106 42 21MB
German Pages 189 Year 1998
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 759
Die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage
Von
Wolf Selb
Duncker & Humblot · Berlin
W O L F SELB
Die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 759
Die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage
Von Wolf Selb
Duncker & Humblot • Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Selb, Wolf: Die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage / von Wolf Selb. Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 759) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09295-3
Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09295-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9 7 0 6 0
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde i m Sommersemester 1997 von der Juristischen Fakultät der Universität Mannheim als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank für die hervorragende Betreuung der Arbeit und die mir i n jeder Phase gewährte Unterstützung gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke. Er regte das Thema dieser Arbeit an und schuf die bestmöglichen Voraussetzungen für deren Erstellung. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Hans-Wolfgang Arndt für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Prof. Dr. Norbert Simon für die Aufnahme der Arbeit i n die Schriftenreihe zum Öffentlichen Recht. Herzlich danken möchte ich schließlich Herrn Prof. Dr. Karl Otto Scherner, an dessen Lehrstuhl ich während eines wesentlichen Teils der Erstellung des Manuskripts als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt war, für vielfältige Unterstützung, wenn auch nicht i n unmittelbarem, so doch i n indirektem Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit.
Mannheim, i m September 1997
WolfSelb
Inhaltsverzeichnis Einleitung
17
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
19
I. Das Rechtsverhältnis 1. Der Begriff des Rechtsverhältnisses a) Der Begriff des Rechtsverhältnisses i m materiellen Recht
19 20 21
aa) Rechtliche Beziehungen
22
bb) Subjekte eines Rechtsverhältnisses
23
b) Die Einschränkung des verwaltungsprozessualen Begriffs des Rechtsverhältnisses durch das Merkmal der Konkretisierung (h. M.)
26
aa) Die Definition der h. M
26
(1) Konkrete Rechtsverhältnisse und abstrakte Rechtsfragen
27
(2) (Teil-) Rechtsverhältnisse und bloße Elemente
29
bb) Das Merkmal der Konkretheit (1) Der bestimmte, bereits überschaubare Sachverhalt
34 36
(2) Das „streitige" Rechtsverhältnis als Voraussetzung der Konkretheit cc) Stellungnahme
38 43
c) Die Bestimmung des prozessualen Begriffs des Rechtsverhältnisses anhand des Merkmals der „Verhaltensrelevanz" (Trzaskalik)
45
aa) Das Merkmal der „Verhaltensrelevanz"
45
bb) Kritik
49
d) Das subjektive Recht als Rechtsverhältnis
54
e) Ergebnis
62
2. Arten der subjektiven Rechte als Grundlage eines Rechtsverhältnisses
63
10
nsverzeichnis a) Subjektive Rechte des Bürgers
63
aa) Begriff und Bedeutung
63
bb) Arten
65
(1) Ansprüche
65
(2) Beherrschungsrechte
66
(3) Gestaltungsrechte
68
cc) Sonderproblem: Anspruch des Bürgers auf Erlaß von Rechtsnormen als Grundlage eines verwaltungsgerichtlich feststellbaren Rechtsverhältnisses? b) Subjektive Rechte des Staates
68 73
aa) Die Möglichkeit subjektiver Rechte des Staates
74
bb) Einzelne subjektive Rechte des Staates
77
(1) Allgemeiner Anspruch des Staates auf Befolgung seiner Normen?
77
(2) Recht zum Erlaß eines Verwaltungsakts
78
(3) Recht zur Normgebung
78
(4) Staatliche Innenrechte
80
3. Begründungsmöglichkeiten subjektiver Rechte als Voraussetzung eines Rechtsverhältnisses und ihre Konsequenzen für die Feststellungsklage
82
a) Rechtsverhältnis aufgrund von Rechtsnormen
82
b) Rechtsverhältnis und Verwaltungsakt
85
aa) Rechtsverhältnis aufgrund Verwaltungsakts
85
bb) Das dem Verwaltungsakt vorgelagerte Rechtsverhältnis
86
c) Rechtsverhältnis aufgrund öffentlich-rechtlichen Vertrags
88
d) Rechtsverhältnis aufgrund sonstigen Verhaltens
89
4. Gegenwärtige, vergangene und zukünftige Rechtsverhältnisse
89
a) Gegenwärtige Rechtsverhältnisse
91
b) Vergangene Rechtsverhältnisse
92
c) Zukünftige Rechtsverhältnisse
94
5. Rechtsverhältnisse mit Beteiligung Dritter (sog. Drittfeststellungsklage)
100
6. Die negative Feststellungsklage
108
7. Die vorbeugende Feststellungsklage
110
nsverzeichnis a) Grundsätzliche Zulässigkeit
110
b) Entstehung eines Rechtsverhältnisses
113
8. Die Feststellungsklage i m Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Organstreits 9. Die Zwischenfeststellungsklage II. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts 1. Allgemeines
117 119 120 120
2. Voraussetzungen eines tauglichen Klagegegenstands i. S. des § 43 Abs. 1 2. A l t
122
3. Analoge Anwendung des § 43 Abs. 1 2. Alt. i n weiteren Fällen? EI. Die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde
B. Das Feststellungsinteresse
124 129
133
I. Allgemeines
133
II. Das Vorliegen eines berechtigten Interesses
134
1. Allgemeine Voraussetzungen des berechtigten Interesses; Meinungsstand... 134 2. Problematische Fälle
138
3. Voraussetzungen des berechtigten Interesses i n besonderen Fällen
142
a) Bei vergangenem Rechtsverhältnis
142
b) Bei zukünftigem Rechtsverhältnis
146
c) Bei der Drittfeststellungsklage
148
d) Bei der negativen Feststellungsklage
149
e) Bei der Nichtigkeitsfeststellungsklage
151
aa) Keine Einschränkung des berechtigten Interesses
151
bb) Verhältnis der Nichtigkeitsfeststellungsklage zu anderen Rechtsschutzmöglichkeiten f) Bei der vorbeugenden Feststellungsklage
152 154
g) Bei der Feststellungsklage i m Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Organstreits h) Bei der Zwischenfeststellungsklage IE. Das berechtigte Interesse an der „baldigen" Feststellung
159 160 161
12
nsverzeichnis
C. Feststellungsklage und Klagebefugnis
162
I. Meinungsstand
162
II. Stellungnahme
164
D. Die Subsidiarität der Feststellungsklage I. Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 1. Allgemeines
168 168 168
2. Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
170
3. Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der allgemeinen Leistungsklage 4. Subsidiarität der vorbeugenden Feststellungsklage II. Ausnahme von der Subsidiarität
171 173 176
Zusammenfassung
178
Literaturverzeichnis
183
Abkürzungsverzeichnis a. A.
anderer Ansicht
a. a. 0 .
am angegebenen Ort
Abs.
Absatz
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
AgrarR
Agrarrecht
allg. Alt.
Alternative
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
allgemein/e/r/s
Art.
Artikel
AS
Amtliche Sammlung
Aufl.
Auflage
Bad.-Württ.
Baden-Württemberg
BAG
Bundesarbeitsgericht
BauGB
Baugesetzbuch
BayVBl.
Bayerische Verwaltungsblätter
BB
Der Betriebs-Berater
BBauG
Bundesbaugesetz
Bd.
Band
BFH
Bundesfinanzhof
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGHZ BRRG
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs i n Zivilsachen
BRS
Baurechtssammlung
BSG
Bundessozialgericht
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE BVerwG
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
ders.
derselbe
Beamtenrechtsrahmengesetz
Bundesverwaltungsgericht
d. h.
das heißt
Diss.
Dissertation
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung
DVB1.
Deutsches Verwaltungsblatt
f. ff.
folgende folgende
14 Fn.
Abküizungsverzeichnis Fußnote
GastG
Gaststättengesetz
gem. GemO
gemäß Gemeindeordnung
GewArch GewO GG GVG Halbs. h. M. Hrsg.
Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz Gerichtsverfassungsgesetz Halbsatz herrschende Meinung Herausgeber
i. S.
i m Sinne
i. V. m. insb.
in Verbindung mit insbesondere
i. ü.
i m übrigen
JA JK JuS
Juristische Arbeitsblätter Jura-Kartei der Rechtsprechung, Beilage zur Zeitschrift Jura Juristische Schulung
JZ krit.
Juristenzeitung kritisch
LMBG
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz
m. a. W.
mit anderen Worten
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
MGVO
Milch-Garantiemengen-Verordnung
m. w. N. Nachw. NJW
mit weiteren Nachweisen Nachweise Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht
Nr. NVwZ NVwZ-RR NWVBL OVG OWiG
Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
RG RGZ Rn.
Reichsgericht Entscheidungen des Reichtsgerichts in Zivilsachen Randnummer
s.
siehe
S. Sart. I SGB sog. StPO
Seite Sartorius I Sozialgesetzbuch sogenannte/r/s Strafprozeßordnung
Abküzungsverzeichnis UPR
Umwelt- und Planungsrecht
Urt.
Urteil
V.
von, vom
VB1BW
Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg
VereinsG
Vereinsgesetz
VerwArch.
Verwaltungsarchiv
VerwRspr.
Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
Vorb.
Vorbemerkung
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
z. B.
zum Beispiel
ZLR ZMR
Zeitschrift für Miet- und Raumrecht
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZZP
Zeitschrift für Zivilprozeß
Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht
Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche der VwGO.
Einleitung Die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage i n ihrer heutigen Form ist i m Vergleich zu der zivilprozessualen Feststellungsklage eine relativ junge Erscheinung. In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wurde die allgemeine Feststellungsklage in den damals neuen Verwaltungsgerichtsgesetzen einiger deutscher Länder, i m Rahmen der Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit i n den Jahren nach 1945 dann i n die Verfahrensordnungen aller Länder - inhaltlich i m wesentlichen übereinstimmend - eingeführt, um dann in der am 1. April 1960 i n Kraft getretenen VwGO eine bundeseinheitliche Regelung zu finden 1 . Zunächst erfuhr die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage - und dies ist bei der Einführung neuer Rechtsinstitute häufig zu beobachten - eine eher restriktive Behandlung. Das mag damit zusammenhängen, daß man sich bei einem neuen Rechtsinstitut vor unerwünschtem Gebrauch und vor nicht beabsichtigten Konsequenzen, deren Tragweite möglicherweise zunächst nicht vorauszusehen ist, fürchtet. Als Beispiel sei nur genannt, daß man ursprünglich der Auffassung war, die Feststellungsklage sei nicht i n der Lage, Rechtsschutz bei normativem Umecht zu gewähren. Man argumentierte, die Frage, ob eine Rechtsnorm gültig oder ungültig sei, stelle kein feststellungsfahiges Rechtsverhältnis, sondern lediglich eine nicht feststellungsfähige abstrakte Rechtsfrage dar. Erst allmählich setzte sich die Ansicht durch, daß die Feststellungsklage auch i n diesen Fällen Rechtsschutz zu gewähren vermag. Aber auch neben den anderen Klagearten, insbesondere der Anfechtungsklage, hatte die Feststellungsklage keinen leichten Stand. Das zeigt sich z. B. bei dem Streit um die Zulässigkeit vorbeugender Klagen. Hier ging man zunächst davon aus, daß Rechtsschutz erst nach Erlaß des Verwaltungsakts möglich sei. Schon W. Jellinek 2 , dem ein besonderes Verdienst bei der Schaffung der Verwaltungsgerichtsgesetze zukommt, hat davor gewarnt, den Rechtsschutz i m Bereich der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage unnötig einzuengen. Diese Warnung ist auch heute noch in gewisser Weise am Platz. Es besteht immer noch eine Tendenz zu einer - nicht selten ungerechtfertigten - Ein!
Vgl. z. B. Klinger, VwGO, § 43 A 1. Vgl. W. Jellinek, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 2, S. 8, 61 f. 2
2 Selb
18
Einleitung
schränkung des Rechtsschutzes mittels der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage, was sich insbesondere an der Auslegung des Begriffs des Rechtsverhältnisses zeigt. Zu dieser Einschränkung des Anwendungsbereichs der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage hat sicher auch ihre enge Anlehnung an die zivilprozessuale Bestimmung des § 256 ZPO beigetragen 3. Einer wirksamen Entwicklung der Feststellungsklage i m Verwaltungsprozeß hat vor allem die Unklarheit darüber entgegengestanden, was unter einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zu verstehen ist. Die besonders i m Privatrecht i m Zusammenhang mit § 256 ZPO herausgearbeiteten Auffassungen über die Bestimmung des Begriffs des Rechtsverhältnisses sind für das Verwaltungsrecht nicht ohne weiteres verwendbar. Dies führte zu Defiziten der verwaltungsgerichtlichen gegenüber der zivilprozessualen Feststellungsklage nach § 256 ZPO, die bis heute noch nicht behoben sind und die es noch zu beheben gilt. Bei einem Vergleich der einschlägigen neueren Rechtsprechung und Literatur mit der älteren ist festzustellen, daß sich erstaunlich wenig geändert hat. In Rechtsprechung und Literatur sind heute zwar einige Grundsätze anerkannt, deren Berechtigung scheinbar nicht mehr nachgewiesen zu werden braucht, wie z. B. die Gegenüberstellung konkreter Rechtsverhältnisse und abstrakter Rechtsfragen sowie von feststellbaren Teilen und nicht feststellbaren Elementen eines Rechtsverhältnisses. Diese Formeln haben aber kaum zu einer Aufhellung des Begriffs des Rechtsverhältnisses geführt. Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage i n das System des Verwaltungsprozesses und der subjektiven Rechte weiter einzubinden und ihr auf diese Weise den Stellenwert bei der Gewährung eines möglichst umfassenden und effektiven Rechtsschutzes des Bürgers gegenüber dem Staat zuzuerkennen, der ihr neben der Leistungs- und Gestaltungsklage als gleichwertige Rechtsschutzform zukommt. Das Anliegen dieser Arbeit besteht jedoch nicht darin, alle mit der Feststellungsklage zusammenhängenden Fragen kommentarmäßig abzuhandeln.
3
Vgl. R. Naumann, DVB1. 1951, S. 140.
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage Nach § 43 Abs. 1 kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Das Gesetz nennt also zwei verschiedene Klagegegenstände, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses und die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts. Darüber hinaus kommt möglicherweise entsprechend der zivilrechtlichen Regelung des § 256 ZPO - die Feststellung der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde als Klagegegenstand i n Betracht. Die Feststellungsklage stellt nach heute ganz h. M. ein rein prozeßrechtliches Institut dar, d. h. ihr liegt kein materiellrechtlicher Anspruch gegen den Beklagten auf Feststellung zugrunde 1.
I. Das Rechtsverhältnis Zunächst soll das Rechtsverhältnis als Gegenstand der Feststellungsklage näher betrachtet werden. Soweit mit der Klage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt wird, ist für ihre Statthaftigkeit erforderlich, aber auch ausreichend, daß sich aus dem von dem Kläger vorgetragenen Sachverhalt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ableiten läßt 2 . Unterstellt man also den Vortrag des Klägers als wahr, so muß sich daraus das Vorliegen eines solchen Rechtsverhältnisses ergeben. Ob es wirklich besteht, ist erst i m Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen. Teilweise ist allerdings die zumindest mißverständliche Formulierung zu lesen, die Feststellungsklage sei nur statthaft, wenn ein feststellungsfahiges Rechtsverhältnis tatsächlich vorliege3. Sollte dies dahingehend zu verstehen sein, daß die bloße Behauptung 1 Grundlegend Wach, Der Feststellungsanspruch; vgl. dazu auch die Darstellung bei Trzaskalik, S. 12 ff.; Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 1,3; Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 2. 2 Vgl. fiir die insoweit gleichlautende Vorschrift des § 256 Abs. 1 ZPO Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 10; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 93, II 1; Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 2; Thomas / Putzo, ZPO, § 256 Rn. 5. *Kopp, VwGO, § 43 Rn. 11 mit Hinweis auf Erichsen, JK 89, SchMG N W § 2 IV Nr. 2/2.
20
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
eines Rechtsverhältnisses durch den Kläger oder die bloße Möglichkeit seines Vorliegens für die Statthaftigkeit der Klage nicht genügt, ist dem nicht zuzustimmen. Auf diese Weise würde der Schwerpunkt der Prüfüng zu sehr auf die Zulässigkeit der Klage gelegt. Es stünde danach nämlich mit der Bejahung der Zulässigkeit der Klage auch bereits ihre Begründetheit fest, so daß für eine eigene Begründetheitsprüfung kein Raum mehr bliebe. Es sind aber auch solche Fälle denkbar, in denen nicht das Bestehen eines Rechtsverhältnisses an sich in Frage steht, sondern der Beklagte der Ansicht ist, es habe einen anderen als den von dem Kläger behaupteten Inhalt. In diesen Fällen kann mit der Feststellungsklage auch eine Klärung über den Inhalt des Rechtsverhältnisses herbeigeführt werden 4. Denn mit der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist notwendigerweise der Inhalt eines Rechtsverhältnisses mit festgestellt bzw., anders formuliert, ohne Prüfüng des Inhalts eines Rechtsverhältnisses kann nicht über die Frage dessen Bestehens oder Nichtbestehens entschieden werden 5.
1. Der Begriff des Rechtsverhältnisses Es stellt sich zunächst die Frage nach der Bedeutung des Begriffs des Rechtsverhältnisses. Er wird zwar vom Gesetz gebraucht, aber nicht definiert, und zwar weder i m materiellen Recht noch i m Prozeßrecht. Aus diesem Grund gehen die Ansichten darüber, wie er zu bestimmen ist, zum Teil recht weit auseinander. Die Klärung dieses Begriffs ist aber i m Hinblick auf seine - neben dem Merkmal des berechtigten bzw. rechtlichen Interesses - zentrale Bedeutung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage unerläßlich, und zwar sowohl i m Zivil- als auch i m Verwaltungsprozeß. Da § 43 vom Gesetzgeber i n enger Anlehnung an die zivilprozessuale Feststellungsklage nach § 256 ZPO konzipiert wurde, ist auch von einer Anlehnung des Begriffs des Rechtsverhältnisses i n § 43 an den zivilprozessualen Begriff des Rechtsverhältnisses auszugehen. Der Wortlaut des § 43 Abs. 1 entspricht insoweit auch i m wesentlichen dem der Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Die Unterscheidung beider Klagen besteht hinsichtlich des Rechtsverhältnisses i n erster Linie darin, daß für erstere der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 und für letztere der Zivilrechtsweg gem. § 13 GVG eröffnet sein muß. Es kann daher für die vorliegende Untersuchung auch zivilrechtliche Rechtsprechung und Literatur herangezogen werden. Dies ist umso wichtiger, als die zivilprozessuale Feststellungsklage gegenüber der verwaltungsprozessualen das ältere Rechtsinstitut darstellt und die dort entwickelten Grundsätze 4
Vgl. z. B. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 1. Bergmann, S. 53.
5
I. Das Rechtsverhältnis
21
insoweit Vorbildfünktion haben können. Man sollte sich allerdings vor einer unkritischen oder sogar blinden Übernahme der für den zivilprozessualen Bereich entwickelten Grundsätze i n das Verwaltungsprozeßrecht hüten, sondern stets die Besonderheiten des einen oder des anderen Rechtsgebiets bedenken. So sind beispielsweise die rechtlichen Beziehungen i m Bereich des Zivilrechts geprägt durch den Vertrag, das öffentlichen Recht ist hingegen von hoheitlichen Regelungsformen bestimmt, Verträge sind hier Ausnahme6. Bevor aber der prozessuale Begriff des Rechtsverhältnisses untersucht wird, ist ein Blick auf den Begriff des Rechtsverhältnisses i m materiellen Recht unerläßlich, und zwar nicht nur aus Verständnisgründen und um ein abgerundetes Bild von dem Begriff des Rechtsverhältnisses zu erhalten, sondern auch i m Hinblick darauf, daß es bei dem prozessualen Institut der Feststellungsklage letztendlich um die Feststellung eines materiellen Rechtsverhältnisses geht, wenn auch der Begriff des Rechtsverhältnisses i m prozessualen Sinn - wie noch zu zeigen sein wird - von der h. M. abweichend definiert wird. a) Der Begriff des Rechtsverhältnisses
im materiellen Recht
Der Begriff des Rechtsverhältnisses stellt einen der Grundbegriffe des materiellen Rechts dar. Zu seiner Bestimmung hat man in der Zivilrechtslehre unterschiedliche Beschreibungsversuche unternommen. Häufig wird das Rechtsverhältnis als „rechtlich geregeltes Lebensverhältnis" definiert: Durch die Vorschriften der Rechtsordnung werden die Lebensverhältnisse der Menschen geregelt, jedem ein Machtbereich zugeteilt, in welchem sein Wille maßgeblich ist, d. h. Rechte verliehen und auf der anderen Seite Pflichten begründet7. Teilweise wird das Rechtsverhältnis auch als „rechtliches Band" zwischen Rechtssubjekten bezeichnet8. Ohne an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen, läßt sich sagen, daß die Beschreibungen in wesentlichen Punkten übereinstimmen. Zum einen besteht Einigkeit darüber, daß ein Rechtsverhältnis einer rechtlichen (nicht notwendig gesetzlichen) Regelung unterliegen muß. Zum anderen ist unbestritten, daß Rechtsverhältnisse rechtliche Beziehungen zum Gegenstand haben bzw. die rechtliche Folge einer solchen rechtlichen Beziehung darstellen. Auf diese rechtlichen Beziehungen ist i m folgenden näher einzugehen, und zwar zunächst auf ihren möglichen Inhalt (aa)). Anschließend wird der Frage nachgegangen werden, ob Beteiligte dieser rechtlichen Beziehung nur Personen sein können oder ob ein Rechtsverhältnis auch zwischen einer Person und einer Sache bestehen kann (bb)). 6
Rupp, Grundfragen, S. 15. So z. B. von Thür, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band I, § 5 I; s. auchMedicus, BGB allg. Teil, § 9, Rn. 54. % Larenz, BGB allg. Teil, § 12 I. 7
22
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage aa) Rechtliche Beziehungen
Rechtsverhältnisse haben, wie bereits erwähnt, rechtliche Beziehungen zum Gegenstand. Rechtliche Beziehungen wiederum resultieren aus subjektiven Rechten, denn subjektive Rechte begründen eine Beziehung ihres Inhabers zu einem anderen Rechtssubjekt9. Im materiellen Recht geht man deshalb einhellig davon aus, daü rechtliche Beziehungen und damit Rechtsverhältnisse immer mindestens ein subjektives Recht zum mindesten einer Person enthalten müssen10. Subjektive Rechte sind danach Voraussetzung dafür, daß aus einer Beziehung von Rechtssubjekten zueinander ein Rechtsverhältnis entsteht. Allerdings erschöpft sich das Rechtsverhältnis nicht i n dem subjektiven Recht, vielmehr korrespondiert diesem Recht auf der anderen Seite rechtslogisch auch immer eine Rechtspflicht 11 . So gesehen kann jedes subjektive Recht als Rechtsverhältnis bezeichnet werden. In diesem Fall besteht zwischen den beiden Ausdrücken nur der sprachliche Unterschied, daß der Begriff des subjektiven Rechts i n erster Linie die Warte des Berechtigten meint, während der des Rechtsverhältnisses zugleich die Seite des Verpflichteten bezeichnet. Das bedeutet aber nicht, daß sich jedes Rechtsverhältnis i n einem subjektiven Recht (und der korrespondierenden Rechtspflicht) erschöpft. Es kann vielmehr auch eine Mehrzahl bzw. ein ganzes Bündel von Rechten und Pflichten oder auch sonstige Rechtswirkungen 12 enthalten, die untereinander in einem bestimmtem Zusammenhang stehen. In diesen Fällen stellt das Rechtsverhältnis also eine Bezeichnung für eine Gesamtheit von Rechtswirkungen dar. Eine Bezeichnung für diese Gesamtheit von Rechtswirkungen i m Gegensatz zu einzelnen Rechten und Pflichten ist systematisch auch unentbehrlich 13 . Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß Rechtsverhältnisse allein durch Rechtspflichten nicht begründet werden können. Zwar entspricht einem Recht auch immer eine Rechtspflicht, umgekehrt ist dies jedoch nicht zwingend. Das Gesetz kennt auch Rechtspflichten, denen kein subjektives Recht gegenübersteht 14. Im Zivil9
Von Thür, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band I, § 5
Dl. 10
Vgl. z. B. Larenz, BGB allg. Teil, § 12 I; Brox, BGB allg. Teil, Rn. 560 ff.; Schwab, Einführung i n das Zivilrecht, Rn. 173 ff. " V g l . z. B. Larenz, BGB allg. Teil, § 12 I; Medicus, BGB allg. Teil, § 9, Rn. 59; Brox, BGB allg. Teil, Rn. 560. n Larenz, BGB allg. Teil, § 12 II, nennt neben Rechten und Pflichten als weiteren möglichen Inhalt von Rechtsverhältnissen noch sonstige Gebundenheiten, Obliegenheiten, Erwerbsaussichten und Zuständigkeiten. 13 Vgl. von Thür, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band I, §5113. 14 Vgl. z. B. Rupp, Grundfragen, S. 162 f. m.w.N.; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 495; Peine, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 79; Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, § 20, Rn. 71.
I. Das Rechtsverhältnis
23
recht werden i n solchen Fällen durch die Rechtspflicht zwar auch die Interessen einzelner oder der Allgemeinheit geschützt, aber der durch die Rechtsnorm Begünstigte kann von dem Verpflichteten nicht selbst die Erfüllung der Pflicht verlangen; er hat kein subjektives Recht. Die tatsächliche Begünstigung ist vielmehr eine Reflexwirkung des objektiven Rechts15. Im öffentlichen Recht begründet eine Norm, die eine Rechtspflicht enthält, kein subjektives öffentliches Recht des Bürgers, wenn sie ausschließlich dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist 1 6 . Zu beachten ist hier allerdings, daß der normierten Rechtspflicht i n der Regel eine staatliche Rechtsmacht entspricht, die möglicherweise auch als subjektives öffentliches Recht zu verstehen ist 17 . Im Ergebnis läßt sich sagen, daß das Rechtsverhältnis i m materiellen Recht mindestens aus einem subjektiven Recht und der ihm entsprechenden Rechtspflicht besteht. Das subjektive Recht bildet hier also gewissermaßen die Grundvoraussetzung eines Rechtsverhältnisses. bb) Subjekte eines Rechtsverhältnisses Rechtsverhältnisse können unstreitig zwischen Personen bestehen. Gemeint sind damit nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen, jedenfalls solche des Privatrechts. Uneinigkeit hingegen besteht darin, ob eine rechtliche Beziehung auch zwischen einer Person und einer Sache möglich ist. Hierbei geht es um eine Grundfrage des Zivil- und Verwaltungsrechts, die allerdings in der Literatur wenig erörtert wird, nämlich um das systematische Verständnis der Sachenrechte und der subjektiven Rechte i m allgemeinen. Die wohl überwiegende Zivilrechtslehre nimmt Rechtsverhältnisse - meist ohne dies näher zu begründen - auch zu Sachen an und begreift dingliche Rechte als unmittelbare Zuordnung einer Sache zu einer Person, aus der sich höchstens folgeweise eine Beziehung zu einem anderen Rechtssubjekt entwikkeln könne 18 . So wird beispielsweise das Eigentum als ein Rechtsverhältnis nicht zwischen Personen, sondern zwischen einer Person und einer Sache verstanden. Demgegenüber weist Rupp 19 darauf hin, daß eine Sache nach geltendem Recht i n keiner nur denkbaren Rechtsrelation Rechtssubjekt sein könne, son-
15
Vgl. statt vieler Larenz, BGB allg. Teil, § 12 II c; Brox, BGB allg. Teil, Rn. 566. S. dazu unten 2. a) aa). 17 S. dazu unten 2. b) aa). 18 Vgl. z. B. Wolf, Sachenrecht, Rn. 3; Schwab/Prütting, Sachenrecht, § 1 I; s. auch schon von Thür, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band I, § 5 II. {9 Rupp, Grundfragen, S. 166 f. 16
24
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
dem sich vielmehr gerade per defmitionem hiervon unterscheide. Aus diesem Grund scheitere die Annahme rechtlicher Beziehungen zu einer Sache schlicht an ihrer denkgesetzlichen Unmöglichkeit. Dem ist zuzustimmen. Es gibt kein gleichsam „abstraktes" Eigentum einer Person an einer bestimmten Sache, sondern nur i m Verhältnis zu anderen Personen. Richtig ist zwar, daß das Eigentumsrecht dem Eigentümer die unmittelbare Herrschaft über eine Sache zuweist und damit auch eine Beziehung der Person zur Sache herstellt. Die Zuweisung der Sache ist aber immer eine solche i m Verhältnis zu anderen Personen 20. Die Betrachtung des Eigentums i. S. der Zuordnung einer Sache an eine Person beruht hingegen auf einer verzerrten Rechtsbetrachtung, die nicht das Individuum i n den Mittelpunkt allen Rechts stellt, sondern die Sache selbst zum „verdinglichten" Sitz des Eigentumsrechts erhebt 21. Vorzuziehen ist daher die Auffassung, die Sachenrechte nicht i. S. einer unmittelbaren Zuordnung einer Sache zu einer Person, sondern vielmehr i. S. von verbindlichen Entscheidungskompetenzen gegenüber anderen Personen versteht 22 . Die Eigenart der Sachenrechte liegt danach darin, daß durch sie personale Verhältnisse i n bezug auf Sachen geordnet werden. Für ein solches Verständnis spricht auch, daß, wenn von „Recht" die Rede ist, immer die verbindliche Ordnung für das Verhalten von Personen untereinander gemeint ist. Wenn unter objektivem Recht eine Regelung des Verhältnisses zwischen Personen zu verstehen ist, dann kann auch das subjektive Recht nur als eine rechtliche Beziehung zwischen Personen begriffen werden 23 . I m übrigen wird auch nur auf diese Weise ein einheitlicher Begriff des subjektiven Rechts ermöglicht. Denn für die sog. relativen subjektiven Rechte, die nur i m Verhältnis zwischen bestimmten Personen wirken, also insbesondere Ansprüche und i n der Regel auch Gestaltungsrechte, steht außer Frage, daß sie zwischen den beteiligten Personen bestehen. Folgt man der hier befürworteten Auffassung, so steht auch bei den gegenüber jedermann wirkenden absoluten Rechten ihr Inhaber i n einer rechtlichen Beziehung zu anderen Personen, und zwar zu einer unbestimmten Vielzahl. Das unterscheidende Merkmal zwischen relativen und absoluten Rechten bleibt damit allein die „absolute" Wirkung der letzteren. Darüber hinaus weist Henke 24 darauf hin, die Auffassung, die Rechtsverhältnisse auch zu Sachen annimmt, vernachlässige die Erkenntnis, daß es mit
20
Larenz, BGB allg. Teil, § 12 I. Rupp, Grundfragen, S. 167 m.w.N. 22 Hadding, JZ 1986, S. 926, 927. ™Larenz, BGB allg. Teil, § 12 I. 24 Henke, JA 1987, S. 465, 466. 2l
I. Das Rechtsverhältnis
25
der Entstehung eines Rechtsstreits zu einem Verhältnis ausschließlich von Person zu Person, nämlich zwischen Kläger und Beklagtem komme. Abgesehen davon, daß ein mit der Feststellungsklage feststellbares Rechtsverhältnis nach h. M. nicht unbedingt zwischen den Prozeßparteien selbst bestehen muß, sondern auch zwischen einer Prozeßpartei und einem Dritten und sogar zwischen Dritten überhaupt bestehen kann 2 5 , ist dieser Argumentation zuzustimmen, denn es besteht jedenfalls eine Beziehung zwischen Personen. Im übrigen bestehen auch die Wirkungen von Klage und Urteil wie Rechtshängigkeit und Rechtskraft nur zwischen Personen. Ein Richter kann nämlich nicht die Berechtigung des Klägers schlechthin, sondern nur i m Verhältnis zum Gegner bejahen. Wenn somit bei dem Begriff des Rechtsverhältnisses von einer rechtlichen Beziehung einer Person zu einer Sache die Rede ist, so ist dies jedenfalls, wenn überhaupt, nur hinnehmbar, wenn man dies als rechtstheorethisch nicht exakte Formulierung begreift, nämlich in dem Sinne, daß eine Sache lediglich Rechtsverhältnisse zwischen Personen vermitteln kann. Das geschieht beispielsweise dadurch, daß i n Ansehung der Sache Enthaltungs- oder Duldungspflichten Dritter bestehen, aus deren Verletzung subjektive Rechte - und damit ein Rechtsverhältnis - entstehen können. Die Sache bildet i n diesen Fällen also nur den Bezugsgegenstand eines Rechtsverhältnisses zwischen Personen 26. Das diskutierte Problem betrifft i m materiellen Recht zwar lediglich die theoretische Frage des systematischen Verständnisses subjektiver Rechte. In den Fällen, i n denen von der einen Seite ein „gegenständliches Rechtsverhältnis" angenommen wird, liegt nach der anderen Auffassung ein durch den Gegenstand vermitteltes Rechtsverhältnis zwischen Personen vor. I m (Zivil- und Verwaltungs-) Prozeßrecht hat diese Frage hingegen durchaus praktische Bedeutung. Wie sich i m folgenden herausstellen wird, hängen nämlich auch hiermit die Probleme und die Verwirrung zusammen, welche sich aus dem Versuch einer Einschränkung des prozessualen Begriffs des Rechtsverhältnisses durch das umstrittene Merkmal der Konkretisierung ergeben haben.
25
Vgl. dazu unten 5. Vgl. auch aus dem Bereich des Verwaltungsprozeßrechts Dickersbach, GewArch 1989, S. 41, 44, Fußn. 23; Siemer, Normenkontrolle, S. 54. 26
26
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage b) Die Einschränkung des verwaltungsprozessualen Begriffs des Rechtsverhältnisses durch das Merkmal der Konkretisierung (h. M.) aa) Die Definition der h. M.
Unter dem Begriff des Rechtsverhältnisses i. S. des § 43 Abs. 1, wie er durch die öffentlich-rechtliche Rechtsprechung und Lehre in Anlehnung an den zivilprozessualen Begriff des Rechtsverhältnisses i. S. des § 256 ZPO entwickelt worden ist, werden nach gängiger Umschreibung die aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm sich ergebenden (öffentlich-) rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache verstanden 27. Dabei ist anzumerken, daß der oben dargelegte Streit darüber, ob eine rechtliche Beziehung nur zwischen Personen bestehen kann oder ob eine solche auch zwischen einer Person und einer Sache möglich ist, im Prozeßrecht genauso relevant ist wie i m materiellen Recht. Es gibt daher auch Definitionen, die in diesem Punkt abweichen und nur Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder allgemein zwischen Rechtssubjekten28 nennen. Nach der Definition der h. M. genügt jedenfalls nicht, daß lediglich eine irgendwie geartete rechtlich relevante Beziehung vorliegt, sondern sie muß sich aus einem konkreten Sachverhalt ergeben. Der zugrundeliegende Sachverhalt muß danach zumindest bestimmt und bereits überschaubar sein, und es darf sich umgekehrt nicht um einen nur gedachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalt handeln 29 . Gegenstand der Feststellungsklage kann nach h. M. somit nur ein Rechtsverhältnis sein, das eine gewisse greifbare d. h. konkrete Gestalt angenommen hat. Bei diesem Erfordernis der Konkretisierung handelt es sich indessen um ein Merkmal, welches dem Begriff des Rechtsverhältnisses i m materiellen Sinne nicht immanent ist. Auch aus dem Wortlaut des § 43 ergibt sich insoweit kein Hinweis auf eine Einschränkung des Gegenstands der Feststellungsklage. Gleichwohl geht die h. M. davon aus, daß der Begriff des Rechtsverhältnisses i. S. des § 43 die Konkretheit impliziert. Mit dieser Einschränkung des Begriffs des Rechtsverhältnisses soll einer allzu weiten Ausuferung des Gegenstands der Feststellungsklage entgegengewirkt werden. Daß im Umgang mit der herrschenden Definition des Rechtsverhältnisses Probleme auftreten, liegt auf der Hand. Während über das Erfordernis der
27
Vgl. z. B. BVerwGE 14, S. 235, 236; 62, S. 342, 351; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 3; Kopp, VwGO, § 43 Rn. 11 m.w.N. 28 Schwabe, Verwaltungsprozeßrecht, S. 57. 29 Vgl. z. B. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 17 m.w.N.
I. Das Rechtsverhältnis
27
Konkretisierung als solches innerhalb der h. M. im Grundsatz Einigkeit herrscht, ergeben sich bei dessen inhaltlicher Bestimmung erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Diese resultieren insbesondere aus den unklaren Konturen des Begriffs der Konkretheit und den daraus folgenden Schwierigkeiten, einen Maßstab für dessen Beurteilung zu finden 30 . Das Erfordernis der Konkretisierung wird - wie bereits erwähnt - in Rechtsprechung und Literatur primär zur Abgrenzung eines (konkreten) Rechtsverhältnisses von einem nicht feststellungsfähigen abstrakten Rechtszustand herangezogen. Daneben kommt ihm aber auch bei der Unterscheidung von Rechtsverhältnissen und bloßen (nicht isoliert feststellbaren) Elementen eines solchen Bedeutung zu. Infolge der Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Grenzziehung des Begriffs der Konkretheit reduziert sich die Bestimmung des Gegenstands der Feststellungsklage oftmals auf eine negative Abgrenzung. Häufig ist zu lesen, die Klage sei unzulässig, weil der Kläger die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage begehre (s. dazu (1)) oder weil nicht ein Rechtsverhältnis i m ganzen, sondern nur ein unselbständiges Element eines solchen vorliege (s. dazu (2)). Die Rechtsprechung hierzu ist gekennzeichnet durch eine umfangreiche und fast schon als uferlos zu bezeichnende Kasuistik 31 . (1) Konkrete Rechtsverhältnisse
und abstrakte Rechtsfragen
Ohne Zweifel werden anläßlich eines Feststellungsprozesses - allgemein und untechnisch gesprochen - auch bestimmte rechtliche Fragen einer verbindlichen Klärung i m Verhältnis zwischen den Beteiligten zugeführt. Das bedeutet jedoch nicht, daß jede Rechtsfrage Gegenstand eines Feststellungsstreits sein kann. Das folgt schon aus der Funktion der Gerichte. Diese haben nämlich die Aufgabe, Rechtsschutz zu gewähren, d. h. den Parteien bei der Durchsetzung konkreter Rechte zu dienen. Dagegen soll verhindert werden, daß die Gerichte fünktionswidrig als bloße Auskunfts- oder Gutachterstellen in Anspruch genommen werden. Umgekehrt dürfen der Verwaltung auch nicht deren eigentümliche Aufgaben entzogen werden. Vor diesem Hintergrund läßt sich sagen, daß eine Feststellungsklage jedenfalls nicht zulässig sein kann, um Rechtsfragen nur um ihrer selbst willen - gleichsam theoretisch - zu lösen. Solche abstrakte Rechtsfragen liegen nach der Rechtsprechung dann vor, wenn sie sich auf einen fiktiven oder einen in seinen tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen noch nicht übersehbaren Sachverhalt beziehen32 oder wenn ein
30 Vgl. zu diesen Schwierigkeiten z. B. Engisch, Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, S. 1 ff., 50 ff, 72 f. 31 Vgl. z. B. Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 7. 32 Vgl. z. B. BVerwGE 14, S. 235, 236.
28
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
solcher Tatbestand vorliegt, dem überhaupt jeder Bezug zur Rechtsordnung und zu subjektiven Rechten fehlt 33 . Einigkeit besteht beispielsweise darin, daß die Frage der Gültigkeit einer Rechtsnorm nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann 34 . Die Gültigkeit der Rechtsnorm stellt kein Rechtsverhältnis dar, mit der Behauptung ihres rechtlichen Nichtbestehens kann also nicht das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses geltend gemacht werden. Es handelt sich vielmehr um eine (abstrakte) Rechtsfrage. Zulässig ist nach der Rechtsprechung hingegen eine Klage auf Feststellung von Rechten und Pflichten, die sich aus einer Rechtsnorm (oder, wenn diese ungültig ist, aus ihrer Ungültigkeit) angesichts eines konkreten Sachverhalts für die Beteiligten ergeben 35. Demnach wäre z. B. eine auf Feststellung des Nichtbestehens der Mitgliedschaft i n einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gerichtete Klage nicht deshalb unzulässig, weil ihre Gültigkeit ausschließlich von der Gültigkeit der diese Mitgliedschaft begründenden Rechtsnorm abhängt. Denn die Rechtmäßigkeit der Norm ist hier nur als - wenn auch streitentscheidende - Vorfrage für die Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens eines konkreten Rechtsverhältnisses zu prüfen und dient nicht lediglich zur Klärung einer abstrakten Rechtsfrage 36. Es wird i n diesem Fall also nur inzident eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Norm getroffen, während prinzipal über das - davon abhängige - Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses befunden wird 3 7 . In Fällen, i n denen die Klage scheinbar auf die Feststellung der Gültigkeit einer Norm und damit auf die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage gerichtet ist, muß also immer geprüft werden, ob der Antrag nach dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren i n eine Klage auf Feststellung bestimmter Rechtsfolgen aus der i n Frage stehenden Norm (bzw., wenn diese ungültig ist, aus ihrer Ungültigkeit) i m Hinblick auf einen konkreten Sachverhalt ausgelegt bzw. nach § 88 i n eine solche umgedeutet werden kann 38 . Gleiches gilt i m übrigen auch für eine solche Klage, die sich (möglicherweise nur vordergründig) auf die Frage richtet, i n welchem Sinn eine bestimmte Vorschrift auszulegen ist 3 9 .
™Kopp, VwGO, § 43 Rn. 14,17. 34 Vgl. z. B. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 14 m.w.N.; BVerwGE 14, S. 235, 236; 77, S. 207,211. 35 BVerwGE 40, S 323, 327; 51, S. 104,106. 36 BVerwG, NJW 1983, S. 2208 f. 37 Vgl. z. B. Siemer, Normenkontrolle, S. 25. 38 BVerwGE 51, S. 104, 106. 39 Vgl. z.B. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 14 m.w.N.
I. Das Rechtsverhältnis (2) (Teil-) Rechtsverhältnisse
29
und bloße Elemente
Wie bereits erwähnt, hat i n der Rechtsprechung neben der Unterscheidung zwischen (konkreten) Rechtsverhältnissen und (abstrakten) Rechtsfragen auch die Abgrenzung des Rechtsverhältnisses zu bloßen Elementen eines solchen Bedeutung erlangt. Man betrachtet nämlich nur das Rechtsverhältnis selbst sowie selbständige Teile davon als feststellungsfähig nach § 43, während eine auf die Feststellung lediglich eines Elements eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage als unstatthaft und damit unzulässig angesehen wird 4 0 . Es ist allerdings anzumerken, daß sich i n der Praxis - wohl i m Interesse eines möglichst lückenlosen Rechtsschutzes und aus Zweckmäßigkeitsgründen bisweilen die Tendenz beobachten läßt, Ausschnitte aus komplexen Rechtsbeziehungen zu Teilrechtsverhältnissen zu verselbständigen, um zur Statthaftigkeit der Feststellungsklage zu gelangen41. Als Grund für eine Beschränkung des Klagegegenstands auf Rechtsverhältnisse i m ganzen sowie auf selbständige Teile hiervon führt man an, daß Wesen und Aufgabe der Feststellungsklage nach nunmehr allgemeiner Meinung nicht darin bestehe, die Grundlage für einen Leistungsanspruch bzw. für einen künftigen Leistungsprozeß zu schaffen 42. Es muß also kein Leistungsanspruch begründet oder vorbereitet werden oder auch nur vorbereitet werden können 43 . Dann kann es aber auch nicht sein, daß anläßlich des Feststellungsprozesses einzelne Vorfragen und Elemente vorab geklärt werden, die möglicherweise erst i n einem späteren (Leistungs-) Prozeß Bedeutung erlangen. Dies soll umso mehr gelten, als alle Gerichte (unbestrittenermaßen) grundsätzlich eine umfassende Vorfragenkompetenz besitzen, so daß dieselben Fragen gegebenenfalls ebenso in einem späteren Leistungsprozeß beurteilt werden können 44 . Die genannten Gesichtspunkte können insoweit als Ausfluß des Grundsatzes der Prozeßökonomie bezeichnet werden. Daneben fällt ins Gewicht, daß beispielsweise die Feststellung einer Tatsache oder Eigenschaft ohne unmittelbaren Bezug zu subjektiven Rechten und Pflichten einen mehr oder weniger hypothetischen Sachverhalt betrifft und somit zu der Beantwortung einer in 40 Vgl. statt vieler Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 3 m.w.N.; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 3 m.w.N.; Schunck/De Clerck, VwGO, § 43 2 c, d m.w.N.; Lüke, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 24; Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256, Rn. 5; Greger, in: Zöller, ZPO, § 256 Rn. 5; krit. Pietzcker, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 8, 16. 41 S. Lüke, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 16,24 m.w.N. 42 Vgl. z. B. Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 2. 43 Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256 Rn. 8. ^Vgl. z. B. Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 27.
30
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
diesem Sinne abstrakten Rechtsfrage führen kann (s. dazu oben (1)). Insoweit kommt dem von der h. M. verwendeten Merkmal der Konkretisierung neben der Unterscheidung zwischen (konkreten) Rechtsverhältnissen und abstrakten Rechtsfragen ebenso - wenn auch nicht primär - bei der Abgrenzung von Rechtsverhältnissen und bloßen Elementen eines solchen Bedeutung zu. Henke 4 5 begründet die mangelnde Feststellungsfähigkeit von Elementen und Vorfragen eines Rechtsverhältnisses sogar allein damit, daß ihre Tragweite sich nicht mit dem Streit der Beteiligten decke und ihre Beantwortung den Richter zum Gutachter machten. Gerade das sei aber nicht Sinn und Zweck der Feststellungsklage. Daß Klagegegenstand ein Rechtsverhältnis im ganzen sein muß, wird aber, wie bereits erwähnt, nicht gefordert. Selbständige Teile eines Rechtsverhältnisses sind ebenfalls einer Feststellung zugänglich. Als ausreichend für die Statthaftigkeit der Feststellungsklage werden danach auch einzelne rechtliche Beziehungen betrachtet, die nur Ausfluß eines weitergehenden Rechtsverhältnisses sind 46 . Hierunter fallen insbesondere auch einzelne Berechtigungen, die sich für den Bürger oder die Behörde aus dem umfassenden Rechtsverhältnis ergeben 47, sowie einzelne abtrennbare selbständige Anspruchsgrundlagen 48. Statthaft ist nach der Rechtsprechung beispielsweise eine Klage auf Feststellung, ob ein ergangener Verwaltungsakt eine bestimmte Rechtsstellung vermittelt 49 . Oft ist auch zu lesen, auch einzelne, aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis erwachsende Pflichten seien selbständig feststellungsfahig 50. Im Gegensatz zu einem (selbständigen) Teilrechtsverhältnis stellt ein bloßes Element einen unselbständigen Teil eines Rechtsverhältnisses dar, der nicht unmittelbar Rechte und Pflichten begründet. Ein Element kann nur die Voraussetzung solcher Berechtigungen und Verpflichtungen bilden 51 . Unter die unselbständigen Elemente fallen auch reine Tatsachen, und zwar selbst dann, wenn sie rechtserheblich bzw. Tatbestandsmerkmale einer Norm
A5
Henke, JA 1987, S. 465,467. S. z. B. Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 24; Greger, in: Zöller, ZPO, § 256 Rn. 3. 47 S. z.B. BVerwGE 33, S. 42, 43; 36, S. 218, 225; 92, S. 172, 174; Bosch / Schmidt, § 28 m 1 a; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 3; Kopp, VwGO, § 43 Rn. 12. ^Kopp, VwGO, § 43 Rn. 13. 49 BVerwG, N V w Z 1987, S. 216, 217. 50 S. z. B. Schwabe, Verwaltungsprozeßrecht, S. 57, Bosch / Schmidt, § 28 m 1 a; Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 3; Kopp, VwGO, § 43 Rn. 12; vgl. hierzu auch unten e). 51 Kopp, VwGO, § 43 Rn. 13; BVerwGE 24, S. 356, 358; 90, S. 220, 228. 46
I. Das Rechtsverhältnis
31
sind 52 (z. B. wenn es um die Frage des Vorliegens eines Bedürfnisses als Tatbestandsvoraussetzung einer Norm geht 53 ). Im Bereich des Zivilrechts ist der BGH 5 4 auch einer vereinzelt vertretenen Auffassung 55 entgegengetreten, wonach zum Schutze der persönlichen Ehre Klagen auf Feststellung der Unwahrheit von ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen zulässig sein sollen. Seiner Ansicht nach würde sich eine solche erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung des § 256 ZPO nicht auf den Ehrenschutz beschränken lassen und die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gefährden. Ebenfalls nicht selbständig feststellungsfähig sind nach der Rechtsprechung bestimmte Eigenschaften von Personen (z. B. die Frage einer Eignung oder der Zuverlässigkeit 56 für die Ausübung eines bestimmten Gewerbes) oder Sachen (z. B. die Bebaubarkeit eines Grundstücks 57), denn auch sie können lediglich Voraussetzung für Rechte und Pflichten sein und begründen solche nicht unmittelbar 58 . Entsprechendes gilt für die rechtliche Qualifikation bestimmter Vorgänge, wie z. B. die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens oder einer Regelung 59 oder das Vorliegen eines Verschuldens 60. Schließlich werden auch solche Klagen als unzulässig angesehen, die lediglich Vorfragen eines Rechtsverhältnisses zum Gegenstand haben 61 . Allerdings kann eine Vorfrage eines Rechtsverhältnisses ebenso als dessen Element bezeichnet werden, wie man auch umgekehrt ein Element eines Rechtsverhältnisses als dessen Vorfrage ansehen kann. So definiert z. B. Henke 62 Elemente eines Rechtsverhältnisses als die von einer Feststellungsklage aufgewor-
52
BVerwGE 24, S. 356, 358; Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 26; Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256 Rn. 14. *Bosch /Schmidt, § 28 DI 1 a. 54 BGHZ 68, S. 331, 334 f. 55 Vgl. dazu die Nachw. bei Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 28. 56 Vgl. dazu etwa § 35 GewO oder § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. 57 Vgl. BVerwG, BRS 32, Nr. 149. 58 S. z. B. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 13; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 3, Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 25. 59 Vgl. dazu auch Ehlers, N V w Z 1990, S. 105, 107; Laubinger, VerwArch. Bd. 82 (1991), S. 459, 473 f.; dies verkennt jedoch V G H Mannheim, DÖV 1988, S. 469 ff., ebenso OVG Münster, N W V B L 1989, S. 402 ff. 60 S. z. B. BVerwGE 62, S. 342, 351. 61 Vgl. z. B. Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 3; Kopp, VwGO, § 43 Rn. 13; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 3; Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256 Rn. 5; Greger, in: Zöller, ZPO, § 256 Rn. 5. 62 Henke, JA 1987, S. 465, 467.
32
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
fenen tatsächlichen oder rechtlichen Vorfragen, deren Tragweite sich nicht mit dem Streit der Parteien deckt. Es ist ohnehin festzustellen, daß die genannten, von der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen bzw. Schlagwörter sich zumindest teilweise überschneiden. Beispielsweise können auch Eigenschaften von Personen oder Sachen als Elemente eines Rechtsverhältnisses betrachtet werden. Die verwendete Terminologie ist insoweit uneinheitlich. Bei einigen Fallgruppen bleibt offen, ob sie einen allgemeinen Grundsatz ausformen und ergänzen oder ob sie sich auf einen eigenen Regelungsbereich beziehen und selbständige Bedeutung haben. Darüber hinaus stellt sich bei der Abgrenzung von - einer Feststellung zugänglichen - (Teil-) Rechtsverhältnissen zu nicht feststellungsfähigen unselbständigen Teilen von Rechtsverhältnissen ein ähnliches Problem wie bei der Unterscheidimg (konkreter) Rechtsverhältnisse und abstrakter Rechtsfragen. Bisweilen wird der Praxis vorgeworfen, bei einem Vergleich der verschiedenen Fallgestaltungen würden zwar begriffliche Zusammenhänge deutlich, nicht aber einheitliche Regeln, nach denen bestimmt werden könnte, wann ein selbständiger Teil und wann ein Element eines Rechtsverhältnisses gegeben sei 63 . Es fehle also an eindeutigen Abgrenzungskriterien. Die Begründungen erschöpften sich weitgehend i n der Feststellung, daß ein Element oder ein (Teil-) Rechtsverhältnis vorliege. Diese Kritik mag berechtigt sein, man kann jedoch feststellen, daß den genannten Fällen jedenfalls gemeinsam ist, daß nur unselbständige Teile eines Rechtsverhältnisses vorliegen, aus denen nicht unmittelbar Rechte und Pflichten hervorgehen. Es soll an dieser Stelle allerdings darauf hingewiesen werden, daß nach einer teilweise i n der Rechtsprechung vertretenen Auffassung der Grundsatz, Vorfragen und Elemente eines Rechtsverhältnisses seien nicht selbständig feststellungsfahig, nicht uneingeschränkt gilt. Eine Ausnahme soll nach dieser Ansicht dann gelten, wenn durch die Elementenfeststellung der Streit der Beteiligten i m ganzen bereinigt werden kann 6 4 oder wenn i n mehreren anderen Verfahren über dieselbe Vorfrage zu entscheiden wäre und deshalb gerade Gründe der Prozeßökonomie dafür angeführt werden können, vorab eine einheitliche Entscheidung über sie zu erhalten 65 . Diese Rechtsprechung ist jedoch als nicht unbedenklich anzusehen. Zwar mögen in den genannten Fällen
63
Henke, a.a.O. S. BAG, NJW 1969, S. 680; diese Grundsätze wurden später vom BSG übernommen, vgl. NJW 1971, S. 166 f. 65 Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 27 m.w.N.; vgl. ferner auch BAG, NJW 1969, S. 680. 64
I. Das Rechtsverhältnis
33
Gründe der Prozeßökonomie nicht ausdrücklich gegen eine Elementenfeststellung sprechen. Umgekehrt muß man sich aber fragen, ob i n diesen Fällen eine zwingende Notwendigkeit für die Zulassung der Feststellungsklage besteht, zumal auf diese Weise eine einheitliche Behandlung des Klagegegenstandes nicht gewährleistet ist. Im übrigen vermögen auch die genannten Fälle den zweiten, gegen die Zulässigkeit von Elementenfeststellungen sprechenden Aspekt nicht zu entkräften. Es ist nämlich nicht Aufgabe der Gerichte, sich anläßlich des Feststellungsprozesses mit mehr oder weniger hypothetischen Sachverhalten zu befassen und i n diesem Sinne abstrakte Rechtsfragen zu beantworten. Genau dazu kann es aber kommen, wenn lediglich ein Element eines Rechtsverhältnisses ohne unmittelbaren Bezug zu subjektiven Rechten festgestellt wird. Bei der Frage, ob die Klage auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses i m ganzen bzw. eines selbständigen Teils davon oder aber nur auf die Feststellung eines unselbständiges Elements gerichtet ist, ist - ebenso wie bei der Frage, ob ein (konkretes) Rechtsverhältnis oder eine abstrakte Rechtsfrage vorliegt 66 auch immer an die Möglichkeit der Umdeutung oder Auslegung nach § 88 zu denken. Häufig kann nämlich ein auf die Feststellung eines unselbständigen Teils eines Rechtsverhältnisses gerichteter (unzulässiger) Antrag entsprechend dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren ausgelegt werden als Antrag auf Feststellung, sich i n bestimmter Weise verhalten zu dürfen oder ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können oder auf Feststellung, daß ein ergangener Verwaltungsakt eine bestimmte Rechtsstellung vermittelt 67 . Der Klageantrag ist i n diesen Fällen also nur vordergründig auf die Feststellung von Vorfragen oder Elementen eines Rechtsverhältnisses gerichtet, nach dem tatsächlichen Rechtsschutzbegehren sollen aber nicht diese unselbständigen Teile an sich, sondern die daraus resultierenden Berechtigungen und Verpflichtungen festgestellt werden 68 . Es kann beispielsweise vorkommen, daß nur scheinbar die Feststellung der Eigenschaft einer Person oder Sache begehrt wird, während die Klage in Wirklichkeit auf die Feststellung der Rechtsfolgen aus dieser Eigenschaft und damit auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist 6 9 . Wenn z. B. sog. Statusrechte wie die Staatsangehörigkeit oder die Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft 70 , Anstalt oder Stiftung festgestellt werden sollen, so handelt es 66
Hier kann ein Antrag, der vordergründig auf die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage gerichtet ist, möglicherweise als eine Klage auf Feststellung bestimmter Rechtsfolgen aus der in Frage stehenden Norm i m Hinblick auf einen konkreten Sachverhalt ausgelegt bzw. i n eine solche umgedeutet werden (s. oben (1)). 67 Vgl. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 13. 68 Vgl. dazu z. B. BVerwG, NJW 1986, S. 337, 338. 69 Vgl. Eyermann /Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 3 m.w.N. 70 So z. B. der Beamtenstatus. 3 Selb
34
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
sich nicht um (nicht feststellungsfahige) Eigenschaften einer Person, sondern es geht um die sich aus diesem Status ergebenden Rechtsbeziehungen und damit um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses 71. Unzulässig ist die Feststellungsklage i m übrigen nur, wenn das Element, die Vorfrage oder rechtserhebliche Tatsache zum eigentlichen Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden soll 72 . bb) Das Merkmal der Konkretheit Seit Einfuhrung der Feststellungsklage ist man sich darüber einig, daß nicht jede theoretisch mögliche Beziehung zwischen Bürger und Staat ein feststellungsfahiges Rechtsverhältnis darstellt. In der heute h. M. hat sich die Formulierung herausgebildet, daß als Gegenstand der Feststellungsklage i. S. des § 43 Abs. 1 1. Alt. nur das konkrete Rechtsverhältnis i n Betracht kommt. Bevor sich ein Sachverhalt zu einem Rechtsverhältnis konkretisiert, soll lediglich ein nicht feststellbarer „Rechtszustand" bestehen73. Dementsprechend bezeichnete Jellinek 74 als Rechtszustand die Möglichkeit zukünftiger Rechtsverhältnisse bezogen auf ein Rechtssubjekt, mithin eine bloße Eigenschaft oder einen bloßen Status des Rechtssubjekts. Erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände sollte sich der Rechtszustand zu einem Rechtsverhältnis „verdichten" können. Die Terminologie ist in dieser Hinsicht allerdings uneinheitlich. Oft wird anstelle von einem „Rechtszustand" auch von einer (nicht feststellungsfähigen) „Rechtsfrage" oder von einer bloßen „Rechtslage" bzw. „Rechtsstellung" gesprochen 75. Letztendlich geht es aber trotz unterschiedlicher Bezeichnungen i n erster Linie stets um die Abgrenzung des Begriflpaars konkret - abstrakt. Das Merkmal der Konkretheit hat aber auch Bedeutung für die Unterscheidung von Rechtsverhältnissen und selbständigen Teilrechtsverhältnissen einerseits und bloßen Elementen und Vorfragen eines Rechtsverhältnisses andererseits (s. dazu oben aa) (2)). Was bedeutet nun aber Konkretisierung, oder anders gesagt, wann wird ein Sachverhalt dadurch, daß Rechtsnormen auf ihn angewendet werden, konkret? 71
S. z. B. Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 3; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 4 mit weiteren Beispielsfällen. 12 Bosch / Schmidt, § 28 m 1 a. 73 So schon Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 191 f. Jellinek, a.a.O. 75 S. z. B. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 157 m.w.N.; Schwabe, Verwaltungsprozeßrecht, S. 58; Henke, JA 1987, S. 465, 467, trennt wiederum zwischen (nicht feststellungsfähigen) Rechtsfragen und (feststellungsfähigen) Rechtsfolgen; hingegen unterscheidet Trzaskalik, S. 21, abstrakte Rechtsfragen von solchen, die dem Rechtsschutz dienen.
I. Das Rechtsverhältnis
35
Trzaskalik 76 hat zu Recht darauf hingewiesen, daß ohne eine inhaltliche Bestimmung dieses Merkmals die Aussage, abstrakte Rechtsfragen seien einer Feststellung nach § 43 nicht zugänglich, wertlos sei. Es komme nämlich darauf an, wovon abstrahiert wird, d. h., das Abstrakte müsse immer in Bezug zum Konkreten gesehen werden. Genau an den unklaren Konturen des Merkmals der Konkretheit krankt aber die bisherige Diskussion über den Begriff des Rechtsverhältnisses. Obwohl dieses Problem i n dem Streit über den Begriff des Rechtsverhältnisses seit langem eine zentrale Stellung einnimmt, ist der Inhalt der Konkretisierung bzw. wann und unter welchen Voraussetzungen sie eintreten soll, immer noch nicht vollständig geklärt. Als unbefriedigend und unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedenklich anzusehen ist es jedenfalls, wenn bisweilen ausdrücklich eine flexible und am Einzelfall orientierte Handhabung des Begriffs des Rechtsverhältnisses empfohlen wird 7 7 . Ein wesentliches Kriterium sei in erster Linie die Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Aus diesem Grund sollen die Grenzen der Feststellungsklage nicht abstrakt, sondern danach gezogen werden, ob der Streit zwischen den Parteien i m konkreten Fall „durch ein Feststellungsurteil ausgeräumt und Rechtssicherheit mit der Folge herbeigeführt werden kann, daß weitere Prozesse sich erübrigen" 78 . Bei einer solchen Betrachtung ist es nicht nur für den Kläger oftmals schwer abzuschätzen, ob die von ihm beabsichtigte Klage i m Hinblick auf den Klagegegenstand zulässig ist oder nicht. Es besteht dabei auch die Gefahr, daß man der materiellen Rechtsordnung auf diese Weise ein unangemessenes Übergewicht vor dem Verfahrensrecht einräumt und bei jedem materiellrechtlichen Bedürfnis nach einer Klagemöglichkeit mangels Statthaftigkeit anderer Klagearten stets die Feststellungsklage zur Verfügung gestellt wird 7 9 . Bei Durchsicht der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur ist festzustellen, daß der Begriff der Konkretheit nicht einheitlich verwendet wird. Er wird mit unterschiedlichem Inhalt, und zwar in mindestens zwei verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Einmal meint man damit das Vorliegen eines bestimmten, bereits überschaubaren Sachverhalts (s. dazu (1)), zum anderen wird aber auch die Auffassung vertreten, daß dieser Sachverhalt zusätzlich streitig sein muß (s. dazu (2)). Gerade auch aus dieser unterschiedlichen Ver16
Trzaskalik, S. 26. Schwabe, Verwaltungsprozeßrecht, S. 58; Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 22; Rosenberg/Schwab /Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 93, II 1. ls Lüke, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 22. 79 Insoweit wird auch von einer materiellrechtlichen „Überfrachtung" des prozessualen Instituts der Feststellungsklage gesprochen (und davor gewarnt), s. Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 22 m.w.N. 11
36
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
wendung des Begriffs der Konkretheit resultieren die Probleme und die Verwirrung, die mit diesem Merkmal zusammenhängen. (1) Der bestimmte, bereits überschaubare Sachverhalt Nach gängiger Formulierung setzt ein konkretes Rechtsverhältnis einen bestimmten, d. h. hinreichend konkretisierten und bereits überschaubaren Sachverhalt voraus, dessen Rechtsfolgen festgestellt werden sollen 80 . Es muß sich mithin um einen zeitlich, örtlich und hinsichtlich der Beteiligten individualisierten Einzelfall handeln 81 . Unzulässig soll eine Feststellungsklage hingegen dann sein, wenn es nur um gedachte oder als möglich vorgestellte Tatbestände geht oder um solche, denen überhaupt jeder Bezug zur Rechtsordnung und zu subjektiven Rechten fehlt 82 . Dem entspricht auch die herrschende Definition des Rechtsverhältnisses, wonach eine rechtliche Beziehung bestehen muß, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm ergibt 83 . A n die so definierte Konkretheit eines Rechtsverhältnisses sollen allerdings - so ist i n den einschlägigen Kommentarliteratur zu lesen - keine zu strengen Anforderungen zu stellen sein 84 . Als konkretes Rechtsverhältnis wird beispielsweise auch ein aufschiebend bedingtes Rechtsverhältnis angesehen, sofern die wesentlichen Tatsachen bereits vorliegen und nur der Eintritt der Bedingung noch aussteht85. Gleiches soll für die Verpflichtung zu erst künftig fallig werdenden Leistungen gelten, wenn diese Leistungen aufgrund eines gegenwärtig bereits feststehenden Sachverhalts zu erbringen sein werden und nur noch die Fälligkeit aufgeschoben ist 8 6 . Trotzdem ist festzustellen, daß in der Regel Einigkeit nur i m Begriff, nicht aber i n der Sache herrscht. Die Schlagworte „hinreichend bestimmter und überschaubarer Sachverhalt" sowie „individualisierter Einzelfall" können nicht darüber hinwegtäuschen, daß weiterhin unklar bleibt, was in der Defini-
80
Vgl. z. B. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 17 m.w.N.; Pietzcker, in: Schoch / SchmidtAßmann / Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 17. 81 S. z. B. Eyermann /Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 4 m.w.N. %1 Kopp, VwGO, § 43 Rn. 14,17; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 4. 83 S. oben aa). u Kopp, VwGO, § 43 Rn. 18. Z5 Lüke, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 28 m.w.N.; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 8; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 93, II 3 m.w.N. u Kopp, VwGO, § 43 Rn. 18 m.w.N.; Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 28; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 8 m.w.N.; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 93, E 3 m.w.N.
I. Das Rechtsverhältnis
37
tion unter dem i n diesem Sinne „konkreten" Sachverhalt zu verstehen ist. Die bloße Erkenntnis, daß auch i m Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nur über einen bestimmten Fall entschieden wird und nicht lediglich über abstrakte Rechtsfragen, ergibt sich ohnehin schon aus dem Sinn und Zweck der Feststellungsklage wie auch der VwGO i m allgemeinen, Rechtsschutz zu gewähren. Bezeichnenderweise kommt es aber oftmals zu Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlichen Ergebnissen, wenn es um die Anwendung des Begriffs des konkreten Sachverhalts i m zu entscheidenden Rechtsfall geht. Die Frage, unter welchen genauen Voraussetzungen sich nun eine Rechtslage zu einem Rechtsverhältnis i. S. eines konkreten Sachverhalts verdichtet, wird uneinheitlich beantwortet. Hinter der beachtlichen Anzahl der hierzu vertretenen Auffassungen, die sich allerdings zum Teil nur i n Nuancen unterscheiden, sind vom Grundsatz her zwei unterschiedliche Ansatzpunkte zu erkennen 87 . Einer der Ansätze geht von der dem Rechtsverhältnis zugrundeliegenden rechtlichen Regelung aus. Danach soll sich der abstrakte Tatbestand eines Rechtssatzes dann zu einem Rechtsverhältnis zwischen Zurechnungs- und Zuordnungssubjekt der Norm konkretisieren, wenn das Zurechnungssubjekt den Tatbestand dieser Norm erfüllt und so ihre Rechtsfolge auslöst oder ihre Rechtsetzung durch das Zuordnungssubjekt ermöglicht 88 . Nach dieser Auffassung des Begriffs der Konkretheit besteht der Unterschied zwischen Rechtszustand und Rechtsverhältnis also in der (latenten) normierten Beziehung selbst und ihrer Konkretisierung bzw. Aktualisierung durch einen bestimmten Sachverhalt 89 Nach dem zweiten Ansatz, der sich auch in dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung und Literatur wiederfindet, soll sich die Konkretisierung entweder durch ein Tätigwerden der Behörde oder aber des Bürgers vollziehen 90 . Die letztgenannten Fälle, denen allerdings nur eine zweitrangige Bedeutung zukommt, sind solche, in denen der Bürger einen begünstigenden Verwaltungsakt anstrebt. Konkretisierung soll dabei durch den Antrag auf Erlaß des begünstigenden Verwaltungsakts bzw. dessen antragsgemäße oder sonstige er-
%1 Siemer, Normenkontrolle, S. 30 f., spricht von zwei verschiedenen „Konkretisierungstheorien", weist aber darauf hin, daß diese Unterscheidung nicht ausdrücklich bei den Vertretern dieser Auffassungen zu finden seien und daß sie ihnen wohl auch nicht bewußt zu sein scheinen. 88 Siemer, Normenkontrolle, S. 35 f.; ders., in: Festschrift für Menger, S. 501, 510 m.w.N. S9 Menger, System, S. 235. 90 Siemer, Normenkontrolle, S. 30 f.; ders., in: Festschrift für Menger, S. 501, 509 f.
38
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
kennbare Behandlung eintreten 91 . Soweit es hingegen um ein Tätigwerden der Behörde geht, liegt diesem Ansatz die Erkenntnis zugrunde, daß sich eine Rechtslage nicht nur durch ein förmliches Handeln (d. h. durch Verwaltungsakt, Rechtsnorm oder öffentlichrechtlichen Vertrag) zu einem Rechtsverhältnis konkretisieren kann, sondern auch auf formlose Weise 92 . Wie aber dieses formlose behördliche Handeln genau beschaffen sein muß bzw. ab welchem Zeitpunkt das Stadium des Rechtszustands endet und das des Rechtsverhältnisses beginnt, bleibt unklar und bildet den Gegenstand ausgedehnter Diskussionen. So soll die Konkretisierung etwa dann eintreten, wenn sich die Behörde für einen bestimmten Fall „zu interessieren beginnt" bzw. sobald sie die „ernstliche Absicht" hat, i n einem bestimmten Einzelfall tätig zu werden, oder aber in dem Moment, „ i n dem die Behörde auf ernstliche Weise ein nach außen hin erkennbar werdendes Verhalten zeigt, aus dem der Kläger bei objektiver Betrachtung auf eine i n nächster Zukunft zu erwartende erhebliche Beeinträchtigung seiner Rechtssphäre schließen muß" 93 . Es ist allerdings anzumerken, daß der zuletzt dargelegte Ansatzpunkt, soweit sich die Konkretisierung durch ein Verhalten der Behörde vollziehen soll, in erster Linie die Fälle des vorbeugenden Rechtsschutzes betrifft. Es geht also um die Frage, inwieweit die Möglichkeit besteht, mit der Feststellungsklage einem erst beabsichtigten staatlichen Eingriff zuvorzukommen, m. a. W., ob und unter welchen Voraussetzungen schon bei einem drohenden Verwaltungsaktes bzw. bei sonstigem drohenden Verwaltungshandeln ein Rechtsverhältnis vorliegt, dessen Feststellung begehrt werden kann. Die Behandlung einer solchen sog. vorbeugenden Feststellungsklage wird indessen i n einem gesonderten Abschnitt erörtert 94 . (2) Das „ streitige " Rechtsverhältnis als Voraussetzung der Konkretheit In Rechtsprechung und Literatur wird häufig die Auffassung vertreten, zum Merkmal der Konkretheit gehöre neben der hinreichenden Bestimmtheit und Überschaubarkeit des Sachverhalts notwendigerweise auch, daß die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts streitig ist 95 . Dies sei dann der Fall, wenn das
9l
Siemer, Normenkontrolle, S. 32 m.w.N. S. dazu auch unten 3. d). 93 Vgl. zum Meinungsstand unter 7. b) zur vorbeugenden Feststellungsklage. 94 S. dazu unten 7. 95 BVerwGE 14, S. 202, 203; 14, S. 235, 237; 16, S. 92; 36, S. 218, 225; 38, S. 346, 347; 40, S. 323, 325 f.; 77, S. 207, 211 f., 89, S. 327, 329; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 18, Rn. 18; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 329; Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 7; Bosch / Schmidt, § 28 m 1 b; vgl. auch für den Bereich des Zivilrechts RGZ 41, S. 345, 347; Larenz, BGB allg. Teil, § 12 I. 92
I. Das Rechtsverhältnis
39
Rechtsverhältnis oder einzelne sich daraus ergebende Rechte, die der Kläger für sich beansprucht, vom Prozeßgegner bestritten werden oder wenn sich der Prozeßgegner umgekehrt des Rechtsverhältnisses oder einzelner Rechte bzw. Befugnisse hieraus „berühme" 96 . Zumindest sollen ernsthafte Meinungsverschiedenheiten zwischen Kläger und Beklagtem über eine Berechtigung oder Befugnis bestehen, so daß jedenfalls eine begründete Besorgnis für die Rechtsstellung des Klägers besteht97. Ein streitiges Rechtsverhältnis in diesem Sinne soll beispielsweise dann vorliegen, wenn die Behörde behauptet, den Kläger treffe eine bestimmte Pflicht oder ein von ihm wahrgenommenes Recht sei nicht bzw. nicht erlaubnisfrei gegeben. Das brauche nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern könne auch durch eine Beanstandung, einen warnenden Hinweis, durch die Drohimg mit einem Straf- oder Bußgeldverfahren 98 , durch Verwaltungspraxis oder die Regelung eines parallelen Sachverhalts geschehen99. Abgesehen davon, daß es zweifelhaft erscheint, ob, - wie Hufen 100 meint ein bloßer Hinweis seitens der Behörde auf die abstrakte Rechtslage oder die bloße Regelung eines parallelen Sachverhalts eine Konkretisierung in diesem Sinne schlüssigerweise schon herbeizufuhren vermag 101 , kann der Auffassung, zu der Konkretheit des Rechtsverhältnisses gehöre das Umstrittensein von Rechten und Pflichten, auch vom Grundsatz her nicht zugestimmt werden. Bei der Frage, ob ein Rechtsverhältnis umstritten ist oder nicht, handelt es sich offensichtlich nicht um ein Problem des Klagegegenstands, mithin des Bestehens oder Nichtbestehens dieses Rechtsverhältnisses, sondern um eine Frage des berechtigten Interesses und damit des besonderen Rechtsschutzbedürfnisses an der Feststellung eines solchen Verhältnisses 102 . Ist man anderer An-
96
Vgl. Kopp, VwGO, § 43 Rn. 19 m.w.N.; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 18, Rn. 19. 97 Vgl. Kopp, a.a.O. 98 Vgl. Kopp, a.a.O. " V g l . Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 18, Rn. 19. m Hufen, a.a.O. 101 S. dazu auch Eyermann / Fröhler, VwGO, § 43 Rn. 5, wonach eine behördliche Ankündigung bzw. Androhung einer Maßnahme vorliegen muß, die über einen bloßen Hinweis auf die abstrakte Rechtslage hinausgeht; im übrigen handelt es sich hier in erster Linie um ein Problem des vorbeugenden Rechtsschutzes, welcher hier gesondert behandelt wird, s. dazu 7. 102 So auch Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 386; ders., Rechtsschutz, S. 222; Kopp, VwGO, § 43 Rn. 17; Siemer, Normenkontrolle, S. 35; ders., in: Festschrift für Menger, S. 501, 510; Dickersbach, GewArch 1989, S. 41, 45; Schumann, in: Gedächtnisschrift für Michelakis, S. 553, 555; Schwabe, Verwaltungsprozeßrecht, S. 58 f.; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 162; vgl. i. ü. auch schon von Thür, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band I, § 5 12.
40
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
sieht, so verwischt man die Grenzen zwischen Klagegegenstand und Rechtsschutzinteresse, ohne daß hierfür ein zwingender Grund bestünde 103 . Im übrigen wird auch i n der neueren 104 Zivilrechtsprechung - soweit ersichtlich - nicht die Ansicht vertreten, Voraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses sei die Umstrittenheit des zugrundeliegenden Sachverhalts. Die „Bestrittenheit" des Rechtsverhältnisses und eine eventuelle Gefahrdung der Rechtsstellung des Klägers wird hier als eine Frage des berechtigten Interesses angesehen105. Eine derart unterschiedliche Auffassung des Begriffs des „konkreten Rechtsverhältnisses" i n Zivil- und Verwaltungsprozeßrecht würde aber nicht nur einen unnötigen Bruch i n unser Verfahrenssystem hereintragen und dem Interesse an einer Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen widersprechen 106, sondern auch dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zuwiderlaufen, welcher eine möglichst einheitliche Gesetzesauslegung verlangt. Das Erfordernis der Umstrittenheit des Rechtsverhältnisses bedeutet der Sache nach eine Einschränkung des Klagegegenstands der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage. Auch i m Bereich der zivilprozessualen Feststellungsklage, die gegenüber deijenigen i m Verwaltungsprozeß das ältere Rechtsinstitut darstellt und daher Vorbildcharakter haben kann, war von einer anfänglichen, wenn auch später überwundenen, Tendenz zur Einengung des Begriffs des Rechtsverhältnisses durch die Prozeßwissenschaft die Rede. Den Grund für diese restriktive Behandlung sah man teils in der Nachwirkung der Schwierigkeiten, mit denen die Feststellungsklage früher zu kämpfen hatte, teils als Mittel prozessualer Ökonomie 107 . Die zurückhaltende Anwendung mag auch damit zusammenhängen, daß man sich bei einem neuen Rechtsinstitut vor unerwünschtem Gebrauch und vor nicht beabsichtigten Konsequenzen, deren Tragweite möglicherweise zunächst nicht vorauszusehen ist, fürchtet. Es kann insoweit wohl allgemein von einer Tendenz gesprochen werden, bei Einführung eines neuen Rechtsinstituts dieses zunächst eher einschränkend 103
Daher ist auch Trzaskalik, S. 21 f., nicht zuzustimmen, wenn er meint, Rechtsverhältnis und berechtigtes Interesse könnten wegen der „Verbundenheit in der gemeinsamen Zweckbestimmung" nicht isoliert betrachtet werden. 104 Vgl. dagegen noch RGZ 41, S. 345, 347, wo angenommen wird, daß durch das Bestreiten ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien entsteht. 105 Vgl. z. B. BGHZ 91, S. 37, 41; 94, S. 324, 329; BGH, NJW 1986, S. 2507; Schumann, in: Stein-Jonas, ZPO, § 256 Rn. 64 ff.; Hartmann, in: Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, § 256 Rn. 31 m.w.N.; Lühe, in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 256 Rn. 38 m.w.N.; Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 93, IH 1 a; Thomas / Putzo, ZPO, § 256 Rn. 15 m.w.N.; Zimmermann, ZPO, § 256 Rn. 9; Greger, in: Zöller, ZPO, § 256 Rn. 7. 106 Schenke, Rechtsschutz, S. 223. 107 Vgl. von Thür, Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Band I, §51.
I. Das Rechtsverhältnis
41
auszulegen und zurückhaltend anzuwenden. Eine solche Tendenz hat sich dann auch bei der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage und insbesondere bei der Auslegung des Begriffs des Rechtsverhältnisses herausgestellt, und zwar i n mehrfacher Hinsicht. Als Beispiel sei nur genannt, daß man ursprünglich der Auffassung war, die Feststellungsklage sei nicht i n der Lage, Rechtsschutz bei normativem Unrecht zu gewähren. Man argumentierte, die Frage, ob eine Rechtsnorm gültig oder ungültig sei, stelle kein feststellungsfahiges Rechtsverhältnis, sondern lediglich eine nicht feststellungsfahige abstrakte Rechtsfrage dar. Erst allmählich setzte sich die Ansicht durch, daß die Feststellungsklage auch i n diesen Fällen Rechtsschutz zu gewähren vermag. Der Kläger könne nämlich beispielsweise feststellen lassen, daß er zu einem bestimmten Verhalten, das die i n Frage stehende Norm verbietet, berechtigt sei. Damit behaupte der Kläger sehr wohl ein konkretes (feststellungsfahiges) Rechtsverhältnis. I m Rahmen dieser Feststellungsklage habe das Gericht dann inzidenter zu prüfen, ob die entsprechende Norm gültig sei oder nicht 1 0 8 . Dieses Beispiel soll verdeutlichen, daß man nunmehr auch i m Verwaltungsprozeß dazu übergegangen ist, den Anwendungsbereich der Feststellungsklage und insbesondere die Auslegung des Begriffs des Rechtsverhältnisses in gewisser Hinsicht zu erweitern. In gleicher Weise gilt es nun aber, was die Auslegung und Bestimmung des Begriffs der Konkretheit angeht, den Anschluß an das Zivilrecht zu finden. Danach schränkt die Voraussetzung des „Umstrittenseins" eines Rechtsverhältnisses nicht den Klagegegenstand ein, sondern stellt eine Frage des besonderen Rechtsschutzinteresses dar. Ist man anderer Ansicht, so hat dies auch eine krasse Kluft zwischen der Bedeutung des Begriffs des Rechtsverhältnisses i m Verwaltungsprozeßrecht und der i m materiellen Recht 109 zur Folge. Dies würde nicht nur dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zuwiderlaufen. Eine derart abweichende und einschränkende Auslegung des Begriffs des Rechtsverhältnisses i m Prozeßrecht durch die Aufnahme des Kriteriums des Umstrittenseins würde vor allem auch völlig unberücksichtigt lassen, daß dem Prozeßrecht gegenüber dem materiellen Recht nur dienende Funktion zukommt 110 und insofern eine gleichsam funktionelle Abhängigkeit besteht. Es ist daher auch aus diesem Grund geboten, eine möglichst einheitliche Auslegung des Begriffs des Rechtsverhältnisses i n beiden Rechtsgebieten vorzunehmen. Im übrigen ist es schließlich auch das eigentliche Ziel des Rechtsschutzbegehrens, ein materielles Rechtsverhältnis feststellen zu lassen. Daß es sich bei der Frage des „Umstrittenseins" nicht um eine solche des Klagegegenstands handelt, wird i m übrigen auch am Beispiel der negativen 108
S. dazu unten 3. a). S. dazu oben a). 110 Vgl. z. B. Moser, S 49. 109
42
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
Feststellungsklage deutlich. Man muß sich hier die Frage stellen, wie das i n einem derartigen Sinne verstandene Merkmal der Konkretheit bei der Prüfung des Rechtsverhältnisses berücksichtigt werden soll, wenn doch ein solches nach dem Vortrag des Klägers überhaupt nicht vorhanden ist. Es ist kaum vorstellbar, wie i n diesem Fall das als nicht bestehend Behauptete konkretisiert werden soll. Mit der Behandlung des Problems unter dem Gesichtspunkt des berechtigten Interesses lassen sich auch sachgerechte Ergebnisse erzielen. Ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung des Rechtsverhältnisses liegt nämlich regelmäßig nur dann vor, wenn ein subjektives öffentliches Recht i m Einzelfall konkret gefährdet oder gar verletzt ist 1 1 1 . Es ist also keinesfalls so, daß ein Verzicht auf die einschränkende Auslegung des Begriffs des Rechtsverhältnisses durch das Erfordernis des „Umstrittenseins" zu einem Ausufern der Rechtsschutzzone der Feststellungsklage führt. In der Praxis werden vielmehr beide Auffassungen zu gleichen Ergebnissen führen. Dann ist es aber nicht einzusehen, warum ohne sachlich überzeugenden Grund und trotz der dargelegten, insbesondere systematischen Bedenken bereits eine Einschränkung des Begriffs des Rechtsverhältnisses erfolgen soll. Ist ein Rechtsverhältnis nicht umstritten, wird bisweilen auch vorgeschlagen, bereits den Verwaltungsrechtsweg nach § 40 für unzulässig zu erklären 1 1 2 . Diese Vorschrift setze nämlich das Vorliegen einer öffentlichrechtlichen „Streitigkeit" voraus, noch bevor von einer bestimmten Klageart die Rede sei. I m Rahmen der Prüfung des Klagegegenstandes bzw. der Statthaftigkeit der Klage bleibe dann nur noch fraglich, worüber man sich i n einer Klage nach § 43 Abs. 1 streiten müsse, d. h. ob ein Rechtsverhältnis i. S. einer rechtlichen Beziehung aus einem konkreten Sachverhalt vorliege. Gegen diese Ansicht bestehen zwar i n sachlicher Hinsicht keine Einwände. Im Interesse des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung sollte man jedoch die Frage des Umstrittenseins des Rechtsverhältnisses - wie i m Zivilprozeß - bei der Prüfung des berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung behandeln. Die eben erörterte Frage, ob ein Rechtsverhältnis i. S. von § 43 auch das Umstrittensein des zugrundeliegenden Sachverhalts voraussetzt, darf allerdings nicht mit dem folgenden Problem aus dem Bereich des vorbeugenden Rechtsschutzes verwechselt werden. Droht die Behörde dem Bürger einen Verwaltungsakt (z. B. das Verbot einer bestimmten Tätigkeit) oder eine sonstige Maßnahme an, die der Bürger für unberechtigt hält, so liegt damit auch eine Streitigkeit vor. Gleichwohl ist dies bereits für die Frage des Bestehens U1
S . dazu unten B. II. 1. Vgl. Schenke, Rechtsschutz, S. 222; Siemer, Normenkontrolle, S. 35; ders., in: Festschrift für Menger, S. 501, 509 f.; Dickersbach, GewArch 1989, S. 41, 45; Schwabe, Verwaltungsprozeßrecht, S. 59. 112
I. Das Rechtsverhältnis
43
eines Rechtsverhältnisses von Bedeutung. Ist nämlich die angedrohte Maßnahme rechtswidrig, so führt dies zum Entstehen eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs des Bürgers. Dieser Unterlassungsanspruch begründet ein eigenes Rechtsverhältnis 113 , dessen Bestehen unter gewissen Voraussetzungen schon vor Verwirklichung der angedrohten Maßnahme festgestellt werden kann. Dabei ist jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß sich das festzustellende Rechtsverhältnis in diesen Fällen nicht aus dem durch die Behörde bestrittenen Recht des Bürgers ergibt, sondern aus dessen Unterlassungsanspruch, der sozusagen ein sekundäres Recht darstellt 114 . cc) Stellungnahme A n den obigen Ausführungen wird deutlich, daß die herrschende Definition des Rechtsverhältnisses und insbesondere das darin enthaltene einschränkende Merkmal der Konkretheit nicht zur Klärung und Aufhellung des Begriffs des Rechtsverhältnisses beigetragen, sondern vielmehr für weitere Streitigkeiten und Unklarheiten gesorgt hat. Zum einen wird der Begriff des Rechtsverhältnisses durch eine Reihe anderer - neue Probleme bringender - Begriffe ersetzt, zum anderen hat die herrschende Definition zum Gebrauch weiterer Rechtsbegriffe geführt, die der negativen Abgrenzung des Rechtsverhältnisses dienen. Dabei ist i n Literatur und Rechtsprechung eine Nachlässigkeit i m Umgang mit diesen Begriffen festzustellen. So fällt auf, daß man Begriffe wie „Rechtszustand", (abstrakte) „Rechtsfrage" oder sogar den des „abstrakten Rechtsverhältnisses" 115 wie selbstverständlich gebraucht, ohne sich um eine Begriffsbestimmung zu bemühen. Nicht zuletzt dürfte dies ein Grund dafür sein, daß es zu einer umfangreichen Kasuistik oder zumindest zu einer nicht in befriedigender Weise untermauerbaren Fallgruppenbildung gekommen ist. Beispielsweise hätte der bisweilen gebrauchte Terminus des „abstrakten Rechtsverhältnisses" einer kritischen Überprüfung bedurft, da doch nach herrschender Auffassung ein Rechtsverhältnis schon die Konkretheit impliziert und somit niemals abstrakt in diesem Sinne sein kann. Die Bezeichnung „abstraktes Rechtsverhältnis" stellt daher aus Sicht der h. M einen Widerspruch i n sich dar. A m deutlichsten aber zeigen sich die Unklarheiten und Widersprüche i m Umgang mit der Definition des Rechtsverhältnisses an dem von der h. M. verwendeten Merkmal der Konkretisierung. Es wird im Verwaltungsprozeß-
113
Vgl. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 386. Vgl. zur vorbeugenden Feststellungsklage unten 7. 115 Den Begriff des abstrakten Rechtsverhältnisses gebrauchen z. B. Bergmann, Diss., S. 77 a; ders., DÖV 1959, S. 570, 571; Trzaskalik, S. 20 ff 114
44
A. Der Gegenstand der Feststellungsklage
recht noch nicht einmal vom Begriff her einheitlich verstanden, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Bestimmung des genauen Zeitpunkts, zu dem sie eintreten soll. Man gebraucht den Begriff, wie dargelegt, i n zwei verschiedenen Bedeutungen. Einmal i. S. eines bestimmten und überschaubaren Sachverhalts, zum anderen wird zusätzlich gefordert, daß dieser Sachverhalt umstritten sein muß. Die letztgenannte Auffassung des Merkmals der Konkretheit ist, wie bereits erörtert, als sachlich falsch abzulehnen. Aber auch die Eingrenzung des Rechtsverhältnisses durch das Erfordernis eines konkreten i. S. eines bestimmten und überschaubaren Sachverhalts ist zumindest als eine unglückliche Formulierung anzusehen. Daß i m Rahmen des § 43 von der Sache her nur über einen konkreten Fall entschieden werden kann und nicht über lediglich gedachte, theoretische Rechtsfragen, kann schon angesichts des Zwecks der Vorschrift, Rechtsschutz zu gewähren, nicht bestritten werden. Solche „abstrakte" Rechtsfragen lassen sich aber auch von Rechtsverhältnissen unterscheiden, ohne daß es hierzu der Heranziehung des Merkmals der Konkretheit bedarf. Im Gegensatz zu Rechtsfragen haben nämlich Rechtsverhältnisse rechtliche Beziehungen zum Inhalt, welche wiederum aus subjektiven Rechten resultieren 116 . Betrachtet man diese subjektiven Rechte näher, so läßt sich feststellen, daß sich die erforderliche Bestimmtheit des Sachverhalts schon aus dem entsprechenden subjektiven Recht selbst ergibt. Wie bereits ausgeführt 117 , sprechen gewichtige Gründe für die Annahme, rechtliche Beziehungen können nur zwischen Personen bestehen, nicht aber zwischen einer Person und einer Sache. So ist z. B. das Eigentum nach Art. 14 GG nicht i. S. einer unmittelbaren Zuordnung einer Sache zu einer Person aufzufassen, was gleichsam zu einem „gegenständlichen" Rechtsverhältnis führen würde, sondern als Beziehung zwischen Personen i n Bezug auf diese Sache. Es gibt also kein „abstraktes" Eigentum an einer Sache, sondern nur Eigentum i m Verhältnis zu anderen Personen, wenn auch zunächst zu einer unbestimmten Vielzahl. Wenn man aber das Eigentum - und Entsprechendes gilt auch für alle anderen subjektiven Rechte 118 - i n der eben beschriebenen Weise versteht, nämlich als rechtliche Beziehung (ausschließlich) zwischen Personen, so ist ihm die Bestimmtheit schon wesensimmanent. W i l l sich der Kläger auf eine Norm berufen, die ein subjektives öffentliches Recht begründet, so ist selbstverständlich, daß ein bestimmter Sachverhalt vorliegen muß, der unter den Tatbestand der Norm fällt. Das von der h. M. gebrauchte Merk-
116
S. oben a) aa). S. oben a) bb). 118 So steht beispielsweise auch die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG dem Berechtigten nicht abstrakt zu und ist dementsprechend nicht als solche feststellbar, sondern nur i n Bezug auf bestimmte Handlungen und gegenüber bestimmten Personen. 117
I. Das Rechtsverhältnis
45
mal der Konkretisierung stellt sich insoweit als selbstverständlich und damit überflüssig dar 1 1 9 . Im übrigen ist die Definition der h. M., auch soweit sie die Konkretisierung i. S. eines bestimmten und überschaubaren Sachverhalt versteht - genauso wie dem Verständnis der Konkretisierung i. S. eines umstrittenen Sachverhalts entgegenzuhalten, daß auch hier eine abweichende Definition des Begriffs des Rechtsverhältnisses i m Prozeßrecht gegenüber demjenigen i m materiellen Recht gebraucht wird, was dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zuwiderläuft 120 . c) Die Bestimmung des prozessualen Begriffs des Rechtsverhältnisses anhand des Merkmals der „ Verhaltensrelevanz