h e i t des wirklichen Lebens und die daraus resultierenden Anforderungen an den \ r erwaltungspraktiker. Das Spezialistentum i n der Verwaltung. D i e literarische T ä t i g k e i t der Verwaltungspraktiker und ihre Gefahren für die harmonische E n t w i c k l u n g der Gesamtdisziplin des Verwaltungsrechts. Notwendigkeit, die allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts vor a l l e m zu pflegen. Der allgemeine T e i l i m Privatrecht und i m Verwaltungsrecht. Das allgemeine Verw r altungsrecht eine i n sich geschlossene Darstellung von Problemen und keine bloße Propädeutik des Verwaltungsrechts. Vorzugsweise Behandlung eines zentralen Gebiets durch die einzelnen Rechtswissenschaften, insbesondere die Bevorzugung der inneren Verwaltung i n der Verwaltungsrechtsliteratur.
I V . Das Organisationsrecht D i e Verwaltungsorganisation als Gegenstand der Behandlung i m allgemeinen Verwaltungsrecht. Entgegengesetzter Standp u n k t 0 . M a y e r s . Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gesichtspunkte der Verwaltungsorganisation. Aufzeigung dieser Gesichtspunkte i n der Organisation der österreichischen Finanzverwaltung. Verbindung der Finanzverwaltung m i t der politischen Verwaltung. Beginnende Loslösung der Gebührenverwaltung von der Verwaltung der indirekten Steuern. Verfassungsrechtliche Bedeutsamkeit des materiellen Verwaltungsrechts. Darstellung der Behördenorganisation i m Z i v i l - und Strafprozeß, i m Finanz-, Berg-, Konkurs-, Patentrecht usw., i m allgemeinen und speziellen Verwaltungsrecht. Der Verwaltungsbegriff i m Organisationsrecht. Einbeziehung der Gerichtsorganisation. Die Gerichtsorganisation
59—78
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als Zweig der Justizverwaltung. Organisation der parlamentarischen Korporationen. Politisches und Yerwaltungswahlrecht. Wahlorgane. W a h l l e i t u n g und Ämterbesetzung als Tätigkeiten des „fertigen" Staats. Methode der Organisationstheorie. Imperative und produktive F u n k t i o n des Rechts. Deskriptive Darstellung der Ämterorganisation und Ergänzung der deskriptiven Methode durch die statistische. Statistik und Verwaltungsrecht i m absolutistischen Staat und i n der Gegenwart.
Y . Verwaltungsrecht und Prozeßreclit
79—129
Das Administrativverfahren i m Verhältnis zum Z i v i l und Strafprozeß. Privilegierte Stellung des Zivilprozesses i n der Wissenschaft. Zivilprozeß und freiwillige Gerichtsbarkeit. Abhängigkeit des Verfahrens von seinem Gegenstand. Konsequenzen hieraus für den Zivilprozeß und für das Administrativverfahren. Verwaltungsrechtswissenschaft und Prozeßrecht. Notwendigkeit der Untersuchung der allgemeinsten Fragen des Verfahrens. W e r t dieser Untersuchung für den Zivilprozeß und für das Verwaltungsrecht. Unzulässigkeit der Übertragung der zivilprozessualen Grundsätze auf das A d m i n i s t r a t i v verfahren. Eindringen verwaltungsrechtlicher Prinzipien i n den Zivilprozeß. Abhängigkeit der heutigen Verwaltungsrechtstheorie von der Zivilprozeßwissenschaft. Der Mayersche Verwaltungsakt und sein Verhältnis zum zivilgerichtlichen Urteil. Rechtskraft der Verwaltungsakte. Verschiedene Behandlung der Rechtskraftfrage j e nachdem der Verwaltungsakt dem U r t e i l oder den Gerichtsakten überhaupt gegenübergestellt wird. Notwendigkeit einer detaillierten Untersuchung m i t Rücksicht auf die verschiedenartige Bedeutung der einzelnen behördlichen A k t e . Gebundenheit an eine Entscheidung und Präklusion der Behörde infolge Fristablaufs. D i e subjektiven Schranken der Rechtskraft eine Eigentümlichkeit des Zivilprozesses und nicht des Prozesses überhaupt. D i e Tatsachen des Verwaltungslebens und der außergerichtliche Privatrechtsverkehr. D i e Rechtskraft einer E n t scheidung kein Hindernis für Verwaltungsdispositionen. Relative Rechtskraft. Konstitutives U r t e i l und Rechtsu(»staltung i n der Verwaltung. Schiedsspruch und Verwaltungsakt. D i e absolute Rechtskraft i m Zusammenhang m i t den aus der Verwaltung stammenden Prinzipien des modernen Prozeßreclits.
V I . Verwaltungsrecht und Strafrecht Aufgabe der Verwaltungsrechtswissenschaft i n bezug auf das Strafrecht. Strafrecht und K r i m i n a l recht. K r i m i n a l strafrecht und Verwaltungsstrafrecht. Gefängniskunde und Gefangenhausverwaltung. Kriminalpolizei. Moderne Richtung i m Strafrecht. Einengung des Strafrechts zugunsten des Verwaltungsrechts. D i e Möglichkeit des bedingten Straferlasses i m H i n b l i c k auf die moderne Verwaltung.
180—140
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XII
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Y I I . Verwaltungsrecht und Privatrecht. Zivilistische und verwaltungsrechtliche Rechtsanschauung 141—222 Dualismus von Privat- und Yerwaltungsrecht. Die praktische Bedeutung dieser Unterscheidung und das theoretische Problem. Unterscheidung der beiden Rechtsgebiete nach dem in Frage kommenden Interesse. Gegenständliche Sonderung von Privat- und Yerwaltungsrecht. Charakteristik des Privatrechts: K o o r d i n a t i o n der Rechtsgenossen, Verwirklichung des Rechts durch die Rechtsgenossen und Aufstellung eines Systems von subjektiven Rechten. I m Gegensatz dazu Uberordnung der Verwaltung und V e r w i r k l i c h u n g des Verwaltungsrechts durch die Verwaltung. E i n d r i n g e n verwaltungsrechtlicher Elemente i n das Privatrecht. Unmöglichkeit einer glatten Scheidung privatrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Materien. Notwendigkeit, die Erscheinungen jedes Rechtsgebiets bis i n die letzten Ausläufer zu verfolgen. D i e zivilistische Rechtsanschauung und i h r \ r o r herrschen i n der Theorie des Zivilrechts, des Zivilprozesses und des Strafrechts. Das subjektive Strafrecht. D i e zivilistische Rechtsanschauung i n der Staatsrechtstheorie. Die Leugnung des Verwaltungsrechts als letzte Konsequenz der zivilistischen Rechtsanschauung. D i e enge Begrenzung des Yerwaltungsrechtsstoffs bei 0. M a y e r . „Staatswissenschaftliches" und Juristisches". System des Verwaltungsrechts. Die Enteignungslehre i m Verwaltungsrechtssystem. Zugehörigkeit der Behördenorganisation und der K r i m i n a l p o l i z e i zum Verwaltungsrecht. Abhängigkeit der M a y e r sehen Darstellung vom Zivilrecht. Verwaltungsrechtliche Rechtsanschauung. Das Rechtsinstitut i m Verwaltungsrecht. Rechtsqualität des Organisationsrechts. Notwendigkeit der Revision der allgemeinsten Begriffe der Rechtslehre. Der Rechtsbegriff. Produktive F u n k t i o n des Rechts. Die Rechtsquellen. Rechtswissenschaft und Rechtsquellenwissenschaft. Das Gewohnheitsrecht. Stellung der zivilistischen Theorie zu der Abweichung des Lebens und der J u d i k a t u r vom Gesetze. Isolierung der Einzelfälle. Die Tatsache der Abweichung des Lebens vom Gesetze i m Verwaltungsrecht. Unmöglichkeit der Isolierung der einzelnen Äußerungen der \ T erwaltung. Zurücktreten des dispositiven Rechts i m Verwaltungsrecht. Ungesetztes Recht i n der Verwaltung. Herkommen. Unverbindliche, aber tatsächlich die Rechtsbildung beeinflussende Verordnungen, Instruktionen, Verfügungen, Entscheidungen usw. Verhalten der „Fragenbeantwortung" zum Gesetze: Ausdehnung des Gerichtsstandes der Niederlassung auf i m Gesetze nicht genannte Fälle ; Berechnung der Paritionsfristen i m Widerspruch m i t dem Gesetze. Regelung des Jugendstrafrechts i m Verordnungswege. Rechtsbildende F u n k t i o n der Musterstatuten und des Aktienregulativs. Otto M a y e r s Bekämpfung des Gewohnheitsrechts. Das „Naturrecht'· bei M a y e r . Präzision und Schärfe der Begriffsbildung als Postulat der heutigen Zivilrechtstheorie. L a b a n d s und M a y e r s
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Verwertung der privatrechtlichen Methode. Notwendigkeit der Kongruenz der Rechtsbegriffe m i t den Erscheinungen des Rechtslebens. E r k l ä r u n g der hiemit nicht übereinstimmenden V o r gangsweise der Privatrechtswissenschaft: Vorzugsweise Behandlung des Gesetzesrechts. „Supremus rex legis voluntas." D i e eigentümliche A r t der Durchsetzung der Privatrechte. Möglichk e i t scharfer Begriffsformulierung i m H i n b l i c k auf die Gestaltung des gemeinrechtlichen Zivilprozesses. Bedeutung der Zivilprozeßreform. Prozeßrechtliche Unabhängigkeit des Richters. Freie Rechtsfindung und Prozeßdemokratie. Gesetz, Verordnung u n d Praxis i m Verwaltungsrecht. Entstehung des w i r k l i c h e n Verwaltungsrechts aus einer Reihe von Faktoren. Unentbehrlichkeit der Dogmatik des Gesetzesrechts, aber Notwendigkeit ihrer E r gänzung durch Beobachtung des w i r k l i c h e n Rechtslebens. D e r Begriff des subjektiven Rechts i m Privat- und i m Verwaltungsrecht. D i e Gewerbebefugnis bei S e y d e l und bei M a y e r . Das M a y e r sehe Polizeiverbot m i t Erlaubnisvorbehalt. Bedeutung der Polizeierlaubnis. D i e Gewerbebefugnis als subjektives Recht. Das Problem der Überwindung des Dualismus von Privat- und öffentlichem Recht. Individualistische und kollektivistische E r scheinungen als notwendige Elemente jedes Rechts. Historischer Grund der scharfen Scheidung von Privat- und öffentlichem Recht i n Deutschland. Anbahnung einer einheitlichen Rechtswissenschaft durch sorgfältige Pflege jedes ihrer Zweige.
I.
Einleitung. Die Disziplin des Verwaltungsrechts hat sich auf dem Wege wissenschaftlicher Arbeitsteilung ans jener des Staatsrechts entwickelt Zwar ist der Streit darüber noch nicht ausgetragen, ob das Verwaltungsrecht überhaupt als selbständiges Wissensgebiet neben dem Staatsrecht zu pflegen sei, oder ob letzteres nach wie vor die verwaltungsrechtlichen Materien mitzubehandeln habe 2 . Aber als feststehend gilt bei Freund und Feind, daß das Verwaltungsrecht, w e n n es ein Sonderleben führen kann und soll, dieses dem Staatsrecht als seiner Mutter verdankt. Schließt man hieraus auf die Entwicklung des Rechtsstoffs zurück, so liegt die Annahme nahe, daß die Sätze des Verwaltungsrechts entweder überhaupt neueren Ursprungs, jedenfalls aber jünger sind, als jene des Staatsrechts, oder aber daß sich die ersteren in rascherem Tempo und in reicherem Maß entwickelt haben, als die letzteren. So ließe es sich erklären, daß die Aufgabe, diese beiden Rechtsgebiete wissenschaftlich zu erforschen, nachgerade für eine Disziplin zu groß geworden 1 Vgl. 0 . M a y e r , Deutsches \ r erwaltungsrecht 1, 18. Ulbrich, Lehrbuch des österr. Verwaltungsrechts 43. („Das Verwaltungsrecht ist eine aus dem Staatsrechte abgezweigte Rechtsdisziplin.") Κ i r eh e η l i e i m , E i n f u h r u n g i n das Vervvaltungsrecht 25. 2
Nach der österr. Studienreform (G. v. 20. A p r i l 1893, N r . 68 R G B l , und M i n . - V O . v. 24. Dezember 1893, Nr. 204 RGBl.) w i r d allerdings „Verwaltungslehre und österreichisches Verwaltungsrecht" als besonderes Fach gelehrt und geprüft. S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenechaft.
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ist, und daß die Abhilfe in der Absonderung des zu den Grundproblemen der Staatsrechtswissenschaft in entfernterer Beziehung stehenden Verwaltungsrechtsstoffs erblickt wird 3 . Es bedarf keiner tiefdringenden rechtshistorischen Untersuchung, um die Unrichtigkeit einer solchen Annahme zu erkennen. Diejenigen Fragen, welche das positive Staatsrecht heute beschäftigen — von den Problemen der Staatslehre und Staatsphilosophie, von den Untersuchungen über Entstehung, Untergang, Zweck, Rechtfertigung des Staats usw. sehen wir somit ab — sind wenigstens auf dem Kontinente modernen Ursprungs 4 . Jene rechtliche Ausgestaltung des Staates, die das moderne Staatsrecht überhaupt erst ermöglicht hat, gehört der Zeit nach der französischen Revolution an. Wurde auch diese Entwicklung durch eine mächtige literarische Bewegung vorbereitet, so zwar, daß die ältere Literatur zur Erklärung der neuen Erscheinungen gewiß herangezogen werden kann und muß, so ist diese Literatur doch nicht der Erkenntnis des Rechtssystems i h r e r Zeit gewidmet gewesen und deshalb der heutigen Staatsrechtsliteratur nicht wesensgleich. Wollen wir den Gegensatz zwischen jetzt und einst in seiner ganzen Größe ermessen, so müssen wir die ältere Literatur des p o s i t i v e n 3 Vgl. 0 . M a y e r a. a. 0 . : „ N u n hat sich herausgestellt, daß derjenige T e i l des Staatsrechts, welcher i n der Verwaltung unmittelbar zur Anwendung kommt, an Umfang und Bedeutung ganz gewaltig zugenommen hat. W e n n man näher zusieht, ist auch das Verhältnis zwischen Staat und U n t e r t a n , das hier i n Frage kommt, von einheitlichen juristischen Grundideen beherrscht, die andere s i n d , als die des Verfassungsrechts und der Behördenordnung. Deshalb behandeln w i r den i n der Verwaltung erscheinenden T e i l des Staatsrechts j e t z t selbständig." 4 G e r b e r , Über öffentliche Rechte 2 : „Das deutsche Staatsrecht ist durchaus ein neues geworden; die ehemaligen Grundlagen desselben sind gestürzt, der Boden sogar, auf dem sie ruhten, ist umgewühlt und erneuert worden; die K l u f t zwischen der Gegenwart u n d dem vorigen Jahrhundert ist tiefer als die, welche sonst eine Reihe von Jahrhunderten zu scheiden pflegt." Vgl. ferner ebds. 9.
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Staatsrechts zum Vergleich heranziehen. Dabei zeigt es sich aber sofort, daß wir wohl in einzelnen Lehren den Zusammenhang mit der älteren Theorie nicht verloren haben, so namentlich in den Fragen des Dynastierechts (Thronfolge, Ebenbürtigkeit , Regentschaft usw.), wenngleich auch hier ein "Wandel der Anschauungen im Laufe der Zeit platzgegriffen hat, daß sich aber im großen und ganzen das Gebäude unseres Staatsrechts als ein N e u b a u darstellt, dessen Stil auf die nicht weit zurückliegende Zeit seiner Entstehung deutlich verweist. Wenn wir auch nicht ohne Erfolg , Parallelen zwischen dem konstitutionellen und dem ständischen Staate ziehen, wenn wir ζ. B. das moderne Budgetrecht mit dem den Ständen zustehenden SteuerBewilligungs- und Verweigerungsrecht vergleichen, so sind wir uns doch dessen bewußt, daß diese Vergleichung zwar der wissenschaftlichen Erkenntnis förderlich ist, daß wir es aber mit der fortschreitenden Entwicklung und Ausbildung eines u n d d e s s e l b e n Rechtsinstituts oder Rechtsgebiets — wenigstens in der Mehrzahl der Fälle und der Staaten — nicht zu tun haben. Im Gegensatze dazu haben die verwaltungsrechtlichen Institutionen eine reiche, weit in die Vergangenheit zurückreichende, k o n t i n u i e r l i c h verlaufende Geschichte.5 Nicht der Revolution verdanken wir unser heutiges Verwaltungsrecht, sondern der stetigen Fortentwicklung und Ausgestaltung der Rechtsnormen, der Erstarkung und Ausbreitung der Staatsgewalt, dem wachsenden Verständnis 5
Anderer Ansicht freilich M o l i i , Gesch. u. L i t . der Staatswissenschaften 328: „Gerade die Verwaltung wurde bei der wiederholten Neubildung der Staaten in den beiden ersten Dezennien dieses Jahrhunderts losgerissen von ihrem geschichtlichen Stamme." Es handelt sich aber M o l i l bloß darum, dazutun, daß sich das Verwaltungsrecht i n d e n e i n z e l n e n d e u t s c h e n T e r r i t o r i e n selbständig entwickelt hat, daß „das früher etwa vorhanden gewesene Gemeinschaftliche vernichtet, neues Gemeinschaftliche nicht geschaffen''' wurde. 1*
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für die Aufgaben und Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung. Ohne Berücksichtigung der Verwaltungsrechtsgeschichte läßt sich der geltende Rechtszustand befriedigend gar nicht darstellen. Wer die Gewerbe-, Rekrutierungs-, Schul-, Armengesetzgebung — nur schlagwortartig greifen wir einzelne Partien aus dem überreichen Stoff heraus — wissenschaftlich behandeln will, darf an der jahrhundertelangen Entwicklung der einschlägigen Rechtsnormen nicht vorbeigehen. Darum wird gerade hier der Mangel einer gründlichen Durchforschung und Verarbeitung des geschichtlichen Materials so lebhaft empfunden. Nicht der Verwaltungsrechtsstoff ist zu den von altersher vorhandenen Staatsrechtsnormen neu hinzugetreten, sondern im Gegenteil: die Staatsrechtsordnung ist die neuere, die Verwaltungsrechtsordnung die ältere. Gewerbe-, Schul-, Armengesetze usw. haben längst gegolten, ehe zu den überkommenen Rechtsquellen die modernen Verfassungsurkunden und Staats grundgesetze hinzugekommen sind. Und was das Wachsen des Rechtsstoffes betrifft, so ist es wohl richtig, daß immer neue Verwaltungsgesetze erscheinen, daß das Verwaltungsrecht immer komplizierter wird. Aber auf der anderen Seite wurden auch im Laufe der Zeit antiquierte Verwaltungsinstitutionen über Bord geworfen. Es gibt Rechtsgebiete, in welchen keine Komplikation, sondern eine Vereinfachung stattgefunden hat. 6 W i r müssen demnach eine andere Erklärung für die 6
E r w ä h n t seien etwa die eingehenden Bestimmungen über befugte und unbefugte Abwesenheit und Auswanderung, über das Untertanenverhältn i s , über die Paßpolizei, über die Bücherzensur oder über die Befolgung kirchlicher Vorschriften. E i n e Vergleicliung des Κ ο p e t z sehen AVerkes m i t einem modernen Gewerberechtskompendium zeigt, daß in bezug auf das Gewerbewesen die Gesamtzahl der Vorschriften i m Laufe der Jahrzehnte k a u m erheblich zugenommen h a t , wenngleich die Aufgaben und Ziele (1er staatlichen Gewerbepolitik und somit auch der I n h a l t der Vorschriften eine wesentliche Umgestaltung erfahren haben.
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eigentümliche Erscheinung suchen, daß sich die Wissenschaft des Verwaltungsrechts aus jener des Staatsrechts entwickelt hat oder wenigstens zu entwickeln beginnt und nicht umgekehrt. Zu diesem Zweck ist es unerläßlich, auf die wissenschaftliche Behandlung des öffentlichen Rechts in der vorrevolutionären Zeit einen Blick zu werfen. Auch damals gab es, wie erwähnt, ein „Staatsrecht". Die Anfänge der positiven Behandlung staatsrechtlicher Fragen reichen weit zurück. Aber erst im 17. und 18. Jahrhunderte können wir von einer förmlichen Staatsrechtswissenschaft sprechen 7. Für uns kommt speziell das 18. Jahrhundert in Betracht, welches uns diese Wissenschaft in ihrer vollen Entwicklung zeigt. Über die „Reichspublizisten" dieses Jahrhunderts hat B l u n t s c h l i ein hartes Urteil gefällt. 8 Ihr Strom — meint er — fließe in breitem Bette, langsam und trüb. „Ihre Arbeiten hatten für die damaligen Geschäfte und haben für die besondere Hof- und Landesgeschichte zuweilen heute noch einen Wert, aber für die allgemeine Staatswissenschaft sind ihre vielbändigen Werke, die schon seit langem niemand mehr liest, fast ohne Bedeutung." 9 I n der Tat ist es auffallend, daß die hierher gehörigen Schriften mit den philosophischen Werken ihrer Zeit so wenig Fühlung halten, und daß sie, ihre Aufgabe eng begrenzend, zu allgemeineren Betrachtungen kaum An7 Vgl. R e l i m , Geschichte der Staatsrechtswissenschaft 204 ff., S t i n t z i n g , Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft 1, 663ff., E h r l i c h , Beiträge zur Theorie der Rechtsquellen 1, 208 ff. 8 Geschichte der neueren Staatswissenschaft 451. Vgl. über die Juristen des 18. Jahrhunderts überhaupt das U r t e i l von S a v i g n y , \ r o m B e r u f untrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 3 48 und hiezu S i n g e r in G r ü n h u t s Z. 10, 292. 9 V i e l milder ist das U r t e i l G e r b e r s a. a. 0 . 1, welcher die Reichspublizisten höher schätzt, als ihre das Privatrecht bearbeitenden Zeitgenossen. Aber auch er sagt, daß es niemandem einfalle, auf P ü t t e r oder M o s e r zurückzugehen, wenn es sich um die Beantwortung einer der großen politischen Fragen handelt, die i n unseren Tagen die Gemüter bewegen.
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laß finden. 10 Der Grund liegt offenbar darin, daß sie das Staatsrecht nicht, wie wir es heute zu tun gewohnt sind, als o b j e k t i v e s , sondern als s u b j e k t i v e s Recht auffassen. 11 „Der Inbegriff derer R e c h t e und Verbindlichkeiten, — definiert P ü t t e r 1 2 — die ein Staat und dessen höchste Gewalt hat, macht das Staatsrecht aus. Das Teutsche Staatsrecht hat also eigentlich die Rechte und Verbindlichkeiten des Teutschen Reichs und der höchsten Gewalt desselben zum Gegenstande. Andere Rechte und Verbindlichkeiten, die nur Untertanen oder einzelne Güter betreffen, ohne daß dabei der Staat oder die höchste Gewalt in Frage kömmt, gehören zum Privatrechte." Nicht in der Natur der Rechtsverhältnisse, sondern in der Verschiedenheit der an diesen Rechtsverhältnissen beteiligten Personen liegt also hiernach der Gegensatz zwischen Staats- und Privatrecht. Demgemäß weist P ü t t e r 1 3 dem Staatsrechte die Untersuchung der zwei Hauptfragen zu: „I. Wer diejenigen seien, von deren Rechten und Verbindlichkeiten gefraget wird, nämlich: 10 D a m i t soll keineswegs geleugnet werden, daß auch die staatsrechtliche D o k t r i n des 18. Jahrhunderts — wie es j a nicht anders möglich ist — die zeitgenössischen philosophischen Anschauungen wiederspiegelt. D i e privatrechtliche Auffassung der staatsrechtlichen Verhältnisse steht i n innigem Zusammenhange m i t der individualistischen Staatsauffassung, welche i m Staate nichts anderes sah, als die Gesamtheit der durch den Staatsvertrag geeinigten Staatsmitglieder. Vgl. N. 25. 11 \ r g l . L o e n i n g , Lehrb. d. d. Verw.-R. 22. G e r b e r , Grundzüge eines Systems d. d. St.-R. 2 211, und „Über öff. Rechte" 3 f . L e m a y e r i n Grünhuts Z. 29, 30 u. 48. T e z n e r , Technik u. Geist d. ständisch-monarchischen Staatsrechts 9, 12, 36. — A r e t i n - R o t t e c k St.-R. d. konstit. M o narchie l 2 9 definiert: „Sowie das Staatsrecht überhaupt, welches neuere Schriftsteller öffentliches Recht nennen, der Inbegriff aller vollkommenen R e c h t e der Staaten i m allgemeinen ist, so ist das konstitutionelle Staatsrecht insbesondere der Inbegriff aller vollkommenen R e c h t e konstitutioneller Staaten." 12
Kurzer Begriff des teutschen Staatsrechts 1768 1. A . a. 0 . 6. Ebenso Institutiones iuris p u b l i c i Germanici. 1792 6 13. H ä b e r l i n , Handb. d. t. Staatsrechts, 1794 1, 36. 13
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1. Was unter dem Teutschen Reiche für ein Staat verstanden werde und 2. was das für Personen seien, denen die höchste Gewalt im Teutschen Reiche zustehet, d. i. was es mit dem Kaiser und den Ständen für Bewandtnis habe? Sodann Π . Die Rechte und Verbindlichkeiten selbsten betreffend: 1. auf welchen Gründen dieselben beruhen und 2. worin sie bestehen?" Das Staatsrecht, welches sich mit diesen Fragen beschäftigt, bietet wohl ausführliche Auseinandersetzungen über die Rechte und Pflichten des Kaisers und der Stände. Aber der Begriff des Staats als eines Kaiser und Stände überragenden Gemeinwesens tritt aus diesen Ausführungen nicht hervor. 14 Dasselbe gilt von Johann Jakob Moser. Er definiert das Deutsche Reich einmal im geographischen (Reich = Reichsgebiet) und sodann „in politischem oder r e c h t l i c h e m Verstand ". Darnach „bedeutet der Name : das Reich entweder den Kaiser u n d gesamte Stände und Glieder des allererst Geographice beschriebenen Teutschen Reichs zugleich, oder man verstehet darunter auch nur die Stände und Glieder des Teutschen Reiches allein ohne den Kaiser. In welcherlei Sinn nun es jedesmals genommen werde, muß man aus denen Umständen schließen". 15 Es ist klar, daß dieser Staatsbegriff — wenn man von einem solchen hier überhaupt sprechen darf — ein anderer ist als jener, mit dem das gleichzeitige Naturrecht oder natürliche Staatsrecht operiert. Nur aus der subjektivrechtlichen Auffassung der staatsrechtlichen Fragen heraus ist es zu begreifen, wenn 14
Vgl. T e z n e r a. a. 0 . 15 und 60. J e l l i n e k , Das Recht des modernen Staates l 2 313. 15 M o s e r , Grundriß der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs m f.
8 — S c h r ö t t e r 1 6 die Behauptung aufstellt: „Die Erklärung der Erbfolgsordnung ist unstreitig der w i c h t i g s t e Gegenstand des Staatsrechtes aller Erbreiche. Sie enthält die verworrensten Staatsfragen und ist eben hindurch die Quelle vieler blutigen Kriege. Sie bestimmet den Thronfolger, sie entdecket die meisten Ansprüche und sie e n t d e c k e t die e r s t e n G r u n d f e s t e n e i n e r j e d e n Staatsverfassung, da sie zeiget, ob ein Recht der Erstgeburt oder eine gemeinschaftliche Regierung mehrerer Prinzen oder aber eine Teilung des Reiches stattfinde." Die Auffassung des Staatsrechts als eines subjektiven Rechts tritt denn auch bei der Stellungnahme zu den Verwaltungsproblemen hervor. Immer handelt es sich dabei um die Abgrenzung der Rechtssphäre zwischen Kaiser und Ständen, sowie zwischen Landesherren und Untertanen 17 , aber nicht um eine wissenschaftliche Behandlung der für den betreffenden Verwaltungszweig geltenden materiellen Normen. Nicht was der Landesherr im Interesse der salus publica t u t , ist Gegenstand der juristischen Untersuchung, sondern, was er in dieser Hinsicht tun d a r f , wie weit sein i u s promovendi salutem publicam 18 reicht, und wie weit die Untertanen ein ius contradicendi, ein den Landesherrn in seinen Maßnahmen beschränkendes ius quaesitum haben. 19 Wollten wir den gleichen Standpunkt dem heutigen Rechtszustand gegenüber einnehmen, so müßten wir als die vornehmste Aufgabe des Verwaltungsrechts die Untersuchung der staatsbürgerlichen Freiheitsrechte, die genaue Abgrenzung der staatsfreien Sphäre, die ja im eigentlichsten Sinne eine verwaltungsfreie Sphäre ist, ansehen. Die Betrachtungsweise der Staats16
Vorrede zur fünften Abhandlung aus dem österr. Staatsrechte. Vgl. 0 . M a y e r 1, 28ff. Der Untertan konnte den Landesherr« wegen Überschreitung seiner Befugnisse gerichtlich klagen. 18 P ü t t e r , Institutiones i. p. G. 382. 19 0 . M a y e r a. a. 0., L e m a y e r a. a. 0 . 105. 17
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rechtsordnung aus dem Gesichtswinkel des subjektiven Rechts macht es auch erklärlich, warum man jene Angelegenheiten, welche die Verwaltung nach freiem Ermessen erledigen konnte, und bei denen der Natur der Sache nach eine Kollision mit der Privatrechts Sphäre ausgeschlossen w^r, im Gegensatze zu den Rechts- und den Polizeisachen als Gnadensachen (res gratiae) bezeichnete. 20 Die materielle Seite der Verwaltungsgesetzgebung wurde bekanntlich von einer anderen Disziplin .gepflegt, von der P o l i z e i w i s s e n s c h a f t . 2 1 Wenn wir den Gegensatz von Staatsrecht und Polizeiwissenschaft oder, wie die moderne Bezeichnung lautet, Verwaltungslehre heute formulieren, so weisen wir dem Staatsrecht als einer positiven Wissenschaft die Erforschung des geltenden Rechtszustands, die Rechtsdogmatik zu, während die Verwaltungslehre gleich ihrer Vorgängerin, der Polizeiwissenschaft, eine Kunstlehre ist, welche die Grundsätze aufstellt, die jeweils für den Inhalt der Verwaltungsrechtsnormen bestimmend sein sollen. Die Staats- (und Verwaltungs-)Rechtswissenschafb will das geg e b e n e Recht feststellen, die Verwaltungslehre will finden, wie die Verwaltung ihren Zwecken gemäß g e s t a l t e t s e i n s o l l . Sofern das geschriebene Recht in Betracht kommt, ist die Verwaltungslehre nicht eine Darstellung der Gesetz 20 Vgl. J. J. M o s e r , V o n der Landeshoheit in Gnadensachen. Bei den Rechtssachen handelte es sich um TrivatrechtsVerhältnisse, bei den Polizeisachen um die Frage, inwieweit der Landesherr den einzelnen etwas gebieten oder verbieten konnte. H i e r waren Kollisionen möglich. Bei den Gnadensachen dagegen griff der Landesherr in die Rechtssphäre der I n d i viduen gewährend und berechtigend ein. Hierher gehören die venia aetatis, Privilegien, Druckfreiheiten, Marktrechte usw. M o s e r s T r a k t a t über die Gnadensachen ist äußerst kurz, weil eben vom R e c h t s S t a n d p u n k t über diese Materie wenig zu sagen war. 21 Daneben kam für die Finanzwaltung die Kameralwissenschaft i n Betracht. Vgl. L e x i s i m Handwörterb. d. St.-Wiss., 5 2 I f f . D i e Grenze zwischen Polizei- und Kameralwissenschaft ist übrigens eine flüssige.
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gebungsresultate, sondern der Gesetzgebungspolitik. 2 2 Die Erfassung dieses Gegensatzes ist übrigens nicht neu. Sagt doch schon P ü t t er: „Nicht was recht oder unrecht, sondern was ratsam oder undienlich sei, wird von der Staatsklugheit erörtert." 23 Wieso kommt es aber — so müssen wir doch fragen —, daß die Rechtsverhältnisse des Kaisers und der Stände sowie der Umfang der Landeshoheit eine positivrechtliche Darstellung im Staatsrecht erfahren haben, während man die Verwaltungsrechtsnormen nur aus dem Gesichtspunkt der lex ferenda einer wissenschaftlichen Behandlung für bedürftig oder würdig hielt? Die Antwort liegt, wie mir scheint, ziemlich nahe. Je kurzlebiger eine Norm ist, desto weniger ist man geneigt, sie einer dogmatischen Unter22 Vgl. K i r c h e n l i e i m a. a. 0 . 26: Unter Verwaltungslelire „versteht man Verwaltungspolitik. Diese l e h r t , was sein s o l l , das Recht sagt, was ist. Jene entwickelt aus allgemeinen Theoremen das Ideal der Verwaltung, dieses zeigt die konkreten Verhältnisse. I n den letzten Jahrhunderten, in der Z e i t des absoluten Staates flöß jene Lehre mit der Polizeiwissenschaft, j a ursprünglich m i t der Kameralwissenschaft zusammen." — W e n n mitunter die Verwaltungslehre der Verwaltungspolitik als etwas von dieser Verschiedenes gegenübergestellt w i r d (vgl. z. B. G u m p l o w i c z , \ r erwaltungslehre m i t besonderer Berücksichtigung des österr. Verwaltungsrechts 8, M a y r , Begriff und Gliederung der Staatswissenschaften 16), so liegt der Grund d a r i n , daß man dann unter P o l i t i k die der Verwirklichung der n ä c h s t e n A u f g a b e n eines b e s t i m m t e n Staates gewidmete Tätigkeit versteht. I m theoretischen Sinn ist aber der Begriff der P o l i t i k weiter zu fassen. [Die A r m e n p o l i t i k z. B. beschäftigt sich mit den Aufgaben der Armenverwaltung ohne Rücksicht darauf, inwieweit diesen Aufgaben vom modernen Staate oder in einem konkreten Staatswesen Rechnung getragen w i r d oder nicht. Jede teleologische Betrachtung der Verwaltung ist \ r o r waltungspolitik. ( M i t einem doppelten Begriff der „ V e r w a l t u n g s p o l i t i k " arbeitet S c h o l l e n b e r g e r P o l i t i k 7 u. 275 f.) — S i c h e r l i c h muß sich die Verwaltungslehre auch m i t der theoretischen Grundlegung der Verwaltung, also m i t der Verwaltungs t h e ο r i e beschäftigen. D i e Verwaltungstheorie ist aber i n g l e i c h e r W e i s e für das Verwaltungsrecht wesentlich. 23 Kurzer Begriff, 1. Institutiones 4 („politica"). „ V o n der Teutschen Staatsklugheit und deren L e h r e " hat bereits i m Jahre 1755 J. J. M o s e r geschrieben. ( P ü t t e r , L i t e r a t u r d. Teutschen Staatsrechts 2, 374.)
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suchung zu unterziehen. Die Mühe der rechtswissenschaftlichen Untersuchung soll, ähnlich wie die produktive wirtschaftliche Tätigkeit, sich lohnen. Der Ertrag der Arbeit scheint gering und des Aufwands nicht wert, wenn dem behandelten Stoff bloß ephemere Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsrecht der vorrevolutionären Zeit mußte aber den Zeitgenossen aus einem doppelten Grunde außerordentlich kurzlebig erscheinen. Zunächst war es damals leichter, eine in das Verwaltungsgebiet einschlagende Rechtsvorschrift zu erlassen und abzuändern, als heute, wo in den der Gesetzgebung vorbehaltenen Angelegenheiten erst der komplizierte, langsam und unzuverlässig arbeitende parlamentarische Apparat in Bewegung gesetzt werden muß. Aber auch abgesehen davon mußten die Verwaltungsrechtsvorschriften noch ephemerer erscheinen, als sie tatsächlich waren, wenn man sie mit den Privatrechtsnormen verglich, die ja aus dem alten römischen Staate ihre Herrschaft in das heilige römische Reich deutscher Nation übertragen hatten. Die Rechtssätze des Privatrechts waren auf die Dauer berechnet. Nur sehr allmählich und vereinzelt wurden sie einer Änderung unterzogen 24 . Sie waren ratio scripta und hatten festen Bestand, wie die Vernunft selbst, die sich in ihnen verkörperte. Die wissenschaftliche Erforschung des Privatrechtsstoffs hatte eine tausendjährige Geschichte und bewegte sich in festen Bahnen. Ihr konnte sich die S t a a t s r e c h t s w i s s e η s c h a f t anpassen. Denn es handelte sich im Staatsrecht um die Interpretation der maßgebenden Urkunden, Freiheitsbriefe, Privilegien, Wahlkapitulationen usw., die ganz nach Analogie der Privatrechtsurkunden behandelt werden konnten. Es handelte sich dabei nicht so sehr um die Erschließung eines neuen Wissensgebiets, um die Ge24
Über den inneren Grund der Dauerhaftigkeit der Privatrechtsnormen vgl. S t o e r k , Z u r Methodik des öffentlichen Rechts 27.
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winnung allgemeiner Gesichtspunkte und Rechtsgrundsätze, als um die juristische Erfassung konkreter, oder vielleicht richtiger gesagt : individueller Rechtsverhältnisse. Das positive Staatsrecht war zum guten Teil angewandtes Privatrecht 2 5 . Sollte aber die wissenschaftliche Erforschung des Verwaltungsrechtsstoffs den gleichen dauernden Wert haben, wie jene des Privatrechtsgebiets, so konnte man zum Gegenstand der Untersuchung nicht die wechselnden Augenblickserscheinungen der Verwaltungsgesetzgebung wählen, sondern mußte den Stoff sub specie aeterni betrachten und nicht untersuchen, was Rechtens i s t , sondern was es sein 25
Vgl. J e 11 i η e k , System d. subj. öff. 11. 2 1. Β e r il a t ζ i k , Republik und Monarchie 24 f. ( „ M a n konnte sich eben das öffentliche Recht nicht· als etwas vom Privatrecht Verschiedenes vorstellen"), ferner oben N. 11. — D a m i t steht auch die A r t und AVeise i m E i n k l a n g , wie das alte deutsche Reich aufgelöst wurde. D i e einzelnen Reichsteile erklärten ihren A u s t r i t t , wie die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft. E i n e Schwierigkeit ergab sich freilich bezüglich der Versorgung der Reichsbeamten. Diese wurden m i t kais. Pat. ν. 6. August 1806 (Polit. G.-S. 27, 8 f.) auf die „deutsche Gerechtigkeit" verwiesen! — Dabei ist zu beachten, daß j a auch die Staatsrechtsphilosophie der privatrechtlichen Grundlage, des „Privatrechtstitels" nicht entrateli zu können glaubte. Baute sie doch das ganze Gebäude cles Staatsrechts auf die Fundamente des Gesellschafts- und des Herrschaftsvertrags auf, welche j e nach dem Bedürfnis oder Geschmack des betreffenden Gelehrten m i t größerem oder geringerem I n h a l t ausgestattet und nach den Grundsätzen des Privatrechts gewürdigt wurden. (Vgl. Τ r e u m a n n , D i e Monarchomachen 55.) Die großartigste Konstruktion i n dieser Hinsicht ist wohl jene, welche einen förmlichen V e r b a l k o n t r a k t zwischen Gott, K ö n i g und V o l k annimmt und mit dem I n s t i t u t der Korrealität operiert. ( J u n i u s B r u t u s , Vindiciae contra tyrannos, Ausgabe von 1600, 28.) — Noch 1808 klagt G ö n n e r (Der Staatsdienst aus dem Gesichtspunkt des Rechts und der Nationalökonomie betrachtet 2): „Das öffentliche Recht muß sich aus dem Privatrechte (der einzelnen Menschen) konstruieren lassen, das große B a n d , womit N a t u r und Vernunft in vereinter T ä t i g k e i t Millionen Menschen umschlingt (der Staat) und irgendeine beliebige, zufällige, wandelbare Handelssozietät soll nach einerlei F o r m e l , an welche man den ehrwürdigen Namen P r i n z i p verschwendet, nach der F o r m e l des gesellschaftlichen \ T ertragsrechtes beurteilt werden, welche als eine bloß privatrechtliche F o r m den Staatswissenschaften, so gewiß sie auch eine Quelle des öffentlichen Rechtes sind, den Zugang verschließet."
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s o l l , welche Grundsätze den Landesfürsten bei seiner Regierungs- und Verwaltungstätigkeit zu leiten haben. Wie das Naturrecht, beschäftigt sich auch die Polizeiwissenschaft mit dem S e i n s o l l e n d e n . Aber während das Naturrecht das von Natur aus g e g e b e n e Recht erforschen will, welches zum staatlichen Recht umzuwandeln oder als solches anzuerkennen Pflicht des Staates ist, können die Ergebnisse der Polizeiwissenschaft nicht nach ihrer Übereinstimmung mit den Forderungen der Vernunft, sondern nur nach ihrer Zweckmäßigkeit und Zweckdienlichkeit gewertet werden 26 . Diese Behänd lungs weis e ergab sich auch als das Resultat der Erwägung, daß dem Landesfürsten — von den hier ziemlich belanglosen staatsrechtlichen Beziehungen und Verpflichtungen abgesehen — Rechtsschranken inbezug auf den materiellen Inhalt der Verwaltungs vor Schriften nicht gezogen waren. Wir sehen in den Verwaltungsgesetzen Normen, die die Staatsorgane — und nicht zuletzt das Staatsoberhaupt selbst — binden. Schalten wir aber aus dieser Vorstellung die Staatsidee aus und vergegenwärtigen wir uns, daß die Beamten der absolutistischen Zeit den Befehlen des Landesfürsten u n b e d i n g t Folge leisten mußten, mochten diese nun g e n e r e l l e Weisungen oder k o n k r e t e Verfügungen sein, so ist es begreiflich, daß 28 Das Naturrecht war seiner ganzen Anlage nach oppositionell, die Polizeiwissenschaft nicht. Das Naturrecht war eine Waffe der Regierten, die Polizeiwissenschaft ein H i l f s m i t t e l der Regierenden. Das Naturrecht hat sich denn auch in der Revolution durchgesetzt. D i e Polizeiwissenschaft dagegen hat den Absolutismus „aufgeklärt" und das moderne Verwaltungsrecht vorbereitet. F ü r ein „natürliches Verwaltungsrecht" boten die damaligen Verhältnisse keinen Anlaß. Der moderne Sozialismus streb in ähnlicher Weise eine Reform des Verwaltungsrechts, speziell des Ge werbereclits a n , wie das Naturrecht eine Reform des Staatsrechts. Aber die Terminologie ist heute eine andere, als früher.
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der Wissenschaft der Rechtscharakter 27 des I n h a l t s der Verwaltungs Vorschriften nicht zum Bewußtsein kam. Die Erlassung dieser Vorschriften war ein Ausfluß der landesfürstlichen Rechte, es lag darin ein iure suo uti und nichts weiter 2 8 . Daß die Ausübung des s u b j e k t i v e n zugleich eine Schaffung o b j e k t i v e n Rechts war, kam nicht weiter in Betracht, da das so geschaffene Recht nicht bloß im Falle eines Sinneswandels des Landesfürsten in beliebiger Weise abgeändert und zurückgenommen werden konnte, sondern weil auch i m e i n z e l n e n F a l l der Landesfürst privilegieren und dispensieren konnte. Jedes Verwaltungs recht empfängt ja seinen R e c h t s w e r t erst durch die Garantien, welche für seine Durchsetzung gegeben sind. So wurde es wohl für geboten erachtet, die richtigen Prinzipien aufzufinden, welche der Landesfürst bei seiner Regierung zu beachten hat, vielleicht auch die Resultate der Regierungstätigkeit aus diesem Gesichtspunkte kritisch zu prüfen. Eine d o g m a t i s c h e Betrachtung der jeweiligen Regierungsmaßnahmen erschien vom wissenschaftlichen Standpunkt entbehrlich. Gesammelt und dargestellt wurden die Verwaltungs gesetze immerhin. Aber es war dies eine untergeordnete Tätigkeit, welche vielfach von Verwaltungsbeamten im eigenen Interesse der Verwaltung besorgt wurde. Die Verwaltungs g e s e t z k u n d e äquiparierte nicht mit der Polizei w i s s en s c h a f t . Sie diente sekundären, bureau27
Diesen Ausdruck gebraucht J e l l i n e k , Das Hecht des modernen Staates 1 2 3 7 7 . 28 AVenn das Reichskammergericht den Rechtsstandpunkt vertrat, daß die Landeshoheit nicht m i ß b r a u c h t werden dürfe, so formulierte es nicht so sehr einen Verwaltungsrechtssatz oder einen Grundsatz des Staatsrechts, als vielmehr eine Schranke des s u b j e k t i v e n Rechts, ähnlich, wie j a i m Privatrecht gelehrt w i r d , daß Dienstbarkeiten civiliter ausgeübt werden müssen, oder wrie die Zivilprozessualisten die Parteischikane bekämpfen.
kratischen Zwecken 2 9 . Sie war wohl auch eine S t a a t s wissenschaft, aber in einem uns heute nicht mehr geläufigen Sinn. Sie war eine Staatswissenschaft, weil sie für den Staatsdienst von Bedeutung war, und gehörte in dieser Hinsicht in eine Kategorie mit der Staatsrechnungswissenschaft und der Staatsarzneikunde. I n Böhmen wurde die Verwaltungsgesetzkunde — zwar nicht an der Universität, wohl aber von einem staatlichen Lehrer — als „ k r e i s ä m t l i e h e Wissenschaft" vorgetragen 3 Deutlicher 29 Vereinzelt wurden freilich auch die \ r erwaltungsnormen zu einem Polizei r e c h t verarbeitet, so namentlich von B e r g in seinem „Handbuch des Teutschen Polizeirechts". A l l e i n dieses Unternehmen stieß auf große Opposition. G ö n n e r (Teutsch. St. R. 550) leugnete ein „als besondere Wissenschaft oder besonderer Rechtsteil bestehendes Polizeirecht", M o h l aber (Polizeiwissenschaft l 2 15f.) warf Berg v o r , daß er Polizeirecht und Polizeiwissenschaft identifiziere. Mag auch Berg, Avas durchaus begreifl i c h i s t , seine A b s i c h t , das deutsche Polizeirecht darzustellen, n u r sehr unvollkommen ausgeführt haben, so hat er doch eine klare Vorstellung vom Polizeirecht gehabt. Vgl. auch K o c h , X . Th. v. Gönners Staatslehre. 123. 30 Vgl. R i e g e r i m Österr. Staatswörterb. 8 2 261. — Die von Johann E d i . v. M a y e r η , „ k . k. öffentlichen Lehrer dieser Wissenschaft" verfaßte „ E i n l e i t u n g zur kreisämtlichen Wissenschaft i m Königreiche Böhmen, zum Nutzen und Gebrauche derer, die sich von solchen einen Begriff beilegen wollen" (Prag, 1776) enthält i n Katechismusform eine Darstellung der Theresianischen \ T erwaltungseinrichtungen, die auch heute noch zur Orientierung benutzt werden kann. Der Verfasser beschränkt sich aber darauf, die gegebenen Vorschriften zu sammeln, ohne sie einer dogmatischen oder kritischen Verarbeitung zu unterziehen. N i c h t einmal das System des Buches ist geistiges E i g e n t u m des Verfassers. D i e sieben Abteilungen der Schrift: Contributionale, P u b l i c a , M i l i t a r e , Diaetale, Commerciale, Camerale und Judiciale vel quasi entsprechen der i m Jahre 1751 geregelten Registratureinteilung der Kreisämter. U m das Registratursystem, welches i m Verwaltungsrecht gewissermaßen die „ L e g a l o r d n u n g " darstellt, für die Darstellung der kreisämtlichen Wissenschaft verwerten zu k ö n n e n , mußte der A u t o r freilich die Lehre von der Kreisverfassung i m „Contributionale" unterbringen. E r s t i m Anhang, welcher von der Kreiskanzleimanipulation handelt, wagt sich der Verfasser m i t einem selbständigen Gedanken hervor. M i t den W o r t e n : „Meines Erachtens finde ich" (S. 593) leitet er einen Paragraphen e i n , in welchem er d a r t u t . daß es sich nicht empfiehlt, die
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kann nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich nicht eigentlich um eine Wissenschaft, sondern um eine für die Kreisämter (als unterste Organe der Staatsverwaltung) notwendige Fachkunde gehandelt hat. Der Übergang zum konstitutionellen Staate mußte auch in der wissenschaftlichen Behandlung des öffentlichen Rechts eine Umwälzung herbeiführen. Bezüglich des Staatsrechts sind nicht viel Worte zu verlieren. Der Wissenschaft des positiven Rechts wurde ein neuer Stoff zugeführt, der zur Bearbeitung drängte. Ließ auch diese Bearbeitung durch Jahrzehnte manches zu wünschen übrig, weil einerseits die Schlagworte politischer Tendenzschriften kritiklos hingenommen, ja sogar zum Grundpfeiler der Untersuchung gemacht wurden, während andererseits die alte Anschauungsweise von dem subjektiven Charakter des Staatsrechts nicht so rasch verschwinden wollte, so wurde doch, langsam aber sicher, eine gründliche und sachgemäße Erkenntnis des neu geschaffenen Rechtszustands vorbereitet und damit ein nie geahntes Aufblühender Staatsrechtswissenschaft ermöglicht 31 . Auf verschlungenen Pfaden bewegte sich im Gegensatze dazu das Verwaltungsrecht. Die neuen Ideen, welche zu einer vollständigen Umgestaltung der alten Staatskörper geführt haben, lassen sich in zwei Gruppen sondern. Die eine bezieht sich auf den Anteil der Staatsgenossen an der Aktenfaszikel a l l j ä h r l i c h abzuschließen, weil sonst leicht bei einem Wechsel des Personals die Prioren unbeachtet bleiben können. „ F o l g l i c h wäre meine Meinung, daß die Faszikuln beständig in Elenchis continuiret und nicht von Jahr zu Jahr geschlossen würden!" — Außer Mayerns Vorlesungen war, wie W a t t e r o t h i n der Vorrede zu K o p e t z , Österr. p o l i t . Gesetzkunde (1807) k o n s t a t i e r t , „das ganze Gebiet der Kenntnisse von der politischen Staatsverwaltung den beliebigen Streifereien der Juristen an den hohen Schulen überlassen". 1,1 W i e bescheiden drückt sich noch 1823/24 A r e t i n (Vorwort S. I V ) aus: „ W i r halten es nicht für unmöglich, daß man das heimische Staatsrecht einst m i t eben solchem E i f e r studieren wird, wie ehemals das fremde Zivilrecht."
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staatlichen Tätigkeit, auf die Beschränkung des Monarchen in der Ausübung der staatlichen Hoheitsrechte durch die konkurrierende Tätigkeit der parlamentarischen und Selbstverwaltungsorgane ; — und diese Ideengruppe ist es, welche die Entwicklung des S t a a t s r e c h t s so wesentlich gefördert hat — die andere jedoch richtet sich g e g e n d i e s t a a t l i c h e T ä t i g k e i t s e l b s t und sucht den Staatsgenossen ein möglichst großes s t a a t s f r e i e s Betätigungsgebiet auf Kosten der staatlichen Verwaltung zuzuweisen, und diese Ideengruppe hat die Entwicklung des V e r w a l t u n g s r e c h t s beeinflußt, aber nicht in günstigem, sondern zunächst in nachteiligem Sinne. Der Widerstand gegen den Polizeistaat hat das Bedürfnis erzeugt, die Einwirkung der staatlichen Tätigkeit auf die einzelnen Beziehungen des menschlichen Lebens tunlichst einzudämmen. Zu diesem Ende erörterte man die Frage des Staatszwecks und war geneigt, in der Rechtspflege den alleinigen oder mindestens den hauptsächlichsten Staatszweck zu finden. So erschienen die Polizeivorschriften zum großen Teile als ein excès du pouvoir, dessen sich der Staat schuldig gemacht hatte 3 2 . Gegenüber den Rechten des Monarchen brachte man die M e n s c h e n r e c h t e zur Geltung, die Freiheitsrechte des Einzelnen, welche nichts anderes bezweckten, als der staatlichen Verwaltung formelle und materielle Schranken zu setzen. Soweit sich aber die Verwaltung nicht überhaupt aus der Welt schaffen ließ, sollte sie an g e s e t z l i c h e Vorschriften derart gebunden werden, daß sie, um im konkreten Falle die richtige Vorgangsweise zu finden, lediglich auf die G e s e t z e s a u s l e g u n g angewiesen war 3 3 . 32
Vgl. A r e t i n - R o t t e c k 2 2 166: „ . . . was man Wohlfahrtspolizei nennt (sonderlich die Beglückungs- und Aufklärungspolizei), ist ein o f f e n b a r e r E i n g r i f f i n die Freiheit der Staatsbürger." ( V g l . f r e i l i c h ebd. 204f.) 33 Vgl. J e l l i n e k a. a. 0 . 598, Ο M a y e r a. a. 0 . 62 f. S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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Wie sehr es sich darum handelte, die Verwaltung zurückzudrängen, sie zu einer durch Gesetzesparagraphen gefesselten V o l l z i e h u n g herabzudrücken, zeigt am besten der hartnäckige Kampf, den gerade die Rechtsstaatstheorie gegen die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit geführt hat. Heute erblicken wir in der letzteren die wirksamste Reclitsschutzeinrichtung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts. Sie erscheint uns als eine der wertvollsten Errungenschaften des abgelaufenen Jahrhunderts, und wir müssen uns Mühe nehmen, um die feindselige Stellungnahme gegen diese Institution zu begreifen, zu welcher sich die Vorkämpfer der konstitutionellen Ideen veranlaßt gesehen haben, um es zu verstehen, warum die Frankfurter Reichs Verfassung im § 182 unter den G r u n d r e c h t e n des deutschen Volkes den Satz aufstellt : „Die Verwaltungsrechtspflege hört auf" 3 4 . Indessen läßt sich der Rechtsstaatstheorie Konsequenz nicht absprechen. Es handelte sich bei der Aufstellung von Grundrechten doch nicht ausschließlich um die Festlegung von Freiheitsrechten, d. h. um die Einschränkung der staatlichen Tätigkeit gegenüber dem Individuum und den nichtstaatlichen Verbänden, sondern auch um die Durchsetzung des Gleichheitsgedankens, um die Beseitigung der Rechtsungleichheit, welche das charakteristische 34
Der A u s d r u c k : „Verwaltungsrechtspflege" ist freilicli mehrdeutig. W e n n heute über die Bedeutung des § 182 keine E i n s t i m m i g k e i t herrscht (vgl. 0 . M a y e r i m Arch. Öff. R. 17, 143 gegen T e z n e r Verw. A r c h . 8, 224 und 525 und T e z n e r s R e p l i k i n H i r t h s Ann. 35, 642), so liegt der Grund w o h l darin, daß die Redaktoren der Reichs Verfassung m i t der „Verwaltungsrechtspflege" k a u m einen ganz klaren Begriff verbunden haben. M i t Recht hebt S a r w r e y (Das öff. Recht und die Verwaltungsrechtspflege 121) hervor, daß „Gegner der Verwaltungsrechtspflege sowohl diejenigen sind, welche die Zuständigkeit der o r d e n t l i c h e n Gerichte auch auf das contentieux a d m i n i s t r a t i f ausdehnen wollen, als diejenigen, welche die Möglichkeit jeder Rechtsprechung außer dem Gebiete des Privat- und Strafrechts verneinen."
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Merkmal des ständischen Staates gewesen war, um die Beseitigung jener Privilegien und Vorrechte, deren sich einzelne Gesellschaftsklassen und Stände erfreut hatten, ja im letzten Grunde — und damit sind wir wieder bei der verwaltungsfeindlichen Tendenz angelangt — um die Beseitigung der Vorrechte des Staates selbst. Als ein solches Vorrecht wurde denn auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit empfunden 35 . Wenn, um bei dem Werke der Paulskirche zu bleiben, § 176 der Reichsverfassung erklärt: „Es soll keinen privilegierten Gerichtsstand der Personen oder Güter geben," so bringt er die gleiche Tendenz zum Ausdrucke, wie der früher zitierte § 182, welcher die Verwaltungsrechtspflege abschafft 36 . Das Verwaltungsgericht erscheint als privilegiertes Forum der Staatsverwaltung. Diese soll aber nicht besser gestellt sein, als alle übrigen Rechtsgenossen. Auch dieser Argumentation liegt die alte Auffassung zugrunde, daß die Verwaltungstätigkeit des Staates (oder des Monarchen) Ausfluß eines s u b j e k t i v e n Rechts, Rechtsausübung, Rechtsbetätigung ist. Sowie der einzelne zwar innerhalb seiner Rechtssphäre nach freiem Gutdünken schalten und walten kann, aber darüber, ob er aus seiner Rechtssphäre nicht herausgetreten ist, dem 35 Vgl. L e m a y e r a. a. Ο. 161 f. „ D e r orthodoxen Verfassungsstaatsd o k t r i n entsprach zweifellos n u r die unbedingte Zulässigkeit des Rechtswegs; i n dieser ihrer ganzen Tragweite hatte die D o k t r i n i n der . . . k u r liessischen Verfassung Ausdruck gefunden, u n d i n demselben Umfange wurde sie zuletzt auch von dem F r a n k f u r t e r Reichsparlament sanktioniert, welches für sein „Schattenreich" alle Verw r altungsgerichtsbarkeit feierlich abschaffte!" 36 Unter den privilegierten Gerichtsständen stand das F o r u m fisci obenan ! Vgl. die Josefinischen Jurisdiktionsnormen für die einzelnen österreichischen Länder, welche nach Aufstellung des allgemeinen Grundsatzes : A c t o r forum rei sequitur sofort bestimmen, daß das F i s k a l a m t sich auch i n A k t i v prozessen an sein Personalforum, n ä m l i c h an das Landreclit wenden kann. E r s t nach Erlassung der Märzverfassung (§ 27) wurde dieses P r i v i l e g i u m aufgehoben. (21. Beilagenheft zum R G B l . 1850, 142.)
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ordentlichen Richter Rede stehen muß, so soll auch die Staatsverwaltung im gegebenen Falle der Kritik des o r d e n t l i c h e n und nicht eines für sie besonders eingesetzten Richters unterstehen 37 . Der Einwand, daß der ordentliche Richter seiner Vorund Ausbildung nach ' gar nicht geeignet sei, in einem Konflikte zwischen Verwaltung und Individuum Recht zu sprechen, wurde damit erledigt, daß es die alleinige Aufgabe des Richters sei7< den Einzelfall unter das Gesetz zu subsumieren und sich darnach sein Urteil zu bilden 3 8 , daß die Gesetzesinterpretation vom Richter auf allen Gebieten des Rechts in gleicher "Weise und mit dem gleichen Erfolg geübt werden könne, und daß der Richter auf die besonderen Bedürfnisse der Verwaltung und auf die schon 37 Vgl. die Argumentation B ä l i r s (Der Rechtsstaat 91 f.), welcher übrigens (71) die Verwaltungsgerichtsbarkeit zwar nicht befürwortet, aber auch nicht unbedingt ablehnt: „ I n allen diesen Fällen (nämlich i n F ä l l e n des Privatrechts) behaupten die Angegriffenen, daß sie sicli auf einem Gebiete bewegt haben, wo n u r ihnen, nicht dem Gerichte die E n t scheidung zustehe. A b e r die Frage, ο b sie sich auf einem solchen Gebiete bewegt, können sie doch nicht der Entscheidung des Gerichts entziehen . . . Ganz die nämliche N a t u r hat die Behauptung der Verwaltungsbehörden, auf dem Gebiete ihres freien Ermessens innerhalb der Rechtsschranke gehandelt zu haben. AVer denselben auch i n betreff der Frage, ob sie sich auf diesem Gebiete befinden, die Selbständigkeit v i n d i z i e r t , macht d a m i t diese Schranke aus einer objektiven zu einer rein subjektiven, d. h. zu gar keiner." 38
V g l . S t e i n , Verwaltungslehre l 2 , 404. „ . . . Die Gerichte haben j a gar nicht zu untersuchen, ob etwas zweckmäßig ist oder nicht, und nur dazu gehören i n der T a t die Fachkenntnisse; sondern sie haben zu untersuchen, ob die Handlung des Beamteten unter den W o r t l a u t des geltenden Rechts i n Gesetz und Verordnung fällt. D a s ist ihre Fachkenntnis . . . E s ist daher für das, was von den Gerichten verlangt w i r d , eben k e i n e besondere Fachkenntnis nötig als diejenige, für welche das Gericht eben kompetent ist, die zur Anwendung des Gesetzes notwendige juristische B i l dung. Die Bestreitung der Kompetenz des Gerichts würde daher in der T a t dem Gerichte s e i n e Fachkenntnis absprechen." Ä h n l i c h S e y d e 1, Grundzüge einer allgemeinen Staatslehre 94 f.
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von Natur aus privilegierte Stellung der Regierung gar nicht Rücksicht nehmen d ü r f e 3 9 . "Wenn wir uns heute einer kräftig aufblühenden Verwaltungsgerichtsbarkeit erfreuen, so haben wir das nicht etwa dem Umstände zu danken, daß im Kampfe der Lehrmeinungen die eben skizzierten Anschauungen unterlegen sind. 4 0 Ehe noch die akademischen Erörterungen abgeschlossen waren, hatte das p r a k t i s c h e B e d ü r f n i s in einzelnen Staaten zur Einsetzung von Verwaltungsgerichten geführt, und je länger diese funktionierten, desto klarer wurde es, daß eine annähernd gleichwertige Rechtsprechung von den ordentlichen Gerichten gar nicht geübt werden könnte, es wäre denn, daß sich auf dem Wege innerer Organisation besondere verwaltungsgerichtliche Abteilungen gebildet hätten, was denn doch wieder nur eine andere Form der Verwaltungsgerichtsbarkeit gewesen wäre. 4 1 39
E i n e Nachwirkung dieses Gedankengangs ist die V o r s c h r i f t , daß die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs und jedes Spruchsenats zum Richteramte qualifiziert sein müsse. (§§ 10 u. 13 G. v. 22. Okt. 1875, Nr. 36 R G B l , ex 1876, G. v. 19. März 1894, Nr. 53 RGBl.) D i e Richteramtsprüfung, die hiernach gefordert wird, ist aber nicht etwa, eine Prüfung „ i m Richten", sondern nichts anderes, als eine E r p r o b u n g der für den Z i v i l - u n d S t r a f r i c h t c r erforderlichen Gesetzeskenntnisse u n d der Fertigkeit i n der Erledigung von Z i v i l - und Strafsachen. 40 Vgl. M o h i , Gesch. u. L i t . d. Staatswiss. 2, 330 f. „ N o c h ist der Streit keineswegs geschlichtet; immer kommen noch Bestreitungen des Grundsatzes (sc. der Verwaltungsjustiz) i n Systemen oder einzeln. D i e Folge dieses hartnäckigen Haltens an veralteten und i n sich unrichtigen Ansichten von seiten der Bekämpfer ist nun aber zunächst, d a ß d i e i n d e n m e i s t e n Staaten doch tatsächlich bestehende Verwaltungsrechtspflege i n D e u t s c h l a n d weder i n f o r m e l l e r noch in sachlicher B e z i e h u n g d i e r e c h t l i c h e A u s b i l d u n g e r h ä l t , welche sie ganz wohltätig machen und die i h r vorgeworfenen Mängel beseitigen würde." Vgl. auch P r a z â k , Die prinzipielle Abgrenzung der Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden 14 f. 41 Es ist bezeichnend, daß die heutige Gerichtsorganisation eine weitgehende Spezialisierung der Gerichte und Gerichtsabteilungen nach den M a t e r i e n der richterlichen Tätigkeit aufweist. (Vgl. §§ 19 und 21 der
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Die Praxis des Rechtslebens kam dem Verwaltungsrecht auch noch in anderer, für die Wissenschaftsgeschichte bedeutsamer Weise zugute. Es bedurfte nur eines Einlebens der konstitutionellen Einrichtungen, um der Erkenntnis Bahn zu brechen, daß eine auch noch so sorgfältig ausgearbeitete und allen Interessen tunlichst Rechnung tragende Verfassung ein befriedigendes Funktionieren der Staatsmaschine nicht gewährleisten könne. Die übertriebenen Vorstellungen von der Tragkraft jener Gesetzesparagraphen, auf welche man das ganze Staatsgebäude basieren wollte, mußten durch die täglichen Erfahrungen auf das richtige Maß zurückgeführt werden. Die Ministeranklage erwies sich im Kampfe gegen verfassungswidrige Maßnahmen als stumpfe Waffe. Das Parlament, der geborene Hüter der Volksrechte, war nicht immer ein wirksames Korrektiv gegen die Fehler der Regierungen und brachte mitunter den Staat in gefährliche Situationen, die dem Absolutismus erspart geblieben waren. Die Grundrechte, welche, ehe sie Geltung hatten, so klar und zweifellos, so selbstverständlich zu sein schienen, erwiesen sich nun als vag, unbestimmt, mehrdeutig, dehnbar 4 2 . Die Verwaltungsgesetze, welche der Regierung genau vorschreiben sollten, was sie im Einzelfall zu tun habe, ließen sich in einer diesem Postulat entsprechenden Weise Geschäftsordnung der Gerichte, ferner § 7 Gesch.-Odg. des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. August 1907, Nr. 209 RGBl.) Es spricht dies gegen das einst so beliebte Argument, daß es sich bei der Rechtsprechung bloß u m eine f o r m a l e logische Subsumptionstätigkeit handle. So führt noch G u m p l o w i c z (a. a. 0 . 13) aus: „ B l i n d für das Leben und dessen Forderungen, b l i n d für die E n t w i c k l u n g der menschlichen Verhältnisse, braucht er (der Richter) n u r für das Gesetz und dessen Interpretation offene Augen zu haben, u m seinen Pflichten zu genügen. W i r d i h m doch seine Göttin m i t verbundenen Augen dargestellt! W i e oft ist Schimmel und Schablone seine sicherste F ü h r e r i n , eine vor Jahren gefällte Entscheidung seine Meisterin!" 42 Vgl. B r o c k h a u s e n i n Grünhuts Z. 2 3 , 456, ferner B o r n h a k i m A r c h . Öff. R. 16, 403 f.
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gar nicht formulieren, die alten Vorschriften des Polizeistaats auch nach Jahrzehnten nicht vollständig revidieren, und so blieb der Wunsch, die Verwaltung auf die Beantwortung kahler Gesetzesfragen zu beschränken, unerfüllt und unerfüllbar. 43 Diese Erfahrungen mußten die Aufmerksamkeit der das öffentliche Leben beobachtenden Personen auf das vernachlässigte Gebiet der Verwaltung und des Verwaltungsrechts lenken. Die Bedeutung der verwaltungsrechtlichen Probleme trat um so deutlicher hervor, je weniger die Verfassungen und Staatsgrundgesetze der sich kräftig entwickelnden Staatsverwaltung anhaben konnten. Man erkannte , daß sich das Staatsleben nicht ein für allemal reglementieren läßt, sondern daß es notwendig ist, die Einzelerscheinungen der Verwaltung zu verfolgen, die Verwaltungsbedürfnisse und die Interessen der Individuen b e i j e d e r einzelnen Frage und in jedem einzelnen F a l l gegeneinander abzuwägen und ihnen nicht bloß durch den m a t e r i e l l e n Inhalt der Verwaltungsvorschriften, sondern auch durch zweckentsprechende Organisation der 43
Ganz i m Gegenteil kann man die entgegengesetzte Erscheinung wahrnehmen, daß die Regierung von der Gesetzgebung Delegationen zur Erlassung mehr oder minder weitgehender Rechtsverordnungen erhält. Es zeigt sich immer mehr, daß die quantitative und qualitative Leistungsfähigkeit der Gesetzgebung von der konstitutionellen D o k t r i n weitaus überschätzt worden ist. — Es ist übrigens interessant, die gleiche Erscheinung i n bezug auf das Verhältnis von Gesetzgebung und Justiz zu beobachten. So wie die V e r w a l t u n g , so gewinnt auch die Justiz (einschließlich der Justizverwaltung) der Gesetzgebung gegenüber immer mehr Terrain. D i e Tendenz der modernen Theorie und P r a x i s , dem Richter das Recht zu selbständiger schöpferischer T ä t i g k e i t einzuräumen, findet ihre E r k l ä r u n g einerseits i n den Erfahrungen, die man m i t der parlamentarischen Gesetzgebung gemacht hat (vgl. O f n e r i m Arch. Öff. R. 18, 237, N. 10), andererseits i n den erhöhten Anforderungen, die das moderne Leben an die Güte der Justiz stellt. Es zeigt sich hier der innige Zusammenhang von Verwaltung und Justiz, welche, mögen sie auch organisatorisch getrennt sein, dennoch den gleichen Entwicklungsgesetzen unterliegen.
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Verwaltung und durch Regelung des Verwaltungsverfahrens Rechnung zu tragen. Die Wissenschaft des Staatsrechts konnte nicht umhin, auch diese Verwaltungsprobleme in den Kreis ihrer Betrachtung zu ziehen. Die V e r w a l t u n g selbst hatte der Übergang zum Konstitutionalismus nicht zurückdrängen können, aber der alten Zweckmäßigkeitsdoktrin der P o l i z e i w i s s e n s c h a f t hatte er die Lebenskraft genommen. Jene Verwaltung, mit der sich die Polizeiwissenschaft beschäftigt hatte, sollte das j e w e i l s B e s t e schaffen, d i e Verwaltung, an welche die Verfassungen dachten, nichts anderes, als das Gesetz vollziehen. Das Leben selbst konnte sich über die die Verwaltung einengenden Verfassungsparagraphen hinwegsetzen, ihre Unzulänglichkeit aufdecken. Die Wissenschaft konnte aber an den einmal erlassenen Rechtsnormen nicht vorbeigehen. So endet die Geschichte der Polizeiwissenschaft zugleich mit dem Polizeistaate. 44 Die Verwaltungsgesetzkunde konnte freilich auch weiterhin ihr Dasein fristen. Aber sie war keine Wissenschaft und förderte keine wissenschaftliche Erkenntnis, sondern beschränkte sich darauf, Material zu sammeln. Die Verarbeitung dieses Materials fiel naturgemäß dem Staatsrecht anheim. Die Legitimation dazu schöpfte die Staatsrechtswissenschaft aus dem Umstände, daß die der Verwaltung den anderen Staatsfaktoren und den Staatsbürgern gegenüber gezogenen S c h r a n k e n den Gegenstand verfassangsrechtlicher Normierung gebildet haben. Von der Darstellung dieser v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e n Beschränkungen der Verwaltung zur Behandlung der für die Verwaltung ü b e r h a u p t geltenden Rechtsvorschriften war nur ein Schritt. Und um diesen Schritt zu tun, mußte die 44
Das E r b e der Polizeiwissenschaft hat, wie schon erw ähnt, die „Verwaltungslehre" angetreten, als deren vornehmster Vertreter Lorenz v. S t e i n erscheint. (Vgl. I n a m a - S t e r n e g g , Staatswissenschaftliche Abhandlungen 41 ff. und 57 ff.)
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Staatsrechtswissenschaft nicht einmal ihr System ändern. Die verschiedenen Zweige der Staatstätigkeit : Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz mußte sie ohnedies der Reihe nach ex professo behandeln. Im Kapitel von der „Verwaltung" konnte ohne weiters auch das materielle Verwaltungsrecht untergebracht werden 45 Daß es dabei nicht blieb, und daß immer lauter der Ruf nach einer Emanzipation des Verwaltungsrechts ertönte, daran war wiederum nicht so sehr der Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis als das praktische Bedürfnis schuld. Der positive Verwaltungsrechtsstoff hatte schon im absoluten Staate einen außerordentlich großen Umfang. War doch gerade die Masse der die Untertanen beengenden Polizei45 D i e Absonderung des Verfassungsrechts („Konstitutionsrecht") vom Verwaltungsrecht („Regierungsrecht") i m Rahmen des staatsrechtlichen Systems findet sich übrigens schon i n den beiden Darstellungen des Reichsstaatsrechts, welche i n den letzten Jahren des alten Reichs erschienen sinds bei L e i s t und G ö n n e r . Vgl. L e i s t , Lehrb. d. teutsch. StR. 2 1 f.: „ D e r erste T e i l des Staatsrechts, welcher m i t der Untersuchung über das Subj e k t der Staatsgewalt und über die A r t und W e i s e , wie dieselbe i n i h m vorhanden sein soll, m i t h i n über die Verfassung des Staats sich beschäftigt, kann das Konstitutionsrecht, der andere T e i l hingegen, welcher die Ausübung der i n der Staatsgewalt begriffenen einzelnen Rechte e r ö r t e r t , das Regierungsrecht genannt werden." I n der Note w i r d dazu Joh. Chr. M a j e r s teutsclie Staatskonstitution zitiert. Die Sonderung der beiden Teile des Staatsrechts ist also nicht, wie es mitunter geschieht (vgl. L o e n i n g a. a. 0 . 23, J e l l i n e k a. a. 0 . 377, H a u k e , Grundriß des [österr.J Verfassungsrechts 2) auf Μ ο h 1 zurückzuführen. W i e w r enig sich M o l i l dessen bewußt war, i n dieser Hinsicht etwas Originelles geschaffen zu haben, geht daraus hervor, daß er in der Darstellung der L i t e r a t u r des positiven deutschen Staatsrechts (Gesch. u. L i t . der Staatswissensch. 2 , 237 ff.) sein württenibergisches Staatsrecht zwar als ausführliches System a n f ü h r t , die darin enthaltene Bearbeitung des Verwaltungsrechts aber gar nicht erwähnt (371). I n seinen „Lebenserinnerungen" 1, 262 hebt er nur hervor, daß seine A r b e i t , „namentlich auch die E n t w i c k l u n g des Verwaltungsrechts" „das L o b eines logisch richtigen und übersichtlichen Systems . . ." erhielt. Vgl. auch die Polemik M o l l i s gegen B e r g (oben X . 29) und J e l l i n e k , Verweisung auf K l ü b e r (unten N. 47).
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Vorschriften mit eines jener Argumente gewesen, mit welchen man das ancien régime bekämpft hatte. Aber die Polizeiwissenschaft hatte diese Vorschriftenmenge spielend bewältigen können, weil sie ja ihren Blick nicht auf das einzelne richtete, sondern aus der verkleinernden Vogelperspektive einer Utilitätslehre auf das Verwaltungsgetriebe herabschaute, um den Regierungen allgemeine Direktiven für die weitere Entwicklung und Ausgestaltung der öffentlichen Institutionen zu erteilen. Als man aber daranging, den positiven erwaltungsrechtsstoff d o g m a t i s c h zu erfassen, machte sich dessen Massenhaftigkeit sofort unangenehm fühlbar. Trotz aller die Staatsverwaltung beschränkenden Verfassungsbestimmungen ließ sich diese Massenhaftigkeit nicht beseitigen. Auch der konstitutionelle Staat kann eine detaillierte Verwaltungsgesetzgebung nicht entbehren, er um so weniger, als er ja durch die Bindung der Verwaltung an die Anordnungen des Gesetzgebers eine wohltätig wirkende Verwaltungsgerichtsbarkeit ermöglichen w i l l . 4 6 Die alte Theorie, daß der Staat sich vorwiegend auf die Pflege der Rechtsordnung zu beschränken habe, hatte sich als durchaus unhaltbar erwiesen. Für die Staatsrechtswissenschaft aber bedeutete die Hypertrophie der Verwaltungsnormen eine große Schwierigkeit. Denn sie stand vor dem Dilemma, entweder sich auf eine summarische, übersichtliche Darstellung der Verwaltungsrechtsnormen zu beschränken — dann kamen diese zu kurz —, oder aber die Verwaltungsnormen mit der gleichen Liebe und Sorgfalt detailliert zu durchforschen wie die Verfassungsnormen. Dann drohte die Darstellung des Verwaltungsrechts jene des Staatsrechts zu verdrängen. So ist es erklärlich, daß 46
I m absolutistischen Staat bewirkt die Massenhaftigkeit der Verwaltungsvorschriften eine Beschränkung der dem Staate unterworfenen I n dividuen, i m konstitutionellen eine Beschränkung der der Gesetzgebung unterworfenen Verwaltung.
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von verschiedenen Seiten in einer reinlichen Scheidung von Verfassungs- und Verwaltungsrecht, in einer Emanzipation der Verwaltungsrechtswissenschaft von ihrer Adoptivmutter, der Staatsrechtswissenschaft, die Abhilfe gesucht wurde. Es handelt sich uns an dieser Stelle noch nicht darum, die richtigen Prinzipien für die wissenschaftliche Behandlung des Verwaltungsrechts zu finden, sondern wir wollen zunächst bloß den Gang der Entwicklung, die Entwicklungsgeschichte der Ideen verfolgen. Darum wollen wir auch noch nicht erörtern, welche Gründe für, welche gegen die selbständige Behandlung des Verwaltungsrechts sprechen, sondern nur den Widerstand zu erklären suchen, der dieser selbständigen Behandlung entgegengesetzt wurde. Lief das Verfassungsrecht wirklich Gefahr, bei gemeinsamer Darstellung vom Verwaltungsrecht verdrängt zu werden, so mußte doch gerade das Bestreben der S t a a t s r e c h t s w i s s e n s c h a f t auf Abstoßung des Verwaltungsrechtsstoffes gerichtet sein. Dieser Einwand läßt sich durch den bloßen Hinweis darauf, daß jede Disziplin ihr Gebiet zu erweitern und nicht zu verengern trachtet, nicht abtun. Denn die wissenschaftliche Arbeitsteilung vollzieht sich ja in der Regel ohne Kampf von selbst durch eine itio in partes der das betreffende Wissensgebiet durchwandernden Forscher. Auch das immer in den Vordergrund der Diskussion gestellte Argument, daß eine befriedigende Grenzscheidung zwischen Staatsund Verwaltungsrecht wegen des innigen Zusammenhangs und der nahen Verwandtschaft beider Rechtsgebiete unmöglich sei, scheint uns jenen Widerstand nicht ausreichend zu erklären, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie jung die Verbindung von Staats- und Verwaltungsrecht verhältnismäßig i s t 4 7 , und wie wenig die Staatsrechtslehrer des 47 Vgl. die ergötzliche Schilderung J e l l i n e k s i n der Festschrift „Heidelberger Professoren aus dem 19. Jahrhundert" (1,271): „ H a t t e auch
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18. Jahrhunderts trotz der Dürftigkeit ihres Stoffgebiets des Bedürfnis empfunden haben, sich mit den Verwaltungsgesetzen eingehender zu beschäftigen. Der psychologische Erklärungsgrund für die Negierung einer selbständigen Verwaltungsrechts dis ziplin scheint uns vielmehr in erster Linie darin zu liegen, daß auch die systematischen Darstellungen des r e i n e n Verwaltungsrechts die Fülle des Stoffs zu bewältigen nicht vermocht haben. Auch sie beschränken sich darauf, eine Überschau über die einzelnen Verwaltungsgebiete zu geben, in e n z y k l o p ä d i s c h e r Weise die Zweige des Verwaltungsrechts zu behandeln und den Leser rücksichtlich des Details auf die Gesetze und sonstigen Vorschriften zu verweisen. Nun ist es ja klar, daß eine kompendiöse, systematische Darstellung den Stoff niemals ausschöpfen kann, daß neben der Gesamtdarstellung monographische Arbeiten, die ins einzelne gehen, unerläßlich sind. Aber wenn wir den Punkt, bei welchem die systematische Darstellung des Verwaltungsrechts stehen bleibt, mit jener Stelle vergleichen, bis zu welcher die Systematiker des Privat-, Straf- oder Staatsrechts oder des Zivil- oder Strafprozesses vordringen, so bereits K l ü b e r das Staatsrecht i n Verfassungs- und Verwaltungsreclit geschieden und Μ ο h 1 diese Scheidung schon i n seiner Darstellung des württembergischen öffentlichen Rechtes durchgeführt, so irrte das letztere doch i n Baden, m i t der alten Polizeiwissenschaft verquickt, längere Zeit von einem L e h r s t u h l zum andern. F ü r den wissenschaftlichen Betrieb des ersten D r i t t e l s des 19. Jahrhunderts ist es recht bezeichnend, daß i n Heidelberg der Vertreter der Geologie und Mineralogie mehrere Jahre hindurch über Polizeipraktik, Theorie und Praxis der Staatsverwaltung, sowie über Polizeiwissenschaft überhaupt las. Es war L e o n h a r d , der sich für den berufenen Vertreter dieser Fächer hielt und daneben die Lehre von den Vulkanen, den Erdbeben und heißen Quellen vortrug. Diesem erbaulichen Verhältnis der so friedliebenden Polizei zu den revolutionären tellurischen Vorgängen wurde erst ein Ende gemacht, als m i t Beginn der dreißiger Jahre R a u m i t dem L e h r s t u h l der politischen Ökonomie auch den der Polizeiwissenschaft übernahm."
— 29 tritt dabei die Rückständigkeit der verwaltungsrechtlichen Systeme ganz unzweifelhaft zutage. Es können also nicht die einer systematischen Darstellung ü b e r h a u p t gezogenen Schranken, sondern nur die Eigentümlichkeiten des Verwaltungsrechtsstoffes der Grund dafür sein, daß eine systematische Darstellung des letzteren keinen vollständigen Erfolg verspricht. Nun könnte man sich ja mit dieser Lage der Dinge leicht abfinden, wenn man die allerdings weit verbreitete Anschauung teilt, daß eine detaillierte Behandlung der Verwaltungsrechtsnormen kein wissenschaftliches Interesse biete, und daß daher von einer solchen Behandlung ohne Schaden abgesehen werden könne 4 8 . Es wäre gewiß unangebracht, diese Behauptung v o l l s t ä n d i g von der Hand zu weisen. Gewiß gibt es eine ganze Reihe von Ver walkingsVorschriften, deren theoretische Zergliederung dem Forscher deshalb nicht zugemutet werden kann, weil der wissenschaftliche Ertrag äußerst geringfügig wäre. Nur beispielsweise seien die Bestimmungen über Schneeschaufelung, Normatage, Polizeistunde, Sonn- und Feiertagsruhe usw. erwähnt. Aber derartige Vorschriften von untergeordneter w i s s e n s c h a f t l i c h e r Bedeutung finden sich auch in anderen Rechtsgebieten , so namentlich im Strafrecht die Bestimmungen über unbedeutende Übertretungen, im Prozeßrecht jene über Sonntagsruhe, Gerichtsferien, über die Details der Armenrechtserlangung usw. Selbst im Privatrecht lassen sich derartige Vorschriften auffinden. Mögen nun auch solche Bagatellvorschriften im Verwaltungsrecht a b s o l u t häufiger sein als anderswo, so wäre doch der Nachweis, daß sie dort auch r e l a t i v häufiger vorkommen, noch zu erbringen. 48
Diese Anschauung ergibt sich auch als Konsequenz des L a b a n t i schen Satzes, daß das Yerwaltungsrecht nichts anderes sei als ein Konglomerat von Rechtssätzen des P r i v a t - , Straf-, Prozeß- und Staatsrecht?. Arch. Öff. R. 2, 155 f.)
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Aber schließlich kommt es ja auf das Quantitätsverhältnis der wichtigen und der unwichtigen Normen gar nicht an, sondern darauf, ob überhaupt die Rechtsinstitute des Verwaltungsrechts einer wissenschaftlichen Behandlung weniger bedürfen oder eine solche weniger vertragen als jene der anderen Rechtsgebiete, und diese Frage kann nicht entschieden genug verneint werden. Ein Blick in einen beliebigen Band verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen genügt zur Erlangung der Erkenntnis, daß sich auf diesem Gebiete Rechtsfragen ergeben, welche an Bedeutung und Tragweite, a b e r a u c h an j u r i s t i s c h e m I n t e r e s s e den zivil-, straf- oder prozeßrechtlichen Fragen unbedingt gleichgestellt werden können 49 . Es ist auch gar nicht einzusehen, warum die Lehre von der Simultanhypothek, von dem Unterschied zwischen Diebstahl und Veruntreuung oder von der Haupt- und Nebenintervention wissenschaftlich höher stehen soll als jene von dem Inhalt der Gewerbeberechtigung, von dem Verhältnis des Bauherrn zu den Anrainern und zur öffentlichen Verwaltung, von den Einforstungen usw. Die rechtswissenschaftliche Behandlung dieser Lehren ist ein unabweisbares B e d ü r f n i s , und wenn das Verwaltungsrecht ihm nicht Rechnung tragen kann, so liegt hierin zweifellos ein Mangel, dessen Bekämpfung ernstlich ins Auge gefaßt werden muß. Um schiefe Resultate zu vermeiden, müssen wir aber freilich neben den verwaltungsrechtlichen Kompendien auch die hierher gehörigen M o n o g r a p h i e n in Betracht ziehen. Solcher gibt es eine große Zahl, und sie sind für die Entwicklung der Verwaltungsrechtswissenschaft von hohem Wert. Vergleichen wir aber die Personen, welche sich auf verwaltungsrechtlichem Gebiete monographisch betätigen, 49 Vgl. T e z n e r , Über Verwaltungsrechtspflege m i t H i n b l i c k auf das neue sächsische Verwaltungsgerichtsgesetz ( V o r t r a g , gehalten in der GeheStiftung), 46.
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mit jenen, die es auf anderen Gebieten tun, so zeigt sich die eigentümliche Erscheinung, daß, während anderswo die Theoretiker auch als Monographisten ihre führende Stellung behaupten, hier — im Yerwaltungsrecht — die monographische Darstellung zum überwiegenden Teil von Verwaltungspraktikern gepflegt wird. Es ist dies ein Umstand, welcher zu denken gibt. Er beweist, daß die wissenschaftliche Durchforschung und Bearbeitung des Verwaltungsrechts ein eminentes Bedürfnis des ρ r a k t i s che η Rechtslebens ist, und daß demselben auch die Systeme des Verwaltungsrechts keineswegs gerecht werden. Daß aber unter den Autoren der Spezialliteratur des Verwaltungsrechts die Theoretiker so sehr zurücktreten, ist zum Teil dadurch zu erklären, daß auch die Sonderstellung des Verwaltungsrechts, soweit man von einer solchen bereits sprechen kann, eine itio in partes der Staatsrechts- und der Verwaltungsrechts-Theoretiker nicht herbeigeführt hat, daß vielmehr Staats- und Verwaltungsrecht im großen und ganzen von derselben Personengruppe gepflegt werden. So scheint in der Tat die Scheidung der beiden Rechtsgebiete der praktischen Bedeutung zu entbehren. Ob man den Abschnitt über das Verwaltungsrecht als einen Teil des Staatsrechtssystems oder aber als selbständiges System des Verwaltungsrechts hinstellt, ist mehr eine Frage des Geschmacks, als der Systematik. Dazu kommt noch folgendes : Der spezielle Teil unserer Verwaltungsrecbtssysteme gibt, wie gesagt, bloß eine enzyklopädische, weder den theoretischen noch den praktischen Bedürfnissen einigermaßen genügende Übersicht über die einzelnen Verwaltungsgebiete. Es liegt daher nahe, den wissenschaftlichen Wert dieser Systeme in der Behandlung der a l l g e m e i n e n L e h r e n zu suchen. Aber gerade diese Lehren harren noch der erforderlichen Pflege. Der allgemeine Teil des Verwaltungsrechts wird von den Ver-
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tretern des Fachs als eine wünschenswerte, aber zunächst noch nicht vorhandene Bereicherung des Verwaltungsrechts systems angestrebt. So scheint also der Gewinn einer besonderen Verwaltungsrechtswissenschaft außerordentlich gering zu sein. Die Fülle des Rechtsstoffs wird auch von ihr nicht bewältigt, die allgemeinen Lehren erfahren keine befriedigende Darstellung, nnd durch die Loslösung vom Staatsrecht verliert das Verwaltungsrecht den starken Rückhalt, den es besitzt, sobald es sich an die immer erfolgreicher untersuchten Institutionen des Verfassungsrechts anlehnt. So scheint es am besten zu sein, bei der gemeinsamen Behandlung [der staats- und verwaltungsrechtlichen Probleme zu verharren und' die Detailforschung auf verwaltungsrechtlichem Gebiet der monographischen Darstellung zu überweisen, welche ja überall imstande ist, ihr Arbeitsfeld so eng wie möglich abzustecken und intensiv zu bewirtschaften. Ehe wir aber auf solche Weise auf die systematische Bewältigung des Verwaltungsrechtsstoffs verzichten, wollen wir doch versuchen, das Verhältnis von Staats- und Verwaltungsrecht schärfer zu erfassen und die Frage zu beantworten, was das Verwaltungsrecht als selbständige Disziplin leisten soll und zu leisten vermag.
II.
Staatsrecht und yerwaltungsrecht. Das Staatsrecht beschäftigt sich mit den Elementen des Staates und seiner obersten Organisation. Als Elemente des Staates erscheinen das Staatsgebiet, die Staatsbürger, das Staatsoberhaupt und die Staatsgewalt. Selbstverständlich muß die Wissenschaft, wenn sie sich mit diesen Elementen befaßt, auch die unmittelbare Nachbarschaft in Betracht ziehen. Das Staatsgebiet ist der räumliche Herrschaftsbereich des Staates. Aber der Staat herrscht unter Umständen auch außerhalb seines Gebiets, und andererseits verzichtet er mitunter zugunsten fremder Mächte auf die Herrschaftsausübung in seinem Gebiet. Neben den Staatsbürgern kommen auch die Ausländer in Betracht. Es ist zu untersuchen, inwieweit der Staat seine Herrschaft auch auf sie ausdehnt, aber auch inwieweit ihnen etwa ein aktiver Status (J e I l i η e k) zuerkannt ist. Vom monarchischen Staatsoberhaupt wendet sich der Blick zu jenem Hause, dem der Monarch entnommen ist. Die Rechtsverhältnisse des Herrscherhauses, die Bestimmungen über Thronfolge und Sukzessionsberechtigung und alle anderen dynastierechtlichen Fragen müssen vom Staatsrecht behandelt werden. Neben der Staatsgewalt gibt es im Staate auch noch andere Gewalten, deren Unterwerfung oder Eindämmung der Staat versuchen, die er aber auch für seine eigenen Zwecke dienstbar machen kann. (Kirche, Kommunal- und sonstige Verbände.) S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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Das Staatsoberhaupt ist, wenigstens in der Monarchie, eine physische Person, eine Individualität, nicht so die anderen Elemente des Staates. Die Staatsbürger lassen sich in Gruppen sondern, welche möglicherweise für das Verfassungsrecht Bedeutung haben. Die Eigenschaften der Staatsbürger (Geschlecht, Alter, Stand, Religionsbekenntnis, Nationalität usw.) sind auf ihre verfassungsrechtliche Relevanz zu prüfen. Das Staatsgebiet muß in vielfacher Hinsicht eingeteilt werden. Soweit die Gebietseinteilung verfassungsrechtliche Bedeutung hat (wie ζ. B. die Kronlandseinteilung Österreichs), ist sie im Staatsrecht ex professo zu erörtern. Die Staatsgewalt endlich hat eine äußerst komplizierte Organisation, deren Behandlung den eigentlichen Kern jeder staatsrechtlichen Darstellung bildet x . Die verschiedenen Seiten der Staatsgewalt: Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz müssen gesondert, aber auch in ihrem Verhältnis zueinander und zu den Staatsbürgern untersucht werden, und zwar sowohl als Organisationen, wie als Funktionen. Dabei ergibt sich allerdings eine Schwierigkeit insofern, als keines der drei Gebiete sich von dem anderen vollständig ablöst. I n der Gesetzgebung (als Tätigkeit gedacht) kommt auch die Verwaltung zu "Wort, indem die Regierung Gesetzesvorlagen ausarbeitet und der Volksvertretung unterbreitet 2 , sich an der parlamentarischen Verhandlung über Regierungsvorlagen und Initiativanträge beteiligt, die Sanktion der Parlamentsbeschlüsse erwirkt und die sanktionierten Gesetze erst durch die Kontra1 Vgl. G e r b e r , Grundzüge eines Systems d. d. St.-R. 2 3 : „Das Staatsrecht ist also die Lehre von der Staatsgewalt." J e l l i n e k , Das Recht d. mod. Staates 1 2 4 1 9 : „ A l l e s Staatsrecht ist Lehre von der Staatsgewalt, ihren Organen, ihren F u n k t i o n e n , ihren Grenzen, ihren Rechten, ihren Pflichten." 2
\ r g l . S t e i n i n S t e n g e i s W ö r t e r b u c h d. d. V.-R. (Neue Ausgabe 1894) 2, 708: „ I n i t i a t i v e der Verwaltung."
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Signatur zu gültigen R e g i e r u n g sa k t e η macht 3 . An der Gesetzgebung als Organisation ist wiederum die Regierung in hervorragender "Weise beteiligt, indem sie das Wahlgeschäft leitet und durchführt, die ihr etwa vorbehaltenen Berufungen in das Parlament (Pairsschübe) vornimmt, die Tätigkeit des Parlaments durch Einberufungs-, Vertagungs-, Schließungs- und Auflösungsmaßnahmen reguliert, möglicherweise auch das Präsidium des Parlaments selbst zusammensetzt, für den Sach- und Personalbedarf des Parlaments sorgt usw. Umgekehrt ist die Verwaltung sowohl als Organisation wie als Tätigkeit der Gesetzgebung unterworfen. Die Verwaltungsrechtsvorschriften sind in unzähligen Gesetzen niedergelegt. Für die Justiz endlich gelten nicht bloß Gesetze, sondern auch Verordnungen, und überdies ist sie in vielfacher Hinsicht der Verwaltung (Justizverwaltung) unterstellt. Aber auch die Verwaltung muß sich der Justiz fügen, nicht bloß der eigens zu diesem Ende eingesetzten Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern unter Umständen auch der ordentlichen Zivil- und Strafjustiz. Und auch das Parlament muß, wenn es die Ministeranklage erhebt, im äußersten Fall also, an die Justiz appellieren. Diese gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Zweige der Staatsgewalt voneinander bildet für die staatsrechtliche Darstellung, wie gesagt, eine Schwierigkeit 4 , aber eine solche, welche überwunden werden muß und auch tatsächlich überwunden wird. Nur darf der Systematiker des Staatsrechts nie sein Ziel aus den Augen verlieren, welches darin besteht, das K r ä f t e v e r h ä l t n i s der staat" A u c h die G e s e t z e sind Regierungsakte i m Sinne des § 1 d. G. vom 25. J u l i 1867, Nr. 101 R G B l . D a r u m werden die Formerfordernisse des Gesetzes i m Staatsgrundgesetz über die Ausübung der R e g i e r u n g s und der Vollzugsgewalt normiert. 4 Vgl. J e l l i n e k a. a. 0 . 413.
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liehen Faktoren ins klare zu stellen. Immer handelt es sich bei staatsrechtlichen Problemen um dieses Kräfteverhältnis 5 . Die Gewaltenteilungstheorie haben wir überwunden. W i r sprechen nicht mehr von drei Staatsgewalten, sondern nur von einer einzigen 6 . Aber was zwingt uns denn dazu, „pouvoir" mit „Gewalt" zu übersetzen? 7 Es bedeutet doch als Verbum „können" und als Substantiv nicht bloß „Gewalt", sondern auch „Kraft", „Macht", und daß Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz staatliche Kräfte, Mächte im Staate sind, wird doch niemand in Abrede stellen wollen 8 . Die einheitliche Staatsidee steht damit keineswegs im Widerspruch. Das positive Recht, welches das Verhältnis dieser drei Machtfaktoren zueinander und zu den Staatsbürgern regelt, ist eben das Staatsrecht. I m Gegensatz dazu ist es Sache des Verwaltungsrechts, den Staat bei seiner Tätigkeit zu beobachten und die Rechtsregeln darzustellen, welche für die staatliche Tätigkeit, also für die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben gelten. Das Verwaltungsrecht stellt also nicht die einzelnen Elemente des Staates einander gegenüber, es sucht nicht die Formel zu finden für das Gleichgewicht der staatlichen 5
Vgl. 0 . M a y e r a. a. 0 . 1, 15.
6
Neuestens macht sich übrigens wieder eine Reaktion bemerkbar. V g l . 0 . M a y e r a. a. 0 . 1 , 68, A n s c h ü t z , D i e gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt 2 1 0 : „AVir h a b e n die Gewaltenteilung. Daran ist zunächst nichts zu vertuschen. U n d ferner ist hiergegen de lege ferenda weder i m Interesse der E i n h e i t der Staatsgewalt noch i m Namen des monarchischen Prinzips etwas zu erinnern." R e h m i m A r c h . Öff. R. 12, 595. 7 M o n t e s q u i e u gebraucht die Ausdrücke : „ p o u v o i r " und „puissance" promiscue. So lautet gleich der einleitende Satz (B. 11, Kap. 6): „ I I y a dans chaque E t a t trois sortes de pouvoirs: la puissance législative . . 8
Vgl. 0 . M a y e r a. a. 0 . 1, 71: „ E s sind lebendige K r ä f t e , die, j e nach seiner (des Staatswillens) Entstehungsform anders geartet, durch diesen W i l l e n i n Bewegung gesetzt werden."
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Kräfte, sondern es befaßt sich mit dem harmonischen Znsammenwirken der staatlichen Faktoren zur Erreichung der jeweils gesteckten Ziele. Drastisch läßt sich der Gegensatz so formulieren : Das Staatsrecht fragt, wenn es sich um irgendeine staatliche Aktion handelt: „ W e r soll tätig werden?", das Yerwaltungsrecht hingegen: „Was soll getan werden?" Überdies fragen selbstverständlich beide: „ W i e soll gehandelt werden?" Aber dieses W i e bedeutet für jedes von beiden etwas anderes. Es steht im Zusammenhange mit der Hauptfrage, wer handeln und was geschehen soll 9 . Ist dies richtig, dann kann eine noch so ausgezeichnete Darstellung des Staatsrechts jene des Verwaltungsrechts nicht ersetzen. Es geht nicht an, eine Darstellung der einzelnen Verwaltungsgesetze dem Staatsrecht einfach anzuhängen 1 0 . Vielmehr muß das Verwaltungsrecht, um seine Aufgabe befriedigend lösen zu können, geradeso von vorn anfangen, wie das Staatsrecht. Sowie dieses vom Staatsbegriff, so muß jenes vom Verwaltungsbegriff ausgehen, und es müssen die Darstellungen der beiden Disziplinen parallel, also nebeneinander und nicht nacheinander verlaufen. Sonst können keine richtigen Resultate erzielt werden. Es zeigt sich dies schon bei dem Ausgangspunkt jedes Verwaltnngsrechtssystems, also bei dem Verwaltungsbegriff. Wenn ich, nicht voreingenommen durch staatsrechtliche Untersuchungen, mich frage : Was ist Verwaltung ? 9
So schon A r e t i n a. a. Ο. 1 2 9. G e r b e r (a. a. Ο. 234) hebt m i t Recht h e r v o r , daß die einzelnen Partien des Verwaltungsrechts verkümmern würden, „wenn man sie bloß als einen Anhang des Staatsrechts behandelte; und wiederum würde die Reinheit und Selbständigkeit des Staatsrechts leiden, wenn man dasselbe wissenschaftliche System für den Platz der Darstellung der Rechte der Landstände und der Bestimmungen über Vorkehrungen gegen die Rinderpest ansehen wollte." 10
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so ergibt sich als Antwort: Jede Tätigkeit des Staates. Von diesem allgemeinsten Begriffe gelange ich dann, indem ich determinierende Merkmale hinzudenke, zu engeren und engsten Begriffen: Verwaltung kann auch sein die staatliche Tätigkeit mit Ausschluß der Gesetzgebung, die staatliche Tätigkeit mit Ausschluß der Gesetzgebung und der Justiz, die Tätigkeit der im engeren Sinn sogenannten Verwaltungsorgane, die innere Verwaltung usw. Wenn ich nun so eine ganze Reihe von Verwaltungsbegriffen gefunden habe, dann entsteht erst die für die ganze weitere Untersuchung entscheidende Frage: Welcher Verwaltungs begriff ist der Darstellung des Verwaltungsrechts zugrunde zu legen? Bei der Lösung dieser Frage habe ich freie Hand. Ich werde jene Lösung akzeptieren, die mir die richtigste zu sein scheint, und ob sie es auch wirklich ist, muß sich an den gewonnenen Resultaten erproben lassen. Ganz anders verhält es sich aber, wenn ich das Verwaltungsrecht als zweiten Teil des Staatsrechts behandle. Dann finde ich einen bestimmten Verwaltungsbegriff bereits vor. Das Staatsrecht muß für seine Zwecke schon mit der der Gesetzgebung und der Justiz gegenübergestellten Verwaltung rechnen. Diese drei verschiedenen Seiten der Staatsgewalt und der Staatstätigkeit bringt das Staatsrecht getrennt zur Darstellung. Damit ist aber der verwaltungsrechtlichen Behandlung präjudiziert. Es scheidet für diese von vornherein die Tätigkeit aller nicht zur Verwaltung im engeren Sinn gehörigen Staatsorgane aus. Ja selbst aus der Tätigkeit der Regierungsorgane ist ihr bereits verschiedenes vorweg genommen, so ζ. B. jene Verwaltungstätigkeit, die sich auf die politischen Wahlen bezieht. Im Rahmen einer Gesamtdarstellung des öffentlichen Rechts kann sich das Verwaltungsrecht nicht frei entfalten. Es geht aus systematischen Gründen nicht an, die bereits behandelten Probleme nochmals aufzurollen, um sie ver-
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waltungsrechtlich zu lösen, nachdem rechtliche Seite bereits abgetan i s t 1 1 .
ihre
verfassungs-
Ähnlich verhält es sich mit der Verwaltungsorganisation. Das Staatsrecht muß sich, indem es von Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz handelt, auch mit der Verwaltungsorganisation beschäftigen. Es muß das Ministerialsystem, die Stellung der Minister und Ministerien, das Verhältnis von Staats- und Selbstverwaltung usw. untersuchen. Aber es gibt bei der Darstellung der Verwaltungsorganisation eine Grenze, über welche das verfassungsrechtliche Interesse nicht hinausreicht. Das Staatsrecht will aus der Verwaltungsorganisation die Eigentümlichkeiten der Verwaltung als Machtfaktors im Staate erkennen und klarstellen, in welcher "Weise das Kräfteverhältnis zwischen Verwaltung einerseits und Gesetzgebung und Justiz andererseits durch eine bestimmte Verwaltungsorganisation beeinflußt wird. Dem Verwaltungsrecht hingegen handelt es sich darum, zu untersuchen, was eine bestimmte Organisation für die Verwaltung l e i s t e t , ob diese Organisation der Lösung der V e r w a l t u n g s a u f g a b e n günstig ist oder nicht, und wie diese Aufgaben im Hinblick auf die gegebene Organisation zweckentsprechend zu lösen sind. Beide Disziplinen müssen sich mit der Verwaltungsorganisation beschäftigen, aber jede von einer anderen Seite, jede zu einem anderen Zweck. 11 Dazu k o m m t auch noch folgendes: Das Staatsrecht behandelt immer einen b e s t i m m t e n Staat. D i e Verwaltung w i r d aber nicht immer gerade von diesem Staate allein geführt. W e n n ich ζ. B. die österreichische Heeresverwaltung darstellen s o l l , so muß ich sie als Ganzes darstellen ohne Rücksicht darauf, ob die Reichshälften oder die österr.-ungarische Monarchie handelnd auftreten. Das gleiche g i l t von jenen \ T erwaltungszweigen, welche Anfänge eines internationalen Verwaltungsrechts aufweisen. D u r c h Einfügung des Verwaltungsrechts i n das Staatsrecht werden hier beengende Schranken aufgerichtet, die u m so fühlbarer werden müssen, j e mehr das internationale Verwaltungsrecht an Umfang und Bedeutung gewinnt.
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Auch hier ist das Verwaltungsrecht nur frei, wenn es aus dem beengenden Rahmen des Staatsrechts herausgelöst wird. Denn es geht doch nicht gut an, nach Erledigung des Verfassungsrechts im Abschnitte über Verwaltungsrecht n o c h m a l s von den Ministerien, ihrer Organisation, ihrem Verhältnis zu den unterstehenden Behörden usw. zu handeln. Ganz ebenso verhält es sich mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit, mit den Fragen des Staatshaushalts, mit der Heeresverfassung und dergl. Nur dann wäre eine Sonderstellung des Verwaltungsrechts entbehrlich, wenn es möglich wäre, die verfassungsund verwaltungsrechtlichen Probleme in der staatsrechtlichen Darstellung nicht nacheinander, sondern g l e i c h z e i t i g darzustellen, wenn sich also ζ. B. die Verwaltungs organisation in befriedigender und abschließender Weise an einer einzigen Stelle des Staatsrechtssystems behandeln ließe. Dies ist aber nicht möglich. Wenigstens wurde der Beweis der Möglichkeit bisher nicht erbracht. Eine harmonische Behandlung des Staatsrechts kämpft ja, wie schon ausgeführt, ohnedies mit der dem letzteren immanenten Schwierigkeit, welche darin liegt, daß Gesetzgebung, Verwaltung und Justiz, die nacheinander dargestellt werden müssen, gar nicht unabhängig nebeneinander bestehen können, sondern durch unzählige Fäden innig miteinander verknüpft sind. Diese Verknüpfung nicht aus den Augen zu verlieren und dennoch jede Seite der Staatsgewalt, um ihr gerecht zu werden, isoliert zu betrachten: das ist eine Aufgabe, welche hohe Anforderungen an den Staatsrechtstheoretiker stellt und mit der anderen Aufgabe, jedesmal die Verwaltungsinteressen zu berücksichtigen und deshalb die einzelnen Probleme auch auf ihre verwaltungsrechtliche Seite hin zu prüfen, nicht verquickt werden kann, und zwar um so weniger, als diese Aufgaben einander zum Teil entgegengesetzt sind. Das Staatsrecht untersucht das
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i n n e r e Verhältnis der Verwaltung zu den übrigen Staatsfaktoren, das Verwaltungsrecht die nach a u ß e n wirkende Verwaltung. Soweit überhaupt unsere Staatsrechtssysteme beide Aufgaben miteinander zu vereinigen suchen, schlägt dieser Versuch naturgemäß fehl. "Wenn wir so zu der Forderung eines selbständigen Verwaltungsrechts gelangt sind, so haben wir es dabei gar nicht nötig gehabt, die Stoffülle des Verwaltungsrechts anzurufen. Nicht deshalb brauchen wir ein Verwaltungsrecht, weil das Staatsrecht die E i n z e l g e b i e t e der Verwaltung nicht durchforschen, sondern weil es den a l l g e m e i n e n Fragen des Verwaltungsrechts, soweit sie nicht geradezu mit den staatsrechtlichen Fragen zusammenfallen, seine Aufmerksamkeit nicht oder nur in ungenügendem Maße zuwenden kann. Wenn das Hauptgewicht auf die Reichhaltigkeit des Verwaltungsrechtsstoffs gelegt wird, so spricht sich darin eine Verkennung oder Verschiebung des Gegensatzes von Staats- und Verwaltungsrecht aus. Man ist ja immer geneigt, die Auseinanderlegung der Rechtsdisziplinen damit zu erklären, daß jede ein bestimmtes S t o f f g e b i e t zu pflegen hat. Versteht man - darunter, daß jede Rechtsdisziplin andere N o r m e n g r u p p e n untersucht, so mag das ja im großen und ganzen richtig sein. Unrichtig ist es aber, daß sich diese Normengruppen nach ihrem m a t e r i e l l e n Inhalt differenzieren. Wir werden hierauf noch später zurückkommen. Hier sei nur bemerkt, daß der b e g r i f f l i c h e Gegensatz zwischen Staats- und Verwaltungsrecht wenigstens in der Hauptsache kein s t o f f l i c h e r ist. Es sind selbstverständlich andere Fragen und Probleme, mit welchen sich jede dieser beiden Disziplinen beschäftigen soll — sonst könnten sie ja nicht einmal in Gedanken getrennt werden —, aber diese Fragen und Probleme beziehen sich vielfach auf d i e s e l b e n Erscheinungen des staatlichen Rechtslebens. Die Stellung
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der Minister läßt sich verfassungs- und verwaltungsrechtlich untersuchen. Aber die Minister bleiben immer dieselben, mag man sie nun von diesem oder jenem Standpunkt ins Auge fassen. Wenn aber Staats- und Verwaltungsrecht häufig den gleichen Stoff behandeln, so kann es trotz der verschiedenen Ziele, die beide verfolgen, doch nicht vermieden werden, daß gewisse Darstellungen und Gedankengänge in den beiderseitigen Untersuchungen gleichmäßig wiederkehren. Es ist dies ein Umstand, welcher gegen die selbständige Behandlung des Verwaltungsrechts ins Treffen geführt wird. Wozu ein selbständiges Verwaltungsrecht, wenn dieses vielfach die gleichen Wege wandeln muß, wie das Staatsrecht? Die Furcht vor Doppelbehandlung ist überhaupt unserer Rechtswissenschaft eigentümlich. Einen horror vacui empfindet diese nicht. Daß zahlreiche Rechtsgebiete unerforscht sind oder brach liegen, damit findet man sich ab. Sobald aber Forscher verschiedener Disziplinen auf einem Gebiete des Rechtslebens zusammentreffen, um dieses, jeder für seine Zwecke, kennen zu lernen, machen sie einander das Feld streitig, als ob hier eine ähnliche A u s s c h l i e ß l i c h k e i t der Benutzung möglich wäre, wie bei dem privatrechtlichen Eigentum. Daß ein und derselbe Gegenstand von verschiedenen Wissenschaften behandelt wird, ist an s i c h noch kein Übelstand. Es wird erst einer, wenn die von mehreren Seiten aufgewendete Mühe ohne den gewünschten Erfolg bleibt. Sobald aber jede Disziplin dem gleichen Gegenstand eine andere Seite abgewinnt, so liegt in ihrem Zusammentreffen auf einem Punkte nicht eine die Wissenschaft schädigende Konkurrenz, sondern ein der Erkenntnis förderliches Zusammenarbeiten. Das menschliche Auge wird vom Physiologen, Ophtalmologen, Physiker, Psychologen, Biologen, Anthropologen und vielleicht noch von einer Reihe anderer Forscher untersucht und behandelt. Ginge
— 43 — es an, für einen von ihnen ein Monopol zu statuieren und den anderen die Behandlung dieses Stoffes zu verwehren? Es ist meine Überzeugung, daß die Furcht vor Doppelbehandlung der Rechtswissenschaft schweren Schaden zugefügt hat. Würden die juristischen Disziplinen sich dessen bewußt sein, daß es nicht so sehr darauf ankommt, was den Gegenstand der Untersuchung bildet, als vielmehr darauf, welche Ziele die Untersuchung verfolgt und wie sie demnach vorzunehmen ist, dann würden wir uns vielleicht schon einer zusammenfassenden Rechtswissenschaft, einer allgemeinen Rechtslehre erfreuen, während heute Privat-, Straf-, Staatsrecht usw. membra disiecta eines unverbundenen Ganzen sind. Kehren wir zum Yerwaltungsrecht zurück ! Ist es richtig, daß nicht die große Zahl der Verwaltungsrechtsnormen, sondern die A u f g a b e des Verwaltungsrechts zu einer selbständigen Darstellung der einschlägigen Probleme zwingt, so ist die Frage, wie die Fülle des Verwaltungsrechtsstoffs wissenschaftlich zu bewältigen ist, eine häusliche Angelegenheit des Verwaltungsrechts, und als solche müssen wir sie nunmehr behandeln.
III. Allgemeines und spezielles Yerwaltungsrecht. Wie schon erwähnt, ist der Anteil der Praktiker an der literarischen Pflege des Verwaltungsrechts unverhältnismäßig groß. Es genügt, in dieser Richtung auf die lexikalischen Bearbeitungen des Verwaltungsrechts hinzuweisen. Speziell im „Osterreichischen Staatswörterbuch" von M i s c h l e r und U l b r i c h tritt, soweit es sich um das eigentliche Verwaltungsrecht handelt, die Arbeit der Verwaltungspraktiker außerordentlich hervor. Und gerade auf die aus dieser Quelle fließenden Artikel möchte ich den größten Wert legen. Im jahrelangen Verkehr mit dem genannten Sammelwerk habe ich die Uberzeugung gewonnen, daß die von den Praktikern beigesteuerten Beiträge dem Theoretiker geradezu unentbehrlich sind, während dasjenige, was von theoretischer Seite herrührt, zum großen Teil auch anderweitigmühelos aufgefunden werden kann. Es ist nicht unmöglich, daß sich das Verhältnis für den das Werk benutzenden P r a k t i k e r umkehrt, und wenn dem so wäre, dann würden sich hier Theorie und Praxis in der glücklichsten Weise ergänzen. Aber für uns ist es bloß von Interesse festzustellen, in welchem Maße das Verwaltungsrecht und seine Lehre durch die Mitarbeit der Praktiker gefördert wird, und wie sehr es auf diese Mitarbeit angewiesen ist. Die literarische Arbeit der Praktiker hat hier eine andere Bedeutung und einen anderen Charakter als bei den anderen Disziplinen. Im Privat- und Strafrecht, im Zivil- und Straf-
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prozeßrecht behält der Theoretiker die Führung 1 . Sein Blick ist auf das Abstrakte, jener des Praktikers mehr auf das Konkrete gerichtet. Der Theoretiker stellt die gründlichen Kenntnisse und die wissenschaftliche Auffassung, der Praktiker die Berufserfahrung und den praktischen Blick bei. Jener arbeitet zusammenfassend, dieser mehr kasuistisch, der Theoretiker will einen dauernden Fortschritt anbahnen, der Praktiker augenblickliche Schwierigkeiten überwinden. Im Verwaltungsrecht hingegen okkupiert der Praktiker ganze Gebiete, die der Theoretiker nie betritt oder doch nur sehr extensiv bewirtschaftet 2 . Der Theoretiker bewegt sich hier häufig auf der Oberfläche, während der Praktiker, eben weil ihm mit der kompendiösen Behandlung des Stoffs nicht gedient ist, sorgfältige und tiefgehende Detailstudien macht. Darum verliert hier der Theoretiker die Führung, und anstatt daß die Praxis von ihm lernt, muß er aus der Praxis die wertvollsten Anregungen schöpfen 3. Diese Erscheinung hat gewiß ihre inneren Gründe. Denn daß die Verwaltungstheoretiker ihrer p e r s ö n l i c h e n Eigen« 1
D a m i t soll dasselbe gesagt sein, was S t o e r k (Methodik 118) i n der Weise ausdrückt, daß er von der D i s z i p l i n und Z u c h t der zivilistischen Schriftsteller spricht. 2 S t o e r k (a. a. 0 . 122) spricht — a l l e r d i n g s i n anderem Zusammenhange, nämlich m i t Beziehung auf die Staatslehre — von der L a t i f u n d i e n w i r t s c h a f t der Theorie. 3 U m Mißdeutungen vorzubeugen, bemerke ich ausdrücklich, daß ich zwischen Theoretikern und P r a k t i k e r n n i c h t i m Z u n f t s i n n unterscheide. W e r auf Grund eingehender Studien aus Liebe zur Wissenschaft und zu ihrer Förderung schriftstellerisch t ä t i g i s t , ist T h e o r e t i k e r , mag er i m übrigen welchen Beruf immer ausüben, P r a k t i k e r aber, wer, um praktische Erfahrungen zu verwerten oder den Bedürfnissen der Praxis zu genügen, zur Feder greift. Es stünde schlimm um die Jurisprudenz, wenn sie der literarischen Mitarbeit solcher berufener P r a k t i k e r entraten müßte. E s gibt freilich neben den Berufenen auch Unberufene, jene, von welchen 111 e r i n g (Scherz und E r n s t i n der Jurisprudenz 65) treffend bemerkt, daß sie „sich darum für große Theoretiker halten, w e i l eine innere Stimme ihnen sagt, daß sie keine P r a k t i k e r sind."
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schaf'ten wegen weniger zu leisten vermögen als andere Fachmänner, ist ja von vornherein ausgeschlossen. Warum verschiebt sich gerade auf verwaltungsrechtlichem Gebiete das Verhältnis von Theorie und Praxis in so eigentümlicher Weise? Wiederum liegt es nahe, darauf zu verweisen, daß der Stoff des Verwaltungsrechts so überaus groß ist, daß er kaum überblickt, geschweige denn von einem Menschen bewältigt werden kann. Aber auch hier glauben wir diesem Argument keine entscheidende Bedeutung beimessen zu können. Denn der Stoff kann doch nicht so groß sein, daß er nicht von der G e s a m t h e i t der Forscher bemeistert werden könnte. Die dazu notwendige Arbeitsteilung würde sich von selbst vollziehen, wenn es sich wirklich nur um ein G r ö ß e η V e r h ä l t n i s , um eine Quantitätsfrage handeln würde. Nicht die Menge, sondern der I n h a l t des Verwaltungsrechtsstoffes, der G e g e n s t a n d des Verwaltungsrechts ist es, der uns in den Stand setzt, die aufgeworfene Frage zu beantworten. Daß die Rechtsverhältnisse zunächst und in erster Linie L e b e n s v e r h ä l t n i s s e sind, ist ein vielgebrauchter Gemeinplatz. Es ist daher selbstverständlich, daß nur, wer die betreffenden Erscheinungen des Lebens kennt, die Rechtsverhältnisse erfassen und darstellen kann. Woher aber verschafft sich der Jurist diese Kenntnisse ? I n dieser Hinsicht wird man wohl unterscheiden müssen. Zum Teil handelt es sich dabei um Dinge, die jedem geläufig sind, der mitten im Leben steht, zum weiteren Teil um Erscheinungen, die wenigstens derjenige kennt, der sich eine gewisse allgemeine Bildung erworben hat. Der Erkenntnis der w i r t s c h a f t l i c h e n Lebensverhältnisse sind die ökonomischen Wissenschaften gewidmet, die der Hörer der rechts- und s t a a t s wissenschaftlichen Fakultät zum Gegenstand eines besonderen Studiums machen muß. So ist dafür gesorgt, daß der Jurist nicht ohne Kenntnis der einschlägigen Lebensverhältnisse
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seinen Beruf antritt, wenngleich ihm die intimere Bekanntschaft mit dem Leben, welche die Praxis vermittelt, noch abgeht. Nun gibt es aber spezielle Rechtsdisziplinen, welche insofern höhere Anforderungen an ihre Jünger stellen, als sie eine Kenntnis singulärer, Fernerstehenden nicht geläufiger Zustände oder Verhältnisse verlangen. So genügt eine allgemeine theoretische Schulung in der politischen Ökonomie nicht, um an die Detailfragen des Handelsrechts herantreten zu können. Man muß vielmehr das ganze Getriebe des Handelslebens kennen, man muß wissen, wie sich die handelsgeschäftlichen Funktionen normal und abnormal abwickeln, welche Gebräuche sich diesfalls im Laufe der Zeit herausgebildet haben usw. Die Sonderstellung der Spezialdisziplinen, welche ein vergleichsweise enges Forschungsgebiet haben, findet zum guten Teile ihre Rechtfertigung in der Notwendigkeit, das Studium auch auf die betreffenden Partien des gesellschaftlichen Lebens auszudehnen. Zum Teil ähnlich liegt die Sache bei dem Verwaltungsrecht. Auch dieses befaßt sich vielfach mit Lebensbeziehungen, deren genauere Kenntnis ein besonderes, hierauf gerichtetes Studium oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufs-, Erwerbs- oder Gesellschaftsklasse voraussetzt 4. Aber es ist nicht, wie Handels-, Bergrecht usw., eine S p e z i a l w i s s e n s c h a f t , sondern reiht sich an Umfang und Bedeutung dem Privat-, Straf-, Prozeß-, Staatsrecht usw. ebenbürtig an. Die für das Verwaltungsrecht bèdeutsamen Lebensverhältnisse können nicht zum Gegenstande eines S ρ e z i a 1 studiums gemacht werden, w e i l sie 4 Dalier kommt es denn auch, daß sich i n der verwaltungsrechtlichen L i t e r a t u r vielfach nichtjuristische Ausführungen finden, was L a b a n d (Arch. ÖfF. R. 2, 150) so sehr tadelt. W e n n es n u n auch r i c h t i g i s t , daß E r örterungen über die Eigenschaften des Wassers usw. nicht verwaltungsrechtlich s i n d , so haben sie doch für das Verwaltungsrecht Bedeutung, und es läßt sich nicht umgehen, die niclitjuristischen Grundlagen des \ T e r waltungsreclits, wenn auch nicht zu untersuchen, so doch festzustellen, zu konstatieren.
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das L e b e n i n s e i n e r T o t a l i t ä t e r s c h ö p f e n . Nicht etwa e i n z e l n e Beziehungen des staatlichen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Lebens sind es, die der verwaltungsrechtlichen Regelung bedürfen. Mit der ganzen F ü l l e des Lebens, mit allen Seiten der menschlichen Betätigung muß sich das Verwaltungsrecht abfinden. Die Aufgaben, die der Staat zu erfüllen hat, sind im Laufe der Jahrtausende so mächtig angewachsen, daß die Verwaltung mit vollem Recht sagen kann : Nihil humani a me alienum puto. Erklärt sich hieraus die schon oft erwähnte, schier unübersehbare Menge des Verwaltungsrechtsstoffes, so ist damit auch schon gesagt, warum die Verwaltungs t h e o r i e dieses Stoffes nicht Herr werden kann. Es gibt kaum eine Wissenschaft, welche nicht die Grundlage für irgendwelche Verwaltungsrechtsnormen bilden würde. Dies im einzelnen darzutun, ist wohl überflüssig. Es genügt darauf hinzuzuweisen , daß z. B. die naturhistorischen, medizinischen, ökonomischen, technischen Wissenschaften, aber auch Disziplinen, bei denen man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde, wie etwa die Mathematik 5 , dem Verwaltungsrecht Bausteine liefern. Tatsächlich finden wir nicht bloß Juristen, sondern auch Vertreter aller anderen Fakultäten, Schulen und Disziplinen im praktischen Dienst der öffentlichen Verwaltung. Sie alle setzen ihr Spezialwissen und ihre fachlichen Fähigkeiten ein, damit die mannigfaltigen Verwaltungsaufgaben überhaupt erfüllt werden können. So wenig die Praxis auf die Mitwirkung dieser Fachmänner verzichten könnte, so wenig kann auch die Verwaltungsrechtstheorie für sich allein alle Provinzen des Verwaltungsrechts beherrschen. Das Forstrecht z. B. setzt zu seinem Verständnis die Kenntnis der Forstwirtschaft voraus. Die Lektüre des Forstgesetzes allein schafft wohl eine ober5
M a n denke z. B. an die Yersicherungsmathematik.
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flächliche Information, aber kein Verständnis für die Aufgaben und Beziehungen der staatlichen Forstverwaltung. Denn auch im Verwaltungsrecht — und hier vor allem — gilt der Satz des Celsus: Scire leges non hoc est: verba earum tenere, sed vim ac potestatem. Nun kann sich gegewiß auch der Jurist jene Kenntnis der forstwirtschaftlichen Verhältnisse verschaffen, welche ihn zur erfolgreichen Pflege des Forstrechts befähigt. Und in gleicher Weise kann er sich auf irgendeinem anderen Spezialgebiet die erforderlichen Kenntnisse aneignen. Aber alles Wissen ist, vom Standpunkt des Gesamtverwaltungsrechts aus betrachtet, nur Stückwerk. Denn, um sich in solcher Weise für das g a n z e Verwaltungsrecht auszurüsten, mlißte man ein Polyhistor sein, und das ist bei dem heutigen Stand der Wissenschaften schlechthin unmöglich. So ist es erklärlich, daß sich die Verwaltungsrechtstheoretiker daran genügen lassen, die einzelnen Verwaltungsgebiete enzyklopädisch darzustellen, ohne den reichen Schatz zu heben, der in den Verwaltungsnormen enthalten ist. Aber nicht bloß der Mangel einer allseitigen wissenschaftlichen Vorbildung ist es, der hier in Betracht kommt. Auch jener Verwaltungspraktiker, der für seine eng begrenzte Aufgabe theoretisch-fachlich vollkommen geschult ist, erkennt gar bald, daß das wirkliche Leben viel mannigfaltiger und komplizierter ist, als es die Schule ihn hat lehren können. Er kann sich deshalb nicht damit begnügen, das, was er von der Theorie gelernt hat, einfach anzuwenden. Er muß schöpferisch vorgehen nnd sich zum guten Teil innerhalb der vom Staate empfangenen Rechtsvorschriften ein eigenes System von Regeln bilden, um den Anforderungen seines Berufs gerecht werden zu können. Die Verhältnisse liegen bei ihm anders, als bei dem Praktiker des Zivilrechts und des Zivilprozesses. Auch der Zivilist muß sich mit der Kompliziertheit der Lebensverhältnsise abfinden. Aber S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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50 — die Schwierigkeit liegt für ihn hauptsächlich darin, aus den Erscheinungen des Lebens dasjenige herauszufinden, was für den Rechtsfall bedeutsam ist. Die formalen Rechts figuren: Kauf, Tausch, Miete, Servitut usw. sind in der Praxis keine anderen als in der Theorie. Aber während sie von der letzteren ohne Mühe isoliert erfaßt werden können, muß der Praktiker sie erst g e w i n n e n , indem er aus der Fülle des Tatsächlichen das juristisch Relevante und aus diesem speziell das Typische 6 heraushebt. Seine Kunst — die „Jurisprudenz des täglichen Lebens", für welche das so benannte I h ering sehe Büchlein reiches Material bietet — besteht, mit einem Wort ausgedrückt, in der Geschicklichkeit des A b s t r a h i e r e n s . Die gleiche Geschicklichkeit muß auch der Verwaltungspraktiker besitzen, wenn er Rechtsfälle zu entscheiden hat. Aber daneben stellt ihm das Leben eine ganz andersartige Aufgabe. Er hat ja nicht bloß Einzelfälle zu entscheiden, sondern auch planmäßig in das Getriebe des Lebens einzugreifen, um es in der der Verwaltung erwünschten Weise zu beeinflussen. Gleicht die richterliche Tätigkeit jener des Kritikers, so läßt sich die Verwaltungstätigkeit mit der Arbeit des schaffenden Künstlers vergleichen. Jeder Verwaltungspraktiker ist eigentlich ein Gesetzgeber im kleinen. Er ordnet und sichtet das faktische Material, das sich ihm darbietet, um — im Rahmen der ihn bindenden Vorschriften — Grundsätze für sein Handeln und nicht etwa bloß den für eine Einzelentscheidung maßgebenden Paragraphen zu finden. Schon äußerlich tritt dies dadurch hervor, daß die Normsetzung im Verwaltungsrecht zwar vom Zentrum ausgeht, sich aber in kaum übersehbarer Weise bis an die äußerste Peripherie fortpflanzt. Nicht bloß den Zentralstellen, sondern auch allen anderen Behörden kommt ein 6
Vgl. J e l l i n e k , Gesetz und \ r e r o r d n u n g 238.
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Verordnungsrecht zu, wenngleich sich der Stoff von oben nach unten fortschreitend verdünnt. Und nicht Verordnungen allein kommen in Betracht, sondern auch die für die Verwaltungsbeamten maßgebenden Instruktionen und Normalien, zu deren Erlassung jeder Vorgesetzte berechtigt ist. Je tiefer wir jedoch in der Beamtenhierarchie herabsteigen, desto entbehrlicher wird die schriftliche Instruktion, desto leichter läßt sie sich durch mündliche Weisungen ersetzen. Ja selbst durch sein ganzes amtliches Verhalten — also gewissermaßen concludenter — kann der Vorgesetzte richtunggebend wirken. Schließlich aber richtet sich der Beamte nicht bloß nach den von außen empfangenen Normalien, sondern auch nach jenen Regeln, die er sich im Laufe seiner Amtszeit selbst gebildet hat, und zu deren Revision er sich oft schwerer entschließt, als der Gesetzgeber zur Umgestaltung umfassender Gesetze. So entsteht gerade in der Verwaltungspraxis ein S p e z i a l i s t e n t u m , das eine viel größere Ausdehnung und Bedeutung hat, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Jede Verwaltungsorganisation drängt zum Spezialismus und befördert ihn. Immer kleiner wird das Gebiet, das der einzelne Beamte beherrscht; aber dafür nimmt diese Beherrschung den Charakter der Virtuosität an. Dort, wo die Detailarbeit des Verwaltungstheoretikers bereits aufhört, baut erst der Spezialist sein kompliziertes System auf, um seine praktische Aufgabe bewältigen zu können. Daraus erklärt es sich, daß auf s e i n e m Gebiet der Spezialist Praktiker u n d T h e o r e t i k e r z u g l e i c h ist. Was Wunder, wenn er sich für berufen und befähigt hält, die Resultate seines Spezialstudiums und seiner Berufserfahrungen literarisch zu verwerten, da doch kein anderer über die gleichen Voraussetzungen hiefür verfügt. Für die Theorie birgt aber dieser Zustand eine nicht zu unterschätzende Gefahr. So sehr auch das Verwaltungs4*
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recht durch die literarische Tätigkeit der Verwaltungspraktiker in der einen Richtung gefördert wird, so leidet darunter doch der Z u s a m m e n h a n g der wissenschaftlichen Arbeit und die harmonische Entwicklung der Gesamtdisziplin. Und auch die gewonnenen Einzelergebnisse sind von fragwürdigem Wert, wenn sie nicht auf methodischem Wege aus klar erfaßten, allgemeinen Prinzipien abgeleitet worden sind. Man kann leicht die Wahrnehmung machen, daß die monographische Untersuchung eines verwaltungsrechtlichen Themas dort mit Sicherheit und Enschiedenheit geführt zu werden pflegt, wo es sich um die Erörteruug prinzipiell minder belangreicher Detailpunkte, um die Interpretation dieses oder jenes Paragraphen handelt, der ebenso gut hätte anders lauten können, während dort, wo die Lösung einer Frage eine bestimmte Grundanschauung über a l l g e m e i n e Probleme des Verwaltungsrechts voraussetzt, ein ratloses Hin- und Herschwanken anzutreffen ist. Wenn aber ein gewissenhafter Monographist, bevor er zu einer Einzelfrage Stellung nimmt, zuerst die allgemeinen Grundfragen sorgfältig erörtert, so liegt hierin nicht selten eine Kraftverschwendung nicht bloß im Hinblick auf das bescheidene Ziel, das sich der Autor steckt, sondern auch deshalb, weil jene Schriftsteller, welche in der Folge zwar ein ganz a n d e r e s Thema behandeln wollen, dabei aber die gleichen p r i n z i p i e l l e n Fragen erörtern müssen, von der Arbeit ihres Vorgängers kaum etwas wissen. Wie viele Erörterungen über Administrativ verfahren, Kompetenz, Instanzenzug, Rechtskraft, Exekution usw. finden sich in der monographischen Literatur versprengt, Untersuchungen, die weder untereinander im Zusammenhange stehen, noch auch mit der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Literatur eine engere Fühlung haben! Soll in dieser Hinsicht eine Besserung erzielt werden, se kann dies nur dadurch geschehen, daß gerade jene a l l -
53 — g e m e i n e n Lehren des Verwaltungsrechts, die auf die Detailforschung befruchtend und richtunggebend wirken sollen, von den Verwaltungsrechtstheoretikern vor allem gepflegt werden 7 . Übersteigt es zunächst noch die Kräfte eines einzelnen, das Verwaltungsrecht in allen seinen Teilen gleichmäßig zu beherrschen, so muß um so mehr ein zentrales Gebiet gesucht werden, das hauptsächlich der Pflege bedarf. Als ein solches Zentrum kann aber nichts anderes in Betracht kommen, als das allgemeine Verwaltungsrecht. "Wie wichtig es ist, die allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts auszugestalten, zeigt am besten der Hinweis darauf, daß schon wiederholt die Pflege des allgemeinen Teils des Verwaltungsrechts angeregt worden ist 8 . Nur scheint man sich über Umfang und Bedeutung dieses allgemeinen Teils nicht ganz klar geworden zu sein. Man denkt dabei an eine ähnliche Sonderung des Stoffs, wie sie in den Systemen des Privatrechts (und in den Zivilgesetzbüchern) längst vorgenommen wird. Allein der Vergleich mit dem Privatrecht ist kein glücklicher. Dieses behandelt im allgemeinen Teil eine Reihe von formalen, 7 M i t Recht erklärt J e 1 l i n e k , Das Recht d. mod. St. 1 2 70, daß es für jede Wissenschaft notwendig i s t , „die Beziehungen zwischen den einzelnen isolierten Seiten ihres Objekts herzustellen". 8 Vgl. U l b r i c h , Uber öffentliche Rechte und Verwaltungsgerichtsbarkeit m i t Rücksicht auf die E r r i c h t u n g eines Verwaltungsgerichtshofs i n Österreich 72 („ein allgemeiner T e i l . . . der die Elemente der Rechtsverhältnisse und die allgemeine Seite derselben, die Formen der Begründung und Geltendmachung erörtert und hierdurch die juristische Behandlung der einzelnen Verwaltungsgebiete ermöglicht"), B e r n a t z i k , Rechtsprechung und materielle Rechtskraft S. I V , I n a m a - S t e r n e g g a. a. 0 . 8 1 : „ D a w i l l es mir doch vor allem scheinen, als wenn die Pflege des Verwaltungsrechts das Schwergewicht ihrer Leistungen auf einen Ausbau eines allgemeinen Verwaltungsrechts verlegen müsse." S t o e r k (Methodik 118) fordert für das öffentliche Recht einen allgemeinen Teil, „ v o n eben solcher Selbstlosigkeit und Anpassungskraft, wie es der allgemeine T e i l des Privatrechts i s t u . Vgl. auch B e r g b o h m , Jurisprudenz und Rechtsphilosophie 1, 19.
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zum großen Teil der allgemeinen Rechtslehre angehörigen Begriffen, welche für das materielle Zivilrecht von Bedeutung sind. Der allgemeine Teil ist im großen und ganzen eine P r o p ä d e u t i k des Zivilrechts, welche an Bedeutung und Umfang hinter den materiellen Partien desselben weit zurückbleibt 9 . Die allgemeinen Lehren des Privatrechts, „welche sich auf das allen oder doch einer überwiegenden Anzahl von Rechtsverhältnissen Gemeinsame beziehen," „bilden d i e g e i s t i g e A t m o s p h ä r e , in welcher sich die einzelnen Rechtsinstitute bewegen; ihre Darstellung ist die V o r b e r e i t u n g zur Kenntnis der Eigentümlichkeit der besonderen Rechtserscheinungen" 1 0 . Den Kern des Privatrechts bilden aber nicht die allgemeinen Lehren, sondern das Vermögens- und Familienrecht 11 . Im Gegensatz dazu ist der allgemeine Teil des Verwaltungsrechts, wenn er seiner Aufgabe entsprechen soll, keine bloße Propädeutik, sondern eine in sich geschlossene Darstellung von Problemen, welche zwar i m V e r h ä l t n i s zu d e n E i n z e l g e b i e t e n der V e r w a l t u n g allgemeiner Natur sind, für sich allein betrachtet jedoch dieselbe Entwicklung vom Allgemeinsten bis zum Speziellsten zulassen und erheischen, wie alle sonstigen Probleme der Rechts9 Gegenüber einem, dem allgemeinen T e i l des Privatrechts analogen allgemeinen T e i l des Verwaltungsrechts wäre die K r i t i k 0 . M a y e r s 1, 19f. b e r e c h t i g t : „ . . . die Aufgabe kann nicht sein, n u r einen allgemeinen T e i l zu liefern, wie er i n den Pandekten gegeben zu werden pflegt. D a m i t wäre wenig gedient; a u f d i e P a n d e k t e n s e l b s t k o m m t es a n . " 10 U n g e r , System des österr. allgem. Privatrechts 1 , 228. — I n scharfer Weise hat neuestens Z i t e l m a n n den üblichen „allgemeinen T e i l " des Zivilrechts kritisiert. „ Der allgemeine Teil, wie er heute in den L e h r büchern erscheint, hat eine traurige Gestalt." „ A b e r man darf wünschen u n d hoffen; wer aufs neue ein großes Gesamtwerk über bürgerliches Recht vom wissenschaftlichen Standpunkte aus verfassen w i l l , möge den M u t haben, das hergebrachte Schema ganz zu verlassen und einen neuen Bau i n neuem, einheitlichem Stil zu wagen." (Grünhuts Z. 33, 19). 11 U n g e r a. a. Ο. 1, 213.
und Staatswissenschaften. Es wird dies sofort klar sein, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß der Administrativprozeß, das Verwaltungsstrafrecht, die politische Exekution in diesen allgemeinen Teil gehören 1 2 . Wenn wir das Zivilprozeßrecht als „formelles Privatrecht" zu bezeichnen pflegen, so wollen wir doch nicht sagen, daß etwa der Zivilprozeß zu den „allgemeinen Lehren" des Privatrechts gehöre, sondern wir erkennen ihm eine Sonderexistenz zu. Gewiß ist der Zivilprozeß insofern a l l g e m e i n , als sich das gerichtliche Verfahren in gleicher Weise abwickelt, wenn es sich um eine Klage auf Anerkennung der Echtheit eines Testaments handelt, wie wenn eine Klage auf Ersatz eines Schadens vorliegt. Aber dessenungeachtet hat der Zivilprozeß wiederum s e i n e Spezialfragen, die wieder für das materielle Privatrecht bedeutungslos sind. Ob der zugefügte Schaden durch Urkunden, Zeugen, Sachverständige oder Parteienvernehmung bewiesen wird, ist für das Zivilrecht gleichgültig. Die a l l g e m e i n e n zivilrechtlichen Grundsätze — wie wir uns hier ausdrücken können — sind die gleichen; aber der Prozeß gestaltet sich verschieden, je nachdem der Beweis in dieser oder jener Weise geführt wird. In gleicher Weise ist auch die Allgemeinheit der dem allgemeinen Teil des Verwaltungsrechts zuzuweisenden Lehren eine relative. Die Wichtigkeit dieser Lehren und die große Zahl der hier auftauchenden Probleme rechtfertigen es, daß man sie überhaupt nicht als allgemeinen, propädeutischen Teil des Verwaltungsrechts entwickelt, sondern daß ihnen eine selbständige, wenn auch für die Spezialgebiete der Verwaltung bedeutsame Beachtung geschenkt wird. Mit anderen Worten : man sollte lieber nicht 12 U l b r i c h widmet i n seinem „ L e h r b u c h des österr. Verwaltungsrechts" den allgemeinen Lehren m i t E echt den ihnen gebührenden breiten Raum.
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von einem allgemeinen T e i l des Verwaltungsrechts, sondern vom a l l g e m e i n e n V e r w a l t u n g s r e c h t sprechen 13 . Je weniger auf dem Gebiete des speziellen Verwaltungsrechts heute Abgeschlossenheit und Vollständigkeit der Darstellung erwartet werden kann, desto mehr muß die Theorie darauf bedacht sein, das a l l g e m e i n e Verwaltungsrecht zu einer in sich geschlossenen, den gesamten Verwaltungsrechtsstoff nach a l l g e m e i n e n Gesichtspunkten behandelnden Disziplin auszugestalten. Den g e s a m t e n V e r w a l t u n g s rechtsstoff! Denn nicht in bezug auf diesen Stoft können sich allgemeines und spezielles Verwaltungsrecht unterscheiden. Der Unterschied liegt vielmehr darin, daß das spezielle Verwaltungsrecht jene Rechtsnormen als zusammengehörig behandelt, welche einem bestimmten Verwaltungszweck dienen (Bau-, Weg-, Schul-, Gewerbe-, Versicherungsrecht usw.) 14 , während das allgemeine Verwaltungsrecht jede einzelne Erscheinung des Verwaltungsrechts daraufhin prüft, inwieweit sich in ihr die allgemeinen 13
Vgl. I n a m a - S t e r n e g g a . a. 0 . 0 . M a y e r (a. a. 0 . 1 , 17if.) verweist die Behandlung der einzelnen Verwaltungszweige i n die Verwaltungs 1 e h r e. F ü r das Verwaltungs r e c h t hält er den Anschluß an die Verwaltungslehre nicht für notwendig. „ J u r i s t i s c h Zusammengehöriges w i r d notwendig dabei auseinandergerissen u n d für manches rechtlich Bedeutsame ist i n diesem System überhaupt k e i n Platz zu finden." Der E i n w a n d ist vollauf begründet, wenn sich das Verwaltungsrecht auf die Darstellung der einzelnen \ r erwaltungszw r eige beschränkt. A b e r so wenig eine solche Darstellung g e n ü g e n kann, so wenig ist sie e n t b e h r l i c h . Gegen ein „abstraktes System öffentlicher Rechte und Pflichten ohne Rücksicht auf die einzelnen materiellen Richtungen der V e r w a l t u n g " hat U l b r i c h schon i n seiner ersten P u b l i k a t i o n (Über öffentliche Rechte 1875 71) Stellung genommen: „Dies hieße den Zusammenhang lösen und w'äre eine Verkennung der Tatsache, daß die einzelnen Verwaltungszweige, z. B. die Sicherheitspolizei, das Medizinalwesen, das Unterrichtswesen, die Volkswirtschaftspflege usw., selbst w ieder organische Gruppen, abgegrenzte Arbeitsgebiete sind, innerhalb welcher die Rechtsverhältnisse ihren konkreten I n h a l t gewinnen." Vgl. über die Systemfrage auch unten Kap. 'VII. 14
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Typen verwaltungsrechtlicher Gestaltungen ausgeprägt finden. Denn auch die allgemeinen Lehren des Verwaltungsrechts können nur induktiv aus dem positiven Rechte, „ex iure quod est", und nicht deduktiv aus apriorischen Begriffen entwickelt werden. Das Verhältnis des allgemeinen zum speziellen Verwaltungsrecht ist ganz ähnlich jenem zwischen allgemeiner und spezieller (oder systematischer) Botanik. Beide Disziplinen der Botanik befassen sich mit denselben Pflanzen. Der Forscher der einen Richtung sieht aber in jeder Pflanze das Typische und Generelle, um auf Grund der so gewonnenen Kenntnis die Anatomie, Morphologie und Physiologie der Pflanzen entwickeln zu können, während der Systematiker die Pflanzen nach ihrer inneren Verwandtschaft in Gruppen ordnet und die Eigentümlichkeit jeder einzelnen Gruppe zu erforschen trachtet. Sowie die Unterscheidung von allgemeiner und spezieller Botanik der botanischen Wissenschaft zum Heile gereicht hat, so würde auch das Verwaltungsrecht von einer ähnlichen Sonderung wesentlichen Vorteil ziehen. Allerdings ließe sich dagegen prinzipiell einwenden, daß es nicht angehe, aus einer Wissenschaft gewissermaßen den Kern herauszuschälen, der in erster Linie den Gegenstand eingehender Erforschung zu bilden hätte, daß vielmehr a l l e Seiten und Zweige einer Wissenschaft auf die gleiche Liebe und Sorgfalt Anspruch hätten. Allein dieser Einwand erledigt sich — wenigstens vom praktischen Standpunkt — durch den Hinweis darauf, daß auch andere Rechtsdisziplinen ein zentrales Gebiet kennen, welches sie den übrigen Partien gegenüber sichtlich bevorzugen. So befaßt sich der Zivilist vornehmlich mit dem a l l g e m e i n e n Privatrecht, neben dem er bald mehr, bald weniger besondere Privatrechte unterscheidet, der Kriminalist hauptsächlich mit dem dem Militär-, Finanz- und Polizeistrafrechte gegenübergestellten a l l g e m e i n e n Strafrecht, der Prozessualist fast ausschließlich
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mit dem Zivil- und Strafprozeß, während die nichtprozessuale Zivilgerichtsbarkeit (freiwillige Gerichtsbarkeit) — sogar mehr als zulässig — vernachlässigt wird. Auch im Verwaltungsrecht ist eine derartige Bevorzugung eines Gebiets seit langem üblich, indem oft das sogenannte i n n e r e Verwaltungsrecht zum ausschließlichen Gegenstand der Darstellung gemacht w i r d 1 δ . Allein die Behandlung des inneren Verwaltungsrechts kann wohl als Paradigma gelten für jene des speziellen oder systematischen Verwaltungsrechts. Eine wesentliche Förderung der Verwaltungsrechtswissenschaft selbst kann aber nicht von einer vorzugsweisen Bearbeitung der der inneren Verwaltung angehörigen Probleme, sondern nur von der Pflege der für alle Spezialgebiete der Verwaltung in gleicher Weise bedeutsamen allgemeinen Lehren erwartet werden. 15
Vgl. L o e n i n g a. a. Ο. 3 , S t e n g e l , Lehrb. d. d. \ r erw.-R. 19 f., U l b r i e h , Lehrb. d. österr. Verw.-R. 45, S a r w e v bei M a r q u a r d s e n , 1. Bd., I I . Halbbd. 56.
IV. Das Organisationsrecht. Zu den wichtigsten Kapiteln des allgemeinen Verwaltungsrechts gehört die Lehre von der Verwaltungsorganisation im weitesten Sinne des Wortes, also nicht bloß die Gliederung der Verwaltungsämter, ihr Verhältnis zueinander und die innere Organisation jedes einzelnen Amts, sondern auch die für die Erlangung der Organschaft maßgebenden Grundsätze und die Rechtsverhältnisse der mit Organschaft bekleideten Individuen, demnach die gesamte Lehre vom öffentlichen Dienst 1 . Es bedarf keiner ausführlichen Begründung, daß die Verwaltungsorganisation ihrem Zweck angepaßt sein muß und daß es demnach nicht nur auf die konkrete Verwaltung von wesentlichem Einfluß ist. wie sie organisiert ist, sondern daß auch umgekehrt die Grundsätze für eine zweckentsprechende Verwaltungs organisation nur dann gewonnen werden können, wenn den Aufgaben und Bedürfnissen der Verwaltung volles Verständnis entgegengebracht wird. Deshalb kann sich das Verwaltungsrecht der Unter1
Daß das Organisationsproblem nicht immer i n diesem weiten U m fang erfaßt w i r d , und daß überhaupt der Lehre von der Verwaltungsorganisation nicht jenes Gewicht beigelegt zu werden pflegt, welches i h r für das Verwaltungsrecht zweifellos zukommt, ist um so auffälliger, als ζ. B. die Volkswirtschaftslehre die Organisationsfragen auch dann ihrer vollen Bedeutung nach w ü r d i g t , wenn es sich nicht um rechtliche, sondern u m faktische Organisationsformen handelt. Vgl. P h i l i p p o v i c h , Grundriß der polit. Oek. I I 1 5 f . , 23ff., ferner S t e i n b a c h , Rechtsgeschäfte der wirtschaftlichen Organisation. E h r l i c h , Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft 9 f.
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suchung der Organisationsfragen nicht entschlagen. Fast scheint es trivial, dies ausdrücklich hervorzuheben. Aber es muß geschehen, weil gerade der hervorragendste und verdienstvollste Bearbeiter des deutschen Verwaltungsrechts eine gegenteilige Ansicht ausgesprochen und betätigt hat. O t t o M a y e r behandelt zwar in seinem „Deutschen Verwaltungsrecht" die öffentlichen Dienstverhältnisse im Abschnitt über das verwaltungsrechtliche Obligationenrecht (Recht der besonderen Schuldverhältnisse) ; er spricht auch von den Selbstverwaltungskörpern im Kapitel von den juristischen Personen 2. Aber er weist die Lehre von der Behördenordnung aus höchst charakteristischen Gründen mit „dem geistesverwandten Verfassungsrecht" dem Staatsrecht zu (1, 15 f.). Die zur Verwaltungstätigkeit berufenen Individuen — meint er — „sind weit entfernt, bloße Werkzeuge zu sein. Sie haben eine gewisse Selbständigkeit im Gebrauch der Macht, die ihnen anvertraut ist; das Recht ist darauf eingerichtet, diese zu sichern. Hinter ihnen stehen gewisse g e s e l l s c h a f t l i c h e M ä c h t e , aus denen sie der rechtlichen Ordnung gemäß hervorgehen, Berufsstände, wirtschaftliche Klassen, örtliche Gemeinschaften. Die Verwaltungsorganisation ist zugleich die Form, in welcher diesen ihr Einfluß und ihr Anteil an der Verwaltung zugemessen wird. Nur in diesem Zusammenhang ist sie recht zu verstehen. Es handelt sich hier um p o l i t i s c h e s R e c h t , wie bei der Verfassung." Man kann diesen Sätzen durchaus zustimmen, ohne doch daraus zu folgern, daß sich das Verwaltungsrecht mit der Behördenordnung nicht zu 2 I n seiner neuesten Schrift: „ D i e juristische Person und ihre Verwertbarkeit i m öffentlichen Recht" spricht M a y e r der Gemeinde juristische Persönlichkeit ab. E r bezeichnet sie n u n als „Gemeinwesen", als „Überperson" (68). Hätte er diese Ansicht schon früher gehabt, so wäre die Darstellung organisationsrechtlicher Probleme i n seinem Verwaltungsrecht vielleicht noch dürftiger ausgefallen.
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befassen habe. Sicherlich kommt in der Verwaltungs organisation ein Kräfteverhältnis zum Ausdruck, welches seiner ganzen Struktur nach der Darstellung im Staatsrecht bedarf. Aber ebenso sicher ist es, daß die Behördenordnung nicht a u s s c h l i e ß l i c h dieses Kräfteverhältnis ausdrückt. Der weitaus größte Teil der organisatorischen Bestimmungen dient n u r dem Interesse der Verwaltung und nicht jenem der in der Verwaltung herrschenden Personen, Klassen, Parteien, Stände, Gemeinschaften usw. Es handelt sich hiebei um Fragen, die v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h irrelevant sind. Sie liegen jenseits von Macht und Herrschaft. Daneben gibt es freilich Bestimmungen, die sowohl vom Standpunkt des Verfassungs- wie von jenem des Verwaltungsrechts aus gewürdigt werden wollen. Daß die verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkte v o l l s t ä n d i g zurücktreten, ist wohl ausgeschlossen. Es sei gestattet, das Gesagte an einem Beispiel zu illustrieren. Die österreichische Finanzverwaltung trachtet aus den beengenden Schranken, in denen sie gegenwärtig gehalten wird, zu neuen Organisationsformen zu gelangen. Es handelt sich dabei vor allem um die Emanzipation von der politischen Verwaltung 3 . I n erster Instanz ist heute die Verwaltung der direkten Steuern mit geringfügigen Ausnahmen den politischen Behörden zugewiesen·, in zweiter Instanz hat die Finanzbehörde mit der politischen Landesstelle einen gemeinsamen Chef. Der gegenwärtige Zustand hat gewiß neben der verwaltungsrechtlichen auch eine verfassungsrechtliche Seite. Es ist verfassungsrechtlich von Bedeutung, daß die Fäden der politischen und der Finanzverwaltung des Landes schließlich in e i n e r Hand zusammenlaufen, in jener des Landeschefs, der dem Landtag gegenüber die g e s am te Verwaltung repräsentieren soll. Die Loslösung 3
Vgl. T e z n e r i m Verw.-Arch. 8, 555, N. 163.
— 62 — der Finanzverwaltung würde eine Schwächung jenes Einflusses bedeuten, über welchen die politischen Behörden gegenwärtig verfügen. Es würde sich hiedurch das Kräfteverhältnis jedenfalls verschieben. Auf der anderen Seite kommen die verwaltungsrechtlichen Rücksichten in Frage. F ü r die Verbindung der beiden Verwaltungszweige spricht die dadurch vielleicht ermöglichte Aufstellung und Beobachtung einheitlicher Verwaltungsgrundsätze, die Gewinnung eines einheitlichen Bildes über die Fragen der Verwaltung und über ihre Reformbedürftigkeit, die Ersparung von Verwaltungskosten, g e g e n die Verbindung namentlich die Selbständigkeit der den Finanzbehörden zugewiesenen Aufgaben, die Verschiedenheit der Ausbildung der Finanz- und der politischen Beamten, insbesondere die Verschiedenheit des Prüfungswesens, die außerordentliche Belastung der politischen Behörden mit anderweitigen Geschäften, die Steigerung des Verantwortlichkeitsgefühls bei den Finanzbeamten, wenn diese an der politischen Verwaltung keine formelle Deckung finden, usw. Tatsächlich zeigt uns die augenblickliche Organisation ein eigenartiges Kompromiß, in welchem das pro und contra deutlich zum Ausdruck gelangt: F o r m e l l nämlich wird an der Vereinigung festgehalten. Der Bezirkshauptmann ist Chef der direkten Steuerverwaltung im Bezirke, der Landeschef steht an der Spitze der Finanz-Landesbehörde. Aber eine weitestgehende D e z e n t r a l i s a t i o n innerhalb der einzelnen Amter läßt die Vereinigung denn doch nur als eine formale erscheinen. I n "Wahrheit leitet nicht der Bezirkshauptmann, sondern der ihm zugewiesene Steuerreferent 4 , und nicht 4 Das Steuerreferat liât sich m i t der Zeit zu einer förmlichen Behörde entwickelt dadurch, daß dem Steuerreferenten Hilfsbeamte m i t gleicher V o r b i l d u n g unterstellt wurden. Überdies hat auch die Reform der direkten Personalsteuern eine Bresche i n das System gelegt durch Schaffung besonderer Steuerkommissionen, deren Vorsitzender der Steuerreferent zu
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der Landeschef, sondern der ihm beigegebene Finanz-LandesDirektor ziemlich selbständig und unabhängig die Geschäfte der Finanz ver waltung 5 . I n n e r h a l b des Organismus der Finanzbehörden ist es wiederum die Gebührenverwaltung, die nach Selbständigkeit strebt. Die indirekte Besteuerung und das Gebührenwesen werden in erster Instanz von den Finanzbezirksbehörden verwaltet. Das mächtige Anwachsen der Gebührenagenda und die eigentümlichen Anforderungen, die diese an die Beamten stellt — die Gebührenverschreibung hat manche Ähnlichkeit mit der richterlichen Kognition 6 — hat den Gedanken, die Gebührenverwaltung besonderen Organen anzuvertrauen, nahegelegt. Durch Dezentralisation der Finanzbezirksbehörden entstanden innerhalb derselben besondere „Abteilungen für Stempel- und unmittelbare Gebühren", die in sachlicher Beziehung ziemlich unabhängige Leiter erhielten. Aber die Bewegung ist damit zweifellos noch nicht zur Ruhe gelangt. Vielmehr ist mit der Kreierung besonderer Gebührenbemessungsämter der Anfang gemacht worden 7 , und es ist ziemlich wahrscheinlich, daß sich mit der Zeit die Gebührenverwaltung vollständig von den Finanzbezirksbehörden ablösen wird. Auch der schärfste Beobachter dürfte aber in d i e s e m Entwicklungsprozeß eine v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h e Beziehung kaum entdecken. Die in der Verwaltung herrschenden Berufsstände, wirtschaftsein pflegt. ( V l a s â k i m Österr. Staatswörterbuch 3 2 877.) Organisation der politischen und Finanzverwaltung
D i e einheitliche
hat dadurch ihre Be-
rechtigung vollends verloren. 5 Durch die Aufhebung der Steuerlokalkommissionen, an deren Spitze ein politischer Beamter stand, wurde ein Schritt zur E m a n z i p a t i o n der Finanzbehörden getan. — Verfassungsrechtlich ist es von Bedeutung, daß den Städten m i t eigenem Statut zwar die politische, aber nicht die Finanzverwaltung übertragen wird. 6 Vgl. W i e s e r i m Österr. Staatswörterb. 2 2 184. 7 I n den Landeshauptstädten hat es auch schon früher Gebührenbemessungsämter gegeben. Vgl. M y r b a c h i m Österr. StWb. 2 2 3 1 f.
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liehen Klassen, örtlichen Gemeinschaften usw. sind an der Auseinanderlegung der Geschäfte der indirekten Besteuerung und des Gebührenwesens durchaus unbeteiligt. Ein vielleicht noch prägnanteres Beispiel dafür, wie sehr die Behördenorganisation durch die den Behörden zugewiesenen Aufgaben und die Art ihrer Behandlung beeinflußt wird, ist die Umgestaltung, welche die österreichischen Gerichtsbehörden anläßlich der Einführung des mündlichen Zivilprozesses am Ausgang des 19. Jahrhunderts erfahren haben. Auf der anderen Seite muß aber gegenüber M a y e r hervorgehoben werden, daß ja auch das m a t e r i e l l e Verwaltungsrecht vielfach verfassungsrechtliche Relevanz hat. Auch bei den Bestimmungen über Freiheit und Konzessionspflicht der Gewerbe, über die Errichtung und Einrichtung der Schulen, über die Freiteilbarkeit der Bauerngüter und das Anerbenrecht usw. handelt es sich vielfach um Machtverhältnisse von Berufsständen, wirtschaftlichen Klassen und örtlichen Gemeinschaften. Folgt daraus, daß man Gewerbe-, Schul-, Agrarrecht u. dgl. mit „dem geistesverwandten Verfassungsrecht" dem Staatsrecht zuweisen soll? Sicherlich nicht. Die Wissenschaft des Verfassungsrechts kann gewiß ihre Forschung soweit ausdehnen als es ihr Stoff zuläßt. Sie soll und muß sich insbesondere mit der Behördenorganisation beschäftigen, soweit diese verfassungsrechtliche Bedeutung hat. Aber andererseits gilt das Gleiche auch für das Verwaltungsrecht, Die Erkenntnis jener Rechtserscheinungen, die auf solche Art von der verfassungsrechtlichen wie von der verwaltungsrechtlichen Seite aus erfaßt und beleuchtet werden, kann hiedurch nur gegewinnen. Hier wie überall ist die unausgesprochene Annahme, daß ein bestimmtes Rechtsgebiet immer nur e i n e r Rechtsdisziplin zur Erforschung zuzuweisen sei, fehlerhaft und verhängnisvoll.
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Es läßt sich dies gerade an der Behördenorganisation anschaulich dartun. Daß sich das Staats- und das Verwaltungsrecht mit der Behördenordnung — jedes für seine Zwecke, daher jedes in verschiedener Weise und in verschiedenem Umfang — beschäftigen müssen, wurde soeben ausgeführt. Aber die Lehre von der Behördenordnung finden wir auch in anderen Rechtsdisziplinen mehr oder minder ausführlich erörtert. Zivil- und Strafprozeß können es nicht umgehen, sich mit der Organisation der Zivil- und Strafgerichte sowie jener Behörden und freien Berufe zu befassen, die am Zivil- und Strafprozeß beteiligt sind (Staatsanwaltschaft, Finanzprokuratur, Advokaten, Verteidiger) 8 . In gleicher Weise handelt das Finanzrecht von den Finanzbehörden und ausübenden Ämtern, das Bergrecht von den Bergbehörden und den Bergbauingenieuren, das Konkursrecht von den Konkursgerichten, Konkurskommissären und Masseverwaltern, das Patentrecht von den Patentbehörden und Patentanwälten usw. Was das Verwaltungsrecht betrifft, so gehört die allgemeine Theorie der Behördenorganisation in das allgemeine Verwaltungsrecht. Aber auch das spezielle Verwaltungsrecht muß sich überall dort mit Organisationsfragen beschäftigen, wo für bestimmte Verwaltungsaufgaben ein eigener Behördenapparat geschaffen oder wo wenigstens innerhalb eines Amtsorganismus durch besondere Einrichtungen der Eigentümlichkeit spezieller Verwaltung^8
0 . M a y e r sagt a. a, 0 . (N. 3), daß die Bezeichnung der Verwaltungsorganisation als „formellen Verwaltungsrechts" ungefähr so viel W e r t habe, als wenn man etwa die Gerichtsverfassung das formelle Z i v i l prozeßrecht nennen wollte. D e r Name t u t nichts zur Sache. A b e r T a t sache i s t , daß die L i t e r a t u r des Zivilprozeßrechts selbstverständlich die Gerichtsverfassung in ihre Darstellung einbezieht. Infolgedessen muß das Verwaltungsreclit die Verwaltungsorganisation s c h o n d a r u m behandeln, weil es sich m i t dem Verwaltungsverfahren beschäftigt. N u n handelt aber das Verwaltungsrecht nicht bloß vom Verwaltungsprozeß, sondern von der Verwaltung selbst! S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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aufgaben Rechnung getragen ist. Es liegt darin durchaus nichts Auffallendes, wenn man erwägt, daß die O r g a n i s a t i o n eines der wichtigsten und entscheidendsten Momente jedes Gebiets der Verwaltungsrechtsordnung ist. Dabei kommt nicht bloß die Einrichtung von eigentlichen Amtern und Behörden in Frage, sondern auch die Gliederung der Selbstverwaltung und der delegierten Verwaltung in ihren so verschiedenen Erscheinungsformen. So gehört zu jener Verwaltungsorganisation, mit welcher sich das Finanzrecht beschäftigt, nicht bloß die Lehre von den staatlichen Finanzbehörden, sondern auch jene von den Steuergesellschaften, Abfindungsgesellschaften und Steuerpächtern. Es gehört zu der Verwaltungsorganisation in gleicher Weise die Kassenordnung der Arbeiterversicherung wie die Organisation der Jagdgenossenschaften oder der Gremien der Handelsmäkler. Es gehört hierher nicht nur die Organisation der obrigkeitlichen, sondern auch jene der anstaltlichen und der fiskalischen Verwaltung. Wie weit ist aber, — das ist eine der wichtigsten, aber auch der heikelsten Fragen, die wir aufwerfen müssen — wie weit ist der Begriff jener Verwaltung" auszudehnen, um deren Organisation es sich handelt? Daß wir eine ganze Reihe von Verwaltungsbegriffen haben, ist oft genug betont worden und wurde auch oben schon erwähnt. Es handelt sich nur darum, welcher dieser Begriffe der verwaltungsrechtlichen Darstellung zugrunde zu legen ist. Alle Verwaltungsbegriffe sind logisch gleich gut, sie sind aber nicht alle gleichmäßig verwendbar. Nichts wäre verfehlter, als zu glauben, daß es im Belieben des Autors stehe, ob er die Verwaltung im weiteren oder engeren Sinn auffassen solle. Gewiß kann sich jeder sein Arbeitsgebiet so eng abstecken, wie es ihm gefällt. Ich kann eine Monographie über das Gewerberecht schreiben, aber auch eine solche über die gewerblichen Hilfsarbeiter oder vielleicht
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nur über den Abschluß des Lehrvertrages. Aber eine andere Frage ist es, welche Rechtserscheinungen ich, um richtige Ergebnisse auf i n d u k t i v e m Wege zu gewinnen, beobachten muß. Dehne ich mein Beobachtungsfeld zu weit aus, so verblassen vielleicht diese Ergebnisse. Die Ausbeute ist i n h a l t l i c h gering 9 . Im entgegengesetzten Fall sind aber die gewonnenen Resultate unrichtig, weil sie auf unzureichender Induktion beruhen. Steht es fest, daß die Theorie der Verwaltungs organisation nur im Wege der Abstraktion aus der g e g e b e n e n Organisation gewonnen werden kann, so muß man, soll diese Theorie richtig sein, a l l e jene Organisationserscheinungen in Betracht ziehen, welche ihrem Wesen nach gleichartig sind, welche denselben treibenden Kräften entstammen und die gleichen Entwicklungstendenzen aufweisen. Daraus folgt, daß man h i e r — im Organisationskapitel des allgemeinen \Terwaltungsrechts — von dem durch Ausscheidung der Justiz verengerten Verwaltungsbegriffe nicht ausgehen kann. Gewiß hat die Justiz ihre eigentümlichen Aufgaben, welche auch Besonderheiten in der Organisation der Gerichte und in der Stellung der richterlichen Organe zur notwendigen Folge haben. Aber daraus folgt nicht, daß die Struktur der Gerichte eine fundamental andere ist, als jene der sogenannten Verwaltungsbehörden. Die Unterscheidung von bureaukratisch und kollegial organisierten Behörden, von Berufs- und Laienämtern, von Beamten und Dienern, von Konzepts- und Hilfsbeamten, von Unter- und Oberbehörden usw. bezieht sich in gleicher Weise auf Justizund Verwaltungsbehörden. Würde man in der allgemeinen Lehre von der Verwaltungsorganisation die Gerichte vernachlässigen, so würde man sich der Möglichkeit berauben, 9
Vgl. die Bemerkungen S t o e r k s (Methodik 42) über die t u r i e r u n g der Erscheinungen durch unrichtige A b s t r a k t i o n . 5*
Dena-
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gerade die prägnantesten Beispiele für die einzelnen Organisations-Formen und Probleme heranzuziehen und auszunutzen. Die Organisation der Gerichte hat — speziell in Österreich — einen viel höheren Grad der Vollendung erreicht, als jene der Verwaltungsbehörden. Die Kompetenz der Gesetzgebung erstreckt sich hier auf Details, welche sonst der Verordnungsgewalt überlassen sind. Deshalb ist die gerichtliche Organisation vorbildlich für die Organisation der Verwaltung im engeren Sinn. Die Neuordnung, welche die österreichische Gerichtsorganisation anläßlich der Einführung des mündlichen Zivilprozesses am Ausgange des vorigen Jahrhunderts erfahren hat, enthält eine ganze Reihe von Gedanken, welche der Organisationstheoretiker nicht übersehen darf, wenn er die Behördenordnung befriedigend untersuchen und darstellen will. So drängt ζ. B. die eigentümliche Dezentralisation, welche die Gerichte — und zwrar auch die Einzelgerichte — durch die Schaffung relativ selbständiger Gerichtsabteilungen erfahren haben, und die Kompetenz von Einzelrichtern bei den Gerichtshöfen unabweislich dazu, die Begriffe der bureaukratischen und kollegialen Behörden, mit denen es sich die Verwaltungsrechtstheorie bisher so unendlich leicht gemacht hat, an der Hand der Tatsachen einer Revision zu unterziehen. Wie will man, um ein anderes Beispiel zu geben, einen so komplizierten Organismus, wie ihn das deutsche oder das österreichische Patentamt darstellt, behandeln, ohne auf die Vorläufer zu verweisen, die in der Gerichtsorganisation zu finden sind? Wie kann man ferner das Verhältnis von Berufs- und Laienbeamten befriedigend erörtern, ohne auf die Geschworenen-, Schöffen- und Kausalgerichte Bedacht zu nehmen 10 ? Und was insbesondere die Berufsbeamten 10 H i e r a u f n i m m t auch 0 . M a y e r (2, 203ff.) ungeachtet seines prinzipiellen Standpunktes Bezug.
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betrifft, so muß in der Lehre vom Staatsdienst wohl 'der bevorzugten Stellung der Richter, ihrer Selbständigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit gedacht, aber es können die Richter aus dieser Lehre nicht eliminiert werden. Denn trotz ihrer Privilegien sind sie in gleicher Weise Staatsdiener, wie die politischen Beamten 11 . Selbstverständlich aber ist es nicht Aufgabe des Verwaltungsrechts, die Justizorganisation im einzelnen darzustellen. Auf den allgemeinen Lehren fußend muß das Organisationsdetail, sofern es sich um die Verwaltungsbehörden handelt, in den einzelnen Kapiteln des besonderen Verwaltungsrechts (Gewerbe-, Berg-, Forst-, Versicherungsrecht usw.), soweit es sich um die Gerichte handelt, im Zivil- und Strafprozeßrecht, aber auch im Konkurs-, BergGrundbuchsrecht usw. untersucht werden. Daß sich die Prozessualisten mit der Gerichtsorganisation beschäftigen, liegt ebensosehr in der Natur der Sache, wie, daß sie es nur soweit tun, als es für i h r e Zwecke nötig oder zweckmäßig ist, während sie die der Gerichts- und der Verwaltungsorganisation g e m e i n s a m e n Grundlagen und Grundfragen unberücksichtigt lassen. Wenn nun das Verwaltungsrecht diese Lücke nicht ausfüllt, so scheidet aus dem Kreise wissenschaftlicher Betrachtung ein sehr wichtiges und für die Erkenntnis der staatlichen Tätigkeit unerläßliches Kapitel aus. Selbst wenn man der Unterscheidung von Justiz und Verwaltung eine noch so große Bedeutung zuerkennt, darf man doch die Lehre von der Justiz organisation nicht vollständig aus dem Verwaltungsrecht eliminieren. Denn 11 Vgl. ζ. B. die Schrift von 0 . F r i e d m a n n i n den „Gutachten über den Gesetzentwurf betreifend die Besetzung, innere E i n r i c h t u n g und Geschäftsordnung der Gerichte", 1896, welche i n glücklicher Weise die dienstliche Stellung der Richter m i t der der anderen Beamten i n Zusammenhang bringt.
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gerade die scharfe Scheidung von Justiz und Verwaltung drängt zur Loslösung der J u s t i z v e r w a l t u n g von der Justiz, und zweifellos ist die Gerichtsorganisation (als Tätigkeit und Aufgabe gedacht) nicht ein Zweig der Justiz, sondern der Justizverwaltung. Es ist interessant zu sehen, wie stiefmütterlich die Verwaltungsrechtswissenschaft die Justizverwaltung zu behandeln pflegt 12 . Um sich nur ja keiner Besitzstörung gegenüber anderen Disziplinen schuldig zu machen, weicht sie der Justizverwaltung gewöhnlich in weitem Bogen aus und läßt ζ. B. ein so wichtiges Institut, wie es die Staatsanwaltschaft ist, ununtersucht, obwohl diesem doch die Theorie des Strafprozeßrechts unmöglich voll gerecht werden kann. Wenn es noch eines argumentum ad hominem dafür bedarf, daß die Probleme der Justizverwaltung mit zu jenen gehören, mit welchen sich die Verwaltungstheorie beschäftigen muß, so mag als solches der charakteristische Umstand dienen, daß sich das Stengeische Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts, welches im Jahre 1888 „aus äußeren Gründen" von der Justizverwaltung abgesehen hatte, im Jahre 1893 veranlaßt gesehen hat, auch diesen „Zweig der Staatsverwaltung in der gleichen Weise wie die übrigen Verwaltungszweige" zur Darstellung zu bringen 13 . 18 Vgl. G. M e y e r , Das Studium des öffentlichen Rechtes und der Staatswissenschaften i n Deutschland, 16: „ D i e wenigen eigentlichen Verwaltungsgeschäfte , welche i m Gebiete der Justizverwaltung vorkommen, bedürfen einer gesonderten Behandlung nicht." J e l l i n e k , Recht d. mod. St. 1 2 378 weist die Lehre von der Justizverwaltung aus praktischen Gründen dem Justizrecht zu. W e r pflegt aber das „Justizrecht" als solches? Strafund Prozeßrecht, die J e l l i n e k (380) als Bestandteile des Justizrechts bezeichnet, werden stets als s e l b s t ä n d i g e Disziplinen behandelt. A n Jellinek k n ü p f t die Schrift von G o l d s c h m i d t , Materielles Justizrecht (Rechtsschutzanspruch und Strafrecht), 1905 an. W i e der U n t e r t i t e l zeigt, spricht der Verfasser aber (im Gegensatz zu Jellinek) vom Justizrecht auch i m s u b j e k t i v e n Sinne. 13
V o r w o r t zum zweiten Ergänzungsband.
71 — Ebensowenig wie die Organisation der Justiz darf jene der parlamentarischen Korporationen in der Organisation s lehre des allgemeinen Verwaltungsrechts unberücksichtigt bleiben. Das Parlamentsrecht ist zweifellos in allen seinen Teilen ein Kapitel des Verfassungs-, des Staatsrechts. Allein die Organisation des Parlaments läßt sich mit jener der Verwaltungs- und Justizbehörden auf einen gemeinsamen Nenner bringen, und die allen diesen Organisationen zugrunde liegenden Prinzipien und ihre typischen Ausgestaltungen 1 4 sollen eben in der Organisationstheorie die ihnen gebührende wissenschaftliche Durchforschung erfahren. Die Mitglieder und Funktionäre des Parlaments werden entweder gewählt oder ernannt. Die Parlamentsmitgliedschaft ist entweder ein ius personalissimum oder sie ist an ein Amt (Kirchenamt) geknüpft oder sie ist in einem bestimmten Hause erblich. Wahl, Ernennung, nebenamtliche Funktionen, Erblichkeit der Ämter sind aber Vorgänge und Erscheinungen, die dem Parlamentsrecht durchaus nicht eigentümlich sind und daher von diesem nicht ex professo und in umfassender Weise erörtert werden können. Es geht z. B. nicht an, je eine besondere Wahlrechtstheorie und Wahlrechtstechnik einerseits für das p o l i t i s c h e und andererseits für das s t e u e r r e c h t l i c h e Wahlrecht zu entwickeln. So oft die Bestellung öffentlicher Organe im Wege der Wahl vor sich geht, tauchen auch die allgemeinen Wahlrechtsprobleme auf, deren typische Lösung einer wissen14
Wenn S t o e r k a. a. 0 . 76 hervorhebt, daß bei den Privatrechtserscheinungen das Individuelle neben dem Typischen verschwindet, während i m Staatsrecht das Typische i n den H i n t e r g r u n d trete und das Individuelle des nationalen, historischen, wirtschaftlichen Tatbestandes aus der Masse herausgegriffen zu wrerden verlange, so g i l t das u n e i n g e s c h r ä n k t doch nur v o m Staatsrecht i m engeren, das Verwaltungsrecht nicht mitumfassenden Sinne. Das Verwaltungsrecht muß die Typen geradeso herausarbeiten, wie das Privatrecht.
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schaftlichen "Würdigung bedarf 15 . Das politische Wahlrecht ist weit minutiöser entwickelt und schärfer durchgebildet, als das YerwaltungsWahlrecht im engeren Sinn. Die Verwaltungsrechtstheorie darf sicherlich nicht die vollkommeneren Rechtserscheinungen vernachlässigen und sich bloß mit den minder vollkommenen, wenn auch entwicklungsfähigen Organismen beschäftigen 1 6 . Noch weniger als die Organisation des Parlaments selbst darf aus dem Verwaltungsrecht jene der Wahlorgane ausgeschieden werden. Daß die Verwaltungsbehörden, indem sie die politischen Wahlen leiten und durchführen, eine verfassungsrechtliche Hilfstätigkeit entfalten 17 , ist ohne weiteres zuzugeben. Aber diese Hilfstätigkeit ist nichtsdestoweniger ihrem ganzen Umfang nach V e r w a l t u n g s t ä t i g k e i t im engsten Sinne und nicht Gesetzgebung oder Justiz. Die Wahlorgane sind, mögen sie wie immer bestellt und zusammengesetzt sein, V e r w a l t u n g s organe. Wenn H a u k e das Wahlgeschäft den Verwaltungsbehörden abnehmen und besonderen Wahlämtern überweisen w i l l 1 8 , so übersieht er, daß auch diese besonderen Wahlämter nichts anderes wären, als mit einer begrenzten Kompetenz ausgestattete Verwaltungsbehörden, geradeso wie die BergPost-, Lottobehörden usw. Und selbst wenn aus diesen 16
Daneben gibt es selbstverständlich auch b e s o n d e r e Wahlrechtsprobleme, die sich gerade n u r auf den betreffenden F a l l oder auf eine bestimmte Gruppe von F ä l l e n beziehen. 16 Übrigens darf man den Gegensatz der Organisation von Gesetzgebung und Verwaltung nicht zu schroff urgieren, weil die beiden Organisationen i n einander übergehen (Landtage, Landesausschüsse). 17 0 . M a y e r 1, 9. H a u k e , Uber einige Fragen des Parlamentsrechtes (Inaugurationsvortrag 1901) 19. I n seinen Studien zum österr. Verwaltungsrechte (Festgabe für P a u l L a b a n d 1, 454) zählt H a u k e zum v e r fassungsrechtlichen Wahlgeschäft auch noch „jene mannigfachen Wahlangelegenheiten, welche den Zweck verfolgen, der Organisation der S e l b s t v e r w a l t u n g zu dienen". 18
Inaugurationsvortrag 22.
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Wahlämtern das staatliche Berufsbeamtentum ganz oder teilweise verdrängt werden würde, was Hauke übrigens nicht intendiert, so wären sie zwar nicht Organe der Staats-, wohl aber solche der Selbstverwaltung, wie es schon jetzt die im Laufe des Verfahrens zu Episodenrollen berufenen Wahlkommissionen sind. Man darf die Wahlvorgänge auch nicht mit der Begründung aus dem Verwaltungsrecht hinausweisen, daß es sich dabei nicht um Tätigkeiten des „ f e r t i g e n " Staates zur Verwirklichung seiner Zwecke handle 1 9 . Denn mit dem gleichen Recht könnte man auch die Lehre von der Besetzung der Staatsämter aus der Verwaltung ausscheiden20. Auch dabei handelt es sich ja darum, den Staat, dem aus irgend einem Grunde augenblicklich Organe mangeln, „fertig" zu stellen. Der Staat ist nie in dem Sinne fertig, daß ihm kein einziges Organ fehlt. Die organisatorische Tätigkeit ist eine sehr wichtige und niemals entfallende Aufgabe der Verwaltung. I n einem Staatswesen von der Größe der modernen Monarchien reißen Tod, Invalidität, Resignation, Entlassung und dergl. unausgesetzt Lücken in den Staatsorganismus, die einer Ausfüllung bedürfen und sie doch nicht augenblicklich erfahren. Hat man doch sogar in Österreich aus der Not eine Tugend gemacht und das planmäßige Verschleppen der Stellenbesetzungen, das den Staatsfinanzen erwünschte „Interkalieren" zu einem Verwaltungsgrundsatz erhoben. Trotz aller Vakanzen ist es aber doch stets der „fertige" Staat und nicht ein kranker oder mangelhaft ausgestatteter Staat, der die Stellenbesetzungen vornimmt, und ebenso ist es der f e r t i g e Staat, der das Abgeordnetenhaus auflöst und die Neuwahlen ausschreibt. Wäre dem 19
0 . M a y e r a. a. 0 . J e 11 i n e k a. a. 0 . 597. — Gegen M a y e r vgl. auch H o e t z e l i n seiner tschechischen Schrift: Lehre von den Verwaltungsakten. Zugleich eine Studie zum Begriffe der öffentlichen Verwaltung 1907 24.
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anders , so läge in der Auflösungsmaßregel eine capitis deminutio, eine Selbstverstümmelung des Staates, aber nicht der erste Schritt zu einem Organwechsel, wie er sich auf allen Gebieten der Staatstätigkeit alltäglich vor unseren Augen vollzieht. Wollte man die auf die Abstoßung alter und Gewinnung neuer Staatsorgane gerichtete Tätigkeit des Staates der Verwaltung als etwas von ihr Verschiedenes gegenüberstellen, so hätte das die gleiche Berechtigung, wie wenn etwa die Stoffwechseltätigkeit aus der Reihe der physiologischen Vorgänge ausgeschieden würde. Das Material, das die Organisationstheorie zu verarbeiten hat, ist außerordentlich reichhaltig, ja fast unübersehbar, und sie muß, um seiner Herr zu werden, die richtige Methode anwenden. Es scheint allerdings auf den ersten Blick, daß diese Methode keine andere sein könne oder dürfe, als jene, welche für das ganze Gebiet des Rechts oder wenigstens des öffentlichen Rechts überhaupt Geltung hat : die juristische (J e 11 i η e k) oder die publizistische Methode ( S t o e r k . ) Handelt es sich doch hier um die wissenschaftliche Bearbeitung von R e c h t s n o r m e n , deren dogmatischer Gehalt „nur durch die ausschließlich vom Juristen geübte Kunst der Abstraktion aus den rechtlichen Erscheinungen und der Deduktion aus den also gefundenen Normen" ermittelt werden kann 2 1 . Diese Methode ist auch ohne weiteres auf einen großen Teil der Organisationslehre anwendbar, so ζ. B. auf die Lehre vom Staatsdienst und auf die Bestimmungen über die Errichtung neuer Ämter und Behörden. Allein daneben gibt es auch Partien, welche mit Hilfe der Rechtsdogmatik nicht bewältigt werden können. Denn es tritt hier das Recht nicht so sehr i m p e r a t i v , als p r o d u k t i v auf 2 2 . Wenn ζ. B. im Wege Rechtens 21
J e l l i n e k a. a. Ο. 1 2 49. D i e produktive F u n k t i o n des Rechts w i r d von der Theorie viel zu wenig beachtet, was m i t der unsere Rechtswissenschaft beherrschenden 22
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ein neues Ministerium kreiert wird, so liegt gewiß zunächst eine Norm des Inhalts vor, daß das Ministerium errichtet werden s o l l . Aber es ist so gut wie selbstverständlich, daß diese Norm zeitgerecht befolgt wird: Ist aber das Ministerium einmal aktiviert, so wird es von Theorie und Praxis nicht mehr als ein S e i n s o l l e n d e s , sondern als ein S e i e n d e s angesehen und beurteilt. Es wäre sehr geschmacklos, wollte man etwa das Ministerialsystem „rechtsdogmatisch" derart darstellen, daß man lehrt: „Es h a b e n in Österreich neun Ministerien zu bestehen, von denen das eine sich mit diesen, das zweite mit jenen Angelegenheiten usw. befassen s o l l . Wenn die Regierung entgegen den geltenden Bestimmungen eines dieser Ministerien eigenmächtig aufließe, so hätte das nachstehende Rechtsfolgen usw." Daß in einem Staatswesen eben jene organisatorischen Einrichtungen bestehen, welche vorschriftsmäßig zu bestehen haben, gilt, wie gesagt, als selbstverständliche Regel, und nur, wenn ausnahmsweise die Tatsachen der Vorschrift n i c h t entsprechen, sei es, daß eine Anordnung auf dem Papier stehen geblieben ist, sei es, daß sich im Laufe der Zeit tatsächliche Veränderungen ohne normative Grundlage vollzogen haben, bedarf dieser Umstand einer besonderen Hervorhebung 28 . Darum eignet sich für die Behandlung dieser organisatorischen Einrichtungen nicht so sehr die rechtsdogmatische, als die d e s k r i p t i v e Methode, zivilistischen Rechtsanschauung zusammenhängt. Vgl. hierüber unten Kap. V I I . 23 So kann man wohl behaupten, daß die Auseinanderhaltung der Kompetenzen der politischen Landesstelle und des Landeschefs (vgl. U 1 b r i c h , Lehrbuch des österr. Verwaltungsrechts 100, M a y r h o f e r , Handbuch für den polit. Verwaltungsdienst 1 5 47 f.) ihre praktische Bedeutung vollkommen eingebüßt hat. Überhaupt gestaltet sich das Verhältnis des Präsidiums eines Amtes oder Kollegiums zu diesem selbst häufig anders, als es der Gesetzgeber oder derjenige, der die innere Organisation zu regeln berufen ist, intendiert hat.
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die überall dort am Platze ist, wo T a t s a c h e n k o m p l e x e erforscht werden sollen 2 4 . Wenn aber die t a t s ä c h l i c h e Organisation zum Gegenstand deskriptiver Darstellung gemacht wird, so kommen dabei auch jene Erscheinungen in Betracht, welche nicht auf ausdrückliche Anordnungen zurückzuführen sind, und zwar nicht bloß die bereits erwähnten , ziemlich seltenen Gestaltungen contra legem, sondern auch jene vielfachen Bildungen, die praeter legem, sozusagen von selbst, den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend entstanden sind 2 5 . Ferner ist zu beachten, daß 24
Vgl. S t o e r k a. a. 0 . 114. D i e Zentralisation und Dezentralisation von Behörden und Ä m t e r n vollzieht sich vielfach zuerst rein tatsächlich, ehe sie die gesetzliche Sanktionierung erhält. M a n kann hier ziemlich deutlich jene organisatorischen Maßnahmen, welche auf verwaltungsteclinische Momente zurückzuführen sind, von den i n verfassungsrechtlichen Verhältnissen begründeten unterscheiden. So hat die nationale Gruppierung des Oberlandesgerichts in P r a g , welche durch den deutsch-tschechischen Ausgleich von 1890 herbeigeführt wurde, keine administrative Vorgeschichte, während d o r t , wo ein A m t deshalb i n zwei Ä m t e r geteilt w i r d , weil es zu groß geworden ist, vielfach schon eine innere Sonderung der Amtsgeschäfte vorausgegangen ist. — I n W i e n besteht ein „Landesgericht i n Zivilsachen" und ein „Landesgericht i n Strafsachen". Jedes der beiden Gerichte hat dem Hof- und Staatshandbuch zufolge sein eigenes Personal. Hievon ist weder i m Gerichtsorganisationsgesetz noch i n der Strafprozeßordnung die Rede. Die Vollzugsvorschrift zur StPO. vom 19. November 1873 Nr. 152 RGBl, spricht i m § 1 bloß von gesonderten „ A b t e i l u n g e n " e i n e s Gerichtshofs. Die Exekutionsordnung (§ 17) hat die Exekutionsgerichtsbarkeit den Bezirksgerichten übertragen. I m Verordnungswege (VO. v. 24. J u n i 1897 Nr. 157 RGBl.) wurden diejenigen Abteilungen des Bezirksgerichts der Inneren Stadt I i n W i e n , welche zur Ausübung der diesem Bezirksgericht als Exekutionsgericht zukommenden Geschäfte berufen sind, als eine E x p o s i t u r des Bezirksgerichts bezeichnet, die den Namen „ K . k. Exekutionsgericht W i e n " führt. I n W a h r h e i t ist aber das Exekutionsgericht keine Gerichtsexpositur, sondern ein durchaus selbständiges Gericht. D i e Beamtenzahl der „ E x p o s i t u r " beträgt mehr als das Doppelte der Beamtenzahl des Stammamts. — Verfassungsrechtlich gibt es i n der gemeinsamen österr.-ungar. Verwaltung nur drei Ressorts, welche von den drei Ministerien geleitet werden. Tatsächlich aber besteht noch ein viertes Ressort, welches nur einen losen Zusammenhang m i t dem Heeresressort aufweist, nämlich das Marine25
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der Rechtstitel für organisatorische Veränderungen ein sehr verschiedener sein kann. Bald ist dazu ein Gesetz erforderlich, bald eine Verordnung, bald genügt eine schriftliche, ja sogar eine mündliche Verfügung. Jeder Amts chef ist in der Lage, sein Organisationstalent in größerem oder geringerem Maße zu betätigen. Natürlich nimmt das Interesse an derartigen organisatorischen Maßnahmen unter sonst gleichen Umständen desto mehr ab, je tiefer wir in der Amterordnung herabsteigen. In dem gleichen Maße nimmt aber auch die Zahl der Amter, um deren Organisation es sich handelt, und mithin auch das verwaltungsrechtlich zu behandelnde Material zu. Es kann sich deshalb hier nicht darum handeln, jedes einzelne Organisationsdetail i s o l i e r t ins Auge zu fassen, sondern es muß hier die deskriptive Methode von der s t a t i s t i s c h e n abgelöst werden, deren Aufgabe es ja ist, Massenerscheinungen unserem Verständnis näher zu rücken. Statistik und Verwaltungsrecht haben in früheren Zeiten sehr enge Beziehungen miteinander unterhalten. Solange man die Statistik als die „Lehre von den Staatsmerkwürdigkeiten", als „beschreibende Staatenkunde" auffaßte, wurde das ganze Staats- und Verwaltungsrecht von der Statistik behandelt und im Mittelpunkt des Verwaltungsrechts stand natürlich die Verwaltungs organisation. Die österreichische wesen. Das „Reichskriegsministerium, Marinesektion" ist i n W a h r h e i t ein selbständiges Amt. Der Marinekommandant hat bloß „ i m Einvernehmen m i t dem Reichskriegsminister" vorzugehen. E s besteht also ein Nebenordnungsund kein Unterordnungsverhältnis. (Vgl. S c h m i d , Das Heeresrecht der österr.-ungar. Monarchie 230.) — D i e oberste Zentralleitung der bosnischherzegowinischen Landesverwaltung ist dem Reichsfinanzminister übertragen worden. Infolgedessen besteht ein besonderes A m t neben dem Reichsfinanzministerium, welches man als „bosnisches M i n i s t e r i u m " zu bezeichnen pflegt, obwohl es diesen T i t e l nicht führt und m i t dem Reichsfinanzminister i u m einen gemeinsamen Chef hat. Vgl. S a x i m Österr. Staatswörterbuch 1 2 623.
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Studienordnung von 1810 verpflichtete den Lehrer der Statistik, sich gegenwärtig zu halten, daß er zugleich die Stelle eines eigenen Lehrers des positiven Staatsrechts zu ersetzen bestimmt sei 2 6 . Bis zum Inkrafttreten der Studienordnung von 1893 wurde bei den Staatsprüfungen unter dem Namen „Statistik" auch (in den letzten Jahren sogar ausschließlich) Staats- und Yerwaltungsrecht geprüft. Die Statistik des österreichischen Kaiserstaates" von S p r i n g e r (1840), welche sich in systematischer Hinsicht an S c h l ö z e r anlehnt 27 , zeigt deutlich, wie sich Staats- und Verwaltungsrecht in die Statistik einfügen ließen. Wenn in der Folge die Verbindung von Statistik und öffentlichem Recht aufgegeben wurde, so gebührt das Verdienst nicht bloß den Juristen, welche den eigentümlichen r e c h t l i c h e n Charakter des Staats- und Verwaltungsrechts erkannt, sondern auch den Statistikern, die die deskriptive Methode durch die statistische ersetzt haben. So sehr nun aber die getrennte Behandlung der genannten Disziplinen im wissenschaftlichen Interesse geboten ist, so steht doch nichts im Wege, die statistische M e t h o d e , die ohnedies auch außerhalb der gegenständlich abgegrenzten statistischen Wissenschaft zur Anwendung gelangt, heute wiederum den Zwecken der Darstellung des Verwaltungsrechts, speziell der Verwaltungsorganisation dienstbar zu machen. Nur muß man gewissenhaft prüfen, wann diese Methode verwendbar ist und wann sie versagt. 26
Vgl. U l b r i c h i m Österr. Staatswörterbuch 4 2 668. Vgl. Handwörterb. d. Staatswiss. 6 2 590 f. — I n der Vorrede gibt S p r i n g e r der Überzeugung Ausdruck, „daß das eigentliche Geschäft des Statistikers vorzüglich i n der Darstellung des Staatslebens und der Resultate des letzteren bestehe. D a r i n möge andererseits wieder die Rechtfertigung gefunden werden, daß der Organismus der Verwaltungsbehörden, die polizeilichen Vorkehrungen und die Stellung der Untertanen umständlicher behandelt wurden." 27
V.
Verwaltungsrecht und Prozeßrecht. Die Lehre vom Administratiwerfahren wird dem Verwaltungsrecht von keiner anderen Disziplin streitig gemacht. Wohl aber ist die Frage kontrovers, ob es überhaupt ein der theoretischen Forschung zugängliches oder ihrer würdiges Administrativverfahren gibt. Für die positive Beantwortung hat T e z n e r den Beweis angetreten und ihn nicht bloß durch theoretische Ausführungen, sondern durch das in diesem Fall beweiskräftigste Argument, durch Veröffentlichung eines Handbuches des Administrativverfahrens erbracht. Trotzdem, glaube ich, ist in diesem Streit das letzte Wort noch nicht gesprochen, weil selbst die Freunde des Administrativverfahrens dessen Bedeutung nicht richtig zu erfassen scheinen. T e z n e r schließt das Vorwort seines Handbuchs mit der Erwartung, daß durch sein Werk auch die eine Erkenntnis gefördert werden dürfte, „daß das Administrativprozeßrecht, was seinen geistigen Gehalt anbelangt, dem Zivil- und dem Strafprozeßrecht vollständig ebenbürtig sei" 1 . Besser als durch diese Bemerkung kann der Standpunkt nicht beleuchtet werden, den Freund und Feind in unserer Kontroverse einnehmen. Ebenbürtigkeit oder Inferiorität des Administrativverfahrens im Verhältnis zum Zivil- und Strafprozeß, das ist hier die Frage. Der 1 Handbuch des österr. Administrativverfahrens 1896, I X . Dagegen G. M e y e r i m Arch. Öff. R. 12, 283 und hiezu T e z n e r s R e p l i k i m Venv.Arch. V I I I 550, N. 154.
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Prozeß κατ εξοχψ ist der Zivilprozeß. Mit ihm befaßt sich eine eigene Wissenschaft, die Prozeßrechtswissenschaft schlechtweg. Ihm zur Seite tritt der gleichfalls wissenschaftlicher Behandlung gewürdigte Strafprozeß. Der „dritte Stand", der nun die Gleichberechtigung mit seinen begünstigten Brüdern, den „historischen Prozessen" anstrebt, ist das Administrativverfahren. Ob ihm diese Gleichberechtigung zuzuerkennen oder zu versagen sei, darum dreht sich der Streit. Für die privilegierte Stellung des Zivilprozesses — der Strafprozeß wird ja nur nebenbei, der Vollständigkeit wegen erwähnt — spricht seine vollendete Technik, sein komplizierter und feingegliederter Organismus, die überwältigende Mannigfaltigkeit der Detailfragen, die Gebundenheit des Richters und der Parteien an seine strengen Anforderungen, die erschöpfende Kodifikation. Die Vorkämpfer für die Gleichberechtigung des Administrativverfahrens suchen nachzuweisen, daß letzteres in dieser Hinsicht dem Zivilprozeß nicht oder nicht wesentlich nachstehe. So verweist T e z n e r auf B e r n a t z i k s Monographie über Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, welche die deutschen Schriftsteller von der Anschauung über die Dürftigkeit der Probleme des Administrativprozeßrechts hätte bekehren können (S. ΙΠ). Er konstatiert, daß die theresianischjosephinische Epoche in Österreich ungleich fruchtbarer an allgemeinen Verwaltungsprozeßnormen als die Gegenwart war und beruft sich zum Beweise dessen auf das Patent über das Verfahren in Untertansachen und die fast unübersehbaren Instruktionen prozessualen Inhalts, welche den Kreisämtern erteilt worden sind (S. V I I f.). Auf dieses Gebiet möchte ich ihm nicht folgen. Denn es scheint mir, daß es weitab von der sedes materiae liegt. Nicht um kleinliche Rangunterschiede kann es sich bei der
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Gegenüberstellung der verschiedenen Prozeßarten handeln, sondern um die Stelle, welche jede von ihnen in unserem Rechtssystem überhaupt einnimmt, und in dieser Hinsicht bedarf speziell die Bedeutung des Zivilprozesses dringend einer näheren Untersuchung. Terminologisch ist „Zivilprozeß" mit dem zivilgerichtlichen Verfahren gleichbedeutend. Er ist der modus procedendi für die Zivilgerichte. Tatsächlich wird aber als Zivilprozeß bloß das sogenannte Verfahren in Streitsachen behandelt. Das Verfahren „außer Streitsachen", wie man in Österreich sagt, die freiwillige Gerichtsbarkeit, das nobile officium iudicis, wird von der Prozeßwissenschaft vernachlässigt, und wer sich in der Literatur oder im Hörsaal über die Erscheinungen des Rechtslebens orientieren will, muß den Eindruck gewinnen, als würde die Bedeutung des außerstreitigen Verfahrens weit hinter jene des Zivilprozesses zurücktreten. Das formale Recht zur Vernachlässigung der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird auch auf das — sicherlich zutreffende — Argument gegründet, daß es sich bei ihr theoretisch gar nicht um eine „Gerichtsbarkeit", sondern um die Lösung von Verwaltungsaufgaben handle, die den Gerichten aus historischen und anderen Gründen zugewiesen worden seièn ; das eigentliche gerichtliche oder wenigstens zivilgerichtliche Verfahren sei der kontradiktorische Prozeß. Auch diese Argumentation führt leicht zu der Meinung, daß die „Verwaltungsaufgabe" der Gerichte geringer zu bewerten sei, als der vornehmste Beruf des Richters: die Entscheidung von Prozessen. Es wäre dann freilich nur konsequent, das außerstreitige Verfahren gemeinsam mit dem Verwaltungsverfahren zu behandeln. Und wenn das geschähe, so hätte damit das Administrativverfahren sofort ein sehr bedeutungsvolles Gebiet erobert. Unter den gegebenen Verhältnissen aber steht die freiwillige Gerichtsbarkeit zwischen Zivilund Administrativprozeß in der Mitte und entbehrt jener S p i e g e l , Verwaltun^srechtswissenschaft.
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Aufmerksamkeit, die ihr schon im Hinblick auf ihren Umfang gebühren würde 2 . Denn während es viele Menschen gibt, die niemals in einen Zivil- und Strafprozeß verwickelt worden sind, bleibt die Berührung mit der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Wenigsten erspart. Durch tadelloses und vorsichtiges Verhalten, Nachgiebigkeit, ΖahlungsWilligkeit u. dgl. kann man es vermeiden, die Stellung einer Prozeßpartei zu erlangen: Der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann man sich ebensowenig erwehren wie der staatlichen Verwaltungstätigkeit überhaupt. Zivil- und Strafprozeß gehören der Pathologie, außer streitige Gerichtsbarkeit und Verwaltungstätigkeit der Physiologie des Rechtslebens an. Pathologie und Therapie sind nur für den Kranken von unmittelbarem Interesse, die Hygiene jedoch hat für alle Bedeutung. So sind die Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit umfassender, mannigfaltiger, reichhaltiger als jene der Prozeßgerichtsbarkeit, und dem entspricht einerseits die größere Inanspruchnahme der Zivilgerichte durch die freiwillige Gerichtsbarkeit als durch die eigentliche Prozeßtätigkeit 3 , andererseits aber auch die 2
V g l . O e t k e r , Konkursrechtliche Grundbegriffe 1 , 8 2 f . : „ D i e freiwillige Gerichtsbarkeit ist bisher von der Wissenschaft sehr stiefmütterlich behandelt worden. N u r diejenigen Verfahrensarten, die fälschlich zum Z i v i l prozeß gezogen wurden, haben sich eindringender Bearbeitung zu erfreuen gehabt. I m übrigen findet die freiwillige Gerichtsbarkeit verschlossene Türen. W o sie anklopft, w i r d sie abgewiesen. Das Verwaltungsrecht (vgl. die W e r k e von L o e n i n g , G. M e y e r , B o r n h a k . . .) und das Trozeßrecht (Zitate überflüssig) versagen i h r die Aufnahme. E i n eigener Platz i m Rechtssystem w i r d i h r nicht gewährt. A m wenigsten unduldsam erweist sich noch das Privatrecht. Es hat wenigstens hie und da für einen kleinen T e i l derselben einen kleinen Raum übrig." Seit O e t k e r s Schrift (1891) hat sich der Zustand allerdings einigermaßen gebessert, vornehmlich unter dem Einflüsse des deutschen Reichsgesetzes vom 17. M a i 1898. F ü r Österreich k o m m t j e t z t das grundlegende W e r k von O t t , Geschichte und Grundlehren des österr. Rechtsfürsorgeverfahrens (Freiwillige Gerichtsbarkeit) 1906, i n Betracht. 3 Statistische Daten stehen m i r allerdings nicht zur Verfügung. Trotz-
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Mannigfaltigkeit des außerstreitigen Verfahrens im Vergleich mit dem mehr geschlossenen, stets dem gleichen Ziele zustrebenden Zivilprozeß 4 . Damit sind wir bei einem wichtigen und, wie mir scheint, entscheidenden Punkte angelangt, bei der Abhängigkeit des Verfahrens von seinem Zweck oder, anders ausgedrückt, von seinem Gegenstand. Das Verfahren ist die Form für die behördliche Tätigkeit, und soll diese ersprießlich sein, so muß die Form ihrem Zweck entsprechen. Auch hier ist es der Geist, der sich den Körper baut. Es kann deshalb nicht einen e i n z i g e n modus procedendi für die obrigkeitlichen Behörden, sondern es muß ihrer eine ganze Reihe geben. Je mehr das Verfahren von seinem Gegenstand beeinflußt wird, je enger es seinen speziellen Aufgaben angepaßt ist, desto vollkommener ist es. Zu dieser dem glaube ich auf Grund der Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse sagen zu können, daß die T ä t i g k e i t der österr. Zivilgerichte erster Instanz zum überwiegenden T e i l eine außerstreitige ist. Dabei zähle ich allerdings Konkurs und E x e k u t i o n (mit O e t k e r 14 ff.) nicht zum Zivilprozeß. V g l . S p i e g e l , Die E x e k u t i o n , Allgem. österr. Ger. Z. 1903, 139ff. 4 Z u r I l l u s t r a t i o n mögen die Agenden der freiwilligen Gerichtsbarkeit i n Österreich ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne systematische Aneinanderreihung schlagwortartig zusammengestellt werden : Abhandlungspflege, Testamentserrichtung, Vormundschaft, Kuratel, Adoption, L e g i t i m a t i o n , Feststellung der Vaterschaft, der Behebung eines Ehehindernisses und der Abstammung aus einer Putativehe (Art. 16 E G . z. Jur. N.), Großjährigkeitserklärung, Obsorge über Fideikommisse, Legalisierungen, V i d i m i e rungen und sonstige Verifikationen, See Verklarung, Schätzungen, Feilbietungen, Grenzerneuerung, Kündigungen, Amortisationen, F ü h r u n g der Grund-, BergFisenbahnbücher, Handels- und Genossenschaftsregister, Firmenpolizei, Scheckpolizei (§ 23 Scheckg.), Notariatsangelegenheiten, Notariatsarchive, Einschreiten gegen Winkelschreiber, Ernennung von Genossenschaftsrevisoren ( O t t a. a. 0 . 103), Offenbarungseid, Todeserklärung, Gebührenbemessung» Depositen, Waisenkassen, nichtstreitige Ehesachen, Mahnsachen, Notwege, Feststellung der Entschädigung i n Enteignungssachen, rechtsanwaltschaftliche und friedensrichterliche Tätigkeit. A u c h die Beweissicherung gehört zum Teile hierher ( O t t 88). Hiezu kommen noch die Konkurse und Zwangsvollstreckungen. Vgl. die vorige Note.
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so naheliegenden Erkenntnis versperrt uns die herkömmliche einseitige Pflege des Zivilprozesses den Weg. Denn dieser letztere scheint von seinem Gegenstand ganz unabhängig zu sein. Ob über eine Eigentums-, Servituts-, Pfandrechts-, Vertrags-, Schadensersatz- oder Erbrechtsklage verhandelt wird, ist für die Abwicklung des Prozesses ohne Bedeutung. Der typische Entwicklungsgang des Prozesses : Klage, Klagebeantwortung, Streitverhandlung, Beweisaufnahme, Urteil, Rechtsmittelverfahren ist stets der gleiche. Allein man darf dabei zweierlei nicht übersehen. Zunächst sind die Zivilprozeßfälle gar nicht so verschiedenartig, wie es auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint. Die meisten Prozesse gehören dem V e r m ö g e n s r e c h t an. Es handelt sich bei ihnen um ein vom Kläger in Anspruch genommenes, vom Beklagten bestrittenes dingliches oder obligatorisches Recht. Dieser Gleichartigkeit des Tatbestandes entspricht denn auch die Gleichartigkeit des Verfahrens. Sobald aber die Klage von der Schablone abweicht, weil vom Gericht etwas anderes verlangt wird als die Verurteilung des Beklagten zu einer Zahlung, Leistung u. dgl. oder als die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen Kläger und Beklagten, äußert dieser Umstand entweder seine Rückwirkung auf den Prozeß oder wir empfinden die Unzulänglichkeit und Unzweckmäßigkeit des Verfahrens 5. 6 So kann die Anwendung der zivilprozessualen Formen auf das Eheverfahren w o h l k a u m befriedigen. Es läßt sich nur historisch erklären, daß das Eheungültigkeitsverfahren auch dann als Zivilprozeß behandelt w i r d , wenn es sich um ein impedimentum iuris pub l i e i handelt, welches gegen den W i l l e n der Ehegatten geltend gemacht wird. D a r u m weisen C h o r i n s k y u n d M e n g e r (System d. österr. Zivilprozeßrechts 1, 81) diesen F a l l der außerstreitigen Gerichtsbarkeit z u , obwohl er i m Hofdekret von 1819 sicherlich zu den „ s t r e i t i g e n Eheangelegenheiten" gezählt wird. V g l . O t t i n Grünhuts Z. 30, 324. P o l l a k , System d. österr. Zivilprozeßrechts 112 weist a l l e Ehesachen des zitierten Hofdekrets der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu. Dagegen S p e r i , Allgem. österr. Ger. Z. 1903, 197. Die
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Andererseits aber — und dies ist der zweite Punkt, der zu beachten ist — ist auch der Zivilprozeß nicht so uniform wie es den Anschein hat. Denn es gibt nicht nur eine ganze Reihe von besonderen Verfahrensarten (Besitzstörungs-, Bestand-, Mandats-, Wechsel-, Syndikatsverfahren), sondern es hat sogar der Wert des Streitgegenstands, also ein für die Entscheidung belangloser Umstand einen wesentlichen Einfluß auf die Prozeßvorgänge. Der Unterschied zwischen einzel- und kollegialgerichtlichem Verfahren, ferner zwischen Bagatell- und anderen Streitsachen ist in der Praxis bei weitem größer als man nach den Bestimmungen des Gesetzes vermuten sollte. Alle diese Momente erhalten ihre zutreffende Beleuchtung, wenn wir die Zivilprozeßtätigkeit des Staates nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit der gesamten Staatstätigkeit betrachten 6 . Die zivilrechtliche Klage erscheint uns dann nicht als Musterbeispiel für die Provokation der behördlichen Tätigkeit, sondern als ein vergleichsweise seltener, wenn auch, absolut genommen, außerordentlich häufiger Fall. Daß für die Erledigung von Zivilklagen i m a l l g e m e i n e n ein und dasselbe Verfahren vorgeschrieben ist, erscheint nicht auffallender und ist nicht bemerkenswerter, als daß für die Erledigung von Gesuchen um gewerberechtliche Konzessionen im allgemeinen das gleiche Verfahren gilt, daß über Verleihung oder Anerkennung von Heimatrechten stets in gleicher Weise Stellung des defensor m a t r i m o n i i paßt i n keiner R i c h t u n g zur Schablone des Prozesses. Nehmen gar zwei Verteidiger des Ehebandes an dem Prozesse t e i l , weil die Gültigkeit der einen Ehe von der U n g ü l t i g k e i t oder Nichtexistenz einer früher eingegangenen E h e abhängt ( P o l l a l i 677), so erinnert das Verfahren schon äußerlich an den Verwaltungsprozeß m i t seinen verschiedenartigen Interessenten. — Die Unzuträglichkeiten, welche m i t der Austragung familienrechtlicher Fragen i m Zivilprozeß verbunden sind, hat das Gesetz dazu veranlaßt, das Gebiet des Zivilprozesses zu Gunsten der freiwilligen Gerichtsbarkeit einzuengen (Art. 16 EG. Jur. N.) 6
Vgl. S c h m i d t , Prozeßrecht und Staatsrecht 2, 34.
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verhandelt und entschieden wird, daß die Enteignung für Eisenbahnzwecke ihr typisches Verfahren hat usw. Und daß wiederum der Zivilprozeß je nach Lage des Falles doch wieder seine Besonderheiten hat, findet sein Analogon darin, daß sich auch im Gewerbe-, Heimat-, Wasserrecht usw., unter Umständen Abweichungen vom Normaltypus des Verfahrens ergeben. Damit soll nicht geleugnet werden, daß der Zivilprozeß seine Eigentümlichkeiten hat, durch welche er sich von jedem anders gearteten Verfahren — auch vom Strafprozeß — scharf abhebt. In keinem anderen Verfahren haben nämlich die Parteien die Möglichkeit, durch ihre Dispositionen und durch ihr ganzes Verhalten den Gang des Verfahrens in einer so eigenartigen Weise zu beeinflussen. Aber es ist das wieder nur ein Beleg für die Abhängigkeit des Verfahrens von seinem Gegenstand. Denn auch auf dem Gebiet des m a t e r i e l l e n Rechts gibt es keine Rechtsverhältnisse , welche den Parteien einen so weiten Spielraum für Dispositionen, Transaktionen usw. eröffnen, wie jene des Privatrechts, mit denen sich ja der Zivilprozeßrichter beschäftigt. Im Bereich des öffentlichen Rechts zeigen wohl auch die subjektiven Rechte bald das eine, bald das andere Merkmal, welches an zivilrechtliche Verhältnisse erinnert; aber ganz ausgeschöpft wird hier der Gedanke des subjektiven Rechts nur selten. W e n n es aber der Fall ist, wie ζ. B. beim Patentrecht, so zeigt sich das sofort auch darin, daß das Verfahren zur Durchsetzung der ö f f e n t l i c h e n Rechte dem Zivilprozeß gleicht. Die Patentprozesse sind nicht Zivilprozesse, aber sie sehen ihnen sehr ähnlich. Die Zivilprozeßordnung findet zwar nicht aus eigenem Recht, wohl aber kraft der Vorschrift des Patentgesetzes auf sie Anwendung (§ 74 f. PG.). Das Patentamt, welches über die Patentprozesse in erster Instanz entscheidet, ist kein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde, das Patentverfahren dem-
— 87 — nach ein Verwaltungsverfahren 7. Hieraus ist die außerordentliche Anpassungsfähigkeit des Administrativverfahrens zu ersehen. Je nach dem Gegenstande, dem es dient, ist es frei oder an Formvorschriften mehr oder weniger gebunden. Die. Verfahrensarten der Verwaltung bilden eine reiche Skala, deren äußerste Glieder eine nahe Verwandtschaft mit dem Zivilprozeß zeigen. Allerdings gibt es keinen N o r m a l t y p u s des Verwaltungsverfahrens, keine Verfahrensschablone, die für die Mehrzahl der Fälle verwendbar und in den übrigen Fällen nur je nach Bedarf zu modifizieren wäre 8 . Es gibt aber auch keinen Normaltypus des zivilgerichtlichen Verfahrens, wofern man nicht die streitige Zivilgerichtsbarkeit mit der Zivilgerichtsbarkeit überhaupt identifizieren will. Angesichts der unendlichen Mannigfaltigkeit des Verwaltungsverfahrens hat nun die Verwaltungsrechtswissenschaft eine doppelte Aufgabe zu bewältigen. Sie hat den einzelnen Verfahrensarten ihr Augenmerk zuzuwenden uud hier dieselbe Arbeit zu leisten, welche die Zivilprozeßtheorie so erfolgreich auf ihrem Gebiet geleistet hat. Das Resultat dieser Forschung wird zumeist dem speziellen Verwaltungsrecht zugute kommen. Das wasserrechtliche, das gewerbebehördliche, das bergpolizeiliche, das SteuerveranlagungsVerfahren usw. erfahren auf diese Weise ihre theoretische Durchbildung. Aber alles das ist bloße Teilarbeit. Denn 7 AVenn man das Verfahren i n Patentstreitsachen als Verwaltungen streitverfahren ansieht (so Κ ο h l e r , E i n f ü h r u n g i n die Rechtswissenschaft 3 201), so folgt daraus, daß auch das Verfahren i n nichtstreitigen Patentsachen Verwaltungsverfahren ist. Es als „freiwillige G e r i c h t s b a r k e i t " zu bezeichnen ( K o h l e r a. a. 0 . 202, W a c h , Handb. d. d. Zivilprozeßrechts 1 , 111) hat w o h l keinen theoretischen AVert. Das Charakteristische der zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörigen Geschäfte liegt b l o ß darin, daß sie eben den Gerichten zugewiesen sind. Vgl. 0 . M a y e r 1, 8 f., ferner V i e r h a u s i n Verw.-Arch. 11, 244 f. 8 Vgl. M e n z e l i m Österr. StAVB. 4 2 785.
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es handelt sich doch darum, die Gesetze des Verfahrens überhaupt zu ermitteln und auf diese Weise die Grundlagen für eine Prozeßwissenschaft zu legen, die uns heute fehlt 9 , für eine Prozeßwissenschaft, welche sich mit dem Prozeß selbst und nicht bloß mit den speziellen Ausgestaltungen des Zivil- oder Strafprozesses beschäftigt. Sicherlich gibt es Fragen, welche für alle Prozeßarten in gleicher Weise auftauchen und beantwortet werden wollen. Bezeichnet man als „Prozeß" im weitesten Sinne den Komplex jener Vorgänge, die sich im einzelnen Falle — was dabei als Fall anzusehen ist, ist noch selbst der Untersuchung bedürftig 1 0 — zwischen der obrigkeitlichen Behörde und den Parteien abspielen 11 , so gelangt man leicht zu der Überzeugung, daß es gewisse allgemeine Grundsätze uud Gesichtspunkte gibt, nach welchen sich das Verhältnis der Behörden zu den Parteien bestimmen läßt. Es gibt hier ein Gebiet, das noch der Erforschung bedarf und das gerade vom Verwaltungsrecht gepflegt werden kann, weil eben der Administrativprozeß die allerverschiedensten Verfahrensarten aufweist und seinen Bearbeiter darum zur Untersuchung der allgemeinsten Fragen geradezu drängt 12 . Ob die Behörde von Amtswegen zu handeln 9
Vgl. O e t k e r a. a. 0 . 1, 30. Vgl. L o e n i n g i m Verw.-Arch. 7, 59ff. 11 Dieses i m Einzelnen sehr verschiedenartige Zusammenarbeiten von Obrigkeit und Parteien ist für das Verfahren i m technischen Sinne charakteristisch. Verschieden davon ist jene behördliche, amtliche oder kollegiale A r b e i t , die nicht den Parteien zugewendet i s t , also die interne T ä t i g k e i t der Staatsorgane, so ζ. B. die Gesetzgebung. Die Bestimmungen über die' Vorgangsweise des Parlaments sind nicht p r o z e ß r e c h t l i c h e r Natur. (Anderer Ansicht R a d n i t z k y i n Grünhuts Z. 31, 471.) Sie finden i h r Analogon i n den Normen für die interne A b w i c k l u n g der Geschäfte bei den Verwaltungsbehörden und Gerichten („Geschäftsordnungen"). 12 O e t k e r (a. a. 0 . 30) findet gerade umgekehrt „die Auslieferung des Verwaltungsstreitverfahrens, des eigentlich publizistischen Prozesses an das Verwaltungsrecht" am bedauerlichsten. E r weist die Feststellung der gemeinsamen Grundlagen des Prozeßrechts der allgemeinen Rechts10
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oder ein Partei einschreiten abzuwarten hat, ob sie selbst Parteistellung verleiht oder mit den sich meldenden oder ihr namhaft gemachten Parteien verhandeln muß, worin die Parteistellung oder Parteirolle besteht, wie sich der Gang des Verfahrens gestaltet, inwieweit eine Verhandlung der Entscheidung oder Verfügung vorausgehen muß, wie der Verhandlungs- und Entscheidungsstoff beschafft wird, welche Bedeutung die Entscheidung oder Verfügung hat, wie das Rechtsmittelverfahren ausgestaltet ist, wie die Kosten des Verfahrens gedeckt werden, wie sich die Exekution abspielt: alle diese und noch viele andere Fragen sind doch nicht bloß für ein b e s t i m m t e s Verfahren, für den Zivilund Strafprozeß, sondern für das Verfahren überhaupt aufzuwerfen und es wäre sehr voreilig, zu behaupten, daß ihre Beantwortung kein befriedigendes und brauchbares Resultat ergeben würde. Wir treiben heute mit großer Vorliebe vergleichende Rechtswissenschaft, aber nur in dem Sinn, daß wir Rechtsordnungen verschiedener Staaten mit einander vergleichen. Wäre aber eine Vergleichung der einzelnen Zweige einer und derselben Rechtsordnung miteinander weniger ersprießlich und nützlich? Oder ist nicht vielmehr von vornherein anzunehmen, daß die vergleichende Betrachtung des Zivil-, des Straf- und des Administrativprozesses eines und desselben Staates wertvolle Aufklärungen über das Wesen des Prozesses liefern würde? Wertvoll wären diese Aufklärungen zunächst für den Zivilprozeß 13 . Gerade in der neuesten Zeit hat sich das Studium des Zivilprozesses dadurch außerordentlich vertieft, daß die staatsrechtlichen Grundlagen des zivilprozessualen Rechtsschutzes zum Gegenstand detaillierter lehre zu. Dagegen wäre gewiß nichts einzuwenden, wenn w i r nur schon eine solche allgemeine Rechtslehre hätten! 13 Vgl. 0 . M a y e r i m Arch. Off. R. 21, 3.
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Untersuchungen gemacht worden sind. Man hat erkannt, daß die zivilprozessuale Klage sich nicht bloß an den Gegner, sondern auch an den Staat wendet, daß man also zu unterscheiden hat, was der Kläger vom Gegner will und was er vom Staate begehrt. Mag auch das Detail streitig sein, mag auch die Notwendigkeit, von einem besonderen Rechts s c h u t z a n s p r u c h zu reden, bezweifelt werden 14 , so läßt es sich doch nicht leugnen, daß das Begehren, ein bestimmtes Verfahren durchzuführen und eine bestimmte Entscheidung zu fällen, inhaltlich verschieden ist von dem im Prozeß oder außerhalb desselben an einen Vertrags- oder Rechtsgenossen gerichteten Begehren, zu zahlen, zu leisten, anzuerkennen, zu dulden usw. Hält man es aber für notwendig oder ersprießlich, den der Klage zugrunde liegenden Privatrechtsanspruch von dem publizistischen Klagebegehren zu sondern, so muß man doch fragen, ob nicht ein gleichartiges oder ähnliches publizistisches Begehren auch außerhalb des Zivilprozesses anzutreffen i s t 1 5 . Das Gesetz gewährt mir ja nicht bloß das Recht, vom Staate zu verlangen, daß er das von mir behauptete Eigentumsrecht an einer Sache feststelle, daß er meinem Schuldner Vermögensobjekte abnehme und veräußere, soweit es zur Deckung meines rechtskräftig festgestellten Anspruchs notwendig ist, sondern auch, daß er die mir angefallene Erbschaft einantworte, daß er den von mir bewirkten Erlag von Vermögensobjekten zu Gericht annehme und diese Objekte verwalte, daß er die von mir gewünschten und auf die erforderlichen Urkunden gestützten grundbücherlichen Eintragungen vornehme, daß er über meine Staatsbürgerschaft oder mein Heimatrecht erkenne und meine österreichische Staatsbürgerschaft, mein Heimatu
Vgl. hiezu S c h m i d t a. a. 0 . 24 if., G o I d s c h m i d t , Materielles Justizrecht 9 ff., speziell 16. 15 Vgl. 0 . M a y e r , Deutsch. Venv.-R. 1, 113, J e l l i n e k , System d. suhjekt. öff. R. 2 124 ff.
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recht in einer bestimmten Gemeinde anerkenne, daß er mich höre, wenn mein Nachbar bauen oder eine gewerbliche Betriebsanlage errichten w i l l , daß er meine Beschwerde gegen eine Steuer- oder Gebührenauflage entgegennehme und einer Entscheidung zuführe, daß er das Recht, welches meinem Berg- oder Eisenbahnbau entgegensteht, im Enteignungswege aufhebe oder beschränke usw. Das Gemeinsame aller dieser so verschiedenartigen Ansprüche ist das, daß ich von den Staatsbehörden eine Arbeitsleistung in einer bestimmten Richtung, die Einleitung und Durchführung eines bestimmten Verfahrens verlangen kann. I n einzelnen Fällen kommt überdies noch das Recht auf einen ganz bestimmten I n h a l t des Verfahrens und der dasselbe vielleicht abschließenden Entscheidung oder Verfügung hinzu. Es tauchen hier im allgemeinen jene Fragen auf, welche die Theorie nur in bezug auf den Zivilprozeß gründlich untersucht, und es braucht wohl nicht erst ausgeführt zu werden, daß die Diskussion über den Rechtsschutzanspruch nicht nur gewinnen, sondern überhaupt erst ihre gesicherte Fundierung erhalten würde, wenn man von der allgemeinen Frage des staatlichen Verhaltens gegenüber dem Parteibegehren des einzelnen ausginge. Man würde dann auch das Besondere des zivilprozessualen Anspruchs schärfer erkennen und formulieren können und auch vielleicht klarere Vorstellungen über das Wesen des „Rechtsschutzes" und der „Justiz" gewinnen 16 . 16 „Rechtsschutz" ist heute ein ziemlich vager Begriff. Denn man bezeichnet auch die Tätigkeit der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Rechtsschutz und unterscheidet Präventiv- und Repressiv-Justiz. Vgl. hiezu O t t , Rechtsfürsorgeverfahren 63if. Ist es n u n Rechtsschutz, wenn meine F i r m a in das Handelsregister eingetragen wird, und wodurch unterscheidet sich dieser Rechtschutz von der E i n t r a g u n g einer registrierten Hilfskasse in das von der Verwaltungsbehörde geführte Register ? I s t es Rechtsschutz^ wenn das Gericht eine freiwillige Feilbietung meiner Realität v o r n i m m t ? Dann schützt auch der Kommissionär mein Recht, der m i r gehörige Sachen
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I n gleicher Weise würde es sich, wenn man den Zivilprozeß nicht, wie es die Zivilprozeßwissenschaft tut, isoliert, sondern im Zusammenhang mit der ganzen Staatstätigkeit betrachtet, bald zeigen, welche Erscheinungen des Zivilprozesses allgemeiner und welche spezifisch zivilprozessualer Natur sind 1 7 . Es würden sich hiebei die Eigentümlichkeiten und Besonderheiten des Zivilprozesses von jenen Momenten deutlich abheben, welche dem Verfahren überhaupt wesentlich sind. Diese Eigentümlichkeiten und Besonderheiten können entweder ihren Grund haben in der Eigentümlichkeit der Zivilprozeßsachen, also in den Eigentümlichkeiten des Zivilrechts, über welches der Zivilrichter zu judizieren hat, oder sie können eine Folge geschichtlicher Prämissen sein, die dann zu untersuchen und zu würdigen wären. Faßt man aber einmal die besonderen Merkmale des Zivilprezesses schärfer ins Auge, so wird man auch die übrigen Fälle und Formen des zivilgerichtlichen Verfahrens : die Exekution, den Konkurs und die sogenannte freiwillige Gerichtsbarkeit richtiger beurteilen und erklären. Doch uns handelt es sich hier nicht darum, was die Disziplin des Zivilprozesses, sondern was jene des Verwaltungsrechts von einer universellen Untersuchung der prozessualen Erscheinungen gewinnen würde. Es kommen hier nicht nur theoretische, sondern auch praktische Gesichtspunkte in Betracht. Um zunächst von letzteren zu sprechen, so ist es eine veräußert. I s t es Rechtsschutz, wenn das Gericht einem achtzehnjährigen Mädchen die E i n w i l l i g u n g zur Eheschließung erteilt oder verweigert? Dieser Rechtsschutz sieht jedenfalls einem Interessenschutz zum Verwechseln ähnlich. N i c h t wesentlich besser ward die Sache, wenn man von „Rechtsfürsorge" oder „Rechtspflege" spricht. 17 0 . M a y e r i m Arch. Öff. R. 21, 1 f.: „ W a s wesentlich daran (näml i c h an dem i n die Verwaltungsrechtspflege herübergenommenen Prozeßrecht) ist, t r i t t schärfer hervor und das Nebensächliche w i r d als solches erkannnt und abgestreift."*
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heute weitverbreitete Anschauung — bei uns in Österreich hat sie geradezu den Charakter eines Dogmas angenommen —, daß der Zivilprozeß, mag er auch selbst noch so verbesserungsbedürftig sein, dennoch vorbildlich ist für das Verwaltungsverfahren, so zwar, daß der Gesetzgeber gar nichts Besseres tun könnte, als die zivilprozessualen Grundsätze auf das Verwaltungsverfahren zu übertragen. Daß sich der historische Entwicklungsprozeß gerade in entgegengesetzter Richtung vollzogen hat, daß durch die Reform des österreichischen Zivilprozesses Grundsätze des Verwaltungsverfahrens auf die Zivilgerichtsbarkeit Anwendung gefunden haben, wird dabei merkwürdigerweise gar nicht beachtet. Und doch gibt gerade dieser Umstand zu denken. Wollten wir den Umschwung der Prozeßmaximen damit erklären, daß wir sagen: Der Staat trachte nunmehr im Zivilprozeß die materielle und nicht, wie früher, die formelle Wahrheit zutage zu fördern, und er wolle dies mit der größten Raschheit und Entschiedenheit tun, so wäre das bloß eine halbe Erklärung 18 . Das Entscheidende ist vielmehr, daß jener Umgestaltung des materiellen Zivilrechts, welche auf das Eindringen verwaltungsrechtlicher Prinzipien in unsere über18 Denn man muß sich doch fragen: W a r u m legt der Staat heute auf die Erforschung der materiellen W a h r h e i t Gewicht? Es handelt sich hier um den Standpunkt, den der Staat den Zivilprozeßfällen gegenüber einnimmt. W ä h r e n d er früher dem Ausgang des Zivilprozesses kein Interesse entgegenbrachte — ob der Kläger siegte oder unterlag, war i h m gleichg ü l t i g — , sieht er es heute als seine Aufgabe an, eine materiell r i c h t i g e Entscheidung zu treffen. E r i n t e r e s s i e r t s i c h für die Sache selbst und es spielt also hier dasselbe Moment mit, welches den Staat bei seiner Verwaltung leitet. „ A u s den Impulsen des Gegenwartslebens" wächst „die Überzeugung hervor, daß der Prozeß eine unentbehrliche staatliche W o h l f a h r t s e i n r i c h t u n g i s t , daß alle Einzelnen und die Gesamtheit daran interessiert sind, wie der Rechtsgenuß, diese Bedingung für die AVohlfahrt eines Jeden, m i t E r f o l g verteidigt und behauptet werden könne. Gutes Recht und guter Prozeß gehören zusammen." K l e i n , Zeit- und Geistesströmungen i m Prozesse 1901, 30.
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kommene Privatrechtsordnung zurückzuführen ist, nun eine ähnliche Umgestaltung des formellen Rechts nachgefolgt ist. Die Einschränkung der zivilrechtlichen Parteidisposition, insbesondere die durch die moderne Gesetzgebung an so vielen Punkten unternommene Einschränkung der Vertrags freiheit mußte mit Naturnotwendigkeit auch eine Einschränkung der Parteidisposition im Zivilprozeß nach sich ziehen. Es ist das zugleich ein sehr wertvoller Beleg für die Abhängigkeit des Verfahrens von seinem Inhalt. Daraus folgt aber, daß eine kritiklose Übertragung zivilprozessualer Grundsätze auf das Verwaltungsverfahren unberechtigt ist. Ein Postulat des modernen Zivilprozesses ist ζ. B. die Mündlichkeit des Verfahrens. Die mündliche Verhandlung ist sicherlich im kontradiktorischen Prozeß von großem Wert. Sie ist dort, wo es sich nicht um reine Rechtsfragen , sondern um die Konstatierung des Tatbestandes handelt, wo d e r P r o z e ß s t o f f s e l b s t unter richterlicher Anleitung, Einflußnahme oder Kontrolle beigeschafft werden muß, unentbehrlich. Das berechtigt aber nicht, diese mündliche Verhandlung für j e d e s Verfahren ohne Rücksicht darauf, was der Zweck des Verfahrens ist, zu verlangen. Charakteristisch ist in dieser Hinsicht die von den führenden Männern des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs durchgesetzte Einschränkung der mündlichen Verhandlung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 1 9 . Als der Verwaltungsgerichtshof geschaffen wurde, versprach man sich außerordentlich viel von einem mündlichen Verfahren. Die Praxis hat aber gezeigt, daß in einem Verfahren, welches erst einsetzt, nachdem die letzte Administrativinstanz gesprochen hat, und welches äußerstenfalls zar Kassierung, niemals aber zur Reformierung der angefochtenen Entscheidung führen 19 G. v. 21. September 1905, Nr. 149 R G B l . — Vgl. auch Z o r n Verw.-Arch. 2 91.
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kann, die mündliche Verhandlung in den weitaus meisten Fällen eine reine Plädierverhandlung ist und mithin gelehrten Richtern gegenüber kaum mehr als dekorativen Wert hat. Wenn die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs durch Einschränkung der mündlichen Verhandlung beschleunigt worden ist, so kann darin nur eine Förderung des Rechtsschutzes erblickt werden. Bei diesem ersten Schritt wird es aber allem Anschein nach nicht bleiben. Hierauf näher einzugehen, geht in diesem Zusammenhang nicht an. Nur das sei bemerkt, daß ζ. B. eine mündliche Verhandlung über den beim Reichsgericht eingebrachten Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonflikts durchaus entbehrlich i s t 2 0 . So wie den Praktikern der Zivilprozeß als Vorbild für den Verwaltungsprozeß gilt, so bilden auch die Theoretiker des Verwaltungsprozesses ihre Begriffe mit Vorliebe der 20 I n der freiwilligen Gerichtsbarkeit und i m Exekutionsrecht findet sich durchaus nicht immer das mündliche Verfahren. Das Grundbuchsgesetz schließt die M ü n d l i c h k e i t geradezu aus und gewiß m i t Recht. Schriftlichkeit und M ü n d l i c h k e i t spielen auf dem Gebiete des formellen Rechts eine ähnliche R o l l e , wie auf dem des Privatrechts. AVenn w i r heute das mündliche Verfahren dem schriftlichen vorziehen, so hängt das damit zusammen, daß w i r auch i m privatrechtlichen Verkehr den mündlichen formlosen Abmachungen die gleiche Bedeutung beilegen, wie den schriftlichen Erklärungen und Verträgen, daß w i r also den Privatrechtsverkehr nicht an Formvorschriften binden. A l l e i n sowie w i r für gewisse Rechtsgeschäfte doch auch heute eine bestimmte F o r m , speziell S c h r i f t l i c h k e i t , fordern, so hat es einen guten S i n n , auch für das Verfahren unter Umständen Schriftlichkeit zu verlangen. Das Grundbuchsrecht ist hiefür ein guter Beleg. Das Grundbuchsgesetz schreibt nicht n u r den Gerichten schriftliches Verfahren vor (Verbot der mündlichen Einvernehmung der Parteien vor Erledigung des Gesuches!), sondern es zwingt auch den I m m o b i l i a r verkehr zur Schriftlichkeit, indem es bestimmt, daß die Gesuche u m grundbücherliche Eintragungen u r k u n d l i c h belegt sein müssen. — Vielleicht darf i n diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen werden, daß die katholische K i r c h e , deren Ehegerichte noch schriftlich verfahren, i n der neuesten Zeit zur kirchenrechtlichen Gültigkeit des Verlöbnisses Schriftlichkeit fordert. (Dekret der Konzilskongregation Xe temere vom 2. August 1907.)
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Zivilprozeßtheorie nach. Ein prägnantes Beispiel dafür ist der Otto M a y er sehe „ Verwaltungs akt". M a y e r hat den „Verwaltungsakt" dem französischen Rechte entlehnt 21 . Aber nicht dem französischen Urbild verdankt die deutsche Theorie des Verwaltungsaktes ihre werbende Kraft, sondern der suggestiven Wirkung, welche die Anlehnung an den nun einmal als Idealtypus des Verfahrens geltenden Zivilprozeß ausübt 22 . Der Zivilprozeß zerfällt (nach der herrschenden Anschauung, welche die Exekution als einen Bestandteil des Prozesses ansieht) in zwei Abschnitte: das Erkenntnis- und das Vollstreckungsverfahren. I n gleicher Weise ist auch der Strafprozeß gegliedert, wenngleich die Strafvollstreckung zum großen Teil schon aus der Reihe der gerichtlichen Vorgänge herausfällt. Zwischen den beiden Abschnitten des Zivil- und Strafprozesses liegt die Fällung, Verkündung und Hinausgabe des U r t e i l s . Das Urteil zu finden ist Zweck des vorausgegangenen, das gefundene Urteil Grundlage des nachfolgenden Verfahrens 23 . Das Erkenntnis hat also eine das ganze Verfahren beherrschende Bedeutung und Funktion. Es liegt nahe, die Zweiteilung des Verfahrens und die Grenzziehung zwischen den beiden Verfahrensabschnitten durch einen inmitten liegenden behördlichen Ausspruch als allgemeines Verfahrensgesetz an21 Deutsch. V R . 1, 59 f. D e r österreichische Verwaltungsgerichtshof gebraucht den Ausdruck „Verwaltungsakt" i n einem anderen Sinne, indem er i h n einer „wahren" Entscheidung, „einer Entscheidung i m strengen Sinne des W o r t e s " gegenüberstellt. ( B u d w i n s k i 3412.) V g l . H ö t z e l i n der oben (73) zitierten Schrift 102, N. 22. 22 W i e sich das Verwaltungsverfahren h i s t o r i s c h entwickelt hat, ob die Gestaltungen dieses Verfahrens w i r k l i c h auf die Tendenz der J u s t i ζ f ö r m i g k e i t der Verwaltung zurückzuführen s i n d , mag hier dahingestellt bleiben. V g l . T e z n e r i m Verw.-Arch. i), 166. 23 „Das U r t e i l selbst ist an das Gesetz gebunden, aber es bindet seinerseits die T a t . " 0 . M a y e r 1, 95. — H e l l w i g (Klagrecht und Klagmöglichkeit 39, 43) bezeichnet das U r t e i l als „die Seele des ganzen Prozeßinstituts" u n d die Urteilsbitte als „die Seele des Klagaktes."
97 — zusehen und dementsprechend auch das Verwaltungsverfahren in zwei Abschnitte zu sondern, deren Ende und Anfang durch den urteilsähnlichen „Verwaltungsakt" markiert werden. Der „Verwaltungsakt" ist das U r t e i l des Verwaltungsprozesses, mag es nun dem zivilgerichtlichen Urteil ganz analog (verwaltungsgerichtliches Urteil) oder nur mehr oder minder ähnlich sein 2 4 . Wenn man aber den Begriff des Verwaltungsaktes in jener Ausprägung, die er bei M a y e r gefunden hat, auf das zivilgerichtliche Verfahren rücküberträgt, so zeigt sich sofort, daß es im Zivilprozeß sehr viele behördliche Verfügungen gibt, die gerade so wie das Urteil bindend und vollstreckbar sind und doch nicht als Urteile bezeichnet oder angesehen werden 2δ . Schon im Laufe des Erkenntnisverfahrens können den Parteien durch Zahlungsaufträge Kosten auferlegt werden, es können Parteien, Zeugen, Sachverständige oder Zuhörer gestraft werden, es kann ein Auftrag zur Vorlage von Urkunden usw. ergehen. Ist aber einmal das Erkenntnisverfahren abgeschlossen und das Exekutionsverfahren eingeleitet worden, dann lassen sich unzählige Verfügungen und Entscheidungen denken, die in 24 M a y e r unterscheidet zwei A r t e n von Verwaltungsakten, den einfachen Verwaltungsakt und denjenigen, der d e r V e r w a l t u n g s r e c h t s p f l e g e angehört, das Verwaltungsurteil. Der Unterschied liegt hauptsächlich i n der dem Verwaltungsurteil beigelegten, dem einfachen Verwaltungsakt dagegen fehlenden Rechtskraft. A b e r auch für einfache V A . nimmt M a y e r G e b u n d e n h e i t der Verwaltung an ( I , 78). E r hebt 1, 64 zweimal ausdrücklich die Ä h n l i c h k e i t und Verwandtschaft des Verwaltungs-
aktes m i t dem U r t e i l i n der Justiz hervor (ebenso 1, 78, vgl. auch 1, 94), verzichtet also darauf, die B e s c h l ü s s e der Justiz zum Vergleiche heranzuziehen. Vgl. N. 26. 26 Dabei sehe ich natürlich ab von solchen dem U r t e i l vollkommen adäquaten Erkenntnissen, die n u r i n f o l g e p o s i t i v e r Anordnung d e s G e s e t z e s nicht Urteile genannt werden, wie die Endbeschlüsse des Besitzstörungsverfahrens. Etwas anders liegt die Sache schon bei den Zahlungsaufträgen des Urkundenprozesses. (Mandats-, Wechselmandats-, Syndikatsregreß-Verfahren.)
S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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Form von Beschlüssen verkündet oder von Bescheiden herausgegeben werden. Die Überweisung einer Forderung zur Einziehung oder an Zahlungsstatt ζ. B. ist eine Verfügung, die unter Umständen von viel größerer Bedeutung ist und weit empfindlicher wirkt als ein Urteil, zumal als ein deklaratorisches Urteil. Sie ist aber kein Urteil, sondern eine in die Form des Beschlusses oder Bescheides gekleidete Exekutionsmaßregel. Und nun werfen wir einen Blick auf die freiwillige Gerichtsbarkeit : Wie viele Verfügungen treten uns hier entgegen, die gleichfalls rechtskraftfähig und vollstreckbar sind ! Verfügungen über einen Nachlaß oder über ein gerichtliches Deposit, Bewilligung oder Ablehnung grundbücherlicher Eintragungen, Aufträge und dispositive Akte der Pflegschaftsgerichte, Eröffnung und Beendigung des Konkurses, Verhängung und Aufhebung der Kuratel, Todeserklärung, Amortisation eines Wertpapiers usw. : was sind alle diese behördlichen Emanationen? „Verwaltungsakte" sind sie nicht, Urteile ebensowenig. Sie sind „Gerichtsakte" von sehr verschiedenartiger Bedeutung 26 . Da ergibt sich nun die Alternative : Entweder der Verwaltungsakt weist wirklich die Besonderheiten des zivil(oder straf-gerichtlichen Urteils auf. Dann ist M a y e r s Begriff des Verwaltungsakts zu weit. Dann müßten aus 20
M a y e r verweist (1, 63; vgl. auch 1, 8 f.) selbst auf das „Beschlußverfahren" der Justiz, ohne jedoch i n seinen weiteren Ausführungen gerade hieraus Konsequenzen zu ziehen. I m Arch. Öff. Pi, 21, 65 sagt e r , indem er das verwaltungsgerichtliche U r t e i l dem zivilgerichtlichen gegenüberstellt : I m Zivilprozeß „allerdings hat das gerichtliche U r t e i l nichts Gleichartiges neben sich, hier aber wohl." Vgl. ebd. 63: I n der Verwaltung „ i s t nicht wie i n der Justiz das U r t e i l der K e r n und M i t t e l p u n k t von allem, auf den alles hinstrebt oder von dem es ausgeht, und der hoheitliche A k t , der nichts Gleichwertiges neben sich duldet. I m Gegenteil, die ordentliche Form, i n welcher die Obrigkeit hier dem Untertanen b e s t i m m t , was für ihn i m Einzelfalle Rechtens sein s o l l , das ist der einfache Verwaltungsakt ; nur i n dem Maße als das Gesetz es besonders vorgesehen hat, t r i t t neben ihn . . . das verwaltungsgerichtliche U r t e i l . "
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der unendlichen Mannigfaltigkeit solcher Verwaltungsakte erst jene gewonnen werden, die wirklich Urteils ähnlich sind, die Verwaltungsakte im engeren oder technischen Sinne. Oder M a y e r s Begriffsbestimmung ist richtig. Dann sind aber den Verwaltungsakten nicht bloß die Urteile, sondern alle wie immer gearteten Entscheidungen und Verfügungen der Gerichte im streitigen oder außer streitigen Verfahren gleichartig, und darum sind gerade jene Analogien, die sich aus dem Charakter des U r t e i l s ergeben, für den Verwaltungsakt nicht oder nicht ohne weiteres verwendbar. Die Besonderheit des Urteils hat ihren Grund in der Besonderheit der zivil- und strafprozessualen Tätigkeit. Der (Zivil- oder Straf-)Kläger begehrt in der Klage Verurteilung, der Zivilkläger möglicherweise statt dessen Feststellung. Der ganze Prozeß wird mit Rücksicht auf dieses Begehren geführt. Im Hinblick auf dieses erscheint alles, was das Gericht, um zu dem Begehren Stellung nehmen zu können, tut, als Mittel zum Zweck, bis endlich das Begehren selbst seine Erledigung findet im U r t e i l . Eine Analogie findet diese Erscheinung im Administrativverfahren dann, wenn dieses durch ein Parteibegehren in Fluß gebracht wird, welches nicht sofort, sondern erst nach Anhörung der Beteiligten und nach Feststellung des Sachverhaltes seine Erledigung findet, also ζ. B. dann, wenn jemand um einen bau-, wasser- oder gewerberechtlichen Konsens einschreitet. Dann zeigt auch das Verfahren Ähnlichkeiten mit dem Zivilprozeß 2 7 . Allein auf diese Fälle der Erledigung eines Parteibegehrens durch einen verwaltungsbehördlichen Ausspruch schränkt M a y e r den Begriff des Verwaltungsaktes nicht ein. Vielmehr rechnet er hierher auch obrigkeitliche Ver27
Der N a t u r der Sache nach könnte auch der administrative Strafprozeß ähnlich verlaufen wie der gerichtliche. A l l e i n das ist nicht der F a l l , weil nur das gerichtliche (genauer: das zivilstrafgerichtliche) Verfahren auf dem Anklageprinzip beruht. 7*
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fügungen aller Art, also behördliche Akte, welche möglicherweise nicht am Schluß, sondern am Anfang des Verfahrens stehen. Hier läßt uns die Analogie mit dem zivilprozessualen Urteil vollkommen im Stich, wenn wir auch hiefür im gerichtlichen Verfahren (im weiteren Sinne), speziell in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, eine ganze Reihe von Analogien finden. Wenn M a y e r (1, 95) den Verwaltungsakt als obrigkeitlichen Ausspruch bezeichnet, der dem Untertanen gegenüber im Einzelfall bestimmt, was f ü r i h n R e c h t e n s s e i n soll, so ist die Übertragung des ita ius esto, des „zu Recht Erkennens" des Zivilrichters auf das Verwaltungsverfahren unverkennbar. Der urteilende Richter „findet" das Recht. Er beantwortet die vom Kläger aufgeworfene und von den beiden Streitteilen verschieden beantwortete Rechtsfrage und setzt an die Stelle der bisherigen Unsicherheit seinen (nur im Instanzenzug anfechtbaren) Ausspruch. Er bestimmt, was Rechtens sein soll. Wenn aber der Richter nicht ein Urteil fallt, sondern einen Vormund oder Kurator bestellt, die Altersnachsicht erteilt, den Konkurs eröffnet oder für beendigt erklärt, ein Depositum übernimmt oder ausfolgt, eine grundbücherliche Eintragung verfügt, die Registrierung einer Handelsfirma bewilligt, die dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zustehende Forderung dem betreibenden Gläubiger überweist, so trifft er gewiß Verfügungen von rechtlicher Tragweite, er greift in die Rechtsverhältnisse der Parteien ein, er schafft Gebundenheit der Parteien an seinen Ausspruch und bindet sich in gewisser Richtung auch selbst; aber man wird nicht behaupten, daß er bestimmt, was „Rechtens sein soll" 2 8 . Sonst müßte auch der dominus, 28
M a y e r unterscheidet allerdings sehr fein zwischen dem Ausspruche dessen, „was Rechtens sein s o l l " und dem „was Rechtens i s t . " „Die Entscheidung spricht nur aus, was Rechtens sein s o l l , indem sie erklärt, was Rechtens i s t . Die zivilgerichtlichen Urteile haben durchweg (mit
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der die Geschäfte des negotiorum gestor ratihabiert, bestimmen, was für den dritten Kontrahenten „Rechtens sein soll". Sonst wäre aber auch der Abschluß eines Kaufvertrags und jede wie immer geartete r e c h t l i c h r e l e v a n t e Disposition einer Privatpartei, aber auch die Ernennung eines Ministers 2 9 , die Wahl eines Abgeordneten, die Bestimmung dessen, was Rechtens sein soll. Das Gleiche gilt nun auch vom Verwaltungsakt. Sicher ist der obrigkeitliche Ausspruch der Behörde von rechtlicher Relevanz. Er erzeugt die rechtliche Verpflichtung auf Seite desjenigen, an den er sich wendet, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten, irgend etwas zu tun oder zu unterlassen. Aber die Beantwortung einer Rechtsfrage, die Lösung eines Zweifels darüber, was Rechtens ist oder sein soll, enthält er nicht immer 3 0 . Wenn die Sicherheitspolizei der angesammelten Menschenmenge den Befehl erteilt, auseinanderzugehen — nach M a y e r (1, 103) der Fall eines Verwaltungsaktes —, so muß dieser Befehl befolgt werden und die Nichtbefolgung wäre rechtswidrig und strafbar, aber, „was Rechtens sein soll," sagt der Sicherheitswachmann gewissen Ausnahmen . . .) die N a t u r solcher Entscheidungen" (1, 100). Z u diesen Ausnahmen zählt M a y e r (1, 167) speziell das Teilungsurteil. Daß sich aber eine scharfe Grenze nicht ziehen l ä ß t , geht daraus h e r v o r , daß M a y e r auch die richterliche Festsetzung des Schadensersatzes, der A l i mentationen usw. als Entscheidung auffaßt. „Das U r t e i l beansprucht nicht, •damit etwas Neues angeordnet zu haben durch eigene Z u t a t ; auch m i t diesem Ermessen soll n u r gefunden worden sein, was der wohlverstandene W i l l e des Gesetzes für diesen F a l l und demnach der I n h a l t des subjektiven Rechts s c h o n i s t . Es ist also in W a h r h e i t k e i n freies Ermessen, sondern ein gebundenes" (1, 165). Vgl. auch L o e n i n g i m Yerw.-Arch. 7, 33 und 0 . M a y e r i m Arch. Öff. R. 21, 4 2 i f . 29 Das ist wohl auch die Meinung O. M a y e r s . Anstellung i m Staatsdienst w i r d (1, 98) als Beispiel eines Verwaltungsakts angeführt. ?0 Rechtsprechung ist nach M a y e r (1, 9) „vielleicht die Hälfte aller Verwaltungsakte". Aber nicht einmal zum Wesen der Verwaltungs r e c h t s p f l e g e kann gehören, „daß darin nur Rechtsprechung geübt, nur E n t scheidungen erlassen werden" (1, 169).
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nicht, wenigstens nicht in jenem Sinne, in dem es der urteilende Richter t u t 8 1 . Man muß sich über das Verhältnis von „Urteil" und „Verwaltungsakt" klar werden, um zu der neuestens so viel diskutierten Frage der Rechtskraft der Verwaltungsakte Stellung nehmen zu können 32 . Ist der Verwaltungsakt 31 D i e Analogie m i t dem U r t e i l w i r d trotz der W o r t e „sein s o l l " m i t welchen die M a y e r sehe Definition des Verwaltungsakts schließt, dadurch nahe gelegt, daß der Verwaltungsakt als obrigkeitlicher A u s s p r u c h bezeichnet wird. Ausspruch ist Sentenz, Erkenntnis, aber nicht Verfügung. — H a t s c h e k (Englisches Staatsrecht 2, 668) führt unter den Unterschieden zwischen der englischen und der deutschen Verwaltung an: „Jener fehlt der uns geläufige Begriff des V e r w a l t u n g s a k t s i m t e c h n i s c h e n S i n n e als „ e i n der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der dem Untertanen gegenüber i m E i n z e l f a l l bestimmt, was für i h n R e c h t e n s sein soll" (Otto M a y e r ) . Das was R e c h t e n s sein soll, bestimmen i n England i m Allgemeinen nur die Gerichte, keineswegs Verwaltungsbehörden." I n ihrer „ I n f e r i o r i t ä t gegenüber den Gerichten darf die Verwaltung es nicht unternehmen, A k t e zu setzen, die m i t dem Anspruch auftreten, gerichtlichen Urteilen e b e n b ü r t i g d. h. also Verwaltungsakte i m technischen Sinne zu sein." Ob der Begriff des M a y e r sehen Verwaltungsaktes „ u n s " d. h. der deutschen Verwaltung geläufig ist, mag dahingestellt bleiben. Daß aber dieser Begriff H a t s c h e k geläufig ist, läßt sich b i l l i g bezweifeln. 32 I m T e x t w i r d der Begriff der „Rechtskraft" in jenem Sinne genommen, der i h m i n der Zivilproßrechtswissenschaft beigelegt zu werden pflegt u n d der nach M a y e r (Arch. Öff. R. 21, 22) i n der alten Formel zum Ausdruck k o m m t : „res iudicata i u s f a c i t . " Die materielle Rechtskraft einer E n t scheidung besteht d a r i n , daß diese „unbestreitbar, dauernd, bindend und maßgebend die Rechtsbeziehungen feststellt." ( P o l l a k a. a. 0 . 488f.) Dieser Begriff der Rechtskraft ist allerdings ein anderer als j e n e r , den M a y e r seinen Ausführungen zugrunde legt. Xach M a y e r liegt der Schwerp u n k t des Begriffs der Rechtskraft der Verwaltungsurteile i n einer Unabänderlichkeit des A k t e s , „die daher k o m m t , daß er i n der Verwaltungsrechtspflege erzeugt worden i s t " (1, 175). „ D i e Rechtskraft bedeutet eine Unabänderlichkeit des Aktes, die i h m zukommt durch die A r t seiner E n t stehung und die beruht auf der Gebundenheit dieses Aktes dem Untertanen gegenüber, für den er ergangen i s t " (1, 175 f.). D i e Rechtskraft „besteht i n einer Gebundenheit des darin (in der Rechtspflege) erzeugten Aktes durch ein Recht der Partei, über welche er ergeht" (1,196). Die Partei hat ein „Recht am U r t e i l " (1, 176). — D i e Berufung auf die eigentümliche P r o v e n i e n z der Rechtskraft ist w o h l blanke Metaphysik. Das U r t e i l hat keine geheimnis-
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nichts anderes als das verwaltungsgerichtliche Analogon des zivilgerichtlichen U r t e i l s , dann bietet die Frage keine oder keine nennenswerten Schwierigkeiten. Dann können die Bestimmungen der Zivilprozeß Ordnung über die Rechtskraft der Urteile mutatis mutandis übertragen werden. So wie das Urteil die Streitteile bindet, so bindet der Verwaltungsakt die Privatparteien und den Staat selbst. Zwar ist der Staat im Verwaltungsverfahren in der Regel nicht mit einer Parteirolle ausgestattet. Aber es ist nur ein Doppeltes möglich: Entweder der Staat hat kein Interessevollen K r ä f t e , die die Rechtskraft auswirken. Die Rechtskraft ist eine W i r k u n g , die d i e R e c h t s o r d n u n g dem U r t e i l beilegt. Unabänderlichkeit ist Unabänderlichkeit und man kann nicht unterscheiden eine Unabänderlichkeit, „welche a u f e i n e r b e s o n d e r e n e i g e n e n K r a f t d e s A k t e s s e l b s t beruht" und welche somit eine w a h r e Rechtskraft ist (1, 175, N. 28) und eine Unabänderlichkeit, die auf andere Weise entstanden ist. (In ähnlicher Weise operiert M a y e r i m Arch. Öff. R. 21, 29ff.) W o h l aber kann man die Frage aufwerfen, wer sich auf die Unabänderlichkeit berufen, wer sie geltend machen und wer auf sie eventuell verzichten kann. A u f diese Weise gelangt man zur „relativen Rechtskraft·', welche für M a y e r der H a u p t p u n k t ist und der einzige, u m den er streitet (Archiv 70). I n W a h r h e i t besteht aber k a u m ein G r u n d , diese relative Rechtskraft als den springenden Punkt anzusehen oder sie gar als d i e Rechtskraft zu betrachten. K a n n man doch sogar, wie M a y e r selbst zugibt (Archiv 30), „bestreiten, daß sie n o c h den Namen Rechtskraft verdient und diesen Namen ausschließlich für die absolute Rechtskraft i n Anspruch nehmen; das ist eine terminologische F r a g e , deren Bedeutung nicht überschätzt werden darf". — M a y e r beruft sich (Arch. Öff. R. 21, 34, N. 48) u. A . auch auf P a g e n s t e c h e r und H e l l w i g . Das Z i t a t aus P a g e n s t e c h e r ist aber anders zu verstehen (vgl. P a g e n s t e c h e r i n S t i e r - S o m l o s Jahrb. Verw.-R. 1, 339, N. 3, ferner 360 ff.) und H e 11 w i g sagt i n seiner Schrift: Klagrecht und Klagmöglichkeit 77 f.: „ A u s der staatlichen A u t o r i t ä t und n u r aus i h r schöpfen die Entscheidungen des Gerichts und insbesondere das rechtskräftige E n d u r t e i l die bindende K r a f t , keineswegs aus der Tätigkeit der Parteien." „ A m schlagendsten zeigt sich dies d a r i n , daß das rechtskräftige U r t e i l die Partei, auf deren Namen es gefällt i s t , sogar dann bindet und berechtigt, wenn i n ihrem Namen ein Vertreter ohne alle Vertretungsmacht gehandelt hat." Vgl. auch die weiteren Ausführungen 78, N. 5 , ferner 8 3 f . und P a g e n s t e c h e r a. a. 0 . 363 f.
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an dem Inhalte des Verwaltungsaktes (ζ. B. es ist dem Staate gleichgiltig, ob jemand in Wien oder in Prag heimatberechtigt ist, wenn nur sein heimatrechtlicher Status ü b e r h a u p t festgestellt wird), dann ist die Rechtskraftfrage ihm gegenüber gegenstandslos, ebenso wie die Frage, ob der -Staat als solcher an ein zivilprozessuales Urteil gebunden ist, keine praktische Bedeutung hat. Oder der Staat, die Staatsverwaltung gehört mit zu den Interessenten des Verwaltungsakts. Dann muß sich die Institution des Rechtsstaats gerade darin bewähren, daß auch dem Staate gegenüber die Rechtskraft des Verwaltungsakts wirkt. Ganz anders gestaltet sich aber die Untersuchung, .wenn man den Verwaltungsakt nicht mit dem Urteil, sondern mit den Emanationen des Zivilrichters überhaupt vergleicht. Dann findet man, daß auch die bindende Kraft der „Gerichtsakte" nicht nach einer bestimmten Schablone beurteilt werden kann, sondern daß in jedem einzelnen Falle untersucht werden muß, welche Bedeutung die gerichtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung hat und was demnach in jedem einzelnen Falle ihre „Rechtskraft" bedeutet 33 . Die alten, noch immer durch bessere nicht ersetzten Formeln, welche die Rechtskraft der Urteile motivieren und zugleich ihre Funktionen ausdrücken sollen : res iudicata pro veritate habetur 3 4 und ne bis de eadem re sit actio haben Beweiskraft 38 E s ist ein besonderes Verdienst der neueren Prozeßreclitsdoktrin, daß sie auch h i n s i c h t l i c h der Rechtskraft der U r t e i l e wichtige Unterscheidungen macht, daß sie insbesondere den Begriff der „Rechtsgestaltung·· herausgearbeitet hat. W ä h r e n d aber die Rechtsgestaltung anf zivilprozeßualem Gebiet gegenüber der deklaratorischen F u n k t i o n des Urteils an Bedeutung z u r ü c k t r i t t , spielt sie i m Verwaltungsrecht (und i n der freiw i l l i g e n Gerichtsbarkeit) eine ungemein wichtige Rolle. 34
AVenn auch die Fiktionstheorie heute aufgegeben i s t , so läßt sich doch i h r wahrer K e r n kaum bestreiten. I m m e r w i r d man damit rechnen müssen, daß das Gericht i m U r t e i l die W a h r h e i t feststellen w i l l und s o l l , mag auch noch so oft unrichtig entschieden werden. M i t Recht weist
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und Bedeutung bloß für das U r t e i l . Verlassen wir das Gebiet der urteilsmäßigen Entscheidung von Rechtsfällen, so versagen diese beiden Sätze ihren Dienst. Wenn der Richter die Frage entscheidet, ob der Beklagte dem Kläger tatsächlich 1000 Κ schuldet, wie es dieser behauptet, so kann die Entscheidung der Frage richtig oder unrichtig, sie kann (in diesem Sinne) wahr oder unwahr sein. Das Gesetz gebietet aber, daß von der Wahrheit und Richtigkeit der Entscheidung bis auf weiteres auszugehen ist ( F o r m e l l e Wahrheit). Allerdings bindet das Urteil nur die Streitteile, die in der Lage waren, durch ihre Prozeßhandlungen den Ausgang des Prozesses zu beeinflussen. Aber diese Streitteile sind an das Urteil gebunden, solange es ihnen nicht gelingt, triftige Gründe für die Unrichtigkeit des Urteils beizubringen. Es handelt sich aber dem Staate nicht bloß darum, die richterliche Autorität den Parteien gegenüber zu wahren, sondern er will auch unnütze Prozeduren hintanhalten. Eine Klage, über die bereits entschieden worden ist, darf, selbst wenn die Parteien damit einverstanden wären, nicht wiederholt werden, und auch wenn die Parteien neues Prozeßmaterial vorbringen wollen, dürfen sie es nur dann tun, wenn sie es nicht bereits früher hatten tun können. Die Gründe, die für die Unrichtigkeit der Entscheidung oder wenigstens für die Unzuverlässigkeit ihrer Grundlagen angeführt werden, müssen neue, neuaufgefundene Gründe sein, und es muß zunächst über die Berechtigung der Wiederaufnahme des Prozesses entschieden werden, ehe die Wiederaufnahme erfolgt. Das Ergebnis des Wiederaufnahmsverfahrens ist die V e r n i c h t u n g des Urteils. S c h m i d t a. a. Ο. 17 ff. darauf hin, daß man das Urteil nicht als isolierte Erscheinung betrachten dürfe, sondern daß man die „Gesamtheit der Rechtspflegeakte" i n Betracht ziehen müsse. Das U r t e i l bringt „ i m D u r c h s c h n i t t seiner Erscheinungen nur die E r f ü l l u n g der Rechtslage, wie man sie sich auf Grund der Tatbestände des Rechtsverkehrs vorgestellt hat."
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Nicht das alte, sondern das neue Urteil wird pro veritate gehalten, und zwar nicht bloß ex nunc, sondern ex tunc. Denn war das alte Urteil wahr, richtig, dann mußte es diese Eigenschaft für die Folge behalten. Ist es aber unrichtig, unwahr, dann ist es niemals richtig oder wahr gewesen. Ganz andere Maßstäbe müssen wir selbstverständlich an behördliche Akte anlegen, welche nicht mit dem Anspruch hervortreten, das Recht zu f i n d e n , sondern welche etwas anordnen, verfügen, erlauben, verbieten, welche ein Recht verleihen oder entziehen, beschränken oder erweitern, Organschaft einräumen oder zurücknehmen u. dgl. Auch solche behördliche Akte können v e r b i n d l i c h sein und sind selbstverständlich in einem gewissen Sinne verbindlich, rechtlich relevant. Aber ihre Verbindlichkeit ruht nicht auf der Annahme, daß sie Wahrheit enthalten, sei es auch nur eine von der staatlichen Autorität getragene, formelle Wahrheit. Darum hat hier die Verbindlichkeit eine andere Bedeutung als bei dem deklaratorischen Urteil, und darum ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ihnen ihre Verbindlichkeit oder Bedeutung genommen werden kann, eine andere als die analoge Frage des Zivilprozesses. Denn während die Eigenschaft des W a h r e n eine dauernde ist, ist es jene der bloßen Verbindlichkeit nicht. Wenn ich enunziert habe, daß der A dem Β 1000 Κ schuldet, so kann ich dieses Erkenntnis nur mit dem Eingeständnis zurücknehmen, daß ich mich, als ich die Sentenz fällte, geirrt oder daß ich auf Grund unrichtiger oder unhaltbarer oder unzureichender Prämissen entschieden habe. Wenn ich aber jemandem erlaubt habe, ein Gewerbe zu betreiben, so liegt in der Zurücknahme der Erlaubnis nichts als der Ausdruck meiner geänderten W i l l e n s r i c h t u n g . Die Frage, um die es sich hier handelt, ist nicht die, ob ich berechtigt bin, einen Gedankenprozeß nochmals zu wiederholen, meinen früheren Ausspruch zu kontrollieren oder zu revidieren,
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sondern ob ich berechtigt bin, meine Willensrichtung zu ändern, ob ich mir nicht durch die seinerzeitige Erlaubnis die Hände für alle Zukunft gebunden habe 85 . Um diese Fragen beantworten zu können, muß man sich vor allem darüber klar werden, welche T r a g w e i t e die seinerzeitige Erlaubnis überhaupt haben sollte, was mit ihr intendiert war. Es entsteht hier eine Frage oder vielmehr ein Fragenkomplex , der beim richterlichen Urteil (wenigstens beim deklaratorischen Urteil) wegfällt. Denn dieses tritt immer mit dem gleichen Anspruch auf, mit der Prätension, als richtig zu gelten. Die so vielfachen Verfügungen hingegen können die allerverschiedenste Bedeutung haben. Auch hier ist es von Wert, auf die freiwillige Gerichtsbarkeit zu verweisen. Wenn eine grundbücherliche Eintragung bewilligt und vollzogen wird, so äußert dieser Vorgang bestimmte Wirkungen. Die Bewilligung der Eintragung erwächst — weil kein Rekurs überreicht oder der überreichte Rekurs zurückgewiesen worden ist — in Rechtskraft. Das bedeutet aber nicht, daß die Eintragung unter allen Umständen im Buch zu verbleiben hat. Die Eintragung kann aus den verschiedensten Gründen ihre Bedeutung verlieren, gelöscht werden oder aus dem Buch verschwinden 86 . I n 35
Vgl. B e r n a t z i k i n den Verhandlungen des 26. deutschen Juristentags 2, 3 8 f . : „ E s ist widersinnig, d o r t , wo die reine L o g i k Anwendung finden kann, den Schluß m i t dem Vorbehalte zu ziehen, i h n später abzuändern. Es ist jedoch nicht widersinnig, sondern vielmehr selbstverständlich, daß man dort, wo ein bestimmter äußerer Zweck m i t einer Handlung erreicht werden s o l l , heute so, morgen anders handelt, j e nachdem dieser äußere Zweck besser so oder besser anders erreicht wird, wie das bei den staatlichen Verfügungen der F a l l ist." Z u diesem zweifellos richtigen Satz bemerkt M a y e r i m Arch. Öff. R. 21, 9 : „ N i c h t s gelernt und nichts vergessen!" Aber später (43) gibt er doch den richtigen K e r n z u , „der allerdings enthalten ist i n Β e r η a t z i k s Lehre von dem Zusammenhang zwischen Entscheidung und Rechtskraft." 36 Ζ. B. dadurch, daß sie bei der Neuanlegung oder Wiederherstellung des Grundbuchs nicht i n das neue Buch übertragen wird. Die N i c h t -
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gleicher Weise folgt der Eröffnung des Konkurses dessen Beendigung nach, kann der Verhängung der Kuratel deren Aufhebung nachfolgen usw. Kürz, es kann hier der Effekt der gerichtlichen Verfügung durch einen contrarius actus für die Folge beseitigt werden, ohne daß eine Vernichtung dieser Verfügung ex tunc notwendig wäre. Es kann hier zu verschiedenen Zeiten Verschiedenes gelten, sowie ich heute etwas anderes wollen kann als ich gestern gewollt habe. Berücksichtigen wir nun noch die vielen Hebel, welche die Gesetzgebung den Parteien bietet, um mit ihrer Hilfe eine Veränderung des durch gerichtliche Verfügungen oder Erledigungen geschaffenenRechtszustandes zu bewirken, wobei namentlich an die zahllosen Fälle zu denken ist, in welchen die durch irgendeinen gerichtlichen Akt beeinträchtigten Parteien zu dessen Beseitigung den Rechtsweg betreten können, und reihen wir die hiernach sich ergebenden Rechtsmittel den Restitutionsfällen des Zivil- und Strafprozesses 37 und den Veränderungen an, welche das strafgerichtliche Urteil im Wege der Begnadigung oder gelegentlich der Strafvollstreckung erfahren kann, so werden wir zugeben müssen, daß sich ein allgemeiner Satz, wonach schlechthin die richterliche Erledigung allseitige und dauernde Gebundenheit erzeugt, nicht aufstellen läßt, daß vielmehr in jedem einzelnen Fall untersucht werden muß, welche Bedeutung der gerichtliche Akt hat, wen er bindet, in welcher Richtung er die Interessenten bindet und durch anmeldung des Anspruchs behufs Übertragung i n das neue Buch innerhalb der E d i k t a l f r i s t (§ 6 f. G. v. 25. J u l i 1871 N r . 96 RGBl.) präkludiert den Betroffenen gutgläubigen D r i t t e n gegenüber für alle Zukunft. 31
Vgl. §§ 227 und 531 StG., wonach die Verjährungsfrist von der Z e i t des Urteils, wodurch der Täter r e c h t s k r ä f t i g freigesprochen worden ist, zu berechnen ist. I n einem A t h e m spricht hier das Gesetz dem freisprechenden U r t e i l Rechtskraft und gleichwohl Abänderbarkeit zu. Nach 0 . M a y e r (Arch. Öff. R. 21, 39) k o m m t gerade nur dem f r e i s p r e c h e n d e n Strafurteil relative Rechtskraft zu.
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welche Umstände, Maßnahmen oder Rechtsmittel er in bezug auf seine Geltung eine Modifikation erfahren kann. Treten wir an eine solche Spezialuntersuchung heran, so sehen wir sofort, daß das Problem der Rechtskraft eine Fülle von Teilproblemen enthält und mit einer ganzen Reihe von anderen Problemen in unlösbarer Verbindung steht. Die Frage der Rechtskraft hängt, wie gesagt, vor allem mit der Frage zusammen, welche Bedeutung der auf seine Rechtskraft zu prüfende behördliche Akt überhaupt hat und haben soll. Wenn ζ. B. jemandem das Recht erteilt wird, sich durch planmäßige Tätigkeit in einer bestimmten Richtung eine Erwerbsquelle zu eröffnen, so können wir nicht a priori feststellen, ob dieses Recht entziehbar oder unentziehbar ist, ob also die Erteilung des Rechts Rechtskraft besitzt oder nicht- und wir können auch nicht etwa von irgendeinem allgemeinen Postulat des „Rechtsstaats" ausgehend die Frage der Gebundenheit der Verwaltung allgemeingiltig entscheiden. Denn es ist klar, daß das Rechtsstaatspostulat zw^ar dadurch verleugnet werden kann, daß ein als unentziehbar eingeräumtes Recht hinterher dennoch entzogen wird, aber unmöglich dadurch, daß das Recht von \Tornherein als entziehbar oder wenigstens nicht als unentziehbar gedacht ist. Der Privatrechtsverkehr kann ζ. B. die unwiderruflich abgeschlossenen Verträge ebenso wenig entbehren wie die Rechtsfigur des Precariums und etwas Ahnliches gilt auch im öffentlichen Recht. Es kann der wirtschaftlichen Organisation der Bevölkerung entsprechen, daß das Gewerberecht als dauernde und nur unter bestimmten Voraussetzungen entziehbare Befugnis eingeräumt wird ; es kann aber daneben doch wieder das Bedürfnis bestehen, g e w i s s e n Befugnissen den Charakter der Entziehbarkeit beizulegen 38 . A l s Beispiele seien genannt: die kleineren Gewerbetreibenden auf W i d e r r u f erteilte Bewilligung zum Feilbieten eigener Erzeugnisse (§ 60
110 — Oder nehmen wir ein Beispiel aus einem anderen Rechts gebiete : Wenn der Staat dem einzelnen eine Abgabe, ζ. B. eine Erbsteuer, vorschreibt, so kann sich die Bedeutung des Zahlungsauftrages darin erschöpfen, daß die Partei einen Betrag von 100 Κ als Erbsteuer zu entrichten hat, ohne daß damit der Frage vorgegriffen wird, ob sich nicht etwa dieser Steuerbetrag bei genauerer Prüfung als zu gering erweist, oder der Zahlungsauftrag kann die Frage, wieviel Erbsteuer von einem bestimmten Nachlaß zu entrichten ist, a u c h n a c h o b e n h i n endgiltig und unanfechtbar erledigen, so daß die Partei durch das Rechtskräftigwerden des Zahlungsauftrags die Gewähr erlangt, daß sie nicht mehr zu zahlen braucht als 100 K 3 9 . Beide Lösungen entsprechen dem Rechtsstaatsgedanken, wenn auch zugegeben werden muß, daß den Interessen der P r i v a t p a r t e i mit der letzteren Lösung mehr gedient ist als mit der ersteren. So werden wir zur Untersuchung der Bedeutung j e d e s e i n z e l n e n g e r i c h t l i c h e n und v e r w a l t u n g s b e h ö r d l i c h e n A k t e s gedrängt, wenn wir — de lege lata oder de lege ferenda — das Rechtskraftproblem erfassen wollen. Die Mannigfaltigkeit der Lösungen, die schon die dermalige Zivilprozeßtheorie zur Hand haben muß, wenn sie die verschiedenen gerichtlichen Erledigungen und Verfügungen auf ihre Bedeutung prüft, deutet darauf hin, daß im Bereiche i. f. Gew.-Odg.), die auf W i d e r r u f erteilte Konzession für ein Dienst- und Stellenvermittlungsgewerbe (§ 21a Gew.-Odg.), der auf W i d e r r u f bewilligte V e r k a u f periodischer Druckschriften usw. (§ 3 Preßg.) Diesen widerruflichen Berechtigungen stehen die a u f Z e i t erteilten Befugnisse sehr nahe. 39
E i n e ähnliche Frage kann übrigens auch i m Zivilprozeß auftauchen. AVenn j e m a n d 100 Κ eingeklagt h a t , so ist es eine quaestio facti, ob er nicht auch noch den 100 Κ übersteigenden weiteren T e i l seines Anspruchs geltend machen kann. Die A n t w o r t hängt davon ab, was sub lite war, ob über die Höhe des klägerischen Anspruchs zu erkennen war oder ob der Frage, was dem Kläger außer den eingeklagten 100 Κ etwa noch gebührt, nicht präjudiziert werden sollte.
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des Verwaltungsverfahrens die Sache keineswegs einfacher liegt. Es wäre ein großer Fehler, einfach die Unverbrüchlichkeit des zivilgerichtlichen Urteils auf das Verwaltungs verfahren zu übertragen, zumal man hiebei nicht einmal jene wohltätigen Beschränkungen dieser Unverbrüchlichkeit, die der Zivilprozeß kennt, und die in den Worten: „Sententia ius facit i n t e r p a r t e s " gelegen sind, aufrecht erhalten könnte. Denn während die i n h a l t l i c h so weit gehende Bedeutung des zivilprozessualen Urteils ein wirksames Korrektiv erhält durch die Beschränkung des U m f a n g e s seiner Geltung, würde die nach dem zivilprozessualen Vorbilde gestaltete Rechtskraft der verwaltungsbehördlichen Emanationen, weil unter die partes jedesmal der Staat einbezogen wird, jede Begrenzung einbüßen. Jene Gebundenheit der Verwaltungsorgane, deren Statuierung heute vielfach als Postulat empfunden wird, würde übrigens keineswegs immer als Rechtskraft eines bestimmten, selbständig erfaßbaren Verwaltungsakts erscheinen. Knüpfen wir an den früher erwähnten Fall des Erbsteuerzahlungsauftrags an! Wenn die Gebührenbehörde die Vermögensiibertragungsgebühr vom Nachlasse vorgeschrieben hat, so ist die Möglichkeit noch nicht ausgeschlossen, daß einmal (etwa infolge einer Anregung der Zensurbehörde) eine Nachtragsvorschreibung erfolgt, ohne daß diese ein no viter repertum zur Voraussetzung hat. Einer solchen Nachtragsvorschreibung setzt aber das Verjährungsgesetz eine zeitliche Grenze 40 . Mit Ablauf der Verjährungszeit ist also die Staatsverwaltung an die Ziffer des Zahlungsauftrags gebunden. Von einer R e c h t s k r a f t können wir hier aber nicht sprechen. Die Rechtskraft des Zahlungsauftrags hat mit der Präklusion des Nachtragsbemessungsrechts durch Ablauf der Verjährungsfrist nichts zu tun. Der Ablauf der Verjährungs40
Ü 3 G. v. 18. März 1878 Nr. 31 R G B l .
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frist ist etwas rein tatsächliches, ihr fruchtloses Verstreichen ein reines Negativum. Es fehlt hier ein Verwaltungsakt, an welchen man mit Hilfe des Rechtskraftbegriffs die Gebundenheit der Verwaltungsorgane anhängen könnte. Die Gebundenheit der Verwaltungsorgane ist eine Folge ihres V e r h a l t e n s , ohne daß dieses in Form einer Erledigung in die Erscheinung getreten wäre. Genau das Gleiche gilt dann, wenn etwa die Vereinsbehörde es unterlassen hat, den proponierten Verein innerhalb der ersten vier "Wochen nach Einreichujig der Statuten zu untersagen. Es kommt hier nicht darauf an, ob die Behörde die Frist verstreichen ließ, weil sie sich davon überzeugt hatte, daß kein Untersagungsgrund vorliege — in diesem Fall könnte man zur Not von einem konkludenten Verwaltungsakt sprechen — oder weil sie zu langsam gearbeitet hat oder weil sie die Statuten wegen Arbeitsüberbürdung oder aus Versehen überhaupt nicht geprüft hat usw. Der Erfolg ist immer derselbe: Präklusion der Behörde. Wir haben es hier mit einem Tatbestand zu tun, für den wir, soviel ich sehe, ein vollwertiges Analogon im gerichtlichen Verfahren nicht haben 41 . Dieses kennt wohl eine Präklusion der 41 Einigermaßen ähnlich ist der F a l l der V e r j ä h r u n g der strafbaren Handlungen, den die Strafrechtstheorie allerdings unter dem Gesichtspunkt der Erlöschung des dem Staate zustehenden subjektiven Strafrechts oder Straf k l agerechts behandelt. (Vgl. unten Kap. V I I ) . Soweit i m Strafprozeß das Anklageprinzip gilt, steht die V e r j ä h r u n g der (erfolgreichen) Erhebung der A n k l a g e entgegen. Sofern aber das Gericht von amtswegen vorzugehen hat, richten sich die Bestimmungen über die V e r j ä h r u n g unmittelbar gegen das gerichtliche Einschreiten. Vgl. § 137 M i l . StG. : „ W ä r e der eines Verbrechens oder Vergehens Beschuldigte bereits i n Untersuchung gezogen und durch ein r e c h t s k r ä f t i g e s U r t e i l nicht straffällig erkannt worden, so kann wegen neu vorkommender Beweise seiner Schuld ein neues Verfahren nicht eingeleitet werden, wenn seit dem Zeitpunkte des rechtsk r ä f t i g gewordenen Urteils die i m gegenwärtigen Gesetze bestimmte Zeit bereits abgelaufen ist." — D i e V e r j ä h r u n g der Zulässigkeit nachträglicher Feststellung der Steuer vergleicht auch Otto M a y e r (1, 424) m i t der Ver-
113 — Parteien, aber nicht eine solche des Gerichts. Daß das Verwaltungsrecht eine Präklusion der Behörden statuiert, erklärt sich aber daraus, daß d i e S t a a t s v e r w a l t u n g s e l b s t als ein an der Sache beteiligter Faktor angesehen wird. W i l l die VerwaltungsrechtsWissenschaft das angedeutete Problem zutreffend erfassen, so muß sie den richtigen Ausgangspunkt gewinnen. Sie muß untersuchen, ob die Verwaltung durch ihr Verhalten und insbesondere durch ihre Emanationen gebunden, inwieweit und wem gegenüber sie gebunden wird. Das Resultat der Untersuchung wird kein einheitliches sein. Es werden sich, wie im Verwaltungsrecht überhaupt, die verschiedenartigsten Erscheinungen ergeben, und unter diesen werden sich auch solche finden, die den zivilprozessualen Erscheinungen mehr oder weniger kongruent sind 4 2 . Nicht aber dürfen umgekehrt die Theorien über die Rechtskraft der zivilgerichtlichen Urteile verallgemeinert und auf das einer derart uniformen Behandlung widerstrebende Verwaltungsrecht übertragen werden 43 . Es ist vielleicht nicht überflüssig, den Gegensatz der beiden Mej ä h r u n g der Strafverfolgung. E r geht aber entschieden zu w e i t , wenn er (1, 419) behauptet, daß der Steuerveranlagungsakt m i t dem Strafurteil „ j u r i stisch verwandt" ist. Diese Ansicht hängt m i t seinem Bestreben zusammen, überall das „Schema der Rechtspflege" (1, 400) auf die Verwaltung zu übertragen. D a hier das Zivilprozeßschema versagt, so w i r d das Schema des Strafprozesses herangezogen. 42
Vgl. W a c h , Vorträge über die Reichszivilprozeßordnung 2 133 f. .,Wer das Wesen der Rechtskraft erkennen w i l l , muß Z i v i l - und Strafprozeß und das Verfahren i n Verwaltungsstreitsachen gleichmäßig betrachten. E s w i r d sich i h m ergeben, daß die Verschiedenartigkeit der Streitsache verschiedene Voraussetzungen der Rechtskraft fordert." 43 Vgl. 0 . M a y e r i m Arch. Öff. R. 21, 65 f.: „Practica est m u l t i p l e x , das g i l t von der Verwaltung vor allem. Z u m Unterschied von der strengen und etwas förmlichen F r a u Justitia muß die Verwaltung sich dem Reicht u m des Lebens, dem sie gegenübersteht, freier und leichter anschmiegen können." Goldene W o r t e !
S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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thoden an einem charakteristischen Beispiel zu veranschaulichen. Otto M a y e r geht in allen auf die Rechtskraft bezüglichen Fragen vom Zivilprozeßrecht aus. Für ihn ist deshalb der Satz: „res iudicata ius facit i n t e r p a r t e s " ein Axiom und er tadelt es, daß man gleichwohl den Versuch gemacht hat, „auch an dieser S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t zu rütteln" 4 4 . B e r n a t z i k , gegen welchen sich diese Bemerkung richtet, stellt dagegen für das Verwaltungsrecht den Satz auf: res iudicata ius facit inter omnes, oder genauer: „Im Verwaltungsrecht verbindet die materielle Rechtskraft alle faktischen Interessenten, rechtliche Interessenten aber nur dann, wenn ihnen die von der Rechtsordnung gewährten Parteirechte eingeräumt wurden" 4 5 . Mag auch diese These zu apodiktisch gehalten sein, so hat sie doch den großen Vorzug, daß sie der Beobachtung des Verwaltungsrechtslebens selbst entstammt. B e r n a t z i k s Interessentenbegriff erweist sich als äußerst fruchtbar für die theoretische Erfassung des VerwTaltungsVerfahrens. Der Gegensatz zum Zivilprozeß, in welchem sich die Partei ihren Gegner aussucht 4 6 , liegt klar zutage und es wäre sicherlich seltsam, wenn dieser Gegensatz nicht auch auf den Umfang der Rechtskraft des verwaltungsbehördlichen Akts Einfluß haben sollte. Allerdings aber fällt auch hier der Kontrast sofort weg, wenn wir dem Verwaltungsverfahren nicht den Zivilprozeß , sondern das zivilgerichtliche Verfahren überhaupt gegenüberstellen. Dann finden wir nämlich auf beiden Seiten die B e r n a t z i k sehen „Interessenten". Schon der Umstand, daß das außer streitige Verfahren vielfach von amts wegen eingeleitet wird, zeigt, daß hier nicht der Wille der Par44
A r c h . Öff. R. 21, 6. Rechtsprechung und materielle Rechtskraft 189. i m Yerw.-Arch. 2, 124 f., L o e n i n g ebd. 7, 83 f. 46 B e r n a t z i k a. a. 0 . 188, N. 13. 45
Vgl. auch Z o r n
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teien darüber entscheidet, wer an dem Verfahren teilnehmen soll, selbstverständlich auch nicht das freie Belieben der Behörden. Es kommt hier vielmehr darauf an, w e r I n t e r e s s e n t i s t 4 7 . O t t 4 8 spitzt diesen Gedanken scharf zu, indem er lehrt: „In Angelegenheiten freiwilliger Gerichtsbarkeit gibt es keine ,Parteien', nur I n t e r e s s e n t e n , B e t e i l i g t e " . „Mit Rücksicht auf die bunte Fülle der in dieses Gebiet fallenden Angelegenheiten wird sich dies (sc. wer Beteiligter ist) in den einzelnen Fällen verschieden gestalten." Auch bei der Exekution finden wir die „Interessenten". Es kommen im Vollstreckungsverfahren nicht bloß der betreibende Gläubiger und der Verpflichtete in Betracht, sondern auch dritte Personen, namentlich die übrigen Gläubiger. Mit der Schablone des Zivilprozesses, unter welchen auch das „Exekutionsstadium" subsumiert wird, läßt sich diese Erscheinung freilich schwer in Einklang bringen. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, hat P e t s c h e k 4 9 einen besonderen „Vollstreckungsteilnahmeanspruch" konstruiert 50 . Diejenigen, die einen solchen Anspruch haben, sind nichts anderes als die Interessenten B e r n a t z i k s . Das Vorhandensein solcher Interessenten wirkt nun aber — und das ist iür uns von besonderem Interesse — auf die Rechtskraft zivilgerichtlicher U r t e i l e zurück, die für die Exekution bedeutsam sind. So ist das Urteil, welches im Prozesse über einen bei der Verteilungstagsatzung erhobenen Widerspruch erfließt, für und 47 Diese Frage kann n a t ü r l i c h schon i m Gesetze beantwortet sein. Indem das Gesetz jemandem Parteistellung e i n r ä u m t , erkennt es a n , daß er ein Interesse an der Sache hat. 48 Gesch. u. Grundlehren d. österr. Rechtsfürsorgeverfahrens 128. 49 Die Zwangsvollstreckung i n Forderungen nach österr. R. 1, 161. r, ° O e t k e r a. a. 0 . 1, 95, 184 operiert m i t dem „Konkursteilnahmeanspruch". P o l l a k (a. a. 0 . 62) spricht kurz vom „Teilnahmeanspruch", denkt aber dabei nur an die E x e k u t i o n . Vgl. S p i e g e l A l l g . Öst. Ger. Z. 1903, 142 f.
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gegen s ä m t l i c h e beteiligte Gläubiger und Berechtigte, sowie für und gegen den Verpflichteten wirksam (§ 232Ex.-Odg.). Ρ ο l l a k (a. a. Ο. 497) bemerkt ausdrücklich, daß das selbst dann der Fall ist, wenn einzelne Interessenten kein Widerspruchsrecht hatten, somit die Entscheidung weder provozieren noch beeinflussen konnten. Wie läßt sich eine derartige eklatante Ausnahme von der Regel res iudicata ius facit inter partes rechtfertigen, wenn diese Regel, wie M a y e r sagt, eine „Selbstverständlichkeit" ist, wenn die Rechtskraft darauf zurückzuführen ist, daß der obrigkeitliche Ausspruch „erzeugt wird unter einer eigentümlichen Mitwirkung der Beteiligten, für die er erlassen w i r d " 5 1 . Tatsächlich ist diese Ausnahme nicht so schwer zu erklären. Man muß sich nur von dem Gedanken frei machen, daß die Regel res iudicata ius facit inter partes den Prinzipien des P r o z e ß r e c h t s ü b e r h a u p t entstammt. Sie hängt nur mit den Grundsätzen des Z i v i l p r o z e s s e s zusammen und diese werden wiederum beeinflußt durch den Gegenstand der Zivilprozesse. Es handelt sich da um privatrechtliche Verhältnisse, die bloß zwischen bestimmten Personen bestehen und die der Disposition der Parteien einen weiten Spielraum lassen. Damit hängt es zusammen, daß sich auch der Zivilprozeß nur zwischen bestimmten Personen abspielt, und daß hier die Parteien vielfache Dispositionen treffen können. Daß sich der Kläger seinen Gegner selbst aussucht, dabei freilich Gefahr läuft, den Unrichtigen zu klagen, daß die Parteien einen weitgehenden Einfluß auf den Gang des Verfahrens und damit auf die Entscheidung haben, daß dann das Urteil nur für und gegen sie wirkt, das sind Erscheinungen, die zusammengehören, von denen die eine durch die andere erklärt wird, die aber alle auf die Eigentümlichkeiten des m a t e r i e l l e n Zivil51
M a y e r i m Arch. Öff. R. 21> 6.
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rechts zurückzuführen sind 5 2 . Wo es sich nicht um isolierte Rechtsverhältnisse und um dispositives Recht handelt, da muß diesem Umstand auch durch das Verfahren Rechnung getragen, es müssen die Grundsätze des Zivilprozesses mehr oder minder einschneidend modifiziert oder überhaupt aufgegeben werden. Das ist denn auch der richtige Gesichtspunkt für die Behandlung der Frage der Rechtskraft der Statusurteile. Die Grundsätze des Privatrechts und des Zivilprozesses sind auf das Vermögensrecht zugeschnitten. Vermögensrecht und Familienrecht sind aber keineswegs homogen, und daraus ergibt sich die Notwendigkeit, bei Familienrechtsprozessen Ausnahmen von den allgemeinen Regeln des Zivilprozeßrechts zuzugestehen. Wenn es sich in einem Rechtsstreit darum handelt, ob ein Kind ehelich oder unehelich ist, so genügt es uns nicht, daß i u s i n t e r p a r t e s geschaffen wird, weil es sich da a u c h m a t e r i e l l r e c h t l i c h nicht um Verhältnisse handelt, die bloß inter partes bestehen. Wir sehen also auch hier wiederum, daß das \ 7 erfahren abhängig ist von seinem Gegenstand. Mag das von der Theorie des Zivilprozesses ohne besonderen Schaden übersehen werden: die Verwaltungsrechtswissenschaft, welche es mit viel mannigfaltigeren Tatbeständen zu tun hat, kann sich diesem Gedanken unmöglich verschließen. Wenn man die Tatsachen des Verwaltungslebens mit den zivilprozessualen Vorgängen vergleicht, so ergibt sich dabei auch insofern eine Fehlerquelle, als diese Vorgänge 52
Nach K o h l e r (in Holtzendorffs Enzyklopädie 2 6 1 4 8 ; vgl. auch 2 200) „ist die ganze Lehre von der subjektiven Beschränkung der Rechtskraft von germanischen V ö l k e r n n u r m i t einem gewissen W i d e r w i l l e n angenommen worden". Sollte das nicht damit zusammenhängen, daß den germanischen V ö l k e r n auch die scharfe Scheidung von Privat- und öffentlichem Recht nicht geläufig war? Vgl. auch S t e i n , Über die bindende K r a f t der richterlichen Entscheidungen nach der neuen österr. Zivilprozeßordnung 9, 11. 6
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nicht f ü r s i c h a l l e i n , sondern nur in Verbindung mit dem außergerichtlichen Privatrechtsverkehr ein vollwertiges Gegenstück der Verwaltungstätigkeit bilden. Wie wichtig es ist, sich das vor Augen zu halten, mag wiederum an der Behandlung gezeigt werden, die O t t o M a y e r dem an Einzelfragen unerschöpflichen Rechtskraftproblem zuteil werden läßt. Die privatrechtliche Dispositionsfreiheit der Parteien erfährt auch durch die materielle Rechtskraft eines für sie verbindlichen zivilgerichtlichen Urteils keine Beschränkung. Der Kläger, dem das Urteil 1000 Κ gegen den Beklagten zuerkannt hat, kann diesem die Schuld erlassen. Der Beklagte kann dem mit seiner Klage abgewiesenen Gegner die eingeklagte Forderung nachträglich dennoch zugestehen. Die siegreiche Partei kann sich mit dem moralischen Erfolg, Recht behalten zu haben, begnügen. In derartigen Parteidispositionen liegt weder eine Mißachtung noch eine Abschwächung der Rechtskraft des erflossenen Urteils. Wenn es zu einem neuen Prozeß kommt, so muß diesen das Gericht entscheiden, weil eben.ein n e u e r , d. h. nach der Urteils fällung veränderter Tatbestand der richterlichen Kognition unterstellt wird. Der Oppositionsklage, die sich auf eine vom Gläubiger bewilligte Stundung stützt, kann die Einwendung der rechtskräftig entschiedenen Streitsache nicht entgegengestellt werden, weil es sich ja um die Beurteilung einer juristischen Tatsache handelt, die dem Urteil nachgefolgt ist. Ähnliche Möglichkeiten ergeben sich natürlich auch in der Verwaltung. Auch hier bildet eine rechtskräftige Entscheidung, sei es auch eine gerichtliche Entscheidung, kein Hemmnis für weitere Dispositionen. Die Rechtskraft steht immer nur der e i n s e i t i g e n (und darum willkürlichen) Änderung der Rechtslage im Wege. Sind Verwaltungsbehörde und Interessenten damit .einverstanden, so ist schlechterdings nicht einzusehen, warum sie (von Aus-
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nahmsfällen abgesehen) nicht in der Lage sein sollten, ihre Rechtsbeziehungen neu zu regeln 53 . Von wem die Initiative dazu ausgeht, ob von einer Privatpartei oder von der Verwaltung selbst, ist für die prinzipielle Frage ebenso gleichgiltig wie die Form, die sich nach der Ordnung des betreffenden Rechtsgebiets der Neugestaltung der rechtlichen Situation dienstbar machen läßt. So einfach nun diese Erscheinung ist, so schwer ist sie zu erklären, wenn man für 'sie ein „ z i v i l p r o z e s s u a l e s Seitenstück" sucht. "Wir werden das alsbald sehen, wenn wir den seltsamen Wegen folgen, die O t t o M a y e r in seiner Abhandlung „Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft in Verwaltungs Sachen" (Arch. Öff. R. 21, 1 ff.) einschlägt. Der Hauptpunkt, um den er streitet, ist, wie schon erwähnt (N. 32), die „relative Rechtskraft", d. h. jene, die nicht von Amtswegen, sondern nur auf Antrag der (siegreichen) Partei zu berücksichtigen ist. Ein entscheidendes Kennzeichen für die relative Rechtskraft ist die Möglichkeit des Verzichts auf ihre Geltendmachung (36). Nun verkennt 53
Z u r I l l u s t r a t i o n möchte ich einen praktischen F a l l heranziehen, i n welchem ich die M i l i t ä r v e r w a l t u n g i m baubehördlichen Verfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten habe. I m Bauverbotsrayon der Zitadelle Wyschehrad wurde ein zweistöckiges Wohngebäude ohne vorschriftsmäßige Baubewilligung aufgeführt. Der Hauseigentümer erwirkte zwar von der ersten Instanz die nachträgliche Baubewilligung. A b e r der Landesausschuß hob als letzte Administrativinstanz die von der M i l i t ä r verwaltung i m Rekurswege angefochtene Baubewilligung auf und erteilte dem Bauamt erster Instanz den A u f t r a g , für die Beseitigung des Baus Sorge zu tragen. Die Beschwerde des Hauseigentümers gegen die E n t scheidung des Landesausschusses wurde vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen. ( B u d w i n s k i 713 A.) E s war also rechtskräftig ausgesprochen, daß der Bau zu beseitigen sei. Das ist aber begreiflicherweise nicht geschehen. Denn nun war der Hausbesitzer n a t ü r l i c h geneigt, allen Anforderungen der Militärbehörde zu entsprechen und es war damit die Basis für Vergleichsverhandlungen gewonnen. Niemandem ist es trotzdem eingefallen, an der Rechtskraft der Entscheidung des Landesausschusses oder des Verwaltungsgerichtshofs zu zweifeln.
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Mayer nicht, daß die jetzt herrschende Prozeßrechtsdoktrin nicht die relative, sondern die absolute Rechtskraft propagiert, und daß mit Anerkennung der absoluten Rechtskraft das wichtigste Merkmal der relativen, „ der Verzicht auf das Urteil selbstverständlich nicht statthat". Aber damit meint er, „wäre die relative Rechtskraft, d. h. das Recht am Urteil nicht schlechthin verneint; denn es mag sehr wohl ein subjektives Recht bestehen, dem aus höheren Rücksichten die eine oder andere Form des Gebrauchs entzogen ist" (38).' Sehr überzeugend ist diese Argumentation nicht. Denn wenn die Verzichtbarkeit das e n t s c h e i d e n d e Kennzeichen, das w i c h t i g s t e Merkmal der relativen Rechtskraft ist, dann ist doch der Verzicht nicht bloß „die eine oder andere Form des Gebrauchs". Indessen legt M a y e r auf die Fälle, in denen nach seiner Meinung absolute und relative Rechtskraft zusammentreffen, kein besonderes Gewicht, sondern er untersucht ausführlich die Möglichkeiten des Ausschlusses der absoluten und des alleinigen Vorhandenseins der relativen Rechtskraft und hier führt er nun die Parallele mit dem Zivilprozeß exakt durch. Für den Zivilprozeß ergeben sich die erwähnten Möglichkeiten „im Zusammenhang der Lehre vom konstitutiven Urteilsinhalt und vom Schiedsspruch. Eine ganz unvergleichlich wichtigere Rolle aber spielt der Ausschluß der absoluten Rechtskraft auf dem Gebiete der Verwaltungsrechtspflege. D i e s e l b e n G r ü n d e , die ihn anerkanntermaßen auf dem Gebiete des Zivilprozesses herbeiführen, wirken hier in großem Umfange" (41). Die Fälle, in welchen die relative Rechtskraft „zutage treten kann, sind e n t s p r e c h e n d d e n z i v i l p r o z e s s u a l e n S e i t e n s t ü c k e n von zweierlei Art" (42). Die Anlehnung an das eine dieser Seitenstücke, an das konstitutive Urteil, erweist sich als sehr nützlich. Der Vergleich der verwaltungsrechtlichen Rechtsgestaltung mit der
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zivilgerichtlichen ist in der Tat überaus instruktiv. Hier kann M a y e r aus dem Vollen schöpfen und dieses Kapitel (42— GO) bildet denn auch den Glanzpunkt der ganzen Darstellung. Was hat aber die bloß relative Rechtskraft des S c h i e d s s p r u c h s mit dem Verwaltungsverfahren zu tun ? Gerade in der Zulassung des Schiedsvertrags zeigt sich doch deutlich der Mangel des Interesses, das der Staat der Schlichtung der privatrechtlichen Streitigkeiten entgegenbringt. Mögen sich die Parteien an welchen Richter immer wenden: wenn s i e damit einverstanden sind, ist es auch dem Staate recht. Wo finden wir hier das verwaltungsrechtliche Analogon? Unsere Spannung wird noch größer, wenn wir lesen: „Immerhin ist der Schiedsspruch und sein Verhältnis zur Rechtskraft in der Justiz eine vereinzelte außerordentliche Erscheinung. I n d e r V e r w a l t u n g dag e g e n l i e g e n d i e S a c h e n g a n z anders. Hier ist nicht wie in der Justiz das Urteil der Kern und Mittelpunkt von allem" „und der hoheitliche A k t , der nichts Gleichwertiges neben sich duldet" (63). Nun aber erfahren wir auch sofort, was das verwaltungsrechtliche Gegenstück des Schiedsspruchs ist: d e r e i n f a c h e V e r w a l t u n g s a k t ! Während M a y e r in seinem Handbuch die Urteilsähnlichkeit auch des einfachen Verwaltungsakts in den Vordergrund gerückt hat, stellt er hier dem einfachen Verwaltungsakt den Schiedsspruch zur Seite 54 . Worin die Ähnlichkeit zwischen beiden bestehen soll, bleibt freilich im Dunklen, wofern man die Analogie nicht schon darin finden will, daß 64 Allerdings nicht expressis verbis! Denn nach der zuletzt zitierten Stelle ist vom Schiedsspruch keine Rede mehr. Es bleibt vielmehr dem Leser überlassen, das t e r t i u m comparationis selbst herauszufinden. Mögl i c h , daß m i r das nicht i m Sinne M a y e r s gelungen ist. A b e r wenn er \ r e n v a l t u n g und Schiedsrichter, Verwaltungsakt und Schiedsspruch n i c h t m i t einander vergleichen w i l l , dann ist die Anknüpfung an die „ L e h r e vom Schiedsspruch" als an das „zivilprozessuale Seitenstück" vollends unverständlich.
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der einfache Verwaltungsakt ebensowenig ein gerichtliches Urteil ist wie der Schiedsspruch. Im übrigen ergeben sich lauter Verschiedenheiten. Die Kompetenz des Schiedsrichters gründet sich auf den Willen der Parteien, die der Verwaltungsbehörde auf das objektive Verwaltungsrecht. Die schiedsrichterliche Tätigkeit wird durch die Anträge der Parteien gebunden und begrenzt, die Verwaltung geht auf weiten Strecken von Amtswegen vor. Der Schiedsrichter steht dem Streitgegenstand unparteiisch gegenüber. Die Verwaltung dagegen nimmt, indem sie Verwaltungsakte setzt, ihre eigenen Interessen wahr. Der Schiedsrichter ist, soweit seine Kompetenz reicht, dem staatlichen Richter gleichgestellt. Mit dem Schiedsspruch ist seine Tätigkeit beendet. Wenn eine Partei die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt oder erwirkt, so ist das eine bloße Parteiangelegenheit. Den Schiedsrichter geht das weitere Schicksal seines Spruchs nichts an. Die Verwaltung dagegen untersteht der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Das verwaltungsgerichtliche Urteil ergeht f ü r u n d g e g e n sie und sie muß dieses Urteil als Richtschnur ihres Verhaltens gelten lassen. Es handelt sich also um vollkommen disparate Dinge und es wäre ganz wunderbar, wenn sich Verwaltungsakt und Schiedsspruch trotzdem in ihren Voraussetzungen oder Wirkungen gleichen würden. Das behauptet aber M a y e r , indem er auf beiden Seiten von r e l a t i v e r Rechtskraft spricht. Dem Schiedsrichter gegenüber gilt bloß relative Rechtskraft, dem Schiedsspruch kommt bloß relative Rechtskraft zu, d. h. es ist den Parteien anheimgestellt, einen Schiedsspruch (ja sogar ein gerichtliches Urteil) zu ignorieren und sich (neuerlich oder zum erstenmal) an einen Schiedsrichter (oder auch zum erstenmal an den staatlichen Richter) zu wenden. Der Verwaltung gegenüber gilt relative Rechtskraft, d. h. die Verwaltung kann mit Zustimmung der Parteien selbst von einer v e r w a l t u n g s g e r i c h t l i c h e n
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Entscheidung abgehen 55 . Sie ist also scheinbar in einer ähnlichen Lage wie der Schiedsrichter. 55 M a y e r beruft sich für seine Ansicht, daß dem Schiedsspruch bloß relative Rechtskraft zukomme, auf W a c h , welcher lehrt, daß die Parteien durch Vereinbarung den Schiedsvertrag m i t allen seinen Folgen einschließl i c h des L a u d u m nachträglich wieder aufheben, m i t anderen W o r t e n sich dahin einigen können, das Rechtsverhältnis als unentschieden behandeln zu wollen. Dazu bemerkt A V a c h (Handb. 1, 76) in der N o t e : „ M a n könnte darüber streiten wollen." Nun, w i r wollen nicht streiten. I c h submittiere als Nichtprozessualist und Österreicher durchaus auf W a c h s These. Hervorzuheben ist aber, daß M a y e r bei dieser These nicht nur nicht stehen bleibt, sondern daß er sie derart erweitert, daß die A V a c h sehe D e d u k t i o n dadurch ihren Sinn verliert. F ü r i h n hat nämlich nicht bloß der Schieds. spruch dem staatlichen Gericht gegenüber relative Rechtskraft, sondern auch das gerichtliche U r t e i l d e m S c h i e d s r i c h t e r g e g e n ü b e r . Wenn die Parteien die Entscheidung einer vom Gericht bereits rechtskräftig entschiedenen Sache einem Schiedsrichter übertragen, so kann dieser ohne Rücksicht auf das U r t e i l entscheiden. „ U n d das Gericht hat seinen also gegebenen Schiedsspruch zu achten, auch wenn er darauf hinausläuft, das rechtskräftige U r t e i l zu beseitigen oder zu ändern." A V a c h stützt seine Ansicht darauf, daß die Bedeutung des Schiedsspruchs geringer ist, als die des Urteils. D a r u m „steht der Schiedsspruch unter der Disposition der Parteien. Das U r t e i l ist i h r entzogen; die Parteien können über die aus i h m erwachsenen Rechte verfügen, a b e r n i c h t d a s U r t e i l v e r t r a g s m ä ß i g aus der AVeit s c h a f f e n . " Bei M a y e r verwandelt sich aber die S c h w ä c h e des Schiedsspruchs i n eine besondere M a c h t der Parteien, die sich auch dem richterlichen U r t e i l gegenüber äußert. E r basiert seine Argumentation nicht auf die Eigentümlichkeiten des Schiedsvertrags, sondern auf das g e g e n s e i t i g e A r erhältnis des Schiedsrichters und des staatlichen Gerichts. D i e staatliche Justiz darf nur einmal m i t der Sache behelligt w erden. AVenden sich die Parteien das zweitemal nicht an sie, sondern an einen privaten Schiedsrichter, so kann sich der Staat über ungebührliche Inanspruchnahme nicht beklagen! Diese Anschauung w i r d natürlich durch W a c h s A u t o r i t ä t nicht gestützt. Fragen w i r aber, warum sich M a y e r i n so komplizierte Auseinandersetzungen einläßt, so ergibt sich die A n t w o r t von selbst aus den Z i e l e n , denen er zustrebt. Dam i t , daß der Schiedsspruch geringere Bedeutung hat als das gerichtliche U r t e i l , ist ihm natürlich nicht gedient. Denn die verwaltungsrechtliche Parallele dazu liegt j a schon i n M a y e r s L e h r e , daß dem verwaltungsgerichtlichen U r t e i l Rechtskraft z u k o m m t , dem einfachen Verwaltungsakt aber nicht. Die „ L e h r e vom Schiedsspruch" soll aber die Tatsache erklären, daß sich der e i n f a c h e Verwaltungsakt auch über das verwaltungs-
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Scheinbar ! Denn in Wahrheit ist von einer Ähnlichkeit nicht viel zn merken. Dem Schiedsspruch gegenüber bewährt sich die relative Rechtskraft darin, daß es den Parteien anheimgestellt ist, ob sie von ihr Gebrauch machen wollen oder nicht. Verzichten sie einverständlich auf die Rechtskraft, so hat der nunmehr angerufene staatliche Richter nicht bloß die M ö g l i c h k e i t , das R e c h t , in der Sache selbst ohne Rücksichtnahme auf den Schiedsspruch zu entscheiden, sondern er muß es tun. Im Zivilprozeß äußert sich überhaupt der Gegensatz von absoluter und relativer Rechtskraft in folgender Weise : Entweder ein Urteil genießt absolute Rechtskraft — dann ist dem Richter eine neuerliche meritorische Urteilsfällung v e r b o t e n — oder relative. Dann ist er bei Verzicht der Parteien auf die Rechtskraft zur neuerlichen Urteilsfällung v e r p f l i c h t e t . Uber die Rechtskraft d i s p o n i e r e n kann der Richter weder in dem einen noch im andern Falle. Im Gegensatz dazu haben die Parteien im Verwaltungsverfahren für sich allein eine Disposition über die erflossene Entscheidung nicht. Denn hier kommt als dispositionsberechtigter Faktor die V e r w a l t u n g hinzu. Der bloße Wille der Parteien, eine neuerliche Entscheidung herbeizuführen, reicht hier nicht aus. Sind aber die Parteien mit der Verwaltung einig, dann steht — vorbehaltlich zwingender Rechtsnormen 56 — nichts im Wege, daß die Verwaltung nun im Einverständnis mit den Parteien die Rechtslage in dem a l l e n erwünschten Sinn ändert. Diese Möglichkeit benimmt aber dem vorausgegangenen Verwaltungsakt nicht seine Rechtskraft, sie kann insbesondere nicht als Ausfluß der relativen Rechtskraft bezeichnet oder mit den Schicksalen, denen ein Schiedsspruch ausgesetzt ist, gerichtliche U r t e i l hinwegsetzen kann, und darum muß das zivilprozessuale Seitenstück geschaffen werden, daß auch der Schiedsrichter das zivilgerichtliche U r t e i l ignorieren kann. 56 M a n denke etwa an das Administrativstrafrecht.
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verglichen werden, sondern sie steht, wie schon erwähnt, auf gleicher Stufe mit der durch gerichtliche Urteile nicht behinderten privatrechtlichen Dispositionsfreiheit der Parteien 5 7 . Klar und deutlich spricht sich über diesen Punkt das sächsische Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 19. Juli 1900 aus, indem es im § 61 bestimmt: „Das rechtskräftige Urteil bindet für den Streitgegenstand außer den Parteien sowohl die Verwaltungsgerichte als auch die Verwaltungsbehörden und zwar diese mit der Wirkung, daß sie gegen den Willen der Parteien nichts v e r f ü g e n können, was d a v o n a b w e i c h t " . Daraus geht zweierlei unzweifelhaft hervor: 1. Zugelassen sind (im allseitigen Einverständnis) V e r f ü g u n g e n , die vom Urteil abweichen. Es kann also nicht etwa, sobald es den Interessenten gefällt, das Verwaltungsstreitverfahren von neuem durchgeführt, eine neue Entscheidung gefällt, sondern es kann nur unabhängig vom Urteil die rechtliche Situation geändert werden. Die Rechtskraft des Urteils wird durch solche Dispositionen nicht berührt. Das Verwaltungs g e r i c h t kann natürlich abweichende RT
W i e fern 0 . M a y e r dieser Vergleich liegt, erhellt daraus, daß er seine Ansicht gegen den supponierten E i n w a n d , „so dürfe man doch m i t einem richterlichen Urteile nicht umspringen" verteidigt: „ D a m i t macht man aber nur eine u n w i l l k ü r l i c h e Übertragung der Anschauungen, die i m Zivilprozeß gelten" (65). D i e richtige Erledigung des Einwands ist der Hinweis darauf, daß man auch m i t einem zivilrichterlichen U r t e i l so umspringen kann. Daß die Parteien — der N o t gehorchend — die Rechte, die sie aus dem U r t e i l erlangen, nicht voll ausnützen, daß dem U r t e i l eine Neuregelung des Rechtsverhältnisses nachfolgt, ist eine alltägliche E r scheinung. Ob man diese Neuregelung geradezu als „ \ ' e r g l e i c h " („Rechtsvergleich", „Rechtskraftvergleich", B ü l o w i m Arch. Ziv. Prax. S3, 83ff.) bezeichnen kann und ob eine transactio de re iudicata überhaupt zulässig ist, ist eine andere Frage. Vgl. hiezu S c h w a r t z , „Absolute Rechtskraft" und heutiges Deutsches Recht, insbesondere 17 f.: „jene so oft wiederholte Lehre von der Unmöglichkeit eines contra r. i. geschlossenen Vergleichs ist höchst unschädlich, mehr nicht als eine altüberlieferte theoretische Turnübung. F ü r das Leben erweist sich der Satz als v ö l l i g inhaltsleer."
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Dispositionen nicht treffen, weil es ü b e r h a u p t n i c h t disponiert, sondern (nach dem sächsischen Gesetz) bloß E n t s c h e i d u n g s i n s t a n z ist. 2. Die Verwaltungsbehörden werden hier den Parteien z u r S e i t e und den Verwaltungsgerichten g e g e n ü b e r gestellt. Gerade auf diese Gegenüberstellung beruft sich M a y e r für seine Ansicht. Im Gegensatz zu den Verwaltungsbehörden ist „das Verwaltungsgericht an seine eignen Urteile und an die der andern Verwaltungsgerichte schlechthin gebunden ohne die Möglichkeit, durch Zustimmung der Partei entbunden zu werden. Mit anderen Worten : z w i s c h e n d e n V e r w a l t u n g s g e r i c h t e n g i l t a b s ο 1 u t e R e c h t s k r a f t" (66). Daß man eine Rechtskraft, die blos zwischen bestimmten Personen oder Behörden gilt, nicht gut absolut nennen kann, mag nur nebenbei bemerkt werden. Die Hauptsache ist aber die, daß die Frage, ob das Urteil eines sächsischen Verwaltungsgerichts absolute oder relative Rechtskraft hat, eine Antwort in dem einen oder anderen Sinne erfordert. Die Mittelmeinung, daß es dem Verwaltungsgericht gegenüber absolute, den Parteien und Verwaltungsbehörden gegenüber relative Rechtskraft habe, ist ganz unmöglich. Denn die relative Rechtskraft bezieht sich ja gerade auf das Verhältnis der Parteien und Interessenten zu j e n e r Stelle, von der die rechtskräftige Entscheidung ausgegangen ist. Sie richtet ihre unverkennbare Spitze gegen das Gericht. M a y e r selbst konstruiert sie als ein subjektives öffentliches Recht d. h. als eine dem Einzelnen zustehende M a c h t ü b e r d i e A u s ü b u n g der ö f f e n t l i c h e n G e w a l t (34). Wenn also das Gericht an das Urteil, das es gefällt hat oder das von einem gleichartigen Gericht gefällt wurde, schlechthin gebunden ist, dann ist für eine relative Rechtskraft kein Raum, dann ist die Rechtskraft absolut, mögen auch die Interessenten, zu denen hier der Natur der Sache nach auch die Verwaltung
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gehört, durch spätere Dispositionen über das Urteil hinwegschreiten, es durch Schaffung einer neuen Rechtslage gegenstandslos machen können. Was aber die Privatparteien für sich allein betrifft, so haben diese keine (positive) „Macht über die Ausübung der öffentlichen Gewalt", sie sind nur gegen Verwaltungsmaßnahmen, die mit dem Urteil in Widerspruch stehen, durch dessen (absolute) Rechtskraft gesichert. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat das in der oben (N. 53) zitierten Entscheidung, wie folgt, ausgedrückt : „Es ist allerdings richtig, daß in administrativen Rechtssachen, falls ausschließlich öffentliche Interessen in Frage stehen und Parteienrechte nicht in Betracht kommen, die Behörde dasselbe Begehren einer Partei auch wiederholt in Erwägung ziehen darf·, aber einen R e c h t s a n s p r u c h auf eine solche wiederholte Entscheidung kann, wenn die maßgebenden Verhältnisse sich nicht geändert haben, die Partei niemals erheben. In einem Falle aber, wo durch eine Entscheidung auch für dritte Personen Rechte erwachsen sind, ist die nochmalige Überprüfung einer rechtskräftig entschiedenen Sache ausgeschlossen." Nun aber ist es Zeit, der p r i n z i p i e l l e n Frage näher zu treten : Worauf beruht im letzten Grunde der Gegensatz von absoluter und relativer Rechtskraft, auf den hingewiesen zu haben M a y e r s Verdienst ist? Warum ist in der Doktrin „ein so entschiedener Umschwung zugunsten der absoluten Rechtskraft eingetreten" ? Für den Prozeßausgang ist der Gegensatz von keiner besonderen Bedeutung. „Denn nach wie vor wird die an der Rechtskraft interessierte Partei sich in der Regel darauf berufen" 58 . Aber für das Verhältnis des Richters zu den Parteien ist es wichtig, daß auf die Rechtskraft v o n A m t s w e g e n Bedacht zu nehmen i s t 5 9 . 58 59
S t e i n a. a. 0 . 6. M i t vollem Recht hat S c h m i d t in seiner zitierten Schrift
darauf
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Mit den Grundsätzen des alten Prozesses harmonierte es ja trefflich, daß der Richter von dem früheren Urteil keine Notiz nahm. Er wußte ja offiziell nichts davon. Das erflossene Urteil war nicht in actis d i e s e s Prozesses und darum nicht in mundo. Der Beklagte mußte es erst im Original produzieren 60 und der Kläger ließ es sich dann selbstverständlich nicht nehmen, die ihm zur Rekognoszierung vorgelegte Urkunde für „innerlich und äußerlich bedenklich" zu erklären. Entdeckte er etwa gar einen Tintenfleck auf der entscheidenden Stelle des Enuntiats, so konnte er sich seitenlang darüber verbreiten 61 . Der moderne Prozeß hat diesen Spielereien, die oft b e i d e n Teilen, sei es als Verschleppungsmittel, sei es wegen des Wachsens der Prozeßkosten erwünscht waren, ein Ende gemacht. Die Stellung des Richters wurde den Parteien gegenüber gehoben. Der Richter l e i t e t den Prozeß und ist nicht mehr als automatischer „Instruktionsrichter" ein Werkzeug der Parteien. Mit der Zurückdrängung der Parteidisposition im Prozeß, mit seiner strafferen Führung und zielbewußten Konzentrierung, mit der Betonung der staatlichen Autorität hängt es zusammen, daß man heute der Rechtskraft absoluten Charakter beilegt. Nun stammen aber, wie schon oben erwähnt, alle diese neueren Prozeßgrundsätze aus dem Verwaltungsrecht. Verwaltungstechnische Momente sind es, auf die die Umgestaltung des Zivilprozeßrechts zurückzuführen ist. Und darum rührt auch der Gedanke der absoluten Rechtskraft aus dem Verwaltungshingewiesen, daß „ m a n über die einzelnen Anstalten und Formen des Prozesses nicht n u r nach Maßgabe ihres u n m i t t e l b a r e n Nutzens für das gerichtliche U r t e i l u n d dessen Vorbereitung aburteilen" darf (51). 60 H o f d . vom 15. Jänner 1787 N. 621 l i t . aa. M e n g e r , System 1, 364. 61 E s ist vielleicht nicht unangebracht zu bemerken, daß ich aus E r fahrung spreche. I c h habe die Freuden und Leiden der Josefinischen Prozeßtechnik genugsam ausgekostet, u m den Kontrast zwischen Einst und Jetzt i n seiner ganzen Stärke empfinden zu können.
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recht her. Die Sache verhält sich also nicht so, wie sie Otto M a y e r darstellt, sondern gerade umgekehrt. Gerade im Verwaltungsrecht ist die absolute Rechtskraft zuhause 62 , während die relative Rechtskraft dem zivilprozessualen Boden entstammt. M a y e r s Ansicht beruht auf einer Verkennung der für die Vergleichung maßgebenden Momente. Nicht darauf ist in unserer Frage Gewicht zu legen, daß die Verwaltung, wenn sie von einer rechtskräftigen Entscheidung abgehen will, der Zustimmung der Parteien bedarf. Das ist, soweit es ü b e r h a u p t Rechtskraft in Verwaltungssachen gibt, ganz selbstverständlich, bei absoluter wie bei relativer Rechtskraft. Die Rechtskraft wäre nicht Rechtskraft, wenn sie nicht zugunsten der Parteien wirken würde. Aber das Entscheidende ist, daß die Behörde die Anregung der Parteien n i c h t b r a u c h t , um sich auf die Rechtskraft berufen zu können, und das ist in der Verwaltung früher der Fall gewesen als in der Justiz. Die Justiz muß, die Verwaltung k a n n sich an ein rechtskräftiges Erkenntnis halten, mögen auch die Parteien davon abzugehen wünschen. D a r u m sprechen wir von absoluter Rechtskraft. So sehen wir also wieder, daß es ergiebiger und richtiger ist, den Zivilprozeß aus dem Verwaltungsrecht zu erklären, als umgekehrt. 62
V g l . L o e n i n g a. a. 0 . 8 0 f .
S p i e g e l , Verwaltnngsrechts Wissenschaft.
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VI. Verwaltungsreclit und Strafrecht. Bescheidener als auf prozeßrechtlichem Gebiet sind die Aufgaben der Verwaltungsrechtswissenschaft dort, wo diese mit dem Strafrecht zusammentrifft. Denn während uns eine allgemeine, nicht bloß den Zivil- oder Strafprozeß ins Auge fassende Prozeßwissenschaft noch fehlt, ist eine allgemeine Strafrechtswissenschaft bereits zur höchsten Blüte gelangt. Das Verwaltungsrecht wird sich hier darauf beschränken müssen, das Besondere und Eigentümliche jener Partien und Nachbargebiete des Strafrechts ins rechte Licht zu setzen, die verwaltungsrechtliche Bedeutung haben. Der Grenzzug zwischen Straf- und Verwaltungsrecht stellt übrigens keine einfache Linie dar. An verschiedenen Stellen stoßen die beiden Rechtsgebiete zusammen. Um das anschaulich zu machen, sei es mir gestattet, die in der Regel synonym gebrauchten Ausdrücke: Strafrecht und Kriminalrecht — der deutsche Ausdruck hat im Laufe der Zeit den lateinischen verdrängt — in ihrem ursprünglichen Wortsinn zu nehmen. Das Strafrecht ist jenes Recht, welches mit Strafnormen arbeitet. Das Charakteristische liegt also hier in der eigentümlichen T e c h n i k des Rechtes. Der Staat schreibt der Bevölkerung ein bestimmtes Verhalten bei sonstiger Bestrafung vor. Die angedrohte Strafe wird im Falle des Zuwiderhandelns verhängt und vollstreckt. Das Kriminalrecht ist, wörtlich genommen, jenes, welches sich mit den Rechts-
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folgen des Verbrechens beschäftigt. Hier kommt es also auf den G e g e n s t a n d der Rechtsnormen an. Darüber, wie das Verbrechen vom Staate behandelt wird, sagt der Ausdruck „Kriminalrecht" nichts. Nur weil f a k t i s c h die Reaktion gegen das Verbrechen in der Bestrafung des Verbrechers besteht, werden Kriminalrecht und Strafrecht als gleichbedeutend angesehen. Es läßt sich aber nicht verkennen, daß das Kriminalrecht nicht ausschließlich Strafrecht sein muß 1 und daß umgekehrt nicht alles Strafrecht Kriminalrecht ist. Befassen wir uns zunächst mit dem zweiten Punkt! Nicht alles Strafrecht ist Kriminalrecht. Mag man auch das crimen, das Verbrechen im weitesten Sinne nehmen, wie es ja die Strafrechtstheorie (im Gegensatz zum Gesetz, das daneben noch Vergehen und Übertretungen unterscheidet) tut, so kann doch nicht überall dort von einem Verbrechen gesprochen werden, wo gestraft wird. Die Straftechnik findet überaus häufig Anwendung, wo ein bestimmtes Verhalten auf möglichst einfache Weise geahndet werden soll, ohne daß sich damit ein weitergehender kriminalpolitischer Zweck verbindet. Während das Kriminalrecht (oder sagen wir genauer : das Kriminalstrafrecht) die Strafe als Reaktion gegen mehr oder weniger rohe Angriffe auf schutzbedürftige Rechtsgüter verwendet — hier muß der Verbrecher in der Tat das malum passionis erleiden ob malum actionis —, sind es auf der anderen Seite gerade die primitivsten, vielfach ganz harmlosen Rechtswidrigkeiten, die durch die Strafe geahndet werden, weil hier eben eine feinere Rechtstechnik nicht verwendet werden kann. Wir können eine 1 Vgl. hierüber T h o m s e n , Grundriß des Deutschen Verbrechensbekämpfungsrechts, Das Deutsche Strafrecht. W ä h r e n d T h o m s e n das K r i m i n a l r e c h t (Verbrechensbekämpfungsrecht) als den weiteren, das Strafrecht einschließenden Begriff auffaßt, lege ich Gewicht darauf, daß es auch a u ß e r h a l b des Kriminalrechts Strafrecht gibt.
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ganze Skala von Strafen aufstellen : Verbrechens strafen, Polizei- und Finanzstrafen, Disziplinarstrafen, Ordnungsstra en, Exekutivstrafen, Konventionalstrafen 2 . Das letzte Glied dieser Kette führt schon in in das Privatrecht hinein. Für die Verwaltungsrechtswissenschaft sind die Mittelglieder der Skala von Bedeutung. Mit ihnen allen hat sie sich zu beschäftigen. Das Polizei- und Finanzstrafrecht oder, wie wir ganz allgemein sagen können, das V e r w a l t u n g s s t r a f r e c h t , ist Verwaltungsrecht schon wegen der Tatbestände der Verwaltungsdelikte, selbst wenn die Verhängung der Strafe den ordentlichen Gerichten überlassen ist 3 . Wo, wie in Osterreich, die Verwaltungsbehörden und besondere Verwaltungsstrafgerichte (Gefällsgerichte) eine umfassende Strafgewalt besitzen, ist das Verwaltungsstrafrecht ein durchaus abgerundetes Kapitel des Verwaltungsrechts 4 . Daß nun hier der kriminalistische Hintergrund fehlt 5 , kann nicht ohne Einfluß bleiben auf die wissenschaftliche Behandlung des Stoffs. Wenn wir uns als die großen Kapitel des Strafrechts die Lehren von der Schuld und von der Strafe denken wollen, so können wir sagen, daß das Kriminalstrafrecht auf die Schuldlehre, das Verwaltungsstrafrecht auf die Straf2 Vgl. 0 . M a y e r Deutsch. Verw.-R. 1, 306 if., 328 if., 447 ff., 2, 241 ff., S c h u l t z e n s t e i n i n Verw.-Arch. 11, 149ff., H o f a c k e r ebd. 14, 4 4 7 f f , 15, 404ff., ferner die verdienstvollen Schriften von James G o l d s c h m i d t . 3 D a m i t soll aber — i m Gegensatz zu G o l d s c h m i d t , Die Deliktsobligationen des Verwaltungsrechts — nicht geleugnet werden, daß das Verwaltungsstrafrecht zugleich a u c h Strafrecht ist. Es ist Strafrecht, weil es sich der Straftechnik bedient. F ü r G o l d s c h m i d t besteht ein E n t weder—Oder i n dieser Frage bloß deshalb, w e i l er Strafrecht und Verw r altungsrecht auch i m subjektiven Sinne n i m m t und deshalb die Frage a u f w i r f t : AVer ist Subjekt des Justiz- und wer Subjekt des Verwaltungsstrafrechts? V g l . unten 152 f. 4 5
V g l . jedoch L ο e n i n g , Lehrb. d. Deutsch. V e r w . - R , 3 Ν . 1.
Ausnahmsweise kann n a t ü r l i c h auch ein Verwaltungsdelikt den Verbrechen des gemeinen Strafrechts sehr ähnlich sein (so ζ. B. der Schleichhandel).
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lehre das Hauptgewicht legt. Die feinen Untersuchungen über die Schuldformen, über den verbrecherischen Willen überhaupt, über die Motivierung dieses Willens usw. sind für das Verwaltungs strafrecht zum großen Teil gegenstandslos. Vollends ginge es nicht an, die Gesetzesübertreter auch im Verwaltungsrecht als zur Begehung von Delikten besonders veranlagte Individuen zu behandeln. Mag auch das Kriminal strafrecht mit „geborenen Verbrechern" oder auch mit dem Verbrechen verfallenen, zum Verbrechen erzogenen Menschen rechnen: das Verwaltungsstrafrecht hat es nicht bloß mit ihnen, sondern mit a 11 e η Menschen zu tun. Denn wer vermöchte zu sagen, daß er in seinem Leben niemals, sei es auch nur aus Unachtsamkeit oder Unkenntnis der Vorschriften, gegen Polizei- und Finanznormen verstoßen hätte? 6 Die Zahl der Untersuchungen und Bestrafungen ist 6 Nach § 426 der Zoll- und Staatsmonopolsordnung darf niemand Monopolsgegenstände von einer Person an sich bringen, die nicht m i t der Bewilligung der Gefällsbehörden zum Verkaufe und zwar für den O r t , in welchem die Veräußerung stattfindet, versehen ist. Nach einem erläuternden Hofdekret (v. 6. Oktober 1838 Z. 39 616) ist der Ausdruck „ a n sich bringen" nicht bloß auf die Erwerbung durch K a u f o d e r S c h e n k u n g , sondern auch auf andere Erwerbungsarten anwendbar. (Vgl. § 316 f. Gef. St.G.) M a n darf sich also i n Österreich eine Zigarre nur von einem Tabaktrafikanten schenken lassen. Diese Bestimmung w i r d w o h l nur von Nichtrauchern respektiert. M a n kann annehmen, daß sie gewohnheitsrechtlich ihre Geltung verloren hat. Anders verhält es sich m i t folgendem F a l l e : Jede stempelpflichtige Urkunde oder Schrift muß nach § 3 M i n . \ 7 . 0 . v. 28. März 1854 N. 70 RGBl, auf schon m i t der gesetzmäßigen Marke versehenem Papiere geschrieben werden. A u c h diese Vorschrift w i r d ganz allgemein und zwar insbesondere auch von allen Ä m t e r n (einschließlich der Finanzämter) übertreten. M a n läßt zunächst die erste Zeile der Urkunde (oder den Anfang dieser Zeile) frei und bringt die Stempelmarke erst an, wenn die Urkunde fehlerfrei aufgenommen und allseitig gefertigt ist. Diese M a n i p u l a t i o n hat insolange keine nachteiligen F o l g e n , als sich die nachträgliche A n bringung der Marke nicht konstatieren läßt. I s t das aber ausnahmsweise der F a l l (ζ. B. weil zur Überschreibung der Stempelmarke eine andere Tinte verwendet worden ist), dann w i r d die „Gesetzesübertretung" (Überschrift zu § 79 des Gebührengesetzes) zwar ohne E i n l e i t u n g eines Straf-
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freilich ziemlich gering, aber nur deshalb, weil die wenigsten Verwaltungsdelikte bekannt werden oder zur Anzeige kommen. Aber trotzdem sind die Strafnormen in Geltung, sie werden gehandhabt und dienen, auch wenn nur nach Bedarf eine Bestrafung erfolgt, den Verwaltungszwecken, die ohne sie nicht erreicht werden könnten. Dem Verwaltungsstrafrecht handelt es sich — im Gegensatz zum Kriminalstrafrecht — nicht so sehr darum, daß der Ubertreter gestraft, als darum, daß die Übertretung geahndet werde. Die Persönlichkeit des Übertreters tritt in den Hintergrund. Das Verfahren richtet sich nicht immer gegen ihn allein. Ein anderer kann infolge des eigentümlichen Rechtsinstituts der „Haftung" 7 zur Zahlung der Strafe herangezogen werden. Auch auf der Sache, die den Gegenstand oder das Hilfsmittel der Übertretung ausmacht, kann die Haftung für die „den Straffall" treffenden Vermögens strafen ruhen (§ 152 Gef. StG.). Das, worauf es der Verwaltungsstrafrechtstheorie vor allem ankommen muß, ist die T e c h n i k der Strafe, also gerade jenes Moment, welches für die Strafrechtswissenschaft erst in zweiter Linie in Betracht kommt. Das Kriminalstrafrecht selbst appelliert in Bezug auf die Technik der Strafe an die Verwaltung, und damit berühren wir ein zweites Grenzgebiet von Straf- und Verwaltungsrecht. Materielles und formelles Strafrecht, Strafrecht und Strafprozeßrecht hängen eng miteinander zusammen. So wie nun der Strafprozeß selbst mit dem Urteil abschließt, so beschäftigt sich auch die Strafrechtstheorie in der Hauptsache bloß mit der Frage, welche Strafe den einzelnen Verfahrens, aber doch i n der Weise geahndet, daß ein Mehrfaches des vorschriftsmäßig entfallenden Gebührenbetrages eingehoben wird. Die Gebührensteigerung ist sachlich eine Strafe, wenn sie auch formell anders behandelt w ird. 7 Vgl. 0 . M a y e r 1, 465 ff., M e i s e l , Z u r Reform des österr. Finanzstrafprozesses 7 6 f f , G o l d s c h m i d t a. a. 0 . 24.
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Delikten entspricht. Über den Strafvollzug gehen Straf- und Strafprozeßrecht ziemlich summarisch hinweg. Eine besondere Disziplin der Gefängniskunde schafft hier Ersatz. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß diese Gefängniskunde ein Zweig der Verwaltungslehre und, soweit sie sich mit Erscheinungen des Rechts beschäftigt, ein Zweig des Verwaltungsrechts ist. Selbstverständlich des speziellen Verwaltungsrechts ! Aber auch das allgemeine Verwaltungsrecht muß sich vor Augen halten, daß zu den staatlichen Anstalten auch die Gefangenhäuser gehören 8 . Ja in gewissem Sinne zeigen gerade sie uns den vollendetsten Typus einer anstaltlichen Verwaltung, insofern die Anstaltsleitung für a l l e Bedürfnisse der ihr zugehörigen Personen, mitunter für deren ganze Lebensdauer, zu sorgen hat und eine umfassende Gewalt, insbesondere auch eine Strafgewalt, besitzt. Ohne die Verwaltungstätigkeit, die in den Gefangenhäusern entfaltet wird, wäre unser heutiges Strafrecht gar nicht denkbar. Man pflegt sich den Zusammenhang zwischen der Geschichte des Strafrechts und jener der öffentlichen Verwaltung nicht immer klar zu machen. Nicht auf die Brutalität früherer Jahrhunderte ist es zurückzuführen, daß damals die Todesstrafe als die Verbrechensstrafe xar Ιξοχήν erschien, sondern darauf, daß die Vorbedingung für eine andersartige Bestrafung fehlte, eine Verwaltung, die imstande gewesen wäre, Gefangenanstalten ins Leben zu rufen und zu erhalten. Mit der modernen Verwaltung ist auch das moderne Strafrecht entstanden. Nicht so sehr in die Augen springend sind die Dienste, die die Verwaltung der Strafrechtspflege vor und während des Strafprozesses leistet. Zu allen Zeiten wurden Verbrecher ausfindig gemacht und dem Gerichte gestellt. Dazu bedurfte es keiner entwickelten Verwaltung. Aber es läßt 8
Vgl. 0 . M a y e r 2, 322.
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sich nicht leugnen, daß mit der Güte und Leistungsfähigkeit der Verwaltung auch die Anforderungen steigen, die man an die Kriminalpolizei stellt. Die Kriminalpolizei wird ceteris paribus desto besser sein, je besser die Verwaltung überhaupt ist. Man sollte meinen, daß über die Zugehörigkeit der Kriminalpolizei zur Verwaltung kein Zweifel bestehen könne. Der Tatbestand ist ja außerordentlich einfach. Es handelt sich um eine im Dienste der Strafrechtspflege stehende Verwaltung. Die Strafprozeßtheorie ist sich darüber klar 9 . Indem sie aus äußeren und inneren Gründen 1 0 von der Kriminalpolizei handelt, sorgt sie doch dafür, daß die Grenze zwischen dem Strafprozeß selbst und der polizeilichen Tätigkeit nicht verwischt werde. Die Verwaltungsrechtstheorie hingegen zeigt nicht nur das Bestreben, die Kriminalpolizei dem Strafprozeßrecht vollständig zu überlassen, sondern sie behauptet sogar, daß die gerichtliche Polizei „ihrem Wesen nach", „ihrer rechtlichen Natur nach'· zur Justiz oder zur Strafrechtspflege gehöre 11 . „Justiz" und „Strafrechtspflege" werden hier in einem sehr weitherzigen Sinne genommen. Die Justiz ist doch Sache der Gerichte, und die Strafrechtspflege insbesondere Sache der Strafgerichte. Man kann den sachlichen Zusammenhang 9 Vgl. U l i m a n n Lehrb. d. österr. Strafprozeßrechts 2 2 4 8 : „ D e n Organen der gerichtlichen Polizei k o m m t keinerlei richterliche Kompetenz z u ; sie haben nur die Justiz i n der E r f ü l l u n g ihrer Aufgabe zu u n t e r s t ü t z e n und diejenige T ä t i g k e i t zu entwickeln, welche zur S i c h e r u n g der M i t t e l der Erreichung des Prozeßzweckes notwendig ist. Ihre Tätigk e i t steht somit vollständig i m D i e n s t e der Strafrechtspflege." 10 E i n äußerer Grund ist der, daß die Strafprozeßordnung auch Bestimmungen über die gerichtliche Polizei enthält. I m Strafgesetz von 1808 fanden sich noch besondere Hauptstücke: „ V o n Erforschung des Verbrechens und Erhebung der T a t " , „ V o n Erforschung und rechtlicher Beschuldigung eines begangenen Verbrechens", „ V o n Erforschung der schweren Polizeiübertretungen und Erhebung des Tatbestandes". 11 L o e n i n g a. a. 0 . 8 und Hdwörterbuch der Staatswiss. (i 2 116, 0 . M a y e r 1, 255. Vgl. auch U 1 b r i c h i m Österr. S t W B . 3 2 936.
137 — von Strafrechtspflege und Kriminalpolizei und die Konnexität ihrer Aufgaben noch so lebhaft empfinden und zum Ausdruck bringen. Nur das eine ist gewiß prinzipiell ausgeschlossen: die Kriminalpolizei i h r e r r e c h t l i c h e n N a t u r nach zur Strafrechtspflege zu zählen. Ob die gerichtliche Polizei auch wirklich „Polizei" ist, ist eine andere Frage, die uns hier nicht interessiert. Kriminalpolizei und Gefangenhausverwaltung zeigen uns die Verwaltung im Dienste der Strafrechtspflege und damit auch im Dienste des Kriminalrechts. Es entsteht aber die Frage, ob die Verwaltung dem Kriminalrecht nicht u n m i t t e l b a r dienen, d. h. ob nicht der Kampf gegen das Verbrechen m i t H i l f e d e r V e r w a l t u n g a l l e i n geführt werden kann. Schon oben wurde gesagt, daß nicht alles Kriminalrecht Strafrecht sein muß. Es läßt sich wohl nicht in Abrede stellen, daß wir in dieser Richtung eine Entwicklung durchmachen, über deren Resultat heute noch nicht abgesprochen werden kann. Während sich die klassische Schule des Strafrechts die Strafe als die selbstverständliche Reaktion gegen das Verbrechen vorstellte — daß man trotzdem Strafrechtstheorien aufstellte, entsprang mehr einem theoretischen Bedürfnis, das Bestehende zu erklären, als dem Zweifel an der Richtigkeit des positiven Rechts 1 2 —, führt die moderne Richtung, indem sie die Zwecke der Strafe in den Vordergrund stellt, von selbst zu der Erwägung, ob diese Zwecke nicht auch anderweitig gefördert werden können. Schon jetzt beteiligt sich ja die Verwaltung durch den Betrieb von Zwangsarbeits- und Besserungsanstalten, durch Handhabung der Polizeiaufsicht, durch die 12 Vgl. B e l i n g , D i e Vergeltungsidee und ihre Bedeutung für Strafrecht, 1908, 4 : „Das Problem war von jeher i n erster L i n i e das, die Strafe zu rechtfertigen sei; aber man engte es unbewußt so e i n , man i m Grunde nur fragte, w i e sie zu rechtfertigen sei, und setzte zu Findende als gefunden voraus."
das ob daß das
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Kontrollierung der Vagabunden usw. an dem Kampf gegen das Verbrechen, von der sonstigen Polizei- und Fürsorgetätigkeit ganz abgesehen. Während aber die Führer der Bewegung eine abschließende Formel, wie es scheint, noch nicht gefunden haben, sehen die in die Defensive gedrängten Anhänger der alten Schule die äußersten Konsequenzen des Vorwärtsdrängens voraus. Die Prognose kommt in aller Deutlichkeit zum Ausdruck in der rhetorischen Frage, die B i r k m e y e r als Titel für seine „Warnung vor der modernen Richtung im Strafrecht" (1907) gewählt hat: „Was läßt v o n L i s z t vom Strafrecht übrig?" In der Tat läßt die Lisztsche Schule vom Strafrecht sehr wenig übrig. Aber was auf der einen Seite dem Strafrecht genommen wird, wird auf der anderen dem Verwaltungsrecht gegeben 13 oder, richtiger ausgedrückt, die Entwicklung der modernen Verwaltung (im weitesten Sinne des Wortes) hat überhaupt erst die L i s z t s c h e Schule ermöglicht. Denn nicht darum ist es dieser zu tun, den Verbrecher gewähren zu lassen, sondern den Kampf gegen das Verbrechen w i r k s a m zu führen. Und das kann — vielleicht — auf anderem Wege als durch die Bestrafung des Verbrechers geschehen. Es muß dahingestellt bleiben, ob sich die L i s z t sehen Ideen jemals werden vollständig durchsetzen können und ob das völlige Aufgeben des klassischen Strafrechts überhaupt wünschenswert wäre — hier wie überall wird die Gesetzgebung zwischen entgegengesetzten Prinzipien vermitteln müssen — , aber das darf doch nicht verkannt werden, daß L i s z t nicht bloß zerstört, sondern auch aufbaut. Wenn er sich von dem hergebrachten Strafrecht entfernt, so gibt er damit das Kriminalrecht nicht preis, sondern er gibt ihm einen neuen Inhalt. Auch von einem A n h ä n g e r L i s z t s wird neuestens 13
Vgl. die richtigen Ausführungen bei B e l i n g a. a. 0 . 130if.
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auf die „ganz unbestreitbar dem Strafrechte generell innewohnende Dekreszenz- oder Absterbenstendenz" hingewiesen 14 . Für die Vergangenheit stellt G r o ß fest, daß die fortschreitende Entwicklung des Zivilrechts naturgemäß zu einer Einengung des Strafrechts geführt habe. Die weitere Entwicklung im Strafrecht stellt er sich derart vor, daß in bestimmten Fällen von der Vollziehung der Strafe überhaupt abgesehen werde und man sich mit der bloßen Deklaration, daß eine Rechtsverletzung begangen worden sei, begnüge, daß somit der Strafrichter unter besonderen Voraussetzungen jene Tätigkeit übe, welche dem Zivilrichter überhaupt eigen sei. Als ein Ausfluß des für das Strafrecht typischen Absterbeprozesses sei das Institut der bedingten Verurteilung nur das Resultat natürlicher Fortentwicklung des Rechts. Es bedeute „eine gesteigerte Betonung der rein deklarativen gegenüber der repressiven Funktion der Kriminaljustiz". Zu dieser Auffassung kann ich mich nun allerdings, um G r oß ens eigenen Ausdruck zu gebrauchen, nicht „aufschwingen". Denn ich glaube nicht, daß sich die bedingte Verurteilung zur unbedingten verhält wie die Deklaration zur Repression 1 5 . Vielmehr steckt in der bedingten Verurteilung außer dem Schuldspruch und der F e s t s t e l l u n g der Strafe auch die Mahnung, sich gut zu führen, die Drohung, daß das Urteil unter gewissen Voraussetzungen vollstreckt werden w i r d 1 6 . 14 A . G r ο ß i n Grünhuts Z. 34, 345. Vgl. J e 11 i η e k , D i e sozialethische Bedeutung von Recht, Unrecht und Strafe 2 1 2 1 f : E i n „historisches Gesetz in der E n t w i c k l u n g der Strafe ist daher die stetige Abnahme des Strafquantums". D a m i t steht nicht i m W i d e r s p r u c h , daß die Z a h l der Tatbestände, deren V e r w i r k l i c h u n g unter Strafe steht, i m Wachsen begriffen ist. Vgl. Β e l i n g a. a. Ο., 152. 15 Deklaration und Repression sind übrigens keine Gegensätze, wie Repression und Prävention. W e n n das Reichsgericht ausspricht, daß i n dem zur Entscheidung vorliegenden F a l l e die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung eines politischen Rechts stattgefunden habe, so übt es, trotzdem es auf die Deklaration beschränkt i s t , R e p r e s s i v j u s t i z . 16 A u c h der Verweis ist nicht, wie G r o ß annimmt, bloße Deklaration,
140 — Dem zivilgerichtlichen Urteil ist das bedingt verurteilende Straferkenntnis auch nicht im Geringsten ähnlicher als das unbedingt verurteilende. Auch die Einführung der bedingten Verurteilung (und ebenso der bedingten Begnadigung) hat neben der negativen ihre positive Seite. Der Staat behält den verurteilten Verbrecher auch weiterhin im Auge, seine Tätigkeit ist mit der Fällung des Urteils möglicherweise noch nicht abgeschlossen. Auch hier sind es v e r w a l t u n g s t e c h n i s c h e Momente, welche in das Strafrecht eindringen. Ohne den ganzen Apparat unseres modernen Behördenorganismus könnten wir an die Frage des bedingten Straferlasses gar nicht herantreten 17 . Der Staat, dessen Verwaltung noch unentwickelt war, mußte mit dem Delinquenten im Strafprozeß f e r t i g werden. Daher, wie schon oben erwähnt, die Bevorzugung der Todesstrafe, daher die sofortige Repression mittels des Strafvollzugs. Der moderne Staat dagegen kann die Strafe zur Verfügung behalten, er kann die generelle Strafdrohung des Gesetzes im konkreten Fall durch die Androhung der Vollstreckung einer bereits urteilsmäßig ausgesprochenen Strafe verstärken. sondern Repression. D i e E r t e i l u n g des Verweises ist Vollstreckung des Urteils. Vgl. F i n g e r , Das (österr.) Strafrecht l 2 377 und G r o ß selbst 405. 17 Β e l i n g ist durchaus i m Recht, wenn er es (135) als eine legislativpolitische Frage behandelt, ob die Verbrechensprävention dem Strafrichter oder der Verwaltung zuzuweisen ist. D i e Stellung des Strafrichters, dem Verwaltungsaufgaben zugewiesen werden, wäre ähnlich der Stellung des Zivilrichters bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
VII. Verwaltungsrecht und Privatrecht. Zivilistische und verwaltungsrechtliche Rechtsanschauung. Ein wichtiger Punkt, vielleicht der aller wichtigste, ist in den vorstehenden Ausführungen noch unerörtert geblieben : das Verhältnis des Verwaltungsrechts zum Privatrecht. Erst indem wir uns dieses Verhältnis klar machen, können wir eine richtige Anschauung von der Stellung des Verwaltungsrechts im Rechtssystem gewinnen. Daß es privatrechtliche und verwaltungsrechtliche Rechtssachen gibt, bezweifelt niemand und ebensowenig, daß es mitunter sehr schwierig ist, zu bestimmen, ob ein Fall dem einen oder dem anderen Rechtsgebiet angehört. Außergewöhnlich viel Scharfsinn ist aufgewendet worden, um hier die richtige Grenze zu ziehen Ob aber der wissenschaftliche Ertrag der Untersuchungen in einem richtigen Verhältnis steht zur aufgewendeten Mühe, muß dahin gestellt bleiben. Um was handelt es sich dabei? Den Dualismus von Privat- und Verwaltungsrecht haben wir historisch überkommen. Er kommt zum praktischen Ausdruck in der Verschiedenheit der Kompetenz der Zivilgerichte und der Verwaltungsbehörden, wobei unter den 1 Vgl. die verdienstvolle Schrift von H o l l i g e r , Das K r i t e r i u m des Gegensatzes zwischen dem öffentlichen Recht u n d dem P r i v a t r e c h t , 1904, welche 17 verschiedene Theorien registriert, außerdem aber noch auf Kombinationen von Theorien h i n w e i s t , wodurch die Z a h l der letzteren noch wächst.
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letzteren auch die Verwaltungsgerichtsbehörden verstanden werden sollen. Wer sich nun mit dem positiven Recht dogmatisch beschäftigt, muß mit den gegebenen Kompetenzen rechnen und darum sorgfältig feststellen, was eine Gerichtsund was eine Verwaltungssache ist. Hierauf kann es, mag die Untersuchung noch so schwierig sein, nur e i n e Antwort geben, wenn auch verschiedene Juristen verschiedener Ansicht sein können über die r i c h t i g e Antwort. Es handelt sich hier in der Tat um ein Entweder-Oder. Die Theorie ist sich nun völlig klar darüber, daß sich zwar aus dem positiven Recht gewisse allgemeine Prinzipien gewinnen lassen oder, anders ausgedrückt, daß sich das positive Recht bei der Regelung der Kompetenz an gewisse Prinzipien hält, daß aber dennoch die positivrechtliche Ausgestaltung nicht in allen Punkten mit diesen Prinzipien übereinstimmt 2 . Es gibt Materien, die die Theorie dem Verwaltungsrecht zuweisen möchten, obwohl das positive Recht die Gerichte dafür zuständig sein läßt, und umgekehrt. Man drückt sich hier so aus, daß man sagt: Eine ihrer Natur nach öffentlichrechtliche Angelegenheit gehört ausnahmsweise zur Zuständigkeit der Gerichte oder eine Privatrechtssache ist kraft gesetzlicher Anordnung der gerichtlichen Judikatur entzogen. Die Frage also, ob es sich um eine Angelegenheit privaten oder öffentlichen Rechtes handelt, kann in doppeltem Sinne aufgeworfen werden, entweder im Hinblick auf die positivrechtliche Regelung der Behördenkompetenz in einem bestimmten Staate 3 oder als eine rein theoretische oder richtiger vielleicht als m a t e r i e l l r e c h t l i c h e Frage 4 . 2
Vgl. 0 . M a y e r D. Verw. R. 1, 213 ff , J e l l i n e k System -61, 181. Abgesehen davon können allerdings auch noch andere positivrechtliche Fragen auftauchen, so ζ. B. ob ein Anspruch der zivilrechtlichen Verj ä h r u n g unterliegt. Vgl. F l e i n e r , Uber die U m b i l d u n g zivilrechtlicher I n s t i t u t e durch das öffentliche Hecht, 14. 4 O . M a y e r 1214. A u c h die t h e o r e t i s c h e Beurteilung der Rechts3
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Uns interessiert hier natürlich nur die zweite Fragestellung. Für die Zuweisung der einzelnen Materien zum Privatoder öffentlichen Recht 5 wird gern auf die Formulierung Ulpians zurückgegriffen: Publicum ius est, quod ad statum rei Romanae (allgemein also : rei publicae) spectat, privatum, quod ad singulorum utilitatem. Das Privatrecht dient dem Einzelinteresse, das öffentliche Recht dem öffentlichen, dem Staatsinteresse. So richtig aber diese Beobachtung ist, so wenig liefert sie einen halbwegs brauchbaren Unterscheidungsmaßstab. Denn es ist klar, daß, wenn überhaupt ein Zweifel besteht oder bestehen kann, ob eine Sache dem öffentlichen Recht angehört oder nicht, das öffentliche Interesse niemals ganz fehlt. Vielmehr zeigen sich hier Einzel- und Kollektivinteressen in eigentümlicher Weise miteinander verbunden und es ist gar oft bloß ein dialektisches Kunststück, die einen oder anderen Interessen als die entscheidenden hinzustellen. Man gewinnt bei Ausführungen dieser Art leicht den Eindruck, daß sich für die Entscheidung, die jemand als die richtige f ü h 11, die Motivierung von selbst einstellt. Die Berufung auf das private oder auf das öffentliche Interesse steht immer zur Verfügung und sie wird niemals ganz unstichhaltig sein. Dabei ist es begreiflich, daß die berufsmäßige Beschäftigung mit dem einen oder anderen Rechtszweig den Sinn für die Interessen eben dieses Zweiges schärft, so daß der Publizist das öffentliche, der Zivilist das private Interesse als das Entscheidende anzusehen geneigt ist. Sachen muß selbstverständlich die Normierung dieser Rechtssachen i m p o s i t i v e n Recht zur Grundlage haben. 6 Privat- und öffentliches Recht werden hier i m o b j e k t i v e n Sinne verstanden. W e n n man m i t J e l l i n e k , System 2 4 5 f f . vom s u b j e k t i v e n Recht ausgeht, so setzt man dabei voraus, daß das öffentliche geradeso wie das Privatrecht ein System von subjektiven Rechten enthält. Vgl. auch L a y e r , Prinzipien des Enteignungsrechts, 847, Η ο 11 i g e r a. a. 0., 3.
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Bei weitem richtiger ist es, bei der Grenzziehung zwischen Privat- und Verwaltungsrecht von dem G e g e n s t ä n d e des Privatrechts auszugehen. Dieser Gegenstand ist uns schon von der Schule her wohlvertraut. Wir wissen, daß Familien- und Vermögensrecht in ganz bestimmter Weise im römischen und in weiterer Folge im gemeinen Privatrecht geregelt waren. Das. moderne Recht hat an dieser gegenständlichen Begrenzung des Privatrechts im Allgemeinen festgehalten 6. Ist die Zugehörigkeit einer Materie zum Privatrecht zweifelhaft, so kann uns der Grad ihrer Verwandschaft mit den unbestrittenen Gegenständen des Privatrechts als Behelf für die Lösung des Zweifels dienen 7 . Allein abgesehen davon, daß es sich dabei doch um ein arbiträres Moment handelt, kommt in Betracht, daß auch das „historische" Privatrecht, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, in immer steigendem Maße von verwaltungsrechtlichen Elementen durchsetzt wird 8 . So hat ζ. B. das Sachenrecht eine Entwicklung durchgemacht, die es in immer engere Berührung mit dem öffentlichen Recht gebracht hat. Eine jede Darstellung der wirtschaftlichen Verwaltung muß sich selbstverständlich mit jenen Normen beschäftigen, die sich auf Jagd, Fischerei, Bergbau usw., aber auch auf die Benutzung unbeweglicher Güter 9 und den Verkehr mit ihnen beziehen. Die privatrechtlichen Normen treten hier ihrem Umfang nach weit zurück gegenüber jenen des öffentlichen Rechts. Wir verbinden nun eine ganz bestimmte Vorstellung damit, wenn wir sagen, daß ein Gegen6 Was man „Deutsches Privatrecht" nennt, ist allerdings eine ganz andere Sache. 7 Z u erinnern wäre etwa an die Frage, ob die von der Arbeiterversicherungsgesetzgebung behandelten Unterstützungsansprüche privat- oder öffentlichrechtlicher N a t u r sind. Vgl. J e l l i n e k , System 2 268 f. 8 V g l . E h r l i c h , Beiträge zur Theorie der Rechtsquellen 1, 243ff. 9 M a n denke namentlich an das Baurecht. \ r g l . T e z n e r i n Grünhuts Z. 21, 113.
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stand vom Gesetzgeber „privatrechtlich" oder „öffentlichrechtlich" aufgefaßt und geregelt wird. Es kann also nicht der Gegenstand für sich allein sein, der das Privatrecht charakterisiert. Das Privatrecht beruht auf dem Gedanken der Nebenordnung der Rechtsgenossen, während das Verwaltungsrecht die einzelnen Individuen der Verwaltung unterordnet. Das Privatrecht knüpft an gewisse Handlungen, Tatsachen oder Vorgänge bestimmte Rechts Wirkungen und sichert seinen Anordnungen dadurch Geltung, daß es die einzelnen Rechtsgenossen zu einem ganz bestimmten gerichtlichen oder außergerichtlichen Vorgehen gegeneinander ermächtigt. Die Theorie hat daraus ein überaus kunstvolles System von subjektiven Rechten gestaltet. Während im Verwaltungsrecht die Tätigkeit des Staates oder, allgemeiner gesprochen, der öffentlichen Verwaltung das Wesentliche ist — erst durch die für die Verwaltungstätigkeit bestehenden Vorschriften entstehen in weiterer Folge Rechtsbeziehungen der Verwaltung zu den einzelnen Individuen und mittelbar auch der Individuen untereinander —, ist im Privatrecht die Staatstätigkeit etwas Abnormales, eigentlich Unerwünschtes. D i e R e c h t s g e n o s s e n s e l b s t verwirklichen das Privatrecht durch Begründung, Übertragung, Veränderung, Aufhebung, Geltendmachung ihrer subjektiven Rechte. Die Privatrechtsnorm wirkt also (vom Standpunkt des Staates aus betrachtet) automatisch. Die Rechtswirkungen treten, wie der bezeichnende Ausdruck lautet, „ipso iure" ein, und selbst wenn der Staat in Aktion tritt, geschieht es auf Anrufung der Partei und nach Maßgabe des Parteibegehrens. Der Motor ist also auch hier nicht der Staat, sondern die Partei. Der Staat ist — wenigstens nach der Auffassung des gemeinen Zivilprozeßrechts, die seither freilich erheblich modifiziert worden ist — das Werkzeug der prozessierenden Rechtssubjekte. Das ist also S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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die eigentümliche Privatrechtstechnik, die sich, wenn man es schlagwortartig ausdrücken will, äußert in der Koordination der Rechtsgenossen, in der Verwirklichung des Rechts durch die Rechtsgenossen und — damit solches möglich werde — in der Aufstellung eines Systems von subjektiven Rechten, über welche die Rechtsgenossen disponieren können. I m Gegensatz dazu zeigt das \7erwaltungsrecht Überordnung der Verwaltung und Verwirklichung des Rechts durch die Verwaltung. Soweit ist der Gegensatz ganz glatt durchzuführen. "Was dann die Rechtsbeziehungen der Parteien zur Verwaltung und zueinander 10 betrifft, so ist die Frage, ob und inwieweit man es hier mit subjektiven Rechten zu tun hat, bestritten — wir werden darauf noch zurückkommen —: Tatsache ist aber, daß hier die Dispositionsmöglichkeit der Parteien entweder ganz ausgeschlossen ist oder sich in engen Grenzen bewegt. Nur ausnahmsweise finden wir hier eine ähnliche Parteiwillkür wie im Privatrecht n . Wenn wir nun wahrnehmen, daß im Laufe der Zeit verwaltungsrechtliche Elemente ins Privatrecht eindringen, so bedeutet das nichts Anderes, als daß in den gedachten Richtungen rechtstechnische Grundsätze des Privatrechts ersetzt werden durch solche des Verwaltungsrechts, aus dem Grunde, weil eine Einschränkung der Parteiwillkür oder eine Beaufsichtigung des Verkehrs durch die Verwaltung oder eine Reglementierung durch die Verwaltung usw. für erwünscht erachtet wird. Die Theorie steht in einem solchen Fall vor der Frage oder glaubt wenigstens davor zu stehen, ob sie eine Materie, in welcher privat- und verwaltungsrechtliche Elemente miteinander zu einem eigentümlichen Ganzen vereinigt sind, dem Privat10
Vgl. J e l l i n e k , System »271 f. Vgl. die diesem Thema gewidmete Schrift P a r t e i w i l l k ü r i m öffentlichen Recht. 11
von R a d n i t z k y ,
Die
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oder dem Verwaltungsrecht zuweisen soll. Die Lösung ist außerordentlich einfach. Die Materie gehört sowohl dem einen wie dem anderen Rechtsgebiete an. Es gibt hier keine Majorisierung des Privat- oder Verwaltungsrechts, so zwar, daß etwa das Vorherrschen der einen oder anderen Elemente für die Entscheidung maßgebend wäre 1 2 . Sofern es sich um die Lösung einer Kompetenzfrage handelt, muß selbstverständlich eine präzise Antwort gefunden werden; für die t h e o r e t i s c h e Erfassung der Rechtsinstitute aber ist es durchaus nicht notwendig, sich für die Alternative „Privatrecht" oder „öffentliches Recht" zu entscheiden. Im Gegenteil, diese Alternative kommt nicht in Betracht, wo privat- und öffentlichrechtliche Momente miteinander verbunden sind. Damit, daß man eine Materie für privat- oder öffentlichrechtlich erklärt, ist auch gar nichts getan. Denn nicht aus dieser Rubrizierung heraus, sondern aus der Regelung, die die Materie im Gesetz oder im Leben gefunden hat, darf die Anschauung von ihr gewonnen werden. Wenn diese einfache Wahrheit immer wieder verkannt wird, so liegt der Grund in einem eigentümlichen Fehler, der in unserer Rechtswissenschaft und auch in der Staatslehre auf Schritt und Tritt zu finden ist. Der praktische Jurist muß in jeder noch so schwierigen Rechtsfrage eine Entscheidung finden. Der Richter darf, wie es die napoleonische Gesetzgebung ausdrücklich eingeschärft hat, kein non liquet sprechen, sondern muß entscheiden. Über die rationes dubitandi muß er hinwegkommen. Die Theorie des positiven Rechts ist genötigt, diesem Umstand Rechnung zu tragen und deshalb immer in möglichst entschiedener Weise 12 Anderer Ansicht G i e r k e , Deutsch. Privatrecht 1, 32f., der aber doch zugibt, daß eine glatte Scheidung, wenn sie auch denkbar wäre, doch i n der Darstellung nicht durchführbar wäre. D i e Enteignung weist G i e r k e dem Privatrecht zu. Läßt sich aber i m Verwaltungsrecht die Darstellung der Enteignung umgehen? Vgl. unten 158 if.
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festzustellen, quid iuris sit. Sache der praktischen Jurisprudenz ist es ja nicht, Zweifel zu erregen, sondern sie zu lösen. Gewohnt, in dieser Weise zu arbeiten, tritt aber der Jurist auch an solche Fragen mit der von vornherein feststehenden Absicht, sie (in dem einen oder anderen Sinne) präzis zu beantworten, heran, die einer derartigen Behandlung widerstreben, ihier aber auch gar nicht bedürfen. Besonders mißlich äußert sich diese Disposition zur glatten Beantwortung von Fragen, die oft gar nicht richtig gestellt sind, in der schon erwähnten Staatslehre. Man fragt, was ein Staat ist, und sucht eine haarscharfe Antwort darauf zu finden, wie wenn ein Richter die Nötigung hätte, in einem konkreten Fall die Kriterien des Staates festzusetzen. Man will eine ganz bestimmte Lösung der Frage finden, wie und wann ein Staat entsteht oder untergeht, ohne zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit und Zulässigkeit einer derartigen Fragestellung das erste Problem ist, daß hier aufzuwerfen wäre. Und so verhält es sich auch in dem Fall, der uns hier beschäftigt. Weil für die Zwecke der Kompetenzfeststellung eine Antwort darauf, ob eine Materie ziviloder verwaltungsrechtlich ist, gefunden werden m u ß , glaubt man, daß sich auch theoretisch eine solche Antwort immer finden lasse, und weil für die praktischen Zwecke auch eine nicht v o l l s t ä n d i g befriedigende Antwort genügt, wenn sie nur für die Gerichte oder Verwaltungsbehörden zur Begründung ihrer Kompetenz ausreicht, glaubt man, daß eine derartige Verlegenheitsantwort auch die Theorie befriedigen könne, der es doch niemals um die halbe, sondern immer um die g a n z e Wahrheit zu tun ist. Das Ergebnis, zu dem wir gelangen, ist also das : die Theorie darf keinen gewaltsamen Schnitt durch die Rechtseinrichtungen machen und sagen: Diesseits der Schnittlinie ist Privatrecht, jenseits öffentliches Recht, sondern sie muß mit der eigentümlichen Verknüpfung und Verknotung des
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Privat- und Verwaltungsrechts rechnen und darum, mag es sich nun um Privat- oder Verwaltungsrecht handeln, die Erscheinungen dieses Rechtsgebiets bis in die letzten Ausläufer verfolgen. Nur dann besteht die Aussicht auf wissenschaftliche Durchdringung des Rechtsstoffs, nur dann kann man hoffen, daß die einzelnen Rechtseinrichtungen in der ihren Eigentümlichkeiten entsprechenden Weise erfaßt und erkannt werden. Nicht darauf allein kommt es an, daß die an der Grenze befindlichen Rechtserscheinungen ü b e r h a u p t theoretisch behandelt werden, daß sie also bei der Scheidung von Privat- und öffentlichem Recht nicht ins Leere fallen (was, nebenbei bemerkt, das Schicksal gar vieler Institutionen ist) : vielmehr ist das entscheidende Gewicht darauf zu legen, daß sie r i c h t i g behandelt werden, und das hängt eben davon ab, daß sie in den richtigen Zusammenhang mit verwandten Erscheinungen gebracht, daß sie von einem richtigen Standpunkt aus beobachtet werden. Daß diese so nahe liegende Forderung bisher nicht die gebührende Beachtung gefunden hat, hängt aber damit zusammen, daß wir alle Einrichtungen v o n e i n e m u n d d e m s e l b e n S t a n d p u n k t aus zu beurteilen gewohnt sind, nämlich von dem der Zivilrechtswissenschaft. Soviel auch schon darüber gesprochen und geschrieben worden ist, daß das öffentliche Recht nicht im zivilistischen Sinne bearbeitet werden dürfe, so herrscht doch die zivilistische Rechtsanschauung heute noch in allen Rechtsdisziplinen vor. Daß auch noch eine andere Rechtsanschauung möglich ist, welche ich in Ermanglung eines besseren Ausdrucks die verwaltungsrechtliche nennen möchte, ist der Theorie noch kaum zum Bewußtsein gekommen. Das Charakteristische der zivilistischen Rechtsanschav ung liegt in der Gegenüberstellung von objektivem und subjektivem Recht. Das „Recht" löst sich auf in „Rechte'". Objektives und subjektives Recht verhalten sich zueinander
— 150 — wie der Schöpfer zum Geschöpf. Objektives Recht sind die Rechtsnormen, vor allem die Gesetze, subjektives die vom Individuum aus gesehenen Erscheinungen des Lebens, in welchen sich das objektive Recht verkörpert 13 . Man könnte deshalb statt von der zivilistischen auch von der individualistischen Rechtsanschauung sprechen. Daß die Theorie des Privatrechts nichts anderes ist als eine Theorie der subjektiven Privatrechte, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung. Alle Erscheinungen des Privatrechts wrerden auf den gemeinschaftlichen Nenner des subjektiven Rechts gebracht, auch wenn sie sich nicht in jeder Hinsicht dazu eignen. So werden den relativen Rechten, welche das subjektive Recht in der vollkommensten Gestalt zeigen, die absoluten zur Seite gestellt. Zustände, Status, werden als Rechte aufgefaßt. Allerhand Persönlichkeits- und Individualrechte werden konstruiert. Es wird gefragt, ob es ein Recht gibt am eigenen Körper, am Namen, am eigenen Bild usw. "Wo ein Individuum fehlt, welches als Träger von subjektiven Rechten angesehen werden könnte, wird mit Hilfe des Begriffs der juristischen Person ein Rechtssubjekt geschaffen. Alle subjektiven Rechte sind das Ergebnis juristischer Konstruktion und das Rohmaterial für die Konstruktion liefert die Gesetzgebung. Die Privatrechtstheorie ist also nichts anderes als die Bearbeitung des Gesetzesstoffes zu einem System subjektiver Rechte und Rechtsverhältnisse u . Der Anpassung an diese Arbeitsweise verdankt die moderne Zivilprozeßtheorie ihre schönsten Erfolge. Der Zivilprozeß (und ebenso der Strafprozeß) bedeutet ein Analogon zu einem Privatrechtsverhältnis. Das Prozeßrechtsverhältnis wird in eigentümlicher Weise begründet, modifiziert, abge13 u
Vgl. Ρ f e r s c h e , Methodik der Privatrechtswissenschaft, 47.
D i e modernen Gesetzbücher nehmen freilich schon einen T e i l dieser Verarbeitung vorweg. Sie sprechen schon die Sprache des subjektiven Rechts.
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wickelt. Die Parteien treten mit prozessualen Ansprüchen auf. Klagerecht, Rechtsschutz-, Feststellungs-, Rechtsgestaltungs-, Zwangsvollstreckungs-, Sicherungsanspruch usw. sind Produkte konstruktiver Tätigkeit, welche den subjektiven Rechten des Privatrechts nahe verwandt sind. Seltsamerweise ruht auch die Theorie des Strafrechts auf subjektivrechtlicher Grundlage. Durch die strafbare Handlung wird staatliches Strafrecht begründet. Das subjektive Strafrecht wird durch die Verurteilung des Delinquenten formalisiert, durch den Strafvollzug realisiert. Es erlischt durch die Begnadigung, welche ganz konsequent als Verzicht auf subjektives Recht aufgefaßt w i r d 1 5 . Alle diese Sätze haben, wie ich glaube, nur dekorativen Wert. Ich kann das (objektive) Strafrecht gerade so gut erklären, wenn ich sage: „Wer einen Mord begeht, wird straffällig", wie wenn ich diesen Tatbestand mit Zuhilfenahme eines subjektiven Rechts „konstruiere" : „Wenn jemand einen Mord begeht, so erwächst aus diesem Tatbestande dem Staate ein Anspruch darauf, daß der Mörder bestraft werde". Die erste Erklärung ist aber besser, weil sie einfacher ist. Bei den Privatanklagedelikten ist die Annahme eines subjektiven Strafrechts des Staates geradezu monströs. Wenn der A den Β beschimpft, so entsteht daraus ein subjektives Strafrecht des Staates. Der Staat kann aber dieses Strafrecht nicht aus eigener Macht realisieren, weil das Strafk l a g e recht ausschließlich dem Β zusteht 16 . So existieren hier zwei Ansprüche nebeneinander : Der staatliche Anspruch auf die Strafe, dessen Befriedigung aber abhängig ist von 15 B i n d i n g Hdb. d. Strafr. 1 , 861ft'., E l s a s , Über das Begnadigungsrecht, 9. Vgl. dazu L o e n i n g i m Verw.-Arch. 7, 17 f. 16 Dabei ist es wiederum bestritten, ob der Private überhaupt „ I n h a b e r des Anklagerechts ist oder ob Subjekt des Rechts auch i n diesen F ä l l e n der Staat ist, der jedoch die A u s ü b u n g des Rechts Privaten überläßt". F i n g e r i m Österr. S t W B . 1H41.
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dem Verhalten des Beleidigten, und das Strafklagerecht des Beleidigten, welches gerichtet ist auf die Realisierung des nicht dem Kläger, sondern dem Staate zustehenden (subjektiven) Strafrechts. W i l l der Beleidigte nicht klagen oder versäumt er die Klagefrist, so geht das staatliche Strafrecht unter. Erhebt er die Anklage, so kann der Staat zwar nicht der Verurteilung des Angeklagten, wohl aber der Bestrafung d. h. dem Strafvollzug entgegentreten, er kann auf s e i n Strafrecht durch Begnadigung verzichten. Leichter durchführbar ist die Konstruktion des Strafrechts bei den Offizialdelikten , obzwar sich auch da Schwierigkeiten ergeben können. Wenn der Angeklagte zu einer Geldstrafe verurteilt wird, so stehen wieder zwei Rechte nebeneinander, das Recht desjenigen, der auf die Geldstrafe Anspruch erhebt (ζ. B. der Lokalarmenfond), und das Recht des Staates. Ist mit der Geldstrafe ein Privatanklagedelikt bedroht, so konkurrieren hier sogar drei verschiedene Interessenten. Sehen wir von solchen Komplikationen ab, so können wTir doch ganz allgemein sagen : die Annahme eines subjektiven Strafrechts des Staates ist unnötig 1 7 . Denn kein einziger 17 Vgl. Z u c k e r i n Grünhuts Z. 15, 319ff. G o l d s c h m i d t , Materielles Justizrecht 30. D i e scharfsinnigen Ausführungen G o l d s c h m i d t s über die U n h a l t b a r k e i t des „Strafanspruchs" sind überaus dankenswert. Aber auch er arbeitet m i t einem subjektiven Strafrecht, dessen Subjekt der Strafrichter ist. Dieses Strafrecht ist zunächst ein Strafverfolgungs- und sodann ein Strafvollstreckungsrecht. Der W a h r h e i t ist er übrigens in folgenden Sätzen (56) zum Greifen nahe gekommen: Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsrecht „erwachsen zu vollem Leben als subjektive, wie geschehen differenzierte Rechte überhaupt erst i m Prozeß. Soweit i h r I n h a l t dem materiellen Rechte angehört, erscheint er nicht i n der gemachten Differenzierung, dies aber eben um deswillen nicht, weil er insoweit überhaupt noch nicht als volles, selbständiges subjektives Recht erscheint. Vielmehr w i r d i m materiellen Strafrecht als Rechtsfolge des Verbrechens unmittelbar und allein das materielle Z i e l der sukzessiven Ausübung jener Rechte behandelt: das dem Schuldigen aufzuerlegende Straf leiden. W e r aber u m deswillen die bezeichneten Rechte nicht als die typischen E r scheinungsformen des Strafrechts anerkennen w o l l t e , m ü ß t e l e u g n e n ,
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Satz des objektiven Strafrechts wird durch diese Annahme erklärt oder auch nur dem Verständnis näher gerückt 18 . Die Konstruktion des subjektiven Rechts, die dem Privatrecht unschätzbare Dienste leistet, weil sie der Bewältigung und Konzentrierung des sonst in alle Winde zerflatternden Rechtsstoffes dient, führt im Strafrecht nur zu geschraubten Redewendungen. Oder ist etwa sachlich etwas gewonnen, wenn man die Begnadigung als Rechtsverzicht auffaßt ? Kann man sich die gänzliche oder teilweise Aufhebung der Urteilswirkung durch staatliche Verfügung nicht ebensogut ohne Zuhilfenahme des subjektiven Rechts vorstellen? Wäre das der Fall, so müßten wir auch in anderen Fällen der Nachsicht ein subjektives Recht konstruieren. Dann verzichtet der Staat, wenn er vom Ehehindernis der Verwandtschaft dispensiert, auf das Recht zu verhindern, daß Geschwisterkinder eine Ehe miteinander eingehen. Dann verzichtet die Unterrichts Verwaltung, wenn sie einem reprobierten Prüfungskandidaten die Reprobationszeit abkürzt, auf das Recht, ihn während der ursprünglich festgesetzten Zeit von der Prüfung fernzuhalten usw. Nicht einmal als R e f i ex recht ist das subjektive Strafrecht des Staates verdaß d i e m a t e r i e l l e R e c h t s f o l g e des V e r b r e c h e n s ü b e r h a u p t e i n s u b j e k t i v e s R e c h t i s t . Denn außer ihnen kennt das Strafrecht keins." So ist es i n der Tat. Aber warum sollte man das aus dem Verbrechen resultierende subjektive Recht nicht leugnen dürfen? Oder g i l t auch hier der E i n w a n d des Hugo G r o t i u s : Si daremus, quod sine summo scelere dari nequit? — Daß G o l d s c h m i d t das Verwaltungsstrafrecht subjektivrechtlich fundiert, wurde schon oben (132) erwähnt. 18 Anders verhält es sich freilich i m Militärstrafrecht. D a kann man von einem subjektiven Strafrecht sprechen, w e i l der Gerichtsherr m i t einem „Straf- und Begnadigungsrecht" ausgestattet ist. Aber auch hier handelt es sich nur um ein Verfolgungs- und Vollstreckungsrecht i m Sinne G ο 1 d s c h m i d t s . Der Gerichtsherr steht nicht neben und unter dem Gericht, wie der Ankläger des Zivilstrafprozesses, sondern über dem Gericht. Sehr interessant ist die Bestimmung des § 447 M i l t . StG., derzufolge sich d e r G e r i c h t s h e r r s e l b s t einer strafbaren Handlung schuldig macht, wenn er die Strafverfolgung eines Zweikampfverbrechens unterläßt.
— 154 — wendbar. Denn was ändert sich in der Rechts- und Interessensphäre des Staates, wenn der Verbrecher die Strafe erleidet? Nur wenn man auch noch ein Gefühl befriedigter Rache oder die Empfindung der Schadenfreude auf Seite des Staates konstruieren würde 1 9 , könnte man zu einer Reflexwirkung der Strafe gelangen. Das moderne Strafrecht ist eine kollektivistische Einrichtung κατ Ι'ξοχψ und schon darum ist es ein methodischer Fehler, von dem subjektiven Strafrecht auszugehen20. I n der Staatsrechtstheorie spielt die zivilistische Rechtsanschauung eine verhältnismäßig geringere Rolle. Sie äußert sich aber auch hier in der übertriebenen Bedeutung, welche man der Rechtspersönlichkeit des Staates beilegt: der Staat ist eine Person, ein Rechtssubjekt , ein Hoheitssubjekt. Mit diesen Sätzen, die wiederum nichts anderes sind als Konstruktionsbehelfe, glaubt man den Grund für die Darstellung des Staatsrechts gelegt zu haben. D i e r e c h t l i c h e N a t u r des Staates soll darin liegen, der Rechtsbegriff des Staates, der Staat „als Rechtsbegriff" soll durch die Behauptung definiert werden, daß der Staat Persönlichkeit besitzt, d*aß er ein Rechtssubjekt darstellt, und da es dem Juristen eben nur um die Rechtsbegriffe zu tun ist, so ist für ihn der Staat e r k l ä r t , wenn man ihn als Rechts- oder Hoheitssubjekt bezeichnet. Fürwahr, eine traurige Erklärung 2 1 ! 19 Vgl. J e l l i n e k , Die sozialeth. Bed. von Recht, Unrecht u. Strafe 130 N. 22. 20 Das subjektive Strafrecht ist tatsächlich auf das ius puniendi (ius poenas sumendi, exigendi) des seinem K e r n nach individualistischen Naturrechts zurückzuführen. 21 V g l . G i e r k e i n S c h m o l l e r s Jahrb. 7, 1128: „ I n d e m L a b a n d . . . überall die Staatspersönlichkeit auf die zivilistische F i g u r einer erdichteten Einzelpersönlichkeit reduziert, gelangt er notwendig zu einer i m letzten Grunde rein individualistischen, d. h. eben privatrechtlichen Konstruktion des Staates." R e d l i c h in Grünhuts Z. 3 0 , 681: ,,I)as einer empirisch2
Was schließlich das Verwaltungsrecht betrifft, so ist dieses für die zivilistische Rechts ans chauung geradezu eine Verlegenheit. Geht man vom Individuum aus, so ist das Verwaltungsrecht die l e t z t e Disziplin, der Ausläufer der Rechtswissenschaft — es hat sich auch in der Tat am spätesten entwickelt —, und wenn es den ihm gebührenden Platz in Anspruch nehmen will, so kann es ihm ergehen wie dem armen Dichter: „Was tun? spricht Zeus, die Welt ist weggegeben." Privat-, Straf-, Prozeß- und Staatsrecht haben soviel in Anspruch genommen, daß für das Verwaltungsrecht nichts mehr übrig bleibt. So erklärt sich der oben 22 zitierte Satz L a b a n d s , daß das Verwaltungsrecht nichts anderes sei als ein „Konglomerat von Rechtssätzen des Privat-, Straf-, Prozeß- und Staatsrechts". Die Leugnung des Verwaltungsrechts ist in der Tat die letzte Konsequenz der zivilistischen Rechtsanschauung. Die Darsteller des Verwaltungsrechts können natürlich diese Konsequenz nicht gut ziehen-, aber sie tragen doch der zivilistischen Rechtsanschauung Rechnung, indem sie sich in stofflicher Beziehung eine weitgehende Beschränkung auferlegen, um sich nur ja keiner Besitzstörung schuldig zu machen. Charakteristisch ist in dieser Beziehung Otto M a y e r s Verwaltungsrecht. Schon die systematische Anordnung des Werkes führt zu einer Einengung des Darstellungsgebiets. M a y e r lehnt den Anschluß an die Verwaltungslehre und damit das aus der „staatswissenschaftlichen Betrachtung der Verwaltung" sich ergebende System ab (1, 19). Infolgedessen ist er der Notwendigkeit überhoben, „Gewerberecht, Eisenbahnrecht, Wegerecht, Wasserrecht, Armenrecht" (1,17) usw. darzustellen, also gerade jenes Gebiet zu betreten, auf welchem ein Zusammenstoß mit dem Privatrecht unverwissenschaftlichen Fundierung entbehrende, trostlos leere Erdgeschoß Persönlichkeitstheorie G e r b e r s . " 22 Kap. I Anm. 48.
der
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meidlich ist. Es handelt sich dabei in der Tat nicht bloß um eine Systemfrage, sondern um die Frage nach dem Umfang des Verwaltungsrechts. Gibt man das „staatswissenschaftliche" System preis, so ist man außerstande, die einzelnen Lehren des Verwaltungsrechts auch nur einigermaßen vollständig darzustellen. Denn wo könnte man ζ. B. die zahlreichen gewerberechtlichen Vorschriften anders unterbringen, als eben in einem besonderen Kapitel über „Gewerberecht" ? Im M a y e r sehen "Werk kommen hie und da e i n z e l n e Institutionen des Gewerberechts zur Geltung, das Gewerberecht als solches nicht. Es ist aber ein Irrtum, zu glauben, daß das Gewerberecht — und das Gleiche gilt von sehr vielen anderen Sondergebieten der Verwaltung — ein von der Verwaltungslehre entwickelter Begriff ist, eine Kategorie, die „niemand anders macht als der Theoretiker" (1, 17). Der Staat hat doch — und zwar noch vor Lorenz v. S t e i n (1, 17 N. 4) — Gewerbe-, Eisenbahn-, Armen-, Wasserrecht usw. in mehr oder minder erschöpfender Weise kodifiziert 23 . Den inneren Zusammenhang der auf jede dieser Materien bezüglichen Rechtssätze hat nicht nur die Verwaltungslehre, sondern auch d i e V e r w a l t u n g s e l b s t erkannt. Es ist eben ein eminentes theoretisches und praktisches Bedürfnis, inhaltlich verwandte Rechtsnormen im Zusammenhang zu behandeln. M a y e r s Polemik gegen S t e i n ist in Wahrheit nur eine solche gegen S t e i n s bekannte Ausdrucksweise. Dem „staatswissenschaftlichen" System „wunderbare Kräfte zuzuschreiben" fällt niemandem ein. Genug, daß durch dieses System, wie M a y e r sofort 23
Vgl. Z i t e l m a n n i n Grünhuts Z. 38, 8 f. : „Schon heute werden i n den Gesetzen vielfach einzelne Massen von Rechtssätzen wegen der Zusammengehörigkeit der behandelten Tatsachen zu besonderen Rechtsteilen zusammengefaßt ; so spricht j a auch unser Einführungsgesetz (sc. zum BGB.) von den Vorschriften, die dem Wasserrecht, dem Deichrecht, dem Bergrecht, dem Versicherungsrecht, dem Verlagsrecht, dem Gesinderecht angehören."
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selbst zugibt, die Darstellung an Geschlossenheit und Übersichtlichkeit ungemein viel gewonnen hat. Mehr kann man füglich nicht verlangen 24 . Vergleicht man etwa die Bearbeitungen des deutschen Verwaltungsrechts von Otto May er und L o e n i n g mit einander, so wird man wohl nicht im Zweifel darüber sein, daß die rasche Orientierung über eine konkrete verwaltungsrechtliche Frage bei L o e n i n g leichter ist als bei M a y e r . Der Grund liegt nicht darin, daß L o e n i n g das Verwaltungsrecht besser, sondern daß er es systematisch richtiger darstellt. M a y e r nennt das von ihm bekämpfte System „staatswissenschaftlich" und meint damit offenbar den Gegensatz zum „juristischen" System. Aber sein eigenes System ist nicht schechtweg juristisch, sondern es ist zivilistisch 25 . Die übrigens veraltete Einteilung des Zivilrechts in Personen-, Sachen-, Obligationenrecht (personae, res, actiones) wird einfach auf das Verwaltungsrecht übertragen 26 . Man darf aber nicht vergessen, daß diese Einteilung im Zivilrecht nicht bloß formale Bedeutung hat, sondern daß sie mit dem G e g e n s t a n d e des Zivilrechts zusammenhängt. Das auf individualistischer Grundlage ruhende Zivilrecht befaßt sich tatsächlich mit Personen, mit Sachen und mit Rechtsverhältnissen von Personen 27 . Auf 24 Zeigt nicht R o s i n s großes W e r k auf jeder Seite, daß die Kategorie des Arbeiterversicherungsrechts mehr ist als ein bloßes „Gestell, an welchem Rechtssätze passend aufgehangen werden können" ? (Mayer а. a. 0.) 26 Vgl. I n a m a - S t e r n e g g , Staatswiss. A b h . 65. 26 Vgl. 0 . M a y e r 2 , 4 , wo auch angeführt w i r d , daß Polizei- und Finanzgewalt dem Recht der Schuldverhältnisse angehören, aber vorweggenommen worden sind. 27 Das h e u t i g e Zivilrechtssystem ist nach Z i t e I m a n η (a. a. 0 . б, 11) eine Kreuzeinteilung, welche teils von den Tatsachen, um die es sich handelt, teils von den angeknüpften Rechtswirkungen ausgeht. Z i t e l m a n n bekämpft die übliche Systematik und spricht (17) geradezu von der „Systemlosigkeit unseres Systems." Vgl. auch Z i t e l m a n n , D i e Gefahren des bürgerlichen Gesetzbuchs für die Rechtswissenschaft, 25: „ N i e m a n d w i r d
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das Verwaltungsrecht angewendet, verliert aber diese Einteilung ihre sachliche Berechtigung. Sie erzeugt hier gerade jene "Wirkung, die M a y e r dem staatswissenschaftlichen, richtiger : dem verwaltungsrechtlichen System vorwirft : „Juristisch Zusammengehöriges wird notwendig dabei auseinandergerissen und für manches rechtlich Bedeutsame ist in diesem System überhaupt kein Platz zu finden." Um zu zeigen, wie sehr das von ihm bekämpfte System die Aufgabe erschwere, weist M a y e r auf die Enteignung hin. „Wo soll man hin mit ihr? Darüber ist sofort alles ratlos. L o e n i n g VE». S. 243 Anm. 4 wirft sie ganz aus dem Verwaltungsr echte heraus, um sie dem deutschen Privatrechte zuzuschieben" (1 19). Ganz so verhält es sich aber nicht. Es ist wahr, daß L o e n i n g eine Darstellung des Enteignungsrechts nach den a l l g e m e i n e n Enteignungsgesetzen für entbehrlich erklärt, da dasselbe in den Lehr- und Handbüchern des deutschen Privatrechts ausführlich behandelt werde. Allein einerseits bespricht er doch an späteren Stellen einzelne Enteignungsfälle. Andererseits — und bloß das ist für uns von Interesse — sind es nicht S y s t e m s c h w i e r i g k e i t e n , die ihn zu seinem Vorgehen veranlassen. Denn seine Verweisung auf das deutsche Privatrecht findet sich g e r a d e d o r t , wo er im Zusammenhang seines Systems von der Enteignung zu handeln hätte. I n der Tat ist die Systemfrage leicht zu lösen. Die allgemeine Lehre von der Enteignung gehört in das allgemeine Verwaltungsrecht und ist dort im Zusammenhang mit den übrigen Eingriffen der Verwaltung in die Privatrechtssphäre zu behandeln 28 . Die einzelnen Enteignungsfälle sind dann im speziellen Verwaltungsrecht (Eisenbahn-, Wasser-, Berg-, Baurecht usw.) aber behaupten wollen, daß dieses System (nämlich das herrschende Pandektensystem) das bestmögliche sei; ich b i n sogar der M e i n u n g , daß es wissenschaftlich schon überlebt i s t " . 28 Anderer Meinung I n a m a - S t e r n e g g a. a. 0 . 66 f.
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darzustellen. Nun sollte man doch wohl meinen, daß M a y e r selbst für die Enteignung einen angemessenen Platz im System gefunden hat. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Er stellt die Enteignung dar im öffentlichen Sachenrecht. Tatsächlich hängt die Enteignung aber mit den „öffentlichen Sachen" juristisch nicht zusammen29. Denn die zu enteignende Sache steht im Privateigentum und das durch die Enteignung b e g r ü n d e t e Eigentum des Unternehmers ist nach M a y e r s Lehre „zweifellos zivilrechtlicher Natur ; daß es nachträglich durch Herstellung der Straße usw. in öffentliches Eigentum verwandelt werden kann, . . . ist eine Sache für sich" (2 35) 3 0 . In der Tat spricht M a y e r von den öffentlichen Sachen erst, nachdem er die Enteignung erledigt hat (2 60), während doch der Abschnitt über das öffentliche Sachenrecht mit ihnen zu beginnen hätte 3 1 . M a y e r definiert die Enteignung als einen obrigkeitlichen Eingriff in das Eigentum, um es dem Untertanen ganz oder teilweise zu entziehen z u g u n s t e n eines ö f f e n t l i c h e n U n t e r n e h m e n s (2 3). Diese Zweckbestimmung der Enteignung war offenbar maßgebend für die Systematik. Aber selbst wenn man gegen die Verwertung eines teleologischen Moments für ein „juristisches" System keine Einwendung erheben wollte, so muß doch darauf hingewiesen werden, daß der Staat nach M a y e r nicht bloß im Sachenrecht, 29 W o l l t e man die „Sachen", m i t denen sich das öffentliche Sachenrecht beschäftigt, i m zivilistischen Sinne nehmen (öffentliches Sachenrecht = Sachenrecht des öffentlichen Rechts), so müßte man auch die Personen des „Personenrechts" zivilistisch verstehen. Das M a y e r sehe Personenrecht handelt aber tatsächlich nur von den juristischen Personen des öffentlichen Rechts. V o n den i n der Verwaltung tätigen physischen Personen ist i m „Recht der besonderen Schuldverhältnisse" die Rede. 30 Vgl. hiezu L a y e r , Prinzipien des Enteignungsrechts 654. 31 I n der „Theorie des französischen Verwaltungsrechts" handelt 0 . M a y e r unter der Überschrift: „Machtäußerungen für öffentliche A n stalten" zuerst vom öffentlichen E i g e n t u m (227 ff.) und dann von der „ E n t eignung öffentlichen Nutzens wegen".
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sondern auch im Recht der besonderen Schuldverhältnisse und im Personenrecht „als der große Unternehmer" erscheint (2 4) 8 2 . Der ganze zweite Band des M a y er sehen Verwaltungsrechts behandelt eigentlich ein staatliches Unternehmerrecht. „Ein frei bewegliches Verkehrsrecht schmiegt sich den einzelnen öffentlichen Unternehmungen an nach ihren Bedürfnissen und Zwecken, wie im Zivilrecht der Wirtschaft der Einzelnen. Die Verwandtschaft mit diesem bezeugt sich an unserer Einteilung : Sachenrecht, Recht der besonderen Schuldverhältnisse usw." Ist aber das der Fall, dann bleibt es vollends unerklärt, warum die zugunsten eines öffentlichen Unternehmens zugelassene Enteignung gerade im Sachenrecht zu behandeln ist. So sehen wir: Die Enteignungslehre ist kein Beweis für die Güte des M a y er sehen Systems. Während sich M a y e r dem „staatswissenschaftlichen" System gegenüber auf den formaljuristischen Standpunkt stellt, gibt er diesen Standpunkt — wiederum auf Kosten der Vollständigkeit seines Systems — auf, indem er die Behördenorganisation mit dem „geistesverwandten" Verfassungsrecht dem Staatsrecht zuweist. Hier kommt es also nicht auf das „juristisch Zusammengehörige", sondern auf die geistige (staatswissenschaftliche ?) Verwandtschaft an. Meine Bedenken gegen M a y e r s Ansicht habe ich schon oben (60 ff.) vorgebracht. Hier sei nur darauf verwiesen, daß durch die Ausscheidung der Behördenorganisation (und der verfassungsrechtlichen Hilfstätigkeiten !) Konflikte mit dem Staatsrecht soweit als möglich vermieden werden. Überdies werden dadurch auch gewisse Grenzgebiete des Verwaltungsrechts einerseits und des Zivil- und Strafprozeßrechts andererseits zugunsten der letzteren Disziplinen aufgegeben. ?2
I n der „Theorie des franz. Verw.-R." hat M a y e r tatsächlich i m „Recht der öffentlichen Anstalten' 1 auch die persönlichen Lasten, den öffent. lichrechtlichen Vertrag und die Beamtung untergebracht.
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Noch immer ist aber der Stoff des Verwaltungsrechts zu groß. Nicht in den einleitenden Ausführungen, sondern mitten in der Darstellung (1 255) wirft M a y e r — und er kann sich dabei auf das Vorbild von L o e n i n g und S a r w e y berufen — noch eine verwaltungsrechtliche Materie über Bord, die gerichtliche oder, wie sie wohl richtiger zu nennen i s t 3 8 , die Kriminalpolizei. Daß es sich hiebei tatsächlich um eine Verwaltungstätigkeit handelt, wurde bereits hervorgehoben (oben 136f.). Zur Kriminalpolizei gehören „Tätigkeiten, welche wohl der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung mit obrigkeitlicher Gewalt zu d i e n e n bestimmt sind, aber nicht bei den für Zivil- und Strafrechtspflege bestellten Gerichten" (die Staatsanwaltschaft ist kein Gericht) stattfinden. Diese Tätigkeiten zählt M a y e r (1 8) nicht zur Justiz, wie er andererseits die freiwillige Gerichtsbarkeit der Justiz zurechnet. So scheint es denn sehr inkonsequent zu sein, wenn er die Kriminalpolizei dem Strafprozeßrecht zuweist. Dem ist aber nicht ganz so. M a y e r sagt ausdrücklich: „Nicht alles, was weder Gesetzgebung noch Justiz ist, ist Verwaltung" (1 9). Sowie er dem Verfassungsrecht die verfassungsrechtlichen Hilfstätigkeiten überweist, also ζ. B. die gesamte Tätigkeit der Verwaltungsbehörden, die sich auf die Parlamentswahlen bezieht, so überläßt er eben der Justiz die verwaltungsbehördliche Hilfstätigkeit. Nun würde allerdings die Konsequenz gebieten, die Hilfe, die die Gerichte in vielen Fällen der Verwaltung zuteil werden lassen, als Verwaltungs tat igkeit anzusehen. Diesen Gedanken wehrt aber M a y e r schroff ab: „Mit solchen Zuspitzungen werden die überkommenen einleuchtenden Gruppierungen unnötigerweise zersetzt" (1 8 Anm. 10). Freilieh hält er nur z u U n g u n s t e n der Verwaltung an den „überkommenen 33
Vgl. S e u f f e r t i n S t e n g e i s W ö r t e r b u c h A r t . : „ K r i m i n a l p o l i z e i " 1, 885. S p i e g e l , Vorwaltungsrechtswiasenschaft.
des Deutsch. Verw.-R. 11
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Gruppierungen" fest. Leichten Herzens scheidet er die agrarischen Operationen, die Begründung von Nutzungsrechten an fremden Wasserläufen usw. aus dem Verwaltungs recht aus. Ja selbst Standesamt und Patentamt entwickeln bloß Hilfstätigkeit für das Zivilrecht (1 146) 34 . Darnach ist es nicht recht einzusehen, warum man bei Einführung der Zivilehe nicht die Gerichte mit der Intervention bei der Eheschließung betraut hat. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn ich nach dem Vorausgeschickten den leitenden Gedanken M a y e r s durch folgende Sätze kennzeichne: Im Zweifel gehört eine an der Grenze befindliche Materie nicht zur Verwaltung. Das Verwaltungsrecht ist ein reiner Restbegriff. Die zivilistische Rechtsanschauung äußert sich bei O t t o M a y e r auch in der Darstellung selbst. Er ist sich zwar des Gegensatzes von Verwaltungsrecht und (materiellem und formellem) Zivilrecht mehr als jeder andere bewußt. Gerade auf die Herausarbeitung dieses Gegensatzes legt er das allergrößte Gewicht. Aber indem er ebendeshalb die Fühlung 84
Vgl. Ο M a y e r i m Österr. Yerw.-Arch. 3, 2 7 3 f . : „ F ü r sich selbst sind diese L e h r e n vom Standesregister und der Eheschließung, vom Markenschutz , Patentschutz, Musterschutz, Aktiengesellschaft, Versicherungsgeschäften usw. i n den Disziplinen des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts ganz vortrefflich untergebracht und finden dort mehr Anknüpfung als beim Verw altungsrecht, dessen F o r m e n doch nur nebenbei und aushilfsweise dabei zur Anwendung kommen. Ebenso hat die . . . religionsgesellschaftliche Verwaltung ihren guten Platz i m Kirchenrecht." Der letztere P u n k t ist besonders charakteristisch. Gibt es denn überhaupt ein K i r c h e n r e c h t , welches sich m i t allen Religionsgesellschaften beschäftigt? Gibt das katholische oder das evangelische Kirchenrecht Aufschluß darüber, wie sich die staatliche Kultusverwaltung zu der Frage der Anerkennungneuer Religionsgesellschaften verhält? U n d selbst sofern es sich etwa um die katholische K i r c h e handelt: ist die Theorie des katholischen Kirchenrechts geneigt, die i n einem bestimmten S t a a t e geltenden (staatlichen) Rechtsbestimmungen so zu behandeln, als wären sie Kirchenrecht, d. h. nicht Recht f ü r die K i r c h e , sondern Recht d e r K i r c h e ? E i n flüchtiger B l i c k i n ein Kirchenrechtskompendium zeigt das Gegenteil.
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mit dem Zivilrecht niemals aufgibt und infolge dessen in steter Abhängigkeit vom Zivilrecht arbeitet, gestaltet sich sein Werk in "Wahrheit zu einem P e n d a n t des Zivilrechts, womit ja die Zugrundelegung des Institutionensystems durchaus harmoniert. Um ein Bild zu gebrauchen : Er gleicht einem Manne, der, längs eines Flusses dahinwandernd, die Landschaft des Ufers, auf dem er sich befindet, beschreiben will und der nun immer Blicke auf das gegenüberliegende Ufer wirft, um nur die Eigentümlichkeiten s e i n e r Flußseite zur vollen Geltung zu bringen. Das M a y er sehe Buch geht von der Annahme aus, daß das Verwaltungsrecht dem Zivilrecht vollkommen p a r a l l e l läuft, während in Wahrheit der Darsteller des Verwaltungsrechts einen anderen Ausgangspunkt nehmen muß, als der Zivilist. Man kann diese Anforderung nicht präziser ausdrücken, als mit M a y e r s eigenen Worten (1 20): „Die Lehre des Verwaltungsrechts muß g e r a d e s o auf sich selbst stehen wie die des Zivilrechts". Welches ist aber der Ausgangspunkt des Verwaltungsrechts? Worin besteht die verwaltungsrechtliche Rechtsanschauung? Das ist mit wenigen Worten gesagt. Geht das Zivilrecht vom Individuum aus, so muß das Verwaltungsrecht von der Gesamtheit, vom Ganzen ausgehen. Ist die zivilrechtliche Rechtsanschauung individualistisch, so ist ihr Gegenstück kollektivistisch. Während das Zivilrecht die einzelnen Rechtsverhältnisse möglichst isoliert, individualisiert, muß das Verwaltungsrecht die g e s a m t e T ä t i g k e i t der Verwaltungsorgane überschauen, die ja auch durch das Recht normiert wird und auf die es in erster Linie ankommt. Daraus ergibt sich die große Bedeutung des O r g a n i s a t i o n s r e c h t s . Auch das Zivilrecht hat ja gewisse organisationsrechtliche Elemente, aber sie werden in den Hintergrund gedrängt durch die den Kern des Privatrechts bildenden Rechte und Rechtsverhältnisse. Erst in 11*
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neuester Zeit werden Vormundschaft, Kuratel usw. als öffentliche Ämter erfaßt, bei welchen sich zum Teil ähnliche Organisationsfragen ergeben wie bei den öffentlichen Organen des Verwaltungsrechts 85 . Ist das Verwaltungsrecht wirklich das Recht der „Verwaltung", so muß das „Verwalten" vor allem durch das Recht geordnet und von der Verwaltungsrechtswissenschaft bearbeitet werden. Erst nachdem die gesamte Organisation der Verwaltung und das i n n e r e (d. h. hier natürlich: „interne") Verwaltungsrecht erledigt ist, kann das Verhältnis der Verwaltung zu der Bevölkerung ins Auge gefaßt werden und hieran reihen sich schließlich die durch die Verwaltung herbeigeführten oder zu ihr in irgend einem Verhältnis stehenden Rechtsbeziehungen der einzelnen Personen zu einander. Nicht selten wird in der Literatur — halb ernsthaft und halb im Scherz — von den „Höhen des öffentlichen" und den „Niederungen des Privatrechts" gesprochen. Das Gleichnis trifft vollkommen zu. Das öffentliche Recht muß einen erhöhten Standpunkt einnehmen, um das ganze Staatsleben in seinem Zusammenhang überblicken zu können. Das Privatrecht kann auch in der Niederung leben, weil es sich mit isolierten Rechtsbeziehungen beschäftigt und aus ihnen die einzelnen Rechtsinstitute formt. Das Rechtsinstitut ist, wie Otto M a y e r (1, 134) richtig bemerkt, ein Hilfsmittel der Rechtswissenschaft zur Beherrschung der Fülle von Stofi, welche die Rechtsbeziehungen der von ihr beobachteten Rechtssubjekte darbieten, und solcher Hilfen kann natürlich auch die Verwaltungsrechtswissenschaft nicht entraten. Aber das Rechts35
Sehr r i c h t i g sagt E h r l i c h , Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft 9: „ W e n n das österreichische B G B . b e s t i m m t , der M a n n sei das H a u p t der F a m i l i e , so hat es damit die heute bestehende O r g a n i s a t i o n der F a m i l i e ganz r i c h t i g beschrieben, es gibt aber damit keine Entscheidungsnorm und w i l l vielleicht auch keine geben". Vgl. H o l d e r , Natürliche und juristische Personen, und i m Arch. Öff. R. 21, 308 ff'.
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institut spielt im Verwaltungsrecht lange nicht jene Rolle, wie im Zivilrecht, weil „die Rechtsbeziehungen der einzelnen Rechts Subjekte" das Verwaltungsrecht nicht nur nicht erschöpfen, sondern überhaupt nicht im Vordergrunde des Verwaltungsrechts stehen. Es geht deshalb nicht an, das Verwaltungsrecht in seine „Rechtsinstitute" aufzulösen. M a y e r gelingt das nur deshalb, weil er weite Gebiete des Verwaltungsrechts, vor allem das Organisationsrecht, von vornherein ausgeschieden hat. So ist für ihn Verwaltungsrecht nur dort gegeben, wo die öffentliche Verwaltung mit dem Individuum zusammenstößt. Er beschäftigt sich also gerade nur mit den Ausläufern des Verwaltungsrechts. „Verwaltungsrecht ist nur soweit denkbar, als ein Verhältnis der Untertanen zu dem Staate in Frage kommt" (1, 14). Diesen kritischen Maßstab legt er auch an die Behördenordnung an. „Diese ist nicht notwendig Rechtsordnung. Sie ist Einrichtung, Veranstaltung für die Besorgung der Verwaltungsgeschäfte. Recht kommt aber doch bei ihr in verschiedener Weise zum Vorschein, vor allem auch in der Weise, daß dabei das Verhältnis zwischen Staat und Untertan bestimmt wird. Das ist dann Verwaltungsrecht." Und zwar kommt dabei nach M a y e r zunächst ein inneres Verhältnis in Betracht — davon wird in der Lehre von der öffentlichen Dienstpflicht und von den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gesprochen — dann die Tätigkeit „der Träger für die Verwaltungstätigkeit" n a c h a u ß e n , wovon ja in allen Teilen des Verwaltungsrechts die Rede ist. M a y e r hat also nur R e c h t s v e r h ä l t n i s s e als Inhalt des Verwaltungsrechts im Auge, entweder Rechtsverhältnisse zwischen Verwaltung und Untertan oder doch wenigstens solche zwischen Staat und Beamten oder zwischen Staat und Selbstverwaltungskörper. Das wäre nun leicht verständlich, wenn er unter „Recht" nur die Regelung solcher Rechtsverhältnisse verstünde. Dann mtißte er aber
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freilich die Rechtsqualität des Verfassungsrechts leugnen. Allein er hat eine ganz klare Vorstellung vom Verfassungsrecht und definiert es auch richtig als „Inbegriff der Regeln, nach welchen" der Verfassungsstaat „ e i n g e r i c h t e t ist" (1, 3). R e c h t s o r d n u n g und E i n r i c h t u n g , die er in dem vorhin zitierten Satz auseinanderhält, bilden somit im Verfassungsrecht keine Gegensätze. Warum also im Verwaltungsrecht ? Warum sollte der Inbegriff der Regeln, nach welchen d i e V e r w a l t u n g eingerichtet ist, nicht Verwaltungsrecht sein ? Das Verfassungsrecht liefert ja nicht die gesamte Einrichtung der Verwaltung, sondern nur „die oberste Gewalt, den Fürsten allein oder im Zusammenwirken mit der Volksvertretung" (1, 14). Auf diese Fragen erhalten wir keine Antwort. Was an der Behördenordnung überhaupt R e c h t ist, erfahren wir nicht. M a y e r beschränkt sich auf die Hervorhebung dessen, was dabei „vor allem" Recht ist und was darum in den einzelnen Teilen seines Werkes behandelt wird. Die „Behördenordnung als einheitliches Ganze" weist er mit dem geistesverwandten Verfassungsrecht dem Staatsrecht zu, ohne zu sagen, ob das Staatsrecht die Behörden Ordnung bloß soweit behandeln soll, als bei ihr „Recht zum Vorschein kommt", oder ob dort ein so kritisches Vorgehen nicht notwendig ist. In der Tat scheint die Berufung auf die juristische Verwertbarkeit des politischen Hintergrundes und auf die gesellschaftlichen Mächte, die hinter den Verwaltungsorganen stehen, darauf hinzudeuten, daß der strenge Formalismus im Staatsrecht entbehrlich ist. Die allgemeinsten Begriffe der Rechtslehre sind von der Privatrechtswissenschaft formuliert worden. Als man auch das öffentliche Recht zum Gegenstand wissenschaftlicher Darstellung machte, übernahm man die Ergebnisse der zivilistischen Wissenschaft und glaubte eben nur ihr Geltungsgebiet erweitern zu müssen. Indessen ist doch die Frage
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berechtigt, ob nicht eine R e v i s i o n dieser Begriffe mit Rücksicht auf den neu zugewachsenen Stoff am Platze i s t 3 6 . Das gilt vor allem vom Begriff des Rechtes selbst. Im Privat- (und im Straf-) Recht erscheint das Recht als reine Norm, der nachgelebt werden soll. Die Norm wendet sich an die einzelnen Individuen, die zu einander in Rechtsbeziehungen treten. Diese Rechtsbeziehungen sind etwas Gedachtes, wenn sie auch an tatsächliche Beziehungen anknüpfen. Zieht man aber das öffentliche Recht in Betracht, so sieht man, daß das Recht noch eine andere Funktion hat, daß es, wie schon oben (74) bemerkt wurde, auch produktiv wirkt, daß es nicht bloß gedankenmäßig zu erfassende Beziehungen zwischen den Menschen herstellt, sondern auch E i n r i c h t u n g e n schafft, daß die Menschen sich in Form Rechtens assoziieren und organisieren. Die Norm ist hier bloß das M i t t e l zur Schaffung von Institutionen, die auch abgesondert von der Norm erfaßt und wissenschaftlich behandelt werden können. Es gehört hierher nicht bloß die Beschreibung dieser Institutionen, sondern auch die Untersuchung, wie sie funktionieren, also nicht bloß die Behördenund Ämterordnung (im weitesten Sinne des Wortes), sondern auch das Verfahren. Das Staatsrecht beschäftigt sich fast ausschließlich mit Rechtseinrichtungen, im Prozeß- und Verwaltungsrecht stehen die Rechtseinrichtungen im Vordergrunde. Nur Zivil- und Strafrecht können auf den reinen Imperativ des Rechts das Hauptgewicht legen. 36 M i t Kecht sagt Z i t e l m a n n i n Grünhuts Z. 33, 3, daß es „keinen Sinn hat, wenn, wie es noch immer i n den Lehrbüchern zu geschehen pflegt, die ganze Lehre vom objektiven Recht gerade n u r i n den allgemeinen T e i l des b ü r g e r l i c h e n Rechts gestellt wird. Diese Stellung ist sogar sachlich schädlich. Die einseitige oder überwiegende Rücksichtnahme gerade n u r auf das Privatrecht läßt wichtige Gesichtspunkte nicht genügend zur Geltung kommen. I n W a h r h e i t gehört diese Lehre i n einen allgemeinen T e i l des gesamten Rechts". Vgl. auch G i e r k e in S c h m o l l e r s Jahrb. 7, 1122 f.
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Auch die herrschende Lehre von den Rechtsquellen, welche freilich durch die Schriften von E h r l i c h , J u n g und anderen in jüngster Zeit bedenklich ins Wanken geraten ist, geht auf die Bedürfnisse und Anschauungen der Privatrechtswissenschaft zurück. Da es diese nur mit dem Imperativ des Rechts zu tun hat, so sucht sie das Recht an der Q u e l l e auf, dort, wo sich eben der Imperativ zeigt. Von da ab handelt es sich nur um die Wirkungen des (objektiven) Rechts, welche aber die aus dem Imperativ selbst gewonnenen Anschauungen vom Inhalte des Rechts nicht zu beirren vermögen. So ist die Rechtswissenschaft nicht eigentlich eine Wissenschaft vom Recht, sondern eine Wissenschaft von den Rechtsquellen. Denn nicht darum kümmert sich der Jurist, welches Recht das Leben t a t s ä c h l i c h beherrscht, sondern darum, was als Recht gelten s o l l 3 7 . Die Möglichkeit, Rechtswissenschaft und Rechtsquellenwissenschaft zu identifizieren, ist auf das Vorherrschen des Gesetzesrechts zurückzuführen. Das Gesetz bildet eine feste Grundlage für die Rechtswissenschaft, um welche diese von jeder anderen Wissenschaft beneidet werden könnte. Der Jurist hat es nicht nötig, auf mühsamen Wegen erst das Material zu gewinnen, das er bearbeiten soll. Es wird ihm in Paragraphen geordnet vom Staate beigestellt. Die Tatsache, daß nicht alles Recht gesetztes oder geschriebenes Recht ist, ließ sich freilich niemals übersehen. Aber es ist charakteristisch, in welcher 37 D e u t l i c h drückt das S c h u p p e i n seiner P o l e m i k gegen Bülow (Das Gewohnheitsrecht 169 f.) aus : „ V i e l m e h r ist dasjenige, was . . . durchgeführt werden s o l l , e b e n d e s h a l b ,geltendes i Recht, w i r k l i c h e Rechtsordnung, nicht erst durch die geschaffene Tatsächlichkeit, sondern dadurch, daß es — abgesehen von der willigen Befolgung — das Z i e l dieser Bestrebungen, dasjenige ist, wonach die Praxis des Lebens gestaltet werden s o l l . Denn das W o r t Rechtsordnung' besagt eine vom Rechte, dem objektiven Rechtswillen gewollte Ordnung. D i e Rechtsordnung ist eine w i r k liche', wenn u n d solange dieser W i l l e ein w i r k l i c h e r W i l l e ist".
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Weise man dem angesetzten Recht beikommen zu können glaubte. Man suchte auch hier nach dem Imperativ und führte so das ungesetzte Recht in gleicher Weise auf eine „Quelle" zurück wie das gesetzte Recht. Man stellte dem Gesetzesrecht das Gewohnheitsrecht derart gegenüber, daß sich beide Rechte durch ihre P r o v e n i e n z von einander unterschieden. Obwohl das sogenannte Gewohnheitsrecht seiner ganzen Natur nach einer derartigen Untersuchung widerstrebt, suchte man doch möglichst exakt festzustellen, wann ein gewohnheitsrechtlicher Satz existent w i r d 3 8 . Man stellte mehr oder minder willkürliche Voraussetzungen auf, von deren Zutreffen der Bestand (oder die Anerkennung) des Gewohnheitsrechts abhängig sei, während doch die wirkliche Geltung des ungesetzten Rechts die primär zu erschließende Tatsache ist, an welche sich als sekundäre Frage die nach den historischen und psychologischen Grundlagen dieser Geltung anreiht. Ein derartiges Vorgehen war natürlich geeignet, das Gewohnheitsrecht auf ein Minimum zu reduzieren. Auch dieses vollständig zu beseitigen, war das begreifliche Streben des die Konzentration alles Rechts anstrebenden Staates. Der Fehler lag nur darin, daß man hierin eine Rechtsfrage erblickte, während es sich in Wahrheit um eine Machtfrage handelt, daß man also das Gewohnheitsrecht durch eine bloße Anordnung des Gesetzes aus d$r Welt schaffen zu können glaubte. Das Deutsche Bürgerliche Gesetzbuch hat diesen Fehler glücklich vermieden. Der Kampf um die Verstaatlichung des Rechts, welcher mit der Entwicklung des Absolutismus, mit der Umgestaltungkleiner Territorien zu großen Staatsgebieten und mit der Verdrängung des einheimischen Rechts durch die fremden Rechte eng zusammenhängt, hat sich in der Hauptsache 38
Vgl. J u n g ,
„Positives" Recht 4 ff.
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bloß auf privatrechtlichem Gebiet abgespielt. Die Frage aber, ob es neben dem gesetzten auch ein ungesetztes Recht gibt, kehrt auch im öffentlichen Recht wieder. Hier geht es nun freilich nicht an, gerade nur das gesetzte als das staatliche Recht zu bezeichnen. Denn das Verwaltungsrecht wird von der Verwaltung gehandhabt, und sofern es sich um die staatliche Verwaltung handelt, ist das Recht, das sie handhabt, staatliches Recht, mag es nun gesetztes oder ungesetztes Recht sein. Schon dieser Umstand deutet darauf hin, daß die ablehnende Haltung, welche die Theorie dem privatrechtlichen Gewohnheitsrecht gegenüber eingenommen hat, im öffentlichen Recht deplaziert wäre. Dazu kommt aber noch ein weiterer Punkt. Die zivilistische Theorie kann sich über die Tatsache, daß das wirkliche Leben dem Gesetze nicht entspricht, hinwegsetzen, indem sie darauf verweist, daß noch niemals ein Gesetzgeber damit gerechnet hat, daß seine Anordnungen auch in jedem einzelnen Fall Beachtung finden werden. Um gegen Gesetzwidrigkeiten einzuschreiten, sind ja die Gerichte geschaffen worden. Daß jemand tatsächlich in seinem Besitz gestört wird, beweist nicht, daß eine derartige Störung erlaubt ist. Das Recht bewährt sich hier nicht in der Befolgung des Gesetzes, sondern in der Ahndung des gesetzwidrigen Verhaltens : das Gericht gibt der Besitzstörungsklage statt. Natürlich kann das (Zivil-) Gericht dem Gesetze nur dann Geltung verschaffen, wenn es von der Partei angerufen wird. Wenn also ζ. B. das Ehevermittlungsgewerbe blüht, obwohl das Gesetz den Vertrag, mittels dessen „etwas für die Unterhandlung eines Ehevertrages bedungen wird", für ungültig erklärt (§ 879 ABGB.) 3 9 , so ist das eben darauf 39
A u f diesen Paragraphen hat sich ein Heiratsvermittler berufen, dem von seinem Gewerbe eine Erwerbsteuer vorgeschrieben werden war. Der Verwaltungsgerichtshof ( B u d w i n s k i 2023 F) hat die Beschwerde gegen die Steuervorschreibung zurückgewiesen. A n dem Vorhandensein einer
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zurückzuführen, daß die Parteien die Ungültigkeit des Vertrags nicht gerichtlich geltend machen. Würde der Richter mit der Sache befaßt werden, so würde er dem Gesetze gemäß erkennen. Die unzähligen Verträge, welche die Ehevermittler abschließen, sind etwas rein Tatsächliches, sie vermögen den vom Gesetze aufgestellten Rechtssatz nicht zu erschüttern. Schwieriger gestaltet sich die Sache freilich dann, wenn sich das G e r i c h t s e l b s t über das Gesetz hinwegsetzt, sei es, daß es dem Gesetz geradezu zuwiderhandelt 40 oder daß es von der Strenge des Gesetzes keinen Gebrauch macht 4 1 oder daß es durch mehr oder minder gewagte Interpretationskünste das Gesetz überwindet 42 . steuerpflichtigen Beschäftigung könne nicht gezweifelt werden, da der Beschwerdeführer ausdrücklich zugegeben habe, daß er Heiratsvermittlungen seit einer Reihe von Jahren berufsmäßig betreibe, dafür entlohnt werde und daraus seinen Lebensunterhalt beziehe. — Vgl. J u n g a. a. 0 . 11. 40 W e n n eine Ehe wegen Impotenz für ungültig erklärt werden soll, so muß die letztere bewiesen sein. „ L ä ß t sich m i t Zuverlässigkeit nicht bestimmen, ob das Unvermögen ein immerwährendes oder bloß zeitliches sei, so sind die Ehegatten noch durch ein Jahr zusammen zu wohnen v e r b u n d e n und hat das Unvermögen diese Zeit hindurch angehalten, so ist die Ehe für ungültig zu erklären." (§ 101 ABGB.) Hiezu bemerkt K r a i n z - Ρ f a f f - E h r e n z w e i g , System d. öst. allg. Privatrechts 2 4 436: „ D i e Praxis v e r z i c h t e t auf dieses mittelalterliche Erbstück, um den Ehegatten e i n e v o m e t h i s c h e n S t a n d p u n k t e v e r w e r f l i c h e , f ü r s i e h ö c h s t p e i n l i c h e S i t u a t i o n zu ersparen." Die Schlußworte sind einer oberstgerichtlichen Entscheidung entnommen. Das Gericht „verzichtet" also auf die Befolgung eines Gesetzes, w e i l es die gesetzliche Bestimmung für verwerflich h ä l t ! 41 Hier k o m m t nicht nur die regelmäßige Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts ( S p i e g e l i n Grünhuts Z. 3(>, 27 f.) i n Betracht, sondern auch die bei weitem zurückhaltendere Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen über Aufstand, A u f r u h r , Aufwiegelung usw. 42
Vgl. W u r z e l , Das juristische Denken 16 f. G n a e u s F l a v i u s , Der K a m p f um die Bechtswissenschaft 22 ff. O . M a y e r , Die Entschädigungspflicht des Staates nach Billigkeitsrecht 16, 21 spricht von „den verwegensten Zurechtbiegungen zivilrechtlicher Rechtssätze" und von „ V e r renkungen und Ausreckungen der zivilrechtlichen Rechtsinstitute".
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Aber auch hier hilft man sich mit der Erwägung, daß es nicht bloß richtige, sondern auch falsche Urteile gibt. Das Gesetz gilt auch dann, wenn es unrichtig angewendet oder ausgelegt worden ist. Es entspricht durchaus der privatrechtlichen Denkweise, die gerichtlichen Entscheidungen und Beschlüsse als i s o l i e r t e Erscheinungen aufzufassen, die durch kein inneres Band zusammengehalten werden. Das eine Mal wird das Gesetz richtig, das andere Mal unrichtig angewendet. Aber immer beschränkt sich die Bedeutung des Urteils auf einen konkreten Fall, so daß eine unrichtige Gesetzesanwendung nicht über diesen Fall hinaus wirken kann. So ist das Verhalten des Gesetzes gegenüber Präjudizien genau das gleiche wie gegenüber dem Gewohnheitsrecht 4 3 . Damit steht freilich die Sorge für die Gleichförmigkeit der Rechtsprechung, welche zur Schaffung von Spruchrepertorien und Judikatenbüchern geführt hat, nicht im Einklang. Dieselben Erwägungen, welche zu den großen Kodifikationen des Privatrechts geführt haben, sprechen auch für eine einheitliche Rechtsprechung und diese kann nur erzielt werden, wenn der einzelne Richter nicht bloß das Gesetz, sondern auch die Judikatur in Betracht zieht, wenn er sich also dort, wo die Judikatur vom Gesetze abweicht, an die Rechtsprechung hält und nicht an das Gesetz. "Wir würden es in Österreich gewiß als unerträglich ansehen, wenn ein Strafrichter zu den von der Praxis durch weitherzige Anwendung des außerordentlichen Milderungsrachts überwundenen harten Strafsätzen des Strafgesetzes zurückginge. Tatsächlich rechnen wir mit einer gewissen K o n s t a n z der Judikatur. Und wenn „auch der faktisch feste Gerichtsgebrauch stets als wandelbar, nicht aber als bindend und unwandelbar angesehen wurde" 4 4 , so beweist dieses 43 44
Vgl. § 12 A B GB. Ρ f e r s c h e, Grundriß der allg. L e h r e n des bürg. Rechts i n F i n g e r -
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Argument nicht viel, weil ja auch das gesetzte Recht wandelbar ist und weil die Wandlung des ungesetzten Rechts natürlich in anderer Weise vor sich geht, als die Wandlung des Gesetzesrechts 45. Gehen wir nun aber zum Verwaltungsrecht über, so macht hier die vom Gesetz abweichende oder durch das Gesetz nicht gedeckte Verwaltungstätigkeit weit größere Schwierigkeiten als im Privat- und im Strafrecht. Eine Isolierung der einzelnen Äußerungen der Verwaltung läßt F r a n k l s Gründl·, d. öst. I i . 5. Vgl. auch P f e r s c h e i n Österr. S t W B . 2 2 566. 45 E i n e Änderung der J u d i k a t u r w i r d sich i n der Regel allmählich vollziehen, so daß man den Tag, an welchem die Rechtsprechung eine andere geworden i s t , nicht präzis bestimmen kann. Ausnahmsweise kann aber auch eine einzige Entscheidung eine sofortige W e n d u n g der J u d i k a t u r herbeiführen. Über einen solchen F a l l kann ich aus meiner eigenen Praxis berichten. Der oberste Gerichtshof hatte i n den Achtziger Jahren des vorigen Jahrhundets wiederholt entschieden, daß die i n der Z e i t vor 1799 entstandenen Geldforderungen ohne Rücksicht auf das Finanzpatent nach dem für die Konventionsmünze gültigen Maßstabe zu berechnen seien. Diese Rechtsanschauung machten sich die Gläubiger (zum großen T e i l e Kirchen und kirchliche Institutionen) zu Nutze und forderten, wenn die Schuldner nicht f r e i w i l l i g darauf eingingen, i m Klagswege die Anerkennung des Umrechnungsmaßstabes: 1 fl. = 1 fl. Konv. M . = 1 fl. 05 kr. öst. W . A l s Fiskalbeamter hatte i c h derartige Klagen i n großer Z a h l überreicht und weitere Klagen vorbereitet. D a wurde die ganze A r b e i t m i t einem Male überflüssig. A m 15. Jänner 1890 änderte der oberste Gerichtshof seine Ansicht und stellte sich auf den Standpunkt der Schuldner d. h. er akzeptierte den Umrechnungsschlüssel : 1 fl. = 1 fl. W i e n e r W h g . = 42 k r . öst. W . D i e Praxis hatte sofort die richtige Empfindung, daß es sich n i c h t um eine sporadische Entscheidung handle, sondern u m eine e n d g ü l t i g e Änderung der Judikatur. D i e neue Entscheidung w i r k t e i n der T a t wie ein neues Gesetz. E m p f i n d l i c h wurden dadurch n a t ü r l i c h jene Schuldner getroffen, die bereits durch Vergleich oder U r t e i l zur Z a h l u n g der Jahresraten i n dem höheren Ausmaße (250 °/o!) verpflichtet worden waren. Sie suchten dagegen auf verschiedene Weise anzukämpfen: m i t Restitutionsklagen, Klagen wegen schlechter rechtsfreundlicher Vertretung, Syndikatsk l a g e n , m i t der condictio i n d e b i t i wegen zu hoher Raten- oder Zinszahlungen. Es war aber meines Wissens alles vergebens. V g l . M e η s i i m Öst. S t W B . 22 68 fr.
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sich hier nur in sehr beschränktem Maße durchführen. Und die Tatsache, daß die Regeln, nach denen die Verwaltung g e f ü h r t wird, nicht durchaus zusammenfallen mit den Regeln, nach denen sie das Gesetz g e f ü h r t w i s s e n w i l l , kann nicht einfach ignoriert werden. Es ist sicher etwas ganz anderes, wenn einzelne Individuen dem Gesetze zuwiderhandeln, als wenn es die Verwaltung tut. Dabei ist selbstverständlich von e i n z e l n e n Kontraventionen abzusehen, die sich diese oder jene Behörde in dem einen oder anderen Fall zuschulden kommen läßt. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß die Verwaltung selbst geradeso, ja in noch größerem Maßstab, als die Justiz gewisse Grundsätze herausarbeitet, an die sie sich hält, mögen diese nun mit dem Gesetz übereinstimmen oder ihm wenigstens nicht widersprechen, oder mögen sie geradezu gesetzwidrig sein, daß ferner die Organisation der Behörden Wandlungen durchmacht, die häufig vom Gesetz im Nachhinein ratihabiert werden, die aber auf die Bedürfnisse der Praxis zurückzuführen sind 4 6 . Man könnte darüber leichter hinweggehen, wenn im Verwaltungsrecht das dispositive Recht eine größere Rolle spielen würde. Wenn sich der privatrechtliche Verkehr auch noch so sehr von jenen Linien entfernt, die ihm das Gesetz vorzeichnen wollte, so kann man sich zugunsten der fortdauernden Geltung des Gesetzes in vielen, ja in den meisten Fällen darauf berufen, daß die Parteien von ihrem Verfügungsrecht Gebrauch machen. Und man kann dann, wenn sich die Parteidispositionen nicht exakt nachweisen lassen, durch Annahme „stillschweigender Willenserklärungen" und sonstige Fiktionen nachhelfen ( E h r l i c h ) . Wenn der Verkehr neue Typen von Rechtsgeschäften erzeugt, welche das Gesetz nicht normiert oder überhaupt nicht vorhergesehen hat, so genügt 46
Vgl. oben 75 ff.
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wiederum die Berufung auf die vom Gesetze ganz allgemein zugestandene Vertragsfreiheit, um diese Rechtsgeschäfte zu erklären. Man beurteilt jeden einzelnen Fall eines solchen Rechtsgeschäfts so, als wäre er der erste, d. h. man fragt nicht, wie der V e r k e h r ein solches Rechtsgeschäft tatsächlich auffaßt, sondern welches die Intentionen der Parteien in diesem konkreten Fall waren. Derartige Erscheinungen nötigen also die Juristen nicht dazu, ein ungesetztes Recht anzunehmen. Nur schärfere Beobachter lassen sich dadurch in dem Glauben an die Richtigkeit der herrschenden Rechtsquellentheorie erschüttern. Im Verwaltungsrecht sind solche Argumentationen nur ausnahmsweise möglich. Es gibt keine „Verwaltungsfreiheit" in dem Sinne wie es eine privatrechtliche Vertragsfreiheit g i b t 4 7 . Die Verwaltung wird nach bestimmten Regeln geführt, und welches diese Regeln sind, läßt sich nur aus der Beobachtung gleichartiger Äußerungen der Verwaltung erschließen. Entweder stimmen diese Regeln mit denen des Gesetzes überein (gesetztes Recht) oder nicht: dann handelt es sich eben um ungesetztes Recht. Wäre die Theorie nicht einseitig vom Privatrecht ausgegangen, so hätte sie sich zum ungesetzten Recht von 47
A u f gewissen Gebieten läßt sich allerdings konstatieren, daß die Verwaltung durch Handhabung ihrer Dispositionsbefugnis typische Gestaltungen bestimmter Rechtsverhältnisse herbeiführt, so ζ. B. wenn die Baubehörde den Bauwerbern gewisse i m öffentlichen Interesse gelegene Bedingungen regelmäßig aufträgt, so daß jeder Bauwerber von vornherein m i t dieser A u f l a g e rechnen muß. D i e Bauordnung w i r d hier durch die Praxis ergänzt und, wenn es sich um eine Änderung der Bauordnung handelt, w i r d dann die A u f l a g e leicht als eine g e s e t z l i c h e Verpflichtung kodifiziert. Ähnliche Erscheinungen zeigen sich auch i n der Justiz. So war die Zwangsversteigerung i n der Josefinischen Gerichtsordnung nur ganz ungenügend geregelt worden. Trotzdem wußte jeder A n w a l t ganz genau, wie die Zwangsversteigerungen i n der Praxis vorgenommen w erden, welche Versteigerungsbedingnisse Aussicht auf Genehmigung haben, welche Bestimmungen über das V a d i u m , über die R e l i z i t a t i o n aufzunehmen sind usw. Die neue Exekutionsordnung hat dann an die von der Praxis bewirkte Detailregelung des Versteigerungsverfahrens angeknüpft.
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vornherein anders verhalten müssen, als es der Fall war. Nur das Privatrecht kann, ohne wesentlichen Schaden zu nehmen, den Satz gelten lassen: Quod non est in legibus, non est in mundo. Das Verwaltungsrecht aber kann nicht auf die Gesetze allein reflektieren, sondern es muß die l e b e n d i g e Verwaltung in Betracht ziehen, die ja ein viel günstigeres Beobachtungsobjekt bildet als das Verhalten der Bevölkerung in ihren privatrechtlichen Beziehungen. Wer ein offenes Auge für die Verwaltung hat, muß die Inkongruenz des in den Gesetzen enthaltenen Verwaltungsrechtsstoffes mit dem aus der Verwaltung selbst zu entnehmenden Recht zugeben, wenn er sich auch, wie die Dinge heute liegen, ein gesichertes und verläßliches Urteil nur über den Inhalt der Verwaltungsrechtsvorschriften verschaffen kann. Denn wir haben ja noch kaum begonnen, die sozialen Tatsachen des Verwaltungslebens in möglichst präziser Weise festzustellen. Wenn wir nun in der Verwaltung nicht ausschließlich gesetztes Recht finden, so würde es doch der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, die in der Verwaltung allenthalben und so auch hier zu Tage tritt, nicht entsprechen, wollten wir das ungesetzte Recht gerade als G e w o h n h e i t s r e c h t bezeichnen 48 . Gehen wir, wie es methodisch richtig ist, von dem wirklich geltenden und geübten Recht aus und werfen wir dann die weitere Frage auf, welches die historischen und psychologischen Grundlagen dieses Rechts sind, so werden wir sehr verschiedenartige Antworten erhalten: Häufig ist es der gesetzliche Imperativ, der das Recht unmittelbar erzeugt hat ; daneben kommen gewiß auch Rechtsüberzeugungen der beteiligten Faktoren, ferner ein mehr oder minder deutlich konstatierbares Herkommen (Obser48 Das Gewohnheitsrecht ist i n der T a t „eine A r t Futteral, i n welches man allerlei Recht von heterogenen Bildungsformen hineingesteckt hat". B e r g b o h m , Jurisprudenz und Rechtsphilosophie 1, 84.
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vanz, Praxis) in Betracht. Oft aber wird man ganz genau sagen können, daß irgend eine Entscheidung oder Verfügung einer Behörde, eine Instruktion, ein Normale usw. rechtsbildend gewirkt hat. Man darf nicht übersehen, daß es sich bei der "Würdigung der Bedeutung von solchen Verwaltungsvorschriften (Verordnungen, Instruktionen, Normalien usw.) um zwei vollständig verschiedene Fragen handelt, die freilich von der Theorie nicht auseinandergehalten werden : um die Frage, ob (und inwieweit) derartige Verwaltungsvorschriften nach dem Verfassungsrechte des betreffenden Staates Recht zu schaffen b e r u f e n sind, ob sie also nach cler Absicht des Gesetzgebers Recht schaffen s o l l e n , und um die Frage, ob (und inwieweit) sie t a t s ä c h l i c h auf die Rechtsbildung Einfluß nehmen 49 . Man kann die erste Frage verneinen und die zweite dennoch bejahen 50 . Wer wollte 49 Nach B e r g b o h m a. a. 0 . 549 kann eine Rechtsnorm nur dadurch entstehen, „daß i h r eine k o m p e t e n t e rechtbildende Macht . . . die Rechtsqualität verlieh". E s genügt also n i c h t , daß die M a c h t r e c l i t b i l d e n d ist. Sie muß auch zur Rechtbildung kompetent sein. W a s ist hier unter Kompetenz zu verstehen? I s t es rechtliche d. h. vom Rechte selbst verliehene Kompetenz, dann müßte jede Rechtsbildung m i t der Schaffung von Kompetenzregeln beginnen und auch dann wäre die Kompetenz zur Schaffung dieser Kompetenzregeln problematisch. I n W a h r h e i t k o m m t es natürlich nicht auf die Kompetenz, sondern auf die F ä h i g k e i t zur Rechtsbildung an. D i e Kompetenz k o m m t nur für die juristische W ü r d i g u n g des Rechtsbildungsprozesses i n F r a g e , nicht für das w i r k l i c h entstandene Recht. 50 D i e Frage, ob zur E r r i c h t u n g eines Ministeriums ein Gesetz notwendig i s t , ist i n Österreich bestritten. I c h möchte sie i m H i n b l i c k auf $ 11 l i t . 1 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung bejahen. Tatsächlich wurden aber i m Verordnungswege Ministerien geschaffen, deren Existenz nicht i n Abrede gestellt werden kann. (Auch das G. v. 27. J u n i 1908 N. 128 R G B l , hat keine prinzipielle Lösung der Frage gebracht.) E s w i r d sicherlich niemandem einfallen, bei der Darstellung des österreichischen Behördenorganismus das Eisenbahnministerium zu ignorieren, weil es nicht auf verfassungsmäßigem Wege geschaffen worden ist, und zu lehren, das Handelsministerium sei die oberste Verwaltungsbehörde i n Eisenbahnsachen, etwa m i t dem orientierenden Zusatz, daß die Praxis auf einem
S p i e g e l . Verwaltungsrechtswissenschaft.
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leugnen, daß in Österreich (und wohl auch in Deutschland) die autoritative Bedeutung einer Min is terialver Ordnung über die rechtliche Bedeutung, die ihr die Verfassung zugesteht, weit hinausgeht? Wenn es sich ζ. B. um die Durchführung eines neuen Gesetzes handelt, so werden, schon im Interesse des einheitlichen Vorganges, die Behörden geneigt sein, sich an einen, sei es auch gar nicht publizierten Ministerialerlaß zu halten, der rechtlich keine andere Bedeutung hat und haben will, als die Kundgebung der Ansicht des Ministeriums über die Art, wie das Gesetz zu handhaben ist. Aber dadurch, daß sich die Behörden die Ansicht des Ministeriums aneignen, wird das Gesetz von vornherein in einer ganz bestimmten Weise gedeutet. Es kommen Regeln zur Anwendung, die im Gesetze nicht enthalten sind. Das tatsächlich geübte Recht läßt sich, wenn man es auf seine Quellen zurückführt, nicht aus dem Gesetz allein, sondern nur mit Zuhilfenahme der durchaus nicht rechtsverbindlichen Ministerialverordnung entnehmen. Nicht darin liegt in einem solchen Falle die Bedeutung der Verordnung, daß sie veranderen Standpunkt stehe. A u c h der Wirkungskreis der einzelnen Ministerien erfährt i m Verordnungswege häufig Änderungen, die m i t dem Gesetz geradezu i m Widerspruch stehen. So wenig dieser Vorgang geb i l l i g t werden k a n n , so erzeugt er doch R e c h t . Die Gewerbeangelegenheiten sind mittelst einer Verordnung dem Handelsministerium zugewiesen worden. Die Gewerbenovelle von 1907 hat diese Kompetenzänderung im Nachhinein i n das Gesetz aufgenommen und ex tunc saniert. I n anderen F ä l l e n ist eine solche Sanierung des gesetzwidrigen Zustands nicht erfolgt. So wurden die Veterinärangelegenheiten, die nach dem Reichssanitätsgesetz von 1870 organisatorisch m i t den Sanitätsangelegenheiten vereinigt waren, i m Verordnungswege von diesen losgelöst. Der oberste Sanitätsrat verlor seine W i r k s a m k e i t in Veterinärangelegenheiten zu gunsten eines durch Verordnung geschaffenen Veterinärbeirats. W e n n man das tatsächlich g e l t e n d e Recht darstellen w i l l , so muß man sagen: Die Veterinärverwaltung steht n e b e n der Sanitätsverwaltung, trotzdem sie nach dem i n dieser Richtung n i e m a l s a b g e ä n d e r t e n Gesetz nur ein Zweig der Sanitätsverwaltung ist. (Das Gesetz vom 27. September 1901 X. 148 R G B l , hat die Trennung nur vorbereitet, nicht vollzogen.)
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pflichtende Kraft hat — vielleicht sind sich das Ministerium und die übrigen Behörden vollkommen über das Gegenteil klar —, sondern darin, daß sie tatsächlich die Grundlage der Verwaltungstätigkeit bildet. Umgekehrt wiederum kann ein Ministerialerlaß wirkungslos sein, wenn er „vom grünen Tisch" herrührt, wenn er mit den Bedürfnissen und Anschauungen der Praxis im Widerspruch steht. Ein solches Schicksal hat ζ. B. mancher Erlaß, welcher den Behörden eine besondere Strenge bei der Handhabung des Gesetzes einschärft. Wenn die österreichische Regierung die Richter wiederholt darauf aufmerksam gemacht hat, daß das ihnen vom Strafgesetze zugestandene außerordentliche Milderungsrecht nur eine Ausnahme ist und nicht zur Regel werden darf 5 1 , so hat sie damit unstreitig den Gedanken des Gesetzes richtig wiedergegeben. Aber eine derartige Mahnung hat die Praxis in keiner Weise beeinflußt, weil die Richter die harten Strafen des Strafgesetzes selbst nicht mehr angemessen finden. Dieses Beispiel bezieht sich allerdings nicht auf die Verwaltung, sondern auf die Justiz. Aber die autoritativen Kundgebungen der Regierung und der obersten Instanzen haben auch in Justizsachen eine je nach den Verhältnissen größere oder geringere Bedeutung. Ein schlagendes Beispiel bietet dafür die sogenannte „Fragenbeantwortung", welche anläßlich der Einführung der neuen Zivilprozeßgesetze in Österreich erschienen ist. Fragen, welche dem Justizministerium über Bestimmungen dieser Gesetze vorgelegt worden sind, wurden teils vom Ministerium selbst, teils vom obersten Gerichtshof beantwortet. Und die Antworten sind nicht nur im Justizministerialverordnungsblatt publiziert worden, sondern auch im Buchhandel erschienen 52. Es handelt sich hier sicherlich nur um ein 51 52
Vgl. oben N. 41. Vgl. P o l l a k , System d. öst. Zivilprozeßrechts 129. 12*
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Literaturerzeugnis. Das Ministerium hat ausdrücklich erklärt, daß eine authentische Interpretation nicht beabsichtigt sei. Trotzdem hat die Fragenbeantwortung die Judikatur außerordentlich beeinflußt. Sie enthält aber keineswegs blos Auslegungen zweifelhafter Gesetzesstellen, sondern auch Sätze, die nicht im Gesetze stehen oder die dem Gesetz geradezu widersprechen. So erklärt sie ausdrücklich, daß der im § 87 der Jurisdiktionsnorm aufgestellte Gerichtsstand der Niederlassung a n a l o g auf andere Fälle anwendbar ist. Die vom Gesetze (§ 7 ABGB.) aufgestellte Voraussetzung für eine analoge Gesetzesanwendung liegt nicht vor. Eine Lücke, wenigstens eine e c h t e Lücke ist im Gesetz nicht zu finden 58. Im Interesse der „logischen Geschlossenheit des Rechts" wäre § 87 Jur. N. überhaupt nicht notwendig, da zur Geltendmachung des klägerischen Anspruchs der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten genügt. Trotzdem nehmen der oberste Gerichtshof und das Justizministerium keinen Anstand, sofort nach der Erlassung der Jurisdiktionsnorm die gesetzliche Bestimmung aus Zweckmäßigkeitsgründen im Wege der Analogie zu ergänzen und die Praxis hat sich ihnen dabei angeschlossen. Noch merkwürdiger ist die Art und Weise, wie sich die Fragenbeantwortung über die Bestimmung hinwegsetzt, die die Zivilprozeßordnung über die Berechnung der Paritionsfristen trifft. Diese Fristen beginnen, wie § 409 ZPO. in nicht mißzuverstehender Weise festsetzt, „mit dem Tage nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils". Zweifelhaft kann dabei nicht sein, was das Gesetz sagen will, sondern nur, ob die Bestimmung des Gesetzes zweckmäßig ist. Der oberste Gerichtshof hat nun offenbar deshalb, weil er die gesetzliche Bestimmung nicht für zweckmäßig hielt, sein Gutachten in dem Sinne abgegeben, daß sich die Vorschrift 63
Z i t e l m a n n , L ü c k e n i m Recht 27.
181 des Gesetzes n i c h t auf den Fall bezieht, daß das Urteil ohne Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwächst. Daß das Gesetz diesen Fall übersehen konnte, ist schlechterdings ausgeschlossen. Wird ein Rechtsmittel eingebracht, so erwächst ja nicht die angefochtene Entscheidung in Rechtskraft, sondern es kommt in der höheren Instanz zu einer neuen Entscheidung. Gerade bei n i c h t a n g e f o c h t e n e n Urteilen hat es einen Sinn, zwischen der Zeit der Zustellung und dem Rechtskräftig wer den des Urteils zu unterscheiden. Natürlich wurde erst durch die restriktive Interpretation des obersten Gerichtshofs eine Lücke in das Gesetz hineingetragen. Denn nun entstand die Frage : Wie ist die Paritionsfrist zu berechnen, wenn ein Rechtsmittel nicht eingelegt wird? Und diese Frage wird denn auch sofort prompt beantwortet. Was nun den faktischen Rechtszustand betrifft, so gilt nicht § 409 ZPO., sondern die Fragenbeantwortung und es wäre ein arger Kunstfehler, wenn sich ein Anwalt auf das Gesetz verließe, in der Überzeugung, daß vor Ablauf der vom Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu berechnenden Paritionsfrist nicht exequiert werden könne. Ein anderes Beispiel : Mittels einer verfassungsrechtlich sehr bedenklichen, nicht einmal im Reichsgesetzblatt publizierten Verordnung ist der Vorgang bei der Bestrafung jugendlicher Personen geregelt worden 54 . Das Gericht hat von amtswegen Gnadenanträge zu stellen und mit der Vollstreckung des Urteils auszusetzen, bis über diese Anträge entschieden ist. Man kann die Unzulässigkeit der Einführung einer solchen Reform im administrativen Wege noch so lebhaft empfinden: über die Tatsache, daß die Gerichte im 54
Vgl. A . G r o ß i n Grünhuts Z. 3 4 , 412ff., L o h s i n g , Über bedingten Straferlaß 24 ff. Neuestens wurde die Jugendstrafgerichtsbarkeit gleichfalls i m administrativen Wege besonderen Gerichtssenaten übertragen (VO. vom 21. Oktober 1908). Vgl. L e d e r e r A l l g . Öst. Ger. Z. 1908, 387.
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Sinne der Ministerialverordnung vorgehen, und daß sich somit an das Strafverfahren gegen Jugendliche von amtswegen als ein neues Stadium das Begnadigungsverfahren anschließen kann, nach dessen Beendigung erst die Vollstreckung des Urteils in Frage kommt, kann man nicht hinweggehen. Sind nun derartige Erscheinungen am grünen Holz der Justiz wahrzunehmen, so sind sie natürlich im Verwaltungs recht noch viel häufiger. Die Verwaltungsbehörden sind ja nicht unabhängig wie die Gerichte und sie müssen die ihnen zukommenden Instruktionen, Normalien usw. befolgen, ohne ihre Gesetzmäßigkeit prüfen zu dürfen. Durch das Medium der Verwaltungsbehörden wirkt aber die Regierung auch nach außen. So sind ζ. B. für die tatsächliche Organisation der Unfallversicherungsanstalten, Arbeiterkrankenkassen, gewerblichen Genossenschaften, Sparkassen usw. die Musterstatuten von maßgebender Bedeutung. Und bei der Verfassung dieser Statuten verhält sich die Regierung dem Gesetzesrecht gegenüber ähnlich wie der römische Prätor, der propter utilitatem publicam neues Recht schuf adjuvandi vel supplendi vel corrigendi iuris civilis gratia. Natürlich ist das adjuvare und supplere häufiger als das corrigere 5 5 . Aber auch dafür lassen sich in den Musterstatuten Beispiele finden δβ. Vom rein theoretischen Standpunkt aus kann man ja sagen, daß die Musterstatuten bloß einen belehrenden Charakter haben. Ihre tatsächliche Bedeutung für das Verwaltungsrecht ist damit bei weitem nicht erschöpft. In vielen Fragen, die nach dem Gesetz zweifel55 Vgl. übrigens J u n g „Positives" Recht 34: „Das corrigere und supplere läßt sich für unser Recht gar nicht auseinanderhalten . . . F ü r ein Recht, das für alle Konfliktsfälle die Regel zu enthalten behauptet, ist die Lückenergänzung i m Grunde immer eine Abweichung vom überlieferten Recht." 56 Vgl. M e n z e l , Die Arbeiterversicherung nach österr. K. 374.
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haft sind oder die doch auf verschiedene Weise beantwortet werden könnten, bleibt es definitiv bei dem, was das Musterstatut darüber bestimmt 57 . Die Musterstatuten sind darum eine Rechtserkenntnisquelle und diesem Umstand verdanken sie ja die Beachtung, die ihnen die juristische Literatur schenkt 58 . In anderer Weise hat die österreichische Regierung ein Surrogat für ein Aktiengesetz geschaffen, nämlich durch das Aktienregulativ vom 20. September 1899. Dadurch sind „die Fesseln, durch die das Rechtsinstitut der Aktiengesellschaft bisher bedrückt und für das Kapital der Weg zu dieser Assoziationsform künstlich verlegt wurde", wesentlich gelockert worden 59 . Dieses Regulativ ist rein theoretisch betrachtet nichts anderes als ein R e g i e r u n g s p r o g r a m m . Es bringt zum Ausdruck, wie sich die Regierung künftig gegenüber den Gesuchen um Konzessionierung einer Aktiengesellschaft verhalten w i l l . Trotzdem steht G r ü n h u t (a. a. Ο. 226) nicht an, die darin enthaltenen Sätze als „Rechtssätze" zu bezeichnen: „Mag nun auch der eine oder der andere der neuen vielversprechenden Rechtssätze wirkungslos bleiben, das Regulativ ist jedenfalls mit Dank zu begrüßen." „Gestützt auf das Regulativ darf nun jedermann die begründete Erwartung hegen, daß die Staatsverwaltung einem Projekte, eine Aktiengesellschaft zu gründen, sobald die durch das Regulativ aufgestellten Kautelen sorgfältig beobachtet sind, das offizielle Exequatur der Genehmigung erteilen werde. Die Staatsverwaltung hat zwar nicht eine erzwingbare Rechtspflicht, sie hat aber die moralische Verpflichtung übernommen, bei der Erteilung 57
Vgl. M e n z e l a. a. 0 . 213. So wäre M e n z e l s eben zitiertes B u c h u n v o l l k o m m e n , wenn es nicht allenthalben auf die Musterstatuten Bezug nähme. Über die W a h l e n in den Vorstand der Unfallversicherungsanstalt enthält das österreichische Gesetz keine näheren Bestimmungen. Maßgebend hiefür sind die Statuten, die sich selbst wieder an das Musterstatut anschließen. M e n z e l 215. r 9 ' G r ü n h u t i n seiner Zeitschrift 31. 225. 58
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der Genehmigung ihr Ermessen an die von ihr im Regulativ hingestellte Regel zu binden." Die rechtsbildende Bedeutung des Aktienregulativs liegt aber darin, daß sich heute in Österreich jeder, der das Statut einer neu zu gründenden Aktiengesellschaft auszuarbeiten hat, an das Regulativ hält, so daß die Regierung n i c h t e i n m a l i n d i e L a g e k o m m t , andere als dem Regulativ (wenigstens im Großen und Ganzen) entsprechende Statuten zu prüfen. Das Angeführte genügt wohl zur Begründung der Behauptung, daß das wirklich geltende Recht von verschiedenen Seiten in die Verwaltung eingedrungen ist. Wollte man nur das aus dem Gesetz fließende Recht (dazu gehört natürlich auch jenes Recht, welches auf eine dem Gesetz vollkommen entsprechende Verordnung zurückzuführen ist) als Verwaltungsrecht anerkennen, so müßte man darauf verzichten, den tatsächlichen Erscheinungen auch nur einigermaßen gerecht zu werden. Gerade die Absonderung des Verwaltungsrechts vom Staatsrecht gewährt die Möglichkeit, umfassendere Studien über die verschiedenen Massen zu pflegen, aus denen sich unser Verwaltungsrecht zusammensetzt. Die bunte Fülle des Verwaltungslebens konnte natürlich einem so intimen Kenner der Verwaltung wie O t t o M a y e r nicht entgehen. Aber trotzdem hat er das ungesetzte Recht (bis auf verschwindend kleine Reste) sehr energisch aus dem Verwaltungsrecht eliminiert. Seine Beweisführung ist so charakteristisch für seine Rechtsauffassung, daß ich schon zur Vervollständigung meiner früheren Ausführungen auf sie eingehen muß, obwohl gerade diese Partie des M a y ersehen Werks bereits von S e i d l e r widerlegt worden ist™. Wie überall, so führt M a y e r auch hier 60
S e i d l e r , Z u r Lehre vom Gewohnheitsrecht österr. Staats- und Verwaltungsrechts 13 ff.
auf dem Gebiete des
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(1 131) die Parallele zwischen Justiz und Verwaltung durch. Die Justiz „kann ihrer Natur nach gar nicht anders tätig werden als auf Grund von Rechtssätzen. Fehlt gesetztes Recht, so muß sie nehmen, was tatsächlich seine Stelle vertritt, was bisher für solche Sachen als Recht gegolten hat in der Übung der Einzelnen und der das Recht handhabenden Behörden. Bei fehlender oder unvollkommener Rechtssetzung i s t also i m A m t s a u f t r a g des R i c h t e r s n o t w e n d i g eine solche V e r w e i s u n g enthalten. Und darin liegt eben die staatliche Anerkennung der tatsächlichen Übung, die sie zum Gewohnheitsrechte macht. Ganz anders die Verwaltung. Sie hatte im Polizeistaat ihre reiche und umfassende Tätigkeit kräftiglich entwickelt ohne Rechtsordnung in unserem Sinne. Der Rechtsstaat hat Rechtsordnung da hineingestellt durch die bindende Kraft des Gesetzes und die von ihm abgezweigten Rechtssetzungsformen. Aber niemals ist für die Verwaltung die Rechtsordnung so ganz ihre eigene Daseinsbedingung wie für die Justiz. Sie erscheint in ihr nur „möglichst" ; soweit kein Rechtssatz da ist, wird doch verwaltet und es ist auch gut. Die Verwaltung ist also im Gegensatze zur Justiz nicht darauf angewiesen, ein nicht gesetztes Recht in ihrem Gegenstande selbst zu suchen und aufrecht zu erhalten. Ja noch mehr! Wo gesetztes Recht fehlt, da ist das so gewollt und soll ordentlicher Weise so bleiben. Wenn kein gesetzlicher Rechtssatz besteht, der die Behörde zu gewissen Eingriffen in Freiheit und Eigentum ermächtigt, so beweist das, daß die gesetzgebende Gewalt solche Eingriffe nicht zulassen wollte." Zunächst fällt an diesen Erörterungen auf, daß M a y e r nicht untersucht, ob Gewohnheitsrecht g i l t , sondern, ob der Richter oder die Verwaltungsbehörde es b r a u c h t . Die Untersuchung wird also rationalistisch geführt. Der Richter soll nach Rechtssätzen entscheiden : er muß sie also nehmen,
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wo er sie findet. Die Verwaltung kann auch ohne Rechts sätze auskommen : darum ist sie auf ein nichtgesetztes Recht „nicht angewiesen". Wie es bei solchen Erwägungen geht, werden die Prämissen, die man braucht, um zu einem bestimmten Schluß zu gelangen, willkürlich geschaffen. Der Richter braucht Rechtssätze, also ist bei fehlender oder unvollkommener Rechtssetzung im Amtsauftrag des Richters n o t w e n d i g eine Verweisung auf das Gewohnheitsrecht enthalten. Ist das wirklich wahr? Erhält der Richter außer seinem Amt überhaupt noch einen A m t s a u f t r a g , der ihm sagt, welches Recht er anwenden soll? Hat er nicht die Rechtsqualität einer Norm, die Geltung eines Rechtssatzes selbst zu beurteilen ? Er ist doch in Ausübung seines Amtes rechtlich unabhängig. Wenn man aber auch diesen Einwand als zu formalistisch zurückweisen wollte, so muß man doch zugeben, daß die (logische) Notwendigkeit der Verweisung des Richters auf das Gewohnheitsrecht durch die Tatsache widerlegt wird, daß manche Kodifikationen dem Richter die Anwendung von Gewohnheitsrecht, sofern dieses nicht vom Gesetze berufen wird, geradezu verboten haben 61 . Immerhin ließe sich die Verweisung, die M a y e r in den Amtsauftrag des Richters hineinfingiert, noch ertragen. Aber ganz unannehmbar ist ihr verwaltungsrechtliches Gegenstück, die Fiktion, daß dort, wo in der Verwaltung gesetztes Recht fehlt, die Nichtexistenz des Rechts g e w o l l t ist. Das ist wohl das kühnste argumentum a contrario, das je aufgestellt worden ist. Denn es wird nicht aus einer einzelnen Gesetzesstelle oder aus einem einzelnen Gesetze, sondern aus der Gesamtheit der Verwaltungsgesetzgebung gewonnen. Würde übrigens ein solcher vom Gesetze nirgends ausgedrückter Wille auch nur die allergeringste verbindliche Kraft haben? Gegen die Verbindlichkeit eines 61
Vgl. die Angaben bei G i e r k e . Deutsches Privatrecht 1, 173f.
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i m G e s e t z e a u s d r ü c k l i c h a u s g e s p r o c h e n e n Ausschlusses des Gewohnheitsrechts wurden so gewichtige Einwendungen erhoben, daß sich das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch eines derartigen Ausspruchs, der sich noch im ersten Entwurf gefunden hat, enthielt, und der n i c h t ausg e s p r o c h e n e Wille des Gesetzgebers, daß kein Gewohnheitsrecht bestehen soll, sollte von Bedeutung sein? Der Wille der gesetzgebenden Gewalt ist aber erst das zweite Argument Mayers gegen das verwaltungsrechtliche Gewohnheitsrecht. I n erster Linie steht die Erwägung, daß für die Verwaltung die Rechtsordnung niemals so ganz ihre eigene Daseinsbedingung ist wie für die Justiz. „Sie erscheint in ihr nur möglichst 6 2 ; soweit kein Rechtssatz da ist, wird doch verwaltet und es ist auch gut." Ob ein solches Verwalten ohne Rechtssätze auch wirklich „gut" wäre, läßt sich bezweifeln. Gegen J e l l i n e k s Bemerkung, daß der platonische Idealstaat eine aus lauter Individualgeboten bestehende Rechtsordnung besäße, äußert sich M a y e r an anderer Stelle (1 92): „Dieser Staat stände aber noch nnter der Horde, deren Häuptling doch wenigstens ein rohes und unklares Gewohnheitsrecht auf die einzelnen Fälle anwendet." Ein idealer Zustand wäre also das Verwalten ohne Rechtsregeln nicht. Aber es handelt sich ja gar nicht darum, ob gewohnheitsrechtliche Sätze n o t w e n d i g , sondern ob sie vorhanden sind, und darauf geht M a y e r gar nicht ein 6 3 . Er entzieht aber seinen Aus62
Mehr als das Mögliche kann man nicht verlangen. A u c h dem Richter w i r d sein Verhalten nicht immer detailliert vorgezeichnet. A u c h er muß oft „nach pflichtmäßigem Ermessen i m Einzelfall das Gute und Nützliche schaffen", namentlich i n der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die j a M a y e r durchaus zur Justiz zählt. W e n n aber die Rechtsordnung in der Verwaltung „möglichst" zu erscheinen h a t , so widerspricht dem doch die Leugnung des gewiß m ö g l i c h e n Gewohnheitsrechts. 63 Gegen M a y e r s Ansicht, daß sich die Verwaltungsbehörden, wenn ihnen pflichtmäßiges Ermessen aufgetragen ist, nicht unter eine von anders-
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führungen sofort jeden Boden, indem er doch alte Gewohnheit als eine Rechtsquelle in die Gegenwart hineinragen läßt (1 132 f.). Die polizeistaatliche Verwaltung kennt, wie gesagt, keine „Rechtsordnung in unserem Sinne", folglich auch kein Gewohnheitsrecht. Aber es hat sich damals doch zivilrechtliches Gewohnheitsrecht entwickelt, vor allem über Ansprüche auf Ausgleichung, Schadensersatz, Rückerstattung, welche aus der Tätigkeit der Staatsgewalt den Untertanen gegen die Staatskasse erwachsen können. „Die so entstandenen Rechtssätze sind durch die Einführung des Verfassungsstaates nicht von selbst erloschen, es müßte denn sein, daß sie ihrem Inhalte nach irgendwie in Widerspruch stünden mit den neuen Grundlagen. Die Ansprüche, die sie begründen, werden im Zusammenhang der neueren Auffassung vom öffentlichen Recht und der damit verbundenen anderen Grenzziehung zwischen diesem und dem Zivilrechte in sehr vielen Fällen als Ansprüche öffentlichrechtlicher Natur anzusehen sein. Daraus folgt wieder nicht, daß die Rechtssätze, auf welchen sie beruhen, nicht mehr gelten. Vielmehr sind diese nunmehr entsprechend als Rechtssätze öffentlichrechtlicher Natur anzusehen." Trotzdem also weder der Polizeistaat noch der Verfassungsstaat ein verwaltungsrechtliches Gewohnheitsrecht kennen (mit gewissen Ausnahmen, die uns hier nicht interessieren), gibt es d o c h verwaltungsrechtliches Gewohnheitsrecht, welches aus der Zeit des Polizeistaats stammt. Nur freilich ist es damals zivilrechtliches Gewohnheitsrecht gewesen und erst durch die veränderte Auffassung vom öffentlichen Recht y e r w a l t u n g s r e c h t l i c h e s Gewohnheitsrecht geworden ! Es läge wohl näher zu sagen, daß auch der Polizeistaat eine Verwaltungsrechtsordnung gekannt hat, nur daß damals jene scharfe Scheidung von Zivil- und Verwaltungsrecht, die woher genommene bindende Regel stellen können, um sich der Pflicht und Verantwortlichkeit zu entziehen, vgl. S e i d l e r a. a. 0., 42.
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wir heute vornehmen, nicht gemacht wurde. Schon darum nicht, weil der ordentliche Richter in a l l e n Rechtssachen für kompetent erachtet wurde, mochten sie welchen Ursprung immer haben. Das war ja auch noch der Standpunkt jener Rechtsstaatstheoretiker, die die Verwaltungssachen dem Zivilrichter zuweisen wollten 6 4 . Aber das ist schließlich eine untergeordnete Frage. Wichtiger sind zwei andere Punkte. Zunächst die einschränkende Auslegung, die M a y e r hier an dem gewohnheitsrechtsfeindlichen Willen der gesetzgebenden Gewalt vornimmt. Das Gesetz will kein Gewohnheitsrecht. Aber das bezieht sich nur auf die Entstehung neuen Gewohnheitsrechts, nicht auf die fortdauernde Geltung alten Rechts. Ein bloß fingierter Wille läßt sich natürlich viel leichter mit einem beliebigen Inhalt erfüllen als ein wirklich erklärter. So haben ja auch die Naturrechtslehrer den Willen der Staatsgründer in der verschiedenartigsten Weise formuliert 65 . Ferner muß man aber doch fragen, ob das alte Gewohnheitsrecht, das in den Verfassungsstaat hineinragt, durch die Einführung konstitutioneller Zustände starr und unbeweglich geworden oder ob es auch weiterhin geradeso wandelbar und veränderlich geblieben ist wie alles Gewohnheitsrecht. Für die erstere Ansicht wird sich wohl kaum ein plausibler Grund vorbringen lassen. Es kann nicht ein „Normaljahr" aufgestellt werden, in welchem die Entwicklung des Gewohnheitsrechts ihren Abschluß gefunden hat. Ist aber dem alten Gewohnheitsrecht seine Entwicklungsfähigkeit geblieben, dann läßt sich selbst vom Standpunkte M a y e r s die Entstehung neuen Gewohnheitsrechts nicht in Abrede stellen. Unter den Ansprüchen gegen den Fiskus, die er anführt, spielen die Schadensersatzforderungen eine große Rolle. Gerade das 64 65
Vgl. oben 19 f. Vgl. oben 12.
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Schadensersatzrecht hat in den letzten Jahrzehnten sehr erhebliche Wandlungen mitgemacht. — Nebenbei bemerkt, ohne daß sich auch die gesetzliche Grundlage geändert hat. In Österreich praktizieren wir nach wie vor das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch; nur lesen wir es jetzt anders. — Sollten diese Wandlungen nicht auch auf die Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltung eingewirkt haben 66 ? 86
Nacli 0 . M a y e r ist „der Satz, daß der Staat Entschädigung schulde für die besonderen Opfer, die er auferlegt" a l t e s Gewohnheitsrecht (2, 349). Aus dem Polizeistaat haben w i r i h n überkommen. „ E r hat nichts, was den Grundsätzen der Verfassung und des Rechtsstaates widerspricht. Es besteht deshalb auch k e i n G r u n d , weshalb er aufgehoben sein sollte." Darnach wTären also die vielfachen Entschädigungsansprüche, die w i r heute dem Staate gegenüber zuzugestehen geneigt sind, nicht auf die immer stärker hervortretende Tendenz der Schadensausgleichung, auf die immer bewußter erfolgende Vernachlässigung des \ r erschuldensmoments zurückzuführen, sondern sie bestünden n u r deshalb zu Recht, weil sie m i t Verfassung und Rechtsstaat n i c h t i m W i d e r s p r u c h s t e h e n ! Ärger kann doch w o h l der Sachverhalt nicht verkannt werden. (Vgl. auch A n s c h ü t z , Der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen durch rechtmäßige Handhabung der Staatsgewalt 56, 66.) I n seiner späteren Schrift „ D i e Entschädigungspflicht des Staates nach Billigkeitsrecht" führt 0 . M a y e r (12) richtig aus, „daß nicht alles, was logisch als gleichberechtigte Billigkeitsforderung erscheint, unmittelbar gedeckt w i r d durch die gesetzlichen Einzelbestimmungen samt den weitestgehenden Formulierungen allgemeiner Entschädigungspflichten i n Gesetz und Gewohnheitsrecht. Es bleiben auf alle F ä l l e Lücken, größere oder kleinere, namentlich da es j a streitig sein kann, wie weit das Gewohnheitsrecht geht. A b e r man darf sich doch auch der Tatsache nicht verschließen, daß derartige L ü c k e n i n der AVirklichkeit des Rechtes sich auszufüllen vermögen und daß ein Billigkeitsrecht dafür ganz besonders günstige Bedingungen hat . . . ein Billigkeitsrecht . . . ist gen e i g t , von selbst zu entstehen als Gewohnheitsrecht und wo . . . diese F o r m der Rechtsschöpfung außer Anwendung gesetzt i s t , da genügt d e r R e c h t s h a n d h a b u n g irgend ein äußerlicher A n h a l t s p u n k t i m gegebenen Recht, u m die durch die B i l l i g k e i t gelieferten fertigen Regeln daran anzuknüpfen und sie m i t e i n e r e n t l e h n t e n R e c h t s s a t z k r a f t a u s zustatten." H i e r trägt der Verfasser dem Umstand Rechnung, daß sich das „ B i l l i g k e i t s r e c h t " vor unseren Augen a l l m ä h l i c h e n t w i c k e l t , daß es sich also nicht handelt um eine K o n s e r v i e r u n g polizeistaatlicher Rechtssätze, sondern um eine Fortentwicklung des m o d e r n e n Rechts. Darüber, daß der Gegensatz von ius strictum und ins aequum in der Tat m i t dem
191 — Es bedarf übrigens keiner komplizierten Beweisführung, um darzutun, daß M a y e r selbst das Gewohnheitsrecht gelten lassen muß. In der Lehre von der Polizeigewalt erklärt er, „daß die Rechtsidee der Polizei in der Tat einen nie ganz zu verwindenden Widerspruch enthält mit dem strengen Formalismus, in welchem der Rechtsstaat die Freiheit zu schützen vermeint" (1, 253). Auch „ohne gesetzliche Grundlage kann die Störung der guten Ordnung mit unmittelbarer Gewaltanwendung abgewehrt werden" (1, 252). Das Polizeirecht gründet sich auf „eine Pflicht, die wir ohne weiteres als eine selbstverständliche, angeborene ansehen: die nämlich, daß sie (die Untertanen) ihrerseits nicht störend eingreifen in die gute Ordnung des Gemeinwesens, vielmehr dafür sorgen, solche Störungen aus ihrem Lebenskreise heraus zu unterlassen und zu verhüten" (1, 251). Diese Pflicht bezeichnet er in der Folge (1, 276 f.) als die n a t u r r e c h t l i c h e Grundlage der Polizeigewalt. Was für ein Recht ist aber das Naturrecht? Gesetztes Recht ist es nicht. Es kann also nur ungesetztes Recht sein. Mayer liegt es gewiß ganz fern, das Naturrecht über das positive, staatliche zu stellen. Das Recht, das er darstellt, ist p o s i t i v e s Recht. Und wenn er von der naturrechtlichen Grundlage des positiven Rechts spricht, so will er damit wohl nur die gesetzliche Grundlage verneinen 67 . Die naturrechtliche Grundlage ist nichts anderes als die Überzeugung davon, daß die Pflicht, um die es sich handelt, als eine „selbstverständliche, angeborene" angesehen wird. Da haben wir ja doch gerade die Volksüberzeugung, die die ältere von ius scriptum und non scriptum eng zusammenhängt, vgl. Romanisten und Germanisten 11 ff.
Franken,
67 Vgl. 0 . M a y e r 1 , 348, wo von der Selbsthilfe des Einzelnen die Rede i s t : „Ohne besonderen Rechtstitel, von selbst ist er unter Umständen dazu befugt und w e n n d a s G e s e t z n i c h t s d a r ü b e r b e s t i m m t , gilt es als stillschweigend zugelassen n a c h N a t u r r e c h t . "
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Theorie für das Gewohnheitsrecht forderte ! Gerade bei den unzähligen Eingriffen der Polizeigewalt in die Freiheitssphäre des einzelnen spielt das Gewohnheitsrecht eine große Rolle. Nicht aus dem allgemeinen Satze, den M a y e r formuliert, können wir uns über das Polizeirecht informieren, sondern aus der Beobachtung der Praxis. Wir haben ein ziemlich sicheres Gefühl dafür, was die Polizei von uns fordern kann, welche Belastung oder Freiheitsbeschränkung „gewöhnlich" und welche „ungewöhnlich" i s t 6 8 . Der strenge Formalismus versagt hier in der Tat. Aber das Naturrecht würde uns auch nicht weiterbringen, ganz abgesehen davon, daß es der Naturrechtslehre sicherlich nicht gerade darum zu tun war, der Polizeigewalt des Staates als Rechtfertigung zu dienen. Wie weit die Freiheit des der Polizei unzugänglichen Privatlebens reicht, — heißt es 1, 259 — „ das ist vielfach durch die Sitte und Gewöhnung bestimmt, ohne daß man deshalb von Gewohnheitsrecht reden dürfte". Warum man das nicht darf, wird leider verschwiegen 69 . 68 Dazu gibt es privatrechtliche Gegenstücke. Muß ich meinem Dienstboten, der demnächst seinen Posten verlassen soll, Urlaub geben, damit er sich einen neuen Posten suchen könne, und wie oft muß ich es t u n ? Darüber bestehen i n Österreich, soviel m i r bekannt, lokale Gewohnheiten. Muß i c h , wenn ich eine W o h n u n g aufgekündigt habe oder wenn sie m i r aufgekündigt worden i s t , Mietlustigen die Besichtigung der W o h n u n g gestatten und i n welchen Stunden muß ich es t u n ? A u c h hier gilt bei uns Gewohnheitsrecht. Das Einführungsgesetz zur ZPO. setzt die Verpflichtung zur Gestattung der Besichtigung, obwohl sie durch kein Gesetz eingeführt w u r d e , v o r a u s , indem es der politischen Landesstelle die Befugnis einräumt, Bestimmungen darüber zu treffen, zu welcher Z e i t und i n welchem Umfange die Besichtigung gestattet werden muß (Art. XI). Vgl. S a v i g n y , V o m B e r u f unsrer Zeit für Gesetzgebung 3 1 3 : „So w i r d sich i n den meisten Städten für Dienstboten und Mietwohnungen ein besonderes Becht bilden und erhalten, gleich unabhängig von ausdrücklichen Gesetzen und von wissenschaftlicher Jurisprudenz''. 69
Vgl. S e i d l e r a. a. 0 . 3 0 f . : „ N u n ist aber nicht einzusehen, was Gewohnheiten, die sich i n der Rechtsanwendung herausgebildet haben, denn anderes sein sollen, als Rechtsgewohnheiten".
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Seine unverhohlene Abneigung gegen die' Annahme eines Gewohnheitsrechts zeigt M a y e r auch bei der Erörterung der Frage, warum die Verwaltung an die einzelnen Verwaltungsakte gebunden ist (1, 79). „Es wäre natürlich am einfachsten, wenn man sagen könnte: ein Rechtssatz bestimmt, daß es so sein muß. Aber wo ist der Rechtssatz ? Wenn man genauere Auskunft begehrt, wird man sicher zur Antwort bekommen: es sei Gewohnheitsrecht. Da wissen wir, was das bedeutet. Ehrlich gesprochen, erscheint es uns eben selbstverständlich, daß diese Gebundenheiten bestehen, alles andere ist nur Vorwand." Auch hier also wiederum die Berufung auf die Selbstverständlichkeit des Satzes: das schönste Beispiel für ein tief in der Uberzeugung der Volksgenossen wurzelndes Gewohnheitsrecht. Ist es ein bloßer „Vorwand", wenn man als nichtgesetztes Recht ausgibt, was aus dieser Überzeugung heraus als Richtschnur für das ganze Rechtsleben genommen wird? Die l e t z t e n Grundlagen des Rechts sind stets im ungesetzten Recht zu suchen. Auch der Satz von der Verbindlichkeit des Gesetzes gehört dem ungesetzten Recht an. Denn wäre das Gesetz nicht verbindlich, dann wäre doch auch jene Bestimmung des Gesetzes, welche diese Verbindlichkeit ausspricht, nicht verbindlich. Wenn die Theorie alles Recht, welches in der Verwaltung Geltung hat, das gesetzte wie das ungesetzte, wenigstens im Prinzip als das Material ansehen will, das sie zu verarbeiten hat — mit der Durchführung des Prinzips wird es wegen der fast vollständig fehlenden Vorarbeiten noch seine guten Wege haben —, so läßt sich nun freilich nicht leugnen, daß dann das Verwaltungsrecht noch mehr, als es schon jetzt der Fall ist, in bezug auf Präzision und Schärfe vom Privatrecht, wie dieses heute gepflegt wird, abstechen muß. Es ist das ein Punkt, dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen ist und der darum offen besprochen werden soll. S p i e g e l , A 7 erwaltungsrechtswissenschaft.
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Das Ideal des heutigen Juristen ist die restlose dogmatische Bewältigung des Rechtsstoffes und der Stolz des Zivilisten ist der Vorsprung, den er in dieser Richtung vor den übrigen Fachgenossen gewonnen hat 7 0 . Der beispiellose (und wohlverdiente) Erfolg, den L ab an d mit seinem Staatsrecht des deutschen Reiches erzielt hat, ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß es ihm geglückt ist, die staatsrechtlichen Begriffe ebenso sicher, scharf und bestimmt zu formulieren, wie es diePrivatrechtsjuristenzutungewohntsind. Die zivilistische Methode hat sich damit als die „juristische" schlechtweg bewährt. Auch auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts ist nur sie es, die juristisch wertvolle Erfolge verspricht. Wenn sich auch vereinzelte Stimmen gegen diese Ansicht erhoben haben, so neben G i e r k e insbesondere S t o e r k in seiner viel zu wenig gewürdigten Schrift „Zur Methodik des öffentlichen Rechts", so ist doch die seitherige Literatur den Spuren L a b a n d s solange blind gefolgt, als auf diese Weise ein wissenschaftlicher Ertrag erzielt werden konnte 7 1 . Nun scheinen wir den Höhepunkt bereits überschritten zu haben. Auf staatsrechtlichem Gebiet ist es 70 N i c h t m i t Unrecht spricht S t o e r k , Methodik 14 von einer „höheren Rangsklasse" des „Juristischen". 71 Stimmt nicht auch für die Zeit der unbedingten Herrschaft L a b a n d s c h e r Anschauungen mutatis mutandis, was L a n d s b e r g in Grünhuts Z. 28, 683 von der Z i v i l i s t i k des 19. Jahrhunderts sagt?: „ E i n eigentümliches zivilistisches Selbstbewußtsein, das i n dieser Abgeschlossenheit gar üppig wucherte und deshalb sich derselben freute, wie eines Vorzuges — wie sich wohl ein ähnlicher Sondergeist entwickelt i n abgelegenen Landesteilen, die ferne vom Weltgetriebe sich ihre provinzielle Eigenart und ihren provinziellen D ü n k e l i n liebevoller D u m p f h e i t züchten. M a n hatte genug zu Hause zu t u n , man fühlte sich wohl zu Hause und man war stolz auf dies „ z u H a u s e " ; die Spuren des alten Naturrechts waren da, u m vor dem Hinüberschielen über den Bretterzaun dieses Hauses abzuschrecken; fast hätte befürchten müssen, unter den Zivilisten nicht mehr als recht v o l l zu gelten, wer einen Ausflug über diesen Zaun hinaus i n das freie L a n d der Philosophie gewagt hätte; der Platz am heimischen Herde mochte darüber verloren gehen."
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insbesondere J e l l i n e k gewesen, dessen Schriften (vielleicht in höherem Maß als es der Autor beabsichtigt hat) die Aufmerksamkeit auf die von den juristischen Problemen niemals ganz zu trennenden politischen Fragen zurückgelenkt haben 72 . "Wo aber die Politik beginnt, dort hört das Scharfe, Präzise, Festumrissene von selbst auf. Die Theorie des Verwaltungs rechts ist jünger als die des Staatsrechts und darum hat sie noch nicht dieselben Entwicklungsstadien durchgemacht wie dieses. Erst in Otto M a y e r ist dem Verwaltungsrecht jener Theoretiker erstanden, welcher gleich L a b a n d feste, starre Rechtsbegriffe formuliert und damit den Systemen des Zivilrechts ein bewunderungswürdiges System des „Deutschen Verwaltungsrechts" zur Seite gestellt hat. Nur freilich war er von vornherein insofern im Nachteil, als das „Deutsche Verwaltungsrecht" selbst kein so einfacher Begriff ist wie das „Staatsrecht des Deutschen Reiches". Eine Darstellung des Verwaltungsrechts, die für die verschiedenen deutschen Staaten in gleicher Weise zutreffen soll, kann nicht zu so festen Ergebnissen führen wie die des Reichsstaatsrechts. Wenn dieser Umstand bei M a y e r nicht so sehr hervortritt, so ist das ein Beweis für die Genialität des Verfassers, der die einzelstaatlichen Besonderheiten vernachlässigt und an das ihm stets gegenwärtige Vorbild Frankreichs anknüpfend ein Verwaltungsrecht aus e i n e m Guß schafft, ein Verwaltungsrecht, das nur den einen Fehler hat, mit dem der einzelnen deutschen Staaten nicht ganz übereinzustimmen und es auch nicht zu erschöpfen. Daß es M a y e r in erster Linie um die Gewinnung fester Begriffe zu tun ist, hat er in einer scharfen Auseinandersetzung mit T e z n e r deutlich ausgesprochen: „Die ganze Arbeit der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft ist auf feste Abgrenzung ihrer Begriffe gerichtet und muß es sein, w e i l T
- Vgl. auch R e d l i c h i n Grünhuts Z. 30, 684f. 1 *
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es s i c h u m R e c h t s w i s s e n s c h a f t h a n d e l t . Wer nichts zu bieten hat als Begriffe, die dazwischen auch n i c h t zu passen brauchen, und gar noch solche Halbtöne, in denen alles zerfließt . . ., der, um es gelind auszudrücken, nimmt an jener Arbeit nicht t e i l " 7 3 . Auf die Gefahr hin, auch zu jenen gezählt zu werden, die an der Arbeit der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft nicht teilnehmen — T e z n e r s Gesellschaft könnte ich mir ja dabei gefallen lassen —, möchte ich mir doch die Frage erlauben: Worin liegt der W e r t der Begriffe, die die Rechtswissenschaft definiert? Die ganze Arbeit der Rechtswissenschaft ist auf die E r k e n n t n i s der Erscheinungen gerichtet, die sie beobachtet, u n d muß es s e i n , w e i l es sich um W i s s e n s c h a f t handelt. Der Wert der Rechtsbegriffe liegt also nicht darin, daß sie fest abgegrenzt sind, sondern darin, daß sie mit den tatsächlichen Erscheinungen, aus denen sie abgezogen sind, ü b e r e i n s t i m m e n . Sie können deshalb nur insoweit fest abgegrenzt werden, als eben diese tatsächlichen Erscheinungen selbst fest abgegrenzt sind. Wo es in der Welt der Tatsachen fließende Grenzen, Übergänge, Mischformen, „Halbtöne", gibt, dort darf auch die Wissenschaft vor der Konstatierung dieser Erscheinungen nicht zurückschrecken. Eine Naturwissenschaft, die den Begriff des Tieres von dem der Pflanze scharf abgrenzt, ist wertlos, solange sie nicht imstande ist, diese scharfe Grenze in der Natur aufzuweisen. Daß es sich auf dem Gebiete des Rechts anders verhält, darf nicht a priori angenommen werden. Wenn die Privatrechtswissenschaft trotzdem mit scharfen Rechtsbegriffen 73 Arcli. Öff. R. 17, 144. Der oben ausgelassene Zwischensatz lautet: „wie diese unglücklichen ,Rechtspflegeelemente' ". I m Arch. Öff. R. 10, 235 hat aber M a y e r selbst solche „ H a l b t ö n e " geboten: „ W e n n w i r die Verwaltung auf ihren Gehalt an R e c h t s e l e m e n t e n prüfen, kann es uns nicht entgehen, daß es noch anderes Recht gibt als gesetztes und durch Richterspruch geschütztes."
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operiert, ohne auf Hindernisse zu stoßen, so erklärt sich das einerseits aus den engen Grenzen, die sie sich selbst zieht, andererseits aus der eigentümlichen Art, wie die Privatrechte zur Geltung gebracht werden. In der einen Richtung ist nochmals darauf zu verweisen, daß sich die Privatrechtswissenschaft auf die Verarbeitung des G e s e t z e s r e c h t s beschränkt. Sie geht davon aus, daß das wirkliche Recht dem Gesetz entspreche, d. h. daß dasjenige wirklich Recht sei, wras das Gesetz als solches gelten lassen w i l l 7 4 . Die Nichtbefolgung oder Nichtbeachtung des Gesetzes betrachtet sie, wie schon oben (170) bemerkt, nicht als Beweis der Nichtgeltung des Gesetzes. Dagegen läßt sich auch insolange nichts einwenden, als man, wie es der zivilistischen Rechtsanschauung entspricht, die einzelnen konkreten Rechtsfälle isoliert betrachtet. Sobald man aber das Recht als eine s o z i a l e Erscheinung auffaßt, über die man sich nur aus der Beobachtung unzähliger Einzeltatsachen informieren kann, ändert sich das Bild. Denn von diesem Standpunkt aus kann man unterscheiden, ob das Gesetz nur hie und da unbefolgt bleibt, oder ob die Nichtbeachtung des Gesetzes zur R e g e l geworden ist, und man wird im letzteren Falle das Gesetz, weil es nicht wirkt, nicht als Quelle des g e l t e n d e n Rechts ansehen können. Ja, wenn man schärfer zusieht, wird man zur Erkenntnis gelangen, daß sich aus den Worten des Gesetzes nur selten ein Bild von dem wirk74 Vgl. E h r l i c h i n Hardens Z u k u n f t 14 (1906), 236: „ M e i s t n i m m t man an, es genüge ein Gesetz zu erlassen, um eine beliebige W i r k u n g zu erzielen. Das würde voraussetzen, daß jedes erlassene Gesetz auch tatsächlich gelte, daß es die beabsichtigten W i r k u n g e n und keine anderen als diese hervorbringe. A l l diese Voraussetzungen sind jedoch hinfällig. Unrichtig ist die Annahme, daß jedes erlassene Gesetz auch w i r k l i c h gelte. Man würde gar nicht glauben, wie sehr das unwirksame Recht das w i r k same überwiegt . . . Daß ein Rechtssatz aber die beabsichtigte W i r k u n g ganz verfehlt, daß er W i r k u n g e n erzeugt, die bei seiner Formulierung gar nicht geahnt wurden: Das erlebt man jeden Tag."
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liehen Recht gewinnen läßt, daß man vielmehr erst beobachten muß, was das Leben aus ihm macht 7 5 . Man wird dann finden, daß gesetztes und ungesetztes Recht nicht vollständig voneinander gesondert sind, sondern daß sie die mannigfaltigsten und verschiedenartigsten Verbindungen miteinander eingehen 76 . Die Überzeugung, daß es genügt, einen Imperativ auszusprechen, um das Leben zu beherrschen, es zu „meistern", wie G i e r k e sagt 77 , stammt aus der 75 Sehr charakteristisch ist ein Beispiel, das E h r l i c h a. a. 0 . 237 a n f ü h r t : Kaiser Joseph Π . w i r d i n Belgien als der verehrt, der dort das mündliche Prozeßverfahren eingeführt habe. „Das Gesetz, durch das dieses W u n d e r bewirkt wurde, war die allgemeine Gerichtsordnung, die viel verlästerte Josephina, die j a auch i n Österreich lange genug gegolten hatte, ohne daß i h r Jemand hier die F ä h i g k e i t , ein mündliches Verfahren zu schaffen, zutraute. D i e Gerichtsordnung bestimmt allerdings, daß ,auf dem Lande' . . . m ü n d l i c h zu verfahren sei." I n der österreichischen Praxis unterschied sich der ,mündliche' Prozeß nicht wesentlich von dem schriftlichen. A n die Stelle der Schriftsätze traten die Protokolle. „ I n den damals österreichischen Niederlanden hat man dagegen das mündliche Verfahren ernst genommen." „So führte dasselbe Gesetz i n Österreich zu einem protokollarischen und mittelbaren, in den Niederlanden zu einem mündlichen und unmittelbaren Verfahren ; nicht i m Gesetz, sondern in den V ö l k e r n lag der Unterschied." 70
Vgl. S a v i g n y , V o m Beruf usw. n 173 (Aus der Zeitschr. f. gesch. Rechtswiss. 3): „ . . . daß das Gesetzbuch zum Behuf der Anwendung doch wieder eine unsichtbare Umgebung von Gerichts gebrauch, D o k t r i n , oder wie man es sonst benennen w i l l , erhalten m u ß , die dann das eigentlich herrschende sein w i r d . . . E i n e solche geistige, unsichtbare Umgebung ist überall, auch bei dem reichhaltigsten und durchgreifendsten Gesetzbuch der wahre Sitz des lebenden Rechts . . . Das Preußische Landrecht ζ. B. verbietet ausdrücklich alle dem Gesetz derogierende Gewohnheiten und insbesondere alle Rücksicht auf den Gerichtsgebrauch und dennoch, so neu dieses Gesetzbuch auch ist, hat sich durch die Anwendung i n den Gerichten so vieles modifiziert, ergänzt, anders gestellt, daß das geschriebene Landrecht m i t dem i n den Preußischen Gerichten lebenden Recht keinesweges identisch ist. S o i s t es ü b e r a l l u n d s o m u ß e s ü b e r a l l b l e i b e n . . . Das schlimmste aber ist, sich über die Unvermeidlichkeit dieses Zustandes zu täuschen und von der vermeinten V o r t r e f f l i c h k e i t irgend eines neuen Gesetzbuchs sich zu der Meinung verleiten zu lassen, daß dasselbe in W a h r h e i t das Recht unmittelbar und ausschließend beherrschen werde.'' 77
Deutsches Privatrecht 1, 174.
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Denkweise des absolutistischen Staatswesens. Unsere Rechtswissenschaft ist noch ganz in dieser Denkweise befangen. Nur ist an die Stelle des absoluten Monarchen das absolute Gesetz getreten: Supremus rex legis voluntas 78 . Mag aber 78 So A n s c h ü t z i m Verw.-Arch. 14, 330. U n m i t t e l b a r vorher sagt A n s c h i i t z : „ W i r würden uns daher Anschauungen über die angeblich schon bestehende oder anzustrebende F r e i h e i t des Richters vom Gesetz . . . ebenso ergebenst wie dringend verbitten müssen, falls der bisher noch nicht unternommene Versuch gewagt werden sollte, sie auf das Verwaltungsrecht und seine Pflege zu übertragen." Hiezu möchte ich pro domo Folgendes bemerken: E i n Anhänger der „ F r e i h e i t des Richters vom Gesetz" als eines Rechtspostulats b i n ich nicht. (Vgl. G r ü n h u t s Z. 86, 16 f.) I c h konstatiere nur die T a t s a c h e der Nichtübereinstimmung des Lebens und der Rechtsprechung m i t dem Gesetz. Aber mag man i n dieser Frage welcher Ansicht immer sein : soviel läßt sich doch nicht bezweifeln, daß die Verwaltung der Möglichkeit, vom Gesetz abgelenkt zu werden, noch weit mehr ausgesetzt ist, als die Justiz. Der Nachweis, daß sich eine Verwaltung jemals m i t den gesetzlichen Anordnungen auch nur annähernd gedeckt h a t , müßte erst erbracht w erden. Jedenfalls handelt es hier um ein sehr ernstes P r o b l e m , das der wissenschaftlichen E r ö r t e r u n g bedarf, und darum dürfte es kaum zulässig sein, unliebsame Anschauungen, d i e , mag man sie auch selbst nicht teilen, doch zur Förderung der Diskussion erheblich beitragen, a limine auszuschließen. Es ist noch immer wirksamer gewesen, fremde A n schauungen zu bekämpfen, als sich sie zu „verbitten". Z u jenen Arbeiten, die geeignet sind, die E r ö r t e r u n g der einschlägigen Fragen zu befruchten, gehört übrigens gerade der gedankenreiche Aufsatz von A n s c h ü t z , i n dem sich die angeführte Stelle befindet. A n s c h ü t z gibt z u , daß „die Bedeutung des Gewohnheitsrechts i m Verwaltungsrecht überhaupt und insbesondere als lückenausfüllender F a k t o r " keineswegs ganz gering i s t , daß die Verwaltung „die M ö g l i c h k e i t h a t , sich auf Gewohnheitsrecht zu berufen", daß die Verwaltungspraxis unter Umständen dazu beitragen kann, „daß ein lückenfüllender Gewohnheitsrechtssatz entsteht", daß die Gesetzesanwendung i m Verwaltungsrecht so w r enig wie i m Z i v i l - und Strafrecht am W o r t e kleben darf. Trotzdem hält er aber die Analogie i m Verwaltungsrecht überall für ausgeschlossen, soweit dadurch die Rechte der Verwaltung über das, was i m Gesetze steht, hinaus erweitert werden sollen. W o läßt sich da eine einigermaßen sichere Grenze ziehen ? F r e i h e i t der Auslegung, Möglichkeit des Gewohnheitsrechts und doch Ausschluß der Analogie? Einen Notstand der Verwaltung läßt A n s c h ü t z nicht gelten. „ W a s die Verwaltung nach Lage der Gesetzgebung nicht darf, das darf sie auch unter keinen Umständen, auch nicht unter solchen, i n denen ihre Organe einen dringenden Notstand erblicken." Aber wenn das Etatsgesetz nicht zustande
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das Gesetz auch ein noch so bedeutsamer Faktor sein, so reicht es doch f ü r s i c h a l l e i n nicht aus, um das Leben zu beherrschen, schon darum nicht, weil es scharfe Grenzen zeichnet, präzise Begriffe formuliert, während sich im Leben immer Übergänge, Zwischenstufen, mehr oder minder breite Grenzstreifen finden. Gewiß ist jede Wissenschaft darauf angewiesen, mit Begriffen zu arbeiten und die wissenschaftliche Arbeit ist um so leichter, je schärfer sich die einzelnen Begriffe voneinander abheben. Aber diese Begriffe müssen aus dem Leben abgeleitet, sie dürfen nicht in das Leben hineingetragen werden. Was speziell die Rechtswissenschaft betrifft, so wird sie, auch wenn sie das wirkliche Rechtsleben beobachtet, sicherlich bemüht sein, ihren Begriffen einen möglichst festen Kern zu geben und sie wird dadurch — innerhalb gewisser Grenzen — auch das Leben zu beeinflussen vermögen. Ich halte es für eine durchaus legitime Aufgabe der (praktischen) Rechtswissenschaft (und nicht bloß für eine erwünschte Nebenwirkung), dem Rechtsleben vorauszueilen, durch Bildung brauchbarer Rechtsbegriffe dem Verkehr und der Verwaltung vorzuarbeiten. I n dieser Richtung hat gewiß auch M a y e r s Verwaltungsrecht höchst verdienstlich gewirkt. Aber die Hauptsache ist auch für die Rechtswissenschaft doch immer, mit dem Leben in Fühlung zu bleiben, selbst dann, wenn es nur auf Kosten der Schärfe und Präzision ihrer Begriffe möglich ist. Eine Rechtswissenschaft ζ. B., welche die scharfen Altersgrenzen des Gesetzes einfach übernimmt, ohne sich darum zu kümmern, wie sich der Verkehr mit kommt, so kann selbstverständlich die Verfassung „ n i c h t wollen, daß das Staatsleben stillsteht. Also kann sie auch nicht w o l l e n , daß die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben, die Finanzverwaltung, stillsteht 1 - . I s t das nicht also doch auch ein Notstand der V e r w a l t u n g ? Lassen sich überhaupt Verfassungs- und Verwaltungsrecht so scharf auseinanderh a l t e n , vor a l l e m , wenn man m i t A n s c h ü t z die Verfassungsgesetze i m f o r m e l l e n Sinn versteht?
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ihnen abfindet 79 , oder die die Menschen, weil das Gesetz es tut, in geistig Gesunde und Geisteskranke einteilt, ohne die Unmöglichkeit einer scharfen Scheidung dieser Gruppen zu empfinden und ohne von dem Verhalten des Verkehrs in dieser Richtung Notiz zu nehmen, steht trotz der Präzision und Tadellosigkeit ihrer Begriffe wohl kaum auf der Höhe ihrer Aufgabe. Die Möglichkeit aber, sich auf die wissenschaftliche Verarbeitung des Gesetzesstoffs zu beschränken, hat die Privatrechtstheorie dadurch gewonnen, daß sie die Geltung des Gesetzes nicht im Leben sucht, sondern im Gerichtssaal (vgl. oben 171). Allerdings kommt es ja in den wenigsten Fällen zu einer gerichtlichen Entscheidung 80 . Aber wenn der Richter angerufen wird, so kommt eben das Gesetz zur Anwendung 81 . Die scharfen Distinktionen des Gesetzes bringt der Richter zur Geltung, ohne sich um die Regeln 79
Vgl. I l i e r i n g , Scherz und E r n s t 89 f.: „ K e i n Kellner w i r d A n stand nehmen, einem Leutnant die bestellte Flasche W e i n zu bringen, ohne zu fragen, ob er nicht vielleicht trotz seines Schnurrbarts noch minderj ä h r i g und trotz seiner i h m bekannten glänzenden Vermögens Verhältnisse kein bares Geld i n der Tasche hat. I s t letzteres unglücklicherweise der F a l l oder hat der Gast bloß vergessen, zu zahlen, so ist der bedauernswürdige Kellner verdammt, den L e u t n a n t bis auf den Betrag der Bereicherung i m Moment der L i t i s k o n t e s t a t i o n i n Anspruch zu nehmen! Dieser Ansicht zufolge müßte der A r z t , der des Nachts zu einem Kranken gerufen wird, um sicher zu gehen, sich erst erkundigen, ob letzterer nicht vielleicht minderjährig sei, i m Bejahungsfalle aber erst den K u r a t o r aus dem Bett holen lassen, damit er seine Genehmigung erteile ; dasselbe müßte der Apotheker tun, bevor er die Medizin verabfolgte . . . Daß alle diese guten Leute dies nicht t u n , daß sie von der Geltung eines so abnormen Rechtssatzes regelmäßig keine A h n u n g haben, bis sie für schweres Geld seine Bekanntschaft machen, davon kann das tägliche Leben jeden überzeugen." Hinzuzufügen wäre w o h l , daß auch Geschäftsleute, welche die gesetzlichen Bestimmungen sehr gut kennen, i m Interesse ihres Geschäftes m i t Minderjährigen kontrahieren. Sie nehmen das Risiko, daß sie i n dem «inen oder anderen F a l l zu Schaden kommen, eben auf sich. 80 Vgl. E h r l i c h , D i e Tatsachen des Gewohnheitsrechts 7. 81 E h r l i c h , Zukunft 14, 232.
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kümmern zu dürfen, die etwa der Verkehr erzeugt hat. Die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß sich die nach dem Gesetze rechtlich relevanten Tatsachen überhaupt nicht feststellen lassen — Beklagter besitzt die Sache schon geraume Zeit. Ob aber die Ersitzungsfrist bereits abgelaufen ist, kann er nicht angeben. Die Parteien haben einen Vertrag mit einander abgeschlossen. Aber gesprochen wurde dabei wenig. Die Einzelheiten ihres Willens lassen sich darum nicht ermitteln —, werden bloß als tatsächliche (quaestiones facti), nicht als rechtliche Schwierigkeiten angesehen. Insbesondere sind es da die Vorschriften über die Beweislast, welche über die Klippe hinweghelfen. Wer nicht beweisen kann, was er zu beweisen hat, unterliegt, auch wenn er t a t s ä c h l i c h im Rechte ist. So kommt es also, daß das Gesetz über das Leben siegt, daß die Rechtsanwendung geradeso mit scharfen, präzisen Begriffen und Formeln arbeiten kann, wie das Gesetz. Aber freilich: So ganz einfach ist die Sachlage doch nur gewesen, so lange die Grundsätze des gemeinrechtlichen Prozesses gegolten haben. Das in unzähligen Erscheinungen und Formen unaufhörlich fluktuierende Leben wurde damals vom Gericht systematisch ferngehalten. Konnte man auch nicht das Leben meistern, so meisterte man doch die Justiz. Man stellte sehr präzise Beweisregeln auf, so zwar, daß es nicht darauf ankam, ob die Partei eine Tatsache faktisch, sondern ob sie sie r e c h t l i c h (gerichtsordnungsmäßig) beweisen konnte. Man sperrte den Richter von den Parteien so hermetisch ab, daß nicht einmal der Instruktionsrichter, der immerhin noch mit ihnen verkehren mußte, zugleich Erkenntnisrichter (Rotelrichter) war 8 2 . Man verbot dem 82
Vgl. § 135 der Gerichtsinstruktion vom 3. M a i 1853 N. 81 RGBl. Nach § 130 der Ger. Instr. war die nötige Vorsicht zu gebrauchen, daß der zur Entscheidung eines inrotulierten Prozesses bestellte Referent der
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Richter die Verwertung alles dessen, was er etwa selbst von den tatsächlichen Vorgängen des Lebens wußte. Man verwies ihn auf den rotulus actorum, der ihm allein die "Welt bedeuten durfte: Quod non est in actis, non est in mundo. Die Akten und das Gesetzbuch waren das alleinige Substrat für das Urteil. So lagerte sich über die privatrechtliche Schicht der Rechtsnormen eine zweite prozeßrechtliche, und diese wenigstens zeigte die gewünschte Übereinstimmung von Gesetz und Recht. Der Prozeß wies in der Tat jenen strengen Formalismus auf, den das Gesetz ihm vorgezeichnet hatte. Der Urteilsfinder stellte eben darum nicht die Wahrheit fest, sondern die f o r m e l l e Wahrheit. Das moderne Prozeßrecht hat diesem Zustand ein Ende gemacht und damit eine Reform vollzogen, deren Tragweite man sich, wie ich glaube, noch lange nicht klar gemacht hat. Die Persönlichkeit des Richters, die durch die Prozeßmathematik des alten Rechts aus der Rechnung eliminiert worden war, so daß sie das Kalkül nicht beeinflussen konnte, ist nun bedeutsam geworden. Dadurch, daß der Richter aufgehört hat, ein Automat zu sein, daß er sein privates Wissen auch im Gerichtssaal nicht zu verleugnen braucht, daß er die ihm geeignet scheinenden Fragen an Parteien und Zeugen stellen kann und nicht auf sententionierte Eide, Weisartikel, Fragstücke usw. angewiesen ist, daß er nicht die handgreiflichsten Lügen für wahr halten muß, weil sie vom Gegner nicht (oder vielleicht auch nur nicht rechtzeitig) widersprochen worden sind, hat das Gesetz die unmittelbare Herrschaft über den Prozeß verloren. Gesetz u n d Richter sind jetzt die beiden Faktoren, auf die es ankommt. Das Gesetz hat denn auch selbst in kluger Erkenntnis der tatsächlichen Grenzen, die seiner Herrschaft Partei nicht bekannt werde. F ü r die ältere Zeit vgl. Pat. ν. 9. September 1785 X . 464 JGS. 2. A b t . § 70.
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gezogen sind, dem richterlichen Ermessen auch dort einen weiten Spielraum zugestanden, wo es nicht durch die neuen Prinzipien unbedingt geboten wrar. Die festen Formen und Formeln des alten Prozesses, die man im absolutistischen Staate und auch darüber hinaus für unentbehrlich gehalten hat, wurden aufgegeben und, wie sich gezeigt hat, ohne Schaden für das Prozeßrecht und für die Rechtspflege. Es ist sehr lehrreich, das festzustellen, weil man daraus ersehen kann, daß Präzision, Starrheit, Festigkeit der Rechtsvorschriften nicht immer ein Essentiale des Rechtes sind. Als in Österreich der neue Zivilprozeß eingeführt wurde, konnten sich die Praktiker nicht sofort mit den neuen Verhältnissen befreunden. Sie konnten es nicht begreifen, daß sich der Richter auch ohne das Gängelband, an dem ihn die Josefinische Gerichtsordnung festgehalten hatte, sicher bewegen könne. I n charakteristischer Weise wurde diese Stimmung der Praxis durch das Scherzwort zum Ausdruck gebracht, die Zivilprozeßordnung lasse sich eigentlich auf einen einzigen Paragraphen zurückführen : „ Der Richter kann machen, was er will". So sehr hielt man die detaillierte Regelung aller Prozeßvorgänge für ein wesentliches Erfordernis des Prozeßrechts. Man hat sich nun bald überzeugt, daß dem nicht so ist. Wir haben auch jetzt ein Prozeßrecht, und die wissenschaftliche Behandlung dieses Prozeßrechts bewegt sich auf einem Niveau, das, insoweit ich es zu beurteilen imstande bin, für das alte nicht zu erzielen war, obwohl dem Richter sein Weg nicht mehr in allen Einzelheiten vorgezeichnet ist. Der Absolutismus des Gesetzes hat aufgehört. Der Richter hat in Bezug auf die Prozeßleitung und Entscheidung eine Unabhängkeit erlangt, welche der staatsrechtlichen Unabhängigkeit, die ihm die Verfassung verleiht, ebenbürtig oder sogar überlegen ist. Wenn man sich diese Entwicklung vor Augen hält, so kann man die Idee der „freien Rechtsfindung", die neuestens
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von E h r l i c h und G n a e u s F l a v i u s ( K a n t o r o w i c z ) propagiert wird, besser würdigen. Ist auf den Prozeßabsolutismus des Gesetzes das „konstitutionelle" Prinzip gefolgt, demzufolge die Macht des Gesetzes durch die Befugnisse des Richters beschränkt wird, so will die „freie Rechtsfindung" die Prozeßdemokratie fördern, bei welcher das Gesetz überhaupt keine Rolle mehr spielt 8 3 . Während sich das Privatrecht auf zwei verschiedenen Gebieten betätigt, im Leben und in der Rechtspflege, ist der Tatbestand für das Verwaltungsrecht wesentlich einfacher. Denn die Verwaltungsgerichtsbarkeit, für die mutatis mutandis dasselbe gilt wie für die Justiz, kann man dabei 83 Das Postulat der freien Rechtsfindung einer K r i t i k zu unterwerfen, ist hier nicht der Ort. Vgl. hierüber S p i e g e l i n Grünhuts Z. 36, 14 ff. — S c h m i d t , Prozeßrecht und Staatsrecht 57 führt aus, „daß die ganze Reformbewegung der neuesten Zeit auf K o n z e n t r a t i o n der Prozeßmacht i n der einen H a n d des Gerichts gerichtet ist, daß sie also einen absolutistischen, dem Verfassungsstaat abgekehrten Z u g hat". Dabei hat der Verfasser eben nicht das Verhältnis des Richters zum Staat oder Gesetz, sondern sein Verhältnis zu den P r o z e ß p a r t e i e n i m Auge. N u n hatte allerdings die dem alten Prozeß eigentümliche Gebundenheit des Richters als Reflexwirkung eine gewisse F r e i h e i t der Parteien erzeugt, so daß diese als domini litis den Prozeß in die erwünschten Bahnen leiten konnten. A b e r trotzdem waren a u c h s i e durch den Prozeßformalismus gebunden und beengt. So wenig z. B. der Richter jene Fragen an die Zeugen stellen durfte, die sich bei dem Verhör selbst als zweckmäßig herausstellten, so wenig durften es die Parteien. Sie mußten W e i s a r t i k e l (oft viele Jahre vor der Einvernahme !) und Fragstücke aufs Geratewohl ausarbeiten und wenn sie sich dabei vergriffen hatten, so war der Schade nicht wieder gut zu machen. (Außer vielleicht durch F ü h r u n g eines wiederum sehr umständlichen und zeitraubenden Neuerungs- oder Restitutionsprozesses.) Der Verzicht auf diesen Formalismus ist d e m R i c h t e r u n d d e n P a r t e i e n in gleichem Maße zu gute gekommen. A u c h der sich vollkommen frei bewegende Richter ist nicht so absolutistisch wie es die alte Prozeßordnung war. Gegen Urteile und Beschlüsse gibt es j a Rechtsmittel, gegen die zwingenden Normen des Gesetzes gab es keine. U n d die M ö g l i c h k e i t , m i t dem Richter selbst zu sprechen, i h m den F a l l m ü n d l i c h vorzutragen, ist viel mehr w e r t , als die weitestgehende F r e i h e i t , den Prozeß zu verschleppen und den Gegner zu chikanieren.
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füglich vernachlässigen. Das Feld, auf dem sich das Verwaltungsrecht verwirklicht, ist die öffentliche Verwaltung. Hier muß sich nun das Gesetz von vornherein die größte Reserve auferlegen, wenn es das Verwaltungsleben wirklich beherrschen will. Hier bewährt sich vor allem der Satz B ü l o w s , daß es „nur ein Plan, nur der Entwurf einer zukünftigen, erwünschten Rechtsordnung ist, was der Gesetzgeber von sich aus fertig zu bringen vermag" 8 4 . Daraus erklären sich nicht nur jene vielen Bestimmungen, welche dem Ermessen der Verwaltung Raum geben, sondern auch die weiten Vollmachten, die das Gesetz der Regierung hinsichtlich der Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen zu erteilen pflegt. Erst durch die DurchführuOgsverordnungen erhalten oft die gesetzlichen Anordnungen Leben und Farbe, und es wäre ein großer Fehler der Theorie (den sie übrigens, so viel ich sehe, in der Regel vermeidet), wenn sie etwa nur das Gesetz und nicht auch die Durchführungsvorschriften in Betracht zöge. Aber auch diese letzeren sind wiederum nur Vorschriften, wenn sie auch schon dem Leben nähergerückt sind. Auch sie werden dem Leben erst angepaßt durch die Verwaltung selbst. Die festen, präzisen, scharfen Bestimmungen des Gesetzes können nnr insoweit in die Verwaltung selbst eindringen, als sie sich mit den Interessen und Aufgaben der Verwaltung vertragen. In dieser Hinsicht ist die „passive Resistenz", die wir in Osterreich in den letzten Jahren beobachten konnten 85 , 84
Gesetz und Richteramt 3. Post- und Eisenbahnbedienstete wollten eine Besserung ihrer dienstlichen Stellung dadurch erzwingen, daß sie sich streng an die Vorschriften hielten und dadurch den Dienst, der eine rasche A b w i c k l u n g der Geschäfte zur unbedingten Notwendigkeit macht, schädigten. E i n e verwandte E r scheinung ist die parlamentarische O b s t r u k t i o n , insofern dabei bloß die Bestimmungen der Geschäftsordnung i l l o y a l ausgenützt werden. Obstruktion und passive Resistenz können nur dadurch wirksam bekämpft werden, daß sich diejenigen, die die öffentlichen Interessen (Dienstinteressen, parlamen85
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außerordentlich lehrreich. Sie hat gezeigt, wie sehr es im Interesse der klaglosen Abwicklung des Post- und Eisenbahnverkehrs notwendig sein kann, die Vorschriften nicht sklavisch zu befolgen. Das Publikum hat sich nur an das Amüsante dieser seltsamen Erscheinung gehalten. Die Theorie aber kann daraus wichtige Folgerungen ziehen. Nicht etwa bloß die, daß die Vorschriften schlecht waren, und daß es nötig ist, sie durch andere zu ersetzen. Gewiß mögen manche Vorschriften veraltet sein oder zu ängstlichen Erwägungen entstammen ; aber man täuscht sich, wenn man glaubt, daß es möglich wäre, Vorschriften zu verfassen, die die passive Resistenz unmöglich machen. Man kann doch nicht die Schlamperei kodifizieren ! Die Vorschriften müssen streng sein. Aber sie sind eben nur die eine Richtschnur des Beamten. Daneben muß er immer noch andere Interessen berücksichtigen, so vor allem den Zweck seiner Tätigkeit. Er ist eben keine Maschine, die ganz mechanisch ihre Arbeit versieht. "Wie weit er von den Vorschriften abgehen kann, ohne die Interessen zu gefährden, die diese schützen wollen, und wie weit er von ihnen abgehen m u ß , um nicht den Dienst überhaupt in Frage zu stellen, das lernt er eben in seinem Berufe, und nur dann beherrscht er seinen Beruf, wenn er es erlernt hat. Wollen wir wissen, wie sich der Eisenbahndienst t a t s ä c h l i c h abwickelt, so dürfen wir uns nicht darauf beschränken, die Vorschriften zu studieren, sondern wir müssen d e n D i e n s t s e l b s t beobachten. Aber selbstverständlich werden wir nicht versuchen dürfen, das Resultat einer solchen Beobachtung tarische Interessen) zu wahren haben, über unwesentliche Vorschriften so weit als nötig hinwegsetzen. Sonst w i r d auch liier Vernunft Unsinn und W o h l t a t Plage. W i r besitzen schon Untersuchungen über den Zweck, die Vernunft, die Phantasie, die Poesie, den Z u f a l l i m Recht. Es wäre gewiß am Platze, auch einmal „die L o y a l i t ä t i m Recht" zu behandeln, wobei „ L o y a l i t ä t " natürlich nicht m i t „Gesetzlichkeit" übersetzt werden darf.
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wiederum in Paragraphen niederzulegen. Was hier auf einem kleinen Gebiete der technischen Verwaltung gilt, das gilt von der ganzen Verwaltung. Das Gesetz kann seine Natur niemals verleugnen ; es muß sich immer mit der nötigen Bestimmtheit darüber aussprechen, was zu geschehen und was nicht zu geschehen hat. Aber eben darum ist es nur e i n e r der Faktoren, die auf die Verwaltung einwirken. Es konkurriert in dieser Hinsicht immer mit den Bedürfnissen und Interessen der Verwaltung, mit den Anschauungen und Empfindungen der in der Verwaltung tätigen Personen, mit ihrer Bildungsstufe, ihrer Geschicklichkeit usw. 8(i . Und aus dem Zusammenwirken aller dieser Faktoren entsteht erst das w i r k l i c h e Verwaltungsrecht, das zum Teil gesetztes, zum Teil ungesetztes Recht ist und das sich in Bezug auf Bestimmtheit, Schärfe und feste Abgrenzung sehr wesentlich vom Gesetz unterscheidet. Für die Rechtswissenschaft ergibt sich daraus folgendes Resultat: Gewiß ist es eine Aufgabe von hoher Bedeutung, vor allem den Gesetzesstoff kennen zu lernen und zu verarbeiten. Die Rechtsdogmatik im heutigen Sinne, d. h. die Dogmatik des Gesetzesrechts ist ein unentbehrlicher Zweig der Jurisprudenz. Dabei kann freilich die Frage aufgeworfen werden, wie intensiv die Rechtsdogmatik betrieben werden kann, ohne ihren wissenschaftlichen Wert zu verlieren 87 . Für die zivilistische Doktrin hat J h e r i n g der Theorie die S6
D i e letzteren Umstände sind z. B. für das Gemeinderecht von Bedeutung. D i e österreichischen Gemeindeordnungen sind zum großen Teil nicht praktisch geworden, weil den Organen der unzähligen kleinen und kleinsten Gemeinden die E i g n u n g f e h l t , i m Sinne des Gesetzes tätig zu sein. Ä h n l i c h w i r k e n auf Seite der politischen Verwaltung die geringe Z a h l der Bezirksbehörden und ihre Überbürdung m i t den disparatesten Amtsgeschäften, auf welche Tatsachen die Gesetze keine Rücksicht nehmen. 87 Sehr r i c h t i g bemerkt Otto M a y e r (Die juristische Person und ihre Verwertbarkeit i m öffentlichen Recht 28) „daß eine gewisse Grobkörnigkeit dem juristischen Denken i m allgemeinen besser ansteht als Überfeinheit".
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vollkommene Wertlosigkeit zu weit getriebener Begriffsjurisprudenz vor Augen geführt. In der Tat hat die Privatrechtstheorie heute bei weitem mehr Fühlung mit dem Leben als zu J h e r i n g s Zeiten. Inwieweit das sein Verdienst ist, wage ich nicht zu beurteilen. Für das öffentliche Recht könnten wir aber einen zweiten J h e r i n g dringend brauchen. Denn gar manche Autoren des Staats- und Verwaltungsrechts suchen dem Thema, das sie behandeln, eine Schärfe zu geben, „um welche die meisten Rasiermesser es beneiden könnten" 8 8 . Aber auch jene Rechtsdogmatik welche sich mit richtigem Takt auf das theoretisch und praktisch Wertvolle beschränkt, reicht nicht aus. „Denn es ist töricht, nur zu lehren, was gelten sollte, und zu übersehen, was wirklich g i l t " 8 9 . Das Recht muß auch noch als s o z i a l e E r s c h e i n u n g betrachtet werden. Dadurch wird erst aufgedeckt, wie das Gesetz wirkt und in welch großem Maße praeter, secundum und contra legem ungesetztes Recht gilt. D o g m a t i s c h werden sich die auf i n d u k t i v e m Wege gewonnenen Ergebnisse nur in sehr bescheidenem Maß verarbeiten lassen. Aber was die Darstellung des wirklich geltenden Rechts an Schärfe, Präzision und Be88 J h e r i n g a. a. 0 . 38. J h e r i n g hat zwar sein B u c h nicht dazu bestimmt, „ u m von deutschen Professoren zitiert zu werden" (122). T r o t z dem liegen fleißige Zitate i m Interesse der Sache, um die nachwachsenden Juristen zur L e k t ü r e anzuregen. AVenn auch manche P a r t i e n veraltet sind, so hat sich doch der pädagogische W e r t des Buches nicht i m geringsten vermindert. Allerdings muß man es vermeiden, Scherz u n d E r n s t miteinander zu verwechseln. W i e hätte J h e r i n g gelacht, wenn er geahnt hätte, daß man die köstliche Habermaiergeschichte (63 ff.) für ein — autobiographisches Bekenntnis halten w i r d ! Vgl. Η ο 11 i g e r a. a. Ο. 134 : „ W o l l e n Sie wieder einmal habermaiern? pflegte der alte A m t m a n n d e n j u n g e n G e r i c h t s p r a k t i k a n t e n J h e r i n g zu necken . . ." ( Ä h n l i c h W u r z e l , Das j u r i s t . Denken 12, 82.) N e i n , gehabermaiert hat auch der j u n g e J h e r i n g n i c h t , sonst wäre er niemals d e r Jhering geworden, als den w i r i h n bewundern und verehren. Über sich selbst spricht J h e r i n g 337 if. 89
E h r l i c h , Z u k u n f t 14, 238.
S p i e g e l , Verwaltungsrechtswissenschaft.
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stimmtheit verliert, das gewinnt sie tausendfach an innerer Wahrhaftigkeit, an Lebendigkeit, Anschaulichkeit und Frische. Die Revision der juristischen Grundbegriffe, welche geboten ist, sobald man die Einseitigkeit der zivilistischen Rechtsanschauung erkannt hat, muß sich natürlich auch auf den Begriff des subjektiven Rechts erstrecken. Identifiziert man das Zivilrecht mit dem Recht überhaupt, so steht das subjektive Recht so sehr im Vordergrunde der Betrachtung, daß man es leicht als den p r i m ä r e n Begriff auffaßt und im objektiven Recht nichts anderes erblickt als die systematische Zusammenfassung der Normen über subjektive Rechte 90 . Das ist ja der Standpunkt des Naturrechts gewesen, welches geradeso wie das Zivilrecht vom Individuum ausgegangen i s t 9 1 . Aber selbst wenn der Zivilist nicht daran zweifelt, daß „als logisches Prius der Rechtsordnung" „das von ihr Verordnete nicht denkbar" i s t 9 2 , ist er doch geneigt, jeden einzelnen Rechtssatz in die Sprache des subjektiven Rechts zu übersetzen, so daß das objektive Recht in der Darstellung vollkommen zurücktritt. So liebevoll hat sich die Doktrin in das Studium der subjektiven Rechte versenkt, daß sie häufig den rein gedankenmäßigen Ursprung dieser Begriffe vergessen und das subjektive Recht nicht als Konstruktionhehelf, als Darstellungsmittel, sondern als eine Art Homunkulus, als r e a l e s O b j e k t behandelt h a t 9 3 . Sogeschahes — ich zitiere einen zivilistischen Autor, um dem Einwand zü begegnen, daß mir über diesen Punkt kein Urteil zusteht — „daß man die seltsame Frage aufwerfen konnte, ob der Besitz ein Recht oder ein Faktum sei, und daß man 90
So R. L o e n i n g , Über W u r z e l und Wesen des Rechts 22 ff., ferner 25: „ D i e Sätze des objektiven Rechts sind lediglich abstrakte Aussagen über subjektive Rechte." 91 J e l l i n e k , System 2 1. 92 J e l l i n e k a. a. 0 . 9. 93 Gegen eine derartige Behandlung P f e r s c h e , M e t h o d i k der Privatrechtswissenschaft 51 ff.
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darauf die noch seltsamere Antwort geben konnte : der Besitz ist ein Recht und ein Faktum zugleich" 9 4 . Ein Recht „ist" überhaupt nicht etwas Gegebenes wie ein Ding der Außenwelt, sondern man o p e r i e r t mit dem Begriff des Rechts, um irgend eine Erscheinung leichter darzustellen 95 · Die Frage, ob man den Besitz als Recht oder Faktum a u f fassen soll, ist darum eine Frage der juristischen Methodik und Didaktik („eine rein doktrinäre Angelegenheit", Pfersche a. a. 0.), aber nicht eine solche nach dem „Wesen" des Besitzes. Mit der Verkennung der bloß konstruktiven Bedeutung des subjektiven Rechts verglichen ist es noch ein sehr entschuldbares Beginnen, wenn man das subjektive Recht, so wie es von der privatrechtlichen Theorie entwickelt wurde, ohne weiters auf das Gebiet des öffentlichen Rechts verpflanzen will. Emanzipieren wir uns aber von dem Gedanken, daß es subjektive Rechte in der Außenwelt gibt und betrachten wir ganz unbefangen die rechtlichen Erscheinungen, so erkennen wir leicht, daß sich das aus kollektivistischen Anschauungen erwachsene öffentliche Recht zum großen Teil ohne das Hilfsmittel des subjektiven Rechts darstellen läßt und daß dort, wo es dennoch Erscheinungen aufweist, die sich mit den subjektiven Rechten des Privatrechts vergleichen lassen, vielfach nur mehr oder minder stark hervortretende Ähnlichkeiten zu finden sind. Man kann diesem Umstand in der Weise Rechnung tragen 5 wie es J e l l i n e k getan hat, daß man dem Begriff des subjektiven P r i v a t r e c h t s als Gegenstück jenen des subjektiven ö f f e n t l i c h e n Rechts zur Seite stellt. Man kann ihn aber auch zum Anlaß nehmen, um den Begriff des subjektiven Rechts überhaupt zu re vidieren. Ich halte das letztere Verfahren für das Richtige, weil es für b e i d e Rechts94 95
P f e r s c h e , Österr. Sachenrecht 1, 66. Vgl. B e k k e r , E r n s t u n d Scherz über unsere Wissenschaft 69 if. 14*
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disziplinen nur von Vorteil sein kann, wenn die a l l g e m e i n s t e n Rechtsbegriffe aus der Betrachtung des g a n z e n Rechtssystems gewonnen werden. Schon im Privatrecht zeigt ja das subjektive Recht nicht immer dieselbe Gestalt 96 . Als der vollkommenste Typus des subjektiven Rechts wird jenes angesehen, über welches der Berechtigte frei verfügen, welches er nach Belieben ausüben oder auch nicht ausüben, auf welches er verzichten, welches er unter Lebenden oder von Todeswegen auf andere übertragen kann. Von diesem Typus gibt es auch im Privatrecht Abweichungen d. h. „AbSchwächungen". Diese Beurteilung der subjektiven Rechte ist vollkommen gerechtfertigt, weil der Wert, den die HilfsVorstellung des subjektiven Rechts für die wissenschaftliche Erfassung des Rechtsstoffes hat, um so größer ist, je umfassender die Dispositionsbefugnisse des Berechtigten sind. Daß aber die vollkommensten subjektiven Rechte im Privatrecht die R e g e l bilden, hängt damit zusammen, daß das Privatrecht zum großen Teil V e r k e h r s r e c h t ist. Ein Rechtsverkehr ist natürlich nur dann möglich, wenn die einzelnen RechtsSubjekte über ihr Hab und Gut disponieren können. Das Verkehrsrecht setzt Verkehrsfreiheit voraus. Es ist also nicht etwa ein V o r z u g des Privatrechts oder ein Verdienst der Privatrechtsjurisprudenz, daß hier das subjektive Recht in einer so reinen und vollendeten Gestalt erscheint, sondern es ist das eben auf den Gegenstand und I n h a l t des Privatrechts zurückzuführen. Im Verwaltungsrecht zeigt sich, wie in allen Punkten, so auch hier die denkbar größte Mannigfaltigkeit. Es gibt da subjektive Rechte von ähnlicher Vollkommenheit wie im Privatrecht. Öffentlichrechtliche Forderungen sind unter Umständen genau so von der Person ablösbar, sie werden unter Lebenden oder von Todes96
Vgl. oben 150.
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wegen übertragen wie Privatrechte. Sie konkurrieren mit diesen in Konkursfallen, bei Meistbotsverteilungen, in der Verlassenschaftsabhandlung usw. Daneben gibt es aber Befugnisse der Parteien oder auch nur mehr oder minder wertvolle Möglichkeiten, das Gericht oder irgend eine Behörde anzurufen, welche sich von dem vollkommenen Typus des subjektiven Privatrechts mehr oder minder weit entfernen. Auch im Privatrecht gibt es, wie gesagt, derartige Erscheinungen. Dort bilden sie aber die Ausnahmen, die man gern vernachlässigt, wenn von subjektiven Rechten die Rede ist. Im öffentlichen Recht aber haben diese Fälle keinen Ausnahmecharakter. Sie stellen sich vielmehr dar als Abstufungen einer Skala, die die verschiedenartigsten Verbindungen von Freiheit und Gebundenheit zum Ausdruck bringt. Wenn es sich nun darum handelt, in dieser Skala den Nullpunkt zu markieren, nämlich zu bestimmen, wo bei ihr das subjektive Recht beginnt, so kann dafür nur die eine Erwägung maßgebend sein, bei welchem Tiefstand der Bewegungsfreiheit die Verwendung des Begriffs des subjektiven Rechts noch immer die Darstellung der rechtlichen Erscheinungen fördert oder wenigstens erleichtert. Eine Scheu vor der Operation mit der Kategorie des subjektiven Rechts ist nur insolange berechtigt, als man das „Recht" in die Außenwelt projiziert und als „Körper" behandelt. Verfallt man aber einmal in diesen Fehler, dann ist es schon herzlich gleichgiltig, ob man das Eigentum oder die Glaubensund Gewissensfreiheit als reales Objekt auffaßt. Daß die Wissenschaft bei der Verwendung des Ausdrucks „subjektives Recht" sorgfaltiger zu Werke gehen muß, als die gemeine Redeweise 97 , ist selbstverständlich. Ein ähnliches Verhältnis zwischen der wissenschaftlichen Terminologie und dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens 97
0 . M a y e r , Deutsches Verwaltungsrecht 1, 105.
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finden wir ja allenthalben. Aber trotzdem ist der übertriebene Skeptizismus, dem die herrschende Lehre in dieser Richtung huldigt, nicht nur unbegründet, sondern der wissenschaftlichen Bewältigung des Rechtsstoffs geradezu abträglich 98 . Die Streitfrage über die rechtliche Natur der Grund- oder Freiheitsrechte, die lebhaft an die Kontroverse, ob der Besitz ein Recht oder ein Faktum ist, erinnert, ist ja gewiß harmlos. Man kann die staatsfreie Sphäre des Individuums auch ohne Zuhilfenahme eines subjektiven Rechts prächtig darstellen. Aber mitunter führt die Zurückhaltung, deren sich die Theorie bei der Annahme subjektiver Rechte befleißigt, zu einer vollkommenen Entstellung des tatsächlichen Sachverhalts. Das ist, wie ich glaube, das Schicksal, welches der Befugnis zum Gewerbebetriebe, der Gewerbebefugnis, bei Otto M a y e r zuteil geworden ist. Schon M a x S e y d e l 9 9 hat sehr dezidiert erklärt : „Die Approbation, Konzession, Zulassung oder wie sonst der betreffende behördliche Ausspruch genannt sein möge, erzeugt für den Gewerbsmann niemals ein Recht zum Gewerbebetriebe, weder Dritten gegenüber noch gegenüber der Behörde. Der Gewerbebetrieb selbst ist vielmehr nichts anderes als die Betätigung der allgemeinen privatrechtlichen Handlungsfreiheit, der nur die öffentlichrechtliche Befugnis der 98 Dieser Skeptizismus hat seinen Grund offenbar d a r i n , daß man i n bezug auf die F o r m u l i e r u n g der Begriffe nicht hinter dem Zivilrecht zurückstehen w i l l . Das v o l l entwickelte subjektive Recht des Privatrechts ist das I d e a l und n u r dort, wo eine Erscheinung diesem I d e a l nahekommt, soll auch i m öffentlichen Recht ein subjektives Recht angenommen werden. Vgl. 0 . M a y e r 1 , 105: „ W e n n der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts, das i n der Verwaltung erscheint, eine feste Abgrenzung und eine praktische Bedeutung haben s o l l , so werden w i r für i h n das Gleiche (sc. wie auf dem Gebiete des Zivilrechts) i n Anspruch nehmen müssen." 99 Das Gewerbepolizeirecht 69. V g l . dagegen K u l i s c h , System des österr. Gewerberechtes 1, 257 f., L a u n , Das Recht zum Gewerbebetrieb 23 ff., W a l t e r J e l l i n e k , Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen 22ff.
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Verwaltungsbehörde einschränkend gegenübersteht" 1 0 °. Es mag dahingestellt bleiben, ob nicht auch diese Anschauung auf das (in diesem Fall unbewußte) Bestreben zurückzuführen ist, nur ja nicht störend in das Gebiet des Privatrechts einzugreifen. Bemerkt sei nur, daß man doch nicht genau beobachtet, wenn man im Gewerbebetrieb eine Betätigung der privatrechtlichen Handlungsfreiheit erblickt. Denn das Privatrecht hat es immer nur mit e i n z e l n e n Rechtsgeschäften zu tun, es isoliert, wie wiederholt erwähnt, die Rechtsbeziehungen der Parteien, aber es berechtigt niemanden, gewisse Rechtsgeschäfte g e w e r b s m ä ß i g abzuschließen. Ob und unter welchen Voraussetzungen'das zulässig ist, ist eben eine Frage des öffentlichen, des Gewerberechts, und ist wiederum ganz verschieden von der Frage der Gültigkeit der einzelnen Rechtsgeschäfte, die ein unbefugter Gewerbsmann vornimmt. Der Buchhändler, der eine Konzession erlangt, ist nicht bloß berechtigt, Bücher zu verkaufen — das kann jeder Handlungsfähige auf Grund des Privatrechts —, sondern er hat das Recht, den Bücherverkauf g e w e r b s m ä ß i g zu betreiben, und dieses Recht hat mit der privatrechtlichen Handlungsfähigkeit nicht das mindeste zu tun. Stellen wir uns aber auf den Standpunkt S e y d e l s , so ist die Konsequenz die, daß die Gewerbekonzession als Ergebnis der polizeilichen Prüfung, „ob im gegebenen Falle gesetzliche Gründe vorliegen, welche die Verwaltungsbehörde berechtigen, Jemanden von einem bestimmten Gewerbebetriebe aus Rücksichten des öffentlichen 100 A l s Argument gegen die Rechtsnatur der Gewerbebefugnis f ü h r t S e y d e l i n seinen weiteren Ausführungen a n : „ W ä r e nun der I n h a l t des behördlichen Ausspruches auf Zulassung zum Gewerbebetriebe d e r , daß dadurch ein Gewerberecht begründet würde, so m ü ß t e dieses Recht, gleich a l l e n andern, Gegenstand des Verzichtes sein können." H i e r w i r d das v o l l k o m m e n s t e subjektive Recht m i t dem subjektiven Recht überhaupt identifiziert. Zustimmend 0 . M a y e r 1, 118 f.
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Wohles auszuschließen" 101 , einen rein d e k l a r a t i v e n Charakter hat. Sie stellt fest, daß die Behörde nicht berechtigt ist, den Konzessionswerber vom Gewerbebetrieb fernzuhalten. Darauf kann sich der Gewerbsmann bei der „Betätigung seiner privatrechtlichen Handlungsfreiheit" jederzeit berufen. Faßt man die Sache so auf, so handelt es sich dabei geradeso um eine Konstruktionsfrage, wie bei den Grund- oder Freiheitsrechten oder beim Besitz. Das ist nun aber keineswegs die Ansicht O t t o M a y e r s . Dieser legt der Gewerbekonzession tatsächlich eine k o n s t i t u t i v e Bedeutung bei. Sie ist eine E r l a u b n i s · 1 0 2 . Sie gestattet dem Konzessionär den Betrieb des Gewerbes. Damit kann man sich ja vollkommen einverstanden erklären. Nur ist diese Ansicht jener von S e y d e l geradezu entgegengesetzt. Die Behörde hat nach M a y e r nicht das Hecht, einen Gewerbebetrieb zu verbieten, sondern im Gegenteil, es steht ihr zu, ihn zu erlauben. Aber M a y e r verbindet seine Ansicht von der Polizeierlaubnis mit der S e y d e l sehen, und zwar gelingt ihm das dadurch, daß er die Konzessionspflicht der Gewerbe als ein „Polizeiverbot mit Erlaubnis vorbehält" konstruiert. Es ist also polizeilich v e r b o t e n , gewisse Gewerbe zu betreiben; der Behörde ist es aber vorbehalten, dennoch die Erlaubnis zum Betriebe zu erteilen. Die Erlaubnis „entbindet von dem Verbot" (1 288). Man braucht das nur anders auszudrücken, um zu erkennen, wie sehr diese Konstruktion den Tatbestand verzerrt: I n Österreich ist also der Buchhandel v e r b o t e n . Daß es trotzdem eine große 101
S e y d e l a. a. 0 . 102 W a r u m man E r l a u b n i s nicht soll m i t „Konzession" übersetzen dürfen (1, 287 f.), ist nicht ganz klar. D i e scharfe Grenze zwischen E r laubnis und V e r l e i h u n g , die M a y e r dem französischen Recht entnimmt, trifft für das österreichische Recht sicherlich nicht zu und wohl auch nicht für das deutsche Recht. Vgl. T e z n e r i m Verw.-Arch. 8, 530, N. 125.
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Zahl von Buchhandlungen gibt, ist nur darauf zurückzuführen, daß sich die Behörden veranlaßt gesehen haben, einzelne Personen „vom Verbot zu entbinden". Es ist also die Erteilung der Konzession ihrem rechtlichen Charakter nach nicht verschieden von der Bewilligung von Überstunden. Der „Normalarbeitstag" darf nicht überschritten werden; ausnahmsweise entbindet die Behörde vom Verbot. Der normale Zustand ist der, daß mit Büchern nicht gehandelt wird-, die Behörde kann eine Ausnahme zugestehen. Der Fehler, der in dieser Deduktion liegt, ist ganz offensichtlich. Das Verbot lautet nicht : „Mit Büchern darf nicht gehandelt werden", und auch nicht etwa: „Mit Büchern darf i n d e r R e g e l nicht gehandelt werden", sondern nur: „Mit Büchern darf o h n e K o n z e s s i o n nicht gehandelt werden" l ü 3 . Indem den Gewerbebehörden die Erteilung von Konzessionen übertragen wird, wird ihnen nicht die Ermächtigung erteilt, von einem Verbot zu dispensieren, sondern sie werden berufen, die rechtlichen Bedingungen zu schaffen für den Gewerbebetrieb. Wenn sie eine richtige Konzessionspolitik treiben, so müssen sie dahin wirken, daß die Zahl der Buchhandlungen nicht hinter dem Bedarf zurückbleibe. Der Konzessionszwang bedeutet also nicht ein Hemmnis des Gewerbes, sondern seine R e g u l i e r u n g 1 0 4 . 103
Vgl. 0 . M a y e r selbst 1 , 291, 303, ferner T e z n e r i m Verw.A r c l i . S, 530. 104 Diesen Gedanken bringt M a y e r zum Ausdruck, indem er (1, 288) sagt: „ E s handelt sich bei dem Ganzen u m eine Verwendung d e r F o r m des \ r erbotes zu einer jener Uberwachungsmaßregeln gegen mögliche Gefährdung . . . Das Verbot trifft auch D i n g e , welche an sich gar nichts polizeiwidriges w i r k l i c h enthalten; und der i m W i d e r s p r u c h d a m i t geschaffene Zustand unterliegt seinen W i r k u n g e n lediglich w e g e n d e r r e c h t l i c h f e h l e r h a f t e n A r t s e i n e s E n t s t e h e n s . " D i e Schlußworte geben den A n h a l t s p u n k t zur richtigen Formulierung. Das Verbot bezieht sich überhaupt nur auf die A r t der E n t s t e h u n g des Zustandes. M a n soll den Gewerbebetrieb nicht eröffnen, ohne sich die Konzession verschafft zu haben. D i e s e s Verbot aber ist k e i n formales, sondern ein ernstgemeintes. Das
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Es zeigt sich hier deutlich, wie verfehlt es ist, den einzelnen Fall isoliert ins Auge zu fassen. Denkt man nur an den einzelnen Konzessionswerber, so kann man ebensogut sagen: Es kann ihm durch Versagung der Konzession der auf Grund des Privatrechts erlaubte Gewerbebetrieb verboten werden ( S e y d e l ) , wie : es kann ihm durch Erteilung der Konzession der polizeilich verbotene Gewerbebetrieb erlaubt werden (M a y e r). Welche dieser beiden Auffassungen r i c h t i g e r 1 0 4 a ist, zeigt sich, sobald man die Gesamtheit der Fälle überblickt. Den Buchhandel überhaupt zu verbieten, wäre sinnlos. Welche Rechtswirkung kommt nun der Polizeierlaubnis zu? Hier paßt eben Otto M a y e r seine Theorie der S eyd eischen an. „Im Zusammenhange mit der größeren oder geringeren Festigkeit der erteilten Erlaubnis gegen Zurücknahme entsteht damit für den Unternehmer ein gewisser Zustand r e c h t l i c h e r G e s i c h e r t h e i t gegenüber der öffentlichen Gewalt. Wenn dieser für das Interesse des Einzelnen seinen Wert hat, so i s t er d e s h a l b n o c h n i c h t g l e i c h b e d e u t e n d m i t e i n e m s u b j e k t i v e n R e c h t e . Die Erlaubnis bedeutet nur die Wiederherstellung der Freiheit, sie hat keinen eigenen Inhalt. Sie gibt dem Empfänger nichts Neues hinzu zu dem, was er ohne diese hat" (1 292). Handeln m i t B ü c h e r n , die Bewirtung von Gästen usw. ist an sich nicht polizeiwidrig. Polizeiwidrig ist aber der B e t r i e b , wenn die dazu erforderliche Bewilligung nicht eingeholt worden ist. W i r d nun die Konzession ordnungsmäßig e r w i r k t , so ist die Polizeiwidrigkeit v e r m i e d e n , aber n i c h t etwa durch Dispens beseitigt worden. V o n dem V e r b o t , ohne Konzession konzessionspflichtige Gewerbe zu betreiben, w i r d überhaupt nicht entbunden. Dieses Verbot w i r d durch das Konzessionsbegehren gerade respektiert. N i c h t aber sucht der Konzessionswerber für sich um eine A u s n a h m e an. 104 a R i c h t i g ist allerdings keine von beiden. Weder ist der Gewerbebetrieb schon auf Grund des Privatrechts erlaubt noch ist er polizeilich verboten. D e r Gewerbebetrieb setzt die Gewerbeberechtigung voraus und diese w i r d eben bei gewissen Gewerben durch Konzession begründet.
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Also „rechtliche Gesichertheit" und doch kein subjektives Recht. Die Freiheit wird wieder hergestellt (war also nicht vorhanden) und doch erhält der Empfänger nichts Neues hinzu zu dem, was er ohne die Erlaubnis hat. Ist das nicht wertlose Begriffsjurispudenz ? 1 0 5 „Die Erlaubnis hat keinen e i g e n e n Inhalt". Worin soll denn der e i g e n e Inhalt bestehen ? Ist es nicht genug, daß der Konzessionär ein Buchhändlergewerbe in einer bestimmten Stadt betreiben darf? Und wird dieser Inhalt dadurch seiner Originalität beraubt, daß etwa n a c h N a t u r r e c h t der Konzessionär auch ohne die Erlaubnis hätte Buchhändler sein können? Es genügt, daß es ihm nach österreichischem Recht nicht möglich war 1 0 6 . Es handelt sich, wie nicht entschieden genug betont werden kann, nicht darum, ob die Gewerbebefugnis ein subjektives Recht i s t , sondern darum, ob es sich im Interesse der wissenschaftlichen Arbeit empfiehlt, sie als subjektives Recht zu konstruieren und zu formulieren. Zieht man nun in Betracht, daß die Gewerbeordnung festsetzt, wann und wie die Gewerbebefugnis erworben wird, wann und wTie 105 J h e r i n g (a. a. 0 . 358) hat zu f r ü h konstatiert, daß sich die Begriffsjurisprudenz i m Staatsrecht (wozu er j a noch das Verwaltungsrecht zählte) nicht einzubürgern vermocht hat. 106 p f e r s c h e , Österr. Sachenrecht 1 , 67: „ E i n Hauptbedenken, den Besitz als subjektives Recht gelten zu lassen, w i r d i n der Frage gefunden: w o r i n sollte der I n h a l t dieses Rechtes bestehen? . . . A l l e i n die der Körperwelt entnommenen allgemeinen Kategorien, wie I n h a l t , Gegenstand, Objekt, lassen sich überhaupt nicht auf die Rechtssätze übertragen, ohne zu logischen Widersprüchen zu führen." S e y d e l sagt a. a. 0 . 70: „ D i e Gewerbeordnung nennt indessen den Verzicht nirgends als Grund des Erlöschens einer A p p r o b a t i o n , Konzession, E r l a u b n i s u. dgl. U n d d i e s m i t g u t e m G r u n d e ; denn es w r ürde an einem G e g e n s t a n d e des Verzichtes fehlen. u Die österreichische Gewerbeordnung (§ 144) behandelt aber die Zurücklegung oder Anheimsagung des Gewerbes. (Vgl. L a u n a. a. Ο. 27, 135ff. , ferner R a d n i t z k y , P a r t e i w i l l k ü r 46.) E s muß sich also doch w o h l ein „Gegenstand" gefunden haben.
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sie verloren geht, wie sie ausgeübt werden kann, ob sie der Ausübung nach oder (bei Realgewerben) sogar quoad ius übertragen werden kann, ob auf sie verzichtet werden kann, wie sie geschützt wird usw., so wird man zugeben müssen, daß die Verarbeitung aller dieser Rechtssätze dadurch wesentlich erleichtert wird, daß man von einer „Gewerbeberechtigung" spricht, ohne daß dieser Begriff auch nur im geringsten die Wissenschaftlichkeit oder die Richtigkeit der Behandlung beeinträchtigen würde. Umgekehrt beraubt man sich durch die Eliminierung dieses Begriffs der Möglichkeit einer ungezwungenen und fließenden Darstellung. Ich glaube gezeigt zu haben, daß die Abhängigkeit der Verwaltungsrechtstheorie von der des Zivilrechts keine guten Früchte trägt. Es geht eb ens owenig an, die von der Privatrechtswissenschaft aufgestellten Grundbegriffe kritiklos für das Verwaltungsrecht gelten zu lassen, wie ihnen verwaltungsrechtliche Pendants gegenüberzustellen und auf diese Weise eine doppelte Grundlegung für die Rechtswissenschaft zu schaffen, eine zivil- und eine verwaltungsrechtliche. Die allgemeine Rechtslehre ist weder Zivilnoch Verwaltungsrecht, sondern Rechtswissenschaft schlechtweg. Baut man aber die allgemeine Rechtslehre aus, so entsteht sofort die weitere Frage, ob es nicht gelingen kann, auf ihrer Grundlage den Dualismus von Privat- und öffentlichem Recht zu überwinden. Darauf kann man, wie ich glaube, nicht einfach mit Ja oder Nein antworten. Der Gegensatz der zivilistischen und der verwaltungsrechtlichen Rechtsanschauung führt auf den großen Gegensatz der individualistischen und der kollektivistischen Weltanschauung zurück und dieser wird bestehen, solange es Menschen gibt. Darum wird aber auch das Recht jederzeit individualistische und kollektivistische Erscheinungen aufweisen. Insofern wird es also immer ein Privat- und ein öffentliches Recht
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geben 107 . Aber die scharfe Scheidung zwischen den beiden Rechtsdisziplinen, wie sie bei uns besteht und wie sie ζ. B. dem englischen Recht ganz fremd ist, ist eine Folge der eigentümlichen Rechtsentwicklung, die Deutschland beschieden war. Die in ihren Einzelheiten noch mancher Aufklärung bedürftige Geschichte der Rezeption der fremden Rechte ist zugleich eine Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft 108 . Privatrecht und öffentliches Recht dess e l b e n Staates können einander nie so schroff gegenüberstehen und werden sich auch niemals so scharf von einander sondern lassen, sie können unmöglich zu zwei so völlig von einander geschiedenen Rechtsdisziplinen führen, wie das römische Privatrecht und das deutsche öffentliche Recht. Je weiter jener Prozeß fortschreiten wird, der das Gegenstück des Rezeptionsprozesses bildet und der fast gleichzeitig mit der Auflösung des alten deutschen Reichs begonnen hat, je inniger die romanistische Rechtsmasse mit der germanistischen zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen wird, desto mehr werden wir uns dem Ideal der möglichst einheitlichen Behandlung des gesamten Rechtsstoffs nähern. Bis dahin aber müssen Zivilisten und Publizisten getrennt marschieren. Törichte Vermessenheit wäre es, wollte man der Privatrechtswissenschaft ihr Arbeitsgebiet unter Berufung auf den öffentlichrechtlichen Charakter irgend einer Materie verengern. Jede Wissenschaft hat selbst darüber zu entscheiden, wo ihr Reich aufhört. Aber ebenso unangebracht ist das andere Extrem : Die Einschränkung der verwaltungsrechtlichen Forschung mit Rücksicht auf die Arbeit der Zivilisten. Eine solche Selbstbeschränkung stünde nicht nur dem Fortschritt der Verwaltungsrechtswissenschaft im Weg, sondern sie läge auch 107 Y g i 108
G i e r k e , D i e soziale Aufgabe des Privatrechts 11.
Vgl. S t o e r k , M e t h o d i k 17 f.
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nicht im Interesse der Zivilisten. Denn diese sind auf unsere Mitarbeit angewiesen. Sie selbst glauben nicht, daß die an der Grenze befindlichen Rechtsinstitute bei ihnen so „vortrefflich" aufgehoben sind 1 0 9 , daß ihre verwaltungsrechtliche Untersuchung entbehrlich wäre. Leistet das Yerwaltungsrecht nicht das, was es soll und kann, so leidet darunter auch das Zivilrecht. Der liebevolle Ausbau b e i d e r Rechtsdisziplinen ist also das Ziel, das wir uns stecken müssen. In seiner energischen Verfolgung liegt die beste Vorbereitung für die Schaffung einer e i n h e i t l i c h e n Rechtswissenschaft, und auf diese Vorbereitung müssen wir uns beschränken. Denn nicht in u n s e r e r Macht liegt es, den Dualismus von Privat- und öffentlichem Recht, den wir überkommen haben, zu beseitigen. Mehr als jeder andere Fachmann muß sich der Jurist der historischen Bedingtheit und Begrenztheit seines Schaffens bewußt sein. Die Generation, die gerade an der Arbeit ist, leistet ihr Bestes, wenn sie die Wissenschaft, die sie von ihren Vorgängern übernommen hat, um ein kleines Stück vorwärts bringt. Nur durch die Gegenwart hindurch wirken wir in die Zukunft. Auch der Jurist kann sich mit dem Dichterworte trösten: „Wer den Besten s e i n e r Zeit genug getan, Der hat gelebt für alle Zeiten." 109
V g l . oben 162 N. 34.