125 70 913KB
German Pages 207 Year 2006
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1009
Die Vereinbarkeit umwandlungssteuerrechtlicher Vorschriften mit den Grundfreiheiten der Inländer Von
Roman Pietsch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ROMAN PIETSCH
Die Vereinbarkeit umwandlungssteuerrechtlicher Vorschriften mit den Grundfreiheiten der Inländer
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1009
Die Vereinbarkeit umwandlungssteuerrechtlicher Vorschriften mit den Grundfreiheiten der Inländer
Von
Roman Pietsch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11606-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 14. April 2004 statt. Meinem Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Markus Heintzen, danke ich sehr für die vorzügliche und engagierte Betreuung der Dissertation. Er stand bei Fragen und für Rat immer zur Verfügung. Das von ihm geleitete Doktorandenkolloquium bot eine hervorragende Gelegenheit, Arbeitsergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren. Mein herzlicher Dank gilt auch Herrn Univ.-Prof. (em.) Dr. Joachim SchulzeOsterloh. Er hat sich bereit erklärt, das Zweitgutachten zu erstellen und gab mir ebenfalls zahlreiche, sehr wertvolle Anregungen. Den Rechtsanwälten der gesellschaftsrechtlichen Abteilung der Sozietät Nörr Stiefenhofer Lutz, Berlin, danke ich, dass ich während des Promotionsvorhabens dort tätig sein und in der sehr lehrreichen, interessanten und abwechslungsreichen Zeit praktische Erfahrungen sammeln konnte. Außerdem danke ich meiner Ehefrau Ricarda und meinen Eltern für ihre Ermunterungen und ihr Verständnis. Die Dissertation ist in den Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen auf dem Stand Frühjahr 2005. Berlin, im September 2005
Roman Pietsch
Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung
17
A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
1. Teil Steuerliche Behinderungen grenzüberschreitend agierender Inländer durch das Umwandlungssteuergesetz C. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern durch Einzelrechtsnachfolge nach den Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerneutrale Übertragung von Vermögensgegenständen . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbringungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbringender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufnehmender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz durch den aufnehmenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Übernahme des Wertansatzes des aufnehmenden Rechtsträgers durch den Einbringenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 28 29 29 31 33 33 33 34 34 34 35 35 35 36 36 36 37 38 38 39 40 40 40
8
Inhaltsverzeichnis 7. Gewährung von Anteilen als Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Besteuerungsmöglichkeit beim einbringenden Rechtsträger . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländische Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einbringung eines (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einbringung eines mehrheitsvermittelnden Anteils in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einbringung in eine Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzüberschreitende Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
E. Steuerliche Behinderungen von Umstrukturierungen inländischer Rechtsträger durch Einzelrechtsnachfolge mit grenzüberschreitendem Bezug . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der steuerlichen Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft . . . . 1. Einbringungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitunternehmeranteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teilbetrieb und Einzelwirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbringender Rechtsträger eines (Teil-)Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufnehmender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz durch den aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 4 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gewährung von alten Anteilen als Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gewährung von Gegenleistungen zusätzlich zu Anteilen . . . . . . . . . . . . a) Einbringung eines (Teil-)Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 23 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 23 Abs. 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) § 23 Abs. 4 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Keine kurzfristige Veräußerung durch die aufnehmende Gesellschaft beim Anteilstausch nach § 23 Abs. 4 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Keine Rückbeziehung des Anteilstausches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Personengesellschaft: Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger (§ 24 Abs. 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41 41 41 41 42 42 42 42 44 44 45 45 45 47 47 47 48 49 50 50 51 54 55 55 56 57 57 59 60 61 63
64
Inhaltsverzeichnis F. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge nach den Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerneutrale Übertragung von Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übertragungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übernehmender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besteuerungsmöglichkeit beim übernehmenden Rechtsträger . . . . . . . . . 5. Buchwert- oder Zwischenwertansatz durch den übertragenden Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Übernahme des Wertansatzes des übertragenden Rechtsträgers durch den Übernehmenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermögensübergang von einer Körperschaft auf einen einkommensteuerpflichtigen Rechtsträger (§§ 3 ff., 16 UmwStG) . . . . . . . . . . . b) Vermögensübergang zwischen Körperschaften (§§ 11 ff., 15 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögensübergang von einer Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 7. Gewährung von Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung bei Vermögensübergang zwischen Körperschaften (§§ 11 ff., 15 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
65 65 66 67 67 67 68 69 70 71 71 72 72 73
73
G. Steuerliche Behinderungen von Umstrukturierungen inländischer Rechtsträger durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge mit grenzüberschreitendem Bezug I. Betrachtete Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlende zivilrechtliche Grundlage für alle Fälle der Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 1 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lückenschluss durch Analogiebildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abschließender Charakter des § 1 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlung einer inländischen Körperschaft in gebietsfremde EUKörperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 1 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 1 Abs. 5 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) §§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlung einer inländischen Personenhandelsgesellschaft bzw. Ausgliederung aus inländischem Vermögen in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausländische Umwandlung mit inländischem Gesellschafter . . . . . . . . .
82 83
H. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
74 74 76 76 76 78 79 80 80 80 81 81
10
Inhaltsverzeichnis 2. Teil Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten in Bezug auf umwandlungssteuerrechtliche Vorschriften
I.
J.
Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes anhand der Grundfreiheiten I. Anwendungsvoraussetzungen der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten in Bezug auf direkte Steuern 2. Berufung von Inländern auf Grundfreiheiten gegenüber ihrem Herkunftsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich in Betracht kommender Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . 1. Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Primäre Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrenzverhältnis der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einbringender Inländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufnehmender Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Möglichkeit der Berufung auf die Niederlassungsfreiheit des aufnehmenden Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verschmelzung und Aufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausländische Umwandlung mit inländischem Gesellschafter . . . . . . aa) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit untersagte Behinderungen grenzüberschreitend agierender Inländer durch den Herkunftsstaat . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lehre vom reinen Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 87 87 87 88 90 90 90 91 96 97 99 99 99 100 100 102 102 102 102 103 104 104 104 105 105 105 106 106 106 107 107 107 108 108
Inhaltsverzeichnis
11
2. Lehre vom umfassenden Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lehre vom Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingrenzung der Beeinträchtigungsformen auf die Diskriminierung b) Vereinheitlichung der Eingriffsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierung zwischen Inländern oder Gleichbehandlung . . bb) Vergleich mit der Wirkung gegenüber dem gebietsfremden Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Differenzierung zwischen Diskriminierungen und Beschränkungen als Eingriffsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung eines Beschränkungsverbots bei den direkten Steuern . .
111 112 115 115 116 116
K. Von der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit zugelassene Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen von Inländern durch den Herkunftsstaat I. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 46 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Artt. 56 ff. EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 46 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wortlaut des Art. 46 Abs. 1 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ähnlichkeit unmittelbar und mittelbar diskriminierender Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dd) Unterschied mittelbar diskriminierender und beschränkender Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 58 Abs. 1 lit. a EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 58 Abs. 1 lit. a EG . . II. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungleichbehandlung aufgrund der Staatszugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung von diskriminierenden Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Im EG-Vertrag kodifizierte Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kohärenz des Steuersystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigung von beschränkenden Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . L. Zusammenfassung des Lösungsvorschlages für die tatbestandliche Abgrenzung und die Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Niederlassungsfreiheit (Artt. 43 ff. EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Trennung von diskriminierenden und beschränkenden Maßnahmen . . . 2. Diskriminierende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbare Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mittelbare Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 121 121 127 130 130 130 130 133 134 134 134 134 137 142 143 145 145 145 146 146 147 149 154 155 155 155 156 156 156 156
12
Inhaltsverzeichnis b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Belange der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (Art. 46 Abs. 1 EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Richterrechtlicher Grund der Kohärenz des Steuersystems . . . cc) Keine ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis zu Beschränkungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterschiedslose Anwendung von Rechtsvorschriften . . . . . . . . bb) Untaugliche Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalverkehrsfreiheit (Artt. 56 ff. EG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Trennung von diskriminierenden und beschränkenden Maßnahmen . . . 2. Diskriminierende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschriebene Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157 157 158 159 159 159 159 159 160 160 161 161 161 161 161 161 162 162 162 162
3. Teil Vereinbarkeit der durch das Umwandlungssteuergesetz hervorgerufenen Behinderungen von Inländern bei der freien Niederlassung und im freien Kapitalverkehr 163 M. Einordnung als Diskriminierungen oder Beschränkungen und Rechtfertigung I. Diskriminierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft a) Einbringungsgegenstand: Mitunternehmeranteil . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einbringender Rechtsträger eines (Teil-)Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . c) Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 1 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewährung von Gegenleistungen zusätzlich zu Anteilen . . . . . . . . . aa) Einbringung eines (Teil-)Betriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bewertung der neuen Anteile: Besteuerungsrecht (§ 23 Abs. 4 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Keine kurzfristige Veräußerung durch die aufnehmende Gesellschaft beim Anteilstausch nach § 23 Abs. 4 UmwStG . . . . . . . . . . . g) Keine Rückbeziehung des Anteilstausches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163 163 163 165 167 169 171 171 172 173 174 177
Inhaltsverzeichnis 2. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Personengesellschaft: Möglichkeit der Besteuerung des Einbringungsgegenstandes bei Gewinnrealisierung durch den aufnehmenden Rechtsträger bei § 24 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlende zivilrechtliche Grundlage für alle Fälle der Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 1 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umwandlung einer inländischen Körperschaft in eine gebietsfremde EU-Körperschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 1 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 1 Abs. 5 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) §§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umwandlung einer inländischen Personenhandelsgesellschaft bzw. Ausgliederung aus inländischem Vermögen in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausländische Umwandlung mit inländischem Gesellschafter . . . . . . . . . II. Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft a) Einbringungsgegenstand: Teilbetrieb und Einzelwirtschaftsgüter . . . b) Aufnehmender Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz durch den aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 4 UmwStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewährung von alten Anteilen unzulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 23 Abs. 1 und 3 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 23 Abs. 4 UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
177 178 179 181 181 181 182 182
183 183 184 184 185 186 186 187 188 188 189 190
N. Ergebnisse in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. F. ABl. Abs. AG AktG Anm. AO Art(t). AStG Aufl. B.V. BB Bd. Begr. Beil. BFH BGB BGBl. BGH BMF BR BStBl. BT bzw. d. d.h. DB DBA ders. dies. DÖV Drs. DStJG DStR DStZ
anderer Auffassung alte Fassung Amtsblatt Absatz Aktiengesellschaft oder „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Aktiengesetz Anmerkung Abgabenordnung Artikel Außensteuergesetz Auflage besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid Betriebsberater (Zeitschrift) Band Begründung Beilage Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesministerium der Finanzen Bundesrat Bundessteuerblatt Bundestag beziehungsweise der das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen derselbe dieselbe(n) Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft e. V. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis DVBl. EC EG EGBGB EGV Einf. EStG EStR EU EuGH EuGHE EuR EUV EuZW EWG EWGV EWS f. ff. Fn. FR FRL FS G GesR GG GmbH GmbHG GmbHR GS H. Hdb. HGB Hrsg. i. S. d. i. V. m. int. IStR JbFStR JZ KG
15
Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) European Community Europäische Gemeinschaft(en) bzw. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (bei Vertragszitat) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europarecht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende (eine Seite) folgende (mehrere Seiten) Fußnote Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusionsrichtlinie Festschrift Gesetz Gesellschaftsrecht Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gedächtnisschrift Heft Handbuch Handelsgesetzbuch Herausgeber im Sinne der bzw. des in Verbindung mit international Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristenzeitung Kommanditgesellschaft
16 KGaA Komm. KStG lit. m. w. N. NJW Nr(n). NVwZ NWB NZG o. o. g. OECD OECD-MA OLG R RIW Rnr(n.) Rs. S. S.A. s. o. SE sog. StÄndG StuW SWI Tz. u. a. UmwG UmwStG Urt. USA v. Var. vgl. WM z. B. ZGR ZHR ZIP ZPO
Abkürzungsverzeichnis Kommanditgesellschaft auf Aktien Kommentar Körperschaftsteuergesetz Buchstabe mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer(n) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Wirtschafts-Briefe (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oben oben genannt Organistion für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD-Musterabkommen Oberlandesgericht Richtlinie(n) Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Randnummer(n) Rechtssache Seite(n) Société Anonyme siehe oben Societas Europaea sogenannt Steueränderungsgesetz Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift) Textziffer(n) und andere bzw. unter anderem Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Urteil Vereinigte Staaten von Amerika von bzw. vom Variante vergleiche Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzpraxis Zivilprozessordnung
Einleitung und Gang der Untersuchung A. Einleitung Ein Unternehmen kann neben der Gesellschaftsgründung durch Umwandlung eines oder mehrerer vorhandener Rechtsträger geschaffen werden. Eine Umwandlung kann ohne Vermögensübergang durch Formwechsel vollzogen werden. Damit bleibt die Identität der Gesellschaft erhalten.1 Möglich ist aber auch die Umwandlung durch Übertragung von Vermögenswerten von einem Rechtsträger auf einen anderen im Wege der Einzelrechtsnachfolge nach den allgemeinen Bestimmungen sowie im Wege der Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge nach den Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes. Als Gegenleistung sind dann Gesellschaftsanteile zu gewähren.2 Umwandlungen bieten Gesellschaften die Möglichkeit, sich durch Übertragung von Vermögenswerten an anderen zu beteiligen oder ihre Rechtsform zu wechseln. Soll eine Umwandlung durchgeführt werden und ist anhand gesellschafts- und umwandlungsrechtlicher Normen der zivilrechtliche Lösungsweg für die Übertragung von Vermögenswerten gegen Anteile gefunden worden, sind die steuerlichen Folgen zu bedenken. Für die Beteiligten ist es meist von großem Interesse, die Transaktion bei einer möglichst niedrigen steuerlichen Belastung durchzuführen. Das Umwandlungssteuergesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 28. Oktober 19943 gewährt den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, die Besteuerung bestimmter Umwandlungen ganz oder teilweise aufzuschieben, sodass Transaktionen steuerneutral erfolgen können. Steuerneutrale Übertragungen von Vermögenswerten haben eine hohe praktische Bedeutung. Können Betriebe, Betriebsteile und Gesellschaftsanteile nach den Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes ohne eine sofortige Besteuerung veräußert werden, erhalten Unternehmen die Möglichkeit, ihre rechtliche Struktur an das Wirtschaftsleben anzupassen oder sich an anderen Rechtsträgern zu beteiligen, ohne durch eine Ergebnisbesteuerung belastet oder abgeschreckt 1
§§ 190 ff., 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. §§ 2 ff., 20 Abs. 1 Nrn. 1–3 UmwG für die Verschmelzung, §§ 123 ff., 131 Abs. 1 Nrn. 1–3, 135 Abs. 1 UmwG für die Spaltung und §§ 174 ff. UmwG für die Vermögensübertragung. Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 12 I 1, 2 (S. 331 ff.), § 12 I 4 (S. 335 ff.), § 12 IV (S. 353 ff.). 3 BGBl. 1994 I S. 3267, zuletzt bekanntgemacht am 15.10.2002 (BGBl. 2002 I S. 4133, ber. BGBl. 2003 I S. 738), geändert am 16.5.2003 (BGBl. 2003 I S. 660). 2
18
Einleitung und Gang der Untersuchung
zu werden. Unternehmer können sich bei ihrer Entscheidung beispielsweise davon leiten lassen, dass eine andere Rechtsform betriebswirtschaftlich günstiger ist. Mit einer vollständigen oder teilweisen Reorganisation von Unternehmensgruppen können Betriebe, Unternehmen und Unternehmensteile neu zusammengefasst werden. Dadurch können Produktionsfaktoren effizienter genutzt und kombiniert sowie Ressourcen gebunden werden, um die Stellung des Unternehmens auf dem Absatz- oder Beschaffungsmarkt zu verbessern. Umwandlungen ermöglichen es Unternehmen, Patente gemeinsam zu verwerten. Auch Produktionsprogramme und Rationalisierungen können so vereinheitlicht und leichter durchgeführt werden.4 Die konzerninterne Verschmelzung (sog. up stream merger) ist regelmäßig der Abschluss einer stufenweise intensivierten Unternehmensverbindung im Konzern. Dadurch lassen sich Verwaltungskosten mehrstufiger Strukturen reduzieren. Minderheitsgesellschafter können auf einer höheren Gesellschafterebene zusammengefasst werden.5 Konzentrationsfunktion hat die Umwandlung ebenfalls, wenn Gesellschaften mit unterschiedlichem Gesellschafterkreis verschmolzen werden. Durch Verschmelzung einer börsennotierten Aktiengesellschaft auf ein Unternehmen anderer Rechtsform kann die Börsennotierung beseitigt werden (sog. going private).6 Weiterhin kann es Motiv einer Umwandlung sein, eine gesellschafts-, familien-, erb- oder steuerrechtlich vorteilhaftere Rechtsform zu schaffen.7 Werden beispielsweise Vermögensgegenstände im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, kann es im Hinblick auf die Schenkungsteuer sinnvoll sein, eine Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen umzuwandeln.8 Der Grund liegt in den unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben. Der bei Personengesellschaften und Einzelunternehmen für das Betriebsvermögen anzusetzende Wert liegt bei ertragsstarken Unternehmen erheblich unter dem gemeinen Wert der Anteile einer Kapitalgesellschaft.9 Außerdem wird die Schenkung von Betriebsvermögen mit einem Steuerfreibetrag begünstigt. Gesellschafterstämme können ohne Aufdeckung stiller Reserven und unter
4 Herzig, Rechtsformneutralität der Besteuerung beim Rechtsformwechsel, StuW 1988 S. 342 f.; Ossadnik/Maus, Die Verschmelzung im neuen Umwandlungssteuerrecht aus betriebswirtschaftlicher Sicht, DB 1995 S. 105, 107 ff. 5 Küting, Die konzerninterne Verschmelzung und ihre Abbildung im konsolidierten Abschluss, BB 1994 S. 1383. 6 Schwichtenberg, Going Private und Squeezeouts in Deutschland, DStR 2001 S. 2075 f. 7 Jacobs/Spengel/Vituschek, Steuerreform 2001: Internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und Rechtsformwahl, RIW 2000 S. 653 ff. 8 Heinz, Umstrukturierungen als Gestaltungselement zur Steuerminimierung im Erb- oder Schenkungsteuerfall, GmbHR 2001 S. 485 ff. 9 Jacobs, Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 3. Aufl. 2002, S. 638.
A. Einleitung
19
Beibehaltung von Verlustvorträgen getrennt werden, wenn von der Möglichkeit der Spaltung einer Kapitalgesellschaft Gebrauch gemacht wird. Anlass einer Umstrukturierung kann auch ein bevorstehender Erwerb oder Verkauf eines Unternehmens oder eines Unternehmensteiles sein. Der veräußernde Rechtsträger ist dann häufig bestrebt, das zu übertragende Vermögen zu ordnen. Der Erwerber wird besonders um eine steuerliche Optiminierung bemüht sein, beispielsweise die Abschreibbarkeit in möglichst großem Umfang sicherstellen wollen. Bereits die wenigen vorstehenden Beispiele zeigen, dass Deutschland als Wirtschaftsstandort eine höhere Qualität erhält, wenn Umwandlungen zivil- und steuerrechtlich erleichtert werden.10 Allein die §§ 23, 24 UmwStG sind grenzüberschreitenden Übertragungen gewidmet. § 23 UmwStG erfasst die Einbringung von Betrieben durch unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften in EU-Kapitalgesellschaften und von EU-Kapitalgesellschaftsanteilen in EU-Kapitalgesellschaften. In § 24 UmwStG sind Übertragungen auf ausländische Mitunternehmerschaften zwar nicht erwähnt. Aus der fehlenden Einschränkung auf rein innerstaatliche Sachverhalte ergibt sich aber, dass diese Vorschrift auch die Einbringung von Betrieben und Mitunternehmeranteilen in EU-Personengesellschaften im Wege der Einzelrechtsnachfolge regelt. Die §§ 23 und 24 UmwStG bewirken, dass diese Einbringungen ganz oder teilweise steuerneutral vollzogen werden können. Der übernehmende Rechtsträger darf hierzu den Bilanzansatz des Übertragenden fortführen oder jedenfalls unter dem Teilwert ansetzen. Der übertragende Rechtsträger darf den Wert als Veräußerungspreis bilanzieren, er muss den Wertansatz aber auch für die gewährten Gesellschaftsanteile übernehmen.11 Soweit die §§ 23, 24 UmwStG nicht anwendbar sind, müssen die Beteiligten inländische Rechtsträger sein, um Vermögensgegenstände durch Einzelrechtsnachfolge ohne sofortige Besteuerung übertragen zu können und um Rechtsträger im Wege der Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge verschmelzen oder spalten zu können (§ 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG, § 1 Abs. 1 UmwStG i. V. m. § 1 UmwG, § 1 Abs. 5 UmwStG i. V. m. § 1 KStG, §§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Damit begrenzt das Umwandlungssteuergesetz steuerneutrale Umstrukturierungen der Inländer über die Grenze hinweg auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern bzw. Vermögen auf EU-Kapitalgesellschaften und in den Fällen des § 24 UmwStG auf EU-Personengesellschaften. Außerhalb dieser Tatbestände werden Unternehmen bei Vermögensübertragungen in das Ausland ge10 Zum ökonomischen Hintergrund grenzüberschreitender Zusammenschlüsse eingehend Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, 2004, S. 55 ff. 11 Hierzu ausführlich unter D.III.5., 6. und 9.
20
Einleitung und Gang der Untersuchung
zwungen, stille Reserven aufzudecken und hohe Steuerlasten zu tragen. Die von den §§ 23, 24 UmwStG dem Wortlaut nach nicht erfassten grenzüberschreitenden Übertragungen können nach diesen Vorschriften nicht beurteilt werden, da es für die Analogiebildung an einer Gesetzeslücke fehlt. Eine kurzfristig absehbare Öffnung dieser steuerlich eingeschränkten Umwandlungsmöglichkeiten ergibt sich durch die europäische Vorgabe, Verschmelzungen von Aktiengesellschaften zur Europa-AG zu ermöglichen.12 Wenn Inländern, die Wirtschaftsgüter auf ausländische Rechtsträger zu übertragen beabsichtigen, die Steuerneutralität nicht gewährt wird, führt das häufig dazu, dass inländische Rechtsträger von einer grenzüberschreitenden Einbringung absehen, da sie nicht in der Lage oder nicht bereit sind, die dadurch entstehende Steuerlast zu tragen. Es ist fraglich, ob dies mit Europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht können den Mitgliedstaaten gebieten, zivil- und steuerrechtliche Behinderungen von Unionsbürgern und -gesellschaften bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu unterlassen. In der Literatur wurde bereits untersucht, inwiefern Behinderungen, die von zivilrechlichen Bestimmungen, insbesondere der fehlenden Möglichkeit einer grenzüberschreitenden Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge, für grenzüberschreitende Umwandlungen ausgehen, mit dem übergeordneten Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.13 Die umwandlungsrechtlichen und gesellschaftsrechlichen Normen wurden insbesondere an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages gemessen, da sekundäres Gemeinschaftsrecht als Prüfungsmaßstab noch nicht zur Verfügung steht. Es fehlt bislang an Richtlinien zu zivilrechtlichen Vorgaben für Umwandlungen. Nachdem der Vorschlag für die 10. gesellschaftsrechtliche Richtlinie über die zivilrechtlichen Grundlagen der internationalen Fusion von Aktiengesellschaften und vergleichbaren Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten aus dem Jahre 198514 im Entwurfsstadium belassen wurde, ist jedoch nunmehr erneut ein Vorstoß zur Schaffung von Sekundärrecht unternommen worden, um für grenzüberschreitende Umstrukturierungen durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge die zivilrechtlichen Vorgaben zu schaffen.15
12 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea), ABl. EG v. 10.11.2001 Nr. L 294, S. 1 ff. 13 Z. B. Lawall, Umwandlungsrecht: Grenzüberschreitende Verschmelzungen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, IStR 1998 S. 345 ff.; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Gesellschaften, 2001, S. 66 ff. 14 KOM (84) S. 727, ABl. EG v. 25.1.1985 Nr. C 23, S. 11 ff., abgedruckt in Lutter (Hrsg.), Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. 1996, S. 261 ff. 15 Vorschlag der Europäischen Kommission v. 18.11.2003 zur Schaffung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten, KOM (2003) S. 703 ff.
A. Einleitung
21
Im Steuerrecht ist jüngst durch das EuGH-Urteil de Lasteyrie du Saillant16, in dem die französische Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen verworfen wurde, die Diskussion um die Vereinbarkeit der im Umwandlungssteuergesetz enthaltenen Entstrickungstatbestände mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit entfacht worden.17 Davor hatte sich die steuerrechtliche Forschung auf die Frage konzentriert, inwiefern Deutschland den Vorgaben der steuerlichen Fusionsrichtlinie vom 23. Juli 199018 bei der Umsetzung in nationales Recht entsprochen hat.19 Zur Fusionsrichtlinie hat die EU-Kommission einen Änderungsvorschlag vorgelegt, um ihren Anwendungsbereich auf die Europäische Aktiengesellschaft zu erweitern und sie an den Entwurf der neuen Verschmelzungsrichtlinie anzupassen.20 Die Fusionsrichtlinie kann nur dort einen für den Steuerpflichtigen justiziablen Prüfungsmaßstab für das Umwandlungssteuergesetz bilden, wo diese explizite Vorgaben trifft und damit ihre Vorrangwirkung zur Geltung kommen kann. Wo die Richtlinie keine Regelung trifft, entsteht die Unsicherheit, inwieweit sie als Prüfungsmaßstab für einen Richtlinienverstoß herangezogen werden kann. Eine solche Regelungslücke ist zum Beispiel der Umstand, dass die Fusionsrichtlinie nur EU-Kapitalgesellschaften begünstigt, keine anderen Körperschaften, Mitunternehmerschaften oder natürlichen Personen. Für die Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge regelt die Richtlinie nicht die Einbringung von
16
EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff. Z. B. Ismer/Reimer/Rust, Ist § 6 AStG noch zu halten? – Die Wegzugsbesteuerung auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts nach der Entscheidung de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004 S. 207, 213 ff.; Körner, Europarecht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 424, 429 ff.; Kraft/Müller, Schlussfolgerungen aus der EuGH-Entscheidung zur französischen Wegzugsbesteuerung (Saillant) für die internationale Steuerberatungspraxis aus deutscher Sicht, RIW 2004 S. 366, 370 f.; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004 S. 804, 810 f.; Wassermeyer, Steuerliche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil „Hughes de Lasteyrie du Saillant“, GmbHR 2004 S. 613, 617. 18 Richtlinie 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990 (ABl. EG Nr. L 225 v. 20.8. 1990, S. 1). 19 Vgl. Bogenschütz, Steuerliche Probleme bei europäischen Unternehmenszusammenschlüssen, IStR 2000 S. 609 ff.; Grotherr, Der Anteilstausch als gesellschaftsrechtlicher Einbringungsvorgang nach Umsetzung der Fusionsrichtlinie durch das StÄndG 1992, BB 1992 S. 2259 ff.; Knobbe-Keuk, Die Regelung des Anteilstauschs in § 20 Abs. 6 UmwStG und der Fusionsrichtlinie, DStZ 1992 S. 675 ff.; Saß, Probleme der Umsetzung der steuerlichen EG-Fusionsrichtlinie in Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande und Großbritannien, DB 1993 S. 1892 ff.; Thömmes, Probleme aus Anlass der Umsetzung der Fusionsrichtlinie, in: Knobbe-Keuk/Thömmes/Röhricht/Thiel/Widmann, Fortbestehende Beschränkungen der Mobilität und Aktivität von Unternehmen im Binnenmarkt, JbFStR 1993/94 S. 25 ff. 20 Vorschlag der Europäischen Kommission v. 17.10.2003 für eine Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, KOM (2003) S. 613 ff. 17
22
Einleitung und Gang der Untersuchung
Mitunternehmeranteilen. Es spiegelt sich im Umwandlungssteuergesetz wider, dass der Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie im Bereich der Einzelrechtsnachfolge nur die steuerliche Behandlung der Einbringung von (Teil-)Betrieben und Anteilen zwischen EU-Kapitalgesellschaften und bei der Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge ebenfalls nur die steuerlichen Folgen betrifft. Denn der deutsche Gesetzgeber ist bei der Konzeption des Umwandlungssteuergesetzes über diese Richtlinienvorgaben nicht hinausgegangen und sieht hierzu bislang keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung. So werden Körperschaften, die nicht EU-Kapitalgesellschaften sind, Mitunternehmerschaften und natürliche Personen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besteuert. Sie können nicht wie bei rein nationalen Transaktionen vom Besteuerungsaufschub des Umwandlungssteuergesetzes profitieren. Mitunternehmeranteile sind nicht einbringungsfähig, im Gegensatz zur Rechtslage bei inländischen Übertragungen. Für eine Gesamtoder Sonderrechtsnachfolge mangelt es an der Anwendbarkeit des Umwandlungsgesetzes. Andererseits nutzt der deutsche Gesetzgeber sekundärrechtliche Regelungslücken, die dadurch entstehen, dass bisher allein die Bilanzierung der eingebrachten Vermögensgegenstände beim aufnehmenden Rechtsträger vorgegeben wurde. Die derzeit geltende Richtlinie trifft keine Aussagen zur Bilanzierung eingebrachter Anteile beim aufnehmenden, ausländischen Rechtsträger, zur Möglichkeit, alte Anteile als Gegenleistung zu gewähren, zur Bilanzierung der als Gegenleistung gewährten Anteile21 und zur genauen Frist, für die der aufnehmende Rechtsträger die beim Anteilstausch übertragene Beteiligung halten muss. Das Umwandlungssteuergesetz hingegen regelt diese Fragen in den §§ 23 f. Deshalb wird in dieser Arbeit überprüft, ob Eingrenzungen auf rein nationale Sachverhalte, die das Umwandlungssteuergesetz für die Einbringung durch Einzelrechtsnachfolge, Verschmelzungen und Spaltungen außerhalb des § 23 UmwStG für steuerneutrale Umwandlungen durch Inländer macht, zur Niederlassungs- und zur Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages von natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften bzw. Mitunternehmern im Widerspruch stehen. Außerdem wird untersucht, ob die über die Fusionsrichtlinie hinausgehenden innerstaatlichen Bestimmungen des Umwandlungssteuergesetzes mit den Artt. 43 ff., 56 ff. EG vereinbar sind. Die Grundfreiheiten sind über EU-Kapitalgesellschaften hinaus auf alle Unionsbürger unmittelbar anwendbar. Es besteht der Verdacht, dass der Gesetzge21 Der Kommissionsvorschlag zur Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie v. 17.10.2003 geht auf diese Fragen ein, vgl. Halász/Kloster, Fortschreitende Europäisierung des Rechts grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse, DStR 2004 S. 1324, 1328; Haritz/Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28, 32 ff.; Saß, Änderungsvorschlag zur steuerlichen Fusionsrichtlinie, DB 2004 S. 2231 ff.
A. Einleitung
23
ber den Einfluss der Grundfreiheiten auf das Umwandlungssteuerrecht bisher außer Betracht gelassen hat. Bezogen auf den Zeitpunkt der letzten großen Reform des Umwandlungssteuerrechts 1995 kann der Grund darin liegen, dass sich die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern damals erst im Anfangsstadium befand.22 In der Wissenschaft wurde aber bereits vor geraumer Zeit die Kritik laut, dass beispielsweise der Ausschluss von Personengesellschaften von der grenzüberschreitenden Einbringung in Kapitalgesellschaften nach dem Umwandlungssteuergesetz mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar sein dürfte.23 Mittlerweile ist die Rechtsprechung zu den direkten Steuern konturenreich geworden; es entspricht ständiger Rechtsprechung des EuGH, dass die Grundfreiheiten auf die direkten Steuern unmittelbar anwendbar sind. Umwandlungssteuerrechtliche Vorschriften lagen dem EuGH noch nicht zur Prüfung vor. Dennoch sind die Gesetzgeber der Mitgliedsländer gefordert, eigenständig zu überprüfen, ob tradierte Normenkonzepte aus europäischer Sicht noch haltbar sind, ohne dass erst zu allen Rechtsnormen der Mitgliedstaaten, deren Tatbestand auch transnationale Tätigkeiten betrifft und diese behindert oder sogar verbietet, ein EuGH-Urteil ergehen muss. So wird der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie und der erweiterten Fusionsrichtlinie, nachdem der Kommissionsentwurf vom Rat verabschiedet worden ist, diesmal die Wirkung der Grundfreiheiten einzubeziehen haben. Für diese Europäisierung der Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes soll die Untersuchung einen Beitrag leisten. In der Praxis kann es sich wegen des hohen finanziellen Risikos niemand leisten, eine Umwandlung zu planen, bei der es absehbar ist, dass die Finanzverwaltung eine steuerneutrale Behandlung ablehnen wird. Wenn grenzüberschreitende Umwandlungen von Spezialisten geplant und vorbereitet werden, werden wegen der finanziellen Werte sämtliche Risiken hinsichtlich der ziviloder steuerrechtlichen Anerkennung von vornherein vermieden. Stattdessen müssen Berater in der Praxis Umweggestaltungen durch die vom Umwandlungssteuergesetz gestattete Einbringung und anschließende Liquidation des einbringenden Rechtsträgers wählen, wo das Gesetz grenzüberschreitende Umwandlungen steuerneutral nicht zulässt.24 Da also Rechtsstreitigkeiten über die 22 Zu den direkten Steuern hatte der EuGH bis zur Neubekanntmachung des Umwandlungssteuergesetzes am 28.10.1994 folgende Urteile gefällt: EuGH Urt. v. 28.1.1986, Rs. 270/83 „avoir fiscal“, E 1986 I S. 285 ff.; EuGH Urt. v. 27.9.1988, Rs. 81/87 „Daily Mail“, E 1988 I S. 5505 ff.; EuGH Urt. v. 8.5.1990, Rs. 175/88 „Biehl“, E 1990 I S. 1789 ff.; EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff.; EuGH Urt. v. 26.1.1993, Rs. 112/91 „Werner“, E 1993 I S. 463 ff.; EuGH Urt. v. 13.7.1993, Rs. 330/91 „Commerzbank“, E 1993 I S. 4038 ff.; EuGH Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. 23 Vgl. Knobbe-Keuk, Wegzug und Einbringung von Unternehmen zwischen Niederlassungsfreiheit, Fusionsrichtlinie und nationalem Steuerrecht, DB 1991 S. 298, 304 f.
24
Einleitung und Gang der Untersuchung
Europarechtswidrigkeit umwandlungssteuerrechtlicher Normen, die eine Klärung dieser Probleme herbeiführen könnten, auf sich warten lassen, erscheint eine Untersuchung angezeigt. Dabei kann auf die wissenschaftlichen Untersuchungen zurückgegriffen werden, in denen die Rechtsprechung des EuGH zu anderen direktsteuerlichen Bestimmungen der Bundesrepublik analysiert wurden.25 So sind dem EuGH in vergangener Zeit häufig Fälle der Besteuerung grenzüberschreitender Tätigkeit von Unternehmen, Selbstständigen und Arbeitnehmern vorgelegt worden, wenn sich Steuerpflichtige vom national orientierten Fiskus ihres Herkunfts- oder Bestimmungslandes überrascht sahen.26 24
Vgl. Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996 S. 501 ff. Vgl. Bieg, Der Gerichtshof der EG und sein Einfluss auf das deutsche Steuerrecht, 1997; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002; Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, 1999; Kaass, Europäische Grundfreiheiten und deutsche Erbschaftsteuer, 2000; Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263 ff.; Loose, Das Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme –, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff.; Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Europäischen Union, 1998. 26 Zu den bis 1994 erlassenen Urteilen vgl. o. Fn. 22. Seit 1995 ergingen folgende Urteile: EuGH Urt. v. 14.2.1995, Rs. 279/93 „Schumacker“, E 1995 I S. 225 ff.; EuGH Urt. v. 11.8.1995, Rs. 80/94 „Wielockx“, E 1995 I S. 2509 ff.; EuGH Urt. v. 14.11.1995, Rs. 484/93 „Svensson Gustavsson“, E 1995 I S. 3971 ff.; EuGH Urt. v. 27.6.1996, Rs. 107/94 „Asscher“, E 1996 I S. 3113 ff.; EuGH Urt. v. 12.5.1998, Rs. 336/96 „Gilly“, E 1998 I S. 2823 ff.; EuGH Urt. v. 15.7.1997, Rs. 250/95 „Futura Singer“, E 1997 I S. 2492 ff.; EuGH Urt. v. 28.4.1998, Rs. 118/96 „Safir“ E 1998 I S. 1919 ff.; EuGH Urt. v. 16.7.1998, Rs. 264/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff.; EuGH Urt. v. 26.1.1999, Rs. 18/95 „Terhoeve“, E 1999 I S. 374 ff.; EuGH Urt. v. 29.4.1999, Rs. 311/97 „Royal Bank of Scotland“, E 1999 I S. 2664 ff.; EuGH Urt. v. 14.9.1999, Rs. 391/97 „Gschwind“, E 1999 I S. 5478 ff.; EuGH Urt. v. 21.9.1999, Rs. 307/97 „Saint Gobain“, E 1999 I S. 6181 ff.; EuGH Urt. v. 14.10.1999, Rs. 439/97 „Sandoz“, E 1999 I S. 7066 ff.; EuGH Urt. v. 26.10.1999, Rs. 294/97 „Eurowings“, E 1999 I S. 7463 ff.; EuGH Urt. 28.10.1999, Rs. 55/98 „Vestergaard“, E 1999 I S. 7657 ff.; EuGH Urt. v. 18.11.1999, Rs. 200/98 „XY I“, E 1999 I S. 8276 ff.; EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 280 ff.; EuGH Urt. v. 6.6.2000, Rs. 35/98 „Verkooijen“, E 2000 I S. 4113 ff.; EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff.; EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff.; EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 385/00 „de Groot“, E 2002 I S. 11838 ff.; EuGH Urt. v. 12.6.2003, Rs. 234/01 „Gerritse“, E 2003 I S. 5945 ff.; EuGH Urt. v. 26.6.2003, Rs. 422/01 „Ramstedt“, E 2003 I S. 6830 ff.; EuGH Urt. v. 18.9.2003, Rs. 168/01 „Bosal“, E 2003 I S. 9430 ff.; EuGH Urt. v. 4.3.2004, Rs. 334/02 „Kommission ./. Frankreich“, IStR 2004 S. 275 ff.; EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff.; EuGH Urt. v. 15.7.2004, Rs. 242/03 „Weidert u. Paulus“, IStR 2004 S. 686 ff.; EuGH Urt. v. 15.7.2004, Rs. 315/02 „Lenz“, IStR 2004 S. 522 ff.; EuGH Urt. v. 7.9.2004, Rs. 319/02 „Manninen“, IStR 2004 S. 680 ff. 25
B. Gang der Untersuchung
25
In den letzten Jahren sind die Zulässigkeit und die Grenzen der Behinderung von Inländern an grenzüberschreitender Tätigkeit durch ihren Heimatstaat verstärkt in das Interesse der europarechtlichen Diskussion gerückt. Deshalb werden für diese Darstellung Auslandsinvestitionen durch Inländer exemplarisch herausgegriffen und die dabei auftretenden steuerlichen Behinderungen von Inländern an den Grundfreiheiten gemessen. Es gilt zu untersuchen, um welche Fälle es sich bei diesen Behinderungen konkret handelt, durch welche Tatbestandsmerkmale bzw. Gesetzeslücken sie ausgelöst werden und inwiefern diese Behinderungen mit den Grundfreiheiten kollidieren. Wenn die Grundfreiheiten gebieten, steuerliche Behinderungen bei Einbringungen und Umwandlungen zu beseitigen, wäre der für grenzüberschreitende Sachverhalte einschränkende Charakter des Umwandlungssteuergesetzes aufzulösen. Anders als bislang könnten dann weitere juristische und natürliche Personen für eine größere Bandbreite von Transaktionen gegenüber dem Fiskus Steuerneutralität beanspruchen. Damit würden gleichzeitig die Argumente entkräftet, die die Bundesrepublik bewogen haben, mit der Umsetzung der Fusionsrichtlinie auch in Bezug auf grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen und mit der Betrachtung des gesamten Umwandlungssteuerrechts im Lichte der Grundfreiheiten zu zögern. Die aus der Untersuchung ableitbaren Grundsätze sind auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bedeutsam. Die im Ergebnis dieser Abhandlung zu fordernde Öffnung des Umwandlungssteuergesetzes durch die Bundesrepublik gewinnt nur dann wirklich Bedeutung, wenn auch die anderen Mitgliedstaaten ihrerseits sowohl die zivilrechtliche Möglichkeit grenzüberschreitender Gesamtrechtsnachfolge als auch die Steuerneutralität der Gesamtrechtsnachfolge regeln. Eine tragende Rolle wird den Diskriminierungs- und Beschränkungsverboten der Grundfreiheiten auch in den neuen, osteuropäischen Mitgliedstaaten der Union zukommen, die die daraus abzuleitenden Grundsätze bereits jetzt bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen und bestehende Normen an diese Vorgaben anzupassen haben.27
B. Gang der Untersuchung Nach der Bestimmung von Begriffen, die im Folgenden immer wieder verwendet werden (Abschnitt C.), werden im ersten Teil der Arbeit die vom Umwandlungssteuergesetz ausgehenden steuerlichen Behinderungen grenzüberschreitend agierender Inländer herausgearbeitet. Dabei wird differenziert nach den im Umwandlungssteuergesetz geregelten Umstrukturierungen durch Einzel27 Zur Wahrung der Grundfreiheiten durch beitretende Mitgliedstaaten vgl. Heintzen, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht in der Europäischen Union, EuR 1997 S. 1, 6 f.
26
Einleitung und Gang der Untersuchung
rechtsnachfolge und Umstrukturierungen durch Gesamtrechtsnachfolge. Sofern erforderlich, wird weiterhin unterteilt nach der Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft, eine Personengesellschaft und gegebenenfalls eine natürliche Person. Der erste Teil beginnt mit einem Überblick zum Achten und Neunten Teil des Umwandlungssteuergesetzes, durch den die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern durch Einzelrechtsnachfolge auf Kapital- und Personengesellschaften für Inländer ermöglicht wird (Abschnitt D.). Es werden die besonderen steuerlichen Rechtsfolgen und deren Voraussetzungen jeweils für inländische Sachverhalte und für die derzeit den Inländern gestatteten grenzüberschreitenden Übertragungen zusammengefasst. Um diese Darstellung übersichtlich und knapp zu halten, werden die einzelnen Rechtsfolgen und ihre Tatbestandsvoraussetzungen nach den hier wichtigen Strukturen überblicksartig erläutert. Nach dieser Einführung werden die für die Untersuchung bedeutsamen Fälle ermittelt, in denen das Umwandlungssteuergesetz Inländern grenzüberschreitende Einbringungen verschließt (Abschnitt E.). Der erste Teil wird fortgesetzt mit einem Überblick zu den vom Umwandlungssteuergesetz erfassten Fällen der Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge im Inland (Abschnitt F.). Auch für diese Sachverhalte werden im Anschluss die Beeinträchtigungen bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen herausgestellt (Abschnitt G.). Der erste Teil schließt mit einer Zusammenfassung (Abschnitt H.). In den folgenden zwei Teilen der Arbeit wird untersucht, ob die ermittelten Beeinträchtigungen grenzüberschreitender Umstrukturierungen mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages vereinbar sind. Im zweiten Teil wird zunächst geprüft, ob die Beeinträchtigungen an den Grundfreiheiten gemessen werden können. Hierzu müssen grenzüberschreitende Einbringungs- und Umwandlungsvorgänge nach den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten von Inländern fallen bzw. Inländer müssen sich auf die Grundfreiheiten ihrer Vertragspartner berufen dürfen (Abschnitt I.). Eingriffe können in diskriminierende und beschränkende Maßnahmen unterteilt werden. Diese Unterteilung wird hier nicht aus begriffsjuristischen Gründen vorgenommen, sondern weil in dieser Untersuchung von den noch darzustellenden Unterschieden zwischen diskriminierenden und beschränkenden Maßnahmen sowohl im Tatbestand als auch in den anwendbaren Rechtfertigungsgründen ausgegangen wird, die durch eine Verallgemeinerung unter dem Dach des umfassenden Beschränkungsverbotes grundlos aufgehoben würden. Deshalb werden im zweiten Teil weiterhin die Differenzen zwischen Diskriminierungen und Beschränkungen von Inländern durch ihren Herkunftsstaat und den darauf anwendbaren Rechtfertigungsgründen ermittelt, die in der Rechtsprechung und der Literatur diskutiert werden (Abschnitte J., K.). Der zweite Teil
B. Gang der Untersuchung
27
wird mit einem Vorschlag zur Lösung der hier untersuchten Fallgruppen, in denen Inländer Diskriminierungen oder Beschränkungen durch ihren Herkunftsstaat erleiden, beendet (Abschnitt L.). Die im ersten Teil ermittelten Behinderungen von Inländern durch das Umwandlungssteuergesetz sind im dritten Teil auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten zu prüfen (Abschnitt M.). Die Untersuchung schließt mit einer thesenartigen Zusammenfassung der Ergebnisse (Abschnitt N.).
1. Teil
Steuerliche Behinderungen grenzüberschreitend agierender Inländer durch das Umwandlungssteuergesetz C. Begriffsbestimmungen In der Untersuchung wird nach rein innerstaatlichen Sachverhalten und grenzüberschreitenden Fällen unterschieden. Als ,Umstrukturierungen innerhalb Deutschlands‘ (gleichbedeutend ,inländische‘, ,innerstaatliche‘, ,nationale‘ oder ,nicht grenzüberschreitende Sachverhalte‘ genannt) werden hier Fälle bezeichnet, in denen der einbringende und der aufnehmende Rechtsträger im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind. Außerdem verbleibt bei den als inländische Sachverhalte bezeichneten Übertragungen der Einbringungsgegenstand im Inland, darf also nicht aus dem Inland über die Grenze der Bundesrepublik hinweg in einen anderen Staat verbracht werden. Die Bezeichnung ,Inländer‘ wird für natürliche Personen verwendet, die unbeschränkt steuerpflichtig sind, weil sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (,Wohnsitz-‘, ,Heimat-‘ oder ,Herkunftsstaat‘) haben (§ 1 Abs. 1 EStG i. V. m. §§ 8 bzw. 9 AO) oder durch andere, besondere Merkmale im Inland als unbeschränkt steuerpflichtig gelten (§§ 1 Abs. 2 und 3, 1a EStG). Das folgt aus der grundlegenden Unterscheidung nach der Ansässigkeit zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen bei den direkten Steuern. Behinderungen von Sachverhalten, an denen beschränkt Steuerpflichtige beteiligt sind, nehmen bei dieser Differenzierung ihren Ausgangspunkt. Zu ,Inländern‘ zählen außerdem Kapitalgesellschaften, die nach deutschen Rechtsvorschriften gegründet worden bzw. anerkannt sind, die ihren satzungsmäßigen Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland (Sitzstaat, Heimat- oder Herkunftsland) haben und dadurch unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind (§ 1 Abs. 1 KStG i. V. m. §§ 10 bzw. 11 AO). Inländische natürliche Personen, Personen- und Kapitalgesellschaften werden im Folgenden auch verkürzend ,inländische‘ bzw. ,ansässige Person(en)‘, ,Inländer‘ oder ,(Gebiets-)Ansässige(r)‘ genannt. Alle anderen Personen werden auch mit den Begriffen ,(Gebiets-)Fremde(r)‘, ,Nichtansässige(r)‘ oder ,Ausländer‘ beschrieben.
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
29
Unter ,grenzüberschreitenden Umstrukturierungen‘ (auch ,Umstrukturierungen mit grenzüberschreitendem Bezug‘ oder ,mit Auslandsbezug‘ genannt) werden in dieser Abhandlung Fälle erfasst, in denen inländische Steuerpflichtige Auslandsinvestitionen tätigen. Gemeint ist also die grenzüberschreitende Tätigkeit von Inländern dadurch, dass sie eine gebietsfremde Person als aufnehmenden Vertragspartner der Einbringung wählen. Sofern von ,gebietsfremden‘ bzw. ,ausländischen Gesellschaften‘ oder ,Gesellschaften eines anderen Mitgliedstaates‘ die Rede ist, sind Gesellschaften gemeint, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates der EU errichtet worden oder anerkannt sind und die in einem anderen Mitgliedstaat ihren Sitz sowie ihre Geschäftsleitung haben. Aufgrund dieser Merkmale sind gebietsfremde Kapitalgesellschaften in dem anderen Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtig. Als ,gebietsfremde‘ oder ,ausländische natürliche Personen‘ werden solche bezeichnet, die aufgrund ihres Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedstaat dort unbeschränkt steuerpflichtig sind.
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern durch Einzelrechtsnachfolge nach den Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes I. Überblick Das Umwandlungssteuergesetz regelt die Folgen der Übertragung von Wirtschaftsgütern von einem Rechtsträger auf einen anderen für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Gewerbeertragsteuer als lex specialis zum allgemeinen Ertragsteuerrecht.1 Bei den vom Umwandlungssteuergesetz erfassten Übertragungen handelt es sich, neben dem später behandelten Vermögensübergang durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge, um Einbringungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge (§§ 20 Abs. 1, 23 Abs. 1 bis 4, 24 Abs. 1 UmwStG). Einbringungen durch Inländer im Wege der Einzelrechtsnachfolge werden in diesem Abschnitt in ihren wesentlichen Strukturen skizziert, unterteilt nach rein inländischen Sachverhalten und Auslandsinvestitionen der Inländer. 1 Vgl. BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 ff. Tz. 01.01. Hierzu und zu den im Folgenden nicht näher behandelten Konsequenzen für die Grunderwerbsteuer, die Umsatzsteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer Crezelius, Überlegungen zu einem Allgemeinen Teil des Umwandlungssteuerrechts, in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 249 ff.; Seeger/Leonard, Zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung von Umwandlungsvorgängen, in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 539 ff.; Wagner, Unternehmensübertragung zum Umsatzsteuer-Nulltarif?, in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 607 ff.; Wolf, Erbschaftsteuerersparnis durch rückwirkende Umwandlung nach Eintritt des Erbfalls, in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 655 ff.
30
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Die besonderen steuerlichen Folgen der hier untersuchten grenzüberschreitenden Einbringungen durch Inländer, das heißt Übertragungen bestimmter Wirtschaftsgüter von Inländern auf gebietsfremde Personen, gegebenenfalls unter Einbeziehung ausländischen Vermögens, sind in den §§ 23 Abs. 1, 3 und 4 UmwStG sowie in § 24 UmwStG geregelt. Damit erfasst das Umwandlungssteuergesetz im Bereich der grenzüberschreitenden Einzelrechtsnachfolge einen bedeutsamen Teil von Umstrukturierungen, bei denen Gebietsfremde bestimmte Wirtschaftsgüter von Inländern übernehmen. Dennoch sind die bereits in der Einleitung umrissenen Hindernisse zu verzeichnen, die das Umwandlungssteuergesetz Inländern bei Auslandsinvestitionen entgegenstellt. So sind die Einbringungsgegenstände bei der Einzelrechtsnachfolge auf (Teil-)Betriebe und mehrheitsvermittelnde Anteile an EU-Kapitalgesellschaften beschränkt. Einbringender Rechtsträger kann nach § 23 Abs. 1 UmwStG nur eine Kapitalgesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sein. Andererseits geht das Umwandlungssteuergesetz über den Wortlaut der Fusionsrichtlinie hinaus, wenn bestimmt wird, wie eingebrachte Anteile beim aufnehmenden, ausländischen Rechtsträger zu bilanzieren sind. In der Richtlinie ist auch weder vorgegeben, dass die Mitgliedstaaten die Einbringung alter Anteile als Gegenleistung zu versagen haben noch ist die Bilanzierung der gewährten Anteile oder die genaue Frist, für die der aufnehmende Rechtsträger die beim Anteilstausch übertragene Beteiligung behalten muss, geregelt. Für grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Körperschaften durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge sind die Hindernisse noch gravierender, da bislang das gesamte Umwandlungssteuergesetz für solche Transaktionen gesperrt ist. Die steuerlichen Folgen von Übertragungen in umgekehrter Richtung, das heißt von Investitionen durch Rechtsträger eines anderen Mitgliedstaates in inländische Rechtsträger, hat der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der Fusionsrichtlinie in § 23 Abs. 2 und Abs. 4 UmwStG geregelt. Aber auch die §§ 20 Abs. 1, 24 Abs. 1 UmwStG sind tatbestandlich auf solche Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug anwendbar. Für ausländische Rechtsträger, die Betriebsvermögen auf inländische Kapital- oder Personengesellschaften übertragen und im Gegenzug eine inländische Beteiligung erwerben möchten, bewirkt das Umwandlungssteuergesetz ebenfalls steuerliche Hindernisse. Diese ergeben sich für die Einzelrechtsnachfolge wiederum zum einen aus der Umsetzung nur der Richtlinienvorgaben zugunsten der Steuerpflichtigen, zum anderen aus der innerstaatlichen Ausfüllung von Richtlinienlücken durch belastende Tatbestandsvoraussetzungen sowie für die Gesamt- und Sonderrechtsnachfolge aus der gänzlichen Unanwendbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes. Diese Fälle werden hier nicht betrachtet, da die steuerlichen Hindernisse bei Inlandsinvestitionen primär den einbringenden, ausländischen Rechtsträger betreffen, während Gegenstand dieser Untersuchung Inländer treffende steuerliche Hindernisse
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
31
sind. Für Inländer ergeben sich bei diesen Investitionen durch Ausländer nur mittelbare Beeinträchtigungen, da ein steuerpflichtiger Transfer durch ausländische Personen unattraktiv und demzufolge der Erwerb von Wirtschaftsgütern von ausländischen Rechtsträgern erschwert wird. Aus den Erwägungen der vorangehenden Sätze werden hier Fälle des Erwerbs aus dem Betriebsvermögen gebietsfremder Personen nicht näher beleuchtet. II. Steuerneutrale Übertragung von Vermögensgegenständen Das Umwandlungssteuergesetz stellt es in die Entscheidungsgewalt der Steuerpflichtigen, ob und inwieweit sie einen steuerpflichtigen Gewinn realisieren, wenn die vom Gesetz vorgesehenen Wirtschaftsgüter von einem Rechtsträger auf einen anderen übertragen werden und der Einbringende als Vergütung anstelle von Geld oder anderen Wertgegenständen eine Beteiligung am aufnehmenden Rechtsträger erhält. Die an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger können die Besteuerung des transferierten Vermögens und der im Gegenzug gewährten Anteile bis zu einer späteren Gewinnrealisierung aufschieben.2 Außerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungssteuergesetzes besteht lediglich dann die Möglichkeit, Vermögensgegenstände bis auf das pauschalierte Betriebsausgabenabzugsverbot steuerfrei einzutauschen bzw. zu veräußern, wenn Anteile an Körperschaften von Körperschaftsteuerpflichtigen eingebracht werden. In diesen Fällen kommt es wegen § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG nicht darauf an, ob die Bilanzierung der erworbenen Beteiligung im Vergleich zum bisherigen Bilanzansatz der eingebrachten Anteile einen Veräußerungsgewinn ergibt. Das Umwandlungssteuergesetz bildet die Ausnahme von dem Grundsatz, dass Gewinne stets steuerpflichtig sind, wenn sie aus einer gegenleistungspflichtigen Übertragung von Wirtschaftsgütern resultieren, zu der auch der Tausch, tauschähnliche Vorgänge, Entnahmen oder andere Entstrickungsvorgänge gehören.3 Das Realisationsprinzip des Handelsrechts, Gewinne zu berücksichtigen, wenn sie durch Außentransaktionen eintreten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), ist auch bei der steuerlichen Gewinnermittlung maßgebend. Ohne die Vorschriften der §§ 20 ff. UmwStG bestünde bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen Beteiligung am aufnehmenden Rechtsträger deshalb kein Wahlrecht, über die Gewinnrealisierung zu entscheiden. Der aufnehmende Rechtsträger hätte die Sacheinlage nach den allgemeinen Vorschriften mit dem Teilwert in seine Steu2 Füger/Rieger, Verdeckte Einlage und verdeckte Gewinnausschüttung bei Umwandlungen – ein Problemabriss anhand typischer Fallkonstellationen, in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 288 f. 3 Crezelius, Überlegungen zu einem Allgemeinen Teil des Umwandlungssteuerrechts in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 245 f., 249.
32
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
erbilanz aufzunehmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Beim einbringenden Rechtsträger wäre die als Gegenleistung für die Sacheinlage erhaltene Beteiligung, wie bei einem Tausch, mit dem gemeinen Wert der Sacheinlage in die Steuerbilanz aufzunehmen. Dieser Wert der erworbenen Beteiligung, vermindert um die Veräußerungskosten, wäre für den Einbringenden der Veräußerungspreis für den hingegebenen Einbringungsgegenstand. Wäre der Veräußerungspreis höher als der Wert, mit dem der Gegenstand der Sacheinlage in der Bilanz des einbringenden Rechtsträgers ausgewiesen war, ruhten im Einbringungsgegenstand stille Reserven. Der Wertzuwachs um die stillen Reserven würde anlässlich der Übertragung auf die Gesellschaft aufgedeckt und wäre steuerpflichtiger Gewinn aus dem tauschähnlichen Veräußerungsakt (§§ 15, 16, 174, 23 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Nr. 40 S. 1 lit. a bis c, j EStG, § 8 Abs. 1 S. 1 KStG).5 Der gemeine Wert der Sacheinlage wäre zum anderen der Anschaffungspreis im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, mit dem die Beteiligung bei einem Tausch durch den einbringenden Rechtsträger anzusetzen wäre.6 Bei der späteren Gewinnrealisierung hätte der Einbringende die seit dem Erwerb der Beteiligung entstandenen Wertsteigerungen zu versteuern. Abgesehen von § 8b Abs. 2 KStG würde also ein Übergang von Wirtschaftsgütern durch Einbringung ohne die speziellen Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes dazu führen, dass der Vermögenszuwachs jedes Wirtschaftsgutes seit der Anschaffung aufgedeckt würde und vom Einbringenden zu versteuern wäre. Deshalb verbleibt es bei Umwandlungen, die nicht die Voraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes erfüllen, bei der sofortigen Steuerpflicht der durch die Übertragung realisierten stillen Reserven. Zu Umstrukturierungen, die nicht vom Umwandlungssteuergesetz erfasst werden, werden Steuerpflichtige nur greifen, wenn keine Alternative besteht, wenn es ausnahmsweise erwünscht ist, stille Reserven aufzudecken oder wenn diese nicht vorhanden sein sollten. 4 Steuerfrei sind lediglich Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn die Beteiligung unter 1% des Kapitals liegt (§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG). 5 Vgl. BFH Urt. v. 26.1.1994, BStBl. 1994 II S. 458, 461; BFH Urt. v. 21.6.1994, BStBl. 1994 II S. 858, 856; BFH Urt. v. 15.10.1997, BStBl. 1998 II S. 168 f.; BMF Schreiben v. 9.2.1998, BStBl. 1998 I S. 163 ff. zur Anwendung des Tauschgutachtens des Bundesfinanzhofs; Hahn, Gesamtrechtsnachfolge und Verschmelzung, DStZ 1998 S. 561, 565; Patt/Rasche, Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft gemäß § 24 UmwStG mit steuerlicher Rückwirkung, FR 1996 S. 365; dies., Unternehmensteuerreform: Tarifermäßigung nach § 34 EStG für Einbringungsgewinne (§§ 20 Abs. 5 und 24 Abs. 3 UmwStG) sowie für Gewinne aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile (§ 21 UmwStG), FR 2001 S. 175 f.; Schmitt/Hülsmann, Verschmelzungsgewinne in der Handelsbilanz und Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge, BB 2000 S. 1563; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, vor § 1 UmwStG Rnr. 46. 6 Vgl. BFH Urt. v. 14.6.1967, BStBl. 1967 III S. 574, BFH Urt. v. 25.1.1984, BStBl. 1984 II S. 422.
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
33
Der Grund, Steuerpflichtige nach den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes über eine Gewinnrealisierung disponieren zu lassen, liegt in der Überlegung, dass bei Umwandlungen lediglich das Unternehmen rechtlich anders strukturiert bzw. organisiert wird, jedenfalls soweit Vermögensgegenstände nicht in Privatvermögen überführt werden. Die Wirtschaftsgüter werden noch nicht gewinnbringend in fremde Hände gegeben, wenn sie lediglich gegen Beteiligungen am aufnehmenden Rechtsträger getauscht werden. Der einbringende Rechtsträger realisiert bei einer Umstrukturierung noch keinen Gewinn am Markt, der seine steuerliche Leistungsfähigkeit steigern würde.7 Technisch liegt zwar ein Umsatzakt vor. Auf die Besteuerung wird aber verzichtet, bis die stillen Reserven des übertragenen Vermögens beim übernehmenden Steuersubjekt realisiert werden.8 Im Folgenden werden die Voraussetzungen im Überblick dargestellt, die das Umwandlungssteuergesetz für einen Besteuerungsaufschub aufstellt.
III. Voraussetzungen 1. Einbringungsgegenstand a) Inländische Sachverhalte Das Umwandlungssteuergesetz räumt ein Wahlrecht zur steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern ein, wenn ein Betrieb, ein Teilbetrieb9 oder ein Mitunternehmeranteil in einen anderen Rechtsträger eingebracht wird (§§ 20 Abs. 1 S. 1, 24 Abs. 1 UmwStG). Sog. mehrheitsvermittelnde Kapitalgesellschaftsanteile können nur in Kapitalgesellschaften eingebracht werden. Der aufnehmende Rechtsträger muss dadurch die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft, deren Anteile eingebracht werden, erlangen oder beibehalten (§ 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG). In Personengesellschaften darf die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nach § 24
7 Flume, Die „Steuerbegünstigung“ der Umwandlung, DB 1957 S. 804 f.; KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 22 VII (S. 820). 8 Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 255. 9 Ein Teilbetrieb wird nach Auffassung der Rechtsprechung und Finanzverwaltung im Wesentlichen nach den zu § 16 EStG entwickelten Grundsätzen definiert. Es muss sich um einen mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteten, organisch geschlossenen Teil des Gesamtbetriebes handeln, der lebensfähig ist. Sämtliche Betriebsgrundlagen des Teilbetriebes müssen übertragen werden, vgl. BFH, Urt. v. 13.2.1996, BStBl. 1996 II S. 409; Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/98, § 23 UmwStG Rnrn. 46 ff.
34
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
UmwStG als Teilbetrieb eingebracht werden, wenn die Beteiligung das gesamte Nennkapital umfasst und zum Betriebsvermögen des Einbringenden gehört.10 Die vorgenannten Einbringungsgegenstände müssen nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln im Wege der Einzelrechtsnachfolge, durch Sacheinlage beim aufnehmenden Rechtsträger, übertragen werden (§§ 5 Abs. 4, 56 GmbHG bzw. §§ 27, 183 AktG).11 Der Einbringende muss das rechtliche oder jedenfalls das wirtschaftliche Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 2 AO auf den aufnehmenden Rechtsträger übertragen. Mitunternehmeranteile sind abzutreten.12 b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Für grenzüberschreitende Sachverhalte lässt das Umwandlungssteuergesetz ebenfalls die Einbringung eines inländischen oder ausländischen Betriebes bzw. Teilbetriebes13, die Einbringung von mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteilen und von Mitunternehmeranteilen zu (§§ 23 Abs. 1, 3 und 4, 24 Abs. 1 UmwStG). 2. Einbringender Rechtsträger a) Inländische Sachverhalte Für die Person des Einbringenden enthält das Gesetz bei innerstaatlichen Sachverhalten keine Vorgaben. Sämtliche Rechtsträger sind zugelassen, insbesondere Körperschaften, Personengesellschaften und ihre Gesellschafter sowie natürliche Personen. 10
Vgl. Umwandlungssteuer-Erlass v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 ff. Tz. 24.03. Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, vor § 20 UmwStG Rnr. 2, § 20 UmwStG Rnr. 200, § 24 UmwStG Rnrn. 51 ff. m. w. N. 12 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 20 UmwStG Rnr. 194, § 24 UmwStG Rnr. 42 m. w. N. 13 Die Literatur tendiert bei § 23 UmwStG zu einer weiten Auslegung des Begriffs (Teil-)Betrieb i. S. d. Art. 2 lit. i FRL. Danach ist ein (Teil-)Betrieb die Gesamtheit der in einem Unternehmen(-steil) einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbstständigen Betrieb darstellen, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit. Vgl. Altheim, Beratung der mittelständischen Wirtschaft bei Beteiligungen, Fusionen und Spaltungen im Binnenmarkt, IStR 1993 S. 406, 408; Herzig/Förster, Steueränderungsgesetz 1992: Die Umsetzung der Fusionsrichtlinie im deutschen Steuerrecht, DB 1992 S. 911, 912 f.; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnrn. 23 ff. m. w. N.; Thömmes, Teilbetriebsbegriff der EG-Fusionsrichtlinie, in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 583, 600 ff. Rechtsprechung und Finanzverwaltung legen den Begriff hingegen wie für innerstaatliche Sachverhalte aus. Nach BFH Urt. v. 1.2.1989, BStBl. 1989 II, S. 458, 460 sowie R 139 Abs. 3 EStR ist der Teilbetrieb i. S. d. §§ 20, 24 UmwStG ein mit gewisser Selbstständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener, lebensfähiger Teil eines Gesamtbetriebes. 11
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
35
Umstritten ist, ob die Mitunternehmerschaft als solche einbringender Rechtsträger sein kann oder die einzelnen Mitunternehmer. Die Finanzverwaltung hält eine Einbringung nur durch die Mitunternehmer für zulässig, auch wenn Betriebsvermögen einer Personengesellschaft eingebracht wird.14 b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Als Einbringende eines Betriebes oder Teilbetriebes, den eine gebietsfremde Kapitalgesellschaft aufnehmen soll, sieht das Gesetz nur die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG körperschaftsteuerpflichtig ist, vor (§ 23 Abs. 1, 3 UmwStG). Mehrheitsvermittelnde Anteile an einer Kapitalgesellschaft dürfen hingegen von jedem inländischen Rechtsträger auf eine ausländische Kapitalgesellschaft übertragen werden, also von natürlichen Personen, Mitunternehmerschaften bzw. Mitunternehmern und Körperschaften (§ 23 Abs. 4 S. 1 UmwStG). Als einbringende Rechtsträger eines (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteils in eine ausländische Personengesellschaft kommen ebenfalls alle Rechtsträger in Betracht, natürliche Personen, Mitunternehmer bzw. Mitunternehmerschaften und Körperschaften (§ 24 Abs. 1 UmwStG).15 3. Aufnehmender Rechtsträger a) Inländische Sachverhalte Aufnehmender Rechtsträger des einbringungsfähigen (Teil-)Betriebes, des Mitunternehmeranteils oder des mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteils kann eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sein. In diesem Fall ist auf die Einbringung der Achte Teil des Umwandlungssteuergesetzes anzuwenden (§§ 20 ff. UmwStG). Wenn aufnehmender Rechtsträger hingegen eine Personengesellschaft ist, ist für die Einbringung der Neunte Teil des Umwandlungssteuergesetzes einschlägig (§ 24 UmwStG). Werden Wirtschaftsgüter in eine Personengesellschaft eingebracht, müssen diese als Sacheinlage in das mitunternehmerische Betriebsvermögen gelangen. Da sich das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft aus dem gesamthänderisch gebundenen Vermögen der Gesellschaft und dem Son-
14
Vgl. BMF Schreiben v. 25.3.1998 BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 24.04, 20.05. Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 35 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rnr. 92. 15
36
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
derbetriebsvermögen der Mitunternehmer zusammensetzt, genügt es, wenn die Wirtschaftsgüter in eine dieser Vermögenssphären übertragen werden.16 b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Der einbringungsfähige inländische (Teil-)Betrieb, die ausländische Betriebstätte oder der mehrheitsvermittelnde Kapitalgesellschaftsanteil können von einer EU-Kapitalgesellschaft aufgenommen werden (§§ 23 Abs. 1, 3 und 4 UmwStG).17 EU-Kapitalgesellschaften im Sinne des Umwandlungssteuergesetzes sind Gesellschaften in einer Rechtsform, wie sie Art. 3 FRL18 ausweist, die außerdem einer der in Art. 3 FRL aufgezählten Körperschaftsteuern eines Mitgliedstaates unterliegen und die nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaates sowie den Doppelbesteuerungsabkommen als in einem Mitgliedstaat ansässig gelten. Es muss sich also um Körperschaften handeln, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden oder anerkannt sind und die ihren Sitz in einem anderen EU-Staat haben. Eine EU-Personengesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, kann ebenfalls aufnehmender Rechtsträger eines inländischen (Teil-)Betriebes oder eines Mitunternehmeranteils sein. Die Personengesellschaft muss nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet worden oder anerkannt sein, ihren Sitz in einem anderen EU-Staat haben und als Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG qualifiziert werden können.19 Im Übrigen ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber inländischen Sachverhalten. 4. Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger a) Inländische Sachverhalte Das Umwandlungssteuergesetz soll einen Besteuerungsaufschub bewirken und, abgesehen von dem steuerfrei möglichen Anteilstausch zwischen körper16 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 24 UmwStG Rnr. 42 m. w. N. 17 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnrn. 20 f. 18 Richtlinie 90/434/EWG des Rates v. 23.7.1990 (ABl. EG Nr. L 225 v. 20.8. 1990, S. 1); die einzelnen Gesellschaftsformen sind im Anhang der Richtlinie aufgelistet. 19 BFH Urt. v. 27.2.1991 BStBl. 1991 II S. 444; BFH Urt. v. 3.2.1988 BStBl. 1988 II S. 588 f., jeweils m. w. N.; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 24 UmwStG Rnrn. 112 f.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/ UmwStG, § 24 UmwStG Rnrn. 87, 161.
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
37
schaftsteuerpflichtigen Rechtsträgern (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG), keine steuerfreie Übertragung von Vermögensgegenständen gestatten. Deshalb wird vorausgesetzt, dass die in den übertragenen Vermögensgegenständen enthaltenen stillen Reserven steuerbar sind, sobald der aufnehmende Rechtsträger damit einen Gewinn realisiert. Diese Voraussetzung der Steuerbarkeit des Einbringungsgegenstandes bei einer Gewinnrealisierung durch den aufnehmenden Rechtsträger ist erfüllt, wenn der Aufnehmende unbeschränkt steuerpflichtig ist und das Vermögen von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen in dessen inländisches Betriebsvermögen20 übertragen wird. Für inländische Betriebstätten hat die Bundesrepublik stets die Besteuerungskompetenz. b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Für grenzüberschreitende Übertragungen inländischer (Teil-)Betriebe oder Mitunternehmeranteile durch Inländer wird explizit verlangt, dass die Wirtschaftsgüter im Inland verbleiben und nicht körperlich über die Grenze zum aufnehmenden Rechtsträger verbracht werden (§ 23 Abs. 1 UmwStG).21 In § 24 UmwStG findet sich zwar keine solche ausdrückliche Voraussetzung, dass die eingebrachten Wirtschaftsgüter bei einer späteren Gewinnrealisierung durch die aufnehmende Personengesellschaft der deutschen Besteuerung zugänglich sein müssen. Auch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG ist es aber nach ganz herrschender Meinung ungeschriebene Voraussetzung, dass die Wirtschaftsgüter im Inland verbleiben.22 § 24 UmwStG ist nicht anwendbar, wenn Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebstätte überführt werden, deren Gewinne nach einem Doppelbesteuerungsabkommen der deutschen Besteuerung entzogen sind. Wird der Einbringungsgegenstand in eine inländische Betriebstätte des beschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgers eingebracht, behält Deutschland als Betriebstättenstaat die Besteuerungskompetenz für die in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven (§ 2 Nr. 1 KStG bzw. § 1 Abs. 4 EStG i. V. m. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, 16, 17 EStG und aufgrund der Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 7 Abs. 1 OECD-MA).23 20 Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 20 Rnr. 6; Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnr. 45; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 20 UmwStG Rnr. 166; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rnr. 87, jeweils m. w. N. 21 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 142. 22 Vgl. BFH Urt. v. 27.2.1991 BStBl. 1991 II S. 444; BFH Urt. v. 3.2.1988 BStBl. 1988 II S. 588 f., jeweils m. w. N.; Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 45 f., 88; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 24 UmwStG Rnr. 112. 23 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 142; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rnr. 161.
38
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Bei Übertragung einer ausländischen Betriebstätte oder eines mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteils, der zu ausländischem Betriebsvermögen gehört, ist die Möglichkeit der Besteuerung bei Gewinnrealisierung durch den aufnehmenden Rechtsträger hingegen keine Voraussetzung des Umwandlungssteuergesetzes (§ 23 Abs. 3, 4 UmwStG). Eine Besteuerungskompetenz für Deutschland besteht hinsichtlich der ausländischen Betriebstätte bereits vor der Einbringung aufgrund des Betriebstättenprinzips nicht (Art. 7 Abs. 1 OECDMA). Bei der Übertragung eines mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteils auf eine ausländische EU-Kapitalgesellschaft, die im Inland keine Betriebstätte unterhält, ist ebenfalls ein anderer Mitgliedstaat für die Besteuerung zuständig.24 5. Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz durch den aufnehmenden Rechtsträger a) Inländische Sachverhalte Bei inländischen Einbringungen, die nach den Bestimmungen des Achten oder Neunten Teils des Umwandlungssteuergesetzes vollzogen werden, erhält der aufnehmende Rechtsträger das Wahlrecht, die eingebrachten Wirtschaftsgüter zu deren Buchwerten zu übernehmen, mit einem darüber liegenden Wert oder aber mit dem Teilwert anzusetzen (§§ 20 Abs. 2, 24 Abs. 2 UmwStG). Der Aufnehmende darf also selbst entscheiden, ob und inwieweit er in die steuerliche Rechtsposition des Einbringenden eintreten oder ein steuerlich relevantes Ergebnis realisieren möchte (§ 22 UmwStG).25 In der vom Umwandlungssteuergesetz gestatteten Übernahme des Buchwertes durch den aufnehmenden Rechtsträger liegt die erste entscheidende Voraussetzung für eine steuerneutrale Übertragung von Vermögensgegenständen durch Einzelrechtsnachfolge. Der Buchwertansatz wird erlaubt, weil die spätere Besteuerung der stillen Reserven beim Aufnehmenden sichergestellt ist (§§ 20 Abs. 2, 24 Abs. 2 UmwStG). Die spätere Besteuerung der im Einbringungsgegenstand gespeicherten stillen Reserven wird beim aufnehmenden Rechtsträger vollständig gewährleistet, wenn dieser den Buchwert des Einbringungsgegenstandes fortführt. Bilanziert der Aufnehmende einen Wert zwischen dem Teilwert und dem Buchwert, kann die Differenz zwischen dem Teilwert und dem Zwischenwert zu einem späteren Zeitpunkt besteuert werden. Die stillen Reserven des Einbringungsgegenstandes, 24 Allerdings verhindert § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG die Veräußerung der mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteile sieben Jahre lang. 25 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 20 UmwStG Rnrn. 236 ff., 300, 308, § 24 UmwStG Rnrn. 141, 159 ff.
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
39
die der aufnehmende Rechtsträger durch die Fortführung des Buchwertes oder eines darüber liegenden Zwischenwertes übernommen hat, werden bei ihm steuerpflichtig, sobald die eingebrachten Wirtschaftsgüter zu einem über dem Buchoder Zwischenwert liegenden Preis veräußert werden. Die Besteuerungskompetenz der Bundesrepublik ist bei inländischen Sachverhalten stets gegeben, da der aufnehmende Rechtsträger im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist und den Einbringungsgegenstand in inländisches Betriebsvermögen übernimmt.26 b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Bei der Übertragung eines inländischen (Teil-)Betriebes oder eines mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteils auf eine gebietsfremde Kapital- oder Personengesellschaft setzt das Umwandlungssteuergesetz für eine steuerneutrale Übertragung ebenfalls voraus, dass der aufnehmende Rechtsträger die Buchwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter ganz oder teilweise fortführt. Das Umwandlungssteuergesetz eröffnet dieses Wahlrecht auch Gebietsfremden, wenn die zwischen den Rechtsträgern übertragenen Wirtschaftsgüter im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik verbleiben.27 Können die Vermögensgegenstände einer inländischen Betriebstätte zugerechnet werden, ist die Bundesrepublik für die Besteuerung zuständig (§§ 23 Abs. 1 und 4 S. 1 i. V. m. § 20 Abs. 2 S. 1 bis 4 und 6, § 24 Abs. 2 UmwStG). Fehlt hingegen die deutsche Besteuerungszuständigkeit für die übertragenen Wirtschaftsgüter, kann § 23 Abs. 3 UmwStG keine Fortführung der steuerlichen Position bei der aufnehmenden Gesellschaft regeln. Das betrifft zum einen Fälle, in denen Inländer Betriebstätten im Ausland unterhalten, die Deutschland nicht besteuern kann. Wird ausländisches Betriebstättenvermögen auf einen ausländischen Rechtsträger übertragen, kann kein Wahlrecht zur Fortführung des Buchwertes oder zum Ansatz eines Zwischenwertes bei der aufnehmenden Gesellschaft eröffnet werden.28 Zum anderen gehören zu den Fällen ohne deutsche Besteuerungskompetenz solche, in denen mehrheitsvermittelnde Anteile in ausländisches Betriebsvermögen einer ausländischen Kapitalgesellschaft eingebracht werden. Hier kann § 23 Abs. 4 UmwStG keine Fortführung von Buchoder Zwischenwerten verlangen.29 Die gebietsfremde Gesellschaft unterliegt mit ihren Einkünften aus den Anteilen allein im Domizilstaat der Besteuerung (vgl. auch Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). 26
Vgl. o. D.III.4. Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnrn. 145, 236; Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 82 ff., 98 ff.; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnrn. 46 f. 28 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 203. 29 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnrn. 71 ff., 231. 27
40
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
6. Übernahme des Wertansatzes des aufnehmenden Rechtsträgers durch den Einbringenden a) Inländische Sachverhalte Wird der Buchwert der eingebrachten Wirtschaftsgüter bei der aufnehmenden Gesellschaft fortgeführt, darf der Einbringende den vom aufnehmenden Rechtsträger gewählten Wert als Veräußerungspreis für den Einbringungsgegenstand ansetzen (§§ 20 Abs. 4 S. 1, 24 Abs. 3 S. 1 UmwStG).30 Der Buchwert des Einbringungsgegenstandes und der Veräußerungspreis weichen dann nicht voneinander ab, sodass auch der Einbringende kein steuerpflichtiges Veräußerungsergebnis erzielt, also ebenfalls steuerneutral übertragen kann. Wird ein Zwischenwert angesetzt, besteht das steuerpflichtige Veräußerungsergebnis nur aus der Differenz zwischen diesem Wert und dem Buchwert.31 In der Bilanzierung der vom aufnehmenden Rechtsträger angesetzten Buchwerte als Veräußerungspreis für die eingebrachten Vermögensgegenstände durch den Einbringenden liegt die zweite entscheidende Voraussetzung für eine steuerneutrale Vermögensübertragung (§§ 20 Abs. 4, 24 Abs. 3 UmwStG). b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Der vom ausländischen, aufnehmenden Vertragspartner angesetzte Wert des übertragenen Vermögens gilt auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten für den inländischen, übertragenden Rechtsträger als Veräußerungspreis, sodass Einbringungen in ausländische Rechtsträger steuerneutral erfolgen können. Bei einem Teilwertansatz des aufnehmenden Rechtsträgers müssen jedenfalls nicht alle stillen Reserven aufgedeckt werden (§§ 23 Abs. 1 und 4 S. 1 i. V. m. § 20 Abs. 4 S. 1 sowie § 24 Abs. 3 UmwStG).32 Fehlt die deutsche Besteuerungszuständigkeit für die übertragenen Wirtschaftsgüter, kann § 23 Abs. 3 UmwStG hingegen keine Regelung zur Bilanzierung des Veräußerungspreises beim Einbringenden treffen. So liegt es in den Fällen, in denen Inländer Betriebstätten im Ausland unterhalten, die Deutschland nicht besteuern kann. Werden ausländisches Betriebstättenvermögen oder zu ausländischem Betriebsvermögen gehörende mehrheitsvermittelnde Anteile 30 Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 20 Rnrn. 209 ff.; Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 140 ff. 31 Bei der Einbringung in eine Personengesellschaft nach § 24 Abs. 1 UmwStG kann der Einbringende als Mitunternehmer die Entstehung eines steuerpflichtigen Einbringungsgewinnes durch negative Ergänzungsbilanzen sogar dann vermeiden, wenn die aufnehmende Personengesellschaft einen Zwischenwert oder den Teilwert der eingebrachten Wirtschaftsgüter ansetzt. 32 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 146; Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 140 ff.
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
41
auf einen ausländischen Rechtsträger übertragen, kann nicht angeordnet werden, welchen Veräußerungspreis die einbringende Gesellschaft ansetzen muss. 7. Gewährung von Anteilen als Gegenleistung a) Inländische Sachverhalte Da es sich in den Fällen des Achten und Neunten Teils des Umwandlungssteuergesetzes um Sacheinlagen in das Vermögen einer Kapital- oder Personengesellschaft handelt, muss die übernehmende Gesellschaft den Einbringenden für die Übertragung des (Teil-)Betriebes, des Kapital- oder des Personengesellschaftsanteils beteiligen. Ist die aufnehmende Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft, sind dem Einbringenden neue Anteile an dieser Kapitalgesellschaft zu gewähren. Die Anteile müssen bei der Sachgründung oder durch Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen erstmals geschaffen werden, sog. neue, einbringungsgeborene Anteile (§ 20 Abs. 1 S. 1, 2 UmwStG).33 Sind die Vermögensgegenstände auf eine Mitunternehmerschaft übergegangen, muss dem Einbringenden die Position des Mitunternehmers der Personengesellschaft eingeräumt werden. Ist er bereits Mitunternehmer, muss die Mitunternehmerstellung entsprechend erweitert werden (§ 24 Abs. 1 UmwStG).34 b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Die Beteiligung des einbringenden Rechtsträgers an der aufnehmenden Gesellschaft ist auch Voraussetzung aller grenzüberschreitenden Einbringungen (§§ 23 Abs. 1, 3 und 4 S. 1, 24 Abs. 1 UmwStG).35 8. Besteuerungsmöglichkeit beim einbringenden Rechtsträger a) Inländische Sachverhalte Für die steuerneutrale Einbringung in eine inländische Kapitalgesellschaft wird weiterhin vorausgesetzt, dass die einbringungsgeborenen Anteile beim Einbringenden zum Zeitpunkt der Sacheinlage steuerbar sind (§ 20 Abs. 3 UmwStG).36 Durch diese Tatbestandsvoraussetzung wird die bereits geschilderte Übertragung der stillen Reserven des Einbringungsgegenstandes auch auf die 33
Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 20 Rnrn. 142 ff. Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 48 ff., 59 ff. 35 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 144; Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 48 ff., 59 ff. 36 Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 20 Rnrn. 164 ff. 34
42
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
einbringungsgeborenen Anteile und damit die Steuerbarkeit der stillen Reserven beim Einbringenden gewährleistet. Ist der Einbringende ein unbeschränkt steuerpflichtiger Rechtsträger, wird diese Voraussetzung ohne weiteres erfüllt. In den hier behandelten Konstellationen ist der Einbringende stets im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Auch bei den hier betrachteten grenzüberschreitenden Fällen ist der Einbringende eine unbeschränkt steuerpflichtige Person, sodass für die Steuerbarkeit der einbringungsgeborenen Anteile, auf die die stillen Reserven übertragen werden, nichts anderes als für inländische Sachverhalte gilt. 9. Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung a) Inländische Sachverhalte aa) Einbringung eines (Teil-)Betriebes oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft Bei der Einbringung eines (Teil-)Betriebes oder eines Mitunternehmeranteils in eine inländische Kapitalgesellschaft müssen dessen stille Reserven zusätzlich auf die dafür erhaltene Beteiligung übertragen werden. Hierzu ist der bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft angesetzte Wert, den der Einbringende selbst als Veräußerungspreis übernehmen durfte, auch als Anschaffungspreis für die erworbenen Anteile zu bilanzieren (§ 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 UmwStG).37 Der vom Umwandlungssteuergesetz gewährte Besteuerungsaufschub für den Veräußerungsgewinn bei der Einbringung gegen Gesellschaftsanteile zieht also bei der Übertragung auf Kapitalgesellschaften die weitere, umwandlungssteuerspezifische Besonderheit nach sich, dass als Anschaffungspreis der erhaltenen Anteile nicht der gemeine Wert des eingebrachten (Teil-)Betriebes bilanziert werden darf. Bei einer zeitnahen Gewinnrealisierung werden dadurch beim Einbringenden nicht nur Wertsteigerungen seit dem Erwerb der Anteile durch die Einbringung, sondern auch die in dem übertragenen Betrieb enthaltenen und auf die Beteiligung übertragenen stillen Reserven steuerpflichtig. Eine Gewinnrealisierung aus der neuen Beteiligung ist dann auch bei einer geringfügigen Beteiligungshöhe steuerpflichtig (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG i. V. m. § 16 EStG).38 37
Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 20 Rnrn. 220 ff. Für die Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen gelten Freibeträge und Tarifermäßigungen, § 21 Abs. 1 UmwStG; §§ 16, 34 EStG. 38
D. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
43
In dieser Übernahme der stillen Reserven auch in den einbringungsgeborenen Anteilen bei der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft liegt die dritte, entscheidende Voraussetzung, die für eine steuerneutrale Übertragung gefordert wird. Ziel des Gesetzes ist es, jedenfalls vom Grundsatz her, die stillen Reserven auch beim neuen Anteilseigner der Kapitalgesellschaft besteuern zu können (§§ 20 Abs. 4, 21 Abs. 1 UmwStG). Dieser Grundsatz wird aber durchbrochen. Je nach Einbringungsgegenstand und Rechtsform des einbringenden Rechtsträgers verfolgt der Gesetzgeber mit der Besteuerung der einbringungsgeborenen Anteile beim Einbringenden unterschiedliche Ziele. Bei der Einbringung eines (Teil-)Betriebes bzw. eines Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft durch eine Körperschaft wird die Übertragung der stillen Reserven auf die erworbene Beteiligung nur in zeitlich begrenztem Umfang steuerwirksam. Nach Ablauf einer Frist von sieben Jahren seit dem Erwerb der Anteile verzichtet der Fiskus auf eine Besteuerung der übertragenen stillen Reserven bei körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseignern, die einen (Teil-)Betrieb eingebracht haben. Gewinne aus den erworbenen Anteilen sind für Körperschaftsteuerpflichtige dann, wie in allen anderen Fällen, bis auf das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot in Höhe von 5%, steuerfrei (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3, 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 KStG). Das Ziel dieser Regelung besteht darin, Körperschaftsteuerpflichtige anzuhalten, die erworbenen Anteile für eine gewisse Zeit zu behalten. Die Frist von sieben Jahren wird zu einer Spekulationsfrist, da eine Veräußerung der Anteile vor ihrem Ablauf zu einer Besteuerung führt, während bei einer späteren Gewinnrealisierung auf eine Besteuerung verzichtet wird. Auch Einkommensteuerpflichtige müssen das Veräußerungsergebnis versteuern, wenn sie die einbringungsgeborenen Kapitalgesellschaftsanteile vor Ablauf der siebenjährigen Spekulationsfrist veräußern. Nach Ablauf der Frist gilt die allgemeine Regel, dass ein Veräußerungsgewinn zur Hälfte von der Einkommensteuer befreit ist (§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. b, S. 3, 4 lit. a EStG). Für diese Hälfte zeitigt die umwandlungssteuerspezifische Rechtsfolge der Übertragung stiller Reserven auch auf die einbringungsgeborenen Anteile beim Einbringenden keine Wirkungen mehr, vergleichbar der Lage bei körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseignern. Die andere Hälfte des Gewinns bleibt jedoch nach den allgemeinen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes steuerpflichtig. Insofern wirkt sich die Übertragung der stillen Reserven auf die einbringungsgeborenen Anteile bei einer Gewinnrealisierung des Einbringenden stets steuererhöhend aus. Für einkommensteuerpflichtige Einbringende wird mit der Verpflichtung, den Buch- oder Zwischenwert auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung zu übernehmen, folglich nicht nur das Ziel verfolgt, eine kurzfristige Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile zu verhindern. Der Ansatz der einbringungsgeborenen Anteile zum Buch- oder Zwischenwert des Einbringungsgegenstandes führt dazu, dass die Hälfte des Gewinns steuerpflichtig wird, obwohl die
44
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
stillen Reserven des Einbringungsgegenstandes bereits bei einer Gewinnrealisierung durch den aufnehmenden Rechtsträger steuerbar sind.39 bb) Einbringung eines mehrheitsvermittelnden Anteils in eine Kapitalgesellschaft Bei der Einbringung eines mehrheitsvermittelnden Anteils an einer Kapitalgesellschaft im Sinne von § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG steht es dem Einbringenden frei, die einbringungsgeborenen Anteile kurzfristig weiterzuveräußern. Körperschaftsteuerpflichtige Einbringende genießen das Privileg, die einbringungsgeborenen Anteile wegen § 8b Abs. 2, 3, 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 2 KStG sofort steuerfrei veräußern zu können. Lediglich 5% gelten pauschal als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Körperschaften sind nicht an die siebenjährige Haltefrist der einbringungsgeborenen Anteile vor einer Gewinnrealisierung gebunden, im Gegensatz zur Situation bei der Einbringung eines (Teil-)Betriebes. Insofern hat der gesetzgeberische Zweck, die Veräußerung von getauschten Kapitalgesellschaftsanteilen für Körperschaftsteuerpflichtige stets zu ermöglichen, Vorrang vor dem Ziel, eine frühzeitige Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile zu besteuern. Einkommensteuerpflichtige Einbringende können die gegen mehrheitsvermittelnde Anteile erworbene Beteiligung an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft ebenfalls veräußern, ohne dass eine Spekulationsfrist gilt (§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. b, S. 3, 4 lit. b EStG). Für sie verbleibt es beim Grundsatz, dass die Hälfte eines Gewinns aus der Beteiligung steuerfrei vereinnahmt werden darf. Auf die Besteuerung der anderen Hälfte der stillen Reserven der eingebrachten Anteile wird bei der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht verzichtet. Hier entfaltet die Übernahme der stillen Reserven in den einbringungsgeborenen Anteilen als dritte, entscheidende Voraussetzung einer steuerneutralen Übertragung ihre Funktion. Dadurch wird beim Anteilstausch abgesichert, dass die stillen Reserven beim Einbringenden, der neuer Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft geworden ist, grundsätzlich besteuert werden können (§§ 20 Abs. 4, 21 Abs. 1 UmwStG). Die Besteuerung wird bis zur Gewinnrealisierung auf unbegrenzte Zeit aufgeschoben. Außerdem sind die stillen Reserven bei einer Gewinnrealisierung durch den aufnehmenden Rechtsträger steuerbar. cc) Einbringung in eine Personengesellschaft Für die Einbringung in eine Personengesellschaft besteht keine Regelung zur Bilanzierung der Anschaffungskosten der Beteiligung beim einbringenden Rechtsträger (§ 24 UmwStG). Die Personengesellschaft ist kein selbstständiges 39
S. o. D.III.5.
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
45
Steuersubjekt neben dem Anteilseigner, wie etwa eine juristische Person. Steuersubjekt sind bei der Personengesellschaft nur die Mitunternehmer. Führen sie den Buchwert der eingebrachten Vermögensgegenstände in der Gesellschaftsbilanz und in den Ergänzungsbilanzen fort, ist eine Besteuerung der stillen Reserven bei einer späteren Gewinnrealisierung möglich. b) Grenzüberschreitende Sachverhalte Der inländische Rechtsträger hat auch bei einer Übertragung eines (Teil-)Betriebes oder eines mehrheitsvermittelnden Anteils auf eine Kapitalgesellschaft eines anderen Mitgliedstaates deren Bilanzierung bei den Anschaffungskosten der einbringungsgeborenen Anteile fortzusetzen (§ 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG).40 Damit sichert sich die Bundesrepublik im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens und nach der Zuweisung der Besteuerungskompetenz in den Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) die Steuer auf die übertragenen stillen Reserven in den einbringungsgeborenen Anteilen an der gebietsfremden Gesellschaft für den Fall, dass diese realisiert werden (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG i. V. m. § 16 EStG). Hinsichtlich der siebenjährigen Haltefrist der einbringungsgeborenen Anteile und den steuerlichen Folgen bei einer vorzeitigen Aufdeckung der stillen Reserven beim Einbringenden eines in- oder ausländischen (Teil-)Betriebes gilt über die Verweise in § 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 auf § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG das für inländische Sachverhalte Ausgeführte.
E. Steuerliche Behinderungen von Umstrukturierungen inländischer Rechtsträger durch Einzelrechtsnachfolge mit grenzüberschreitendem Bezug I. Begriff der steuerlichen Behinderung Im folgenden Abschnitt werden die steuerlichen Behinderungen ermittelt, die Inländer erleiden, wenn sie nach dem im Abschnitt D. erläuterten Prinzip Vermögensgegenstände durch Einzelrechtsnachfolge in einen gebietsfremden Rechtsträger einbringen, dabei aber nicht oder nur unter weiteren als den beschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen in den Genuss kommen, die Besteuerung des übertragenen Vermögens und der im Gegenzug erhaltenen Anteile bis zu einer späteren Gewinnrealisierung aufzuschieben. Entsprechend der themati40
Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnrn. 78 ff.
46
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
schen Eingrenzung dieser Abhandlung geht es hier nur um die Belastung durch die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Gewerbe-, grunderwerb-, erbschaftbzw. schenkung- und umsatzsteuerliche Besonderheiten werden in dieser Untersuchung nicht behandelt.41 Da die Grundfreiheiten nach der herrschenden Meinung Diskriminierungen und Beschränkungen verbieten,42 wird der Begriff der steuerlichen Behinderungen weit gefasst. Von steuerlichen Behinderungen der grenzüberschreitend agierenden Inländer kann zum einen gesprochen werden, wenn die steuerneutrale Einbringung nur Inländern gestattet wird, die unter sonst gleichen Bedingungen einen inländischen Vertragspartner auswählen und damit einen rein inländischen Sachverhalt verwirklichen. In diesem Fall kann die Behinderung festgestellt werden, indem der grenzüberschreitende Sachverhalt mit der steuerlichen Situation nicht grenzüberschreitend handelnder Inländer verglichen wird.43 Deshalb werden im Folgenden die Sachverhalte zusammengestellt, in denen grenzüberschreitend und nicht grenzüberschreitend agierende Inländer bei Umwandlungen steuerlich unterschiedlich gestellt sind, um diese verschiedene Behandlung später an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages messen zu können. Zum anderen werden Behinderungen bei grenzüberschreitenden Einbringungen zusammengetragen, die sich nicht aus dem Vergleich mit der Situation rein national agierender Inländer herleiten lassen.44 Es handelt sich um Behinderungen durch gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen, die für steuerneutrale grenzüberschreitende Transaktionen zu erfüllen sind. Für solche Beeinträchtigungen des grenzüberschreitenden Vertragsschlusses werden Beispiele zusammengetragen. Hierzu gehören ferner Behinderungen von Inländern durch Bestimmungen des Umwandlungssteuergesetzes, die in der Literatur als unzureichende oder verfehlte Umsetzung der Vorgaben der Fusionsrichtlinie kritisiert werden. Auf diese Weise können Erkenntnisse darüber gewonnen werden, inwiefern Inländer 41
Vgl. hierzu die Nachweise o. Fn. 1. Geiger, EUV/EGV-Komm., 4. Aufl. 2004, Art. 43 EG Rnrn. 8 ff., 15 ff., Art. 56 Rnrn. 6 f.; Herdegen, Europarecht, 6. Aufl. 2004, 2. Teil § 17 II 1 (Tz. 317 ff.); Lecheler, Einführung in das Europarecht, 2. Aufl. 2003, S. 263 ff.; Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, § 22 II 1 (Tz. 1490 ff.), § 24 I 1 b (Tz. 1588); Scheuer in: Lenz/ Borchardt (Hrsg.), EG-Komm., 3. Aufl. 2003, Art. 43 Rnrn. 4 ff., 7 ff.; Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, § 12 II 2 (Tz. 667 ff.); Weber in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EGKomm., 3. Aufl. 2003, Art. 56 Rnrn. 13 ff., jeweils m. w. N. 43 Teilweise wird ein Benachteiligungsverbot für Inländer, die grenzüberschreitend agieren, gegenüber Inländern, die rein inländische Vertragsbeziehungen unterhalten, aus dem Gebot der Gleichbehandlung von Gebietsfremden mit Inländern hergeleitet. Hierzu im Einzelnen unter J.II.1., 3. 44 Die wohl überwiegende Meinung trennt nicht zwischen der unterschiedlichen Behandlung grenzüberschreitend und national tätiger Inländer in Steuergesetzen sowie Beschränkungen. Damit verschwimmen die tatbestandlichen Voraussetzungen und die Rechtfertigungsgründe. Vgl. hierzu im Einzelnen unter J.II.2., 3. 42
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
47
eine fehlerhafte Umsetzung der Richtlinie auch als Verstoß gegen ihre Grundfreiheiten, nämlich als Diskriminierungen oder Beschränkungen, rügen können. Die Gliederung der Tatbestandsvoraussetzungen für steuerneutrale Einbringungen im vorangegangenen Abschnitt D. wird beibehalten.
II. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft 1. Einbringungsgegenstand a) Mitunternehmeranteil Ein Mitunternehmeranteil kann nach den Vorschriften des Achten Teils des Umwandlungssteuergesetzes von einer inländischen Kapitalgesellschaft nicht in eine EU-Kapitalgesellschaft eingebracht werden.45 Der Mitunternehmeranteil gehört zwar zu den einbringungsfähigen Gegenständen im Sinne von § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG. Die Anwendung dieser Vorschrift kommt jedoch nicht in Betracht, weil Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in einem anderen Mitgliedstaat, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten aufnehmende Rechtsträger sein sollen, nicht der Anforderung an den aufnehmenden Rechtsträger eines Mitunternehmeranteils nach § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG genügen. Sie sind im Inland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Selbst wenn die EU-Kapitalgesellschaft eine inländische Betriebstätte unterhält, in die der Mitunternehmeranteil eingebracht werden kann, ist eine Einbringung nach § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG nicht möglich, weil dadurch nur eine beschränkte Steuerpflicht mit inländischen Einkünften im Sinne des § 2 Nr. 1 KStG eintreten würde. Körperschaften dürfen einen Mitunternehmeranteil nur dann im Rahmen des § 23 Abs. 1 S. 1, 2 UmwStG übertragen, wenn er Bestandteil eines eingebrachten (Teil-)Betriebes ist.46 Die gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft wäre als aufnehmender Rechtsträger eines solchen (Teil-)Betriebes von § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG zugelassen, sofern sie die Bestimmungen des Art. 3 FRL erfüllt. Der Einbringungsgegenstand müsste nur in einer inländischen Betriebstätte der ausländischen EU-Kapitalgesellschaft verbleiben. § 23 Abs. 1 S. 1, 2 UmwStG schließt aber nicht nur die Körperschaften als Einbringende eines Mitunternehmeranteils aus dem Tatbestand aus. Die Bestim45
Vgl. auch BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 23.02. Thömmes, Teilbetriebsbegriff der EG-Fusionsrichtlinie, in: Wassermeyer (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 583, 602 f.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 31. 46
48
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
mung grenzt auch die gleichfalls mitunternehmerfähigen unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen und inländischen Personengesellschaften bzw. deren Mitunternehmer als Einbringende eines Mitunternehmeranteils in eine EU-Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem anderen Mitgliedstaat aus.47 Da Gesellschafter von Personengesellschaften, wie OHG, KG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Personen jeder Rechtsform sein können, ist der Kreis potenzieller Einbringender eines Mitunternehmeranteils in eine EU-Kapitalgesellschaft weit. Der Mitunternehmeranteil kann nicht gemäß § 24 Abs. 1 UmwStG in eine gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft eingebracht werden, weil nach dieser Vorschrift nur gebietsfremde Personengesellschaften aufnehmende Rechtsträger sein können, die zudem im Inland eine Betriebstätte unterhalten oder begründen, in die der Anteil eingebracht wird. Die Tatsache, dass das Umwandlungssteuergesetz eine steuerneutrale grenzüberschreitende Übertragung eines Mitunternehmeranteils versagt, ist darauf zurückzuführen, dass auch die Fusionsrichtlinie eine solche Einbringung nicht vorsieht. Der Richtliniengeber verzichtete darauf, weil er Personengesellschaften eine mindere Bedeutung beimaß. In vielen Mitgliedstaaten, die der Europäischen Union bei Erlass der Richtlinie angehörten, hatten Personengesellschaften nicht die gleiche Bedeutung wie in der Bundesrepulik Deutschland. Ein Konzept von Mitunternehmerschaft und Mitunternehmeranteilen zur Besteuerung von Personengesellschaften ist nur in Deutschland und Österreich bekannt.48 Damit ist festzuhalten, dass es das Umwandlungssteuergesetz im Achten Teil inländischen Kapitalgesellschaften nur eingeschränkt und allen weiteren Rechtsträgern nicht gestattet, einen Mitunternehmeranteil steuerneutral auf eine Kapitalgesellschaft eines anderen Mitgliedstaates zu übertragen und dafür ausländische Kapitalanteile zu erwerben. Diese Einschränkung des in Betracht kommenden Einbringenden durch das Umwandlungssteuergesetz bei grenzüberschreitenden Einbringungen eines Mitunternehmeranteils könnte gegen Grundfreiheiten des EG-Vertrages verstoßen. b) Teilbetrieb und Einzelwirtschaftsgüter Das Umwandlungssteuergesetz gestattet die Übertragung von Vermögensteilen nur, soweit ein qualifiziertes unternehmerisches Engagement in Form eines Teilbetriebes, eines mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteils oder ei47
Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 14. Vgl. Thömmes, Probleme aus Anlass der Umsetzung der Fusionsrichtlinie, in: Knobbe-Keuk/Thömmes/Röhricht/Thiel/Widmann, Fortbestehende Beschränkungen der Mobilität und Aktivität von Unternehmen im Binnenmarkt, JbFStR 1993/94 S. 25, 99. 48
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
49
nes Mitunternehmeranteils übergeht. Ein Teilbetrieb ist danach nur einbringungsfähig, wenn sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen eingebracht werden.49 Angesichts der restriktiven Rechtsprechung kann die Einbringung insbesondere im Zusammenhang mit Grundstücken problematisch werden, wenn diese als gemischt genutzte, wesentliche Betriebsgrundlage aufgefasst werden.50 Wenn Einzelwirtschaftsgüter zwischen Steuerpflichtigen getauscht werden und die Einbringungstatbestände des Umwandlungssteuergesetzes nicht erfüllt sind, werden stille Reserven realisiert (§ 6 Abs. 6 EStG).51 In der Literatur wird kritisiert, dass auch selbstständige organisatorische und lebensfähige Einheiten durch Einbringung übertragbar sein müssten, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nur durch einen langfristigen Vertrag zur Nutzung überlassen oder von mehreren unternehmerischen Engagements gemeinsam genutzt werden. Sogar die erfolgsneutrale Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern sei zu erwägen.52 Die Frage ist also, ob die Grundfreiheiten des EG-Vertrages bei einer grenzüberschreitenden Transaktion ein weiteres Verständnis des Teilbetriebsbegriffes und eine Erweiterung des Kataloges der Einbringungsgegenstände gebieten. 2. Einbringender Rechtsträger eines (Teil-)Betriebes Sollen eine natürliche Person, eine Personengesellschaft bzw. ihre Mitunternehmer einen (Teil-)Betrieb auf eine im Ausland ansässige EU-Kapitalgesellschaft gegen Anteile übertragen, scheitert die Anwendung des § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG an der Voraussetzung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der aufnehmenden Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Nach § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG können von den inländischen Rechtsträgern allein unbeschränkt steuerpflichtige Aktiengesellschaften, KGaA und GmbH einen (Teil-)Betrieb auf eine gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft übertragen, die eine inländische Betriebstätte unterhält, in die der (Teil-)Betrieb eingebracht wird. Natürlichen Personen, Personengesellschaften bzw. ihren Mitunternehmern und anderen als den vorgenannten Körperschaften bleibt die Möglichkeit, den (Teil-)Betrieb nach § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG einzubringen, gänzlich versagt.53 Der Tatbestand von § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG ist hinsichtlich der ein49 Sämtliche Betriebsgrundlagen des Teilbetriebes müssen übertragen werden, vgl. BFH, Urt. v. 13.2.1996, BStBl. 1996 II S. 409; Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/98, § 23 UmwStG Rnrn. 46 ff. 50 Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 261. 51 Glanegger in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 6 Rnrn. 540 ff. 52 Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 262.
50
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
bringenden Rechtsträger nicht so weit wie § 24 Abs. 1 UmwStG gefasst, der ebenfalls nicht herangezogen werden kann, da dort die Übertragung auf eine Personengesellschaft gefordert wird. Auch beim Anteilstausch dürfen Rechtsträger jeder Rechtsform Einbringende sein (§ 23 Abs. 4 UmwStG). Für die Einbringung eines (Teil-)Betriebes müssten die ausgeschlossenen Rechtsträger jedoch zuvor in eine inländische Kapitalgesellschaft umgewandelt werden, wenn sie von der Möglichkeit des § 23 Abs. 1 UmwStG Gebrauch machen möchten. Ob diese umwandlungssteuerrechtliche Behinderung von inländischen Rechtsträgern, die nicht die Rechtsform der GmbH, AG oder KGaA haben, in Bezug auf die transnationale Einbringung von Betrieben und Teilbetrieben mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages im Einklang steht, ist zu prüfen. 3. Aufnehmender Rechtsträger Als aufnehmende Rechtsträger der Einbringung eines (Teil-)Betriebes oder eines mehrheitsvermittelnden Anteils durch einen Inländer werden von den Gebietsfremden lediglich EU-Kapitalgesellschaften und mit § 24 Abs. 1 UmwStG EU-Personengesellschaften zugelassen. Andere Rechtsträger, wie beispielsweise natürliche Personen, die den Einbringungsgegenstand in ihr Betriebsvermögen übernehmen, oder Körperschaften, die nicht zu den EU-Kapitalgesellschaften zählen, sind für eine steuerneutrale Übertragung nicht als aufnehmende Rechtsträger zugelassen (§ 23 Abs. 1, 3 und 4 UmwStG).54 Damit ist zu fragen, ob die vom Umwandlungssteuergesetz ausgehende Behinderung von Inländern, einen (Teil-)Betrieb oder einen mehrheitsvermittelnden Anteil auch auf andere Personen als EU-Kapital- und EU-Personengesellschaften übertragen zu können, mit den Vorgaben der Grundfreiheiten des EGVertrages übereinstimmt. 4. Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 1 UmwStG) Bringt eine GmbH, AG oder KGaA einen (Teil-)Betrieb in eine EU-Kapitalgesellschaft gegen Anteile ein, müssen die Einbringungsgegenstände in einer inländischen Betriebstätte des aufnehmenden Rechtsträgers verbleiben. Die Betriebstätte muss zwar nicht vor der Einbringung bestehen, sie muss aber jedenfalls durch die Übertragung entstehen; der (Teil-)Betrieb muss der Betriebstätte 53 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnr. 19; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 14. 54 Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnrn. 34, 138, 181 ff.
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
51
zugerechnet werden können. In das Ausland dürfen die Wirtschaftsgüter nicht überführt werden.55 Diese Voraussetzung des § 23 Abs. 1 UmwStG macht eine steuerneutrale Übertragung unmöglich, wenn Wirtschaftsgüter aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik verbracht werden, beispielsweise an den Ort des Sitzes bzw. der Geschäftsleitung der aufnehmenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat. In einem solchen Fall gelten für die Besteuerung die dargestellten allgemeinen Bestimmungen, nach denen das Einbringungsergebnis sofort zu versteuern ist. Es besteht kein Unterschied, ob der (Teil-)Betrieb verkauft oder gegen Anteile bzw. sonstige Gegenleistungen eingetauscht wird. Gewinne aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebes im Ganzen oder eines Teilbetriebes sind dann für den Einbringenden als Einkünfte aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 EStG steuerpflichtig. Die Besteuerung der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und dem Buchwert kann nicht aufgeschoben werden. Es ist zu prüfen, ob diese Voraussetzung eine unzulässige Behinderung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten darstellt. 5. Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz durch den aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 4 UmwStG) Unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen, Mitunternehmerschaften und Körperschaften haben die Möglichkeit, mehrheitsvermittelnde Anteile an EU-Kapitalgesellschaften steuerneutral auf gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaften zu transferieren (§ 23 Abs. 4 UmwStG). Unterhält die aufnehmende, gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft im Inland keine Betriebstätte, in die die Anteile eingebracht werden, geht die Besteuerungskompetenz hinsichtlich der übertragenen, mehrheitsvermittelnden Anteile auf einen anderen Mitgliedstaat über oder liegt von vornherein bei einem anderen Staat (vgl. Artt. 7 Abs. 1, 14 Abs. 4 OECD-MA). Trotz der fehlenden Steuerbarkeit des Einbringungsgegenstandes im Inland ist der steuerneutrale Anteilstausch zulässig.56 Dennoch wird verlangt, dass im Ausland der Buchwert fortgeführt oder ein Zwischenwert angesetzt wird. Denn nach dem erläuterten System des Besteuerungsaufschubes im Umwandlungssteuergesetz wird die Steuerneutralität der Einbringung beim übertragenden Rechtsträger dadurch erreicht, dass er den Buchwert oder einen Zwischenwert der mehrheitsvermittelnden Anteile als Ver55 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnr. 39; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnrn. 36 ff., 166 ff. 56 Hingegen ist die Einbringung eines (Teil-)Betriebes oder von Mitunternehmeranteilen nicht möglich, wenn die Möglichkeit der Besteuerung beim aufnehmenden Rechtsträger fehlt.
52
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
äußerungspreis ansetzt. Dazu ist der Einbringende nur berechtigt, wenn die aufnehmende Gesellschaft diesen Buch- oder Zwischenwert übernommen hat (§ 23 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG). Für den einbringenden Inländer kann die Voraussetzung, den Buch- oder Zwischenwert vom aufnehmenden, gebietsfremden Rechtsträger zu übernehmen, den entscheidenden Nachteil haben, dass er bei fehlender Buchwertfortführungsmöglichkeit im Ausland an einer im Inland steuerneutralen Einbringung gehindert wird, obwohl es hier auf die Steuerbarkeit der eingebrachten Anteile im Ausland, die die Berechtigung der vorausgesetzten Buchwertfortführung sein könnte, gar nicht ankommt.57 Es wird darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse des Ansatzes beim aufnehmenden Rechtsträger zufällig seien, wenn ein Buchwertansatz nach ausländischem Steuerrecht nicht möglich ist. Eine Buchwertfortführung sei nur für die einbringungsgeborenen Anteile erforderlich.58 In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass die Voraussetzung der Buchwertfortführung beim aufnehmenden, ausländischen Rechtsträger der Fusionsrichtlinie widerspricht, weil der steuerneutrale Anteilstausch in der Fusionsrichtlinie nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht wird, dass der aufnehmende Rechtsträger den Buchwert fortführt.59 Jede Richtlinie genießt Vorrang vor nationalem Recht und gilt unmittelbar, wenn die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, die Vorschriften ihrem Zweck nach präzise formuliert und unbedingt sind und wenn sie den Mitgliedstaaten keinen 57 Herzig, Gestaltung steuerorientierter Umstrukturierungen im Konzern, DB 2000 S. 2236, 2243, unter Hinweis auf Großbritannien, wo eine Buchwertfortführung, wie vom Umwandlungssteuergesetz gefordert, nicht bekannt ist. Krebs, Missbräuchliche Gestaltungen nach dem Umwandlungssteuer-Erlass der Finanzverwaltung – mögliche Ausweichgestaltungen, BB 1997 S. 2078, 2084, unter Hinweis auch auf Dänemark, Italien, Spanien und Irland, in denen dieselbe Situation wie in Großbritannien besteht. 58 Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 264. 59 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 73; Bogenschütz, Steuerliche Probleme bei europäischen Unternehmenszusammenschlüssen, IStR 2000 S. 609, 613; Herzig/Dautzenberg/Heyeres, System und Schwächen der Fusionsrichtlinie, Beilage 12/91, DB 1991 (Beil. 12) S. 13; Knobbe-Keuk, Die Regelung des Anteilstauschs in § 20 Abs. 6 UmwStG und der Fusionsrichtlinie, DStZ 1992 S. 675, 678; Krebs, Missbräuchliche Gestaltungen nach dem Umwandlungssteuer-Erlass der Finanzverwaltung – mögliche Ausweichgestaltungen, BB 1997 S. 2078, 2083 f.; Saß, Probleme der Umsetzung der steuerlichen EG-Fusionsrichtlinie in Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande und Großbritannien, DB 1993 S. 1892, 1894; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnr. 92; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 214. A. A. Grotherr, Der Anteilstausch als gesellschaftsrechtlicher Einbringungsvorgang nach Umsetzung der Fusionsrichtlinie durch das StÄndG 1992, BB 1992 S. 2259, 2265; Thiel, Die grenzüberschreitende Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften im Ertragssteuerrecht, GmbHR 1994 S. 277, 281; Wassermeyer, Besteuerung des ausländischen Unternehmenserwerbs durch Anteilstausch (unechte Fusion) und Einbringung von Unternehmensanteilen, DStR 1992 S. 57, 60.
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
53
wesentlichen, ausfüllungsbedürftigen Entscheidungsspielraum belässt.60 Unter diesen Voraussetzungen besteht für die Gerichte die Verpflichtung, nationale Bestimmungen, die explizit gegen die Richtlinie verstoßen, nicht anzuwenden.61 Ist ein solcher Verstoß entscheidungserheblich, nicht offenkundig und vom EuGH noch nicht beurteilt worden, besteht das Vorlagerecht gemäß Art. 234 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 EG und die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 1 lit. a, Abs. 3 EG.62 Ziel der Fusionsrichtlinie ist, dass Steuerpflichtige von den Mitgliedstaaten einen steuerneutralen Anteilstausch beanspruchen können. Der Anteilstausch muss so vollzogen werden, dass Anteile an einer EU-Kapitalgesellschaft in eine andere EU-Kapitalgesellschaft eingebracht werden und dafür dem Einbringenden eine Beteiligung an der aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft gewährt wird. Die aufnehmende EU-Kapitalgesellschaft muss mit den aufgenommenen Anteilen die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft, deren Anteile eingebracht werden, erlangen (Art. 8 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 lit. d FRL). Diese Steuerneutralität soll durch eine Übertragung der Buchwerte der hingegebenen Anteile auf die im Gegenzug dem Einbringenden gewährten Anteile bewirkt werden, während die Besteuerung bei einer späteren Gewinnrealiserung nachgeholt werden kann (Art. 8 Abs. 2 FRL). Müssen die stillen Reserven aufgedeckt werden, weil die gebietsfremde, aufnehmende EU-Kapitalgesellschaft den Teilwert ansetzt, statt den Buchwert fortzuführen, können Einbringende zwar nicht besteuert werden, wenn sie Kapitalgesellschaften sind. § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG bietet ihnen die Möglichkeit, Anteile steuerfrei zu übertragen, abgesehen vom pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbot von 5%. Zusätzlich ergeben sich für einbringende Kapitalgesellschaften Nachteile daraus, dass alle anderen Vergünstigungen, die mit der steuerneutralen Übertragung nach § 23 Abs. 4 UmwStG verbunden sind, verloren gehen. Für einkommensteuerpflichtige Einbringende hat eine fehlende Buchwertfortführung durch die aufnehmende EU-Kapitalgesellschaft zur Folge, dass die durch die Einbringung aufgedeckten stillen Reserven sofort zur Hälfte als Einbringungsgewinn versteuert werden müssen. Ist man der Auffassung, dass die Richtlinienvorgaben den Mitgliedstaaten keinen Entscheidungsspielraum für weitere Voraussetzungen belassen und erblickt in der Forderung der Buchwertfortführung beim aufnehmenden, ausländi60 Lecheler, Einführung in das Europarecht, 2. Aufl. 2003, S. 129 ff.; Nettesheim in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 08/02, Art. 249 EG Rnrn. 158 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 374. 61 EuGH Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/75 „van Duyn“, E 1974 S. 1337 ff. 62 Zu den Voraussetzungen der Vorlagepflicht bei einem Richtlinienverstoß am Beispiel des Art. 31 Abs. 1 lit. c, aa. der Vierten Richtlinie v. 25.7.1978 (78/660/EWG) Schulze-Osterloh, Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zum Handelsbilanzrecht, ZGR 1995 S. 170, 171 f.
54
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
schen Rechtsträger einen Richtlinienverstoß, muss diese Bestimmung bei der Rechtsanwendung unberücksichtigt bleiben. Denn die Frist für die Umsetzung der Fusionsrichtlinie ist seit dem 31. Dezember 1991 abgelaufen (Art. 12 FRL). Die Vorschriften sind ihrem Zweck nach, eine steuerneutrale Umwandlung zu ermöglichen und nur unter besonderen, außergewöhnlichen Umständen zu versagen (Art. 11 FRL), präzise bestimmt. Sie begründen für Steuerpflichtige das Recht gegenüber dem Mitgliedstaat, dass die Umwandlung erfolgsneutral behandelt wird. Die Finanzverwaltung muss diese Erfolgsneutralität in den in Art. 1 FRL aufgezählten Fällen respektieren. Bislang wurde jedoch kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik wegen einer fehlerhaften Richtlinienumsetzung eingeleitet. Soweit ersichtlich, ist auch nicht bekannt geworden, dass sich Steuerpflichtige in dieser Beziehung unmittelbar auf die Fusionsrichtlinie berufen haben. Es ist nicht ganz eindeutig, ob die Buch- oder Teilwertfortführung beim aufnehmenden Rechtsträger in § 23 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG gegen die Richtlinie verstößt, oder ob sie nur über den Richtlinientext hinausgeht und als „überschießende“ Regelung im innerstaatlichen Recht jedenfalls für den Steuerpflichtigen nicht als Richtlinienverstoß justiziabel ist.63 Es soll deshalb geprüft werden, ob es am Maßstab der Grundfreiheiten zu beanstanden ist, dass das Umwandlungssteuergesetz einen grenzüberschreitenden Anteilstausch nur dann steuerneutral ermöglicht, wenn auch die aufnehmende, gebietsfremde Kapitalgesellschaft von der Fortführung des Buch- oder Zwischenwertes Gebrauch macht. 6. Gewährung von alten Anteilen als Gegenleistung Das Umwandlungssteuergesetz macht die von der einbringenden inländischen Kapitalgesellschaft erstrebte steuerneutrale Übertragung eines Betriebes oder Teilbetriebes auf eine EU-Kapitalgesellschaft mit ausländischem Sitz sowie Geschäftsleitung im Ausland davon abhängig, dass als Gegenleistung neue Anteile gewährt werden (§ 23 Abs. 1, 3 und 4 UmwStG). Wird die gebietsfremde EUKapitalgesellschaft im Zuge der Einbringung gegründet, müssen Anteile gewährt werden, die erstmals bei der Sachgründung entstehen. Besteht die aufnehmende EU-Kapitalgesellschaft bereits, sind Anteile auszugeben, die im Zuge der Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen neu entstehen. Es genügt nicht, Anteile der Gesellschaft oder der Gesellschafter auszugeben, die bereits vor der Einbringung vorhanden waren, beispielsweise ausgegebene, zurückerworbene 63 Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission v. 17.10.2003 für eine Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, KOM (2003) S. 613 ff., soll kein Zwang zur Buchwertfortführung im Ausland zulässig sein (Art. 8 Abs. 10 des Entwurfes). Hierzu Haritz/Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28, 32 f.; Saß, Änderungsvorschlag zur steuerlichen Fusionsrichtlinie, DB 2004 S. 2231 f.
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
55
oder eingezogene Anteile.64 Unzureichend wäre es auch, eine stille Beteiligung einzuräumen oder Genussscheine zu gewähren. In der Literatur wird die Tatbestandsvoraussetzung, für eine steuerneutrale Einbringung neue Anteile gewähren zu müssen, als mit der Fusionsrichtlinie unvereinbar kritisiert. Die Richtlinie gibt in Art. 2c zwar ebenfalls vor, dass der Besteuerungsaufschub nur zu gewähren ist, wenn Anteile am aufnehmenden Rechtsträger ausgegeben werden. Die Fusionsrichtlinie kennt aber in Art. 8 nicht die Voraussetzung, neue Anteile leisten zu müssen. Alte Anteile wären als Gegenleistung ausreichend.65 Auch diese Regelung in § 23 Abs. 1, 3 und 4 UmwStG geht über Art. 8 FRL hinaus, die wegen der Verschärfung der von der Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen für die Steuerneutralität als Richtlinienverstoß oder als für den Steuerpflichtigen nicht justiziable nationale Umsetzung gesehen werden kann.66 Hier soll überprüft werden, ob das Erfordernis der Ausgabe von neuen Anteilen mit den Grundfreiheiten vereinbar ist. 7. Gewährung von Gegenleistungen zusätzlich zu Anteilen a) Einbringung eines (Teil-)Betriebes Ein inländischer (Teil-)Betrieb kann von einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als Sacheinlage im Wege der Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung auf die inländische Betriebstätte einer gebietsfremden EU-Kapitalgesellschaft übertragen werden. Gleichfalls ist es für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften möglich, eine ausländische Betriebstätte als (Teil-)Betrieb auf eine gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft zu übertragen. In jedem Fall sind der einbringenden Gesellschaft Anteile als Gegenleistung für die erhaltenen Wirtschaftsgüter zu gewähren (§ 23 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 UmwStG). Es kann aber auch im Interesse der einbringenden Gesellschaft liegen, neben Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft andere Vermögensgegenstände, zum Beispiel bare Zuzahlungen, zu erhalten. Der einzubringende (Teil-)Betrieb kann einen so hohen Wert haben, dass die aufnehmende Kapitalgesellschaft nicht be64 Vgl. BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 20.03; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnrn. 49, 142, 195. 65 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 111; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnrn. 10, 37, 45, 77, 89 m. w. N.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnrn. 50, 196. 66 Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission v. 17.10.2003 für eine Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, KOM (2003) S. 613 ff., soll auch die Ausgabe eigener Anteile möglich sein (Art. 8 Abs. 11 des Entwurfes). Hierzu Haritz/ Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28, 33.
56
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
reit oder imstande ist, den Einbringenden in vollem Umfang mit Anteilen zu beteiligen, die diesem Wert entsprechen. Dann wird der Einbringende bestrebt sein, Geld oder andere Wirtschaftsgüter zu erlangen, die zusätzlich zu den Anteilen geleistet werden, sodass der Wert der Einlage erreicht wird. Auf der Hand liegt auch der Fall, dass der Einbringende Bedarf an liquiden Mitteln hat, sodass er Anteile nicht in einer dem Wert der Einlage entsprechenden Höhe fordert, sondern eine bare Zuzahlung beansprucht. Können auf einen Teil des Wertes der eingebrachten Wirtschaftsgüter bare Zuzahlungen geleistet werden, während die steuerneutrale Übertragung nicht gefährdet wird, soweit neue Anteile ausgegeben werden, ist die Einbringung wirtschaftlich wegen der Gestaltungsvielfalt besonders attraktiv. Bare Zuzahlungen oder andere Gegenleistungen sind bei Einbringungen in eine gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft von § 23 Abs. 1 und Abs. 3 UmwStG jedoch nicht zugelassen. Auf § 20 Abs. 2 S. 5 i. V. m. Abs. 4 S. 1, 2 UmwStG, die solche anderen Gegenleistungen bei inländischen Einbringungen betreffen, wird nicht verwiesen. Bare Zuzahlungen oder sonstige Wirtschaftsgüter als Vergütung führen bei Einbringungen in EU-Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland dazu, dass die Steuerneutralität der gesamten Einbringung entfällt; alle im (Teil-)Betrieb enthaltenen stillen Reserven werden für den einbringenden Inländer sofort steuerpflichtig.67 Die Fusionsrichtlinie gibt dagegen die Möglichkeit barer Zuzahlungen bei Einbringungen durch Einzelrechtsnachfolge vor und stellt den Mitgliedstaaten lediglich frei, die baren Zuzahlungen zu besteuern (Artt. 9, 8 Abs. 4 FRL).68 Fraglich ist, ob es im Einklang mit den Grundfreiheiten steht, dass das Umwandlungssteuergesetz für grenzüberschreitende Einbringungen keine Steuerneutralität anbietet, wenn neben den Anteilen andere Gegenleistungen empfangen werden. b) Anteilstausch Werden mehrheitsvermittelnde Anteile an einer EU-Kapitalgesellschaft in eine andere, in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtige EU-Kapitalgesellschaft durch einen Inländer eingebracht, gelten zunächst nur § 20 Abs. 2 S. 1–4 und 6 sowie Abs. 4 S. 1 entsprechend (§ 23 Abs. 4 S. 1 UmwStG). 67 So jedenfalls der Gesetzeswortlaut. Unklar BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 20.03; vgl. auch Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, UmwStG, § 23 Rnr. 110; Widmann in Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnrn. 54, 144. 68 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnr. 37 m. w. N.; Tulloch in: Goutier/Knopf/Tulloch, 1995, § 23 UmwStG Rnrn. 37 ff.
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
57
Während beim innerstaatlichen Anteilstausch auch § 20 Abs. 2 S. 5 sowie Abs. 4 S. 2 UmwStG anwendbar sind, die es unbeschränkt steuerpflichtigen GmbH, AG und KGaA erlauben, dem Einbringenden zusätzliche, steuerpflichtige Gegenleistungen zu gewähren, ohne jedoch im Übrigen eine steuerneutrale Einbringung zu gefährden, ist der Gestaltungsspielraum beim Anteilstausch mit EU-Kapitalgesellschaften eingeschränkt. Zuzahlungen oder weitere Gegenleistungen, die neben den Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft ausgegeben werden, dürfen 10% des Nennwerts der einbringungsgeborenen Anteile nicht überschreiten. Auf die Regelung, dass nur die Zusatzleistungen mit gemeinen Werten zu bilanzieren sind (§ 20 Abs. 2 S. 5 und Abs. 4 S. 2 UmwStG) wird in § 23 Abs. 4 S. 3, 4 UmwStG für die Einbringung von Anteilen durch einen Inländer in eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem anderen Mitgliedstaat nur verwiesen, wenn die 10%-Grenze eingehalten wird.69 Auch diese Behinderung beim grenzüberschreitenden Anteilstausch ist auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des Einbringenden zu untersuchen. 8. Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung a) § 23 Abs. 1 UmwStG Eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft kann einen inländischen (Teil-)Betrieb in eine EU-Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem anderen Mitgliedstaat steuerneutral einbringen (§ 23 Abs. 1 UmwStG). Die gebietsfremde Gesellschaft erhält das Recht, den Einbringungsgegenstand in einer inländischen Betriebstätte zum Buchwert oder zu einem unter dem Teilwert liegenden Zwischenwert aufzunehmen (§§ 23 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 2 S. 1 bis 4 und 6 UmwStG). Dadurch verbleibt die Besteuerungskompetenz für die in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven bei Deutschland als Betriebstättenstaat der aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft (§ 2 Nr. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG und aufgrund der Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Die Besteuerung der stillen Reserven wird nur aufgeschoben; bei einer Gewinnrealisierung können die stillen Reserven bei der aufnehmenden Gesellschaft besteuert werden, indem der Unterschied zwischen dem Teilwert und dem bei der Einbringung angesetzten Buchwert zur Bemessungsgrundlage der Steuer herangezogen wird. Der einbringende Inländer darf den vom aufnehmenden Rechtsträger angesetzten Wert als Veräußerungspreis bilanzieren und damit die Aufdeckung der stillen Reserven ganz oder teilweise vermeiden (§§ 23 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 4 69
Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 240.
58
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
S. 1 UmwStG). Somit ist die Einbringung für den einbringenden inländischen Rechtsträger steuerneutral möglich. Für eine steuerneutrale Übertragung durch den Einbringenden wird aber zudem vorausgesetzt, dass dieser die Bilanzierung der aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft in den Anschaffungskosten der gewährten Beteiligung, den sog. einbringungsgeborenen Anteilen, fortsetzt (§§ 23 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG).70 Damit sichert sich die Bundesrepublik im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens71 zusätzlich eine Besteuerung der übertragenen stillen Reserven für den Fall, dass die einbringungsgeborenen Anteile an der gebietsfremden Gesellschaft veräußert werden (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG i. V. m. § 16 EStG). Sieben Jahre lang tritt die Steuerbarkeit der stillen Reserven des übertragenen (Teil-)Betriebes bei dem Einbringenden, jetzt Anteilseigner der EU-Kapitalgesellschaft, neben die stets mögliche Besteuerung bei der aufnehmenden Betriebstätte der EU-Kapitalgesellschaft. Erst nach sieben Jahren kann die einbringende Kapitalgesellschaft die erworbenen Anteile an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft steuerfrei veräußern (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3, 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 KStG). In der Literatur wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass diese Buch- oder Zwischenwertübertragung auch auf die gewährten Anteile mit der Fusionsrichtlinie nicht im Einklang stehe. Die Fusionsrichtlinie sehe die steuerneutrale Einbringung nur durch eine Buchwertfortführung der aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft vor (Artt. 9 i. V. m. 4 Abs. 1, 2 FRL). Die Richtlinie gebe keine explizite Berechtigung, die Übertragung der stillen Reserven auch auf die dem Einbringenden gewährten Anteile anzuordnen, indem der Wert, mit dem die aufnehmende Kapitalgesellschaft den eingebrachten (Teil-)Betrieb ansetzt, auch durch die einbringende Gesellschaft als Anschaffungspreis der im Gegenzug erhaltenen Anteile bilanziert werden muss.72 Daraus wird in der Literatur überwiegend abgeleitet, die Umsetzung der Fusionsrichtlinie in den §§ 23 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG sei richtlinienwidrig, während andere annehmen, der deutsche Gesetzgeber habe lediglich seine Gesetzgebungskompetenz über die Richtlinienvorgaben hinaus angewandt.73 70
Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 74. Auch die Doppelbesteuerungsabkommen gestatten eine Besteuerung der Anteile an der gebietsfremden EU-Kapitalgesellschaft, vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 72 Vgl. Altheim, Beratung der mittelständischen Wirtschaft bei Beteiligungen, Fusionen und Spaltungen im Binnenmarkt, IStR 1993 S. 406, 407. 73 Vgl. Bogenschütz, Steuerliche Probleme bei europäischen Unternehmenszusammenschlüssen, IStR 2000 S. 609, 613; Sagasser in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, 3. Aufl. 2002, H 18; Saß, Probleme der Umsetzung der steuerlichen EG-Fusionsrichtlinie in Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande und Großbritannien, DB 1993 S. 1892, 1893; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 23 UmwStG Rnr. 47; Thömmes, Probleme aus Anlass der Umsetzung der Fusionsrichtlinie, in: Knobbe-Keuk/Thömmes/Röhricht/Thiel/Widmann, Fortbeste71
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
59
Somit entsteht die Frage, ob es mit den Grundfreiheiten vereinbar ist, für die einbringende, unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft als weitere Rechtsfolgen der grenzüberschreitenden, steuerneutralen Einbringung die Übernahme der stillen Reserven auf die einbringungsgeborenen Anteile anzuordnen, von ihr zu verlangen, dass sie die einbringungsgeborenen Anteile sieben Jahre lang hält und bei einer vorfristigen Veräußerung die stillen Reserven zu besteuern. b) § 23 Abs. 3 UmwStG Bei der Einbringung einer im Ausland befindlichen Betriebstätte als Betrieb oder Teilbetrieb hat die Bundesrepublik wegen des Betriebstättenprinzips keine Besteuerungskompetenz hinsichtlich der stillen Reserven der Betriebstätte. Nur der Betriebstättenstaat kann auf die stillen Reserven bei der aufnehmenden EUKapitalgesellschaft und bei der einbringenden Kapitalgesellschaft im Falle einer Gewinnrealisierung zugreifen. Die stillen Reserven werden aber auch hier auf die einbringungsgeborenen Anteile übertragen, die der einbringenden Kapitalgesellschaft von der aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft gewährt werden. Wegen der deutschen Besteuerungszuständigkeit für das Welteinkommen der einbringenden, unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft und der kompetenzzuteilenden Bestimmungen in den Doppelbesteuerungsabkommen für Anteile (Art. 14 Abs. 1 OECDMA) sind die stillen Reserven beim Einbringenden steuerbar, wenn er sie innerhalb von sieben Jahren realisiert (§§ 23 Abs. 3, 20 Abs. 4 S. 1, 21 UmwStG). Diese Verpflichtung der einbringenden, inländischen Kapitalgesellschaft, die stillen Reserven des Einbringungsgegenstandes in den einbringungsgeborenen Anteilen für die Frist von sieben Jahren der vollständigen Besteuerung durch die Bundesrepublik zugänglich zu machen, wird vor allem kritisiert, da Deutschland anlässlich der Einbringung eine Besteuerung der stillen Reserven sicherstellt und ermöglicht, für die bis zur Einbringung wegen der Belegenheit
hende Beschränkungen der Mobilität und Aktivität von Unternehmen im Binnenmarkt, JbFStR 1993/94 S. 25, 81 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 75. A. A. Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnrn. 78 f.; Förster/Dautzenberg, Verdopplung stiller Reserven bei grenzüberschreitenden Einbringungen, DB 1993 S. 645, 647; Kieschke, Aktuelle Fragen des Ertragssteuerrechts, DStZ 1991 S. 289, 292; Thiel, Die grenzüberschreitende Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften im Ertragssteuerrecht, GmbHR 1994 S. 277, 281. Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission v. 17.10.2003 für eine Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, KOM (2003) S. 613 ff., soll eine Pflicht zur Übertragung des Buch- oder des Zwischenwertes auf die einbringungsgeborenen Anteile nicht auferlegt werden dürfen (Art. 9 des Entwurfes). Hierzu Haritz/Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28, 32.
60
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
der Betriebstätte im Ausland und der mit den EU-Mitgliedstaaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen keine Besteuerungskompetenz bestand.74 Auch die Fusionsrichtlinie gestatte in den Artt. 9, 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 S. 1 jedenfalls nicht ausdrücklich eine Übertragung der stillen Reserven auf die im Gegenzug ausgegebenen Anteile und eine spätere Besteuerung.75 Bei der grenzüberschreitenden Einbringung nach § 23 Abs. 3 UmwStG ist fraglich, ob die Grundfreiheiten den Rechtsfolgen des Umwandlungssteuergesetzes entgegenstehen, die eine Übertragung der stillen Reserven auf die einbringungsgeborenen Anteile, das Halten der Anteile für die Dauer von sieben Jahren und die Besteuerung bei einer vorfristigen Veräußerung verlangen. Körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner werden nicht privilegiert; sie sind ebenfalls gezwungen, die einbringungsgeborenen Anteile sieben Jahre zu behalten (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 1 KStG). c) § 23 Abs. 4 UmwStG Ein Inländer, der mehrheitsvermittelnde Anteile einbringt, muss die stillen Reserven, die in den übertragenen Anteilen enthalten waren, durch Übernahme des beim Aufnehmenden angesetzten Buch- oder Zwischenwertes als Anschaffungskosten der einbringungsgeborenen Anteile fortführen (§ 23 Abs. 4 S. 1 UmwStG i. V. m. § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG). Außerdem müssen die einbringungsgeborenen Anteile der deutschen Besteuerung zugänglich sein (§ 23 Abs. 4 S. 2 UmwStG).76 Diese Bewertungspflicht der einbringungsgeborenen Anteile beim Einbringenden gilt unabhängig davon, ob die Bundesrepublik die Besteuerungszuständigkeit beim aufnehmenden Rechtsträger hat, weil die Anteile in eine inländische Betriebstätte eingebracht werden, oder ob sie die Besteuerungszuständigkeit verliert, weil die Anteile in eine ausländische Betriebstätte eingelegt werden.
74 Vgl. Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 204; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 151. 75 Vgl. Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 204; Bien, Kritische Anmerkungen zum Umwandlungssteuererlass des BMF v. 25.3.1998, DStR Beil. 17/98 S. 50; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 22 VIII 4 e (S. 844 f.); Thömmes, Probleme aus Anlass der Umsetzung der Fusionsrichtlinie, in: Knobbe-Keuk/Thömmes/Röhricht/Thiel/Widmann, Fortbestehende Beschränkungen der Mobilität und Aktivität von Unternehmen im Binnenmarkt, JbFStR 1993/94 S. 25, 81 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 154. 76 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnrn. 241, 73; Herzig, Gestaltung steuerorientierter Umstrukturierungen im Konzern, DB 2000 S. 2236, 2243; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 284.
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
61
Die Übertragung der stillen Reserven auch auf die einbringungsgeborenen Anteile bewirkt für körperschaftsteuerpflichtige Einbringende allerdings keine steuerliche Behinderung. Sie müssen stille Reserven der eingebringungsgeborenen Anteile bei einer Veräußerung nicht versteuern, sondern können die durch den grenzüberschreitenden Anteilstausch erworbenen, einbringungsgeborenen Anteile ohne die Behaltensfrist von sieben Jahren steuerfrei veräußern; nur 5% gelten als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG, § 8b Abs. 2, 3, 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 2 KStG).77 Einkommensteuerpflichtige Einbringende können die Hälfte steuerfrei veräußern, ohne durch eine Frist an das Behalten der Anteile gebunden zu sein (§ 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG, §§ 16, 3 Nr. 40 S. 1 lit. b, S. 3, 4 lit. b EStG). Für einkommensteuerpflichtige Einbringende entsteht aber eine steuerliche Behinderung grenzüberschreitender, steuerneutraler Einbringungen durch die Verpflichtung, die stillen Reserven auf die einbringungsgeborenen Anteile zu übertragen, unabhängig davon, ob die stillen Reserven auch beim aufnehmenden Rechtsträger besteuert werden können. Denn die andere Hälfte des Gewinns aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile ist beim einkommensteuerpflichtigen Einbringenden wegen des anzuwendenden Halbeinkünfteverfahrens stets steuerpflichtig. Für den grenzüberschreitenden Anteilstausch stellt sich also die Frage, ob es mit den Grundfreiheiten vereinbar ist, dass das Umwandlungssteuergesetz die Übertragung der beim aufnehmenden Rechtsträger fortgeführten stillen Reserven auch auf die dem einkommensteuerpflichtigen Einbringenden gewährten einbringungsgeborenen Anteile anordnet und damit zur Hälfte der Besteuerung im Falle einer Gewinnrealisierung unterwirft. 9. Keine kurzfristige Veräußerung durch die aufnehmende Gesellschaft beim Anteilstausch nach § 23 Abs. 4 UmwStG Überträgt ein Inländer mehrheitsvermittelnde Anteile gemäß § 23 Abs. 4 UmwStG auf eine EU-Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem anderen Mitgliedstaat, die im Inland keine Betriebstätte unterhält, in die die Anteile eingebracht werden, geht die Besteuerungskompetenz hinsichtlich der übertragenen Anteile auf einen anderen Mitgliedstaat über oder sie liegt von vornherein bei einem anderen Staat (vgl. Artt. 7 Abs. 1, 14 Abs. 4 OECDMA). Der Besteuerungsverlust bzw. die fehlende Steuerbarkeit des Einbringungsgegenstandes im Inland steht aber dem steuerneutralen Anteilstausch nicht entgegen. Die Bundesrepublik sichert sich die Besteuerung der stillen Reserven beim Einbringenden, da dieser den beim aufnehmenden Rechtsträger angesetz77 Vgl. Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 270.
62
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
ten Buch- oder Zwischenwert übernehmen muss (§ 23 Abs. 4 S. 1 UmwStG i. V. m. § 20 Abs. 4 S. 1, § 23 Abs. 4 S. 2 UmwStG).78 Allerdings wird von der aufnehmenden, gebietsfremden EU-Kapitalgesellschaft verlangt, die zu Buch- oder Zwischenwerten übernommenen Anteile sieben Jahre lang zu halten (§ 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG). Eine vorfristige Weiterveräußerung bewirkt, dass die steuerneutrale Übertragbarkeit nach § 23 Abs. 4 UmwStG entfällt. Der Anteilstausch wird dann für den Einbringenden rückwirkend steuerpflichtig.79 Nachteilig wirkt sich das insbesondere für Einkommensteuerpflichtige aus, die auf die umwandlungssteuerrechtliche Möglichkeit der steuerneutralen Übertragung angewiesen sind. Sie haben, im Gegensatz zu Körperschaften, für die auch § 8b Abs. 2 KStG gilt, keine anderweitige Möglichkeit zur steuerneutralen Einbringung. Als Weiterveräußerung gilt jede entgeltliche Übertragung oder Teilübertragung80 des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums an den eingebrachten Anteilen, es sei denn, die Anteile werden wiederum als Sacheinlage zum Buchwert entsprechend einer dem § 23 Abs. 4 UmwStG vergleichbaren ausländischen Vorschrift übertragen. Die aufnehmende Kapitalgesellschaft, die den steuerneutralen Anteilstausch nicht gefährden will, wird also die aufgenommenen Anteile erst nach Ablauf der Frist veräußern. Die Voraussetzung, die übertragenen Anteile nicht weiterzuveräußern, wurde vom Gesetzgeber aufgrund von Art. 11 Abs. 1a FRL eingeführt. Damit sind die Mitgliedstaaten ermächtigt worden, von der Anwendung der in der Fusionsrichtlinie getroffenen Vorgaben zum steuerneutralen grenzüberschreitenden Anteilstausch abzusehen, wenn hauptsächlicher Beweggrund der Beteiligten der Einbringung eine Steuerhinterziehung oder -umgehung ist. In der Literatur wird die pauschalierte Missbrauchsvermutung bei einer Weiterveräußerung der getauschten Anteile innerhalb von sieben Jahren als richtlinienwidrig kritisiert, da sie eine Einzelfallwürdigung ausschließt. Die unveröffentlichten Ratsprotokolle zu Art. 11 FRL sollen hingegen ausweisen, dass die Mitgliedstaaten nur ermächtigt werden sollten, eine Veräußerung in rascher Zeitfolge zu verhindern.81 78 Zur Möglichkeit der Weiterveräußerung der einbringungsgeborenen Anteile, ohne die Anteile sieben Jahre lang halten zu müssen, nach § 8b Abs. 2, 3, 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 2 KStG bzw. § 3 Nr. 40 S. 1 lit. b, S. 3, 4 lit. b EStG, s. o. E.II.8.c). 79 Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 26 UmwStG Rnrn. 119, 132. 80 So wohl die Finanzverwaltung, BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 23.14. Vgl. auch Wassermeyer, Besteuerung des ausländischen Unternehmenserwerbs durch Anteilstausch (unechte Fusion) und Einbringung von Unternehmensanteilen, DStR 1992 S. 57, 61. Dagegen Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 117. 81 Bogenschütz, Steuerliche Probleme bei europäischen Unternehmenszusammenschlüssen, IStR 2000 S. 609, 613; Saß, Zum Leur-Bloem-Urteil des EuGH und zum Verhältnis der steuerlichen Antiumgehungsvorschriften zu den EU-Grundfreiheiten, DB 1997 S. 2250 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 17.7.1997 „Leur Bloem“ IStR 1997 S. 539; Schmidt-Ott/Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 26
E. Steuerliche Behinderungen durch Einzelrechtsnachfolge
63
Die Verpflichtung des aufnehmenden Rechtsträgers, die übernommenen Anteile sieben Jahre lang zu behalten, stellt für einkommensteuerpflichtige Einbringende eine steuerliche Behinderung dar, da sie den Einbringungsgewinn bei einer vorzeitigen Veräußerung des Einbringungsgegenstandes durch den aufnehmenden Rechtsträger zu versteuern haben. Die steuerliche Behinderung ist an den Grundfreiheiten zu messen. 10. Keine Rückbeziehung des Anteilstausches Für die Partner des Einbringungsvertrages ist es häufig von Interesse, den steuerlichen Stichtag auf einen Termin vor Abschluss des Einbringungsvertrages zurückzubeziehen. Denn der steuerliche Stichtag der Einbringung ist für die Besteuerung nach dem Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuergesetz bedeutsam.82 Auf diesen Tag ist ein etwaiger Einbringungsgewinn festzustellen. Dem aufnehmenden Rechtsträger wird ab diesem Tag das steuerliche Ergebnis der eingebrachten Wirtschaftsgüter zugerechnet. Damit kann vom regelmäßigen Stichtag, dem Termin, zu dem das wirtschaftliche Eigentum vom einbringenden zum aufnehmenden Rechtsträger wechselt (Besitz-, Gefahr-, Nutzen- und Lastenübergang), abgewichen werden.83 Tauscht ein Inländer Anteile an einer EU-Kapitalgesellschaft mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen EU-Kapitalgesellschaft, besteht keine Rechtsgrundlage, als steuerlichen Übertragungsstichtag der Einbringung einen Termin zu bestimmen, der vor dem Abschluss des Einbringungsvertrages und vor der tatsächlichen Übertragung der Wirtschaftsgüter liegt. § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG ist auf die Einbringung von Anteilen durch einen Inländer in eine gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft nicht anwendbar, da hiernach nur eine unbeschränkt steuerpflichtige GmbH, AG und KGaA aufnehmender Rechtsträger sein kann. § 23 Abs. 4 UmwStG verweist für grenzüberschreitende Situationen nicht auf die entsprechenden Regelungen in § 20 Abs. 7 und 8 UmwStG. Zu prüfen ist, ob die Grundfreiheiten die steuerliche Behinderung der Inländer verbieten, die Einbringung bei einem grenzüberschreitenden Anteilstausch nicht auf einen Termin vor Abschluss des Einbringungsvertrages und vor der tatsächlichen Übertragung der Wirtschaftsgüter zurückbeziehen zu können.
Rnrn. 45 f. A. A. Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 26 UmwStG Rnr. 140. 82 Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 20 Rnr. 272. 83 Vgl. BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 20.18.
64
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
III. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Personengesellschaft: Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger (§ 24 Abs. 1 UmwStG) Aus dem Betriebsvermögen eines Inländers können in eine gebietsfremde Personengesellschaft sowohl ein Betrieb bzw. Teilbetrieb als auch ein Mitunternehmeranteil gegen Beteiligung an der Personengesellschaft investiert werden (§ 24 Abs. 1 UmwStG). Ist Vertragspartner des Einbringungsvertrages eine gebietsfremde Personengesellschaft, muss diese allerdings im Inland eine Betriebstätte unterhalten oder jedenfalls durch die Einbringung bilden.84 Vom Gesetz wird zwar nicht explizit vorausgesetzt, dass die eingebrachten Wirtschaftsgüter bei einer späteren Gewinnrealisierung durch die aufnehmende Personengesellschaft der deutschen Besteuerung zugänglich sein müssen. Ungeschriebene Voraussetzung des § 24 UmwStG ist jedoch nach ganz herrschender Meinung bei der Übertragung auf eine ausländische Personengesellschaft, dass die Wirtschaftsgüter in eine inländische Betriebstätte eingebracht werden müssen.85 Die stillen Reserven der übertragenen Wirtschaftsgüter sollen bei Gewinnrealisierung als inländische Einkünfte im Sinne der §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, 16 EStG steuerbar sein. Nur dann hat die Personengesellschaft das Recht, die eingebrachten Wirtschaftsgüter zu deren Buchwerten zu übernehmen, zum Teilwert oder zu einem dazwischen liegenden Wert zu bilanzieren (§ 24 Abs. 2 UmwStG), den der Einbringende als Veräußerungspreis für den Einbringungsgegenstand ansetzen darf, sodass die Besteuerung ganz oder teilweise aufgeschoben wird (§ 24 Abs. 3 S. 1 UmwStG). § 24 UmwStG deckt damit keine Fallgestaltung, in der die Wirtschaftsgüter des (Teil-)Betriebes in das Ausland verbracht werden oder der Mitunternehmeranteil nicht einer inländischen Betriebstätte zugerechnet werden kann. Daraus ergibt sich die Frage, ob diese Behinderung mit den Grundfreiheiten vereinbar ist.
84 Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 44 f. Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 24 UmwStG Rnrn. 87, 161 will keine inländische Betriebstätte voraussetzen, kommt aber zum selben Ergebnis, wenn die Doppelbesteuerungsabkommen eine Besteuerungskompetenz ausschließen. In diesem Fall fehlt Deutschland die Besteuerungskompetenz, sodass § 24 UmwStG nicht anwendbar ist. 85 Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 44 f.; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 24 UmwStG Rnr. 112, jeweils m. w. N.
F. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
65
F. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge nach den Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes I. Überblick Das Umwandlungssteuergesetz regelt neben der Übertragung von Wirtschaftsgütern durch Einzelrechtsnachfolge die teilweise oder gänzlich steuerneutrale Übertragung durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge. Die steuerlichen Rechtsfolgen sowie die Tatbestandsvoraussetzungen werden für inländische Sachverhalte im folgenden Abschnitt zusammengefasst. Die Darstellung beschränkt sich zunächst auf innerstaatliche Sachverhalte, da bei grenzüberschreitenden Fällen keine zivilrechtliche Grundlage für eine Gesamt- und Sonderrechtsnachfolge vorhanden ist und es deshalb bislang auch an steuerrechtlichen Regelungen fehlt. Derzeit gilt lediglich für die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wurden und ihren Sitz bzw. ihre Hauptverwaltung in unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben, die SE-Verordnung86, an die die Fusionsrichtlinie angepasst wird.87 Im Anschluss wird auf die Bestimmungen des Umwandlungssteuergesetzes eingegangen, die grenzüberschreitende Umwandlungen nicht zulassen. Die zivilrechtliche Basis für Inländer, Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder Sonderrechtsnachfolge auf andere, inländische Rechtsträger zu übertragen, bildet das Umwandlungsgesetz (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 S. 2, 131 Abs. 1 Nr. 1, 135 Abs. 1 UmwG). Es ermöglicht die Übertragung von Sach- und Rechtsgesamtheiten, die dem deutschen Sachenrecht im Übrigen nicht bekannt ist.88 Die durch das Umwandlungsgesetz gewährte Möglichkeit, Vermögensgegenstände durch Gesamtrechtsnachfolge zu übertragen, wird insbesondere genutzt, wenn eine Vielzahl von Aktiva und Passiva oder das gesamte Vermögen einer Gesellschaft auf eine andere Person transferiert werden soll. Bei einer Gesamtrechtsnachfolge entfällt die teure und zeitaufwändige Veräußerung der einzelnen Vermögensgegenstände sowie die Liquidation der übertra86 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea), ABl. EG v. 10.11.2001 Nr. L 294, S. 1 ff. 87 Darüber hinaus hat die Europäischen Kommission einen Vorschlag zur Schaffung einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten v. 18.11.2003, KOM (2003) S. 703 ff., unterbreitet, mit dem die umwandlungsrechtlichen Grundlagen für Verschmelzungen über die Grenze geschaffen werden sollen. Hierzu Halász/Kloster, Fortschreitende Europäisierung des Rechts grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse, DStR 2004 S. 1324 ff. 88 Vgl. Schmitt/Hülsmann, Verschmelzungsgewinne in der Handelsbilanz und Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge, BB 2000 S. 1563, 1567.
66
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
genden Gesellschaft bzw. die sonst erforderliche Umgründung. Verbleibt der übertragenden Gesellschaft kein Vermögen mehr, erlischt sie bei der Gesamtrechtsnachfolge ohne Liquidation (§§ 20 Abs. 1 Nr. 2, 36 Abs. 1 S. 1, 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Durch Gesamtrechtsnachfolge können aber auch wesentliche Bestandteile aus dem Vermögen einer Gesellschaft übertragen werden, sodass diese fortbesteht. Außerdem wird mit dem Vermögensübergang durch Gesamtrechtsnachfolge die Gefahr der verschleierten Sachgründung oder Sacheinlage vermieden, die mit der Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern verbunden ist. Vorteilhaft ist bei der Gesamtrechtsnachfolge weiterhin, dass Verbindlichkeiten übertragen werden können, ohne dass die Gläubiger zustimmen müssen. Schließlich kann der Stichtag zurückbezogen werden. Der Stichtag, auf den die Umwandlung bezogen und zu dem die Schlussbilanz aufgestellt wird, darf bis zu acht Monate vor der Anmeldung der Umwandlung zur Eintragung in das Handelsregister liegen (§ 17 Abs. 2 S. 4 UmwG). Die Übertragung des Vermögens von Kapitalgesellschaften auf den Bund, ein Land oder Gebietskörperschaften (§§ 174 ff. UmwG) wird wegen ihrer geringeren Bedeutung hier nicht betrachtet. Das Umwandlungsgesetz ermöglicht ferner einen Formwechsel, bei dem lediglich die Rechtsform des rechtlich und wirtschaftlich identisch bleibenden Rechtsträgers geändert wird und kein Vermögen übergeht (§§ 190 ff. UmwG). Der Formwechsel soll hier ebenfalls keine nähere Rolle spielen.89 Die Vorzüge der Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge bei der Verschmelzung oder Spaltung können mit dem Vorteil der steuerneutralen Übertragbarkeit nach dem Umwandlungssteuergesetz kombiniert werden. Das Umwandlungssteuergesetz knüpft an die zivilrechtlich durch die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes ermöglichten Vermögensübergänge an. II. Steuerneutrale Übertragung von Vermögen Bei der Umwandlung durch Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge wird die steuerneutrale Übertragung von Vermögen zugelassen. Betriebswirtschaftlich erwünschte und zivilrechtlich mögliche Umstrukturierungen von Unternehmen sollen nicht durch die Aufdeckung und Besteuerung von stillen Reserven behindert werden.90 Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur steuerneutralen Übertragung bei der Einzelrechtsnachfolge verwiesen werden.91
89 Der Formwechsel einer Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft wird nach § 20 UmwStG vollzogen. 90 Dehmer, Das Umwandlungssteuergesetz 1994, DStR 1994 S. 1713. 91 Vgl. o. D.II.
F. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
67
III. Voraussetzungen 1. Übertragungsgegenstand Übertragen werden kann Vermögen, das aufgrund des Umwandlungsgesetzes im Wege der Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge übergeht. Hierunter fällt die Vermögensübertragung durch Verschmelzung und durch Spaltung. Bei der Verschmelzung geht das Vermögen eines übertragenden Rechtsträgers oder mehrerer Rechtsträger als Ganzes auf den Übernehmenden durch Gesamtrechtsnachfolge über, während die verschmolzene Gesellschaft liquidationslos erlischt. Die Anteilsinhaber des übertragenden und erlöschenden Rechtsträgers werden im Wege des Anteilstauschs Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers (§ 20 UmwG). Bei der Spaltung kann, spiegelbildlich zur Verschmelzung, das gesamte Vermögen eines Rechtsträgers aufgeteilt und durch Sonderrechtsnachfolge auf mehrere selbstständige Rechtsträger übertragen werden. Bei der Aufspaltung geht der übertragende Rechtsträger ohne Abwicklung unter, die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers werden, wie bei der Verschmelzung, neue Anteilsinhaber. Es ist aber auch möglich, nur einen Vermögensteil im Wege der Sonderrechtsnachfolge zu übertragen, sodass der Übertragende bestehen bleibt (Abspaltung oder Ausgliederung, § 131 UmwG). Bei der Abspaltung werden die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers neue Anteilseigner. Die Ausgliederung unterscheidet sich davon, indem der übertragende Rechtsträger, der bestehen bleibt, weil nur ein Vermögensteil übertragen wird, selbst neuer Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers wird. Das Umwandlungssteuergesetz erfasst Verschmelzungen im Sinne der §§ 2 ff. UmwG im Zweiten und Dritten Teil (§§ 3 S. 1, 11 Abs. 1 UmwStG) sowie Aufund Abspaltungen im Sinne der §§ 123 ff. UmwG im Fünften Teil (§§ 15 Abs. 1, 16 S. 1 UmwStG).92 Der bereits behandelte Achte und Neunte Teil des Umwandlungssteuergesetzes ist für die Verschmelzung und die Spaltung einschlägig, wenn diese von einer Personengesellschaft oder einem Einzelkaufmann ausgeht (§§ 1 Abs. 1 S. 1, 20 ff. bzw. 24 UmwStG). Die Ausgliederung wird steuerlich in jedem Fall wie eine Einzelrechtsnachfolge nach dem Achten oder Neunten Teil des Umwandlungssteuergesetzes behandelt (vgl. §§ 1 Abs. 1 S. 2, 20 ff. bzw. 24 UmwStG).93 2. Übertragender Rechtsträger Personenhandels- und Kapitalgesellschaften können nach dem Umwandlungsgesetz verschmolzen oder gespalten werden (§§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 124 92 93
Vgl. Brinkhaus in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 3 Rnr. 29. Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 1 Rnr. 53.
68
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Abs. 1 UmwG). Vermögen ausgliedern kann zivilrechtlich auch ein Einzelkaufmann als übertragender Rechtsträger (§ 124 Abs. 1 UmwG). Körperschaften gelangen in den Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes, wenn sie ihr Vermögen auf andere Rechtsträger verschmelzen (§§ 3 S. 1, 11 Abs. 1 UmwStG)94, auf- oder abspalten (§§ 15 Abs. 1, 16 S. 1 UmwStG)95 bzw. ausgliedern (§§ 1 Abs. 1 S. 2, 20 ff. bzw. 24 UmwStG).96 Auch Personengesellschaften können die Übertragung ihres Vermögens durch Gesamtrechts- oder Sonderrechtsnachfolge den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes unterstellen. Steuerlich können diese Vorgänge aber nur wie die bereits dargestellte Einzelrechtsnachfolge im Wege der Einbringung behandelt werden (§§ 1 Abs. 1, 20 ff. bzw. 24 UmwStG).97 Schließlich wird die Ausgliederung eines Teilbetriebes aus dem Vermögen eines Einzelkaufmannes durch das Umwandlungssteuergesetz begünstigt (§§ 1 Abs. 1 S. 2, 20 ff., 24 UmwStG). 3. Übernehmender Rechtsträger Als übernehmende Rechtsträger lässt das Umwandlungsgesetz ebenfalls Körperschaften und Personenhandelsgesellschaften zu (§§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG). Eine natürliche Person kann das Vermögen einer zu verschmelzenden Kapitalgesellschaft übernehmen, wenn die natürliche Person Alleingesellschafter der Kapitalgesellschaft ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG). Besteht der übernehmende Rechtsträger bereits vor der Umwandlung, handelt es sich um eine Verschmelzung oder Spaltung zur Aufnahme. Der übernehmende Rechtsträger kann aber auch erst durch die Umwandlung entstehen (Verschmelzung oder Spaltung zur Neugründung). Steuerrechtlich sind Körperschaften als übernehmende Rechtsträger einer von einer anderen Körperschaft ausgehenden Verschmelzung im Dritten Teil des Umwandlungssteuergesetzes (§§ 11 bis 13 UmwStG)98 und einer Auf- oder Abspaltung im Fünften Teil vorgesehen (§§ 15, 11 ff. UmwStG).99 Kapitalgesellschaften können auch Gesamtrechtsnachfolger einer Personengesellschaft sein (§§ 20 ff. bzw. 24 UmwStG).100 94 Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, vor §§ 11–13 Rnr. 23; Brinkhaus in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 3 Rnr. 8. 95 Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 15 Rnr. 2; § 16 Rnr. 1. 96 Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 1 Rnr. 53. 97 Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, vor § 20 Rnrn. 15 f.; Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 1 Rnr. 54. 98 Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, vor §§ 11–13 Rnr. 25. 99 Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 15 Rnr. 2.
F. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
69
Personengesellschaften und natürliche Personen sind als übernehmende Rechtsträger von verschmolzenem Vermögen einer Körperschaft im Zweiten Teil des Umwandlungssteuergesetzes erfasst (§§ 3 bis 10 UmwStG).101 Der Anwendungsbereich des Fünften Teils ist eröffnet, wenn Vermögen von einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft auf- oder abgespalten wird (§§ 16, 3 ff. UmwStG).102 Sollen Personengesellschaften untereinander verschmolzen, aufgespalten, Vermögensteile auf andere Personengesellschaften abgespalten oder ausgegliedert bzw. ein Teilbetrieb aus dem Vermögen eines Einzelkaufmannes in eine Personengesellschaft ausgegliedert werden, kann dies steuerlich, wie eine Einbringung, nach dem Neunten Teil des Umwandlungssteuergesetzes erreicht werden (§§ 1 Abs. 1, 24 UmwStG).103 4. Besteuerungsmöglichkeit beim übernehmenden Rechtsträger Die in dem übertragenen Vermögen enthaltenen stillen Reserven sollen bei der Gesamt- und Sonderrechtsnachfolge von einer Körperschaft auf eine andere bei der übernehmenden Gesellschaft besteuert werden, sobald diese einen Veräußerungsgewinn erzielt. Deshalb setzt das Gesetz im Dritten und Fünften Teil für die steuerneutrale Verschmelzung und die Spaltung zwischen Körperschaften ausdrücklich voraus, dass die stillen Reserven bei der übernehmenden Körperschaft steuerbar sind (§§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 12 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG).104 Bei einer inländischen Fusion oder Spaltung ist regelmäßig sichergestellt, dass die im übertragenen Vermögen ruhenden stillen Reserven künftig bei der übernehmenden Gesellschaft nach dem Körperschaftsteuergesetz besteuert werden können, sodass diese Tatbestandsvoraussetzung ohne weiteres erfüllt wird.105 Für die Verschmelzung und Spaltung von einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft oder auf eine natürliche Person fehlt hingegen im Zweiten und Fünften Teil des Umwandlungssteuergesetzes eine entsprechende Regelung (§§ 4 Abs. 1, 16 S. 1 UmwStG). Deshalb ist umstritten, ob die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven, wie in § 11 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG, Tatbestandsmerkmal ist.106 100
Friederichs in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, vor § 20 Rnrn. 15 f. Brinkhaus in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 3 Rnrn. 10 f. 102 Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, vor § 16 Rnrn. 1 ff. Ist der übernehmende Rechtsträger eine Personengesellschaft, muss das übertragene Vermögen in das Betriebsvermögen der übernehmenden Person eingehen (§§ 3 S. 1, 16 S. 1 UmwStG). 103 Schlößer in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 24 Rnrn. 8, 39 ff., 44. 104 Vgl. auch BT-Drs. 12/6885 S. 16 zu § 3 UmwStG. 105 Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 11 Rnrn. 16 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 11 UmwStG Rnr. 32. 101
70
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
5. Buchwert- oder Zwischenwertansatz durch den übertragenden Rechtsträger Die Verschmelzung und die Spaltung einer Körperschaft auf eine Personengesellschaft107 oder auf eine weitere Körperschaft kann nach dem Zweiten, Dritten bzw. Fünften Teil des Umwandlungssteuergesetzes vollzogen werden. Im Gegensatz zur Übertragung von Wirtschaftsgütern durch Einzelrechtsnachfolge hat bei der Gesamt- und Sonderrechtsnachfolge die übertragende Körperschaft die Wahl, das übergehende Vermögen in ihrer Schlussbilanz mit dem Buch- oder einem Zwischenwert anzusetzen (§§ 3, 11 Abs. 1, 16 S. 1, 15 Abs. 1 UmwStG).108 Die Wahl der übertragenden Körperschaft, ihr Vermögen bzw. den zu spaltenden Vermögensteil in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert anzusetzen, ist die erste maßgebliche Voraussetzung dafür, dass die Besteuerung der stillen Reserven anlässlich des Vermögensübergangs aufgeschoben wird und kein Übertragungsgewinn entsteht.109 Bei Ansatz eines Zwischenwertes liegt der Übertragungsgewinn nur in dem Unterschied zwischen diesem Wert und dem Buchwert des Vermögens.110 Wird die Aufdeckung der stillen Reserven des bei der Umwandlung auf eine weitere Körperschaft übertragenen Vermögens verhindert, dürfen auch die Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers den Buchwert ihrer untergehenden Anteile als Veräußerungspreis ansetzen. Die in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven werden also nicht aufgedeckt (§§ 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 15 Abs. 1 UmwStG). Denn den Anteilseignern fließt durch die neue Beteiligung noch keine Liquidität zu.111
106 Gegen ein solches Tatbestandserfordernis Benkert in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 4 Rnr. 22; Schaumburg, Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften nach neuem Umwandlungssteuerrecht, FR 1995 S. 211, 213; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 4 UmwStG Rnrn. 551 ff., § 11 UmwStG Rnr. 8. A. A. Krebs, Änderungen des Umwandlungssteuerrechts, BB 1994 S. 2115, 2116 f. 107 Die Möglichkeit der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft zu Buchwerten besteht seit der Änderung des Umwandlungssteuerrechts im Jahre 1994. 108 Die Verschmelzung ist auch auf eine natürliche Person möglich, wenn sie Alleingesellschafter der verschmolzenen Körperschaft ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG). 109 Zum handelsbilanziellen Ausgangspunkt der Bilanzkontinuität durch die Buchwertfortführung bei der übernehmenden Gesellschaft Schulze-Osterloh, Bilanzierung nach dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts, ZGR 1993 S. 420, 424 ff. 110 Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 11 Rnr. 15; Brinkhaus in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 3 Rnrn. 38 ff. 111 Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, vor § 13 Rnrn. 22 ff.; Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 15 Rnrn. 190 ff.
F. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
71
Bei Verschmelzungen und Spaltungen von Personengesellschaften sowie bei der Ausgliederung aus dem Vermögen einer Körperschaft oder eines Einzelkaufmannes, auf die die §§ 20 ff., 24 UmwStG anzuwenden sind, besteht das Wahlrecht hingegen für den aufnehmenden Rechtsträger. Es ergeben sich keine Unterschiede zu dem im Teil C. Dargestellten. 6. Übernahme des Wertansatzes des übertragenden Rechtsträgers durch den Übernehmenden a) Vermögensübergang von einer Körperschaft auf einen einkommensteuerpflichtigen Rechtsträger (§§ 3 ff., 16 UmwStG) Die zweite maßgebliche Voraussetzung für eine steuerneutrale Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge ist die Übernahme des Buch- oder Zwischenwertansatzes der übertragenden Körperschaft bei der übernehmenden Personengesellschaft in der Gesamthandsbilanz sowie in den Ergänzungsbilanzen der Gesellschafter bzw. bei dem übernehmenden Alleingesellschafter (§§ 4 Abs. 1, 16 S. 1 UmwStG). Die stillen Reserven sollen bei den Gesellschaftern der Personengesellschaft bzw. der übernehmenden natürlichen Person besteuert werden können, sobald ein Gewinn realisiert wird.112 Steuerpflichtig ist die Verschmelzung oder Spaltung nur dann, wenn die Personengesellschaft bereits vor der Umwandlung eine Beteiligung an der Körperschaft im Betriebsvermögen unterhielt. Hat die Körperschaft offene Reserven (zum Beispiel Gewinnrücklagen oder anderes Eigenkapital außer dem Nennkapital), die die übergegangenen Wirtschaftsgüter wertvoller als den Buchwert der Beteiligung machen, werden diese Wertsteigerungen von der Einkommensteuerpflicht des Übernehmenden erfasst (§ 4 Abs. 4 UmwStG). Durch den Untergang der Körperschaft könnten offene Reserven zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr berücksichtigt werden.113 Das steuerliche Ergebnis wird deshalb, ähnlich einer Ausschüttung, auf die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft verteilt bzw. dem übernehmenden Alleingesellschafter zugewiesen. Einkommensteuersteuerpflichtige haben, wie beim Verkauf, die Hälfte zu versteuern (§§ 4 Abs. 4, 7 S. 2, 9 Abs. 1, 16 S. 1 UmwStG).114 Körperschaftsteuerpflichtige Mitunternehmer der aufnehmenden Personengesellschaft genießen hingegen Steuerfreiheit (§§ 4 Abs. 7 S. 1, 9 Abs. 1, 16 S. 1 UmwStG). 112 Benkert in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 4 Rnrn. 20, 30 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 4 UmwStG Rnrn. 8, 11. 113 BT-Drs. 12/6885 S. 17 zu § 4 UmwStG; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/ UmwStG, vor § 1 UmwStG Rnr. 58. 114 Vgl. BT-Drs. 12/6885, Begr. zu §§ 4, 7 UmwStG; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/ Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 4 UmwStG Rnr. 84 m. w. N.
72
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Steuerpflichtig ist die Verschmelzung oder Spaltung schließlich auch für die Inhaber von steuerverstrickten Anteilen an der übertragenden Körperschaft (Anteile im Betriebsvermögen, einbringungsgeborene Anteile und Anteile im Sinne des § 17 EStG), die Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft werden. Das Umwandlungssteuergesetz fingiert, dass die einkommensteuerrelevanten Beteiligungen in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers eingelegt werden und untergehen. Ein Übertragungsgewinn ist im Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter steuerpflichtig (hierzu §§ 5 Abs. 2 bis 4, 9 Abs. 1, 16 S. 1 i. V. m. § 21 UmwStG, § 17 EStG).115 b) Vermögensübergang zwischen Körperschaften (§§ 11 ff., 15 UmwStG) Die Besteuerung der stillen Reserven soll nach der gesetzgeberischen Intention auch dann nachgeholt werden können, wenn eine Körperschaft die Gesamtoder Sonderrechtsnachfolge antritt. Deshalb ist die zweite maßgebliche Voraussetzung für den steuerneutralen Vermögensübergang zwischen Körperschaften, dass die Buch- oder Zwischenwerte von der übernehmenden Körperschaft fortgeführt werden, damit die stillen Reserven bei ihr und bei den Anteilseignern zu einem späteren Zeitpunkt besteuert werden können. Ein Übernahmegewinn aus offenen Reserven ist bei dem Vermögensübergang von einer Körperschaft auf die an ihr bereits beteiligte andere Körperschaft nicht steuerpflichtig, da die Körperschaftsteuerpflicht erhalten bleibt und kein Wechsel zur Einkommensteuerpflicht stattfindet. Ein Gewinn oder Verlust aus einem Unterschied zwischen dem Buchwert der Anteile an der übertragenen Gesellschaft und dem Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter ist deshalb steuerfrei (§§ 12 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG).116 c) Vermögensübergang von einer Personengesellschaft Zur Übernahme des Wertansatzes als Voraussetzung für den Besteuerungsaufschub bei Verschmelzungen und Spaltungen von Personengesellschaften sowie bei der Ausgliederung aus dem Vermögen einer Körperschaft oder eines Einzelkaufmannes ist auf die im Teil D. für die Einzelrechtsnachfolge dargestellten Prinzipien zu verweisen.117
115 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 5 UmwStG Rnrn. 22, 52, 72 m. w. N. 116 Wisniewski in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 12 Rnr. 19. 117 Vgl. o. D.III.6.
F. Umstrukturierungen von inländischen Rechtsträgern
73
7. Gewährung von Anteilen Die Pflicht zur Gegenleistung ergibt sich bereits aus dem Umwandlungsgesetz. Als Gegenleistung für das übertragene Vermögen sind den Anteilsinhabern der untergehenden Gesellschaft, die ihr Vermögen übertragen hat, im Wege des Anteilstausches Anteile an der übernehmenden Gesellschaft zu gewähren. Die Anteile müssen nach dem Umwandlungsgesetz nicht neu sein, bare Zuzahlungen sind zulässig (§§ 2, 5 Abs. 1, 123, 126 Abs. 1 UmwG). Die Gegenleistung kann nur entfallen, wenn die übernehmende Gesellschaft bereits Anteilsinhaber der übertragenden und untergehenden Gesellschaft war. Dann geht die Beteiligung unter (§§ 20 Abs. 1 Nr. 3, 36 Abs. 1 S. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG). Das Umwandlungssteuergesetz stellt seinerseits für die Umwandlungen unter Körperschaften ausdrücklich die Voraussetzung auf, dass Anteile an der übernehmenden Körperschaft als Gegenleistung gewährt werden müssen (§§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Var. 2, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG).118 Ausgleichsleistungen, die neben der Beteiligung übergehen, stellen ein Veräußerungsentgelt dar, das zu versteuern ist. Die steuerneutrale Übertragung wird aber im Übrigen nicht gefährdet.119 Bleibt bei der Spaltung der übertragende Rechtsträger bestehen, kann die Gegenleistung auch der übertragenden Gesellschaft selbst gewährt werden. Dann handelt es sich um eine Ausgliederung. Der Achte Teil des Umwandlungssteuergesetzes engt hier die Vorgaben des Umwandlungsgesetzes ein. Als Gegenleistung werden nur neue Anteile zugelassen (§ 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Die Anteile müssen bei der Sachgründung oder durch Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen erstmals geschaffen werden.120 8. Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung bei Vermögensübergang zwischen Körperschaften (§§ 11 ff., 15 UmwStG) Für Verschmelzungen und Spaltungen unter Beteiligung von Körperschaften ist die dritte, maßgebliche Voraussetzung eines steuerneutralen Vermögensübergangs, dass die Anteilseigner der verschmolzenen oder gespaltenen Körperschaft die erhaltenen Anteile an der übernehmenden Körperschaft mit dem Buchwert als Anschaffungspreis bilanzieren, wenn die Anteile im Betriebsvermögen gehalten werden (§§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Entsprechendes gilt auch für Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG und bei den im Privat118
Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 11 UmwStG Rnrn. 103 ff. Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 11 Rnrn. 32 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 11 UmwStG Rnrn. 116 ff. 120 Vgl. o. D.III.7. 119
74
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
vermögen gehaltenen Anteilen im Sinne des § 23 EStG durch die Anordnung, die Anschaffungskosten ohne Aufdeckung der stillen Reserven fortzuführen (§§ 13 Abs. 2 S. 1 bis 3, Abs. 3, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Dadurch wird das Interesse des Fiskus an der Besteuerung aller in den Anteilen gebildeten stillen Reserven auch auf Anteilseignerebene gewahrt. Die spätere steuerliche Erfassung wird auf der Ebene der Körperschaft und auf der Ebene der einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner gesichert, während körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner steuerbefreit sind (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG).121
G. Steuerliche Behinderungen von Umstrukturierungen inländischer Rechtsträger durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge mit grenzüberschreitendem Bezug I. Betrachtete Fallgruppen Von den grenzüberschreitenden Fällen werden im Folgenden die Vermögensübertragungen zwischen verschiedenen Rechtsträgern durch Verschmelzungen und Spaltungen auf Behinderungen von Inländern untersucht. Wie bei der Einzelrechtsnachfolge geht es hier für die Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge um die Konstellationen, dass Inländer beabsichtigen, Vermögen steuerneutral auf einen gebietsfremden Rechtsträger zu übertragen. Es wird wiederum davon ausgegangen, dass der Verwaltungssitz und der Ort der Geschäftsleitung identisch sind sowie der Verwaltungs- und Satzungssitz der Rechtsträger vor und nach der Umwandlung in einem Staat liegen oder durch Untergang der Gesellschaft entfallen. Damit ist das auf die Rechtsträger anzuwendene Recht nach der Sitzund nach der Gründungstheorie gleich zu bestimmen. Es findet inländisches Recht auf Gesellschaften Anwendung, die ihren Verwaltungs- und Satzungssitz im Inland haben; ausländisches Recht ist für Gesellschaften einschlägig, die ihren Verwaltungs- und Satzungssitz im Ausland haben. Es werden Situationen ermittelt, in denen das Umwandlungssteuergesetz wegen des gebietsübergreifenden Charakters der Transaktion nicht oder nur eingeschränkt anwendbar ist, sodass dem inländischen, übertragenden Rechtsträger eine unmittelbare steuerliche Belastung drohen würde. Solche Hindernisse können dem inländischen Rechtsträger eine Umwandlung durch Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge versperren oder diese jedenfalls unattraktiv machen. Es sind dies Fälle von Herausverschmelzungen und Herausspaltungen (Herausauf- und -abspaltungen sowie Herausausgliederungen) zur Aufnahme oder zur Neugrün121 Vgl. Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 13 Rnr. 2; Herzig/ Momen, Die Spaltung von Kapitalgesellschaften im neuen Umwandlungssteuergesetz, DB 1994 S. 2157, 2161.
G. Steuerliche Behinderungen durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge
75
dung. Dem Zweiten, Dritten und Fünften Teil des Umwandlungssteuergesetzes würden die Sachverhalte unterfallen, dass eine Herausverschmelzung oder -aufspaltung von einer Körperschaft ausgeht, der übertragende Rechtsträger untergeht und die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers beteiligt werden. Hierzu gehört auch der Fall, dass von einer Körperschaft Vermögen grenzüberschreitend abgespalten wird, wobei der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt und die Beteiligung an die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers geht. Nach dem Achten bzw. Neunten Teil des Umwandlungssteuergesetzes wäre die Ausgliederung zu beurteilen, bei der der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt und die Beteiligung auf den übertragenden Rechtsträger übergeht. Außerdem gehören hierzu die von Personengesellschaften ausgehende Herausverschmelzung und die Herausspaltung.122 Auch den Vertragspartner als Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolger des inländischen, zur Vermögensübertragung bereiten Rechtsträgers kann eine steuerliche Belastung treffen, sodass von der Übertragung abgesehen wird oder der Vertragspartner jedenfalls wirtschaftlich zusätzlich belastet wird. Zu den Behinderungen zählen aber auch Beschränkungen, die nicht aus dem Vergleich mit der Situation rein national agierender Inländer resultieren, sondern für grenzüberschreitend umwandelnde Inländer nachteilige Rechtsfolgen darstellen. Schließlich ist die Fallgruppe der sog. ausländischen Umwandlung mit Inlandsbezug zu betrachten. In dieser Konstellation kann ein Gesellschafter, der an einer gebietsfremden Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaates beteiligt ist, durch eine Umwandlung im Ausland dazu gezwungen werden, die in seinen Anteilen befindlichen stillen Reserven aufzudecken und zu versteuern, wenn das Umwandlungssteuergesetz für ihn keine Möglichkeit der Buchwertfortführung vorsieht. Hier werden nicht die Fälle behandelt, in denen in eine Umwandlung zwischen inländischen Rechtsträgern ausländische Anteilseigner oder ausländisches Vermögen einbezogen werden, das heißt Fälle der inländischen Umwandlung mit Auslandsbezug. Durch diesen grenzüberschreitenden Bezug tritt keine steuerliche Belastung des inländischen, übertragenden Rechtsträgers ein. Gehören im Ausland belegene Wirtschaftsgüter zu einer ausländischen Betriebstätte des inländischen, übertragenden Rechtsträgers und verbleiben dort, hat die Bundesrepublik nach dem durch die Doppelbesteuerungsabkommen vermittelten Betriebstättenprinzip vor und nach der Umwandlung keine Besteuerungszuständigkeit, sondern lediglich der Betriebstättenstaat. Beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers werden vom Umwandlungssteuergesetz wie unbeschränkt steuerpflichtige behandelt.
122 Vgl. die Übersicht bei Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, Einf. UmwStG Rnr. 32.
76
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Außerdem bleiben die Fälle der Hineinumwandlung, also der von einem ausländischen Rechtsträger ausgehenden Übertragung von Vermögen auf einen inländischen Rechtsträger, außer Betracht. In diesen Fällen kann eine umwandlungsbedingte Besteuerung den gebietsfremden, übertragenden Rechtsträger treffen, allerdings in dessen Sitzstaat, in dem das Gesellschafts- und Steuerrecht dieses Staates anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob dieses eine Aufdeckung der stillen Reserven beim übertragenden Rechtsträger anordnet oder die Bilanzierung zu Buchwerten zulässt, ergibt sich eine unmittelbare steuerliche Belastung infolge der Umwandlung nur für den ausländischen, übertragenden Rechtsträger. Der Wechsel der Rechtsform ein und desselben Rechtsträgers wird ebenfalls nicht näher beleuchtet. II. Fehlende zivilrechtliche Grundlage für alle Fälle der Gesamtrechtsnachfolge 1. § 1 UmwG a) Lückenschluss durch Analogiebildung Die Gesamt- und die Sonderrechtsnachfolge sind als besondere Formen der Vermögensübertragung neben der Einzelrechtsnachfolge nur zulässig, wenn sie vom Gesetz ausdrücklich zugelassen sind (§ 1 Abs. 2 UmwG).123 Das Umwandlungssteuergesetz schafft keine zivilrechtliche Grundlage für den Vermögenstransfer, sondern setzt ihn voraus.124 Ohne eine Regelung grenzüberschreitender Sachverhalte im Umwandlungsgesetz wäre eine steuerliche Regelung demnach funktionslos. In diesem Sinne setzt das Umwandlungssteuergesetz im Ersten Teil eine Umwandlung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes voraus (§ 1 Abs. 1 S. 1 UmwStG).125 Für die im Achten und Neunten Teil geregelten Umwandlungen von Personengesellschaften und Ausgliederungen wird nicht unmittelbar auf die Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes Bezug genommen. Es ergibt sich daraus aber keine andere Beurteilung als für Umwandlungen im Sinne des Ersten Teils des Umwandlungssteuergesetzes, da jede Umwandlung durch Gesamtrechtsnachfolge einer zivilrechtlichen Grundlage bedarf und anderenfalls nicht vereinbart werden kann. 123
K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 13 I 3 (S. 363 ff.). Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 1 UmwStG Rnrn. 47 ff.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, vor § 1 UmwStG Rnr. 2. 125 Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 1 UmwStG Rnr. 5; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 1 UmwStG Rnr. 29. 124
G. Steuerliche Behinderungen durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge
77
Fraglich ist somit, ob das Umwandlungsgesetz anwendbar ist auf die Fälle der Verschmelzung oder Spaltung durch Gesamtrechtsnachfolge von einem inländischen Rechtsträger auf einen Rechtsträger, der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet worden ist, dort seinen Sitz sowie den Ort der Geschäftsleitung hat und dadurch dort unbeschränkt steuerpflichtig ist. Für Umwandlungen über die Grenze könnte man § 1 UmwG analog anwenden, wenn man im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis käme, dass § 1 UmwG diese Fälle weder erfasst noch ausschließen soll. Bei unbefangener Betrachtung muss § 1 UmwG nicht zwingend so aufgefasst werden, dass Vermögen, das durch Verschmelzung oder Spaltung von einer inländischen Körperschaft bzw. einer inländischen Personengesellschaft übergeht, nur auf Rechtsträger übertragen werden kann, die ihren Sitz im Inland haben und damit im Inland unbeschränkt steuerpflichtig sind (§ 1 Abs. 1 KStG, § 11 AO). Unter dem Rechtsträger, der im Sinne von § 1 UmwG umgewandelt werden kann, könnte man auch nur den übertragenden Rechtsträger verstehen. Denn bei diesem tritt eine Veränderung im Bestand oder in der Rechtsform ein; darauf könnte der Begriff des ,umzuwandelnden Rechtsträgers‘ gemäß § 1 Abs. 1 UmwG beschränkt sein. Wenn Fälle grenzüberschreitender Umwandlung in § 1 UmwG zwar nicht aufgeführt, von dieser Bestimmung aber auch nicht ausgeschlossen sind, könnte eine analoge Anwendung auf die Vermögensübertragung auf einen gebietsfremden Rechtsträger befürwortet werden.126 Die analoge Anwendung des § 1 UmwG für Umwandlungen auf einen gebietsfremden Rechtsträger wird in der Literatur für möglich gehalten, wenn die beteiligten Rechtsträger nach ihren nationalen Rechtsordnungen aktiv und passiv umwandlungsfähig sind und die Gesellschafter nach dem für den jeweils beteiligten Rechtsträger geltenden Recht einen Umwandlungsbeschluss fassen. Die Gesellschafterinteressen bei einer deutschen Gesellschaft als übertragendem Rechtsträger sind gewahrt, wenn der Umwandlungsbeschluss einstimmig ergeht. Im Übrigen ist der Schutz von Gesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern durch eine Berücksichtigung des Rechts aller an der transnationalen Umwandlung Beteiligten sicherzustellen. Probleme, die sich aus den Unterschieden der einzelnen Rechtsordnungen ergeben, können gelöst werden, indem die strengsten Bestimmungen durchgesetzt werden. So werden die Gläubigerinteressen ausreichend berücksichtigt, wenn die für den aufnehmenden Rechtsträger gel126 Vgl. Bungert, Entwicklungen im internationalen Gesellschaftsrecht Deutschlands, AG 1995 S. 489, 502; Decher, Rechtsfragen des grenzüberschreitenden Merger of Equals, in: Schneider u. a. (Hrsg.), FS Lutter, 2000, S. 1209, 1212; Horn, Internationale Unternehmenszusammenschlüsse, ZIP 2000 S. 473 ff., 477; Kallmeyer, § 1 UmwG Rnrn. 10 ff.; Kronke, Deutsches Gesellschaftsrecht und grenzüberschreitende Strukturänderungen, ZGR 1994 S. 26, 31 ff.; Lutter, § 1 UmwG Rnrn. 6 ff.; Schmitt, Umstrukturierung eines inländischen Unternehmens unter Beteiligung von beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern, in: Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2000, S. 681 f.
78
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
tende Rechtsordnung einen dem inländischen Recht gleichwertigen Schutz bietet oder die Haftungsregelungen des Rechts der übertragenden Gesellschaft vom übernehmenden Rechtsträger übernommen werden. Die Arbeitnehmerinteressen, insbesondere die unternehmerische Mitbestimmung, müssten vertraglich von der übernehmenden Gesellschaft im Ausland übernommen werden.127 b) Abschließender Charakter des § 1 UmwG Die wohl überwiegende Meinung in der Literatur bezieht § 1 UmwG jedoch auf den übertragenden und den übernehmenden Rechtsträger. Die Voraussetzung des inländischen Sitzes soll auch für den übernehmenden Rechtsträger gelten.128 Unter inländischem Sitz wird vorwiegend der Satzungssitz verstanden, da § 1 UmwG nicht als Kollisionsnorm aufgefasst wird.129 Da der übernehmende Rechtsträger diese Bedingung in den Fällen grenzüberschreitender Umwandlungen nicht erfüllt, verwehrt das Umwandlungsgesetz inländischen, übertragenden Rechtsträgern eine grenzüberschreitende Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge. Für eine analoge Anwendung des § 1 UmwG auf grenzüberschreitende Sachverhalte ist dann in Ermangelung einer ausfüllungsfähigen Regelungslücke kein Raum. Die Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft130 ermöglicht nunmehr zivilrechtlich Verschmelzungen deutscher Aktiengesellschaften mit Aktiengesellschaften, die in den anderen Mitgliedstaaten gegründet wurden und dort ihren Sitz haben, zu einer SE sowie Verschmelzungen unter Betei127 Kindler in: BGB Münchener Komm., Bd. 11, 3. Aufl. 1999, Int. GesR Rnrn. 668 ff.; Kraft in: Kölner Komm., § 339 AktG Rnrn. 38 ff.; Lutter, Umstrukturierungen von Unternehmen über die Grenze: Versuch eines Resumées, ZGR 1994 S. 87 ff.; Rixen/Böttcher, Erfahrungsbericht über eine transnationale Verschmelzung, GmbHR 1993 S. 572. Abweichend Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Gesellschaften, 2001, S. 141 ff., für die Anwendung der jeweiligen „Heimatrechtsordnung“, also der Rechtsordnung, der die jeweils schuldnerische Gesellschaft unterliegt. 128 Ganske, Reform des Umwandlungsrechts, WM 1993 S. 1117, 1120; Großfeld, Internationales Umwandlungsrecht, AG 1996 S. 302 ff.; Hoffmann, Die Bildung der Aventis S.A. – ein Lehrstück des europäischen Gesellschaftsrechts, NZG 1999 S. 1077, 1079; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996 S. 501 ff., Schwarz in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 1 UmwG Rnrn. 29 ff.; Stratz in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 1 UmwG Rnr. 3; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 4 UmwStG Rnr. 29. 129 Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 1 Rnrn. 6 f.; Bungert, Entwicklungen im internationalen Gesellschaftsrecht Deutschlands, AG 1995 S. 489, 502; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996 S. 501 f. A. A. Schwarz in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 1 UmwG Rnr. 29, da § 1 UmwG eine Bestätigung der Sitztheorie sei. 130 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea), ABl. EG v. 10.11.2001 Nr. L 294, S. 1 ff.
G. Steuerliche Behinderungen durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge
79
ligung von SE.131 Für diese Verschmelzungen wurde ein zivilrechtliches Konzept gefunden, mit dem die relevanten Interessen der Anteilseigner und der Gläubiger durch eine Berücksichtigung des Verschmelzungsrechts der Sitzstaaten der Vertragsparteien gewahrt werden können. Für die Mitbestimmung wurde ein Kompromiss erzielt. Über die Beteiligung der Arbeitnehmer ist zu verhandeln. Wird die Beteiligung der Arbeitnehmer nicht vereinbart, tritt eine Auffangregelung in Kraft.132 Ausländische Umwandlungen, die einen Inlandsbezug aufweisen, weil ein inländischer Gesellschafter an einem der umwandelnden Rechtsträger beteiligt ist, behindert § 1 UmwG hingegen nicht. Für die Rechtsbeziehung zwischen den umzuwandelnden Rechtsträgern kommt lediglich ausländisches Recht zur Anwendung. 2. §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG Die Auslegung der überwiegenden Meinung in der Literatur, dass sich der Anwendungsbereich des § 1 UmwG auf den aufnehmenden Rechtsträger erstreckt, wird systematisch durch die §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG bestätigt. Diese Vorschriften enumerieren die Rechtsformen der Rechtsträger, die bei einer Verschmelzung oder Spaltung Übernehmender sein können. Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet worden sind und in einem anderen Mitgliedstaat ihren statuarischen und den Verwaltungssitz haben, sind darin nicht genannt. Sowohl nach der Sitztheorie133 als auch nach der Gründungstheorie ist eine nach den Rechtsvorschriften eines anderen Staates gegründete und im Ausland ansässige Körperschaft im Inland keine der in den §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG aufgeführten Körperschaften. Nach beiden 131 Haritz/Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28 f., 31. 132 Richtlinie 2001/86/EG des Rates v. 8.10.2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. EG v. 10.11.2001 Nr. L 294, S. 22 ff.; Luke, Die Europäische Aktiengesellschaft – Societas Europaea –, NWB 2004 S. 695, 701 ff. (Fach 18 S. 4047); Nagel, Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) in Deutschland – der Regierungsentwurf zum SE-Einführungsgesetz, NZG 2004 S. 833 ff., 836 ff. Für die weiteren Formen grenzüberschreitender Umwandlungen existiert der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission v. 18.11.2003 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten, KOM (2003) S. 703 ff. Hierzu Halász/Kloster, Fortschreitende Europäisierung des Rechts grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse, DStR 2004 S. 1324 ff. 133 Möglicherweise ist die Rechtsprechung bereit, die Sitztheorie in bestimmten Beziehungen künftig aufzugeben. Ein Wandel könnte durch das Urteil des BGH v. 13.3.2003, VII ZR 370/98, ZIP 2003 S. 718 ff., eingeleitet worden sein. Danach ist die Gründung einer Gesellschaft nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates, in dem sie auch ihren Sitz behält, für die prozessuale Rechtsfähigkeit in der Bundesrepublik ausreichend.
80
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Theorien ist für solche Körperschaften ausländisches Recht, das Recht des Sitzbzw. Gründungsstaates, einschlägig, das die deutschen Rechtsgrundlagen und damit die deutschen Gesellschaftsformen nicht kennt. Die herrschende Meinung stellt darauf ab, dass der Gesetzgeber für grenzüberschreitende Umstrukturierungen durch Verschmelzungen und Spaltungen bewusst das Ziel verfolgt habe, einen Vermögensübergang durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge auszuschließen.134 Das Verbot der Umwandlung wird damit gerechtfertigt, dass Harmonisierungsbestrebungen in der Europäischen Union nicht vorgegriffen werden sollte. Anteilseigner seien nur durch ein Verbot grenzüberschreitender Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge vor Eingriffen in ihre Mitgliedschaftsrechte zu bewahren. Die Gläubiger müssten vor einem neuen Vertragspartner mit geschmälertem Vermögen, den sie sich nicht ausgesucht haben, und vor dem Verlust des gewählten Schuldners geschützt werden. Arbeitnehmern könnten nur so Haftungsansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber und die Vertretung durch den Betriebsrat erhalten werden.135 Ohne eine planwidrige Gesetzeslücke ist die Erweiterung einer Norm durch Analogie unzulässig. Die §§ 1, 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG können mithin bei wörtlicher, systematischer und hisorischer Auslegung nicht auf die Gesamtoder Sonderrechtsnachfolge ausgedehnt werden. Es fehlt an einer zivilrechtlichen Grundlage, um eine inländische Körperschaft auf einen gebietsfremden Rechtsträger, der im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, verschmelzen oder spalten zu können. III. Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz 1. Umwandlung einer inländischen Körperschaft in gebietsfremde EU-Körperschaft a) § 1 Abs. 1 UmwStG Der Gesetzgeber verfolgt die beschriebene zivilrechtliche Konzeption im Umwandlungssteuergesetz konsequent weiter. Jeder Vermögensübergang von einer inländischen Körperschaft kann nach dem Ersten bis Siebten Teil des Umwandlungssteuergesetzes nur dann steuerneutral durchgeführt werden, wenn zivilrechtlich eine Umwandlung im Sinne von § 1 UmwG vorliegt (§ 1 Abs. 1
134 Vgl. BT-Drs. 12/6699, S. 80; Hoffmann, Die Bildung der Aventis S.A. – ein Lehrstück des europäischen Gesellschaftsrechts, NZG 1999 S. 1077 ff.; Neye, Das neue Umwandlungssteuerrecht vor der Verabschiedung im Bundestag, ZIP 1994 S. 917, 919 f., jeweils m. w. N. 135 Vgl. im Einzelnen Sagasser in: Sagasser/Bula/Brünger, 3. Aufl. 2002, Teil B Rnrn. 25 ff., Teil C Rnrn. 2 ff.
G. Steuerliche Behinderungen durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge
81
UmwStG).136 Für die Fälle, in denen eine zivilrechtliche Grundlage für Umwandlungen auf gebietsfremde Rechtsträger durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge fehlt, trifft auch das UmwStG keine steuerliche Regelung. Wenn das Umwandlungsgesetz im Lichte der Grundfreiheiten europarechtskonform erweiternd auszulegen ist, könnte auch der Verweis in § 1 Abs. 1 UmwStG auf § 1 UmwG die Anwendbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes eröffnen. § 1 Abs. 1 UmwStG verweist allerdings nicht nur auf § 1 UmwG, sondern zählt die beteiligungsfähigen Rechtsträger, wie in §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG, abschließend auf.137 Es handelt sich wiederum ausschließlich um Rechtsträger inländischen Rechts.138 Diese abschließende Aufzählung der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger hindert für grenzübergreifende Sachverhalte an der Anwendung des Zweiten bis Siebten Teils des Umwandlungssteuergesetzes, unabhängig vom möglicherweise anwendbaren Umwandlungsgesetz. Somit ist auch die von der Aufzählung der beteiligungsfähigen Rechtsträger ausgehende Behinderung von Inländern auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages zu untersuchen. b) § 1 Abs. 5 UmwStG Die an der Umwandlung beteiligten Körperschaften müssen zudem ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben und dadurch unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein (§ 1 Abs. 5 UmwStG).139 Diese Vorschrift des Umwandlungssteuergesetzes schließt es ebenfalls aus, dass ein gebietsfremder Rechtsträger Vermögen durch Gesamtrechtsnachfolge übernimmt, ohne dass der einbringende Rechtsträger zur Aufdeckung stiller Reserven gezwungen wird. c) §§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 UmwStG Bei einer Vermögensübertragung im Rahmen einer Verschmelzung durch Gesamtrechtsnachfolge oder im Rahmen einer Spaltung durch Sonderrechtsnachfolge zwischen Körperschaften wird dem übertragenden Rechtsträger der Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten für eine steuerneutrale Übertragung nur ermöglicht, wenn die Steuerbarkeit der stillen Reserven bei der übernehmenden 136 Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, vor § 1 Rnr. 3; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, vor § 1 UmwStG Rnr. 2, § 1 UmwStG Rnrn. 2, 4. 137 Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 1 Rnrn. 36 f.; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 1 UmwStG Rnr. 9. 138 Vgl. auch BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 01.03. 139 Dehmer, Das Umwandlungssteuergesetz 1994, DStR 1994 S. 1713, 1715; Haritz in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 1 Rnr. 22.
82
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Körperschaft sichergestellt ist (§§ 11 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 S. 1, 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG).140 § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG wird in der Literatur nur marginale Bedeutung beigemessen, da bereits § 1 Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 UmwStG die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der übernehmenden Körperschaft vorgebe, bei der das Vermögen bei einer Gewinnrealisierung in der Regel steuerbar sei.141 Ist die übernehmende Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig, bewirkt die Voraussetzung des § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG allerdings, dass das Vermögen im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge nicht in eine ausländische Betriebstätte der übernehmenden Körperschaft überführt werden kann. Für die hier fragliche grenzüberschreitende Übertragung würde § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwStG ebenfalls die Verpflichtung aufstellen, das übergegangene Vermögen in einer inländischen Betriebstätte zu belassen, für die Deutschland die Besteuerungszuständigkeit hat. 2. Umwandlung einer inländischen Personenhandelsgesellschaft bzw. Ausgliederung aus inländischem Vermögen in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft Im Achten Teil des Umwandlungssteuergesetzes schließt zwar § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG eine Übertragung von Wirtschaftsgütern auf gebietsfremde EURechtsträger aus. § 23 UmwStG gestattet jedoch grenzüberschreitende Vermögensübertragungen. Die Verschmelzungen und Spaltungen einer inländischen Personenhandelsgesellschaft und Ausgliederungen werden wie die Einbringung eines (Teil-)Betriebes behandelt, sodass für Übertragungen auf einen gebietsfremden Rechtsträger die für grenzüberschreitende Vermögensübertragungen offenen §§ 23, 24 UmwStG gelten (vgl. § 1 Abs. 1 UmwStG).142 Wegen der damit verbundenen steuerlichen Behinderungen von Inländern ist auf die Darstellung zur Einzelrechtsnachfolge zu verweisen.143 140 Für die Vereinbarkeit mit der Fusionsrichtlinie, die ebenfalls voraussetzt, dass das auf den Übernehmenden übergehende Vermögen in einer Betriebstätte im Staat des Übertragenden verbleibt (Art. 4 Abs. 1 2. Spiegelstrich) Widmann in: Widmann/ Mayer, UmwG/UmwStG, § 1 UmwStG Rnr. 53. 141 Bärwaldt in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 11 Rnrn. 4, 18; Streck/ Posdziech, Verschmelzung und Formwechsel nach neuem Umwandlungssteuergesetz, GmbHR 1995 S. 357 f. 142 Hörtnagl in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, Einf. UmwStG Rnrn. 24 f., § 1 UmwStG Rnrn. 5, 19; Schmitt, a. a. O., vor §§ 20–23 UmwStG Rnrn. 3 ff., vor § 24 UmwStG Rnr. 8, § 24 UmwStG Rnrn. 3 ff. Speziell zur Ausgliederung: Regierungsentwurfsbegründung BT-Drs. 12/6885; Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 12/7265; Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 12/7945, jeweils zu § 1 UmwStG. 143 S. o. E.II.
G. Steuerliche Behinderungen durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge
83
3. Ausländische Umwandlung mit inländischem Gesellschafter § 1 Abs. 1 UmwStG beschränkt den Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes auf Umwandlungen im Sinne des § 1 UmwG, der wiederum nur inländischen Rechtsträgern die Teilnahme an einer Umwandlung gestattet. Außerdem wird die unbeschränkte Steuerpflicht der Beteiligten in § 1 Abs. 5 UmwStG verlangt. Damit gilt der Erste bis Siebte Teil des Umwandlungssteuergesetzes nicht für Umwandlungen, die Rechtsträger ausländischen Rechts mit Sitz im Ausland vollziehen. Das ist auf den ersten Blick auch weder nötig noch möglich, weil diese Rechtsträger ausländischem Zivilrecht unterstehen und die Umwandlung nach dieser Rechtsordnung oder mehreren ausländischen Rechtsordnungen vollziehen. Da die unbeschränkte Steuerpflicht im Ausland besteht, hat Deutschland auch keine Besteuerungskompetenz. Ein inländischer Bezug kann sich jedoch daraus ergeben, dass eine unbeschränkt steuerpflichtige Person Anteilseigner dieser Körperschaften ist (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Hält ein Inländer beispielsweise eine Beteiligung an einer gebietsfremden Körperschaft, die auf eine andere, ebenfalls gebietsfremde Körperschaft verschmolzen wird, in inländischem Betriebsvermögen, stellt sich die Frage, welche steuerlichen Auswirkungen diese ausländische Umwandlung auf den inländischen Anteilsinhaber hat. Da der gesamte Erste bis Siebte Teil des Umwandlungssteuergesetzes durch § 1 Abs. 1 und Abs. 5 UmwStG auf Umwandlungen gebietsfremder Rechtsträger unanwendbar ist, gilt auch § 13 UmwStG nicht zugunsten des Anteilseigners.144 Stattdessen hat der Anteilseigner nach den allgemeinen Grundsätzen als Veräußerungspreis seiner ausländischen Beteiligung den Teilwert anzusetzen, da die bisherige Beteiligung gegen den neuen Anteil am übernehmenden Rechtsträger getauscht wird. Dieser Teilwert kann dann auch als Anschaffungspreis der neuen Beteiligung angesetzt werden. Der Unterschied zwischen dem Buchwert der bisherigen Anteile und dem höheren Teilwert als Veräußerungspreis führt zu einer sofortigen Aufdeckung der stillen Reserven. Während Kapitalgesellschaften diese Aufdeckung, abgesehen vom pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbot von 5%, nicht zu versteuern haben (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG), werden einkommensteuerpflichtige inländische Anteilsinhaber steuerlich belastet. Sie müssen die Hälfte des Wertzuwachses der Anteile versteuern, wenn die Anteile im Betriebsvermögen gehalten wurden (§§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 Nr. 40 S. 1 lit. a EStG).
144 Vgl. BMF in: Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, FR 2001, Beil. zu H. 11, S. 9; Wassermeyer, Besteuerung ausländischer Umwandlungen im Inland, in: ders. (Hrsg.), FS Widmann, 2000, S. 621, 630. Herzig, Gestaltung steuerorientierter Umstrukturierungen im Konzern, DB 2000 S. 2236, 2244, schlägt vor, § 23 Abs. 4 UmwStG für den Inländer anzuwenden.
84
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Wurden die Anteile im Privatvermögen gehalten, ist die Aufdeckung der stillen Reserven ebenfalls steuerpflichtig. Die Beteiligung an einer gebietsfremden Körperschaft wird in § 17 EStG wie die Beteiligung an einer inländischen Körperschaft behandelt, sofern die ausländische Körperschaft dem Typenvergleich mit einer inländischen Kapitalgesellschaft standhält.145 Der Austausch der Anteile im Rahmen der Umwandlung von Körperschaften ist zwar keine Veräußerung im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG, zählt aber wegen des Unterganges des übertragenden Rechtsträgers und der Gesamtrechtsnachfolge zu den veräußerungsgleichen Vorgängen im Sinne des § 17 Abs. 4 S. 1 EStG.146 Wird die 1%-ige Beteiligungsgrenze überschritten, ist die Umwandlung für den Anteilseigner steuerpflichtig. Ob auch § 23 EStG den Untergang einer Beteiligung an ausländischen Gesellschaften im Rahmen einer ausländischen Umwandlung erfasst, ist umstritten.147 Angesichts der Erwähnung der Steuerpflicht des § 23 EStG in § 13 Abs. 2 UmwStG erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass auch die §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG Grundlage einer Besteuerung des inländischen Anteilseigners werden, wenn die Jahresfrist, in der die Anteile zu behalten sind, noch nicht verstrichen ist. Schließlich löst die ausländische Umwandlung eine Besteuerung desjenigen Inländers nach § 16 EStG aus, dessen Anteile einbringungsgeboren im Sinne des § 21 Abs. 1 UmwStG sind (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG).148 Auch die Fusionsrichtlinie gibt in Art. 8 Abs. 1 nur vor, dass der inländische Anteilseigner bei der Umwandlung von Rechtsträgern, die in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind, nicht besteuert werden darf.
H. Zusammenfassung Im ersten Teil der Untersuchung wurde festgestellt, dass das Umwandlungssteuergesetz für die grenzüberschreitende Einbringung von Vermögen durch Inländer im Wege der Einzelrechtsnachfolge zahlreiche Behinderungen enthält. Mitunternehmeranteile sind im Rahmen des § 23 UmwStG nicht einbringungsfähig. Teilbetriebe im Sinne der §§ 23, 24 UmwStG müssen sämtliche 145
Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 17 Rnrn. 23 f. Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 17 Rnrn. 215 f. 147 Dafür wohl Heinicke in: Schmidt, EStG, 23. Aufl. 200#4, § 23 Rnr. 3. Dagegen Haritz/Homeister, Besteuerung deutscher Anteilseigner bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im Ausland und Europarecht – zugleich ein Beitrag zu § 13 UmwStG, FR 2001 S. 941, 944. 148 Haritz/Homeister, Besteuerung deutscher Anteilseigner bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im Ausland und Europarecht – zugleich ein Beitrag zu § 13 UmwStG, FR 2001 S. 941, 944 f. 146
H. Zusammenfassung
85
wesentlichen Betriebsgrundlagen erfassen; Einzelwirtschaftsgüter können nicht steuerneutral übertragen werden. Als einbringende Rechtsträger schließt § 23 Abs. 1 UmwStG natürliche Personen, Personengesellschaften bzw. ihre Mitunternehmer und jede Körperschaft, die keine GmbH, AG oder KGaA ist, aus. Als aufnehmende Rechtsträger werden von § 23 UmwStG natürliche Personen und Körperschaften, die keine EU-Kapitalgesellschaften sind, nicht zugelassen. Sofern es sich nicht um einen Anteilstausch handelt, muss der Einbringungsgegenstand bei jeder Einbringung im Inland verbleiben, so dass die Besteuerungszuständigkeit der Bundesrepublik erhalten bleibt. Der aufnehmende Rechtsträger muss den Buch- oder Zwischenwert in jedem Fall fortführen, auch wenn ein mehrheitsvermittelnder Kapitalgesellschaftsanteil gemäß § 23 Abs. 4 UmwStG eingebracht wird. Die im Gegenzug für die Einbringung eines (Teil-)Betriebes oder eines mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteils gewährten Anteile dürfen keine bereits beim aufnehmenden Rechtsträger vorhandenen sein. Zusätzliche Gegenleistungen sind bei § 23 Abs. 1 und Abs. 3 UmwStG nicht gestattet. Beim Anteilstausch sind sie auf 10% des Nennwerts der einbringungsgeborenen Anteile begrenzt. Der Einbringende muss die erworbenen Anteile mit dem Buch- oder Zwischenwert des aufnehmenden Vertragspartners bilanzieren. Die Bundesrepublik kann damit einen Veräußerungsgewinn innerhalb der Sieben-Jahres-Frist doppelt besteuern, sowohl beim aufnehmenden Rechtsträger als auch beim Einbringenden. Beim Anteilstausch genießen zwar Körperschaften das Privileg der steuerfreien Anteilsveräußerung, Einkommensteuerpflichtige müssen aber die Hälfte des Gewinns aus der Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile stets versteuern. Auch eine Veräußerung durch die aufnehmende EU-Kapitalgesellschaft innerhalb einer Frist von sieben Jahren führt beim Anteilstausch zu einer Steuerpflicht des Einbringenden. Schließlich darf der Anteilstausch nicht zurückbezogen werden. Im ersten Teil wurden ferner die noch gravierenderen Behinderungen einer grenzüberschreitenden Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge nach den Vorschriften des Umwandlungs- und Umwandlungssteuergesetz ermittelt. Das Umwandlungsgesetz versagt für grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen von Kapitalgesellschaften den Übergang von Sachgesamtheiten im Wege der Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge. Auf diesen Ausschluss von Umwandlungen auf gebietsfremde Rechtsträger nimmt das Umwandlungssteuergesetz in § 1 Abs. 1 und Abs. 5 Bezug. Weiterhin wird auch bei der Gesamtund Sonderrechtsnachfolge die Steuerbarkeit der stillen Reserven bei der übernehmenden Körperschaft vorausgesetzt. Bei ausländischen Umwandlungen mit einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Anteilseigner wird dieser im Inland gezwungen, die stillen Reserven seiner getauschten Beteiligung zu versteuern.
86
1. Teil: Steuerliche Behinderungen durch das Umwandlungssteuergesetz
Die vorstehend ermittelten Behinderungen der inländischen, übertragenden Rechträger sollen nunmehr an den Grundfreiheiten des EG-Vertrages gemessen werden. Untersagen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages die Behinderungen, dürfen die betreffenden Tatbestandsvoraussetzungen in der Praxis nicht angewandt werden. Der Gesetzgeber ist dann gefordert, die Bestimmungen auf einen grundfreiheitskonformen Stand zu bringen. Wenn die Behinderungen mit den Grundfreiheiten hingegen vereinbar sind, bleiben die Steuerpflichtigen nach wie vor darauf angewiesen, andere, meist zeitund kostenaufwändigere Gestaltungswege zu suchen. Sofern sie finanziell nicht in der Lage oder nicht bereit sind, die mit der Vermögenstransaktion entstehende Steuerlast zu tragen, müssen sie sogar von einer grenzüberschreitenden Einbringung und Beteiligung absehen. Im folgenden zweiten Teil dieser Untersuchung werden die Grundlagen für eine Unterscheidung zwischen diskriminierenden und beschränkenden Behinderungen sowie für die auf diese Eingriffsformen anwendbaren Rechtfertigungsgründe gelegt. Im dritten Teil werden die Behinderungen bei der Ausübung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit nach dem im zweiten Teil entwickelten Lösungsvorschlag auf ihre Rechtfertigung überprüft.
2. Teil
Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten in Bezug auf umwandlungssteuerrechtliche Vorschriften I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes anhand der Grundfreiheiten I. Anwendungsvoraussetzungen der Grundfreiheiten 1. Unmittelbare Wirkung der Grundfreiheiten in Bezug auf direkte Steuern Die Besteuerung von Gewinnrealisierungen nach dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz ist eine direkte Besteuerung, weil der Steuerschuldner und der durch die Besteuerung wirtschaftlich Belastete identisch sind. Da die Besteuerung durch das Umwandlungssteuergesetz nur aufgeschoben wird, sind auch die hier untersuchten Fälle solche der direkten Steuern. Die Harmonisierung der direkten Steuern unterfällt als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union (Artt. 94, 95 Abs. 2, 308 EG).1 Die Mitgliedstaaten müssen jedoch ihre Steuerhoheit unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben. Gemeinschaftsrecht ist vorrangig vor nationalem Recht anzuwenden.2 Gemeinschaftswidriges innerstaatliches Recht darf nicht durchgesetzt werden. Aus dem Bereich des primären Gemeinschaftsrechts wirken die Grundfreiheiten unmittelbar auf das Recht der Mitgliedstaaten ein, indem diese bei der Rechtsanwendung vorrangig vor nationalem Recht berücksichtigt werden müssen. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auch in Bezug auf di1 Vgl. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, § 16 I 1 (Tz. 1155); Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Europäischen Union, 1998, S. 21 ff. Zum Subsidiaritätsprinzip Heintzen, Subsidiaritätsprinzip und Europäische Gemeinschaft, JZ 1991 S. 317, 319 f. 2 EuGH Urt. v. 15.7.1964, Rs. 6/64 „Costa“, E 1964 S. 1251 ff. Tz. 3; EuGH Urt. v. 17.12.1970, Rs. 11/70 „Internationale Handelsgesellschaft“, E 1970 S. 1125 ff. Tz. 3 ff.
88
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
rekte Steuern, selbst wenn deren Harmonisierung nicht zur Kompetenz der Union gehört.3 Deshalb müssen die Bestimmungen des Umwandlungssteuergesetzes mit den Grundfreiheiten vereinbar sein. Soweit nationales Recht den Grundfreiheiten zuwiderläuft, ist der Gesetzgeber aufgefordert, das nationale Recht auf einen grundfreiheitskonformen Stand zu bringen. Die Verwaltung und die Gerichte haben das Umwandlungssteuergesetz grundfreiheitskonform auszulegen und anzuwenden. 2. Berufung von Inländern auf Grundfreiheiten gegenüber ihrem Herkunftsstaat Die Mitgliedstaaten haben es sowohl im Bereich der direkten Steuern als auch in allen anderen Rechtsmaterien zu gewährleisten, dass ihre Inländer und inländischen Gesellschaften Grundfreiheiten ungehindert ausüben können. Zwar ist dem EG-Vertrag nach dem Wortlaut der Artt. 43 S. 3, 46 Abs. 1 EG sowie in den Artt. 39 Abs. 2, 50 S. 3, 55 EG zunächst nur ein Inländergleichbehandlungsgebot im Bestimmungsland zu entnehmen.4 So war auch der EuGH schwerpunktmäßig zunächst mit Fallkonstellationen befasst, in denen Gebietsfremde bei grenzüberschreitenden Aktivitäten Beeinträchtigungen in ihren Grundfreiheiten durch den Bestimmungsstaat und eine Ungleichbehandlung mit den in einer vergleichbaren Lage befindlichen Inländern rügten.5 Inländer können aber auch durch ihren Heimatstaat zum Verbleib im Inland, zur Vermögensübertragung im Inland oder zum Abschluss von Verträgen mit Inländern angehalten werden, wenn ein Mitgliedstaat direkt-steuerliche Vorschriften bewusst oder unbewusst darauf ausrichtet, dass diese ihr wirtschaftliches Engagement im Inland ausüben. Der EG-Vertrag untersagt auch diese Behinderungen von Inländern an grenzüberschreitenden Aktivitäten. Das geht aus dem Wortlaut der Artt. 43 S. 1 und 2, 56 Abs. 1 EG sowie der Artt. 28 f., 39 3 Z. B. EuGH Urt. v. 14.2.1995, Rs. 279/93 „Schumacker“, E 1995 I S. 225 ff. Tz. 21; EuGH Urt. v. 11.8.1995, Rs. 80/94 „Wielockx“, E 1995 I S. 2509 ff. Tz. 16; EuGH Urt. v. 15.7.1997, Rs. 250/95 „Futura Singer“, E 1997 I S. 2492 ff. Tz. 19; EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff. Tz. 26; EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 385/00 „de Groot“, E 2002 I S. 11838 ff. Tz. 75, jeweils m. w. N. 4 Everling, Vertragsverhandlungen 1957 und Vertragspraxis 1987 – dargestellt an den Kapiteln Niederlassungsrecht und Dienstleistungen des EWG-Vertrages, in: Mestmäcker (Hrsg.), FS v. d. Groeben, 1987, S. 111 ff., 120 ff.; Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, 1999, S. 100. 5 Vgl. für die Niederlassungsfreiheit im Bereich der direkten Steuern EuGH Urt. v. 28.1.1986, Rs. 270/83 „avoir fiscal“, E 1986 I S. 285 ff. Tz. 2 ff.; EuGH Urt. v. 13.7.1993, Rs. 330/91 „Commerzbank“, E 1993 I S. 4038 ff. Tz. 4, 13; EuGH Urt. v. 11.8.1995, Rs. 80/94 „Wielockx“, E 1995 I S. 2509 ff. Tz. 2.
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
89
Abs. 2, 49 S. 1 EG hervor, die das Inländergleichbehandlungsgebot nur als von einem Beschränkungsverbot umfasst vorsehen. Das Verbot von Behinderungen der Inländer entspricht auch dem Ziel der Grundfreiheiten, grenzüberschreitende Aktivitäten für alle Unionsbürger zu ermöglichen, nicht nur eine Gleichbehandlung von Gebietsfremden mit Inländern. Inländern muss es in gleicher Weise wie Gebietsfremden ermöglicht werden, ihre Grundfreiheiten zu verwirklichen. Es kann nicht darauf ankommen, ob die Behinderungen vom Bestimmungsoder vom Herkunftsstaat ausgehen.6 Der EuGH judizierte im Jahre 1988 erstmals, dass nicht nur nationales Recht des Bestimmungs- bzw. Zielstaates in Bezug auf Gebietsfremde an den Grundfreiheiten zu messen ist, sondern dass die Grundfreiheiten auch dem Herkunftsstaat untersagen können, die eigenen Staatsangehörigen oder staatszugehörigen Gesellschaften an der Ausübung ihrer Grundfreiheiten zu hindern.7 In dem vorgelegten Fall verweigerten britische Behörden der nach britischem Recht gegründeten Gesellschaft Daily Mail die Zustimmung für die Verlegung ihres Verwaltungssitzes in die Niederlande. Der EuGH gestand dem Unternehmen zu, sich gegenüber Großbritannien, dem Herkunftsstaat, auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen.8 Damit können die im ersten Teil dargestellten Konstellationen, dass Inländer Gebietsfremde als Vertragspartner ihrer Einbringungen und Vermögensübertragungen durch Einzel-, Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge wählen, am Maßstab der Grundfreiheiten gemessen werden.
6 Vgl. Jarass, Die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, RIW 1993 S. 1 ff.; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Gesellschaften, 2001, S. 74; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 123 f. 7 EuGH Urt. v. 27.9.1988, Rs. 81/87 „Daily Mail“, E 1988 I S. 5505 ff. Tz. 16. 8 Das Begehren der Gesellschaft war jedoch im Ergebnis nicht von der Niederlassungsfreiheit umfasst. Der EuGH lehnte es ab, den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit als eröffnet anzusehen, wenn der Verwaltungssitz in das Ausland verlegt werden soll, um sich einerseits der niederländischen Rechtsordnung zu unterwerfen und der britischen zu entziehen, andererseits aber die Rechtspersönlichkeit und die Eigenschaft als Gesellschaft englischen Rechts beizubehalten. Vgl. zu den Fällen der Behinderung von Inländern am grenzüberschreitenden Vertragsschluss ferner EuGH Urt. v. 16.7.1998, Rs. 264/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff. Tz. 21; EuGH Urt. v. 18.11.1999, Rs. 200/98 „XY I“, E 1999 I S. 8276 ff. Tz. 26; EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 28.
90
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
II. Anwendungsbereich in Betracht kommender Grundfreiheiten 1. Niederlassungsfreiheit a) Anwendungsbereich Zunächst ist zu ermitteln, welche Grundfreiheiten nach ihrem Gewährleistungsbereich auf den Sachverhalt Anwendung finden, dass Inländer Wirtschaftsgüter und Vermögen nach den Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes auf gebietsfremde Rechtsträger zu übertragen und dafür Anteile am auf- bzw. übernehmenden Rechtsträger zu erwerben beabsichtigen. Räumlich gilt die Niederlassungsfreiheit gemäß Artt. 43 ff. EG im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Unterliegt ein Rechtsverhältnis den Vorschriften eines Mitgliedstaates, ist in der Regel ein hinreichend enger Bezug zu einem Mitgliedstaat gegeben.9 Adressaten der Niederlassungsfreiheit sind die Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union. Sie sind Unionsbürger im Sinne des Art. 17 EG. Die Niederlassungsfreiheit setzt die Unionsbürgerschaft in Art. 43 Abs. 1 S. 1 EG voraus. Gleichermaßen berechtigt wie Unionsbürger werden aber auch Gesellschaften, das heißt juristische Personen und Personenvereinigungen, wenn sie nach den Vorschriften eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben (Art. 48 EG). Für Personengesellschaften kommt es für die Niederlassungsfreiheit nicht darauf an, dass die Gesellschaft nach dem für sie maßgeblichen nationalen Recht rechtsfähig ist. Auch nach nationalem Gesellschaftsrecht nicht rechtsfähige Gesellschaften genießen Niederlassungsfreiheit.10 Deshalb wird für Unionsbürger und Unionsgesellschaften im Folgenden auch verkürzend der Begriff ,Person(en)‘ oder ,Tätige(r)‘ gebraucht. Sachlich gewährleistet die Niederlassungsfreiheit, sich selbstständig wirtschaftlich zu betätigen, das heißt Erwerbstätigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug aufzunehmen und auszuüben. Hierzu schützt die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG die freie Standortwahl für Unternehmen in den Mitgliedstaaten der Union. Weder die Niederlassung durch Gründung eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat noch durch Gründung von abhängigen Niederlassungen (Sekundärniederlassungen), also von Tochtergesellschaften, Agenturen bzw. Zweigniederlassungen, dürfen behindert werden. In Art. 43 Abs. 2 EG 9 Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnrn. 7 f. 10 Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Gesellschaften, 2001, S. 71.
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
91
wird darauf hingewiesen, dass es auch zur Niederlassungsfreiheit gehört, wenn Gebietsfremde im Aufnahmestaat nach den dort geltenden Bestimmungen selbstständige Erwerbstätigkeiten aufnehmen und ausüben sowie Unternehmen gründen und leiten wollen. Damit wird gewährleistet, dass der Standort frei ausgewählt werden kann, das heißt zur Optimierung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses im Regelfall nach den kostengünstigsten Produktions- und Infrastrukturbedingungen.11 Effekt dieser Niederlassungsfreiheit ist die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten. b) Primäre Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften In der Wissenschaft und in der Judikatur wurden bislang Zweifel und Ablehnung geäußert, dass der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit auch die grenzüberschreitende Sitzverlegung umfasse.12 Die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit auch Sitzverlegungen erfasst oder ob die noch herrschende Sitztheorie insofern eine Ausnahme von der Niederlassungsfreiheit bewirkt und die Sitzverlegung nicht schützt, ist hier insofern von Bedeutung, als mit der Umwandlung eine Sitzverlegung einhergehen kann. Allgemein wird davon ausgegangen, dass sich der Verwaltungssitz einer Gesellschaft dort befindet, wo die für die Gesellschaft maßgeblichen Entscheidungen getroffen und in Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.13 Zur Verlegung des Verwaltungssitzes kann es kommen, wenn die auf- oder übernehmende Gesellschaft dem Einbringenden oder dem übertragenden Rechtsträger bzw. seinen Anteilseignern Anteile in einem Umfang gewährt, dass nunmehr die Leitung des Unternehmens übernommen wird. Umgekehrt kann die Umwandlung dazu führen, dass der Verwaltungssitz des übertragenden Rechtsträgers auf den gebietsfremden auf- oder übernehmenden Rechtsträger übergeht. Der Übergang des Sitzes wird dann bewirkt, wenn eine mehrheitliche Beteiligung an einer inländischen Gesellschaft an den gebietsfremden Rechtsträger übertragen wird, sodass dieser die Unternehmensleitung übernehmen kann. Geht der übertra11 Vgl. Everling, Vertragsverhandlungen 1957 und Vertragspraxis 1987 – dargestellt an den Kapiteln Niederlassungsrecht und Dienstleistungen des EWG-Vertrages, in: Mestmäcker (Hrsg.), FS v. d. Groeben, 1987, S. 113; Sandrock, Sitztheorie, Überlagerungstheorie und der EWG-Vertrag: Wasser, Öl und Feuer, RIW 1989 S. 505, 509. 12 Vgl. BGH Urt. v. 11.7.1957, II ZR 318/55, Z 25 S. 134, 144; BGH Urt. v. 21.3.1986, V ZR 10/85, Z 97 S. 269, 271; OLG Zweibrücken Beschl. v. 27.6.1990, 3 W 43/90, NJW 1990 S. 3092; Großfeld in: Staudinger, BGB Komm., 13. Aufl. 1993, Int. GesR Rnrn. 605, 617 ff., 630 ff., 657, 677; Kindler in: BGB Münchener Komm., Bd. 11, 3. Aufl. 1999, Int. GesR Rnr. 373; Lüderitz in: Soergel, BGB Komm., 12. Aufl. 1996, Art. 10 Anh. Rz. 49 ff., jeweils m.w. N. 13 Kindler in: BGB Münchener Komm., Bd. 11, 3. Aufl. 1999, Int. GesR Rnr. 316 m. w. N.
92
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
gende Rechtsträger bei der Umwandlung liquidationslos unter, verbleibt das Vermögen der übertragenden Gesellschaft zwar in einer inländischen Betriebstätte, aber der Satzungssitz wird durch die Liquidation nur noch beim übernehmenden Rechtsträger im anderen Mitgliedstaat bestehen. Dort wird regelmäßig auch die Unternehmensleitung ansässig sein, die für die Gesellschaft maßgeblichen Entscheidungen treffen und in Geschäftsführungsakte umsetzen. Zunächst wird zugunsten einer Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit darauf hingewiesen, dass die grenzüberschreitende Umwandlung in das Ausland einer Sitzverlegung wirtschaftlich vergleichbare Interessen verfolgen mag, die Umwandlung und die Sitzverlegung aber rechtlich verschieden zu behandeln sind. Diese Unterschiede bestünden darin, dass sich der übertragende Rechtsträger bei der Umwandlung nicht örtlich verändert. Im Falle der Abspaltung und Ausgliederung auf einen gebietsfremden Rechtsträger verbleibt der übertragende im Inland; bei der Verschmelzung und Aufspaltung gibt er seine Existenz noch im bisherigen Sitzstaat auf.14 Die Sitztheorie und das daraus folgende Verbot der Sitzverlegung in das Ausland würden wegen der unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung keine Sperrwirkung für die grenzüberschreitende Umwandlung ausüben können.15 Begnügt man sich mit der Feststellung dieser Unterschiede, ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob sich der einbringende oder übertragende Inländer für die Umwandlung auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann oder ob ihm der Anwendungsbereich dieser Grundfreiheit versagt bleibt, weil die Umwandlung eine Sitzverlegung mit sich bringen würde, die von dieser Grundfreiheit nicht umfasst ist. Die Verlegung des Verwaltungssitzes hat nach der noch herrschenden Sitztheorie zur Folge, dass das Gesellschaftsstatut neu zu bestimmen ist. Denn nach der Sitztheorie richtet sich das Gesellschaftsstatut nach dem tatsächlichen Verwaltungssitz. Eine Gesellschaft wird im Inland nur dann als rechtsfähig anerkannt, wenn sie den Anforderungen an eine der inländischen, im Gesetz aufgeführten Gesellschaftsformen entspricht.16 Gebietsfremde Gesellschaften erfüllen diese Voraussetzungen nicht, da sie unter einer anderen Rechtsordnung gegründet wurden. Das deutsche Gesellschaftsrecht akzeptiert mit seinem numerus clausus inländischer Gesellschaftsformen ausländische Gesellschaften nicht und ist nicht analogiefähig. Daraus wird geschlussfolgert, dass die Niederlassungsfreiheit keine grenzüberschreitende, identitätswahrende Sitzverlegung, die sog. primäre Niederlassung, gewährleiste. Bei einer grenzüberschreitenden Sitzverle14
Kindler in: BGB Münchener Komm., Bd. 11, 3. Aufl. 1999, Int. GesR Rnr. 651. Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Kapitalgesellschaften, 2001, S. 15. 16 Kindler in: BGB Münchener Komm., Bd. 11, 3. Aufl. 1999, Int. GesR Rnrn. 312 ff. 15
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
93
gung gelte die Gesellschaft im Herkunftsstaat als aufgelöst und mangels Rechtsfähigkeit im Bestimmungsstaat als nicht existent.17 Es verbleibt nur die Möglichkeit der völkerrechtlichen Anerkennung ausländischer Gesellschaften.18 Nur nach der Gründungstheorie, die in den anglo-amerikanischen Staaten sowie den Niederlanden angewandt wird, würde es genügen, dass eine Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wurde. Nach der Gründungstheorie wird im Internationalen Privatrecht eines Staates auf das Recht des Staates verwiesen, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Deshalb kann eine Gesellschaft nach der Gründungstheorie ihr Personalstatut behalten, wenn sie ihren Sitz verlegt. Damit ist eine identitätswahrende Sitzverlegung nach der Gründungstheorie möglich, vorausgesetzt, der Wegzugs- und der Aufnahmestaat folgen dieser Theorie und lassen den Umzug zu. Zur Unterstützung der These, eine grenzüberschreitende, identitätswahrende Sitzverlegung sei unzulässig und die Sitztheorie sei europarechtlich unbedenklich, wird regelmäßig auf das Urteil Daily Mail19 Bezug genommen. Würde man eine Sitzverlegung gestatten, könne sich eine Gesellschaft dem Recht eines Mitgliedstaates entziehen und dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterstellen, ohne die Rechtsfähigkeit zu verlieren, die persönliche Haftung der Gesellschafter aufleben zu lassen und ohne als Gesellschaft in dem anderen Staat neu gegründet werden zu müssen. Zur Rechtfertigung der Sitztheorie werden einfachgesetzliche Bestimmungen herangezogen, die bei einer Sitzverlegung im Inland gelten, bei einer Sitzverlegung in einen anderen Staat hingegen leerlaufen könnten. Die Regeln des Internationalen Gesellschaftsrechts dienten der Rechtssicherheit und dem Gläubigerschutz. Auf Gemeinschaftsebene seien die Anforderungen an die Kapitalaufbringung und -erhaltung zum Schutze der Vertragspartner und Gläubiger nicht harmonisiert. Es würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn die in der Bundesrepublik agierenden Gesellschaften unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen würden. Mangels eines Gemeinschaftsstandards würden auch Minderheitsgesellschafter und die Arbeitnehmermitbestimmung nur durch die Sitztheorie wirksam geschützt. Schließlich rechtfertigten Fiskalinteressen die Sitztheorie, die eine doppelte Ansässigkeit, eine doppelte unbeschränkte Steuerpflicht und damit die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Steuervorteilen unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten verhindere.20 17
Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2000, § 4a Rnr. 10. Bislang hat die Bundesrepublik nur mit den USA einen Freundschafts-, Handelsund Schifffahrtsvertrag (BGBl. 1956 II S. 487 ff.) und mit Spanien einen Niederlassungsvertrag (BGBl. 1972 II S. 1041 ff.) unterzeichnet. 19 EuGH Urt. v. 27.9.1988, Rs. 81/87 „Daily Mail“, E 1988 I S. 5505 ff. 20 Vgl. die Stellungnahme der deutschen Regierung im Vorabentscheidungsverfahren „Überseering“, EuGH Urt. v. 5.11.2002, Rs. 208/00, E 2002 I S. 9919 ff. Tz. 16, 84–90. 18
94
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Dieses Verbot der grenzüberschreitenden Sitzverlegung könnte auch als Argument gegen eine grenzüberschreitende Einbringung oder Umwandlung fruchtbar gemacht werden. Bei näherer Betrachtung ergibt sich allerdings, dass die Sitztheorie nicht uneingeschränkt gilt. Der Sitztheorie kann kein Verbot der umwandlungsbedingten Sitzverlegung entnommen werden. Auch das Urteil Daily Mail steht der Sitzverlegung bei einer Umwandlung aus folgenden Gründen nicht entgegen. Die Sitztheorie ist das international-privatrechliche Instrument, mit dem die Rechtsordnung bestimmt werden kann, die auf eine Gesellschaft anzuwenden ist.21 Eingriffe in die Grundfreiheiten werden nur durch die Sitztheorie, die deutschem Recht den Anwendungsbefehl erteilt, in Verbindung mit den einfachgesetzlichen Vorschriften bewirkt. Ein diskriminierender oder beschränkender Eingriff ergibt sich erst, wenn für begünstigende Rechtsfolgen ein Normtatbestand zu erfüllen ist, den ein gebietsfremder Rechtsträger nicht verwirklichen kann, sodass er von der begehrten Rechtsfolge ausgeschlossen ist. Dann ist zu untersuchen, ob die Rechtsnormen nach Tatbestands- und Rechtsfolgenseite diskriminierenden oder beschränkenden Charakter tragen. Ist das der Fall, kann der Konflikt gelöst werden, indem die nationalen Vorschriften für den grenzüberschreitenden Sachverhalt grundfreiheitskonform ausgelegt oder nicht angewandt werden, soweit sie den Gebietsfremden behindern. Die Sitztheorie wird also in diesem Bereich außer Kraft gesetzt und der Gründungstheorie zum Durchbruch verholfen. Diese Sichtweise steht mit der Argumentation des Europäischen Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren Überseering22 im Einklang. Der EuGH stellte in dem Urteil die Sitztheorie nicht in Frage. Ursache der Diskriminierung waren § 50 Abs. 1 ZPO und die ergänzenden Normen, die bestimmen, welche Gesellschaften rechtsfähig sind. Für die nach deutschen Vorschriften gegründeten Gesellschaften mit beschränkter Haftung sieht § 13 Abs. 1 GmbHG die Rechtsfähigkeit vor, nicht jedoch für eine niederländische B.V. Die Sitztheorie gibt diesen innerstaatlichen Normen lediglich den Anwendungsbefehl, auch in Bezug auf gebietsfremde Gesellschaften. Der Gerichtshof hielt es für unzulässig, einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaft bei der gerichtlichen Geltendmachung vertraglicher Rechte die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit gemäß § 50 Abs. 1 ZPO abzusprechen. Dadurch werde eine grenzüberschreitende Verlegung des Verwaltungssitzes verhindert, die von der Niederlassungsfreiheit umfasst sein könne. Jedenfalls wenn die Ver-
21 In diesem Sinne wohl auch der EuGH, vgl. Urt. v. 5.11.2002, Rs. 208/00 „Überseering“, E 2002 I S. 9919 ff. Grundlegend Kindler in: BGB Münchener Komm., Bd. 11, 3. Aufl. 1999, Int. GesR Rnrn. 312 ff. 22 EuGH, vgl. Urt. v. 5.11.2002, Rs. 208/00 „Überseering“, E 2002 I S. 9919 ff.
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
95
legung des Verwaltungssitzes auf einen Anteilserwerb zurückzuführen sei, der bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ermögliche, unterfalle dies der Niederlassungsfreiheit. § 50 Abs. 1 ZPO diskriminiere ausländische Gesellschaften, da einen inländischen Rechtsträger durch eine Anteilsveräußerung und die dadurch bewirkte Verlagerung des Verwaltungssitzes im Inland keine entsprechenden Hindernisse trafen. Demzufolge lautete der Regelungsauftrag des EuGH nicht, die Sitztheorie abzuschaffen und nur noch die Gründungstheorie anzuwenden. Die Sitztheorie kann weiterhin angewandt werden.23 Um die Diskriminierung gebietsfremder Rechtsträger bei der Parteifähigkeit im deutschen Prozessrecht zu beseitigen, war § 50 Abs. 1 ZPO jedoch für gebietsfremde Gesellschaften zu öffnen. Der Gedanke der Gründungstheorie setzt sich also hinsichtlich der Anerkennung der gebietsfremden Gesellschaft bei § 50 Abs. 1 ZPO durch. Damit ist aber keine Entscheidung gegen die Sitztheorie im Ganzen präjudiziert. Sie wird überall dort weiterhin ihre Gültigkeit entfalten, wo Tatbestandsvoraussetzungen inländischer Rechtsnormen von gebietsfremden Gesellschaften wie von Inländern zu erfüllen sind. Der BGH hat das Urteil des EuGH konsequent umgesetzt.24 Er wendete den Gedanken der Gründungstheorie an, soweit eine gebietsfremde Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz in das Inland verlegt hat, begehrt, im Inland parteifähig zu sein, und hierfür als rechtsfähig behandelt werden muss. Der BGH traf aber ebenso keine generelle Entscheidung zugunsten der Gründungstheorie. Deutsches Recht dürfte beispielsweise, entsprechend der Sitztheorie, auch auf gebietsfremde Rechtsträger mit Sitz im Inland anwendbar bleiben, sofern es Arbeitnehmer, Minderheitsgesellschafter oder Vertragspartner anlässlich der Sitzverlegung schützt. Überträgt man die Grundsätze dieser Kehrtwende in der Judikatur auf die hier betrachteten Konstellationen, bedeutet dies, dass weder die Sitztheorie als solche noch ein damit verbundenes Verbot der grenzüberschreitenden Sitzverlegung grenzüberschreitenden Umwandlungen entgegenstehen. Stattdessen sind die Rechtsnormen, die auf grenzüberschreitende Einbringungen und Umwandlungen anwendbar sind, auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundfreiheiten zu prüfen. Sofern sie mit den Grundfreiheiten nicht vereinbar sind, weil sie diskriminieren oder beschränken, kann die Anerkennung gebietsfremder Gesellschaften im Inland nach der Gründungstheorie angezeigt sein, vergleichbar dem Vorabentscheidungsverfahren Überseering. Sofern die Rechtsnormen jedoch zulässige Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten darstellen, weil Diskriminierungen oder Beschränkungen gerechtfertigt sind, setzt sich die Sitztheorie nach wie vor 23 Weitergehend Forsthoff, EuGH fördert Vielfalt im Gesellschaftsrecht – Traditionelle deutsche Sitztheorie verstößt gegen Niederlassungsfreiheit –, DB 2002 S. 2471: die Sitztheorie verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit. 24 BGH, Urt. v. 13.3.2003, VII ZR 370/98, ZIP 2003 S. 718 ff.
96
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
durch. Die gebietsfremden Rechtsträger sind dann gezwungen, sich im Inland an die geltenden Rechtsnormen anzupassen. Damit ist festzuhalten, dass die Niederlassungsfreiheit Sitzverlegungen umfasst, sodass grenzüberschreitende Umwandlungen auch dann in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit fallen können, wenn mit ihnen eine Sitzverlegung einhergeht. 2. Kapitalverkehrsfreiheit Die Kapitalverkehrsfreiheit (Artt. 56 ff. EG) ist auf den Verkehr des Kapitals und der Zahlungsmittel innerhalb der Europäischen Union ausgerichtet. Diese Grundfreiheit muss in einem Unionsmitgliedstaat ausgeübt werden.25 Der Kreis der Adressaten ist bei der Kapitalverkehrsfreiheit nicht auf Unionsbürger oder die ihnen gleichgestellten Unionsgesellschaften beschränkt. Deshalb können sich auch Drittstaatsangehörige oder Gesellschaften, die nach dem Recht anderer Staaten gegründet worden sind bzw. dort ihren Sitz, ihre Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung unterhalten, den Schutz der Kapitalverkehrsfreiheit in Anspruch nehmen.26 Für die natürlichen und juristischen Personen, die von Art. 56 EG innerhalb der EU Gebrauch machen, wird im Folgenden verkürzend der Begriff ,Person(en)‘ oder ,Tätige(r)‘ gebraucht. Sachlich betrifft der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit einseitige Übertragungen von Geld- oder Sachwerten zur Kapitalnutzung innerhalb der Gemeinschaft, wie sie im Anhang zur Kapitalverkehrsrichtlinie beispielhaft aufgeführt werden.27 Regelmäßig stellt die Vermögenstransaktion gleichzeitig eine Vermögensanlage dar. Der Begriff der einseitigen Übertragung ist im wirtschaftlichen Sinne aus der Sicht des Kapitaltransferierenden zu verstehen, der sein Kapital anlegt, ohne bereits durch die Übertragung den Anlagezweck zu realisieren. Die erstrebte Wertsteigerung, die Zins- oder die Dividendenausschüttung werden dadurch erst in Gang gesetzt. Die Voraussetzung der Einseitigkeit schließt diese Wertsteigerungen und Ausschüttungen nicht aus. Damit soll nur eine Abgrenzung zur Waren- und Dienstleistungsverkehrsfreiheit ermöglicht werden, bei denen die zweiseitige Wertübertragung kennzeichnend ist.28 25 Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Komm., 2002, Art. 56 EG Rnrn. 3, 15 ff. 26 Glaesner in: Schwarze (Hrsg.), EU-Komm., 2000, Art. 56 EG Rnr. 18; Loose, Das Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001, S. 55 ff.; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 111, 179 f. 27 Anhang I der Richtlinie 88/361 des Rates v. 24.6.1988 zur Durchführung von Art. 67 EWGV, ABl. EG 1988 Nr. L 178, S. 5; Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Komm., 2002, Art. 56 EG Rnrn. 47 ff.
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
97
3. Konkurrenzverhältnis der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit Die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit schützen unterschiedliche Sachbereiche und haben eine unterschiedliche Schrankensystematik. Fraglich ist, welche Bedeutung dem in jeder der beiden Grundfreiheiten enthaltenen Verweis auf die jeweils andere Grundfreiheit zukommt (Artt. 43 S. 3, 58 Abs. 2 EG). In der Literatur wird vertreten, der Vorbehalt des Art. 43 S. 3 EG bedeute, dass der Eingriff in den Schutzbereich allein nach den Artt. 56 ff. EG zu beurteilen sei, sobald die grenzüberschreitende Tätigkeit einen Kapitalverkehrsbezug aufweise. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit erstrecke sich grundsätzlich nicht auf die mit einer ausländischen Niederlassung verbundenen grenzüberschreitenden Investitionen, Finanztransfers und Finanzierungsvorgänge. Art. 58 Abs. 2 EG stelle klar, dass die Niederlassungsfreiheit nur dort anwendbar sei, wo der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nicht eröffnet sei.29 Eine Einschränkung soll demgegenüber gelten, wenn sich der Niederlassungsaspekt klar aus dem Kapitalverkehrsvorgang heraustrennen lasse. Dann sei auch der Diskriminierungsschutz des Art. 43 EG einschlägig.30 In der Literatur wird jedoch auch der Lösungsansatz vorgeschlagen, jeweils im Einzelfall zu bestimmen, welche der betroffenen Grundfreiheiten sachnäher und deshalb spezieller ist. Stellen sowohl die Niederlassung als auch die Kapitalbewegung ausschlaggebende Motive dar und sind nicht nur Folge oder Annex der anderen Grundfreiheit, sollen sie nebeneinander anwendbar sein. Über Art. 58 Abs. 2 EG kämen dann gegebenenfalls Rechtfertigungsgründe, die den Eingriff in die Niederlassungsfreiheit gestatten, auch bei Art. 58 Abs. 3 EG als Schranke zur Anwendung. Umgekehrt wird es für möglich gehalten, dass auch ein Rechtfertigungsgrund der Kapitalverkehrsfreiheit oder die SchrankenSchranke des Art. 58 Abs. 3 EG auf die Niederlassungsfreiheit zu übertragen ist.31 Art. 43 S. 3 EG und Art. 58 Abs. 2 EG können so verstanden werden, dass die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit kumulativ einschlägig sind, 28 Loose, Das Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001, S. 32 f. m. w. N. 29 Kiemel in: v. d. Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EU-Komm., 5. Aufl. 1997, Art. 73 d EG Rnr. 32; Kimms, Die Kapitalverkehrsfreiheit im Recht der Europäischen Union, 1996, S. 140. 30 Koblenzer, Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger, 1999, S. 148 f. 31 Loose, Das Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001, S. 45 ff., 52 f.; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 186 f., 189 f.; Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: ders. (Hrsg.), GS KnobbeKeuk, 1997, S. 743 ff., 749 ff.
98
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
wenn der Schutzbereich beider Freiheiten betroffen ist und eine Grundfreiheit nicht spezieller als die andere ist.32 Der letztgenannte Lösungsweg wird bereits dem Wortlaut der Vorschriften am besten gerecht. Auf einen Transfer der Schranken wird es allerdings nicht ankommen, wenn sich die bei beiden Grundfreiheiten in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe nicht unterscheiden. Die Übertragung der Schranken-Schranke des Art. 58 Abs. 3 EG auf einen Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit wird in der Praxis häufig entbehrlich sein, da bei der Niederlassungsfreiheit anerkanntermaßen ohnehin die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu prüfen ist. Damit ist auch die Rechtsprechung des EuGH vereinbar, der in seinen jüngeren Entscheidungen zum grenzüberschreitenden Erwerb von Geschäftsanteilen deutlich macht, dass der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit bei grenzüberschreitenden Investitionen, Finanztransfers und Finanzierungsvorgängen keineswegs verschlossen bleibt. Die Niederlassungsfreiheit wird sogar stets vorrangig vor der Kapitalverkehrsfreiheit geprüft, sobald die grenzüberschreitende Tätigkeit in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit fällt. Hierzu gehören die Fälle, in denen ein Anteilserwerb an einer gebietsfremden Gesellschaft die Stimmenmehrheit und damit maßgebenden Einfluss auf das Unternehmen verschaffte. Der Gerichtshof prüfte nach dem nicht gerechtfertigten Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht mehr eingehend die Vereinbarkeit der Bestimmungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit, obwohl für den Anteilserwerb auch die Kapitalverkehrsfreiheit berührt war.33 So ging der EuGH auch bei einem ungerechtfertigten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit vor, der ferner die Kapitalverkehrsfreiheit tangierte.34 Zu einem Transfer der Schranken oder SchrankenSchranken ist es in den Entscheidungen nicht gekommen, da bereits der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht gerechtfertigt war und damit ein Verstoß gegen primäres Gemeinschaftsrecht feststand. Auf die Prüfung eines Eingriffs in die Kapitalverkehrsfreiheit und der Rechtfertigung verzichtete der Gerichtshof, weil hierfür keine anderen Rechtfertigungsgründe und Verhältnismäßigkeitserwägungen als für die Niederlassungsfreiheit einschlägig waren. Für die Konkurrenz der Grundfreiheiten auf der Ebene des Schutzbereichs ist mithin davon auszugehen, dass die Kapitalverkehrsfreiheit neben der Niederlassungsfreiheit auch dann tangiert sein kann, wenn der einbringende Rechtsträger durch den Umfang der im Gegenzug erworbenen Anteile einen maßgeblichen 32 Ress/Ukrow in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 02/02, Art. 56 Rnrn. 28 ff., 31. 33 EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 16, 42; Urt. v. 5.11.2002, Rs. 208/00 „Überseering“, E 2002 I S. 9919 ff. Tz. 77, 94 f.; EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 34 ff. 34 EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 20 ff.; Urt. v. 5.11.2002, Rs. 208/00 „Überseering“, E 2002 I S. 9919 ff. Tz. 77.26.6.2003, Rs. 422/01 „Ramstedt“, E 2003 I S. 6830 ff.; Tz. 60.
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
99
Einfluss auf den aufnehmenden Rechtsträger gewinnt. Wenn ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegt, ist zu untersuchen, ob der Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit unter anderen Gesichtspunkten zu rechtfertigen ist oder ob der Beurteilungsmaßstab derselbe ist. 4. Einzelrechtsnachfolge a) Niederlassungsfreiheit aa) Einbringender Inländer Da die Niederlassungsfreiheit die Übernahme der Leitung eines Unternehmens umfasst, kommt eine grenzüberschreitende Niederlassung durch die Einbringung des Inländers in Betracht, wenn die von der ausländischen Kapitalgesellschaft gewährten Anteile eine solche Höhe erreichen, dass ein maßgebender Einfluss auf die Geschäftsführung des aufnehmenden Rechtsträgers genommen werden kann (Art. 43 S. 3 EG). Hierzu ist nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlich, dass der Einbringende eine Mehrheits- oder 100%-ige Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, erwirbt.35 Die Einbringung gegen Beteiligungserwerb fällt aber nicht in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit des einbringenden Inländers, wenn dieser für den (Teil-)Betrieb, den mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteil oder für einen Mitunternehmeranteil nur eine Minderheitsbeteiligung am ausländischen Unternehmen erwirbt, die ihm keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung des aufnehmenden Rechtsträgers verschafft. Der einbringende Inländer selbst könnte sich dann an sich nur auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen. Die Einbringung in eine EU-Personengesellschaft gegen Ausgabe eines Personengesellschaftsanteils ist eine Ausübung der Niederlassungsfreiheit, wenn der Einbringende damit eine maßgebende Einflussmöglichkeit auf die Geschäftspolitik gewinnt. Wenn er nach dem jeweiligen ausländischen Recht und der konkreten Struktur der übernehmenden, gebietsfremden Personengesellschaft unternehmerisch beteiligt wird, das heißt diese gründet bzw. leitet, lässt sich der Einbringende im Sitzland der Personengesellschaft nieder. Wenn die Personengesellschaft nach diesen Kriterien hingegen einer juristischen Person gleichzustellen ist, gilt das für die Einbringung in eine EU-Kapitalgesellschaft Ausgeführte.
35 EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 20 ff.; Urt. v. 5.11.2002, Rs. 208/00 „Überseering“, E 2002 I S. 9919 ff. Tz. 77.
100
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
bb) Aufnehmender Vertragspartner Fällt die Einbringung nicht in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit des Inländers, ist damit über deren Anwendbarkeit aber noch nicht abschließend entschieden. Richtet man den Blick auf den aufnehmenden Vertragspartner, so ist festzustellen, dass dieser durch den Erwerb des im Inland verbleibenden (Teil-)Betriebes eine Betriebstätte und damit eine Niederlassung im Inland begründet. Im Fall, dass ein mehrheitsvermittelnder Anteil in den gebietsfremden Rechtsträger eingebracht wird, kann der aufnehmende Rechtsträger die Leitung des Unternehmens übernehmen, dessen Anteile auf ihn übergehen. Deshalb kann auch in diesen Fällen eine Niederlassung des aufnehmenden Rechtsträgers im Sitzstaat der Gesellschaft, dessen Mehrheitsgesellschafter er wird, gesehen werden. Falls ein Mitunternehmeranteil an der inländischen Personengesellschaft eingebracht wird, wird der Aufnehmende im Inland Mitunternehmer. Da er dadurch maßgebenden Einfluss auf die inländische Personengesellschaft nehmen kann, betätigt er seine Niederlassungsfreiheit, indem er eine inländische Betriebstätte begründet. Der Aufnehmende ist zwar in den hier geprüften Fällen, in denen die Anwendung der Vorschriften des Umwandlungssteuergesetzes auf die grenzüberschreitende Transaktion versagt wird und die stillen Reserven der übertragenen Wirtschaftsgüter aufgedeckt werden, nicht steuerpflichtig. Die durch eine Besteuerung bewirkten wirtschaftlichen Belastungen des einbringenden Inländers greifen aber in die Grundfreiheiten des gebietsfremden, aufnehmenden Vertragspartners ein. Lehnt der steuerpflichtige Inländer einen Vertragsschluss ab, weil er nicht bereit ist, die stillen Reserven zu versteuern oder wälzt er die wirtschaftliche Belastung auf den nicht steuerpflichtigen Vertragspartner ab, wird die Übertragung unmöglich gemacht oder die Attraktivität der Transaktion für den nicht steuerpflichtigen Vertragspartner gemindert. cc) Möglichkeit der Berufung auf die Niederlassungsfreiheit des aufnehmenden Vertragspartners Fraglich ist, ob sich der steuerpflichtige Einbringende darauf berufen kann, dass der Erwerb des (Teil-)Betriebes oder des Kapitalgesellschafts- bzw. Mitunternehmeranteils in die Niederlassungsfreiheit seines Vertragspartners fällt, dass sich die aus dem Umwandlungssteuergesetz ergebenden Behinderungen für den aufnehmenden Vertragspartner nachteilig auswirken und nicht mit dessen Niederlassungsfreiheit vereinbaren lassen. Wenn der Steuerpflichtige eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit des aufnehmenden Vertragspartners wie die Verletzung einer eigenen Grundfreiheit rügen könnte, wäre er in der Lage, die fraglichen umwandlungssteuerrechtlichen Bestimmungen einer Überprüfung
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
101
auch am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zuzuführen. Es besteht sogar die Notwendigkeit, dass der Steuerpflichtige die Verletzung der Niederlassungsfreiheit des gebietsfremden Vertragspartners geltend macht, denn nur der Steuerpflichtige hat vor den nationalen Gerichten ein Rechtsschutzbedürfnis, das an ihn adressierte Steuergesetz als europarechtswidrig zu rügen und damit ein Vorlageverfahren an den EuGH zu erreichen. Deshalb ist es geboten, dem steuerpflichtigen Einbringenden die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit seines Vertragspartners zu ermöglichen und innerstaatliches Recht an diesem Maßstab überprüfen zu lassen. Diese Betrachtung findet ihre Grundlage in der Rechtsprechung des EuGH. Der Gerichtshof verlangt nicht, dass der Steuerpflichtige durch die Übertragung von Wirtschaftsgütern den sachlichen Anwendungsbereich einer Grundfreiheit verwirklicht. Der Steuerpflichtige, den statt Steuerfreistellung oder -entlastung die wirtschaftliche Belastung trifft, muss nicht derjenige sein, der sich darauf berufen kann, dass die der steuerlichen Belastung zugrunde liegende Transaktion in den Schutzbereich seiner eigenen Grundfreiheiten fällt. Der EuGH hat anerkannt, dass sich von zwei Vertragspartnern auch derjenige auf die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit seines Vertragspartners berufen kann, der durch die Besteuerung die unmittelbare wirtschaftliche Belastung zu tragen hat. Im Fall Halliburton36 hatte eine niederländische Konzerngesellschaft von einer deutschen Konzerngesellschaft im Rahmen einer Umstrukturierung ein in den Niederlanden belegenes Grundstück erworben. Für diesen Tatbestand war im Gesetz vorgesehen, dass die Erwerberin grunderwerbsteuerpflichtig war. Eine Grunderwerbsteuerpflicht wäre hingegen nicht entstanden, wenn das Grundstück Vermögen einer Kapitalgesellschaft der Veräußerin mit Sitz in den Niederlanden gewesen wäre. Die Erwerberin konnte auf ihrer Seite nur die wirtschaftliche Belastung durch die Steuerpflicht geltend machen. Von ihrer Niederlassungsfreiheit hatte die Erwerberin durch den Grundstückserwerb keinen Gebrauch gemacht. Betroffen war die Niederlassungsfreiheit der veräußernden Konzerngesellschaft. Ihre Niederlassung in der Bundesrepublik war die Ursache, dass das Grundstücksgeschäft nur mit Grunderwerbsteuerpflicht der niederländischen Konzerngesellschaft möglich war. Der EuGH gestattete es der steuerpflichtigen Erwerberin, sich gegenüber ihrem Sitzstaat auf die Behinderung der Niederlassungsfreiheit der Veräußerin zu berufen.37 Eine steuerliche Bestimmung kann also nach der Rechtsprechung des EuGH auch dadurch europarechtswidrig sein, dass sie den Vertragspartner des Steuerpflichtigen an der Ausübung seiner Grundfreiheiten hindert. Steuergesetze müssen den Steuerpflichtigen, der mit einem die Grundfreiheiten ausübenden, ge36
EuGH Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. EuGH Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. Tz. 19 f. 37
102
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
bietsfremden Vertragspartner kontrahiert, so behandeln, dass dieser Vertragspartner seine Grundfreiheiten ungehindert ausüben kann. Die Norm ist nur dann diskriminierungsfrei, wenn sie den Vertragspartner wie einen inländischen behandelt. Genießt der Inländer beim Inlandssachverhalt Steuerfreiheit, ist diese Steuerfreiheit grundsätzlich auch bei einem Vertragsschluss mit einem gebietsfremden Vertragspartner anzubieten. Folglich ist auch zugunsten des steuerpflichtigen Inländers, der mit der Übertragung von Wirtschaftsgütern keine Niederlassungsfreiheit ausübt, diese Grundfreiheit als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, wenn die Niederlassungsfreiheit des gebietsfremden Vertragspartners betroffen ist und diesen eine Besteuerung des Inländers an der Ausübung der Grundfreiheit hindern könnte. Wird der einbringende Rechtsträger durch das Umwandlungssteuergesetz in den hier zu prüfenden Fällen besteuert, könnte dieser von einer Einbringung absehen oder nur unter der Bedingung einverstanden sein, dass der Erwerber eine höhere Beteiligung oder zusätzliche Gegenleistungen ausgibt. Damit ist eine Behinderung bei der Begründung einer Niederlassung für den aufnehmenden Rechtsträger denkbar. b) Kapitalverkehrsfreiheit Die wirtschaftlichen Vorgänge der Einbringung eines (Teil-)Betriebes, mehrheitsvermittelnder Anteile bzw. von Mitunternehmeranteilen durch einen inländischen in einen gebietsfremden Rechtsträger mittels Einzelrechtsnachfolge fallen auch unter den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit des einbringenden Inländers. Dieser investiert Sachwerte an einem ausländischen Kapitalanlageort, dem Sitz des aufnehmenden Rechtsträgers. Er legt Kapital an, um in der Zukunft ausländische Dividenden- oder Gewinnausschüttungen des aufnehmenden Rechtsträgers zu erhalten. Mithin kann der Einbringende die ihn an der Vermögenstransaktion hindernden Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes auch am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit überprüfen lassen.
5. Gesamtrechtsnachfolge a) Ausgliederung aa) Niederlassungsfreiheit Bei der Vermögensübertragung durch Ausgliederung im Austausch gegen eine Beteiligung bleibt der übertragende Rechtsträger bestehen und wird neuer Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft (§ 123 Abs. 3 UmwG). Der einzige Unterschied zur Sacheinlage durch Einzelrechtsnachfolge ist die Sonderrechtsnachfolge des übertragenen Vermögens. Der ausgliedernde Rechtsträger,
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
103
den die steuerliche Belastung aus der Aufdeckung stiller Reserven treffen kann, bleibt bestehen und erwirbt einen Anteil an der übernehmenden Gesellschaft. Es gilt das zur Einzelrechtsnachfolge Ausgeführte.38 Die Niederlassungsfreiheit wird ausgeübt, wenn der Ausgliedernde kraft der erworbenen Beteiligung maßgebenden Einfluss auf die Erwerberin nehmen kann. Sofern für die Ausgliederung keine Mehrheits- oder 100%-ige Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger ausgegeben wird, lässt sich der ausgliedernde Rechtsträger nicht grenzüberschreitend nieder. Auch hier kann sich aber der Ausgliedernde auf die Niederlassungsfreiheit seines Vertragspartners berufen, der durch die Ausgliederung eine inländische Betriebstätte erwirbt. bb) Kapitalverkehrsfreiheit Für die Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit ist es unerheblich, ob Vermögen durch eine Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge übergeht. Deshalb übt der übertragende Rechtsträger durch die Ausgliederung von Vermögen und den Erwerb der Anteile auch bei der Ausgliederung seine Kapitalverkehrsfreiheit aus. Wird Vermögen aus einer Personengesellschaft ausgegliedert und dieser im Gegenzug eine Beteiligung gewährt, ist fraglich, ob es für die Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit darauf ankommt, wen man als ausgliedernden Rechtsträger ansieht. Folgt man der Auffassung, die in der Mitunternehmerschaft den Ausgliedernden sieht, übt diese durch die Ausgliederung auf einen gebietsfremden Vertragspartner ihre Kapitalverkehrsfreiheit aus. Steuerliche Behinderungen einer Ausgliederung aus der Mitunternehmerschaft, träfen hingegen die steuerpflichtigen Mitunternehmer. Sie machen selbst nicht unmittelbar von ihrer Kapitalverkehrsfreiheit Gebrauch, da übertragender Rechtsträger und Empfänger der Gegenleistung die Mitunternehmerschaft ist. Die steuerpflichtigen Mitunternehmer können sich aber im Sinne der Rechtsprechung Halliburton darauf berufen, dass sowohl die ausgliedernde Mitunternehmerschaft als auch der Erwerber die Kapitalverkehrsfreiheit verwirklichen.39 Die Vertragspartner, zwischen denen das Vermögen übergeht, werden mittelbar bei der Vermögensübertragung und damit der Betätigung der Kapitalverkehrsfreiheit behindert, wenn eine steuerneutrale Übertragung versagt wird und die Mitunternehmer des ausgliedernden Rechtsträgers die Steuerlast zu tragen haben. Werden als ausgliedernde Rechtsträger mit der Gegenmeinung die einzelnen Mitunternehmer anstelle der Mitunternehmerschaft angesehen, sind die Steuer38
Vgl. zuvor unter I.II.4.a). Vgl. EuGH Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. Tz. 19 f. 39
104
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
pflichtigen gleichzeitig übertragende Rechtsträger, während die Mitunternehmerschaft die Beteiligung erhält. Die Mitunternehmer üben dann ihre Kapitalverkehrsfreiheit aus. Es kann für die Eröffnung des Schutzbereichs der Kapitalverkehrsfreiheit mithin dahinstehen, ob die Mitunternehmerschaft oder die steuerpflichtigen Mitunternehmer als ausgliedernder Rechtsträger angesehen werden. Behinderungen bei der Ausgliederung aus einer Mitunternehmerschaft können in jedem Fall auf die Vereinbarkeit mit der Kapitalverkehrsfreiheit geprüft werden. b) Abspaltung aa) Niederlassungsfreiheit Die Abspaltung zeichnet sich dadurch aus, dass der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt, während die Anteilsinhaber für das durch Sonderrechtsnachfolge übergehende Vermögen an der übernehmenden Gesellschaft beteiligt werden (§ 123 Abs. 2 UmwG). Falls ausreichend Anteile gewährt werden, können nur die Anteilseigner die Leitung des Unternehmens der übernehmenden Gesellschaft an sich ziehen. Für den steuerpflichtigen Abspaltenden stellt sich diese Vermögensübertragung mithin nicht unmittelbar als Betätigung der Niederlassungsfreiheit dar. Der abspaltende übertragende Rechtsträger darf sich aber auf die Niederlassung des Vertragspartners beziehen, unabhängig von der Höhe der gewährten Beteiligung. Gleiches gilt für die Abspaltung von einer Mitunternehmerschaft. Werden die steuerpflichtigen Mitunternehmer als Abspaltende angesehen, die neue Anteilseigner werden, können sie in ihrer Niederlassungsfreiheit auch selbst betroffen sein. bb) Kapitalverkehrsfreiheit Spaltet eine Körperschaft Vermögen durch Sonderrechtsnachfolge auf einen gebietsfremden Rechtsträger ab, könnte für sie der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet sein. Sie überträgt einen Teil ihres Vermögens und ist steuerpflichtig, soweit nicht das Umwandlungssteuergesetz einen Besteuerungsaufschub gestattet. Allerdings wird nicht der abspaltende Rechtsträger beteiligt, sondern dessen Anteilsinhaber. Es kommt also nicht zu einem kompletten Austausch von Leistung und Gegenleistung unmittelbar zwischen den Vertragspartnern. Deshalb könnten Zweifel entstehen, ob dies noch als Betätigung der Kapitalverkehrsfreiheit der abspaltenden Gesellschaft angesehen werden kann. Dafür spricht aber entscheidend, dass die abspaltende Körperschaft ihren Vermögens-
I. Überprüfbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes
105
teil unter Zustimmung der Anteilseigner auf den Vertragspartner überträgt und damit bewusst die Entscheidung getroffen wird, dass die Anteilseigner die Gegenleistung erhalten, nicht die Körperschaft. Jedenfalls könnte sich die abspaltende Körperschaft darauf berufen, dass ihr Vertragspartner während der Ausgliederung seine Kapitalverkehrsfreiheit ausübt. Der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit des übernehmenden Rechtsträgers ist betroffen, da steuerliche Behinderungen des Ausgliedernden die Ausgliederung verhindern oder für den übernehmenden Rechtsträger wirtschaftlich weniger attraktiv machen können. Gleiches gilt für die Mitunternehmerschaft, von der ein Vermögensteil abgespalten werden soll bzw. für die Mitunternehmer. Auch in diesem Fall kann sich die abspaltende Mitunternehmerschaft bzw. können sich die abspaltenden Mitunternehmer zumindest auf die Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit durch den übernehmenden Vertragspartner berufen. Werden die Mitunternehmer als abspaltende Rechtsträger angesehen, wäre ihre Kapitalverkehrsfreiheit sogar direkt tangiert. Dann würden die zivilrechtlichen Hindernisse und die steuerlichen Behinderungen die Mitunternehmer treffen, die sich auf die Beeinträchtigung ihrer eigenen Kapitalverkehrsfreiheit berufen könnten. c) Verschmelzung und Aufspaltung aa) Niederlassungsfreiheit Bei der Verschmelzung und der Aufspaltung geht der übertragende Rechtsträger unter. Die Anteilsinhaber werden Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers (§§ 2, 123 Abs. 1 UmwG). Die Verschmelzung und die Aufspaltung haben mit der Abspaltung gemeinsam, dass die neue Beteiligung den Anteilseignern gewährt wird. Da die neue Beteiligung den Anteilseignern der übertragenden Gesellschaft gewährt wird, kann auf die Ausführungen zur Niederlassungsfreiheit bei der Abspaltung verwiesen werden.40 bb) Kapitalverkehrsfreiheit Bei der Verschmelzung und der Aufspaltung wird die neue Beteiligung den Anteilseignern gewährt. Deshalb ist die Frage, ob diese Formen der Gesamtund Sonderrechtsnachfolge Ausfluss der Kapitalverkehrsfreiheit der übertragenden Körperschaft sind, genauso zu beantworten wie bei der Abspaltung. Der übertragende Rechtsträger darf sich jedenfalls auf die Kapitalverkehrsfreiheit 40
Vgl. zuvor I.II.5.b)aa).
106
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
des übernehmenden Rechtsträgers stützen, der das Vermögen erwirbt und durch die Beteiligung der Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers vergütet.41 Die Kapitalverkehrsfreiheit des übernehmenden Rechtsträgers ist sogar direkt betroffen, da die steuerlichen Belastungen durch den liquidationslosen Untergang der verschmolzenen oder aufgespaltenen Körperschaft auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen. Wird eine Mitunternehmerschaft verschmolzen oder aufgespalten und die Mitunternehmerschaft als übertragender Rechtsträger angesehen, gilt dasselbe. Werden die Mitunternehmer als verschmelzender oder aufspaltender Rechtsträger behandelt, üben sie ihre Kapitalverkehrsfreiheit aus, die durch die umwandlungsrechtlichen Vorschriften beeinträchtigt sein könnte. Steuerlich wäre zwar der übernehmende Rechtsträger als Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolger belastet. Auf die steuerliche Belastung des Vertragspartners könnten sich die Mitunternehmer nach den geschilderten Rechtsprechungsgrundsätzen aber berufen. d) Ausländische Umwandlung mit inländischem Gesellschafter aa) Niederlassungsfreiheit Eine unbeschränkt steuerpflichtige Person kann Anteilseigner einer gebietsfremden Körperschaft sein, die in eine andere, ebenfalls gebietsfremde Körperschaft umgewandelt wird. Der inländische Anteilseigner der gebietsfremden, umgewandelten Körperschaften übt, abgesehen von den Fällen maßgebenden Einflusses durch Anteilsmehrheit, durch den Anteilserwerb und durch die Umwandlung keine von der Niederlassungsfreiheit umfasste Tätigkeit aus. Der Anteilsinhaber kann sich aber nach der Rechtsprechung des EuGH darauf berufen, dass die Vertragspartner der Umwandlung im Ausland von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen. bb) Kapitalverkehrsfreiheit Die steuerlichen Hindernisse für den inländischen Anteilseigner sind an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen, weil der Anteilserwerb Bestandteil der Kapitalverkehrsfreiheit ist. Der Anteilseigner hat eine Beteiligung erworben und hat hierfür eine gebietsfremde Körperschaft gewählt.42
41
Vgl. o. I.II.5.b)bb). Vgl. Haritz/Homeister, Besteuerung deutscher Anteilseigner bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im Ausland und Europarecht – zugleich ein Beitrag zu § 13 UmwStG, FR 2001 S. 941, 945. 42
J. Untersagte Behinderungen
107
6. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist festzustellen, dass die hier untersuchten Fälle der Einzel- und der Gesamtrechtsnachfolge als wirtschaftliche Vorgänge am Maßstab der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit überprüft werden können. Der Schutzbereich dieser Grundfreiheiten des steuerlich belasteten Einbringenden bei der Einzelrechtsnachfolge bzw. des übertragenden Rechtsträgers bei der Gesamt- und Sonderrechtsnachfolge ist betroffen, wenn er einen maßgebenden Einfluss auf die Geschäftsführung der aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft erwirbt, oder wenn Vermögen in eine EU-Personengesellschaft gegen eine Beteiligung übergeht. Erhält der Einbringende oder Übertragende nur eine Minderheitsbeteiligung an einer EU-Kapitalgesellschaft bzw. erlangt er bei der Sonderrechtsnachfolge keine Anteile, kann er sich gegenüber dem Herkunftsstaat darauf berufen, dass die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit des Vertragspartners tangiert sind. Der ausländische Vertragspartner begründet eine Niederlassung im Inland bzw. übernimmt die Leitung eines Unternehmens. Damit kann der Inländer in jedem Fall einen Verstoß umwandlungsrechtlicher und umwandlungssteuerrechtlicher Vorschriften gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit rügen.
J. Von der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit untersagte Behinderungen grenzüberschreitend agierender Inländer durch den Herkunftsstaat I. Überblick Nachdem festgestellt wurde, dass die Behinderungen am Maßstab der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrages überprüft werden können, ist nunmehr fraglich, wie weit der Schutzbereich der Grundfreiheiten in Bezug auf die Eingriffsformen reicht. Die einzelnen steuerlichen Belastungen, die an die Umwandlungen geknüpft werden, müssten als Eingriffe in die Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit qualifiziert werden können. Außerdem müssten die Belastungen, die sich aus der fehlenden zivilrechtlichen Grundlage für eine Gesamt- und Sonderrechtsnachfolge bei den Umwandlungen ergeben, einen Eingriff darstellen. Hierzu bedarf es zunächst der Klärung, welche Eingriffsformen von den beiden Grundfreiheiten untersagt werden. Die in der Literatur vertretenen Auffassungen werden kurz zusammengefasst. Da nach fast allen Vertretern der Literatur jedenfalls dieselben Rechtfertigungsgründe auf diskriminierende und be-
108
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
schränkende Eingriffe in die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit anzuwenden sind, läge es nahe, der Abgrenzung dieser Eingriffsformen keine gesteigerte Bedeutung zuzumessen. In dieser Untersuchung wird aber von den Unterschieden in den Voraussetzungen sowie in den für diese Eingriffe einschlägigen Rechtfertigungsgründen ausgegangen und der unterschiedslosen Anwendbarkeit der Rechtfertigungsgründe nicht gefolgt. Dieser Lösungsweg bietet zahlreiche Vorteile, die im Einzelnen im folgenden Teil dargestellt werden. Der hauptsächliche Vorteil der Abgrenzung der Eingriffsformen in einem ersten Prüfungsschritt liegt darin, dass auf der Rechtfertigungsebene in einem zweiten Schritt differenziert werden kann, welche Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen und welche von vornherein ausgeschlossen sind. Dadurch wird eine höhere Rechtssicherheit gewährleistet, als es bislang der Fall ist. In den Argumentationen der Mitgliedstaaten und der Unionsbürger in den dem EuGH vorgelegten Fällen tritt diese Rechtsunsicherheit zutage, wenn für Eingriffe, unabhängig ihrer Rechtsnatur, Rechtfertigungsgründe vorgebracht werden, ohne darzulegen, ob sie für diese Eingriffsform überhaupt anwendbar sind. Der EuGH behandelt diese theoretischen Fragen kaum.43 Es wird im Folgenden aber dargelegt, dass das dieser Untersuchung zugrunde gelegte Konzept zur Behandlung von Diskriminierungen und Beschränkungen von Inländern, das im Teil L. nochmals zusammengefasst wird, mit der Rechtsprechung ohne weiteres vereinbar ist und vermeintliche Unklarheiten oder Widersprüche in der Judikatur aufgelöst werden können. Die im ersten Teil festgestellten Belastungen können danach im dritten Teil eingeordnet und abschließend auf ihre Rechtmäßigkeit untersucht werden.
II. Literatur 1. Lehre vom reinen Diskriminierungsverbot In der Literatur ist vorgeschlagen worden, den Schutzbereich der Grundfreiheiten nur auf unmittelbare oder mittelbare Ungleichbehandlungen zwischen Unionsbürgern oder -gesellschaften durch steuerrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu erstrecken. Behinderungen Gebietsfremder im Bestimmungsstaat sind nach dieser Ansicht untersagt, wenn sie anders als Inländer in einer vergleichbaren Lage behandelt werden. Beschränkende Eingriffe in die Grundfreiheiten sollen jedoch durch die Grundfreiheiten nicht verhindert werden.44 43 Zu den von der französischen Rechtstradition geprägten Besonderheiten des Entscheidungsstils des EuGH, der Auseinandersetzungen mit der Literatur und Rechtsprechung vermeidet, Schulze-Osterloh, Das deutsche Recht am Ende des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Europäischen Gerichtshofs, in: Lieb u. a. (Hrsg.), FS Zöllner, 1998, S. 1245, 1248.
J. Untersagte Behinderungen
109
Definiert man das reine Diskriminierungsverbot so, ist nicht klar, inwiefern Behinderungen von Inländern durch den Herkunftsstaat bei der grenzüberschreitenden Niederlassung bzw. dem grenzüberschreitenden Kapitalverkehr untersagt sind. Wendet man auf die Behinderungen von Inländern durch ihren Heimatstaat das Verbot der Diskriminierung von Gebietsfremden gegenüber Inländern analog an,45 wäre die unterschiedliche Behandlung von grenzüberschreitend agierenden Inländern gegenüber Inländern, die die Grenze nicht überschreiten, verboten. Gestattet wären dagegen Behinderungen, soweit sie keine unterschiedliche Behandlung der grenzüberschreitenden Inländer mit den übrigen Inländern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, darstellen.46 Vertreter der Auffassung vom reinen Diskriminierungsverbot verweisen zur Begründung ihrer Auffassung darauf, dass jedenfalls die Besonderheiten des Steuerrechts einem Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten grundsätzlich entgegenstünden. Die grenzübergreifende Besteuerung unbeschränkt Steuerpflichtiger nach dem Welteinkommensprinzip schafft ein erhebliches Konfliktpotential, das in anderen Rechtsbereichen nicht besteht. Während die Regelungen des (Wohn-)Sitzstaates nämlich normalerweise auf dessen Hoheitsgebiet begrenzt sind und in anderen Mitgliedstaaten nicht gelten, werden die Einkünfte des grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen sowohl im Ausland als Quelleneinkünfte als auch im Land seines (Wohn-)Sitzes als Welteinkommen besteuert. Ließe man zu, dass die Steuerpflichtigen einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten auch dann rügen dürfen, wenn Gebietsfremde und Inländer durch das Gesetz demselben Besteuerungstatbestand und derselben Rechtsfolge ausgesetzt sind, würden die Steuerpflichtigen gegen die Besteuerung an sich vorgehen können. Die Beschränkung liege entweder darin, dass der Steuerpflichtige im Inland überhaupt besteuert wird oder in der Besteuerungshöhe. Würde der Rechtsschutz der Unionsbürger und unionszugehörigen Gesellschaften in dieser Weise über das Inländergleichbehandlungsgebot hinaus erweitert, wären die Mitgliedstaaten gezwungen, das Bestehen einer Steuer bzw. die Höhe des Steuersatzes mit Gemeinwohlinteressen zu rechtfertigen.47
44 Koblenzer, Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger, 1999, S. 149 f. für die Niederlassungsfreiheit und S. 140 f. für die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Vgl. ferner die Nachweise bei Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, 1999, S. 118 ff. 45 Vgl. Troberg in: v. d. Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EU-Komm., 5. Aufl. 1997, Art. 52 Rnr. 66. 46 Vgl. Koblenzer, Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger, 1999, S. 149 f. unter Berufung auf EuGH Urt. v. 7.2.1979, Rs. 23/93 „Knoors“, E 1979 S. 400 ff. und EuGH Urt. v. 27.9.1988, Rs. 81/87 „Daily Mail“, E 1988 I S. 5505 ff. 47 Koblenzer, Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger, 1999, S. 141 f.; Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnrn. 119 f., 216.
110
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Die Gemeinschaft sei zwar auf eine weitgehende Integration ausgerichtet, gewährleiste aber nur die Abschaffung der grenzübertrittsspezifischen Behinderungen (Marktfreiheit) und die Beseitigung von Belastungen, die sich aus der Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen ergäben (Marktgleichheit). Die Marktgleichheit erfordere keine Vereinheitlichung des Rechts der Mitgliedstaaten, da die Grundfreiheiten nicht das Ziel verfolgten, Grundnormen für die gesamten nationalen Rechtsordnungen aufzustellen. Die Marktgleichheit sei im Rahmen der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit dadurch herzustellen, dass Produkte, die den Regelungen des Herkunftslandes entsprechen, frei im Binnenmarkt zirkulieren können (Herkunftslandprinzip).48 Im Bereich der Arbeitnehmer- und der Niederlassungsfreiheit erfordere die Marktgleichheit über das Inländergleichbehandlungsgebot hinaus jedoch lediglich, dass sich die grenzüberschreitend Tätigen im Bestimmungsland auf die Anerkennung der im Heimatstaat erworbenen beruflichen Qualifikationen berufen dürfen. Im Übrigen hätten sich Arbeitnehmer, Selbstständige und juristische Personen auf das im Bestimmungsland geltende Recht einzustellen. Sie könnten nicht einzelne Elemente der mitgliedstaatlichen Regelungen, die Teil eines nationalen Rechtssystems sind, zur Disposition stellen und damit den Bestand eines gesamten Systems bedrohen.49 Deshalb sei es nicht vertretbar, potenziell sämtliche mitgliedstaatlichen Vorschriften mit Hilfe eines Beschränkungsverbots einem gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigungszwang zu unterwerfen. Anderenfalls greife die Judikative in originäre Kompetenzen der mitgliedstaatlichen Legislative ein, die außerhalb des Art. 94 EG die ausschließliche Kompetenz zur Harmonisierung der direkten Steuern habe. Die Geltung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote führe zu einem einheitlichen, supranationalen Recht und gehe damit über die Zielsetzung des Art. 14 EG weit hinaus.50
48 Grabitz, Über die Verfassung des Binnenmarktes, in: Baur/Hopt/Mailänder (Hrsg.), FS Steindorff, 1990, S. 1229, 1234 ff.; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, 2000, S. 44 ff., 61 ff.; Steindorff, Gemeinsamer Markt als Binnenmarkt, ZHR 150 (1986) S. 687, 689. 49 Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnrn. 105 ff.; Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, 1999, S. 118 ff. m. w. N. 50 Vgl. Eckhoff, Niederlassungsfreiheit, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 1995, S. 543, 555 f.; Hoffmann, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, 2000, S. 49 ff.; Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 115 f.; Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnrn. 91 ff.; Roth, Die Niederlassungsfreiheit zwischen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot, in: Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 729, 736 ff.; Weber, Die Dienstleistungs-
J. Untersagte Behinderungen
111
Schließlich wird der Rechtsprechung entnommen, dass der Europäische Gerichtshof bislang daran festhalte, den Schutzgehalt der Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern auf ein Diskriminierungsverbot einzuengen. Der EuGH vertrete für direkte Steuern eine Bereichsausnahme von den im Übrigen ebenfalls als Eingriff in die Grundfreiheiten anerkannten Beschränkungen.51 Damit gelte für direkte Steuern nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur ein Diskriminierungs-, kein Beschränkungsverbot. Behinderungen von Inländern durch direkte Steuern wären dann stets nur auf eine unmmittelbare oder mittelbare Diskriminierung überprüfbar.52 Dennoch wird von Anhängern der Lehre vom reinen Diskriminierungsverbot im Bereich der direkten Steuern vereinzelt vorgeschlagen, für zwei Fallgruppen ausnahmsweise auch ein Verbot von Beschränkungen anzuerkennen. Das soll zum einen gelten, wenn Steuerpflichtige Beschränkungen spezifisch im Falle des Weg- oder Zuzuges erleiden, sodass die Besteuerung prohibitiven Charakter trägt. In diesem Fall soll sogar das Bestehen der Steuer selbst bzw. die Besteuerungshöhe als Verstoß gegen die Grundfreiheiten gerügt werden können.53 Die zweite Ausnahme zugunsten eines Beschränkungsverbotes soll zuzulassen sein, wenn Steuerpflichtige durch ihren Heimatstaat an der grenzüberschreitenden Tätigkeit gehindert werden.54 Diese Ausnahme wäre für die hier zu prüfenden Fälle einschlägig, wenn sich unter den im ersten Teil der Arbeit festgestellten Behinderungen auch solche befinden, die nicht auf einer unterschiedlichen Behandlung von Steuerpflichtigen beruhen. 2. Lehre vom umfassenden Beschränkungsverbot Im Gegensatz zur Lehre vom reinen Diskriminierungsverbot wird teilweise vertreten, alle Grundfreiheiten gewährleisteten ein umfassendes Beschränkungsverbot. Das Beschränkungsverbot enthalte ein Diskriminierungsverbot, das ei-
freiheit nach den Art. 59 ff. EG-Vertrag – einheitliche Schranken für alle Formen der Dienstleistung?, EWS 1995 S. 292, 294 ff. 51 So die Auslegung der EuGH-Urteile durch Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, 1999, S. 106 ff.; Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnrn. 120, 126, 216, 224. 52 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnrn. 119 f., 216, 224. 53 Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnr. 218. 54 Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnr. 217.
112
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
nen Unterfall der Beschränkungen darstelle. Jede Diskriminierung sei tatbestandlich und in der Rechtfertigung wie eine Beschränkung zu beurteilen.55 Folgte man dieser Auffassung, könnte die Unterteilung von Eingriffen in die Kapitalverkehrs- und die Niederlassungsfreiheit sowie in die anderen Grundfreiheiten nach der unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte und nach beschränkenden Bestimmungen entfallen. 3. Lehre vom Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot Zwischen den gegensätzlichen Meinungen, die den Gewährleistungsgehalt der Grundfreiheiten generell auf ein Diskriminierungsverbot einengen oder auf ein umfassendes Beschränkungsverbot ausdehnen möchten, stehen die Vertreter der Auffassung, dass sich aus dem EG-Vertrag für die Niederlassungsfreiheit, die Kapitalverkehrsfreiheit und die weiteren Grundfreiheiten sowohl ein Diskriminierungs- als auch ein Beschränkungsverbot ableiten lasse. Die zunächst außerhalb des Steuerrechts entwickelte Dogmatik, dass die Grundfreiheiten ein Beschränkungsverbot einschließen,56 hat sich mittlerweile auch im Bereich der direkten Steuern durchgesetzt.57 Eine Bereichsausnahme vom Beschränkungs55 Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, EuR 2000 S. 705, 709 f.; Weiß, Nationales Steuerrecht und Niederlassungsfreiheit, EuZW 1999 S. 493, 495, 497. 56 Zu Art. 43 EG Everling, Das Niederlassungsrecht in der EG als Beschränkungsverbot, in: Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 607, 608; Roth, Die Niederlassungsfreiheit zwischen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot, in: Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 729, 731 ff., 740 ff. Zur Entwicklung der Rechtsprechung ausführlich Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 127 ff. Zu Art. 39 EG z. B. Brechmann in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Komm. z. EU, 2. Aufl. 2002, Art. 39 EG Rnrn. 48 f.; Nettesheim, Die europarechtlichen Grundrechte auf wirtschaftliche Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996 S. 342; Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnrn. 86 ff. Zu Art. 49 EG Geiger, EUV/EGV-Komm., 4. Aufl. 2004, Art. 50 EG Rnrn. 11 ff.; Hakenberg in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EG-Komm., 3. Aufl. 2003, Artt. 49/50 Rnrn. 22 ff.; Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, 1999, S. 118 ff., jeweils m. w. N. 57 Bieg, Der Gerichtshof der EG und sein Einfluss auf das deutsche Steuerrecht, 1997, S. 95 ff.; Eckhoff, Niederlassungsfreiheit, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 1995, S. 543, 573; Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, 1999, S. 122 ff.; Jann, Die Auswirkung des EU-Rechts auf die Abkommensberechtigung von beschränkt Steuerpflichtigen, SWI 1996 S. 400, 403 ff.; Kaass, Europäische Grundfreiheiten und deutsche Erbschaftsteuer, 2000, S. 66 ff., 82 f., 104 f.; Kuntze, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, 1999, S. 100 f.; Lehner, Anmerkung zum Urteil „Gilly“, IStR 1998 S. 341, 342; ders., Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263, 272 f.; Loose,
J. Untersagte Behinderungen
113
verbot soll nach der herrschenden Meinung für Vorschriften zu den direkten Steuern nicht anzuerkennen sein. Auch jede unterschiedslos geltende Bestimmung der Rechtsordnung des Herkunfts- oder des Bestimmungslandes könne zu einem Eingriff in die Grundfreiheiten des grenzüberschreitend Tätigen führen. Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass Behinderungen von Inländern durch ihren Herkunftsstaat sowohl durch diskriminierende als auch durch beschränkende Eingriffe entstehen können. In einer unterschiedlichen Behandlung von grenzüberschreitend tätigen Inländern und Inländern, die ihre Aktivitäten auf das Inland beschränken, könne eine Diskriminierung liegen.58 Speziell zu den Fällen der Behinderungen von Inländern durch rechtliche Anforderungen an ihre Vertragspartner finden sich jedoch keine Stellungnahmen. Teilweise nähern sich aber auch die Vertreter dieser herrschenden Meinung an das reine Beschränkungsverbot an, indem sie mittelbare Diskriminierungen als Fall des beschränkenden Eingriffs behandeln und damit den unterschiedslosen Behandlungen gleichstellen. Mit der Vereinheitlichung der Eingriffsformen wird bezweckt, die unsichere Abgrenzung von mittelbar diskriminierenden und beschränkenden Eingriffen im Schutzbereich zu überwinden.59 Die gängige Unterteilung, nach der eine mittelbar diskriminierende Maßnahme geeignet ist, ausschließlich, regelmäßig oder eher nur Gebietsfremde im Unterschied zu Gebietsansässigen zu treffen und sich für diese nachteilig auszuwirken,60 sei nicht handhabbar. Es entstünden inDas Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001, S. 41 ff.; Mössner/Kellersmann, Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Körperschaftsteueranrechnungsverfahren, DStZ 1999 S. 505 f.; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 140 f. für die Niederlassungsfreiheit und S. 180 für die Kapitalverkehrsfreiheit; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme –, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39, 53 f., 59 ff.; Toifl, Die steuerliche Behandlung im Ansässigkeitsstaat als europarechtlicher Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung im Quellenstaat?, SWI 1996 S. 406, 407 ff.; Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Europäischen Union, 1998 S. 184 f.; Wimpissinger, Der Fall Verkooijen und seine Auswirkungen, SWI 2000 S. 313, 315 ff. 58 Vgl. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 125 f., 132 ff.; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme –, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39, 53 ff.; Troberg in: v. d. Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), EUKomm., 5. Aufl. 1997, Art. 52 Rnr. 66. 59 Bieg, Der Gerichtshof der EG und sein Einfluss auf das deutsche Steuerrecht, 1997, S. 324 ff.; Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995, S. 110. Ebenso Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, 1999, S. 106. 60 Die Definition wird auf EuGH Urt. v. 12.2.1974, Rs. 152/73 „Sotgiu“, E 1974 S. 153 ff. Tz. 11 zurückgeführt.
114
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
konsequente Ergebnisse, da eine beschränkende Maßnahme in gleicher Weise nachteilig wirke.61 Die Vereinheitlichung von mittelbaren Diskriminierungen und Beschränkungen zu einem umfassenden Beschränkungsverbot, das Diskriminierungen nur als Spezialfall enthält, sei auch nützlich, weil es sich bei der praktischen Beurteilung von Fällen der Diskriminierung von Gebietsfremden gegenüber Inländern als schwierig erwiesen habe, die tatsächliche und die rechtliche Situation der Gebietsfremden und der Inländer zu vergleichen. Deshalb hätten sich hierzu auch keine klar umrissenen Kriterien entwickelt.62 Im Streben nach der Vereinheitlichung der Eingriffsformen werden die hier untersuchten Behinderungen grenzüberschreitend tätiger Inländer durch den Herkunftsstaat von diesen Vertretern der herrschenden Meinung als Beschränkungen der Inländer behandelt. Wie bei der Lehre vom reinen Diskriminierungsverbot wird argumentiert, das Gleichbehandlungsgebot ordne lediglich die gleiche Behandlung von Gebietsfremden im Verhältnis zu Inländern an. Das Verbot der unterschiedlichen Behandlung erschöpfe sich im Verbot der Diskriminierung Gebietsfremder gegenüber Inländern und verbiete nicht etwa Differenzierungen zwischen den Inländern nach grenzüberschreitender und reiner Binnentätigkeit. Wenn Inländer an einer Ausübung ihrer Grundfreiheiten gehindert werden, würden alle Inländer, die grenzüberschreitend agieren wollen, gleich behandelt. Alle Inländer hätten dieselben Hindernisse bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit hinzunehmen. Innerhalb der Gruppe der Inländer könne nicht differenziert werden. Die Anerkennung des Beschränkungsverbotes sei also zum Schutz der Inländer gegenüber ihrem Herkunftsstaat erforderlich.63
61 Bieg, Der Gerichtshof der EG und sein Einfluss auf das deutsche Steuerrecht, 1997, S. 325 f.; Brechmann in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Komm. z. EU, 2. Aufl. 2002, Art. 39 Rnr. 46; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 118 ff., 128 ff.; Jann, Die Auswirkung des EU-Rechts auf die Abkommensberechtigung von beschränkt Steuerpflichtigen, SWI 1996 S. 400, 402; Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot?, DB 1990 S. 2573, 2576; Kruse, Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften innerhalb der EG, 1997, S. 85, möchte zwischen Regelungen differenzieren, die ausschließlich oder überwiegend Ausländer betreffen (Diskriminierung) und die nur häufig Ausländer treffen (Beschränkung). 62 Vgl. Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot?, DB 1990 S. 2573, 2576; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 153. 63 Vgl. Kaass, Europäische Grundfreiheiten und deutsche Erbschaftsteuer, 2000, S. 66 ff., 82 f., 104 ff.; Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot?, DB 1990 S. 2573 ff.; Lehner, Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263, 272 f.
J. Untersagte Behinderungen
115
4. Stellungnahme a) Eingrenzung der Beeinträchtigungsformen auf die Diskriminierung Es erscheint zweifelhaft, ob die Auffassungen zum reinen Diskriminierungsverbot und zum reinen Beschränkungsverbot in hinreichendem Maße ihre Stütze in den Grundfreiheiten finden. Art. 3 Abs. 1 lit. c EG beschreibt das Binnenmarktziel mit der Beseitigung aller Hindernisse für die Grundfreiheiten. Es sollen folglich nicht nur Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit und versteckte Ungleichbehandlungen verhindert werden. Die Sichtweise der herrschenden Meinung entspricht dem Wortlaut des Art. 43 EG für die Niederlassungsfreiheit, der Artt. 56 Abs. 1, 58 Abs. 1, 3 EG für die Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Artt. 28–30, 39 Abs. 2, 3, 49 S. 1, 55 EG für die übrigen Grundfreiheiten. Der Vertragstext führt als untersagte Behinderungen sowohl unterschiedliche Behandlungen nach der Herkunft als auch Beschränkungen an. Die Grundfreiheiten verhelfen durch diese Auslegung am effektivsten zur Verwirklichung eines einheitlichen Binnenmarktes.64 Zuzustimmen ist den Bedenken, denen ein Beschränkungsverbot im Steuerrecht unterliegt. Steuerpflichtige könnten in Vorlageverfahren vor dem EuGH einzelne Bestimmungen der Steuersysteme der Mitgliedstaaten als Beschränkung in ihren Grundfreiheiten angreifen und damit das gesamte Regelungssystem eines Mitgliedstaates gefährden. Es ist aber restriktiv, allein mit der Gefahr der Anpassungszwanges an Steuersysteme der anderen Mitgliedstaaten zu begründen, dass im Bereich der direkten Steuern nur ein Inländergleichbehandlungsgebot zugunsten Gebietsfremder gilt. Diese Eingrenzung des Schutzbereichs der Grundfreiheiten auf ein Diskriminierungsverbot wäre sehr von ihrer Zielstellung geprägt. Stattdessen kann dem Eingriff in den Kompetenzbereich der Rechtsetzungsorgane durch die Anerkennung auch eines Beschränkungsverbotes im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung Rechnung getragen werden.65 Es ist schwer zu rechtfertigen, warum für die direkten Steuern nur ein Diskriminierungsverbot anzuerkennen sein soll, gerade in den zwei in der Literatur erwähnten Fallgruppen aber ausnahmsweise doch ein Beschränkungsverbot gelten soll. Die beiden Ausnahmegruppen der prohibitiven Besteuerung des Zu- oder Wegzuges und der Behinderungen des Herkunftsstaates an der grenzüberschreiten64 Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 133; Rothfuchs, Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, 1999, S. 51 f. m. w. N.; Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995, S. 134 f. 65 So auch Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 134, 142 f., 155.
116
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
den Tätigkeit werden in der Literatur nicht näher umschrieben und dürften sich kaum eingrenzen lassen. Fasst man die zweite Ausnahmefallgruppe so weit, dass sämtliche Behinderungen von Inländern durch den Herkunftsstaat an der grenzüberschreitenden Tätigkeit untersagt sind, also auch der grenzüberschreitende Vertragsschluss, befürwortet man im Ergebnis ein Beschränkungsverbot von grenzüberschreitend tätigen Inländern gegenüber dem Herkunftsstaat. Wenn neben Diskriminierungen alle Beschränkungen von Inländern durch Bestimmungen zu den direkten Steuern im Herkunftsland untersagt sind, kann man von einem Grundsatz, dass im Bereich der direkten Steuern nur ein Diskriminierungsverbot gelte, nicht mehr sprechen. Vielmehr müsste formuliert werden, jedenfalls zugunsten von Inländern gelte auch ein Beschränkungsverbot im Herkunftsland, während kein Verbot der Beschränkung von Gebietsfremden im Bestimmungsland besteht. Zu Recht wird auch darauf hingewiesen, dass die Begrenzung des Schutzes der Steuerpflichtigen auf Verstöße gegen das Inländergleichbehandlungsgebot unpraktikabel ist.66 Direkt-steuerliche Vorschriften bilden keine homogene Rechtsmaterie, wie beispielsweise der Bereich der vertriebsbezogenen Maßnahmen im Sinne des „Keck“-Urteils67, für den eine solche Eingrenzung auf das Diskriminierungsverbot nach der gefestigten EuGH-Rechtsprechung gelten soll. Eine solche Eingrenzung auch bei den direkten Steuern anzuerkennen, würde bedeuten, unterschiedliche Normgruppen mit verschieden starkem Einfluss auf den grenzüberschreitenden Handel nicht am Maßstab des Beschränkungsverbotes zu überprüfen. Das Steuerrecht bliebe damit hinter der Rechtsprechung des EuGH zum Beschränkungsverbot bei allen Grundfreiheiten zurück. Es spricht mithin viel dafür, dem EG-Vertrag zu entnehmen, dass die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit neben diskriminierenden Maßnahmen beschränkende Eingriffe, auch im direkt-steuerlichen Bereich, untersagen. b) Vereinheitlichung der Eingriffsformen aa) Differenzierung zwischen Inländern oder Gleichbehandlung Es wirkt sich unmittelbar auf die hier betrachteten Behinderungen der Inländer aus, dass in der Literatur keine Einigkeit über die Frage besteht, wann Vorschriften in Bezug auf die Grundfreiheiten mittelbar diskriminierend oder beschränkend wirken. Wie oben bereits beschrieben, werden dieselben Behinderungen der Inländer teilweise als Diskriminierungen angesehen, von anderen 66 Musil, Kein europarechtliches Beschränkungsverbot für direkte Steuern?, IStR 2001 S. 482, 487. 67 EuGH Urt. v. 27.11.1993, Rs. 267, 268/91 „Keck“, E 1993 I S. 6097 ff. Tz. 15 ff.
J. Untersagte Behinderungen
117
hingegen als Beschränkung eingeordnet. Diese Uneinheitlichkeit zeigt sich auch in der Argumentation der Beteiligten der Vorabentscheidungsverfahren, die häufig gegensätzlich von Diskriminierungen und Beschränkungen ausgehen. Selbst die Generalanwälte legen sich mitunter nicht fest, ob eine hoheitliche Maßnahme diskriminierend oder beschränkend wirkt, weil sie die Abgrenzungskriterien für nicht gesichert halten.68 Es erscheint fraglich, ob diskriminierende Behinderungen von Inländern generell als beschränkende Maßnahmen angesehen werden können, nur weil sich angeblich Abgrenzungsprobleme ergeben. Denn die Eingriffsvarianten sind in den Tatbestandsvoraussetzungen wesensverschieden. Das Diskriminierungsverbot würde seine Bedeutung vollständig verlieren, wenn in jeder unterschiedlichen Behandlung anhand von unmittelbaren oder mittelbaren Differenzierungskriterien wie der Staatsangehörigkeit, dem (Wohn-)Sitz, der Niederlassung, der inländischen Gesellschaftsform oder verwandter Merkmale auch ein Verstoß gegen das Beschränkungsverbot liegen könnte. Rechtliche Bestimmungen eines Mitgliedstaates diskriminieren Inländer, wenn diese anhand bestimmter Tatbestandsmerkmale unterschiedlich behandelt werden. Bei Diskriminierungen von Inländern hinsichtlich der grenzüberschreitenden Tätigkeit müssen Kriterien feststellbar sein, mit denen innerhalb der Gruppe der Inländer zwischen grenzüberschreitenden und inländischen Sachverhalten differenziert wird. Solche Differenzierungskriterien können bei der Behinderung von Inländern die Herkunft bzw. bestimmte Eigenschaften des Vertragspartners sein. Die Abgrenzung zwischen Diskriminierungen und Beschränkungen erscheint auch vor dem Regelungsziel, das ein Mitgliedstaat mit der behindernden Maßnahme verfolgt, gerechtfertigt. Der Mitgliedstaat kann bei der Fassung des Gesetzestextes bezwecken, Inländer zu bewegen, vom Vertragsschluss mit Gebietsfremden Abstand zu nehmen. In diesem Fall werden für Rechte bzw. Vergünstigungen tatbestandliche Voraussetzungen aufgestellt, die der Gebietsfremde aufgrund seiner Herkunft aus einem anderen Staat nicht erfüllt. Denkbar ist auch die Anknüpfung nachteiliger Rechtsfolgen an Eigenschaften des Gebietsfremden. Diese nachteiligen Rechtsfolgen treffen den Inländer dann im Falle des Vertragsschlusses mit dem Gebietsfremden. 68 Z. B. Generalanwalt Tesauro in seinen Schlussanträgen v. 23.9.1997, E 1998 I S. 1897 ff. Tz. 32 ff. zu EuGH Urt. v. 28.4.1998, Rs. 118/96 „Safir“ E 1998 I S. 1919 ff.; hier wird ohne eine Prüfung sogar aus der Tatsache, dass der EuGH im Fall Bachmann die Kohärenz des Steuersystems durch einen Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit von Versicherungsbeiträgen und der Besteuerung der Versicherungsleistung als Rechtfertigungsgrund geprüft hat, darauf geschlossen, dass die Maßnahme beschränkenden Charakter trug. Vgl. ferner die Argumentation der deutschen Regierung im Verfahren Überseering, zusammengefasst in: EuGH Urt. v. 5.11.2002, Rs. 208/00, E 2002 I S. 9919 ff. Tz. 84 ff.
118
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Diskriminierungen werden vom Mitgliedstaat bewusst in das nationale Recht aufgenommen. Der Gesetzgeber verleiht seinem Misstrauen gegenüber den Regelungen eines anderen Mitgliedstaates bzw. der Inanspruchnahme innerstaatlichen Rechts durch Gebietsfremde explizit Ausdruck, indem er Gebietsfremde mit Kriterien ausgrenzt, die diese unzweifelhaft im Inland nicht erfüllen, beispielsweise mit dem Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland. Eine zuverlässige Abgrenzung von mittelbaren Diskriminierungen und Beschränkungen für die hier betrachteten Fallkonstellationen lässt sich erreichen, wenn als mittelbare Diskriminierungen Tatbestandsmerkmale verstanden werden, die wie die Staatsangehörigkeit auf die Herkunft des Vertragspartners des Inländers abstellen. Inländer werden auch benachteiligt, wenn vorausgesetzt wird, dass sie die Umwandlung mit einem Vertragspartner vollziehen, der im Inland ansässig ist. Der Sitz einer Gesellschaft im Inland ist ein Diskriminierungsmerkmal. Streit besteht lediglich über die Frage, ob der inländische Sitz einer Gesellschaft ein unmittelbares oder mittelbares Diskriminierungskriterium ist. Darauf wird noch näher einzugehen sein. Steht für den Gesetzgeber das Ziel, Gebietsfremde auszugrenzen, hingegen nicht im Vordergrund, können Regelungen beschränkende Wirkungen erzielen. Beschränkend wirkt das Gesetz dann, wenn keine herkunftsbezogenen Voraussetzungen wie Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Sitz im Inland aufgestellt werden, die sich nur auf Inländer auswirken, die Gebietsfremde als Vertragspartner wählen. Beschränkend sind Regelungen, die sachliche Anforderungen stellen und die gleichmäßig gegenüber allen inländischen Adressaten wirken. Beschränkende Wirkungen von Normen ließen sich vor Erlass einer Rechtsnorm durch den Gesetzgeber nur vermeiden, indem stets zusätzlich geregelt würde, unter welchen Kriterien grenzüberschreitend agierende Inländer von denTatbestandsvoraussetzungen befreit werden können. Solche Ausnahmeregelungen könnten nur generalklauselartig gefasst werden, da sich die Mitgliedstaaten die Prüfung vorbehalten dürfen, ob im Einzelfall dem grenzüberschreitend Tätigen, der auch im anderen Mitgliedstaat vergleichbare Voraussetzungen zu erfüllen hat, Dispens erteilt werden kann. Diskriminierungen und Beschränkungen können also im Tatbestand voneinander zuverlässig abgegrenzt werden.
bb) Vergleich mit der Wirkung gegenüber dem gebietsfremden Vertragspartner Liegt die Behinderung des Inländers darin, dass eine bestimmte Eigenschaft des Vertragspartners vorausgesetzt wird, beispielsweise die Staatsangehörigkeit, der inländische (Wohn-)Sitz oder die inländische Niederlassung, und soll festgestellt werden, ob diese diskriminierend oder beschränkend wirken, kann das
J. Untersagte Behinderungen
119
nach den vorstehend genannten Kriterien gefundene Ergebnis überprüft werden, indem die Wirkung der Maßnahme für den Gebietsfremden untersucht wird. Durch Bestimmungen, die Inländer wegen der Wahl eines gebietsfremden Vertragspartners diskriminieren, werden gleichzeitig die Gebietsfremden, die aus einem anderen Hoheitsgebiet und damit aus einer anderen Rechtsordnung stammen, vom inländischen Markt oder jedenfalls von inländischen Rechten bzw. Vergünstigungen ferngehalten.69 Vergleicht man die Wirkung, die die behindernde Maßnahme, wie soeben ausgeführt, für den Inländer hat, mit der Wirkung für den gebietsfremden Vertragspartner gegenüber Inländern, müsste sich ein Gleichklang ergeben. Anderenfalls würde ein und dieselbe Maßnahme für den Inländer eine diskriminierende und für den Gebietsfremden eine beschränkende Wirkung haben können. Der Gebietsfremde kann durch die Vorschrift, die Inländer am Vertragsschluss mit Gebietsfremden hindert, seinerseits direkt oder indirekt am Vertragsschluss mit einem Inländer gehindert werden. Der Gebietsfremde hat zwar möglicherweise im Inland nicht die steuerliche Belastung zu tragen, sodass die Besteuerung keinen direkten Eingriff in die Grundfreiheiten des Gebietsfremden bewirken kann. Der Eingriff in seine Grundfreiheiten ergibt sich für ihn aber dadurch, dass sein Vertragspartner wegen der fehlenden Inländereigenschaft des Gebietsfremden steuerpflichtig ist. Der inländische Vertragspartner des Gebietsfremden wird deshalb geneigt sein, einen inländischen Vertragspartner zu wählen, sodass keine Steuerpflicht entsteht. Für die Beurteilung, ob diese Behinderung des Gebietsfremden als Diskriminierung gegenüber den in einer vergleichbaren Lage befindlichen Inländern oder als Beschränkung zu sehen ist, kann auf die von der herrschenden Meinung anerkannten Abgrenzungskriterien für Maßnahmen, die Gebietsfremde im Inland betreffen, zurückgegriffen werden. Danach ist eine Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit zwischen Gebietsfremden und vergleichbaren Inländern diskriminierend. Diskriminierend sind nach herrschender Auffassung weiterhin Maßnahmen, die zwischen Gebietsfremden und Inländern nach dem (Wohn-) Sitz und der Niederlassung im Inland differenzieren.70 Eine mitgliedstaatliche Regelung, die eine steuerliche Begünstigung an den inländischen (Wohn-)Sitz oder die inländische Niederlassung des Vertragspartners des Inländers anknüpft, ist mithin sowohl für den Inländer als auch für den Gebietsfremden diskriminierend.
69 Vgl. Geiger, EUV/EGV-Komm., 43. Aufl. 20004, Art. 43 Rnrn. 8 ff.; Hakenberg, Grundzüge des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 2. Aufl. 2000, S. 92, 103, 110, 116, 123; Herdegen, Europarecht, 6. Aufl. 2004, 2. Teil § 17 II 1 (Tz. 319). 70 Scheuer in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EG-Komm., 3. Aufl. 2003, Art. 43 Rnrn. 4 ff.; Streinz, Europarecht, 6. Aufl. 2003, § 12 II 2 (Tz. 667), jeweils m. w. N.
120
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Für den Gebietsfremden hätte die steuerliche Belastung seines inländischen Vertragspartners hingegen beschränkende Wirkung, wenn derselbe Besteuerungstatbestand auch bei einem Vertragsschluss mit einem Inländer entstünde. Die Besteuerung erfolgt dann ohne ein diskriminierendes Merkmal und wirkt sich nicht ausschließlich, regelmäßig oder eher nur für Gebietsfremde im Unterschied zu Gebietsansässigen nachteilig aus. Zu beachten ist allerdings, dass diese von der herrschenden Meinung gebrauchte Formel zu mehrdeutigen Ergebnissen führen kann. Das zeigen die vom EuGH behandelten Fälle, bei denen Gebietsfremde genausowie Inländer betroffen waren, sich die untersuchten Bestimmungen aber ausschließlich, regelmäßig oder eher nur für Gebietsfremde nachteilig auszuwirken schienen. Dieser Anschein entstand jedoch nur, weil sich die Inländer auf das in ihrem Heimatstaat geltende Recht eingestellt hatten. In Wirklichkeit verstellte allein diese Tatsache den Blick dafür, dass die Regelungen vom Tatbestand her keinen Unterschied nach der Herkunft machten. Folglich muss der Umstand, dass sich Inländer an das für sie geltende Recht angepasst haben, isoliert werden, um beurteilen zu können, ob Inländer und Gebietsfremde in gleicher Weise belastet werden. Von einer gleichmäßigen Belastung der Inländer und Gebietsfremden, auf die es bei Beschränkungen ankommt, kann nur dann gesprochen werden, wenn man außer Acht lässt, dass sich Inländer bereits auf das in ihrem Herkunftsstaat bestehende Recht eingestellt haben und demnach keine spürbare Beschränkung mehr wahrnehmen, während sich Gebietsfremde bei grenzüberschreitender Tätigkeit mit neuen Regelungen konfrontiert sehen, die strenger sind oder auch nur abweichen von denjenigen, die sie bei vergleichbaren Sachverhalten in ihrem Heimatstaat erfüllen müssen. Sonst ist die Formel untauglich, um Diskriminierungen von Beschränkungen abzugrenzen.71
71 Ein anschauliches Beispiel gibt der Fall Vlassopoulou, EuGH Urt. v. 7.5.1991, Rs. 340/89 E 1991 I S. 2357 ff. Inländer, die beabsichtigen, in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen zu werden, stellten sich auf die Voraussetzungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (Studium an einer deutschen Hochschule, Referendariat in Deutschland, zwei Staatsprüfungen) ein und erfüllten im Regelfall die Qualifikationsnachweise. Insofern konnte die Versagung der Zulassung gegenüber Gebietsfremden, die im Ausland studiert hatten und geprüft wurden, besonders für Gebietsfremde nachteilig sein. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung diskriminierenden Charakter trugen. Die Beurteilung ändert sich jedoch, wenn der Umstand außer Acht gelassen wird, dass sich Inländer stets an dem in ihrem Heimatstaat geltenden Recht orientieren und sich darauf einstellen. Berücksichtigt man, dass die Regelung auch Inländer nachteilig trifft, die eine ausländische Ausbildung absolviert haben, so zeigt sich, dass Inländer genauso wie Gebietsfremde betroffen waren. Da die betroffenen Gebietsfremden qua Gesetz mit Inländern gerade gleichgestellt waren, verlangten sie vom Tätigkeitsstaat eine Befreiung von der Beschränkung. Sie beantragten einen Dispens von der nationalen Regelung und die Anerkennung der Qualifikationsnachweise ihres Heimatstaates. Genauso verhielt es sich im Fall Cassis, der ganz überwiegend als Beschränkung eingeordnet wird. Vgl. hierzu Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995, S. 113.
J. Untersagte Behinderungen
121
Damit ist festzuhalten, dass die Differenzierung der Eingriffsformen in den Fällen der Behinderung von Inländern am grenzüberschreitenden Vertragsschluss zu gleichlautenden Ergebnissen auch aus der Sicht des Gebietsfremden führt. Die den Inländer diskriminierende Maßnahme stellt gleichzeitig eine Diskriminierung des Gebietsfremden gegenüber Inländern dar. Genauso verhält es sich für Beschränkungen. Es erscheint konsequent, die Maßnahmen für beide Vertragspartner denselben Eingriffskategorien zuzuordnen. Nach den Vertretern der herrschenden Meinung, die Behinderungen von Inländern generell als Beschränkungen behandeln möchten, könnte dieselbe Maßnahme aus der Sicht des Gebietsfremden wegen der Anknüpfung an seinen (Wohn-)Sitz bzw. seine ausländische Niederlassung diskriminierenden Charakter entfalten. Die mitgliedstaatliche Regelung könnte dann diskriminierende und beschränkende Wirkung entfalten, je nachdem, ob sich der Inländer oder der Gebietsfremde auf eine Verletzung von Grundfreiheiten beruft. Der Konflikt würde auf Tatbestandsebene dazu führen, dass die unterschiedliche Behandlung des Gebietsfremden gegenüber Inländern trotz vergleichbarer Lage zu prüfen wäre, um überhaupt einen Eingriff feststellen zu können, während der Inländer bereits ohne diese Voraussetzungen eine Beschränkung rügen könnte. Diese unterschiedliche Charakterisierung einer einzigen Gesetzesvorschrift als Diskriminierung und Beschränkung wird durch den hier vorgeschlagenen Lösungsweg vermieden. Eine zuverlässige Abgrenzung zwischen Diskriminierungen und Beschränkungen ist erforderlich und möglich. Speziell bei den hier betrachteten Behinderungen von Inländern am Vertragsschluss mit Gebietsfremden kann der Charakter der behindernden Maßnahme auch aus der Sicht des Gebietsfremden gewürdigt werden. Die behindernde Maßnahme kann nicht als Beschränkung des Inländers einerseits und als Diskriminierung des Gebietsfremden andererseits wirken.
III. Rechtsprechung des EuGH 1. Differenzierung zwischen Diskriminierungen und Beschränkungen als Eingriffsformen Die Rechtsprechung des EuGH gibt ebenfalls Anlass, die Literaturauffassungen kritisch zu überprüfen, nach denen die Grundfreiheiten ein umfassendes Beschränkungsverbot gewährleisten sollen, das die Eingriffsform der Diskriminierung überflüssig mache. Der Gerichtshof hat sich in einer Vielzahl seiner Entscheidungen zu den direkten Steuern mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine mitgliedstaatliche Gesetzesbestimmung zwei Sachverhalte diskriminiert, das heißt trotz vergleichbarer Lage unterschiedlich behandelt.72 Ginge der EuGH von einem umfassenden Beschränkungsverbot aus, läge bereits bei jeder
122
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Behinderung der grenzüberschreitenden Tätigkeit ein Eingriff vor. Eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Sachverhalte wäre dann überflüssig gewesen. Irritationen können allerdings entstehen, wenn die Wortwahl in den Urteilen analysiert wird. Bei diskriminierenden Eingriffen wird teilweise auch die Bezeichnung ,Beschränkung‘ gewählt. Betrachtet man den Wortlaut jüngerer Urteile zu den direkten Steuern, könnte man meinen, der Gerichtshof trenne die Bezeichnungen nicht mehr streng, denn in den Fällen der diskriminierenden Behinderung von Inländern durch den Herkunftsstaat an der Ausübung der Niederlassungsfreiheit wird neuerdings auch der Begriff der ,Beschränkung‘ gebraucht. Dies wird an folgenden zwei Beispielen deutlich. Im Urteil XY II stand eine schwedische Vorschrift auf dem Prüfstand, nach der es für die steuerliche Behandlung einer Einlage einen Unterschied machte, ob diese eine inländische Körperschaft empfing oder eine im Ausland ansässige Tochtergesellschaft bzw. eine inländische Tochtergesellschaft einer ausländischen Körperschaft. Hier stellte der Gerichtshof eine unterschiedliche Behandlung nach der Ansässigkeit der erwerbenden Körperschaft im In- oder Ausland fest.73 Andererseits wird die Ungleichbehandlung im selben Urteil als Beschränkung bezeichnet.74 In der Entscheidung Lankhorst stellte der Gerichtshof eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Zinsen aus Gesellschafterdarlehen fest, je nachdem, ob die darlehensgebenden Gesellschafter zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigt waren oder nicht.75 Während darlehensnehmende Körperschaften, die die Darlehenszinsen an anrechnungsberechtigte inländische Gesellschafter leisteten, abzugsfähige Betriebsausgaben geltend machen konnten, wurden Zinsen, die an nicht anrechnungsberechtigte ausländische Muttergesellschaften gezahlt wurden, nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 KStG a. F. als verdeckte Gewinnausschüttung besteuert. Die unterschiedliche Behandlung wurde aber auch als Beschränkung bezeichnet.76 72 Vgl. EuGH Urt. v. 8.5.1990, Rs. 175/88 „Biehl“ E 1990 I S. 1789 ff. Tz. 15 ff.; EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“ E 1992 I S. 276 ff. Tz. 9 ff.; EuGH Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. Tz. 17; EuGH Urt. v. 14.11.1995, Rs. 484/93 „Svensson Gustavsson“, E 1995 I S. 3971 ff. Tz. 10 ff., 15; EuGH Urt. v. 28.4.1998, Rs. 118/96 „Safir“, E 1998 I S. 1919 ff. Tz. 24 ff.; EuGH Urt. v. 16.7.1998, Rs. 294/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff. Tz. 23; EuGH Urt. v. 26.1.1999, Rs. 18/95 „Terhoeve“ E 1999 I S. 374 ff. Tz. 40 ff.; EuGH Urt. v. 26.10.1999, Rs. 294/97 „Eurowings“, E 1999 I S. 7463 ff. Tz. 35 ff.; EuGH Urt. v. 28.10.1999, Rs. 55/98 „Vestergaard“, E 1999 I S. 7657 ff. Tz. 21; EuGH Urt. v. 18.11.1999, Rs. 200/98 „XY I“, E 1999 I S. 8276 ff. Tz. 27; EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 30. 73 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 36, 38. 74 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 37, 38 f.). 75 EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff. Tz. 29, 31.
J. Untersagte Behinderungen
123
Ergeben sich aus der Wortwahl in den deutschen Textfassungen Unklarheiten oder Widersprüche, ist ein Vergleich mit den Urteilen in französischer Sprache angezeigt. Die Beratungen finden beim Europäischen Gerichtshof in der internen Arbeitssprache Französisch statt. Die Richter schreiben auch die Entscheidungsvorlagen und Urteilsentwürfe in französischer Sprache. Erst die mündliche Verhandlung wird in der verbindlichen Verfahrenssprache durchgeführt.77 Die in der jeweiligen Verfahrenssprache abgefassten Urteile des EuGH müssen anschließend durch einen stark überlasteten Übersetzungsdienst in die weiteren Verfahrenssprachen übertragen werden (Artt. 30 f. der Verfahrensordnung des EuGH).78 Die mehrfachen Übersetzungen können zu divergierenden Urteilsfassungen führen.79 Beim Vergleich mit den französischen Versionen der Urteile sind jedoch keine Übersetzungunterschiede feststellbar. Im Fall XY II ist, wie in den deutschen Fassungen, zugleich von ,unterschiedlichen Behandlungen‘ und ,Beschränkungen‘ die Rede. In der französischen Fassung der Entscheidung XY II heißt es zum Anlass der Differenzierung übersetzt: „eine unterschiedliche Behandlung . . . weil die empfangende Gesellschaft, an der der Übertragende beteiligt ist, ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat“ („une différence de traitement . . . lorsque la société cessionnaire dans laquelle le cédant détient une participation a son siège dans un autre État membre“)80 und „weil sich der Sitz der Muttergesellschaft der übernehmenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet“ („au motif que le siège de la société mère de la société cessionnaire est situé dans un autre État membre“)81. Gleichzeitig werden diese Ungleichbehandlungen auch in den französischen Fassungen als Beschränkungen bezeichnet („une restriction à la liberté d’établissement“82 und „une restriction à l’exercice de la liberté d’établissement“)83. Diese Formulierungen sind mit „eine Beschränkung84 der Niederlassungsfrei-
76
EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff. Tz. 32. Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 72. 78 Abgedruckt bei Borchardt/Klinke in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 01/01, nach Art. 245 EG Anhang II. Zur Sprachenproblematik Pernice/ Mayer in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 08/02, Art. 220 EG Rnr. 92; Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 70 ff., 110 f. 79 Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 75 f. 80 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 36 (französische Textfassung). 81 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 38 (französische Textfassung). 82 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 37 (französische Textfassung). 83 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 39 (französische Textfassung). 77
124
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
heit“ und „eine Beschränkung der Ausübung der Niederlassungsfreiheit“ zu übersetzen. Die Differenzierung nach dem Sitz des Gesellschafters im Fall Lankhorst wird in der französischen Urteilsfassung mit „eine unterschiedliche Behandlung in Abhängigkeit vom Sitz der Muttergesellschaft“ ausgedrückt („un traitement différencié en fonction du siège de la société mère“)85. So lautet auch die amtliche deutsche Urteilsfassung; hier bestehen also ebenfalls keine Übersetzungsunterschiede. Die Ungleichbehandlung wird aber in der französischen Version auch als „eine Behinderung86 bzw. Beschränkung der Niederlassungsfreiheit“87 bezeichnet („une entrave à la liberté d’établissement“)88. Bei der Wortlautanalyse der Urteile des EuGH ist auch die Internationalität der Entscheidungsfindung und -veröffentlichung zu berücksichtigen. Der Gerichtshof ist international zusammengesetzt (Art. 221 EG). Die Richter sind von ihren unterschiedlichen Heimatrechtsordnungen vorgeprägt. Die unterschiedlichen Traditionen, Wertungen und Ordnungsvorstellungen der Rechtsordnungen fließen in die Urteile ein.89 Weiterhin wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass sich die Richter beim Entwurf der Urteile in französischer Sprache teilweise unbewusst an französischen Rechtskonzepten orientieren, deren Inhalte mit den Begrifflichkeiten der französischen Rechtssprache verbunden sind. Konzepte anderer Rechtsordnungen können dann weniger Gewicht finden.90 Aus dem parallelen Gebrauch der Begriffe ,unterschiedliche Behandlung‘ bzw. ,Diskriminierung‘ und ,Beschränkung‘ muss nicht abgeleitet werden, dass der EuGH für die Fälle der Behinderung von Inländern durch den Herkunftsstaat eine Differenzierung zwischen Diskriminierungen und Beschränkungen aufgibt. Ein schlüssiges System ergibt sich, wenn man davon ausgeht, dass der EuGH die Formulierung ,Beschränkung‘ als Oberbegriff für differenzierende 84 Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Teil I, 4. Aufl. 1988, S. 529. 85 EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff. Tz. 31 (französische Textfassung). 86 Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Teil I, 4. Aufl. 1988, S. 253. 87 Lange-Kowal, Langenscheidts Wörterbuch Französisch-Deutsch, 17. Aufl. 1991, S. 480. 88 EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff. Tz. 32 (französische Textfassung). 89 Vgl. Anweiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1997, S. 20 f.; Karpenstein/Langner, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 08/03, Art. 221 EG Rnrn. 10 ff.; Pernice/Mayer in: Grabitz/ Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 08/02, Art. 220 EG Rnr. 36. Zu den Auslegungstraditionen in den Mitgliedstaaten Grundmann, Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, 1997, S. 17 ff. 90 Schübel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 74, 112 ff. m. w. N.
J. Untersagte Behinderungen
125
und davon abzugrenzende unterschiedslos geltende Maßnahmen ansieht. Denn der Gerichtshof untersucht nach wie vor, ob die Ursache der Behinderung in Differenzierungsmerkmalen liegt oder nicht. Das wird dadurch bestätigt, dass der EuGH in den neueren Entscheidungen keine weiteren Anhaltspunkte erkennen lässt, sein Verständnis von den verschiedenen Eingriffsformen aus der bisherigen Rechtsprechung aufzugeben. Zu diesen früheren Urteilen betreffend Diskriminierungen gehört der Fall Halliburton Services, in dem es darum ging, dass ein Grundstück nicht grunderwerbsteuerfrei von einer Gesellschaft erworben werden konnte, die im Inland nicht rechtsfähig war. Der EuGH stellte eine verbotene Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit fest. Der Begriff ,Beschränkung‘ fiel in diesem Zusammenhang nicht.91 Das Urteil ICI betraf ein Konsortium, das in dem Staat, in dem es ansässig war, die Verrechnung von Verlusten von zum Konsortium gehörenden Tochtergesellschaften geltend machte. Die Verlustverrechnung wurde nicht gestattet, wenn die Tochtergesellschaften ihren Sitz zur überwiegenden Zahl im Ausland hatten. Der EuGH sah hierin eine steuerliche Ungleichbehandlung nach dem Sitz der Tochtergesellschaften im In- oder Ausland, ohne die Bezeichnung ,Beschränkung‘ zu verwenden.92 Im Urteil XY I ging es um Zahlungen in einem Konzern. Diese wurden als abzugsfähige Betriebsausgaben und steuerpflichtige Einnahmen behandelt, wenn die beteiligten Konzerngesellschaften im Inland ansässig waren, nicht jedoch, wenn eine der Gesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat ansässig war. Der EuGH stellte eine ungleiche Behandlung nach Maßgabe des Sitzes der Tochtergesellschaften fest.93 Zur Weigerung eines Mitgliedstaates, einen Vermögensteuerfreibetrag für eine Beteiligung an einem im Ausland ansässigen Unternehmen einzuräumen, während dieser für Beteiligungen an inländischen Gesellschaften gewährt wurde, konstatierte der EuGH ebenfalls, dass die Steuerpflichtigen nach dem Sitz der Gesellschaft unterschiedlich behandelt wurden.94 Diese Sichtweise wird auch durch die Entscheidung im Fall de Groot bestätigt.95 Die diskriminierende Behinderung eines Inländers durch seinen Heimatstaat bei der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit bezeichnete der EuGH hier ebenfalls als Beschränkung, formulierte aber im Detail, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sowie die eigenen Staatsangehörigen, die von den durch den EG-Vertrag garantierten Freiheiten Gebrauch gemacht haben, mit den Inländern gleichzubehandeln. Diese Wortwahl lässt darauf schließen, dass der EuGH unter den Oberbegriff der 91 EuGH Tz. 20. 92 EuGH 93 EuGH 94 EuGH 95 EuGH
Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. Urt. Urt. Urt. Urt.
v. v. v. v.
16.7.1998, Rs. 294/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff. Tz. 23 f., 28. 18.11.1999, Rs. 200/98 „XY I“, E 1999 I S. 8276 ff. Tz. 27 f. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 30 f. 12.12.2002, Rs. 385/00 „de Groot“, E 2002 I S. 11838 ff.
126
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
,Beschränkungen‘ von Inländern sowohl diskriminierende als auch unterschiedslos geltende Behinderungen fasst, an dieser Unterscheidung aber festhält.96 Der bei der Niederlassungsfreiheit festgestellte Befund trifft auch für Behinderungen von Inländern durch den Herkunftsstaat an der Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit durch direkte Steuern zu. In der Entscheidung Verkooijen97 ging es darum, dass einem im Inland steuerpflichtigen Dividendenempfänger ein Dividendenfreibetrag nicht gewährt wurde, wenn die zahlende Gesellschaft im Ausland ansässig war. Der EuGH stellte auch hier fest, dass Inländer unterschiedlich behandelt wurden, je nachdem, ob die kapitalaufnehmende Gesellschaft ihren Sitz im Inland oder im Ausland hatte. Dadurch wurden Inländer von der grenzüberschreitenden Kapitalanlage abgeschreckt.98 Andererseits bezeichnete der EuGH die behindernde Maßnahme bei der Rechtfertigungsprüfung als Beschränkung.99 Im Urteil Sandoz stellte der Gerichtshof ebenfalls für einen Teil des Streitgegenstandes eine diskriminierende Maßnahme fest. Diese lag in der Gebührenerhebung bei einem Darlehen, das nur in die Bücher des Darlehensnehmers aufgenommen und über das keine Urkunde errichtet wurde. Denn die Gebühr entstand in diesen Fällen lediglich, wenn der Darlehensgeber im Ausland ansässig war, nicht hingegen, wenn er Inländer war. Die Diskriminierung wurde gleichzeitig als Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit bezeichnet.100 In einer früheren Entscheidung zu einer Diskriminierung bei der Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit erwähnte der Gerichtshof allein den Begriff der Diskriminierung, die den Steuerpflichtigen davon abhalte, Kredite bei ausländischen Kapitalgebern aufzunehmen.101 Das Urteil betraf die Inanspruchnahme einer Zinsvergütung. Diese wurde dem inländischen Kreditnehmer verweigert, weil er ein Darlehen bei einem Kreditinstitut in Anspruch genommen hatte, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig war und im Inland weder eine Niederlassung noch eine Tochtergesellschaft unterhielt.102 Entnimmt man den Entscheidungen, dass der Gerichtshof ,Beschränkungen‘ als Oberbegriff von differenzierenden und unterschiedslos geltenden Maßnahmen ansieht, diese aber nach wie vor trennt, ergibt sich auch eine Übereinstim96 Es wird noch darzulegen sein, dass diese Unterscheidung erforderlich ist, weil der EuGH für diskriminierende und beschränkende Behinderungen der Inländer durch den Heimatstaat auch einen unterschiedlichen Maßstab bei der Rechtfertigung anlegt. 97 EuGH Urt. v. 6.6.2000, Rs. 35/98 „Verkooijen“, E 2000 I S. 4113 ff. Tz. 2 ff. 98 EuGH Urt. v. 6.6.2000, Rs. 35/98 „Verkooijen“, E 2000 I S. 4113 ff. Tz. 34 ff. 99 EuGH Urt. v. 6.6.2000, Rs. 35/98 „Verkooijen“, E 2000 I S. 4113 ff. Tz. 36, 46. 100 EuGH Urt. v. 14.10.1999, Rs. 439/97 „Sandoz“, E 1999 I S. 7066 ff. Tz. 30 f. 101 EuGH Urt. v. 14.11.1995, Rs. 484/93 „Svensson Gustavsson“, E 1995 I S. 3971 ff. Tz. 10, 12, 15. 102 EuGH Urt. v. 14.11.1995, Rs. 484/93 „Svensson Gustavsson“, E 1995 I S. 3971 ff. Tz. 2 ff.
J. Untersagte Behinderungen
127
mung mit dem Text des EG-Vertrages in den Artt. 43 S. 1, 56 Abs. 1 EG, die Beschränkungen generell untersagen, aber in den Artt. 43 S. 1, 46 Abs. 1, 58 Abs. 1 lit. a, Abs. 3 EG besondere Regelungen für Diskriminierungen enthalten. Außerdem wird sich bei der Analyse der Rechtsprechung zur Rechtfertigung von Diskriminierungen und Beschränkungen zeigen, dass der EuGH diese Trennung der Eingriffsformen fortsetzt. 2. Anerkennung eines Beschränkungsverbots bei den direkten Steuern Zwei Entscheidungen des EuGH belegen, dass der Gerichtshof auch im direkt-steuerlichen Bereich mittlerweile ein aus der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit folgendes Beschränkungsverbot anerkannt hat, in einem Fall sogar für die Behinderung von Ansässigen durch ihren Heimatstaat. Der EuGH hat zwar nicht ausdrücklich hervorgehoben, ein Beschränkungsverbot zu billigen.103 Inhaltlich können die beiden Entscheidungen aber mit der Prüfung einer beschränkenden Maßnahme erklärt werden. Die Entscheidung zur Niederlassungsfreiheit erging im Fall Futura Singer, von der eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft durch die Gründung einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch machte. Ein Streitgegenstand waren Verlustvorträge und die Verlustanrechnung, die die ausländische Gesellschaft im Inland wie eine inländische in Anspruch nehmen wollte. Diese setzten jedoch voraus, dass die gebietsfremde Gesellschaft eine Buchführung und -aufbewahrung entsprechend den einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen nachweisen konnte. Der EuGH stellte hierzu fest, dass spezifisch Gebietsfremde durch diese Voraussetzung betroffen seien.104 Sie konnten durch die grenzüberschreitende Tätigkeit in zwei Staaten verpflichtet sein, Bücher nach dem jeweils geltenden Recht zu führen. Einwände gegen die Beurteilung des Falles Futura Singer ergeben sich nicht nur aus der Tatsache, dass die Kriterien, anhand derer sich eine spezifische Betroffenheit feststellen lässt, unscharf sind.105 Die belastende Wirkung, die der EuGH als spezifische Betroffenheit umschreibt, besteht bei allen Eingriffen in Grundfreiheiten Gebietsfremder im Tätigkeitsstaat. Denn Gebietsfremde müssen sich typischerweise zusätzlich auf das Recht des Bestimmungslandes einstellen, das die Inländer nicht als besondere Belastung empfinden, da sie seit jeher damit umgehen mussten.
103 Vgl. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 146 ff., der sich gegen ein Verständnis des Urteils „Futura Singer“ als Beschränkungsfall ausgesprochen hat. 104 EuGH Urt. v. 15.7.1997, Rs. 250/95 „Futura Singer“ E 1997 I S. 2492 ff. Tz. 26. 105 Vgl. hierzu Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 148.
128
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Betrachtet man nicht nur die belastende Auswirkung der Norm auf den Gebietsfremden, sondern auch die Ausgestaltung des Gesetzes, so wird deutlich, dass es keine Tatbestandsmerkmale oder Rechtsfolgen enthielt, die nicht im Inland Ansässige und Inländer unterschieden. Die Buchführungspflicht galt unabhängig von der Herkunft der Gesetzesadressaten unterschiedslos für Inländer, wie für Gebietsfremde. Der Tätigkeitsstaat verfolgte auch nicht das Ziel, Gebietsfremde bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit mehr als Inländer zu belasten. Sieht man die Buchführungspflicht wegen ihrer unterschiedslos geltenden Ausgestaltung als beschränkende Maßnahme, harmoniert dieses Resultat auch mit der Beurteilung nach dem Rechtsschutzziel des Betroffenen. Die grenzüberschreitend tätige Gesellschaft wollte nicht, dass die Normen über die Buchführungspflicht auf sie wie für Inländer angewandt wurden. Dieses Ziel müssen aber diskriminierte Gebietsfremde, die sich auf das Inländergleichbehandlungsgebot berufen, verfolgen. Stattdessen erstrebte die ausländische Gesellschaft, von der Buchführungspflicht befreit zu werden, die sonst für sie gegolten hätte. Der Tätigkeitsstaat sollte anerkennen, dass sie bereits im Herkunftsland vergleichbare Bestimmungen erfüllt hatte und die im Tätigkeitsstaat entstandenen Verluste auch auf andere Weise als durch eine inländische Buchführung und -aufbewahrung nachweisen konnte. Dieses Ziel, von inländischen Vorschriften dispensiert zu werden, ist für eine beschränkende Maßnahme charakteristisch.106 Der im Urteil ebenfalls behandelte, weitere Streitgegenstand, dass Verlustvorträge nur gewährt wurden, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit inländischen Einkünften bestand, war hingegen kein Fall einer beschränkenden Tatbestandsvoraussetzung. Denn diese Anforderung wurde nur an Gebietsfremde gestellt; Inländer konnten Verlustvorträge auch für Einkommensteile geltend machen, die nicht in einem Zusammenhang mit inländischen Einkünften standen. Die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Gebietsfremden war aber zulässig, weil sich Inländer und Gebietsfremde hier nicht in einer vergleichbaren Lage befanden. Die Differenzierung entsprach dem Territorialitätsprinzip.107 Vergleicht man den Fall mit der Konstellation im Urteil Cassis,108 in dem, soweit ersichtlich, von allen davon ausgegangen wird, dass der EuGH über ei106 Für das Verständnis als Beschränkungsverbot im Ergebnis auch Everling, Das Niederlassungsrecht in der EG als Beschränkungsverbot, in: Schön (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 608; Saß, Der Verlustvortrag bei Betriebstätten in der Europäischen Union, DB 1997 S. 1533. 107 EuGH Urt. v. 15.7.1997, Rs. 250/95 „Futura Singer“ E 1997 I S. 2492 ff. Tz. 20 ff. Auf die grundlegenden Unterschiede beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtiger, die zu einer nicht vergleichbaren Lage führen können, weist der EuGH immer wieder hin, EuGH Urt. v. 12.6.2003, Rs. 234/01 „Gerritse“, E 2003 I S. 5945 ff. Tz. 43 ff.
J. Untersagte Behinderungen
129
nen beschränkenden Eingriff entschieden hat, ergeben sich Parallelen. Es ging um ein für in- und ausländische Händler geltendes Vertriebsverbot für Fruchtliköre unter 25% Alkoholgehalt. Untersucht man nur die Auswirkung auf die Händler, könnte man hier ebenfalls davon ausgehen, dass die Differenzierung nach dem Alkoholgehalt des Likörs spezifisch Gebietsfremde belastete. Sie mussten sich bei grenzüberschreitender Tätigkeit zusätzlich auf diese, in ihrem Herkunftsland nicht bekannte Regelung einstellen und ihre Produktion darauf einrichten, während inländische Hersteller nur Likör mit einem Alkoholgehalt über 25% produzierten. Dennoch geht die herrschende Meinung hier von einer beschränkenden Regelung aus, weil sie die durch inländische Händler vertriebenen Waren gleichermaßen traf. Inländer hatten sich auf das in ihrem Heimatstaat geltende Recht lediglich eingestellt und empfanden die gesetzliche Differenzierung nach dem Alkoholgehalt des Likörs aus diesem Grund nicht als belastende Bestimmung. Anderenfalls ginge man über die Untersuchung der Normen des Bestimmungslandes hinaus, auf die es für das Inländergleichbehandlungsgebot allein ankommt, und würde den Vergleich aus der Sicht des Gebietsfremden, der dem Recht seines Herkunftslandes untersteht, ziehen. Man würde fragen, warum das Recht des Bestimmungslandes andere Voraussetzungen aufstellt als das Recht des Herkunftsstaates. Es geht jedoch beim Inländergleichbehandlungsgebot nicht um einen Vergleich der Rechtsordnungen, sondern allein um das Verbot, innerhalb des Bestimmungslandes zwischen Unionsbürgern nach ihrer Herkunft, ihrem jetzigen oder künftigen Wohnsitz oder Sitz zu differenzieren. Die behindernde Maßnahme war von dem Mitgliedstaat auch nicht, wie bei diskriminierenden Regelungen typisch, bewusst aufgestellt worden, um einheimische Waren oder Händler zu bevorzugen. Es sollten allein sachliche Anforderungen aufgestellt werden, die gleichmäßig gegenüber allen im Inland agierenden Adressaten wirkten. Der gebietsfremde Händler erstrebte deshalb auch keine Gleichstellung mit Inländern, sondern einen Dispens von der belastenden Bestimmung, da er die Ware in seinem Herkunftsstaat nach den dort geltenden Vorschriften hergestellt hatte. Während der Fall Futura Singer die Beschränkung eines Gebietsfremden im Inland betraf, behandelte das Urteil Sandoz in dem zweiten Streitgegenstand die Beschränkung eines Inländers an der grenzüberschreitenden Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit. Ein inländischer Darlehensnehmer kontrahierte mit einem gebietsfremden Kreditgeber. Die angegriffene Gebührenpflicht für Darlehensverträge, die in eine Urkunde aufgenommen worden waren, stellte keine differenzierende Regelung dar. Das Gesetz enthielt keine Kriterien, mit denen Unterschiede zwischen Inländern oder Differenzierungen nach den Eigenschaften des Vertragspartners gemacht wurden. Damit zielte die Regelung auch nicht darauf ab, Inländer zum Vertragsschluss mit Gebietsansässigen statt mit Gebietsfrem108
EuGH Urt. v. 20.2.1979, Rs. 120/78 „Cassis“, E 1979 I S. 649 ff. Tz. 2 ff.
130
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
den zu bewegen. Die Gebührenpflicht galt unabhängig vom Sitz des Vertragspartners für jeden inländischen Darlehensnehmer.109 Die unterschiedslos für Verträge zwischen Inländern sowie zwischen Inländern und Gebietsfremden bestehende Gebührenpflicht war jedoch für die grenzüberschreitende Darlehensaufnahme eine beschränkende Maßnahme. Der Sitzstaat des Darlehensnehmers beanspruchte die Gebührenzahlung auch dann, wenn das Darlehen bei einem ausländischen Darlehensgeber aufgenommen wurde, in dessen Sitzstaat keine solche Gebührenpflicht bestand. Von dieser für alle Inländer geltenden Gebührenpflicht wollte die Klägerin anlässlich ihrer grenzüberschreitenden Tätigkeit befreit werden. Weitere Entscheidungen zu beschränkenden Eingriffen in die Grundfreiheiten von Inländern durch den Herkunftsstaat lagen dem EuGH auf dem Gebiet der direkten Steuern, soweit ersichtlich, noch nicht vor. Den Urteilen Futura Singer und Sandoz kann aber entnommen werden, dass auch direkte Steuern weder eine Diskriminierung noch eine Beschränkung der Ausübung der Grundfreiheiten bewirken dürfen und dass dieses Verbot gleichermaßen für grenzüberschreitend agierende Inländer gilt. Im Bereich der direkten Steuern wurden dem EuGH bislang jedoch fast ausschließlich Fälle von Diskriminierungen Gebietsfremder gegenüber Inländern vorgelegt, in denen die Betroffenen die Anwendung inländischer Rechtsfolgen von steuerrechtlichen Bestimmungen begehrten, für die die Staatsangehörigkeit, Staatszugehörigkeit, die Herkunft oder eine Niederlassung im Inland vorausgesetzt wurden. Diese personenbezogenen Voraussetzungen erfüllten die grenzüberschreitend tätigen Gebietsfremden nicht.
K. Von der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit zugelassene Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen von Inländern durch den Herkunftsstaat I. Literatur 1. Herrschende Meinung a) Art. 46 Abs. 1 EG Auf unmittelbare Diskriminierungen von Unionsbürgern oder -gesellschaften bei der Ausübung der Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Arbeitnehmerfreizügigkeit wendet die herrschende Meinung in der Literatur ausschließlich die im EG-Vertrag vorgesehenen Rechtfertigungsgründe an. Diese Ansicht wird unabhängig davon vertreten, ob aus dem Schutzbereich der Grundfreiheiten ein 109
EuGH Urt. v. 14.10.1999, Rs. 439/97 „Sandoz“, E 1999 I S. 7066 ff. Tz. 19 f., 26.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
131
reines Diskriminierungsverbot, ein umfassendes Beschränkungsverbot oder ein Diskriminierungs- und ein Beschränkungsverbot abgeleitet wird, und ob es sich im konkreten Fall um eine diskriminierende oder um eine beschränkende Maßnahme handelt. Nur wenn vergleichbare Sachverhalte durch die Verwendung des verbotenen Differenzierungskriteriums der Staatsangehörigkeit unterschiedlich behandelt werden, sollen die im Vertrag enumerierten Rechtfertigungsgründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (Artt. 46 Abs. 1, 55, 39 Abs. 3 EG) abschließend sein. Auf mittelbare Diskriminierungen bei der grenzüberschreitenden Niederlassung sowie der Dienstleistungs- und Arbeitnehmertätigkeit sollen demgegenüber auch ungeschriebene Rechtfertigungsgründe Anwendung finden können, sowohl im Bereich der direkten Steuern110, als auch in den anderen Rechtsmaterien.111 Zu den mittelbaren Diskriminierungen zählen nach herrschender Meinung Differenzierungen natürlicher Personen aufgrund ihres Wohnsitzes, bei Gesellschaften aufgrund ihres Sitzes sowie des Orts der Geschäftsleitung. Die Differenzierung zwischen unmittelbaren Diskriminierungen auf der einen Seite sowie mittelbaren Diskriminierungen und Beschränkungen auf der anderen 110 Vgl. Bieg, Der Gerichtshof der EG und sein Einfluss auf das deutsche Steuerrecht, 1997, S. 95 ff., 297 f., 325 ff.; Eckhoff, Niederlassungsfreiheit, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 1995, S. 543, 573; Hahn, Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, 1999, S. 122 ff.; Jann, Die Auswirkung des EU-Rechts auf die Abkommensberechtigung von beschränkt Steuerpflichtigen, SWI 1996 S. 400, 403 ff.; Kaass, Europäische Grundfreiheiten und deutsche Erbschaftsteuer, 2000, S. 66 ff., 82 f., 104 ff.; Lehner, Anmerkung zum Urteil „Gilly“, IStR 1998 S. 341, 342; ders. in: Pelka (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000), S. 263, 272 f.; Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme –, in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39, 53 f., 59 ff.; Toifl, Die steuerliche Behandlung im Ansässigkeitsstaat als europarechtlicher Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung im Quellenstaat?, SWI 1996 S. 406, 407 ff.; Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Europäischen Union, 1998 S. 184 f.; Wimpissinger, Der Fall Verkooijen und seine Auswirkungen, SWI 2000 S. 313, 315 ff. 111 Geiger, EUV/EGV-Komm., 4. Aufl. 2004, Art. 43 Rnrn. 14, 37; Hakenberg in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EG-Vertrag Komm., 3. Aufl. 2003, Artt. 49/50 EG Rnrn. 24 ff.; Jarass, Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, EuR 2000 S. 705, 709, 719 ff.; Knobbe-Keuk, Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot?, DB 1990 S. 2573, 2576 f.; Lecheler, Einführung in das Europarecht, 2. Aufl. 2003, S. 243 ff., 261, 268, 277; Nowak/Schnitzler, Erweiterte Rechtfertigungsmöglichkeiten für mitgliedstaatliche Beschränkungen der EG-Grundfreiheiten, EuZW 2000 S. 627, 631; Reich, Bürgerrechte in der Europäischen Union, 1999, S. 175 ff., 188; Schlag in: Schwarze (Hrsg.), EU-Komm., 2000, Art. 43 EG Rnrn. 49, 53.; Weiß, Nationales Steuerrecht und Niederlassungsfreiheit, EuZW 1999 S. 493, 497. Im Ergebnis nicht eindeutig Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Komm., Stand 05/01, vor Artt. 39 ff. EG Rnr. 217 einerseits und Rnr. 224 andererseits; nicht eindeutig auch Schneider/Wunderlich in: Schwarze (Hrsg.), EU-Komm., 2000, Art. 39 EG Rnrn. 41 ff.
132
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Seite hinsichtlich der anwendbaren Rechtfertigungsgründe entspricht der Einteilung, die die Vertreter der herrschenden Meinung auf der Ebene des Schutzbereichs der Grundfreiheiten vornehmen. Diese Ansicht wird damit begründet, dass auch auf der Rechtfertigungsebene kein Unterschied zwischen mittelbaren Diskriminierungen und Beschränkungen bestehe. Der EG-Vertrag zähle die Rechtfertigungsgründe nur für die ausdrücklich untersagten direkten Diskriminierungen abschließend auf. Für indirekte Diskriminierungen regele der Vertrag nicht explizit, welche Rechtfertigungsgründe zulässig oder untersagt sind. Würde man die Rechtfertigungsgründe auch für mittelbar diskriminierende Maßnahmen auf die im Vertrag aufgezählten einengen, würde der weite Schutzbereich der Grundfreiheiten der Unionsbürger gegenüber den Mitgliedstaaten übermäßig an Gewicht gewinnen. Den Mitgliedstaaten werde dann grundsätzlich jede Unterscheidung nach der Herkunft von Personen untersagt. Stattdessen bedürfe der ohnehin weite Schutzbereich der Grundfreiheiten eines Korrektivs zugunsten der Mitgliedstaaten. Die Gesetzgebungskompetenz für mittelbar diskriminierende Eingriffe werde nur durch weitere Rechtfertigungsmöglichkeiten verhältnismäßig eingeschränkt. Außerdem soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass eine exakte Abgrenzung zwischen diskriminierenden und beschränkenden Eingriffen kaum möglich sei.112 Die Erweiterung der Rechtfertigungsgründe für diskriminerende Maßnahmen erinnert im Ergebnis an die deutsche Grundrechtsdogmatik bei Art. 3 GG. Danach muss das Gleichbehandlungsgebot keineswegs verletzt sein, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden. Der Eingriff in Art. 3 GG kann durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Dem Gesetzgeber steht es im deutschen Verfassungsrecht, abgesehen von den speziellen und deshalb vorrangigen Diskriminierungsverboten, frei, jede vernünftige Erwägung als Differenzierungsgrund heranzuziehen. Früher prüfte das Bundesverfassungsgericht, ob der Differenzierungsgrund gegen das Willkürverbot verstößt. Nach der sog. neuen Formel wird die Kontrolldichte erhöht, indem das Verhältnismäßigkeitsprinzip angewandt wird.113 Allgemein wird die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so interpretiert, dass es nicht mehr ausreicht, wenn ein sachlicher Rechtfertigungsgrund erfüllt ist. Der rechtfertigende Grund muss in einem angemessenen Verhältnis zur Ungleichbehandlung stehen (sog. vereinheitlichende Gesamtformel).114 Die Kontrolldichte könne, ähnlich wie bei Frei112 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 140 ff.; Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, 1998, S. 167 ff. 113 Darin besteht wiederum eine Ähnlichkeit zur Rechtsprechung des EuGH, nach der ebenfalls nur verhältnismäßig beeinträchtigende Diskriminierungen rechtfertigend wirken können. 114 Herzog in: Maunz/Dürig, GG Komm., Bd. 1, Stand 02/03, Anh. Art. 3 Rnr. 69.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
133
heitsrechten, abgestuft werden, je nach der Intensität der Ungleichbehandlung und der Intensität des Eingriffs in die Rechtssphäre des Bürgers. Die Prüfungsintensität ist also gering, wenn nur Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, auf die sich der Bürger einstellen und bei denen er somit die Regelung leichter als bei personenbezogenen Merkmalen auf sich anwendbar machen kann (sachbezogene Ungleichbehandlung). Dann wird nur die Willkürformel angewandt und geprüft, ob irgendein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung ersichtlich ist. Ist die Ungleichbehandlung dagegen personenbezogen oder erschwert sie grundrechtlich geschützte Freiheiten, ist die Prüfung strenger und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach der sog. neuen Formel anzuwenden. Andere Verfassungsvorschriften können den Prüfungsmaßstab ebenfalls verschärfen, zum Beispiel das Sozialstaatsprinzip.115 Es könnte auch bei der europarechtlichen Prüfung erwogen werden, statt der Eingrenzung der Rechtfertigungsgründe bei Diskriminierungen erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeit dem Unterschied zwischen herkunftsbezogenen Differenzierungsmerkmalen und sachbezogenen Beschränkungen Rechnung zu tragen. Demnach wären auf Diskriminierungen und Beschränkungen ungeschriebene Rechtfertigungsgründe anwendbar. Unterscheidet eine Bestimmung nach der Herkunft der Steuerpflichtigen, könnte dann bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein strengerer Maßstab anzulegen sein, weil sich die Steuerpflichtigen auf ein solches Kriterium schwerer einstellen können als auf eine sachbezogene, beschränkende Regelung. b) Artt. 56 ff. EG Bei der Kapitalverkehrsfreiheit ist der Formulierung in den Artt. 56 Abs. 1, 58 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 EG Rechnung zu tragen, die sich von der Rechtfertigung der Niederlassungs-, der Dienstleistungs- und der Arbeitnehmerfreizügigkeit unterscheidet. Diskriminierende Eingriffe in die Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit werden von der überwiegenden Meinung als gerechtfertigt angesehen, soweit Steuerpflichtige wegen ihres Wohnortes oder des Kapitalanlageortes unterschiedlich behandelt werden (Art. 58 Abs. 1 lit. a EG). Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs sei durch die Formulierung des Vertragstextes zurückgenommen, aber der Schranken-Schranke des Art. 58 Abs. 3 EG unterstellt worden. Im Rahmen des Art. 58 Abs. 3 EG müsse die Diskriminierung allerdings geeignet und erforderlich sein, einem mit dem EG-Vertrag zu vereinbarenden sachlichen Erfordernis zu dienen und in angemessener Weise zur Anwendung gebracht werden.116
115
14.
Vgl. Gubelt in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Komm., 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rnr.
134
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
2. Stellungnahme a) Art. 46 Abs. 1 EG aa) Wortlaut des Art. 46 Abs. 1 EG Kritikwürdig erscheint die Ansicht der herrschenden Meinung, sofern für mittelbare Diskriminierungen natürlicher Personen in der Niederlassungsfreiheit wegen Merkmalen, die der Staatsangehörigkeit ähneln, grundsätzlich auch ungeschriebene Rechtfertigungsgründe herangezogen werden sollen. Formuliert man die These so generell wie die herrschende Meinung, fehlt es an plausiblen Gründen. Eine spezielle Regelung im EG-Vertrag, die zur Anwendung ungeschriebener Rechtfertigungsgründe berechtigt, besteht nicht. Die gefestigte Meinung, ungeschriebene Rechtfertigungsgründe bei mittelbaren Diskriminierungen der Niederlassungsfreiheit anzuwenden, widerspricht der Formulierung im EG-Vertrag, nach der unterschiedliche Behandlungen von In- und Ausländern nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gestattet werden (Art. 46 Abs. 1 EG). Der Normwortlaut spricht dafür, den numerus clausus der Rechtfertigungsgründe nur in Fällen aufzubrechen, in denen nicht zwischen Inund Ausländern diskriminiert wird. Das Rechtfertigungskonzept bei Art. 3 GG sollte nicht vorschnell übernommen werden. Dagegen spricht, dass der EG-Vertrag einem so weiten Schutzbereich des Diskriminierungsverbotes wie im deutschen Verfassungsrecht gerade nicht folgt, wenn er Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit untersagt und engen Rechtfertigungsmöglichkeiten unterstellt. bb) Ähnlichkeit unmittelbar und mittelbar diskriminierender Maßnahmen Die herrschende Meinung begründet ihre Ansicht mit der Notwendigkeit, Abgrenzungsprobleme zwischen mittelbaren Diskriminierungen und Beschränkungen zu beseitigen. Der dazu beschrittene Weg ruft in der Falllösung jedoch neue Abgrenzungsprobleme hervor. Die herrschende Meinung muss nämlich entscheiden, ob eine Maßnahme, die eine gebietsfremde Gesellschaft gegenüber einer inländischen diskriminiert, als unmittelbar oder mittelbar diskriminierend 116 Loose, Das Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001, S. 64 ff.; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 193 f.; Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: ders. (Hrsg.), GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 743 ff., 765 ff.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
135
einzuordnen ist, um bestimmen zu können, welche Rechtfertigungsgründe in Betracht kommen. Denn für unmittelbare Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit sollen, außer nach der Lehre vom umfassenden Beschränkungsverbot, nur die im EG-Vertrag vorgesehenen Rechtfertigungsgründe einschlägig sein, während für mittelbare Diskriminierungen die auch für Beschränkungen geltenden Legitimationsgründe gelten sollen. Tatbestandsmerkmale, die Gesellschaften diskriminieren, sind Kriterien wie die inländische Rechtsform durch Gründung nach inländischen Vorschriften, der inländische Sitz, der Ort der Geschäftsleitung oder die inländische Niederlassung. Solche Tatbestandsvoraussetzungen sind auch im Umwandlungs- und im Umwandlungssteuergesetz zu finden. Es ist fraglich, ob diese Merkmale mit der herrschenden Auffassung mittelbare Diskriminierungen sein müssen, auf die ungeschriebene Rechtfertigungsgründe Anwendung finden, nur weil sie nicht ausdrücklich Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit sind. Die Vergleichbarkeit des unmittelbar diskriminierenden Tatbestandsmerkmals der Staatsangehörigkeit mit den Differenzierungskriterien der inländischen Rechtsform durch Gründung nach inländischem Recht und des inländischen Sitzes bzw. Ortes der Geschäftsleitung bei Gesellschaften, spricht für die einheitliche Behandlung dieser Merkmale. Anhand der Staatsangehörigkeit kann die für eine Person maßgebliche Rechtsordnung bestimmt werden. Für Gesellschaften werden dafür die Rechtsform, der Ort der Gründung, der statuarische oder tatsächliche Sitz sowie der Ort der Geschäftsleitung herangezogen. Deshalb spricht man bei diesen Kriterien von Merkmalen der Staatszugehörigkeit einer Gesellschaft. Außerdem sind Gesellschaften gemäß Art. 48 EG den natürlichen Personen gleichgestellt, sodass eine einheitliche Behandlung von Merkmalen der Staatsangehörigkeit und der Staatszugehörigkeit als unmittelbar diskriminierende Maßnahmen gerechtfertigt erscheint. Dass der Sitz einer Gesellschaft bei der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit ein unmittelbares Diskriminierungsverbot ist, zeigen auch die Artt. 43 S. 2 und 3 sowie 49 S. 1 EG. Darin werden Behinderungen bei der Gründung von Tochtergesellschaften und aufgrund der Ansässigkeit im Ausland, das heißt des Sitzes in einem anderen Mitgliedstaat, wie Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit untersagt. Schließlich erscheint es gerechtfertigt, auf mittelbare Diskriminierungen nach der Herkunft nicht mehr Rechtfertigungsgründe anzuwenden als auf unmittelbare Ungleichbehandlungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, weil der Herkunfts- oder Bestimmungsstaat bei beiden Diskriminierungsformen eine Regelung aufstellt, die den Gebietsfremden oder einen Inländer bei einem Grenzübertritt gegenüber den Ansässigen benachteiligt. Sie schließt ihn ausdrücklich aus oder verlangt besondere Merkmale, die regelmäßig nur Angehörige einer anderen Gruppe (Gebietsansässige, bei Differenzierungen zwischen Inländern
136
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
diejenigen, die im Inland verbleiben) in ihrer Person oder mit ihrem Verhalten erfüllen (zum Beispiel Wohnsitz, Sitz, inländischer Vertragspartner, Ausübung der Tätigkeit im Inland). Geht man davon aus, dass unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen in den Voraussetzungen und Rechtfertigungsgründen verwandt, hingegen Diskriminierungen von Beschränkungen zu trennen sind, ergibt sich eine widerspruchsfreie Lösung. Die Staatszugehörigkeit nach dem Gründungsstatut, dem Sitz bzw. Ort der Geschäftsleitung einer Gesellschaft und die Staatsangehörigkeit natürlicher Personen sind gleichermaßen wie die mittelbaren Diskriminierungsmerkmale des Wohnsitzes sowie des Aufenthaltsortes einer natürlichen Person und der inländischen Betriebstätte bei Gesellschaften Kriterien, die die Herkunft von juristischen Personen, Personengesellschaften und natürlichen Personen belegen und zur Differenzierung zwischen Gebietsfremden und Inländern herangezogen werden können. Der Anwendungsbereich von Bestimmungen eines Mitgliedstaates kann an diese Merkmale geknüpft werden, wenn In- und Ausländer unterschiedlich behandelt werden sollen. Denn im Regelfall werden diese Merkmale nur in einem Staat erfüllt, sodass sie eine eindeutige Zuordnung zu einem Rechtssystem ermöglichen. Ein Unterschied im Wesen dieser Differenzierungskriterien ist nicht erkennbar. Es ist nicht erklärbar, dass für Maßnahmen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, weniger Rechtfertigungsgründe bestehen als für Bestimmungen, die die weiteren, herkunftsorientierten Tatbestandsmerkmale beinhalten. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verbot, anhand der Staatsangehörigkeit zu differenzieren, in den EG-Vertrag aufgenommen wurde, um damit das einzige, nur unter strengen Voraussetzungen zu rechtfertigende Differenzierungskriterium zu statuieren oder die kodifizierten Rechtfertigungsgründe auf dieses Merkmal zu beschränken. Unionsbürger und -gesellschaften werden vor den Differenzierungskriterien des (Wohn-)Sitzes, Aufenthaltsortes oder des Ortes der Geschäftsleitung nur dann in gleicher Weise wie vor dem Unterscheidungsmerkmal der Staatsangehörigkeit geschützt, wenn diese einheitlichen Rechtfertigungsgründen unterstellt werden. Zum Zweck des unmittelbaren sowie des mittelbaren Diskriminierungsverbotes gehört die Disziplinierung der Gesetzgeber der Mitgliedstaaten, die grundsätzlich jede Differenzierung nach der Herkunft der Unionsbürger und -gesellschaften unterlassen sollen. Dieses strenge Gebot folgt aus der Erkenntnis, dass der freie Marktzugang von Personen gerade durch herkunftsbezogene Tatbestandsvoraussetzungen erschwert wird. Die Mitgliedstaaten sollen nur unter den engen, im EG-Vertrag genannten Voraussetzungen Sondervorschriften für Gebietsfremde oder für grenzüberschreitend tätige Inländer erlassen. Könnten mittelbare Diskriminierungen auch durch weitergehende Gründe gerechtfertigt werden, würde dies bedeuten, dass ein Mitgliedstaat, der sich weitere, unge-
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
137
schriebene Rechtfertigungsgründe eröffnen möchte, im Gesetz anstelle der Staatsangehörigkeit nur Unterscheidungskriterien aufstellen müsste, die mittelbar diskriminierend wirken.117 Die herrschende Meinung widerspricht also der Ähnlichkeit zwischen unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen, wenn sie diese Eingriffsformen hinsichtlich der einschlägigen Rechtfertigungsgründe unterschiedlich behandelt. Auf unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen können aus vorgenannten Gründen nur dieselben Rechtfertigungsgründe Anwendung finden. Der Streit um die Einordnung von Differenzierungsmerkmalen, wie dem Ort der Gründung, der inländischen Gesellschaftsform, dem statuarischen oder tatsächlichen Sitz einer Gesellschaft bzw. dem Ort der Geschäftsleitung als unmittelbar oder mittelbar diskriminierende Merkmale, verliert an Bedeutung. cc) Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung und Sicherheit Die Gründe, die die herrschende Meinung als ungeschriebene Legitimation für mittelbar diskriminierende Eingriffe in die Grundfreiheiten prüfen kann, bleiben nach der hier vertretenen Lösung allerdings nicht in jedem Fall unberücksichtigt. Auf diskriminierende Eingriffe findet bei allen Grundfreiheiten der im EG-Vertrag vorgesehene Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Anwendung (Art. 46 Abs. 1 EG). Dieser Rechtfertigungsgrund wird im EG-Vertrag nicht näher definiert. Den Mitgliedstaaten soll ein Beurteilungsspielraum zukommen, diese Begriffe auszulegen und an innerstaatlichen Interessen zu orientieren.118 Der ordre public-Vorbehalt soll eng auszulegen sein, um dem Schutzzweck der Grundfreiheiten Rechnung zu tragen. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung hoheitlich festgelegter Grundregeln, die ein Grundinteresse der Gesellschaft betreffen, vorliegen.119 Der EuGH behält sich eine Prüfung der innerstaatlichen Auslegung dieses Begriffs vor.120 Wirtschaftliche Erwägungen kön117 So auch Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999, S. 51, 120 f., 162 ff., der allerdings ungeschriebene Rechtfertigungsgründe weder auf diskriminierende noch beschränkende Maßnahmen anwenden möchte. 118 Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995, S. 99 m. w. N. 119 Vgl. EuGH Urt. v. 27.10.1977, Rs. 30/77 „Bouchereau“ E 1977 S. 1999 ff. Tz. 33 ff.; Benjes, Die Personenverkehrsfreiheiten des EWG-Vertrages und ihre Auswirkungen auf das deutsche Verfassungsrecht, 1992, S. 140 f.; Everling, Vertragsverhandlungen 1957 und Vertragspraxis 1987 – dargestellt an den Kapiteln Niederlassungsrecht und Dienstleistungen des EWG-Vertrages, in: Mestmäcker (Hrsg.), FS v. d. Groeben, 1987, S. 119; Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995, S. 99; Selmer, Die öffentliche Ordnung und Sicherheit als Schranke der Arbeitnehmer-Freizügigkeit gemäß Art. 48 Abs. 3 EWG-Vertrag, DÖV 1967 S. 328, 333.
138
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
nen hingegen nie zur Legitimation einer unterschiedlichen Behandlung von Unionsbürgern oder -gesellschaften angeführt werden.121 Geht man vom nationalen Recht aus, erinnert dieser Rechtfertigungsgrund an das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in den Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzen der Länder der Bundesrepublik. Danach ist ein Eingriff bei Verstößen gegen Rechtsnormen, bei der Beeinträchtigung individueller Rechte und Rechtsgüter sowie bei der Gefährdung oder Verletzung des Bestands und der Funktionsfähigkeit des Staates sowie von Einrichtungen des Staates gestattet.122 Übertragen auf den Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit in den Grundfreiheiten könnten hierzu Rechtsnormen zählen, die ihrer Formulierung nach dem Missbrauch nationalen Rechts durch Steuerhinterziehung bzw. Steuerflucht entgegenwirken, damit Grundregeln der Gesellschaft schützen und eine Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen gewährleisten sollen. Unter Missbrauch kann eine rechtliche Gestaltung verstanden werden, die als einzigen oder hauptsächlichen Beweggrund den der Steuerminimierung hat und der keine anerkennenswerten wirtschaftlichen Motive, die Ziele des Primäroder Sekundärrechts der Gemeinschaftsrechtsordnung sind, zugrunde liegen.123 Die Steuerhinterziehung und Steuerflucht stellen tatsächliche und schwere Gefährdungen der öffentlichen Ordnung dar, die nach der Rechtsprechung bei diesem Rechtfertigungsgrund erforderlich ist.124 Es erscheint gerecht, Normen, die ausdrücklich den Missbrauch geltenden Rechts verhindern sollen, als Rechtfertigungsgrund für alle Diskriminierungen zuzulassen.125 Anderenfalls könnten Steuerpflichtige unter dem Vorwand, solche Vorschriften hinderten sie an der Ausübung der Grundfreiheiten, ohne weiteres eine Diskriminierung geltend machen, eine fehlende Rechtfertigung rügen und den Schutzzweck solcher Normen in das Gegenteil verkehren. Deshalb müssen missbrauchsverhindernde Normen als Rechtfertigungsgrund auch von Diskriminierungen zugelassen werden. Ein gerechter Interessenausgleich kann 120 Vgl. EuGH Urt. v. 4.12.1974, Rs. 41/74 „van Duyn“, E 1974 S. 1337 ff. Tz. 18 f.; EuGH Urt. v. 28.10.1975, Rs. 36/75 „Rutili“, E 1975 S. 1219 ff. Tz. 26 ff. 121 Das ergibt sich bereits aus Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG. Vgl. ferner Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, 1998, S. 111 f. 122 Vgl. Gusy, Polizeirecht, 5. Aufl. 2003, § 3 II 1 a (Tz. 79 ff.); Denninger in: Lisken/Denninger, Hdb. d. Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, E I 2 (S. 205 ff.); Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, 1998, S. 96 f. 123 Zu dem Beispiel § 20 Abs. 2 AStG, der allerdings beschränkende Wirkung hat, vgl. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 175 ff. 124 Vgl. EuGH Urt.v. 27.10.1977, Rs. 30/77 „Bouchereau“, E 1977 S. 1999 Tz. 33, 35; Urt. v. 8.4.1976, Rs. 48/75 „Royer“, E 1976 S. 497 ff. Tz. 12, 15. 125 In diesem Sinne wohl auch Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, 1998, S. 121 f.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
139
dann geschaffen werden, wenn die Geeignetheit, dieses Ziel zu erreichen, die Erforderlichkeit und die Angemessenheit der unterschiedlichen Behandlung zur Unterbindung von missbräuchlichen Gestaltungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung begutachtet wird. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es verbieten würden, den Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit und Ordnung des EG-Vertrages in diesem Sinne auszulegen. Insbesondere die Abgrenzung zu den wirtschaftlichen Gründen ist möglich, da hierunter nur protektionistische Ziele, wie der Schutz bestimmter Unternehmen oder von Wirtschaftszweigen vor ausländischer Konkurrenz, fallen.126 Damit würden zu den geschriebenen Rechtfertigungsgründen solche Kontrollvorschriften gehören, die den Zweck verfolgen, die Einhaltung der mitgliedstaatlichen Gesetze zu überwachen und Missbräuchen vorzubeugen. Mithin würden diskriminierende Vorschriften zur steuerlichen Kontrolle sowie zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht zu den geschriebenen Rechtfertigungsgründen gehören. Sie schützen ein schwerwiegendes Grundinteresse der Gesellschaft und können deshalb bei verhältnismäßiger Anwendung einen Eingriff in die Grundfreiheiten legitimieren. Fraglich ist allerdings, ob zu diesen Rechtfertigungsgründen auch die Kohärenz des Steuersystems eines Mitgliedstaates gehören kann. Der Gehalt dieses, von der Rechtsprechung entwickelten, von der Literatur aufgegriffenen und in Vorabentscheidungsverfahren von den Mitgliedstaaten immer wieder zur Verteidigung herangezogenen Rechtfertigungsgrundes ist streitig. Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz wurde erstmals im Fall Bachmann vom EuGH geprüft und zum bislang einzigen Mal zur Anwendung gebracht.127 Unter einem kohärenten Steuersystem könnte die Ausgewogenheit von Abzugs- bzw. Vergünstigungstatbeständen auf der einen Seite und von Steuereinnahmen auf der anderen Seite als Systemgesamtheit verstanden werden. Die Rechtfertigung einer diskriminierenden Maßnahme zur Bewahrung der Kohärenz des Steuersystems wäre dann ein Mittel, um kontrollieren zu können, dass das System von Abzugs- und Besteuerungstatbestand im Einzelfall den vom Gesetzgeber erwünschten Effekt erzielt. Gleichzeitig wäre es ein Mittel zur Verhinderung von Missbräuchen durch die einseitige Nutzung nur des Abzugstatbestandes durch den Steuerpflichtigen. Im Fall Bachmann sollte die Kohärenz nach der Argumentation der Mitgliedstaaten in dem Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge und der Besteuerung bei Ausschüttung der Versicherungsleistun126 Vgl. Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, 1998, S. 124 f. m. w. N. 127 EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff. Tz. 21 ff.
140
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
gen als ausgewogenem System zu sehen sein. Dem Gesetz war zu entnehmen, dass die Beiträge nur abzugsfähig waren, wenn der aktuelle Steuerausfall zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich bei Realisierung eines Gewinntatbestandes, durch Besteuerung kompensiert werden konnte. Dieser Zusammenhang wurde auch durch die Bestimmung verstärkt, die Steuerpflichtige von der Besteuerung der Versicherungsleistungen dann befreite, wenn ein Abzug der Versicherungsbeiträge nicht zugelassen worden war.128 Den maßgeblichen Vorschriften war aber nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass sie bezweckten, Steuerpflichtigen den Missbrauch des Abzugstatbestandes zu versagen, wenn die Gewinnrealisierung im Inland wegen der Ansässigkeit der Versicherungsgesellschaft im Ausland nicht steuerbar gewesen wäre. Insofern müsste der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems als ein besonderer Fall der allgemein anerkannten Gründe der steuerlichen Kontrolle sowie der Missbrauchsverhinderung verstanden werden, wenn er ebenfalls zum Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Sicherheit zu zählen wäre. Die Besonderheit bestünde darin, dass kohärente Normen, die ihrer Formulierung nach nicht primär Missbräuche verhindern sollen und ihrem Wortlaut nach keine Regelungen zur Unterbindung von Steuerhinterziehung oder -flucht sind, solchen Missbrauchsverhinderungsregeln gleichgestellt wären. Die rechtliche Möglichkeit, steuerliche Vergünstigungen im Missbrauchsfalle zu versagen, dürfte also in kohärente Normen „hineingelesen“ werden. Bedenklich ist an dieser Interpretation, dass man sich damit stark an den vom EuGH nicht anerkannten Rechtfertigungsgrund des rein wirtschaftlichen Interesses, Steuerausfälle zu vermeiden129, annähert. Die Kohärenz wäre also nicht nur ein besonderer Fall des Rechtfertigungsgrundes der steuerlichen Kontrolle und Missbrauchsbekämpfung, sondern gleichzeitig eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass rein wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie die Sicherung eines erwarteten Steueraufkommens vor Umgehungen, die sich nicht als Missbrauch darstellen, an sich nicht zu den geschriebenen Legitimationsgründen gehören. Im Fall Bachmann ließe sich die Ausnahme allein damit begründen, dass im Gesetz der Abzugstatbestand und die spätere Besteuerung der Ausschüttung miteinander verbunden waren, sodass für jeden Steuerpflichtigen erkennbar war, dass auch Umweggestaltungen, die nicht ohne weiteres als missbräuchlich angesehen werden müssen, dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen könnten.
128
EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff. Tz. 21 f. EuGH Urt. v. 28.1.1986, Rs. 270/83, „avoir fiscal“ E 1986 I S. 285 ff. Tz. 25; EuGH Urt. v. 16.7.1998, Rs. 294/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff. Tz. 28; EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 59; EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 50; EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/ 00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff. Tz. 36. 129
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
141
Das anerkannte Interesse der Kontrolle zur Missbrauchsverhütung ist ohnehin nicht einfach von dem als Rechtfertigungsgrund nicht tauglichen Interesse der Verhinderung von Steuerausfällen abzugrenzen. Sucht man nach Unterschieden, könnte die Grenze zwischen den Fällen darin liegen, dass die Kontrolle zur Verhinderung von Missbräuchen ein Instrument gegen den Gesetzesbruch ist, eine Maßnahme gegen Steuerminimierungen, wenn dem keine anerkennenswerten wirtschaftlichen Motive zugrunde liegen, etwa die Ausübung der Grundfreiheiten.130 Einen Gesetzesbruch muss ein Mitgliedstaat nie hinnehmen, auch nicht bei grenzüberschreitenden Aktivitäten der Unionsbürger. Die Verhinderung von Steuerausfällen durch Umweggestaltungen, die von den Steuerpflichtigen ausgemacht werden und die das geltende Recht nicht brechen, kann hingegen als rein fiskalisches Interesse eingestuft werden, das zur Rechtfertigung einer Diskriminierung nicht herangezogen werden darf, sondern vom Mitgliedstaat hinzunehmen ist, solange nicht der Tatbestand einer Vorschrift erfüllt ist, die explizit gegen missbräuchliche Gestaltungen gerichtet ist. Mit dieser Differenzierung erscheint es möglich, im Einzelfall anhand des Zwecks der einschlägigen Gesetzesbestimmungen zu klären, ob diese dazu dienen sollen, steuerliche Missbräuche zu kontrollieren und zu verhindern und deshalb eine Diskriminierung rechtfertigen können oder ob sie nur das staatliche Interesse am erwarteten Steueraufkommen sichern und Umweggestaltungen verhindern sollen, somit als Rechtfertigungsgründe ausscheiden. Die Abgrenzung wird jedoch erschwert, wenn Ausnahmefälle, wie die Kohärenz des Steuersystems, zwischen den vorgenannten Fallgruppen zuzulassen sind. Wendet man den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems an, ist weiter zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung erforderlich ist, um den damit verfolgten Zweck zu erreichen. In der Literatur wurde zu Recht Kritik am Urteil im Fall Bachmann geübt, weil die Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung nicht umfassend untersucht wurde. Der Zusammenhang zwischen dem Abzug von der Bemessungsgrundlage und der Besteuerung der Versicherungsleistung kann auch hergestellt werden, indem die Besteuerungszuständigkeit in Doppelbesteuerungsabkommen geregelt wird. Doppelbesteuerungsabkommen bestehen zwischenzeitlich mit fast allen Staaten der Erde. Nach dem DBA-Musterabkommen ist der Wohnsitzstaat für die Besteuerung von Ruhegehältern und Versicherungsleistungen zuständig, Artt. 18, 21 DBA-MA.131
130 Vgl. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 175. 131 Knobbe-Keuk, Restrictions on the Fundamental Freedoms Enshrined in the EC Treaty by Discriminatory Tax Provisions – Ban and Justification –, EC Tax Review 1994 S. 81; Thömmes, Verbote der Diskriminierung von Steuerausländern und Steuerinländern, in: Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), S. 81, 97 ff. m. w. N.
142
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Die Doppelbesteuerungsabkommen, die im Fall Bachmann für den Wohnsitzstaat galten, folgten dem Musterabkommen. Das bedeutet, dass die Versicherungsleistung bei Anwendung des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen, der die Abzüge geltend machte, steuerbar gewesen wäre. Die Kohärenz des Steuersystems wäre mithin aufrecht erhalten geblieben, wenn die Versicherungsbeiträge zum Abzug zugelassen worden wären. Nur wenn der Steuerpflichtige im Inland zwar tätig gewesen, seinen Wohnsitz aber in einem anderen Staat begründet hätte, wäre der Staat, der die Abzüge gewährt hat, für die Besteuerung nicht oder nur nachrangig zuständig. Damit muss aber der Besteuerungszusammenhang noch nicht gestört sein. Das DBA schafft seinerseits ein ausgeglichenes System, das einen unerwünschten Steuerausfall vermeidet. Durch die DBA-Zuständigkeitsverteilung würde der Tätigkeitsstaat nämlich umgekehrt hinsichtlich aller auf seinem Territorium ansässiger Versicherter die Besteuerungszuständigkeit erlangen, auch wenn er die Beiträge nicht zum Abzug zulassen musste. Die bilaterale Regelung bewirkt also, dass die Kohärenz der nationalen Abzugs- und Besteuerungsregelung auf die bilaterale Ebene angehoben und auf dieser Ebene gewahrt wird. Diesem Einwand der Literatur hat sich der EuGH mit seinem Urteil XY II angeschlossen.132 dd) Unterschied mittelbar diskriminierender und beschränkender Maßnahmen Nicht kodifizierte Gründe müssen bei Diskriminierungen unberücksichtigt bleiben. Sie können nach der hier befürworteten Lösung nur herangezogen werden, wenn die Mitgliedstaaten bereit sind, ihre rechtlichen Bestimmungen auf alle in ihrem Hoheitsgebiet wohnenden, ansässigen und tätigen Personen anzuwenden, also nicht nach der Herkunft zu differenzieren. Für beschränkende Maßnahmen regelt Art. 46 Abs. 1 EG die Rechtfertigungsgründe hingegen nicht abschließend. Außerdem wird an die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei beschränkenden Maßnahmen nicht derselbe strenge Maßstab anzulegen sein, wie bei diskriminierenden Eingriffen. Hier ist auf die berechtigten Bedenken Rücksicht zu nehmen, die gegen ein Beschränkungsverbot für den Bereich der direkten Steuern geäußert werden.133 Diese Trennung der auf diskriminierende und beschränkende Eingriffe anwendbaren Rechtfertigungsgründe erscheint auch vor dem Hintergrund der beschriebenen Unterschiede dieser Eingriffsformen gerechtfertigt. Insbesondere der Umstand, dass ein Mitgliedstaat, der eine grenzüberschreitende Tätigkeit beschränkt, zum Verzicht auf die Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung 132 133
Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 53 ff. Vgl. o. J.II.1.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
143
auf einen grenzüberschreitend Tätigen oder zur Akzeptanz von Bestimmungen aus der Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaates gezwungen werden könnte, lässt es als legitim erscheinen, ihm eine breitere Palette von Rechtfertigungsgründen für den Eingriff zu eröffnen als im Falle einer Diskriminierung. Den Mitgliedstaaten kann es nicht verwehrt werden, im Rahmen ihrer Besteuerungskompetenz grenzüberschreitende Fälle in derselben Weise zu besteuern, wie wirtschaftliche Vorgänge, denen Vertragsschlüsse unter Inländern zugrunde liegen. Auch auf der Seite des Steuerpflichtigen erscheint dieses Ergebnis sachgerecht, da eine von ihm hinzunehmende Beschränkung in der Erfüllung von sachbezogenen Tatbestandsvoraussetzungen im Inland liegt. Eine Beschränkung hat in der Regel eine weniger belastende Intensität als eine Diskriminierung, bei der der grenzüberschreitend Tätige zur Aufgabe des (Wohn-)Sitzes und zur Verlagerung in das Inland oder zur Begründung einer Niederlassung im Inland gezwungen wird. Die mit den ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen einhergehende größere Belastung für den Steuerpflichtigen wird hinzunehmen sein. Von ihm wird nur verlangt, sich den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates zu unterwerfen. Er wird nicht, wie bei einer Diskriminierung gegenüber Inländern, gezwungen, seinen (Wohn-)Sitz, Aufenthalt oder den Ort der Geschäftsleitung aufzugeben oder in das Inland zu verlagern. Damit hat die beschränkende Maßnahme im Regelfall eine geringer belastende Intensität als die diskriminierende, bezogen auf die barrierefreie wirtschaftliche Betätigung in der Union, die gerade Ziel des Vertrages ist. Dem Interesse der Unionsbürger kann bei beschränkenden Eingriffen mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung genügt werden.
b) Art. 58 Abs. 1 lit. a EG Bei der unterschiedlichen Behandlung von Inländern, die von ihrer Kapitalverkehrsfreiheit Gebrauch machen, ist besonders die Belegenheit des Kapitalanlageortes ein potenzielles Diskriminierungsmerkmal, da dieser Ort im Ausland liegen kann, am Ort des Sitzes der Gesellschaft, in die das Kapital investiert wird. Der Wohnort des Steuerpflichtigen ist in den Fällen des Vertragsschlusses von Inländern mit Gebietsfremden hingegen kein potenzielles Diskriminierungskriterium, da Steuerpflichtiger der Inländer selbst ist. Deshalb steht im Folgenden vor allem das Diskriminierungsmerkmal des Kapitalanlageortes im Vordergrund. Als Kapitalanlageort kann der Ort begriffen werden, an dem der Schuldner seinen Sitz hat. Dort liegt das Risiko der Kapitalanlage und von dort fließen die Erträge an den Gläubiger. Als Kapitalanlageort kann außerdem der Ort, an dem der Investitionsgegenstand verwaltet wird, angesehen werden.134 Sachgerechte Ergebnisse werden sich erzielen lassen, wenn man, entsprechend dem Wortlaut,
144
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
darauf abstellt, wo das Kapital angelegt wird, um Erträge zu erwirtschaften. Angelegt wird das Kapital beim Kapitalnehmer, der die erwarteten Dividenden zahlt. Hat dieser seinen Sitz im Ausland, befindet sich dort der Ort der Kapitalanlage. Während Art. 56 EG den Grundsatz formuliert, dass alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten unterbleiben müssen, wird in Art. 58 Abs. 1 lit. a EG die Differenzierung nach dem Kapitalanlageort in steuerrechtlichen Vorschriften für zulässig erklärt. Es kommt im Anwendungsbereich von Art. 58 Abs. 1 lit. a EG auch nicht auf eine vergleichbare Lage des Inländers mit dem gebietsfremden Vertragspartner und des Inländers mit dem inländischen Vertragspartner an. Die unterschiedliche Behandlung ist immer gestattet. Die Diskriminierung darf jedoch nicht willkürlich im Sinne von Art. 58 Abs. 3 EG erfolgen. Diese Regelung gleicht Art. 30 EG und weicht vom Konzept der anderen Grundfreiheiten ab, die Differenzierungskriterien nicht gestatten, sondern verbieten, beispielsweise die Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit in den Artt. 39 Abs. 2, 43 S. 1 EG oder nach dem Sitz in den Artt. 43 S. 2, 49 S. 1 EG.135 Dennoch dürfte im Ergebnis auch bei Art. 58 Abs. 1 lit. a EG von einem Diskriminierungsverbot gesprochen werden können. Denn die tatbestandlich erlaubte Unterscheidung nach dem Kapitalanlage- oder Wohnort wird, wie die herrschende Meinung im Rahmen der Schranken-Schranke feststellt, dem Vorbehalt der Rechtfertigung unterstellt.136 Eine nach dem Kapitalanlageort differenzierende Regelung ist zwar nach Art. 58 Abs. 1 EG zulässig. Sie ist damit aber noch nicht gerechtfertigt. Ist die Differenzierung willkürlich, kann sie mit der Kapitalverkehrsfreiheit insgesamt nicht vereinbar sein (Art. 58 Abs. 3 EG). Somit ist auch bei Diskriminierungen im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. a EG eine Rechtfertigungsprüfung vorzunehmen, gleichermaßen wie bei Diskriminierungen bei den anderen Grundfreiheiten.137 Die positive Formulierung in Art. 58 Abs. 1 lit. a EG, dass Steuerpflichtige nach ihrem Wohn- oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandelt werden dürfen, steht also wegen des Rechtfertigungszwanges einem Diskriminierungsverbot gleich. Insofern ist der herrschenden Meinung also zuzustimmen, wenngleich die Formulierung, Art. 58 Abs. 1 lit. a EG sei eine Rechtfertigungsvorschrift, irreführen kann. Denn die steuerliche Diskriminierung bei der Ausübung der Kapi134 Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Komm., 2002, Art. 56 EG Rnr. 267. 135 Vgl. Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, S. 193 ff. 136 Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Komm., 2002, Art. 58 EG Rnrn. 19 ff., 31 ff. 137 So im Ergebnis auch Loose, Das Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001, S. 74 ff.(Art. 58 EGV), 2001, S. 74 ff.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
145
talverkehrsfreiheit muss sich im Rahmen des Willkürverbots an einem vom Kapitalanlageort unabhängigen Rechtfertigungsgrund messen lassen. Auch bei steuerlichen Vorschriften gilt allerdings ein Verbot der Diskriminierung von Inländern nach der Herkunft ihrer Vertragspartner, sofern diese nach 1993 in Kraft getreten sind.138 c) Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 58 Abs. 1 lit. a EG In Fällen der Rechtfertigung von Diskriminierungen des freien Kapitalverkehrs durch nichtsteuerliche Vorschriften, wie den hier zu prüfenden Behinderungen, die vom Umwandlungsgesetz ausgehen, können ungeschriebene Rechtfertigungsgründe hingegen nicht anwendbar sein. Während steuerliche Vorschriften, die nach dem Wohn- oder Kapitalanlageort diskriminieren, im Rahmen des Art. 58 Abs. 1 lit. a EG ausdrücklich gestattet werden und nur dem Willkürverbot des Art. 58 Abs. 3 EG unterliegen, sind andere Diskriminierungen durch das Beschränkungsverbot des Art. 56 Abs. 1 EG untersagt. Wenn „Beschränkung“ als Oberbegriff für Diskriminierungen und Beschränkungen im engeren Sinne verstanden wird, verbietet die Kapitalverkehrsfreiheit jegliche Differenzierungen nach der Herkunft oder dem Ziel des Kapitals. Diskriminierungen, die grundsätzlich verboten sind, können nur mit den im EG-Vertrag verankerten Rechtfertigungsgründen legitimiert werden. Hierfür stehen nur die in Art. 58 Abs. 1 lit. b EG genannten Gründe zur Verfügung. Dass die Rechtfertigungsgründe auch für nichtsteuerliche Regelungen gelten, hebt die Formulierung „inbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts“ in Art. 58 Abs. 1 lit. b EG hervor. Wird die behindernde Maßnahme aus der Sicht des Inländers und aus der Sicht des gebietsfremden Vertragspartners einheitlich als Diskriminierung oder Beschränkung beurteilt, werden auch im Rahmen der Rechtfertigung von Behinderungen grenzüberschreitend agierender Inländer einheitliche Ergebnisse für den Inländer und den Vertragspartner erzielt. II. Rechtsprechung des EuGH 1. Ungleichbehandlung aufgrund der Staatszugehörigkeit Es steht mit der Rechtsprechung im Einklang, unter das unmittelbare Diskriminierungsverbot bei der Niederlassungsfreiheit sowohl die unterschiedlichen Behandlungen nach der Staatsangehörigkeit als auch nach der Staatszugehörig138 Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Komm., 2002, Art. 58 EG Rnr. 5.
146
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
keit zu fassen. Der EuGH hat in seinen Entscheidungen, die die unterschiedliche Behandlung von Gebietsfremden im Verhältnis zu Gebietsansässigen durch direkte Steuern betrafen, immer wieder bekräftigt, dass unterschiedliche Behandlungen aufgrund des Sitzes einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbare Diskriminierungen sind. Zur Begründung bezog sich der Gerichtshof darauf, dass der Sitz einer Gesellschaft ihre Staatszugehörigkeit kennzeichne, anhand der bestimmt wird, welche Rechtsordnung auf sie Anwendung findet.139 Die Ungleichbehandlung wegen der Gründung einer Gesellschaft nach den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaates wurde ebenfalls als unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit behandelt.140 Die Unterscheidung nach dem steuerlichen Sitz, der vom statuarischen Sitz unabhängig war, ordnete der EuGH hingegen als mittelbar diskriminierende Maßnahme ein. Alle herkunftsbezogenen Unterscheidungsmerkmale sollen gleichermaßen wie die Staatsangehörigkeit verboten sein.141 Abgesehen von den Rechtfertigungsgründen der steuerlichen Kontrolle und der Kohärenz des Steuersystems, auf die im Folgenden noch näher einzugehen ist, stellte der EuGH jeweils fest, dass lediglich die im EG-Vertrag kodifizierten Gründe zur Rechtfertigung in Betracht kommen.142 2. Rechtfertigung von diskriminierenden Eingriffen a) Im EG-Vertrag kodifizierte Rechtfertigungsgründe In den Fällen der Diskriminierung von Gebietsfremden gegenüber Inländern bei der Ausübung der Niederlassungsfreiheit anhand der oben genannten Differenzierungskriterien hat der EuGH mehrfach konstatiert, dass bei unterschiedlicher Behandlung vergleichbarer Sachverhalte grundsätzlich nur die vom EGVertrag vorgesehenen Rechtfertigungsgründe zur Anwendung kommen können. Beispielhaft sind hierfür die Entscheidungen Royal Bank of Scotland und Saint Gobain anzuführen. Hier stellte der EuGH fest, dass die Diskriminierung auf139 EuGH Urt. v. 28.1.1986, Rs. 270/83 „avoir fiscal“, E 1986 I S. 285 ff. Tz. 18; EuGH Urt. v. 13.7.1993, Rs. 330/91 „Commerzbank“, E 1993 I S. 4038 ff. Tz. 13 f.; EuGH Urt. v. 29.4.1999, Rs. 311/97 „Royal Bank of Scotland“, E 1999 I S. 2664 ff. Tz. 23. 140 EuGH Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. Tz. 14, 20. 141 EuGH Urt. v. 13.7.1993, Rs. 330/91 „Commerzbank“, E 1993 I S. 4038 ff. Tz. 14 f. 142 Vgl. EuGH Urt. v. 28.1.1986, Rs. 270/83, „avoir fiscal“, E 1986 I S. 285 ff. Tz. 22 ff., 25; EuGH Urt. v. 13.7.1993, Rs. 330/91 „Commerzbank“, E 1993 I S. 4038 ff. Tz. 19; EuGH Urt. v. 12.4.1994, Rs. 1/93 „Halliburton Services“, E 1994 I S. 1151 ff. Tz. 21 f.; EuGH Urt. v. 29.4.1999, Rs. 311/97 „Royal Bank of Scotland“, E 1999 I S. 2664 ff. Tz. 32.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
147
grund des Sitzes der gebietsfremden Gesellschaft im Ausland nur mit den in Art. 46 EG explizit aufgeführten Rechtfertigungsgründen legitimiert werden kann.143 Auch in den Fällen der Behinderung von Inländern an der grenzüberschreitenden Tätigkeit lehnte der EuGH von den Mitgliedstaaten geltend gemachte Rechtfertigungsgründe ab, da sie nicht unter den numerus clausus des Art. 46 EG fielen. Im Fall ICI befand der EuGH, dass die steuerliche Ungleichbehandlung nach dem Sitz der Tochtergesellschaften nicht gerechtfertigt werden konnte. Denn die Begründung, es entstünden nicht hinnehmbare Steuerausfälle, wenn die im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften wie inländische Verluste abziehen dürften, jedoch ihre Gewinne im Ausland nicht besteuert werden könnten, ließe sich nicht unter die in Art. 46 EG genannten Rechtfertigungsmöglichkeiten subsumieren.144 b) Steuerliche Kontrolle Die Rechtsprechung des EuGH hat jedoch auch Anlass dafür gegeben, dass sich in der Literatur die Auffassung durchgesetzt hat, Diskriminierungen könnten mit Gründen gerechtfertigt werden, die der EG-Vertrag nicht explizit aufführt. Analysiert man die Urteile und die darin geprüften Rechtfertigungsgründe, ergibt sich, dass der EuGH bei diskriminierenen Eingriffen regelmäßig lediglich zwei Rechtfertigungsgründe näher untersucht, die steuerliche Kontrolle zur Missbrauchsverhütung sowie die Kohärenz des Steuersystems. Diese Entwicklung nahm mit der Entscheidung Bachmann ihren Anfang, einem Fall der Behinderung eines Inländers durch den Tätigkeitsstaat.145 Gegenstand der Untersuchung war ein diskriminierender Eingriff in die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die ein Inländer durch die Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt hatte. Der Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen verweigerte die Geltendmachung von Beiträgen für eine Alters- und Todesfallversicherung als existenzsichernde Aufwendungen, weil die Versicherungsgesellschaft im Ausland ansässig war. Der EuGH griff erstmals das Rechtfertigungsargument der Mitgliedstaaten auf, die unterschiedliche Behandlung sei erforderlich, um wirksam kontrollieren zu können, dass kein steuerlicher Missbrauch begangen werde. Dieser Rechtfertigungsgrund ist für Diskriminierungen in Art. 39 Abs. 3 EG nicht explizit genannt, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
143 EuGH Urt. v. 29.4.1999, Rs. 311/97 „Royal Bank of Scotland“, E 1999 I S. 2664 ff. Tz. 32; EuGH Urt. v. 21.9.1999, Rs. 307/97 „Saint Gobain“, E 1999 I S. 6181 ff. Tz. 51. 144 EuGH Urt. v. 16.7.1998, Rs. 294/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff. Tz. 28. 145 EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff.
148
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Die Ungleichbehandlung sollte nach Meinung der Regierungen der Mitgliedstaaten erforderlich sein, um eine wirksame steuerliche Kontrolle über die Beitragszahlungen an eine im Ausland ansässige Versicherungsgesellschaft zu ermöglichen.146 Der Gerichtshof hielt die unterschiedliche Behandlung für geeignet, die tatsächliche Zahlung von abzugsfähigen Beiträgen zu überwachen. Daraus muss geschlussfolgert werden, dass er den Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kontrolle auf diskriminierende Behandlungen anwendet. Im Ergebnis rechtfertigte dieser Grund aber die unterschiedliche Behandlung nicht, weil sie nicht erforderlich war, um das verfolgte Ziel durchzusetzen. Die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern147 bietet Kontrollmöglichkeiten, die so wirksam sind wie ein Verbot, den Steuerpflichtigen aber weniger belasten. Notfalls hätten entsprechende Belege auch von den Steuerpflichtigen selbst gefordert werden können.148 Später verschärfte der EuGH die Anwendungsvoraussetzung des Rechtfertigungsgrundes der wirksamen Kontrolle zur Bekämpfung von Missbrauch und Steuerflucht für die Konstellation, dass der Herkunftsstaat seine Inländer bei grenzüberschreitender Aktivität diskriminiert. Er verlangte, dass die streitige Bestimmung zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung speziell darauf zielt, bloß künstlich geschaffene, der Gesetzesumgehung dienende Sachverhalte von Steuervergünstigungen auszunehmen. Erfasst sie hingegen allgemein alle Sachverhalte, unter denen auch missbräuchliche Gestaltungen oder Steuerflüchtlinge sein könnten, ist die diskriminierende Anwendung wegen des übermäßigen Eingriffs in die Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu rechtfertigen. Auf die weitere Prüfung der Verhältnismäßigkeit kommt es dann nicht mehr an.149 Dieser Anforderung wurden verschiedene weitere, vom EuGH beurteilte Gesetzesbestimmungen der Mitgliedstaaten zur steuerlichen Kontrolle, zur Verhinderung von Missbräuchen und von Steuerflucht nicht gerecht.150 Damit kann der Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kontrolle zur Verhinderung von Missbräuchen und Steuerflucht nur bei Ungleichbehandlungen geprüft werden, die von einer Vorschrift ausgehen, die speziell auf die Miss146
EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff. Tz. 17, 19. ABl. EG v. 27.12.1977 Nr. L 336, S. 15. 148 EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff. Tz. 18, 20. 149 EuGH Urt. v. 16.7.1998, Rs. 294/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff. Tz. 26. 150 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 60 ff.; EuGH Urt. v. 12.12.2002, Rs. 324/00 „Lankhorst“, E 2002 I S. 11802 ff. Tz. 37; EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff. Tz. 49 ff.; zur Rechtfertigung eines diskriminierenden Eingriffs in die Dienstleistungsund die Kapitalverkehrsfreiheit mit diesem Grund EuGH Urt. v. 4.3.2004, Rs. 334/02 „Kommission ./. Frankreich“, IStR 2004 S. 275 ff. Tz. 27 ff. 147
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
149
brauchsbekämpfung ausgerichtet ist und nicht weniger belastend, aber mit gleicher Wirkung ausgestaltet werden kann. Mit allen anderen Bestimmungen mögen sich Missbräuche ebenfalls kontrollieren und bekämpfen lassen, indem sie auf grenzüberschreitend tätige Inländer nicht angewandt werden oder indem besondere Bestimmungen als Sonderrecht erlassen werden. Dieser Reflex genügt aber nach der Rechtsprechung nicht, um eine Diskriminierung zu rechtfertigen. Im Urteil de Lasteyrie du Saillant hat der EuGH nunmehr anklingen lassen, wann eine Ungleichbehandlung zur Verhinderung von Missbräuchen durch einen Wegzug von Steuerpflichtigen gerechtfertigt werden könnte. In diesem Fall sollten die stillen Reserven aus dem Wertzuwachs von Aktien beim Kläger besteuert bzw. ein Aufschub nur auf einen Antrag und Sicherheitsleistung gewährt werden, weil der Steuerpflichtige zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat weggezogen war. Die den Wegzug behindernde Norm sollte eine Schlussbesteuerung gewährleisten und die Steuerflucht verhindern. Die stillen Reserven, die während der unbeschränkten Steuerpflicht im Herkunftsland des Steuerpflichtigen gebildet worden waren, konnten bei einer Veräußerung nach dem Wegzug im Herkunftsstaat nicht mehr besteuert werden. Für Wegzugsfälle könnte das Herkunftsland, so der EuGH, zum Beispiel die Besteuerung derjenigen Personen vorsehen, die nach verhältnismäßig kurzem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat und nach Realisierung der Wertsteigerungen in das Ursprungsland zurückkehren.151 c) Kohärenz des Steuersystems Den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems prüfte der EuGH ebenfalls erstmals in der Entscheidung Bachmann. Für den Gerichtshof bestand aus fiskalischer Sicht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge und der Besteuerung der für den Versicherungsfall erhaltenen Leistung.152 Dieser Zusammenhang sei daran deutlich geworden, dass Steuerpflichtige, die nicht in den Genuss des Abzuges kamen, auch mit der Versicherungsleistung nicht steuerpflichtig waren. Der Gerichtshof sah die Ungleichbehandlung bei der Abzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge als geeignete Maßnahme an, um zu kontrollieren, dass das kohärente System aufrecht erhalten wurde. Die Ungleichbehandlung sollte sogar erforderlich gewesen sein, weil keine anderen, gleich wirksamen Mittel zur Zweckerreichung zur Verfügung gestanden hätten. Das Versicherungsunternehmen könne sich zwar verpflichten, bei Auszahlung der Versicherungsleistung die Steuer einzubehalten und an den Staat abzuführen, in dem der Steuerpflichtige die Beiträge 151 EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff. Tz. 54. 152 EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. 204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff. Tz. 23.
150
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
zum Abzug gebracht hat. Die Erfüllung einer solchen Verpflichtung sei aber nicht erzwingbar. Es ließe sich noch nicht einmal kontrollieren, wann die Leistung ausbezahlt werde. Eine Sicherheitsleistung, die vom Versicherungsunternehmen an den Versicherungsnehmer weitergegeben werde, hätte den Steuerpflichtigen ebenso stark belastet.153 Auch in späteren Entscheidungen setzte sich der EuGH mit dem Argument der Mitgliedstaaten auseinander, die Ungleichbehandlung von Inländern durch den Herkunftsstaat sei zur Wahrung der steuerlichen Kohärenz gerechtfertigt. Er wandte diesen Rechtfertigungsgrund aber in keinem Fall mehr an. Diese Entscheidungen betrafen steuerliche Vergünstigungen, die Inländer von ihrem (Wohn-)Sitzstaat beanspruchten und die ihnen mit dem Argument verweigert wurden, der Gewinn des Vertragspartners sei im Inland nicht steuerbar. Die Mitgliedstaaten meinten, bei fehlender Besteuerungskompetenz des (Wohn-)Sitzstaates könne der Steuerausfall, den die zu gewährende Vergünstigung verursache, nicht ausgeglichen werden. Die im Fall Svensson Gustavsson vom Darlehensnehmer geltend gemachten Zinsvergütungen sollten wegen der Ansässigkeit der kreditgebenden Bank im Ausland nicht gewährt werden, da die kreditgebende Bank im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig war. Die Mitgliedstaaten beriefen sich darauf, dass der durch die Zinsvergütungen verursachte Steuerausfall, im Gegensatz zur Rechtslage bei unbeschränkt steuerpflichtigen Kreditinstituten, nicht durch die Besteuerung ihrer Gewinne ausgeglichen werden könne.154 Der EuGH verneinte einen kohärenten Zusammenhang zwischen der Zinsvergütung und dem Steueraufkommen aus der Besteuerung der Kreditinstitute, da der Gläubiger der Zinsvergütung nicht mit dem Kreditinstitut identisch war. Er sah in dem Interesse, auch den Gewinn des Darlehensgebers zu besteuern, das rein wirtschaftliche Ziel, einen unerwünschten Steuerausfall zu vermeiden, das kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung sein kann.155 Im Urteil ICI lehnte der EuGH ebenso einen kohärenten Zusammenhang zwischen der den inländischen Konsortien mit ausländischen Tochtergesellschaften verweigerten Verlustverrechnung und der am Sitz der ausländischen Tochtergesellschaften nicht möglichen Gewinnbesteuerung ab, weil die Besteuerungssubjekte nicht identisch waren.156 In der Entscheidung Baars stellte der EuGH schließlich ausdrücklich klar, dass er einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Steuervergünstigung und der Besteuerung nur akzeptiert, wenn die Vergünstigung demjenigen Steuerpflichtigen gewährt wird, der auch besteuert werden soll. Dieser Zusammen153
EuGH Urt. v. 28.1.1992, Rs. EuGH Urt. v. 14.11.1995, S. 3971 ff. Tz. 13. 155 EuGH Urt. v. 14.11.1995, S. 3971 ff. Tz. 18 ff. 156 EuGH Urt. v. 16.7.1998, Rs. 154
204/90 „Bachmann“, E 1992 I S. 276 ff. Tz. 24 ff. Rs. 484/93 „Svensson Gustavsson“, E 1995 I Rs. 484/93 „Svensson Gustavsson“, E 1995 I 294/96 „ICI“, E 1998 I S. 4711 ff. Tz. 28 f.
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
151
hang war nicht gegeben, da die verweigerten Unternehmens- und Dividendenfreibeträge vom Anteilseigner beansprucht wurden, während allein die im Ausland ansässige Gesellschaft im Inland nicht besteuert werden konnte.157 Im Urteil Verkooijen weigerten sich die Niederlande, dem Anteilseigner Dividendenfreibeträge zu gewähren, weil die Gesellschaft, an der er die Anteile hielt, im Ausland ansässig war. Der EuGH wandte erneut die in den früheren Verfahren entwickelten Maßstäbe an, um eine Rechtfertigung des diskriminierenden Eingriffs in die Kapitalverkehrsfreiheit im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. a EG zu prüfen. Da der EG-Vertrag in Art. 58 Abs. 1 lit. a EG keine Rechtfertigungsgründe vorsieht, kamen zwar auch ungeschriebene Gründe in Betracht. Der EuGH kam aber zum Ergebnis, dass kein mit dem EG-Vertrag zu vereinbarender zwingender Grund des Allgemeininteresses einschlägig war. Namentlich der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz sollte nicht eingreifen, weil es an der Personenidentität des Begünstigten und Steuerpflichtigen fehlte, die die erforderliche Verbindung im kohärenten System herstellen soll.158 In der Entscheidung im Verfahren XY II nahm sich der EuGH der Kritik an, die er in der Literatur mit dem Urteil im Fall Bachmann hervorgerufen hatte. Die begehrte unentgeltliche Aktienübertragung sollte nach Meinung der Mitgliedstaaten bei einer Einlage in eine im Ausland ansässige Tochtergesellschaft bzw. in eine inländische Tochtergesellschaft einer ausländischen Körperschaft zur Wahrung der Systemkohärenz verweigert werden dürfen. Damit sollte verhindert werden, dass stille Reserven auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden konnten, bevor der Einbringende ebenfalls seinen (Wohn-)Sitz in das Ausland verlegte und dadurch dem ursprünglichen (Wohn-)Sitzstaat die inländische Besteuerungsgrundlage entzog.159 Anders als im Fall Bachmann stellte der EuGH nicht mehr darauf ab, dass der Besteuerungsaufschub unmittelbar durch die spätere Besteuerung im Falle der Gewinnrealisierung durch den Einbringenden kompensiert werden sollte. Die vom EuGH geforderte Personenidentität wäre erfüllt gewesen, denn es sollte die Besteuerung der Person sichergestellt werden, die die Begünstigung beanspruchte. Der Gerichtshof geht nunmehr über die Voraussetzung der Personenidentität hinaus und prüft im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ausführlich, ob die unterschiedliche Behandlung zur Wahrung der Kohärenz erforderlich ist. Hierzu stellte der EuGH im Verfahren XY II fest, dass der (Wohn-)Sitzstaat die Besteuerungszuständigkeit gegenüber anderen Mitgliedstaaten in Doppelbesteue157 EuGH Urt. v. 13.4.2000, Rs. 251/98 „Baars“, E 2000 I S. 2805 ff. Tz. 40; ferner z. B. EuGH Urt. v. 18.9.2003, Rs. 168/01 „Bosal“, E 2003 I S. 9430 ff. Tz. 29 ff. 158 EuGH Urt. v. 6.6.2000, Rs. 35/98 „Verkooijen“, E 2000 I S. 4113 ff. Tz. 58; Stangl, Der Begriff der steuerlichen Kohärenz nach den Urteilen Baars und Verkooijen, SWI 2000 S. 463, 467 f. m. w. N. 159 EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 6.
152
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
rungsabkommen aufgeteilt hatte. Nach der Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden Regelung des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens verlor der (Wohn-)Sitzstaat des Einbringenden die Besteuerungszuständigkeit in dem Fall, dass dieser seinen (Wohn-)Sitz nach der steuerneutralen Einbringung tatsächlich in das Ausland verlegte. Umgekehrt erlangte er aber die Besteuerungskompetenz für sämtliche Aufdeckungen stiller Reserven der auf seinem Territorium Ansässigen, auch dann, wenn der Besteuerungsaufschub in einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden war. Zusätzlich könne der (Wohn-)Sitzstaat vom Einbringenden vor Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht eine Kaution oder sonstige Garantien verlangen, soweit ihm die Besteuerungskompetenz für die stillen Reserven zustehe.160 Seit dem Urteil XY II verweigerte der EuGH den Mitgliedstaaten auch in weiteren Verfahren das Rechtfertigungsargument für eine Ungleichbehandlung, die Besteuerungszuständigkeit für spätere Gewinnrealisierungen gehe nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auf einen anderen Mitgliedstaat über. Selbst wenn Steuervorteile bei rein inländischen Sachverhalten nur gewährt werden, wenn die damit zusammenhängenden Gewinnrealisierungen zeitlich versetzt besteuert werden können, ist es den Mitgliedstaaten damit untersagt, einen solchen Zusammenhang von Steuervorteil und Besteuerung auch für Sachverhalte im europäischen Zusammenhang zu verlangen, falls die Besteuerung „nur“ durch ein Doppelbesteuerungsabkommen verhindert und die Besteuerungskompetenz einem anderen Mitgliedstaat zugewiesen wird. Denn der EuGH sieht es gerade als das Ziel von Doppelbesteuerungsabkommen an, eine steuerliche Kohärenz eigener Art sicherzustellen, durch die die von ihren Grundfreiheiten Gebrauch machenden Steuerpflichtigen nicht benachteiligt werden dürfen.161 Mit diesen Entscheidungen hat der EuGH an die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz so hohe Anforderungen gestellt, dass fraglich ist, in welchen Fällen dieser Grund eine Diskriminierung noch wird legitimieren können.162 Ein möglicher Anwendungsfall könnte immerhin dem Urteil de Lasteyrie du Saillant entnommen werden. Darin hat der EuGH angedeutet, dass Regelungen, die ihrem Zweck nach generell jede Besteuerung von den im Inland gebildeten Wertsteigerungen bei einer Wohnsitzverlegung des Steuerpflichtigen in das Ausland sicherstellen sollen, ein kohärentes System mit den Bestimmungen, die die Besteuerung aufschieben, bilden 160
EuGH Urt. v. 21.11.2002, Rs. 436/00 „XY II“, E 2002 I S. 10829 ff. Tz. 53 ff. EuGH Urt. v. 15.7.2004, Rs. 242/03 „Weidert u. Paulus“, IStR 2004 S. 686 ff. Tz. 25 f. 162 Für eine fortbestehende Bedeutung dieses Rechtfertigungsgrundes im Bereich der direkten Steuern hingegen Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 967 ff., 975 ff. 161
K. Rechtfertigungsgründe bei Behinderungen durch den Herkunftsstaat
153
könnten.163 Gemeint ist wohl ein allgemeiner Entstrickungstatbestand, der nicht darauf ausgerichtet ist, Missbräuche durch Steuerflucht zu unterbinden, sondern generell jeden Fall zu erfassen, in dem die Besteuerung bislang gebildeter stiller Reserven letztmalig möglich ist, weil ein Wirtschaftsgut aus der Besteuerungshoheit eines Staates ausscheidet. Wenn die Rechtfertigung einer solchen generellen „Schlussbesteuerung“ für grenzüberschreitende Sachverhalte mit der Gewährleistung der Kohärenz des Steuersystems entgegen der hier vertretenen Auffassung möglich sein sollte, so steht doch aber fest, dass diese eine so wenig wie möglich belastende Wirkung entfalten müsste, um auch den strengen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung standzuhalten. Hierzu würde es erforderlich sein, den Wegzüglern in gleicher Weise wie bei innerstaatlichen Sachverhalten einen Besteuerungsaufschub bis zur tatsächlichen Realisierung der dann noch vorhandenen stillen Reserven zuzugestehen und die Doppelbesteuerungsabkommen hinsichtlich der Besteuerungszuständigkeit für die bis zum Wegzug gebildeten stillen Reserven anzupassen. Denn die Schlussbesteuerung dürfte nicht damit begründet werden, dass die Besteuerungskompetenz des Staates, in dem die stillen Reserven gebildet wurden, wegen der Kompetenzzuteilung eines Doppelbesteuerungsabkommens wegfällt. Die Besteuerungszuständigkeiten der Mitgliedstaaten müssten neu aufeinander abgestimmt werden.164 Praktisch dürfte es näher liegen, auf den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems bei diskriminierenden Eingriffen in die Ausübung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ganz zu verzichten und allein Ungleichbehandlungen zur Unterbindung von missbräuchlichen Gestaltungen zu gestatten, die den Steuerpflichtigen überdies nur im erforderlichen und verhältnismäßig gering belastenden Maß betreffen.
163 EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff. Tz. 65 ff. 164 So zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung durch Wegzugsbesteuerung am Beispiel des § 6 AStG ausführlich Ismer/Reimer/Rust, Ist § 6 AStG noch zu halten? – Die Wegzugsbesteuerung auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts nach der Entscheidung de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004 S. 207, 213 ff.; Kraft/Müller, Schlussfolgerungen aus der EuGH-Entscheidung zur französischen Wegzugsbesteuerung (Saillant) für die internationale Steuerberatungspraxis aus deutscher Sicht, RIW 2004 S. 366, 369 ff. Zu den weitergehenden Auswirkungen des EuGH-Urteils Körner, Europarecht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant, IStR 2004 S. 424 ff., 428; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004 S. 804, 807 ff. Zur geplanten Wegzugsbesteuerung in Österreich Schindler, Neuregelung der österreichischen Wegzugsbesteuerung – Ein Vorbild für andere Mitgliedstaaten?, IStR 2004 S. 711, 713 f.
154
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
3. Rechtfertigung von beschränkenden Eingriffen In der Entscheidung Futura Singer war über die Buchführungs- und -aufbewahrungspflicht zu entscheiden. Diese Dokumentation war Voraussetzung für die Geltendmachung von Verlustvorträgen und galt unterschiedslos für In- und Ausländer. Für die über eine Zweigniederlassung im Inland operierende gebietsfremde Gesellschaft stellten sich diese Verpflichtungen als Beschränkungen ihrer Niederlassungsfreiheit dar, die aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigt waren. Der EuGH verwandte bei der Rechtfertigungsprüfung nicht die bei Diskriminierungsfällen übliche Formulierung, die Behinderung müsse sich an einem in Art. 46 EG aufgeführten Rechtfertigungsgrund messen lassen. Stattdessen stellte er fest, dass der Eingriff ein legitimes Ziel verfolgen muss, der mit dem EGVertrag vereinbar, zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich sowie durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist.165 Die Buchführungs- und -aufbewahrungspflicht bezweckte, eine genaue Feststellung der im Tätigkeitsstaat entstandenen Verluste zu ermöglichen. Dieser Gesetzeszweck entsprach dem Rechtfertigungsgrund der wirksamen steuerlichen Kontrolle. Der EuGH hielt diesen auch bei diskriminierenden Eingriffen anerkannten Rechtfertigungsgrund bei der beschränkenden Maßnahme für einschlägig. Bei der Rechtfertigungsprüfung der Beschränkung verlangte der EuGH nicht, dass die behindernde Vorschrift ihrem Zweck nach ausschließlich den steuerlichen Missbrauch verhinderte. Im Ergebnis konnten die beschränkenden Maßnahmen jedoch deshalb nicht aufrecht erhalten werden, weil sie nicht erforderlich waren. Es hätte die gebietsfremde Gesellschaft weniger belastet, wenn ihr der Nachweis der auf dem Territorium des Tätigkeitsstaates entstandenen Verluste auch durch andere Belege gestattet worden wäre. Der EuGH verwies auf die Richtlinie 77/799, nach der Auskünfte von den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaates eingeholt werden können.166 Im Fall Sandoz stellte die Gebührenpflicht für Darlehensverträge, die in Urkunden aufgenommen waren, eine Behinderung dar, wenn inländische Darlehensnehmer ihre Kapitalverkehrsfreiheit grenzüberschreitend ausübten. Die Gebührenpflicht erfasste allerdings auch beurkundete Verträge zwischen Inländern. Deshalb machte die Klägerin geltend, dass sie in der Ausübung ihrer Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt wurde, wenn sie für die schriftliche Fixierung der Kreditaufnahme bei einem ausländischen Darlehensgeber gebührenpflichtig war. Die Finanzverwaltung rechtfertigte die Gebührenpflicht mit dem Argument, 165
EuGH Urt. v. 15.7.1997, Rs. 250/95 „Futura Singer“, E 1997 I S. 2492 ff. Tz.
26. 166
36 ff.
EuGH Urt. v. 15.7.1997, Rs. 250/95 „Futura Singer“, E 1997 I S. 2492 ff. Tz.
L. Zusammenfassung des Lösungsvorschlages
155
dass es notwendig sei, alle inländischen Kreditnehmer gleichmäßig zu belasten. Damit drang der Mitgliedstaat durch. Der EuGH hielt diesen Gesetzeszweck für vereinbar mit dem Rechtfertigungsgrund, Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Steuerrechts zu verhindern (Art. 58 Abs. 1 lit. b EG). Da die Beschränkung geeignet, erforderlich und angemessen war, bestand die Beschränkung die Rechtfertigungsprüfung.167 An diesem Urteil ist bemerkenswert, dass die gleichmäßige Besteuerung, also das wirtschaftliche Interesse des Mitgliedstaates am Steueraufkommen, unter den Rechtfertigungsgrund der unerlässlichen Maßnahme, Zuwiderhandlungen gegen steuerrechtliche Vorschriften zu unterbinden, subsumiert wurde. Während der Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kontrolle zur Verhinderung von Missbräuchen bei diskriminierenden Maßnahmen nur dann in Betracht kommt, wenn die Bestimmung explizit der Missbrauchsverhinderung dient, kann nach dieser Entscheidung die steuerliche Kontrolle als Rechtfertigungsgrund bei unterschiedslos für alle Steuerpflichtigen geltenden Besteuerungstatbeständen schon zur Vermeidung von Steuerausfällen zum Tragen kommen. Das erscheint gerecht vor dem Hintergrund, dass in beschränkenden Maßnahmen enthaltene sachliche Regelungen auch von Gebietsfremden oder grenzüberschreitend tätigen Inländern akzeptiert werden müssen, wenn sie ihre Grundfreiheiten verhältnismäßig einschränken. Diese Lösung setzt aber die Bereitschaft voraus, bei einer behindernden Maßnahme den diskriminierenden oder beschränkenden Charakter festzustellen und auf der Rechtfertigungsebene einen getrennten Maßstab anzulegen.
L. Zusammenfassung des Lösungsvorschlages für die tatbestandliche Abgrenzung und die Rechtfertigungsgründe I. Niederlassungsfreiheit (Artt. 43 ff. EG) 1. Trennung von diskriminierenden und beschränkenden Maßnahmen Die Grundfreiheiten verbieten neben diskriminierenden Eingriffen durch direkt-steuerliche Vorschriften auch Eingriffe durch unterschiedslos geltende, beschränkende Maßnahmen. Das gilt sowohl für Behinderungen von Gebietsfremden im Tätigkeitsstaat als auch für die hier im Vordergrund stehenden Behinderungen von Inländern durch ihren Heimatstaat. Die diskriminierenden und die beschränkenden Eingriffe sind wegen der Unterschiede in den Tatbestandsvoraussetzungen und in den Rechtfertigungsgründen voneinander zu unterscheiden. 167
EuGH Urt. v. 14.10.1999, Rs. 439/97 „Sandoz“, E 1999 I S. 7066 ff. Tz. 23 f.
156
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
2. Diskriminierende Maßnahmen a) Tatbestandsmerkmale aa) Unmittelbare Differenzierungskriterien Wenn Inländer Vertragsverhältnisse mit Gebietsfremden begründen und in diesem Zusammenhang entweder steuerliche Vergünstigungen als gesetzliche Rechtsfolge nicht herbeiführen können, weil sie bestimmte Voraussetzungen des Normtatbestandes nicht erfüllen, oder weil sie eine belastende Rechtsfolge in Kauf nehmen müssen, deren Tatbestandsvoraussetzungen sie erfüllen, ist zunächst zu prüfen, ob diese Inländer aufgrund des grenzüberschreitenden Sachverhaltes gegenüber anderen Inländern diskriminiert werden. Da die zu vergleichenden Personen Inländer sind, kommt es zwar nicht zu einer Differenzierung gegenüber den im Inland verbleibenden Inländern wegen fehlender Staatsangehörigkeit oder wegen der Staatszugehörigkeit in der Person des Inländers. Ungleichbehandlungen von Inländern durch ihr Herkunftsland entstehen aber, wenn der Tatbestand von Rechtsnormen Merkmale enthält, die eine Unterscheidung grenzüberschreitender und inländischer Sachverhalte ermöglichen, obwohl diese, bis auf die Ansässigkeit des Vertragspartners im Ausland, vergleichbar sind. Wegen der Ansässigkeit des Vertragspartners im Ausland kann die Vergleichbarkeit der Situationen nicht abgelehnt werden. Das wäre ein Zirkelschluss, denn es ist gerade Gegenstand der Prüfung, ob auf die Herkunft des Vertragspartners abgestellt werden darf. Grenzüberschreitende Sachverhalte können sich dadurch auszeichnen, dass der Vertragspartner des Inländers aus einem anderen Mitgliedstaat stammt. Die Ursache der Benachteiligung grenzüberschreitender Fälle gegenüber rein inländischen kann demnach darin begründet sein, dass unmittelbare Differenzierungskriterien verwandt werden, die auf den ausländischen Vertragspartner zielen. Hierzu zählen die Staatsangehörigkeit natürlicher Personen sowie für die gemäß Art. 48 EG den natürlichen Personen gleichgestellten Gesellschaften die Rechtsform, der Ort der Gründung, der statuarische oder tatsächliche Sitz (Art. 43 S. 2, 3 EG) und der Ort der Geschäftsleitung. Mit diesen Kriterien wird die Staatszugehörigkeit, das heißt die für die Gesellschaft maßgebliche Rechtsordnung, bestimmt. Diese Kriterien werden von Inländern mit gebietsfremden Vertragspartnern nicht erfüllt, während sie die Steuerpflichtigen mit inländischen Vertragspartnern verwirklichen.
bb) Mittelbare Differenzierungskriterien Der Grund für die Benachteiligung grenzüberschreitender Aktivitäten kann auch in mittelbaren Differenzierungskriterien liegen, wie dem Wohnsitz, dem
L. Zusammenfassung des Lösungsvorschlages
157
gewöhnlichen Aufenthalt und der inländischen Niederlassung. Diese Merkmale weisen ebenso auf die Herkunft des Vertragspartners des Inländers hin. Zu einem diskriminierenden Eingriff kommt es für den Inländer also immer dann, wenn sich der Gebietsfremde auf das allgemein anerkannte Inländergleichbehandlungsgebot berufen könnte, weil er wegen seiner Staatsangehörigkeit, seiner Staatszugehörigkeit oder vergleichbarer Merkmale gegenüber Inländern direkt oder indirekt diskriminiert wird. Diese Auswirkung des Differenzierungskriteriums entspricht dem klassischen Bild der Diskriminierung Gebietsfremder im Verhältnis zu inländischen Steuerpflichtigen aufgrund des ausländischen Sitzes, der Gründung nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates bzw. der fehlenden Niederlassung im Inland. Eine mitgliedstaatliche Regelung, die eine steuerliche Begünstigung an den inländischen Sitz oder die inländische Niederlassung des Vertragspartners des Inländers anknüpft, ist mithin sowohl für den Inländer als auch für den Gebietsfremden diskriminierend. Behinderungen von Inländern an der grenzüberschreitenden Tätigkeit müssen unter denselben Gesichtspunkten beurteilt werden wie bei gebietsfremden Unionsbürgern und den ihnen gleichgestellten Gesellschaften, die bei ihrer Betätigung im Inland diskriminiert oder beschränkt werden. Die Lage der Inländer, die einen gebietsfremden Vertragspartner wählen, ist grundsätzlich vergleichbar mit der Situation der Inländer, die ihre Tätigkeit auf das Inland beschränken. Eine Kontrollmöglichkeit für die richtige Einordnung als diskriminierende Maßnahme bietet die Beurteilung des Regelungsziels des Gesetzgebers. Für Diskriminierungen ist ein Normtext charakteristisch, der Inländer bewegen soll, von einer grenzüberschreitenden Tätigkeit, also auch vom Vertragsschluss mit Gebietsfremden, Abstand zu nehmen. Hierzu werden für Rechte bzw. Vergünstigungen bewusst tatbestandliche Voraussetzungen aufgestellt, die bei grenzüberschreitenden Aktivitäten nicht erfüllt werden können, wie beispielsweise das Erfordernis inländischer Vertragspartner, das Gebietsfremde aufgrund ihrer Herkunft aus einem anderen Staat nicht erfüllen; oder es werden nachteilige Rechtsfolgen an Eigenschaften des Gebietsfremden geknüpft.
b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe aa) Belange der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (Art. 46 Abs. 1 EG) Unterschiedliche Behandlungen von inländischen und grenzüberschreitenden Sachverhalten, die in die Niederlassungsfreiheit eingreifen, sind nur mit den im EG-Vertrag vorgesehenen Gründen zu rechtfertigen. Zum Schutze der unionszugehörigen Gesellschaften bzw. Unionsbürger und zur Disziplinierung des mit-
158
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
gliedstaatlichen Gesetzgebers besteht kein Unterschied, ob die unterschiedliche Behandlung durch ausdrücklich vom EG-Vertrag untersagte unmittelbare Diskriminierungsmerkmale verursacht wird, oder ob sie durch versteckte, aber genauso auf die Herkunft abstellende Merkmale hervorgerufen wird. Für die Rechtfertigung von Diskriminierungen durch direkt-steuerliche Normen kommen also nur Belange der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Betracht (Art. 46 Abs. 1 EG). Hierzu gehören Rechtsnormen, die ihrer Formulierung nach dem Missbrauch nationalen Rechts durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht entgegenwirken, also Gestaltungen, denen keine vom Primär- oder Sekundärrecht der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannten wirtschaftlichen Motive zugrunde liegen. Die unterschiedliche Behandlung muss aber geeignet und erforderlich sein, um den Missbrauch zu unterbinden, und die Behinderung des Steuerpflichtigen muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gesetzeszweck stehen.
bb) Richterrechtlicher Grund der Kohärenz des Steuersystems Soll eine gesetzliche Vorschrift, die grenzüberschreitende Sachverhalte diskriminiert, mit der Wahrung der Kohärenz des Steuersystems eines Mitgliedstaates gerechtfertigt werden, bedarf es nach der Rechtsprechung zwar keines Normwortlautes, der ausdrücklich auf die Verhinderung von Missbräuchen ausgerichtet ist. Der EuGH fordert aber, dass der Wortlaut der Bestimmung einen Abzugs- bzw. Vergünstigungstatbestand für einen Steuerpflichtigen auf der einen Seite mit der Besteuerung desselben Steuerpflichtigen auf der anderen Seite untrennbar verbindet. Hinsichtlich der Besteuerung von Körperschaften lehnte der EuGH einen kohärenten Zusammenhang, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigen sollte, stets ab. Dem von den Steuerpflichtigen geltend gemachten Vergünstigungstatbestand stand keine Steuerpflicht dieser Personen gegenüber, die dem Mitgliedstaat hätte entgehen können. Steuerpflichtig waren die Vertragspartner. Ist der Zusammenhang zwischen dem Abzugstatbestand und der Steuerpflicht bei einer Person gegeben, handhabt der EuGH, ebenso wie die überwiegende Auffassung in der Literatur, die Verhältnismäßigkeitsprüfung streng. Wenn ein Mitgliedstaat die Besteuerungszuständigkeit verliert, sobald der begünstigte Steuerpflichtige von seiner Freizügigkeit Gebrauch macht und die unbeschränkte Steuerpflicht aufgibt, ist der Besteuerungszusammenhang nicht notwendig gestört und eine diskriminierende Behandlung des grenzüberschreitenden Sachverhaltes nicht ohne weiteres zulässig. Zugunsten des Steuerpflichtigen ist zu berücksichtigen, dass der Zusammenhang zwischen einer Abzugs- bzw. Vergünstigungvorschrift und der Besteuerung auch auf der Ebene von Doppelbesteuerungsabkommen erhalten werden kann. Verzichtet ein Mitgliedstaat auf
L. Zusammenfassung des Lösungsvorschlages
159
die Besteuerungszuständigkeit für Steuerpflichtige, die zuvor in den Genuss eines Vergünstigungstatbestandes gekommen sind, so entgeht dem Fiskus die Besteuerung, die den Abzugstatbestand kompensieren soll. Denn für die Besteuerung ist nur der Ansässigkeitsstaat zuständig. Umgekehrt erlangt der Mitgliedstaat aber durch die abkommensrechtliche Vereinbarung die Besteuerungszuständigkeit für sämtliche auf seinem Territorium Ansässige, auch in Fällen, in denen ein anderer Mitgliedstaat Vergünstigungen gewährt hat und im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht auf die Besteuerung verzichten muss. Schließlich sind mildere Mittel, die den kohärenten Zusammenhang ebenfalls aufrechterhalten, vorrangig. cc) Keine ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe Nicht kodifizierte Gründe müssen bei Diskriminierungen unberücksichtigt bleiben. Deshalb darf ein Mitgliedstaat wirtschaftliche Gründe nicht anführen, um unterschiedliche Behandlungen von Unionsbürgern oder -gesellschaften zu legitimieren. c) Verhältnis zu Beschränkungsfällen Zwischen dem Diskriminierungsverbot und dem Verbot unterschiedslos geltender Maßnahmen besteht ein Alternativverhältnis. Verstößt eine hoheitliche Maßnahme gegen das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung, sind die Sachverhalte jedoch nicht vergleichbar oder ist eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt, ist diese Maßnahme mit den Grundfreiheiten vereinbar. Eine Gesetzesbestimmung, die Sachverhalte nach der Staatsangehörigkeit, nach der Staatszugehörigkeit oder nach mittelbaren Differenzierungskriterien unterscheidet, ist nur nach den für Ungleichbehandlungen geltenden Regeln zu beurteilen; anhand der für Beschränkungen geltenden Maßstäbe ist sie nicht zu messen. 3. Beschränkende Maßnahmen a) Tatbestand aa) Unterschiedslose Anwendung von Rechtsvorschriften Beschränkende Regelungen enthalten keine Tatbestandsmerkmale, die einen Vertragsschluss wegen der grenzüberschreitenden Dimension behindern. Die Behinderung hat für den Inländer und seinen gebietsfremden Vertragspartner beschränkende Wirkung, wenn derselbe Vergünstigungs- oder Besteuerungstatbe-
160
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
stand auch bei einem Vertragsschluss mit einem Inländer bestünde. Gebietsfremde sehen sich bei grenzüberschreitender Tätigkeit durch beschränkende Normen mit neuen Regelungen konfrontiert, die strenger sind oder auch nur abweichen von denjenigen, die sie bei vergleichbaren Sachverhalten in ihrem Heimatstaat erfüllen müssen. Die Einordnung von Beschränkungen lässt sich ebenfalls am Regelungsziel des Gesetzgebers kontrollieren. Beschränkende Regelungen werden nicht in dem Bestreben, Gebietsfremde auszugrenzen, in das Gesetz aufgenommen. Beschränkend wirken Normen, die unterschiedslos sachliche Anforderungen stellen. bb) Untaugliche Tatbestandsmerkmale Es kann schwerfallen, beschränkende Maßnahmen von diskriminierenden mit der Formel abzugrenzen, eine Diskriminierung liege vor, wenn sich die Regelung ausschließlich, regelmäßig oder eher nur für Gebietsfremde im Unterschied zu Gebietsansässigen nachteilig auswirke. Denn diese Definition trifft auch auf beschränkende Maßnahmen zu, wenn nicht hinreichend berücksichtigt wird, dass sich Inländer bei rein inländischen Tätigkeiten auf beschränkende Maßnahmen ihres Heimatstaates einstellen und die Beschränkung deshalb nicht als nachteilig empfinden. Dieser Umstand muss isoliert werden, wenn zuverlässig festgestellt werden soll, ob Inländer und Gebietsfremde in gleicher Weise belastet werden. b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe Für beschränkende Maßnahmen regelt Art. 46 Abs. 1 EG die Rechtfertigungsgründe nicht abschließend. Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe dürfen zur Rechtfertigung herangezogen werden. Bei den direkten Steuern haben solche Rechtfertigungsgründe eine besondere Bedeutung. Da die Mitgliedstaaten die Kompetenz zur Steuergesetzgebung und -erhebung behalten haben, wird ihnen grundsätzlich das Recht zugestanden, die direkten Steuern im Inland auszugestalten. Einer besonderen Rechtfertigung der Art und Weise der Besteuerung oder der Besteuerungshöhe bedarf es nicht, wenn keine Ungleichbehandlung stattfindet. Vielmehr wird beispielsweise das Interesse des Staates, in einheitlicher Weise Abgaben zu erheben, respektiert. Zugunsten der Steuerpflichtigen ist aber zu prüfen, ob die Beschränkung geeignet sowie erforderlich ist, um beispielsweise ein gleichmäßiges Steueraufkommen zu erzielen und sie in verhältnismäßiger Weise beeinträchtigt.
L. Zusammenfassung des Lösungsvorschlages
161
II. Kapitalverkehrsfreiheit (Artt. 56 ff. EG) 1. Trennung von diskriminierenden und beschränkenden Maßnahmen Sofern die Behinderung grenzüberschreitender Tätigkeit gleichzeitig den Verkehr von Kapital bzw. Zahlungsmitteln innerhalb der Europäischen Union betrifft und die Niederlassungsfreiheit als Prüfungsmaßstab nicht spezieller ist, ist die Maßnahme weiterhin an den Artt. 56 ff. EG zu messen. Art. 56 Abs. 1 EG verbietet Diskriminierungen und unterschiedslos geltende Beschränkungen. 2. Diskriminierende Maßnahmen a) Tatbestandsmerkmale Eine steuerlich unterschiedliche Behandlung grenzüberschreitender und inländischer Sachverhalte ist nach Art. 58 Abs. 1 lit. a EG gestattet. Erlaubt sind Differenzierungen nach dem Kapitalanlageort im In- und Ausland und somit nach dem Sitz der Gesellschaft, in die das Kapital investiert wird, auch wenn die Sachverhalte im Übrigen vergleichbar sind. Diskriminierende Maßnahmen durch Rechtsvorschriften außerhalb des Steuerrechts sind durch Art. 56 Abs. 1 EG grundsätzlich untersagt, unabhängig vom Differenzierungsgrund. b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe aa) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe Ungleichbehandlungen, die die Kapitalverkehrsfreiheit beeinträchtigen können, dürfen nicht gegen das Willkürverbot verstoßen (Art. 58 Abs. 3 EG). Art. 58 Abs. 1 lit. a i. V. m. Abs. 3 EG lässt mit dem Verbot, durch direkte Steuern willkürlich nach dem Kapitalanlageort zu differenzieren, theoretisch weitere Rechtfertigungsgründe als die in Art. 46 Abs. 1 EG für unterschiedliche Behandlungen der Niederlassung erwähnten zu. Ob solche ungeschriebenen Gründe für die Untersuchung der Vereinbarkeit mit dem Willkürverbot in Betracht kommen, ist im Einzelfall zu prüfen. Ein Transfer solcher Rechtfertigungsgründe auf die Artt. 43, 46 Abs. 1 EG wäre zu erwägen, wenn sie eine unterschiedliche Behandlung nach dem Kapitalanlageort rechtfertigen könnten, aber mangels Aufzählung in Art. 46 Abs. 1 EG als Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht in Betracht kämen. Unterscheiden sich die bei beiden Grundfreiheiten in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe nicht, kommt es auf einen Transfer der Schranken weder von der
162
2. Teil: Anwendungsbereich und Grenzen der Grundfreiheiten
Niederlassungsfreiheit auf die Kapitalverkehrsfreiheit noch in umgekehrter Richtung an. Bei nichtsteuerlichen Diskriminierungen der Freiheit des Kapitalverkehrs, wie den vom Umwandlungsgesetz ausgehenden, ist Art. 58 Abs. 1 lit. a i. V. m. Abs. 3 EG hingegen nicht anwendbar, so dass sich die Anwendung ungeschriebener Rechtfertigungsgründe verbietet. bb) Geschriebene Rechtfertigungsgründe Für unterschiedliche Behandlungen nach der Herkunft oder dem Ziel des Kapitals im Falle der Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit außerhalb des Steuerrechts gestatten nur die in Art. 58 Abs. 1 lit. b i. V. m. Abs. 3 EG genannten Gründe eine Rechtfertigung. 3. Beschränkende Maßnahmen a) Tatbestand Zum Tatbestand der die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkenden Regelungen gilt das zu unterschiedslos geltenden Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit Ausgeführte entsprechend (s. o. L.I.3.a)). b) Anwendbare Rechtfertigungsgründe Für die Rechtfertigung von unterschiedslos geltenden Beschränkungen des Kapitalverkehrs kommen weitere Rechtfertigungsgründe als bei Diskriminierungen in Betracht. Beschränkende Maßnahmen, die der steuerlichen Kontrolle dienen, müssen ihrem Zweck nach nicht ausschließlich einen steuerlichen Missbrauch verhindern, sondern dürfen nach der Rechtsprechung auch dem wirtschaftlichen Ziel dienen, die Steuerpflichtigen gleichmäßig zu belasten und Steuerausfälle zu vermeiden. Die Beschränkung muss aber geeignet und erforderlich sein, um diesen Zweck zu erreichen sowie einen angemessenen Eingriff darstellen.
3. Teil
Vereinbarkeit der durch das Umwandlungssteuergesetz hervorgerufenen Behinderungen von Inländern bei der freien Niederlassung und im freien Kapitalverkehr M. Einordnung als Diskriminierungen oder Beschränkungen und Rechtfertigung I. Diskriminierungen 1. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft Die nachstehend aufgeführten Fälle, in denen Inländer durch das Umwandlungssteuergesetz an der Einbringung eines Mitunternehmeranteils, eines (Teil-) Betriebes oder eines mehrheitsvermittelnden Kapitalgesellschaftsanteils in eine gebietsfremde Kapitalgesellschaft gehindert werden, fallen sämtlich in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit des Einbringenden, sofern er eine Mehrheits- oder 100%-ige Beteiligung erwirbt und dadurch einen maßgebenden Einfluss auf die Geschäftsführung des aufnehmenden Rechtsträgers erlangt (Art. 43 S. 3 EG). Aber auch beim Erwerb einer Minderheitsbeteiligung kann sich der Einbringende auf einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit berufen. Er kann geltend machen, dass der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit des aufnehmenden Rechtsträgers betroffen ist. Denn dieser erwirbt durch die Einbringung eine inländische Betriebstätte (Art. 43 S. 2 EG).1 Die im Folgenden unter I. behandelten Konstellationen haben die Gemeinsamkeit, dass in die Niederlassungsfreiheit des Inländers und seines gebietsfremden Vertragspartners diskriminierend eingegriffen wird. Inländer werden beim grenzüberschreitenden Erwerb der einbringungsgeborenen Anteile und damit bei der Übernahme der Leitung eines gebietsfremden Unternehmens im Sinne von Art. 43 S. 3 EG anders behandelt als Inländer, die eine solche Beteiligung bei einer rein inländischen Transaktion erwerben. Soweit der Inländer eine grenzüberschreitende Einbringung über den Tatbestand des § 23 UmwStG hinaus steuerneutral erreichen möchte und sich am Vorbild der inländischen 1
Siehe hierzu im Einzelnen unter I.II.4.a).
164
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Transaktion orientiert, wird er die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllen können. In § 20 Abs. 1 UmwStG wird verlangt, dass der Vertragspartner, der den Einbringungsgegenstand aufnimmt und von dem er die Anteile erhält, eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist. Die Differenzierungskriterien des Sitzes, des Ortes der Geschäftsleitung und der inländischen Rechtsform bzw. der inländischen Gründung, die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG geregelt sind, diskriminieren in direkter Weise. Denn anhand dieser Merkmale wird die Staatszugehörigkeit von Gesellschaften bestimmt. Solche Differenzierungen nach der Staatszugehörigkeit verbietet Art. 43 EG.2 Gleichzeitig könnte sich der Gebietsfremde auf das Inländergleichbehandlungsgebot berufen. Wenn der Inländer bei der Unanwendbarkeit der §§ 20, 23 UmwStG die stillen Reserven aufdecken und versteuern muss, wird auch der Gebietsfremde beim Erwerb der inländischen Betriebstätte, die den Einbringungsgegenstand darstellt, behindert. Die Ursache der Diskriminierung liegt wiederum in den Tatbestandsvoraussetzungen, dass der aufnehmende Rechtsträger eine inländische Kapitalgesellschaft sein muss, die im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Damit wird auch der Gebietsfremde gegenüber inländischen Rechtsträgern, die den Einbringungsgegenstand aufnehmen, direkt diskriminiert. Der deutsche Gesetzgeber hat die steuerneutrale Übertragung gemäß § 20 UmwStG auf gebietsfremde Rechtsträger also bewusst ausgeschlossen, indem er sie von Kriterien abhängig gemacht hat, die nur inländische Aufnehmende erfüllen. Der inländische Einbringende kann sich auf diese direkte Diskriminierung seines Vertragspartners berufen. Die inländische Einbringung ist mit der grenzüberschreitenden vergleichbar. Der Unterschied liegt allein in der Ansässigkeit des Vertragspartners im Ausland. Diese Tatsache macht die Sachverhalte aber nicht wesensverschieden.3 Weiterhin ist jeweils auch der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit des einbringenden Inländers betroffen, da mit der Einbringung Sachwerte im Ausland investiert werden. Das eingebrachte Kapital wird genutzt, indem es in die ausgegebene Beteiligung am gebietsfremden Rechtsträger umgewandelt wird.4 Die Differenzierungen betreffen den Kapitalanlageort, da Einbringungen an inländischen Kapitalanlageorten, das heißt am inländischen Sitz des Aufnehmenden, anders behandelt werden als an ausländischen Anlageorten, wo Rechtsträger ansässig sind, die im Inland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind. Solche steuerlichen Differenzierungen von Sachverhalten, in denen Kapital an einem ausländischen und nicht an einem inländischen Kapitalanlageort investiert wird, sind von Art. 58 Abs. 1 lit. a EG gestattet, müssen aber ebenfalls der Rechtfertigungsprüfung standhalten. 2 3 4
Siehe hierzu im Einzelnen unter K.I.2.a)bb) und L.I. Vgl. unter L.I. Siehe hierzu im Einzelnen unter I.II.4.b).
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
165
a) Einbringungsgegenstand: Mitunternehmeranteil § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG räumt inländischen Rechtsträgern die Möglichkeit ein, einen Mitunternehmeranteil steuerneutral auf eine staatszugehörige Gesellschaft zu übertragen. Sie können den Mitunternehmeranteil auf unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften übertragen, die ihren Sitz oder den Ort der Geschäftsleitung im Inland haben und wegen ihrer inländischen Gründung die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgeführten Rechtsformen haben. Demgegenüber kann der Mitunternehmeranteil in gebietsfremde Gesellschaften, die diese Kriterien nicht erfüllen, nicht eingebracht werden. Das Umwandlungssteuergesetz lässt mit § 20 Abs. 1 S. 1 und § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG keine steuerneutrale Übertragung eines Mitunternehmeranteils von einem inländischen Rechtsträger, gleich welcher Rechtsform, auf eine Kapitalgesellschaft eines anderen Mitgliedstaates gegen Erwerb ausländischer Kapitalanteile zu.5 Folglich liegt für den einbringungswilligen Inländer eine direkte Diskriminierung grenzüberschreitender Sachverhalte vor. Die unterschiedliche Behandlung des inländischen und des grenzüberschreitenden Sachverhaltes ist als Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nur mit den in Art. 46 Abs. 1 EG vorgesehenen Gründen zu rechtfertigen. Die Ungleichbehandlung kann nur legitimiert werden, wenn die Bestimmung ausdrücklich zur steuerlichen Kontrolle geschaffen wurde, um den Missbrauch nationalen Rechts durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht zu verhindern und wenn die unterschiedliche Behandlung zudem der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Die §§ 20 Abs. 1 S. 1, 23 Abs. 1 UmwStG sind ihrem Wortlaut nach kein Missbrauchstatbestand. Sie dienen mit dem Ausschluss der Einbringung eines Mitunternehmeranteils nicht einmal inhaltlich der Verhinderung von Steuerhinterziehung oder Steuerflucht. Der denkbare Missbrauch, die Voraussetzungen bei der Einbringung eines (Teil-)Betriebes zu umgehen, indem einzelne Wirtschaftsgüter steuerneutral in eine Personengesellschaft eingebracht werden, wird in der Literatur als Grund für die Entscheidung des Richtlinien- und des Gesetzgebers verneint. Diese Missbrauchsgefahr besteht auch bei innerdeutschen Vorgängen, für die die Einbringung eines Mitunternehmeranteils als innerstaatliche Transaktion zugelassen ist (§ 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG).6 Da § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG nicht explizit zur Verhinderung von Missbräuchen ausgestaltet ist, könnte dieses Argument unter Zugrundelegung des strengen Beurteilungsmaßstabes der Judikatur die unterschiedliche Behandlung auch nicht rechtfertigen. 5
Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 26. Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rnr. 62, § 23 UmwStG Rnr. 33 unter Berufung auf Engl in: The Merger Directive – Practical Tax Issues, S. 73, 80. 6
166
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Die Wahrung der Kohärenz des Steuersystems eines Mitgliedstaates, die nach der Rechtsprechung als ein Unterfall des Rechtfertigungsgrundes der steuerlichen Kontrolle zum Schutz vor Missbräuchen begriffen werden kann, kommt nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Zwar soll bei der Kohärenzrechtfertigung keine ausdrückliche Formulierung, dass der steuerliche Missbrauch unterbunden werden soll, erforderlich sein. Es muss sich aber aus dem Wortlaut der Vorschrift ein Abzugs- bzw. Vergünstigungstatbestand für den Steuerpflichtigen auf der einen Seite und die Besteuerung desselben Steuerpflichtigen auf der anderen Seite als untrennbares System ergeben. Außerdem muss der Besteuerungszusammenhang der strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Ein kohärenter Zusammenhang kann in der dem Einbringenden gewährten Möglichkeit des Besteuerungsaufschubes und der Besteuerung der stillen Reserven des Einbringungsgegenstandes bei einer späteren Veräußerung nicht gesehen werden, da in diesem Fall die Steuerpflichtigen nicht personenidentisch sind. Eine Personenidentität ist nur beim Einbringenden gegeben, dem der Besteuerungsaufschub gewährt wird und der den Buch- oder Zwischenwertansatz des Aufnehmenden als Anschaffungspreis der einbringungsgeborenen Anteile übernehmen müsste (§ 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 und § 21 Abs. 1 bzw. § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG), damit die stillen Reserven innerhalb von sieben Jahren steuerbar sind und, falls er einkommensteuerpflichtig ist, darüber hinaus zur Hälfte steuerbar bleiben (§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. b, S. 3, 4 lit. a EStG). Dieser Zusammenhang ist jedoch, wenn man ihn als kohärent bezeichnen will, nicht geeignet, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Denn der Besteuerungszusammenhang zwischen dem Besteuerungsaufschub und der siebenjährigen Steuerbarkeit der auf die einbringungsgeborenen Anteile übertragenen stillen Reserven sowie darüber hinaus weiterhin der Hälfte der stillen Reserven bei Einkommensteuerpflichtigen als kohärentes System würde durch die grenzüberschreitende Einbringung eines Mitunternehmeranteils nicht aufgehoben. Der Einbringende müsste lediglich zur Übernahme des Buch- oder Zwischenwertes verpflichtet werden, den der aufnehmende Rechtsträger gemäß § 20 Abs. 2 UmwStG bzw. § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG bilanziert (§ 20 Abs. 4 S. 1 bzw. § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Die Besteuerung beim Einbringenden ist aufgrund seiner unbeschränkten Steuerpflicht stets möglich. Selbst die zeitweise Verdoppelung der stillen Reserven durch die Übertragung des Buch- oder Zwischenwertansatzes als Anschaffungspreis auf die einbringungsgeborenen Anteile ist möglich (§ 20 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 und § 21 Abs. 1 bzw. § 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Nicht kodifizierte Gründe können bei Diskriminierungen nicht herangezogen werden. Insbesondere wirtschaftliche Erwägungen können nicht angeführt werden, um unterschiedliche Behandlungen von Unionsgesellschaften zu rechtfertigen.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
167
Folglich verstößt die fehlende Übertragbarkeit eines Mitunternehmeranteils auf eine gebietsfremde Kapitalgesellschaft gegen die Niederlassungsfreiheit des einbringenden Inländers. Auch ein Eingriff in die freie Ausübung des Kapitalverkehrs liegt vor. Inländer werden nach dem Kapitalanlageort unterschiedlich behandelt, wenn sie bei Einbringungen an inländischen Kapitalanlageorten von einem Besteuerungsaufschub gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG profitieren können, hingegen bei einer grenzüberschreitenden Anlage im Ausland, wo keine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG des aufnehmenden Rechtsträgers besteht, die Besteuerung der aufgedeckten stillen Reserven hinzunehmen haben. Die Differenzierung nach dem Kapitalanlageort ist zwar nach Art. 58 Abs. 1 lit. a EG gestattet. Eine solche steuerliche Unterscheidung muss aber gerechtfertigt sein, Art. 58 Abs. 3 EG. Gemäß Art. 58 Abs. 1 lit. a i. V. m. Abs. 3 EG können weitere Rechtfertigungsgründe als bei Art. 46 Abs. 1 EG zur Anwendung gelangen. Die unterschiedliche Behandlung nach dem Kapitalanlageort ist jedoch nicht aus Gründen gerechtfertigt, die über die in Art. 46 Abs. 1 EG genannten hinausgehen. Den §§ 20 Abs. 1 S. 1, 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, dass die Einbringung eines Mitunternehmeranteils ausgeschlossen sei, um einen steuerlichen Missbrauch zu verhindern. Auch der Besteuerungszusammenhang ist, wie zum Eingriff in die Niederlassungsfreiheit ausgeführt, nicht gestört. Somit besteht kein Grund, die Inländer an der Übertragung von Mitunternehmeranteilen zu hindern. Es steht weder mit der Niederlassungs- noch mit der Kapitalverkehrsfreiheit im Einklang, die steuerneutrale Übertragung eines Mitunternehmeranteils von einem inländischen Rechtsträger auf eine Kapitalgesellschaft eines anderen Mitgliedstaates gegen Erwerb ausländischer Kapitalanteile zu untersagen. In diesem Fall gewähren die Grundfreiheiten Inländern Rechte, die durch die Fusionsrichtlinie nicht vorgesehen sind. b) Einbringender Rechtsträger eines (Teil-)Betriebes Die steuerneutrale Einbringung eines (Teil-)Betriebes durch eine inländische natürliche Person, eine Personengesellschaft bzw. ihre Mitunternehmer oder eine andere Körperschaft als eine GmbH, AG oder KGaA ist nicht zulässig, wenn eine EU-Kapitalgesellschaft den Einbringungsgegenstand aufnimmt (§§ 20 Abs. 1 S. 1, 23 Abs. 1 S. 1 UmwStG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG).7 7 Knobbe-Keuk, Wegzug und Einbringung von Unternehmen zwischen Niederlassungsfreiheit, Fusionsrichtlinie und nationalem Steuerrecht, DB 1991 S. 298, 304; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnr. 14.
168
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Auf eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft können inländische natürliche Personen, Personengesellschaften bzw. ihre Mitunternehmer und andere Körperschaften als GmbH, AG oder KGaA einen (Teil-)Betrieb hingegen übertragen (§ 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Der inländische Einbringende wird bei grenzüberschreitenden Konstellationen durch die von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vorausgesetzten Merkmale diskriminiert; die gebietsfremde Kapitalgesellschaft wird aufgrund dieses Merkmals mit Inländern verschieden behandelt. Die Ursache der Diskriminierung ist also keine andere als bei der fehlenden Einbringungsfähigkeit eines Mitunternehmeranteils; es handelt sich um eine direkte Diskriminierung aufgrund von Merkmalen der Staatszugehörigkeit.8 Diese Ungleichbehandlung dient nicht ausdrücklich der steuerlichen Kontrolle, um den Missbrauch nationalen Rechts durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht zu verhindern, und kann deshalb nicht aus diesem Grund gerechtfertigt werden. Der Besteuerungszusammenhang beim Einbringenden, der den Buch- oder Zwischenwert für die einbringungsgeborenen Anteile ansetzen und die stillen Reserven bei einer Veräußerung innerhalb von sieben Jahren voll sowie als Einkommensteuerpflichtiger danach zur Hälfte versteuern muss, würde nicht gestört, wenn diesen Rechtsträgern die grenzüberschreitende Einbringung eines Betriebes oder Teilbetriebes ermöglicht würde. Somit scheidet eine Rechtfertigung auch aus dem vom EuGH gebilligten Grund der Kohärenz des Steuersystems aus.9 Die Regelung stellt zudem einen Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit dar, weil die Einbringung eines (Teil-)Betriebes für natürliche Personen und Personengesellschaften bzw. Mitunternehmer vom inländischen Kapitalanlageort abhängig gemacht wird. Die nach dem Kapitalanlageort differenzierende Behandlung ist aus vorgenannten Gründen nicht gerechtfertigt. Damit ist die Eingrenzung der Rechtsträger, die einen (Teil-)Betrieb grenzüberschreitend einbringen können, auf inländische Kapitalgesellschaften weder mit der Niederlassungsfreiheit noch mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren. Auch in diesem Fall profitieren Inländer von den Grundfreiheiten, die über den Regelungsgehalt der Fusionsrichtlinie hinausgehen.10
8
Vgl. o. M.I.1.a). Vgl. o. M.I.1.a). 10 Die Erweiterung der Gesellschaftsformen, die als einbringende Rechtsträger zuzulassen sind, ist aber nunmehr im Kommissionsvorschlag für die Überarbeitung der Richtlinie v. 17.10.2003, KOM (2003) S. 613 ff., vorgesehen worden. 9
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
169
c) Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 1 UmwStG) Bei der grenzüberschreitenden Einbringung eines inländischen (Teil-)Betriebes müssen die Wirtschaftsgüter in einer inländischen Betriebstätte der aufnehmenden EU-Kapitalgesellschaft verbleiben. Sie dürfen also nicht in das Ausland verbracht werden (§ 23 Abs. 1 UmwStG). Dieses Verbot besteht zwar auch in den Fällen, in denen Inländer eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft als Vertragspartner wählen. Die Einbringungsgegenstände dürfen das Inland grundsätzlich nicht verlassen. Einem inländischen Rechtsträger ist es nicht einmal möglich, seinen eigenen (Teil-)Betrieb als Ganzes auf eine ausländische Betriebstätte zu verlagern. Es käme mithin auch bei der Einbringung eines Betriebes oder Teilbetriebes in die ausländische Betriebstätte einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft zur Steuerpflicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 EStG).11 Der EuGH wählt aber als Vergleichsfall die Einbringung in eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft im Inland. Bei rein nationalen Einbringungen ist ein Wechsel der den (Teil-)Betrieb bildenden Wirtschaftsgüter in eine andere Betriebstätte unproblematisch möglich, ohne dass daran ein Besteuerungstatbestand geknüpft wird. Es soll sich bei der Voraussetzung des Verbleibs der Wirtschaftsgüter im Inland folglich um eine Diskriminierung der Ausübung der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit handeln. Die Bundesrepublik sichert sich mit der Voraussetzung der Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger die auf die im Inland gebildeten stillen Reserven entfallende Steuer bei einer späteren Gewinnrealisierung durch den aufnehmenden Rechtsträger. In der ausländischen Betriebstätte könnten aufgedeckte stille Reserven nicht mehr besteuert werden, da die Doppelbesteuerungsabkommen 11 Lediglich bei der Überführung einzelner Wirtschaftsgüter in eine eigene Betriebstätte im Ausland kann ein Steuerpflichtiger die Entstrickung und die dadurch ausgelöste Besteuerung der stillen Reserven vermeiden. Wird ein Wirtschaftsgut von einer Betriebstätte in eine andere überführt, wird die betriebliche Sphäre des Steuerpflichtigen nicht verlassen und noch kein Gewinn oder Verlust verwirklicht. Deshalb wird in diesem Fall von der Finanzverwaltung ausnahmsweise auf die sofortige Aufdeckung der stillen Reserven verzichtet. Werden nur einzelne Wirtschaftsgüter in eine in einem anderen DBA-Staat belegene Betriebstätte übertragen und stellt der Sitzstaat die Betriebstätteneinkünfte von der Besteuerung frei, wird die Besteuerung aufgeschoben. Der Gewinn wird zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebstätte dahingehend abgegrenzt, dass dem Sitzstaat die Besteuerungskompetenz der stillen Reserven bis zum Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus der inländischen Besteuerungszuständigkeit erhalten bleibt. Der übertragende Rechtsträger muss den Gewinn bei der Übertragung wie bei zwei selbstständigen Unternehmen ermitteln. Das Stammhaus darf den dadurch entstehenden Gewinn aber durch einen passiven Ausgleichsposten neutralisieren. Der Ausgleichsposten ist erst bei einer späteren, tatsächlichen Gewinnrealisierung in der ausländischen Betriebstätte erfolgswirksam aufzulösen, vgl. BMF Schreiben v. 12.2.90, BStBl. 1990 I S. 72.
170
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
grundsätzlich dem Betriebstättenstaat die Besteuerungszuständigkeit zuweisen (Art. 7 OECD-MA). Das vom Konzept der Fusionsrichtlinie geprägte Verständnis, dass die Wirtschaftsgüter mit den stillen Reserven die Besteuerungshoheit eines Staates nicht in eine ausländische Betriebstätte verlassen dürfen, ist dazu geeignet, missbräuchliche Strategien zu unterbinden, die sich gegen die spätere Besteuerung stiller Reserven durch den Herkunftsstaat richten. Eine mildere Maßnahme gegen Steuerflucht stellt auch nicht die alleinige Erfassung der stillen Reserven in den einbringungsgeborenen Anteilen dar. Die stillen Reserven können zwar für die Frist von sieben Jahren auch beim einbringenden Rechtsträger besteuert werden. Damit soll aber der Einbringende lediglich angehalten werden, die erworbenen Anteile zu behalten; ein Steueraufkommen soll daraus nicht erzielt werden. Nach Ablauf der sieben Jahre sind die auf die einbringungsgeborenen Anteile übertragenen stillen Reserven für Körperschaftsteuerpflichtige nicht mehr steuerpflichtig und für Einkommensteuerpflichtige nur zur Hälfte. Das aus der Niederlassungs- und aus der Kapitalverkehrsfreiheit fließende Diskriminierungsverbot bei missbrauchsverhindernden Normen gebietet es jedoch, sämtliche weniger belastenden Eingriffe auszuschöpfen. Hierzu hat der EuGH im Urteil de Lasteyrie du Saillant vorgegeben, dass stille Reserven grundsätzlich nicht anlässlich des Ausscheidens von Wirtschaftsgütern aus der Besteuerungshoheit eines Mitgliedstaates besteuert werden dürfen, sondern, wie bei einer rein nationalen Übertragung, grundsätzlich erst im Falle ihrer tatsächlichen Realisierung.12 Zur Ermittlung der stillen Reserven zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Besteuerungshoheit eines Mitgliedstaates und bei der späteren Veräußerung können Steuerpflichtige zur Mitwirkung angehalten und Informationen zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden.13 Die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung mit dem Argument, ein kohärentes System von steuerneutralem Vermögensübergang und späterer Versteuerung der stillen Reserven aufrecht erhalten zu müssen, scheidet schon deshalb aus, weil die nachgelagerte Besteuerung für die betreffenden Mitgliedstaaten derzeit 12 EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff. Tz. 46 ff. 13 Vgl. zur Wegzugsbesteuerung und zur Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebstätte allgemein Ismer/Reimer/Rust, Ist § 6 AStG noch zu halten? – Die Wegzugsbesteuerung auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts nach der Entscheidung de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004 S. 207, 215 f.; Körner, Europarecht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 424, 429; Schindler, Neuregelung der österreichischen Wegzugsbesteuerung – Ein Vorbild für andere Mitgliedstaaten?, IstR 2004 S. 711, 712 ff.; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004 S. 804, 811 f.; Wassermeyer, Steuerliche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil „Hughes de Lasteyrie du Saillant“, GmbHR 2004 S. 613, 616.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
171
durch Doppelbesteuerungsabkommen verhindert wird. Diese bilden für sich ein kohärentes System und ermächtigen nicht zu Diskriminierungen der Steuerpflichtigen.14 Die von § 23 Abs. 1 UmwStG vorausgesetzte Besteuerungsmöglichkeit beim aufnehmenden Rechtsträger ist mithin ohne eine tatsächliche Realisierung der stillen Reserven weder als Eingriff in die Niederlassungs- noch in die Kapitalverkehrsfreiheit zu rechtfertigen. d) Gewährung von Gegenleistungen zusätzlich zu Anteilen aa) Einbringung eines (Teil-)Betriebes Werden bei der von der Niederlassungsfreiheit umfassten Einbringung eines (Teil-)Betriebes gegen Anteile zusätzliche Gegenleistungen, wie bare Zuzahlungen, gewährt, ist eine Ungleichbehandlung der Inländer und Gebietsfremden zu verzeichnen. Die differenzierende Behandlung knüpft an die grenzüberschreitende Gestaltung des Sachverhalts an, bei dem der Vertragspartner im Inland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist und keine inländische Gesellschaftsform aufweist. Geht der (Teil-)Betrieb auf eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft über, stehen bare Zuzahlungen oder sonstige Gegenleistungen einer im Übrigen steuerneutralen Einbringung nicht entgegen. Gewährt die aufnehmende, unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft über die Anteile hinaus eine Gegenleistung, deren gemeiner Wert den Buchwert des Einbringungsgegenstandes nicht übersteigt, fallen keine Ertragsteuern an. Nur soweit der gemeine Wert der Gegenleistung über dem Buchwert der eingebrachten Wirtschaftsgüter liegt, sind die Buchwerte aufzustocken, während die Steuerneutralität darüber hinaus nicht gefährdet wird. Hierzu hat die aufnehmende Gesellschaft bei anderen Gegenleistungen als Anteilen, deren gemeiner Wert höher als der Buchwert des Einbringungsgegenstandes ist, mindestens diesen gemeinen Wert anzusetzen. Der Einbringende muss diesen höheren Wert als Veräußerungspreis übernehmen. Folglich wird er mit der Differenz zwischen Veräußerungspreis (gemeiner Wert der Gegenleistung) und Buchwert der übertragenen Wirtschaftsgüter steuerpflichtig, darüber hinaus aber nicht (§ 20 Abs. 2 S. 5, Abs. 4 S. 1 UmwStG). Diese Vorschriften sind nicht anwendbar, wenn die Einbringung in eine gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft erfolgt, da diese im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Bare Zuzahlungen oder andere Gegenleistungen 14 Ismer/Reimer/Rust, Ist § 6 AStG noch zu halten? – Die Wegzugsbesteuerung auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts nach der Entscheidung de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004 S. 207, 212 ff., 215 ff.; Körner, Europarecht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 424, 425 f.
172
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
sind bei Einbringungen in eine EU-Kapitalgesellschaft gemäß § 23 Abs. 1 und Abs. 3 UmwStG nicht zugelassen.15 Eine Rechtfertigung dieses diskriminierenden Eingriffs in die Niederlassungsfreiheit aus dem Grund der steuerlichen Kontrolle gegen Missbräuche kommt nicht in Betracht, da der Normtatbestand diesen Gesetzeszweck nicht zum Ausdruck bringt. Aus den bereits genannten Gründen scheidet auch eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz des Steuersystems aus, wenn man diesen derzeit noch mit der Rechtsprechung akzeptieren will. Außerdem ist der gleichzeitig vorliegende Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu rechtfertigen, weil hierfür keine anderen Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind.16 Damit ist der Ausschluss zusätzlicher Gegenleistungen bei der grenzüberschreitenden Einbringung eines (Teil-)Betriebes auf EU-Kapitalgesellschaften mit der Niederlassungs- und mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu vereinbaren. Insofern reichen die Grundfreiheiten so weit wie die Fusionsrichtlinie, die die Möglichkeit barer Zuzahlungen vorsieht (Artt. 9, 8 Abs. 4 FRL). Die Grundfreiheiten sind in diesem Fall für die Inländer das Mittel, um dieses Recht justiziabel zu machen. bb) Anteilstausch Beim Anteilstausch erklärt § 23 Abs. 4 S. 4 UmwStG die Vorschriften, die zusätzliche Gegenleistungen bei inländischen Sachverhalten zulassen (§ 20 Abs. 2 S. 5 und Abs. 4 S. 2 UmwStG), bei einem länderübergreifenden Anteilstausch für anwendbar und ist daher diskriminierungsfrei. § 23 Abs. 4 S. 3 UmwStG trifft hingegen für grenzüberschreitende Sachverhalte die besondere Regelung, dass andere Gegenleistungen nur bis zu 10% des Nennwerts der einbringungsgeborenen Anteile die im Übrigen steuerneutrale Übertragung nicht gefährden (§ 23 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 20 Abs. 2 S. 5 und Abs. 4 S. 2 UmwStG).17 Die Diskriminierung liegt in der großzügigeren Behandlung beim Anteilstausch mit einem gebietsansässigen Vertragspartner. Werden die Anteile mit einer unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaft getauscht, können andere Vergütungen als Anteile in unbeschränktem Umfang geleistet werden, ohne dass die Steuerneutralität der gesamten Transaktion gefährdet wird, selbst wenn Anteile an einer gebietsfremden Kapitalgesellschaft eingebracht werden (§ 20 Abs. 2 S. 5, Abs. 4 S. 2 UmwStG). 15 16 17
Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnrn. 54 ff. Vgl. o. M.I.1.a). Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 23 UmwStG Rnrn. 241 ff.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
173
Die Ungleichbehandlung ist, wie die Diskriminierung hinsichtlich der Gewährung zusätzlicher Gegenleistungen bei der Einbringung eines (Teil-)Betriebes, nicht zu rechtfertigen, sodass ein Verstoß gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt.18 Die Grundfreiheiten gewähren hier einen weitergehenden Schutz als die Fusionsrichtlinie, weil sie die Gleichbehandlung mit rein inländischen Sachverhalten gebieten, die für Steuerpflichtige ein günstigeres Regelungskonzept vorsehen, als die Fusionsrichtlinie in Art. 2 lit. d. e) Bewertung der neuen Anteile: Besteuerungsrecht (§ 23 Abs. 4 UmwStG) Als Veräußerungspreis sollen nur dann die von der aufnehmenden Gesellschaft fortgeführten Buch- oder Zwischenwerte übernommen werden dürfen, wenn die Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht für einen Veräußerungsgewinn der einbringungsgeborenen Anteile, bezogen auf den Zeitpunkt der Sacheinlage, hat (§ 23 Abs. 4 S. 2 UmwStG).19 Von Körperschaften können die getauschten Anteile zwar stets steuerfrei übertragen werden. Es gilt aber das 5%ige pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG; § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1 gilt wegen S. 2 Nr. 2 KStG nicht). Einkommensteuerpflichtige Einbringende müssen Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen nach dem Halbeinkünfteverfahren stets zur Hälfte versteuern. Sie sollen Kapitalgesellschaftsanteile nach der Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft nicht über die übernehmende Kapitalgesellschaft steuerfrei veräußern können (§§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. b, S. 3, 4 lit. b EStG).20 Darin ist nach den vom EuGH aufgestellten Vergleichsgrundsätzen eine Ungleichbehandlung zu erblicken, weil beim rein inländischen Anteilstausch die Besteuerungskompetenz hinsichtlich der übertragenen, mehrheitsvermittelnden Anteile stets bei der Bundesrepublik liegt. Allein grenzüberschreitende Fälle sollen von der Voraussetzung des Besteuerungsrechts erfasst werden, so dass sich die Pflicht zur Bewertung des Veräußerungspreises der eingebrachten Anteile mit dem Teilwert ergeben kann. Die für eine steuerneutrale Buchwertfortführung gemäß § 23 Abs. 4 UmwStG zu erfüllende Tatbestandsvoraussetzung, dass die einbringungsgeborenen Anteile der deutschen Besteuerung zugänglich sein müssen, wurde eingeführt, um zu verhindern, dass stille Reserven einer inländischen Beteiligung exportiert werden, ohne besteuert werden zu können.21 18
Vgl. o. M.I.1.d)aa). Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/99, § 23 UmwStG Rnr. 60. 20 Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 270. 19
174
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Auch diese unterschiedliche Behandlung zur Kontrolle und zur Verhinderung von Missbräuchen kann nicht gerechtfertigt werden, wenn man die Rechtsprechung des EuGH zur Wegzugsbesteuerung konsequent überträgt. Wie im Inlandsfall dürfen grundsätzlich nur realisierte Wertsteigerungen steuerbar sein. Der Wegfall der Besteuerungskompetenz ist durch eine nachgelagerte Besteuerung und durch die Neuverhandlung der Doppelbesteuerungsabkommen zu kompensieren, um die Steuerpflichtigen angemessen zu belasten.22 Die Forderung der deutschen Besteuerungszuständigkeit für die einbringungsgeborenen Anteile in § 23 Abs. 4 S. 2 UmwStG ist also wegen der diskriminierenden Wirkung im Hinblick auf die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit nicht haltbar. f) Keine kurzfristige Veräußerung durch die aufnehmende Gesellschaft beim Anteilstausch nach § 23 Abs. 4 UmwStG Eine unterschiedliche Behandlung des inländischen und des grenzüberschreitenden Anteilstauschs regelt § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG. Ist der aufnehmende Rechtsträger im Inland keine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, kann sich dessen Verpflichtung, die übernommenen Anteile sieben Jahre lang zu behalten, für beide als Diskriminierung bei der Ausübung der Niederlassungsfreiheit darstellen. Denn eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft, mit der die Anteile nach § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG getauscht werden, kann die übernommenen Anteile jederzeit weiterveräußern, ohne dass dadurch eine Besteuerung des Einbringungsgewinns beim einbringenden, einkommensteuerpflichtigen Rechtsträger ausgelöst wird bzw. die weiteren Rechtsfolgen der steuerneutralen Einbringung entfallen. § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG ist auf den Anteilstausch zwischen unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht anwendbar.23 Eine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit kann gemäß Art. 46 Abs. 1 EG gerechtfertigt werden, wenn die Bestimmung ausdrücklich zur steuerlichen 21 Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/99, § 23 UmwStG Rnr. 60. 22 Zur vergleichbaren Problematik bei § 20 Abs. 3 UmwStG Körner, Europarecht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 424, 429 f.; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004 S. 804, 811; Wassermeyer, Steuerliche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil „Hughes de Lasteyrie du Saillant“, GmbHR 2004 S. 613, 617; ferner Ismer/Reimer/Rust, Ist § 6 AStG noch zu halten? – Die Wegzugsbesteuerung auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts nach der Entscheidung de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004 S. 207, 212 ff. 23 Vgl. Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 26 UmwStG Rnr. 20; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 26 UmwStG Rnrn. 94, 97.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
175
Kontrolle geschaffen wurde, um Missbräuchen vorzubeugen. § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG wurde in das Umwandlungssteuergesetz aufgenommen, um explizit eine kurzfristige Weiterveräußerung unter Aufdeckung stiller Reserven zu verhindern. § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG soll den Missbrauch verhindern, dass stille Reserven in den einbringungsgeborenen Anteilen ohne Besteuerung aufgelöst werden, indem die übernehmende Kapitalgesellschaft die eingelegten Anteile veräußert und den Gewinn hieraus steuerfrei an den Einbringenden ausschüttet, sodass seine Beteiligung entsprechend an Wert verliert.24 Das siebenjährige Weiterveräußerungsverbot muss geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Gesetzeszweck zu erreichen. Das zeitweise Verbot, die eingebrachten Anteile weiterzuveräußern, verhindert eine steuerfreie Realisierung stiller Reserven beim Einbringenden unter missbräuchlicher Ausnutzung des Halbeinkünfteverfahrens.25 Fraglich ist, ob das Verbot erforderlich ist. Denkbar wäre auch eine Klausel, die es zulässt, einen nachvollziehbaren Grund für die Weiterveräußerung zu benennen, der nicht von der Steuerumgehung geprägt ist.26 Eine Pauschalierung wird aber unumgänglich sein, wenn das Verbot der Weiterveräußerung in der Praxis wirkungsvoll handhabbar sein soll. Der Fall liegt hier anders als bei der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen, für die es der EuGH untersagt hat, eine generelle Missbrauchsvermutung an den Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Steuerpflicht zu knüpfen und deshalb bei jedem Wegzug die im Inland gebildeten Reserven unabhängig von deren tatsächlicher Realisierung zu besteuern.27 Eine mildere Maßnahme stellt bei Wegzugsfällen natürlicher Personen beispielsweise die zielgenaue Besteuerung derjenigen dar, die nach verhältnismäßig kurzem Aufenthalt im anderen Mitgliedstaat und nach Realisierung der stillen Reserven in das Ursprungsland zurückkehren.28 Missbräuchliche Gestaltungen bei einem Anteilstausch nach § 23 Abs. 4 UmwStG durch eine kurzfristige Weiterveräußerung der eingebrachten Anteile können aber nicht durch einen gleich wirksamen und weniger belastenden Eingriff unterbunden werden. Die Pflicht zur Benennung des Grundes für den An24 Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/99, § 23 UmwStG Rnr. 58; Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 266. 25 Vgl. Begründung des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. 14/3760 v. 4.7.2000. 26 Vgl. Thömmes, Die steuerliche Fusionsrichtlinie – Was bleibt zu tun?, ZGR 1994 S. 75, 79 f. 27 Vgl. EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff. Tz. 49 ff. 28 EuGH Urt. v. 11.3.2004, Rs. 9/02 „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 236 ff. Tz. 54.
176
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
teilsverkauf wäre für den Steuerpflichtigen zwar weniger einschneidend. Die gleiche Wirkung wie ein zeitlich beschränktes Veräußerungsverbot hätte ein solches Begründungserfordernis indes nicht. Es dürfte sich in fast allen Fällen ein unternehmerischer Grund anführen lassen, um den Verkauf der Beteiligung durch den aufnehmenden Rechtsträger zu erklären. Die Sachverhalte, mit denen die vom Gesetzgeber explizit nicht gewollten, kurzfristigen Anteilsveräußerungen vollzogen werden, werden durch eine Verpflichtung, einen Grund für die Übertragung anzuführen, nicht erfolgreich herauszufiltern sein. Außerdem muss der steuerpflichtige Inländer im Falle der Veräußerung der Anteile durch den aufnehmenden Rechtsträger innerhalb von sieben Jahren angemessen belastet werden. Allgemein wird die Sieben-Jahres-Frist für zu lang befunden. Allerdings berufen sich die Vertreter in der Literatur ausschließlich auf die Fusionsrichtlinie.29 Gibt die Fusionsrichtlinie selbst gerade keine Frist vor, sondern gesteht sie den Mitgliedstaaten zu, eine eigene Regelung zu treffen, wird man von einem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ausgehen dürfen. Eine kürzere Frist als sieben Jahre wäre sicher wünschenswert. Eine Vereinheitlichung mit der im Steuerrecht sonst häufig anzutreffenden fünfjährigen Frist erscheint sachgerecht. Objektiv betrachtet ist die Frist von sieben Jahren aber nicht unangemessen lang.30 Auch ein diskriminierender Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit durch die unterschiedliche Behandlung nach dem Kapitalanlageort kann aus dem Grund der steuerlichen Kontrolle zur Verhinderung von Missbräuchen gerechtfertigt werden (Art. 58 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 EG). Mithin ist die von § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG ausgehende verschiedene Behandlung inländischer und grenzüberschreitender Sachverhalte gerechtfertigt. Damit stimmen die Reichweite der Grundfreiheiten und der Fusionsrichtlinie in diesem Punkt überein.
29 Vgl. Bogenschütz, Steuerliche Probleme bei europäischen Unternehmenszusammenschlüssen, IStR 2000 S. 609, 613; Saß, Zum Leur-Bloem-Urteil des EuGH und zum Verhältnis der steuerlichen Antiumgehungsvorschriften zu den EU-Grundfreiheiten, DB 1997 S. 2250 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 17.7.1997 „Leur Bloem“, IStR 1997 S. 539; Schmidt-Ott/Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 26 Rnrn. 45 f.; Thömmes, Die steuerliche Fusionsrichtlinie – Was bleibt zu tun?, ZGR 1994 S. 75, 80. 30 So im Ergebnis auch Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 26 UmwStG Rnr. 140.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
177
g) Keine Rückbeziehung des Anteilstausches Eine Rückbeziehung ist möglich, wenn eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft Vertragspartner des Inländers ist, der einen mehrheitsvermittelnden Anteil einbringt (§ 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG). In diesem Fall kann beantragt werden, den steuerlichen Übertragungsstichtag um bis zu acht Monate vor Abschluss des Einbringungsvertrages und vor Übergang des eingebrachten Betriebsvermögens vorzuverlegen (§ 20 Abs. 7, 8 UmwStG). Das gilt für Fälle der Einbringung von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft und von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in einem anderen Mitgliedstaat, da es für die Anwendbarkeit des § 20 UmwStG unschädlich ist, dass Anteile an einer ausländischen Gesellschaft eingebracht werden. Es kommt nur darauf an, dass der aufnehmende Rechtsträger die Inländereigenschaft aufweist. Bei einem Tausch von Anteilen an einer EU-Kapitalgesellschaft zwischen einem Inländer und einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen EU-Kapitalgesellschaft besteht demgegenüber keine Rechtsgrundlage für eine Rückbeziehung. Eine Rechtfertigung dieses diskriminierenden Eingriffs in die Niederlassungsund die Kapitalverkehrsfreiheit von Inländern und gebietsfremden Vertragspartnern ist nicht möglich. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass die Rückbeziehung versagt wird, um kontrollieren zu können, dass kein Missbrauch verübt wird. Auch aus dem Gesichtspunkt der Kohärenz des Steuersystems könnte die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt werden, weil der Besteuerungszusammenhang gewahrt bleibt.31 Es ist nicht mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit der Inländer vereinbar, die Rückbeziehung des Anteilstauschs zu versagen. 2. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Personengesellschaft: Möglichkeit der Besteuerung des Einbringungsgegenstandes bei Gewinnrealisierung durch den aufnehmenden Rechtsträger bei § 24 Abs. 1 UmwStG Wird aus dem Betriebsvermögen eines Inländers ein Betrieb, ein Teilbetrieb bzw. ein Mitunternehmeranteil auf eine gebietsfremde Personengesellschaft übertragen, muss diese die Wirtschaftsgüter in eine Betriebstätte im Inland übernehmen. Vermögensgegenstände dürfen im Rahmen der Einbringung von einem Inländer in eine Personengesellschaft nicht in das Ausland übertragen werden, zum Beispiel in eine ausländische Betriebstätte oder, bei einem Mit31
Vgl. o. M.I.1.a).
178
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
unternehmeranteil, dergestalt, dass dieser einem ausländischen Gesamthandsvermögen zuzurechnen ist. Selbst einem inländischen Rechtsträger ist es nicht möglich, seinen eigenen (Teil-)Betrieb als Ganzen auf eine ausländische Betriebstätte zu verlagern. Es käme mithin auch bei der Einbringung eines Betriebes oder Teilbetriebes in die ausländische Betriebstätte einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft zur Steuerpflicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 EStG. Bei Einbringungen im Inland besteht hingegen stets die von § 24 Abs. 1 UmwStG vorausgesetzte Möglichkeit der Besteuerung, wenn der Einbringungsgegenstand veräußert wird. Diese Fälle werden also anders als Einbringungen in gebietsfremde EU-Personengesellschaften behandelt. Zweck dieser Regelung ist es, ebenso wie bei der Einbringung in eine gebietsfremde Kapitalgesellschaft, die im Inland gebildeten stillen Reserven bei einer späteren Gewinnrealisierung beim aufnehmenden Rechtsträger erfassen zu können. In der ausländischen Betriebstätte könnten aufgedeckte stille Reserven nicht von der Bundesrepublik besteuert werden, da die Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich dem Betriebstättenstaat die Besteuerungszuständigkeit zuweisen (Art. 7 OECD-MA). Auch hier gilt nach der Rechtsprechung des EuGH, dass es einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundfreiheiten darstellt, die steuerneutrale Einbringung unter Berufung auf die durch die Doppelbesteuerungsabkommen vermittelte Kompetenzzuteilung für die Besteuerung bei einer Gewinnrealisierung zu versagen. Die Besteuerung ist bis zur tatsächlichen Veräußerung der eingebrachten Wirtschaftsgüter aufzuschieben und das Besteuerungsaufkommen mit dem anderen Mitgliedstaat aufzuteilen.32 3. Fehlende zivilrechtliche Grundlage für alle Fälle der Gesamtrechtsnachfolge Werden Inländer daran gehindert, Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine gebietsfremde Kapitalgesellschaft zu übertragen, ist sowohl der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit als auch der Kapitalverkehrsfreiheit des übertragenden Rechtsträgers betroffen.33 Die folgenden Diskriminierungen beruhen, wie bei der Einzelrechtsnachfolge, auf den direkten Differenzierungskriterien des Sitzes, des Ortes der Geschäftsleitung und der inländischen Rechtsform bzw. der inländischen Gründung, die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG geregelt sind.34
32 33 34
Vgl. o. M.I.1.c). Siehe hierzu im Einzelnen unter I.II.5. Siehe hierzu im Einzelnen unter K.I.2.a)bb) und L.I.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
179
a) § 1 UmwG Die Gesamtrechtsnachfolge steht nicht zur Verfügung, wenn ein inländischer Rechtsträger auf einen Rechtsträger, der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet worden ist, dort seinen Sitz hat und dadurch dort unbeschränkt steuerpflichtig ist, verschmolzen oder gespalten werden soll. Das Umwandlungsgesetz ist in diesem Fall unanwendbar.35 Der Anwendungsbereich des Umwandlungsgesetzes ist eröffnet, wenn auf einen Rechtsträger mit Sitz im Inland verschmolzen oder gespalten wird (§ 1 UmwG). Darin liegt ein Eingriff in die freie Niederlassung des Inländers und in die Niederlassungsfreiheit seines Vertragspartners.36 Der Auffassung folgend, versteckte Diskriminierungen bzw. Beschränkungen der freien Niederlassung, die in der Behinderung von Inländern stets zu erblicken seien, könnten mit ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen legitimiert werden, wurde in der Literatur untersucht, ob die durch § 1 Abs. 1 UmwG hervorgerufene unterschiedliche Behandlung zum Schutz von Interessen der Arbeitnehmer, Anteilseigner und Gläubiger aufrecht erhalten werden darf.37 Nach dem hier vertretenen Konzept könnten diese Interessen als Rechtfertigungsgründe für die Behinderungen nur berücksichtigt werden, wenn § 1 UmwG die öffentliche Sicherheit und Ordnung gemäß Art. 46 Abs. 1 EG bewahren soll.38 Die Bestimmung müsste ausdrücklich Arbeitnehmer, Anteilseigner und Gläubiger davor schützen, dass ihre Interessen bei einer Umwandlung umgangen werden. Dem Interessenschutz wird jedoch mit spezielleren Bestimmungen Rechnung getragen. Bei der Verschmelzung gewährleisten diesen Schutz beispielsweise die §§ 14 f., 22 f., 25 ff. UmwG. Der Zweck, Umwandlungen inländischer Rechtsträger auf gebietsfremde zu verhindern, lässt sich mit den geschriebenen Rechtfertigungsgründen, die bei der grenzüberschreitenden Niederlassung einschlägig sind, nicht vereinbaren. Das generelle Umwandlungsverbot dient nicht unmittelbar dem Zweck, Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Arbeitnehmer-, Anteilseigner- und Gläubigerschutzvorschriften zu verhindern. Deshalb ist eine Rechtfertigung der von § 1 Abs. 1 UmwG ausgehenden Diskriminierung abzulehnen. Inwiefern dennoch grenzüberschreitende Umwandlungen im Einzelfall zu versagen sind, weil 35 Vgl. Begründung zum UmwG-Entwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 75/94 v. 4.2.1994; Bermel in: Goutier/Knopf/Tulloch, UmwG, 1995, § 1 Rnrn. 6 ff. Zur Verschmelzung von Aktiengesellschaften nach der SE-Verordnung und zum Vorschlag der Kommission, eine Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu erlassen, s. o. A. 36 Vgl. o. I.II.5. 37 Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Gesellschaften, 2001, S. 99 ff. 38 Zur Begründung vgl. o. K.I.2.a) und L.I.
180
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Schutzvorschriften für Arbeitnehmer, Gesellschafter und Gläubiger nicht eingehalten werden, ist eine Frage, die bei der Prüfung der von diesen Vorschriften ausgehenden Beschränkungen zu untersuchen ist. Die Anteilseigner-, Gläubigerund Arbeitnehmerschutzvorschriften verursachen keine diskriminierenden Eingriffe in die Kapitalverkehrs- und in die Niederlassungsfreiheit. Sie gelten ihrem Wortlaut nach ohne Differenzierung zwischen nationalen und transnationalen Umwandlungen und stellen generelle Pflichten auf, die auch bei einer grenzüberschreitenden Umwandlung eingehalten werden könnten.39 Diese Vorschriften sollen hier, entsprechend der Themeneingrenzung der Arbeit, nicht näher analysiert werden, da sie nur weitere Voraussetzungen einer grenzüberschreitenden Umwandlung aufstellen und nicht die Ursache dafür sind, dass grenzüberschreitenden Umwandlungen bereits die zivilrechtliche Grundlage entzogen wird. An dieser Stelle sei aber auf die Literatur verwiesen, in der die Rechtfertigung solcher Beschränkungen bereits untersucht wurde.40 Da § 1 Abs. 1 UmwG dem Umwandlungssteuergesetz vorgeschaltet ist, um grenzüberschreitende Umwandlungen in jedem denkbaren Fall gesellschaftsrechtlich unzulässig zu machen und nicht auf den Schutz dieser Interessen ausgerichtet ist, ist die Diskriminierung der freien Niederlassung nicht gerechtfertigt.41 Der Eingriff in den freien Kapitalverkehr ist nicht wegen einer Differenzierung nach dem Kapitalanlageort zulässig, da Art. 58 Abs. 1 lit. a EG nur für Vorschriften des Steuerrechts gilt. Die Differenzierung nach dem Kapitalanlageort muss sich am Diskriminierungsverbot des Art. 56 EG messen lassen. Eine Rechtfertigung scheidet aus den für den Eingriff in die Niederlassungsfreiheit genannten Gründen aus.42 § 1 Abs. 1 UmwG ist nach seinem Normzweck kein Rechtfertigungsgrund im Sinne des Art. 58 Abs. 1 lit. b EG. Die Grundfreiheiten gehen hier über die Fusionsrichtlinie hinaus, die den Mitgliedstaaten nicht vorgibt, die zivilrechtliche Grundlage für die grenzüberschreitende Gesamtrechtsnachfolge zu schaffen.43 Dieser weitergehende Schutz-
39
Vgl. o. K.I.2.a)dd). Lawall, Umwandlungsrecht: Grenzüberschreitende Verschmelzungen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, IStR 1998 S. 345, 347 ff.; Lennerz, Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Gesellschaften, 2001, S. 98 ff., 108 zur Möglichkeit, § 308 UmwG um eine unterschiedslos geltende Voraussetzung zu erweitern, dass die Umwandlung den Erhalt der Mitbestimmung beim übernehmenden Rechtsträger erfordert. 41 Im Ergebnis ebenso Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, 2004, S. 319 ff. 42 So auch Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, 2004, S. 330 ff. 43 Zum Kommissionsentwurf der Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten vom 18.11.2003 s. o. A. 40
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
181
gehalt der Grundfreiheiten resultiert aus dem Gleichbehandlungsgebot mit inländischen Sachverhalten. b) §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG Im Umwandlungsgesetz sind die Rechtsträger, die im Rahmen einer Verschmelzung oder Spaltung Vermögen aufnehmen können, zudem enumeriert. Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründet worden sind und in einem anderen Mitgliedstaat ihren statuarischen und den Verwaltungssitz haben, werden dadurch als übernehmende Rechtsträger ausgeschlossen. Die nach deutschem Recht gegründeten und im Inland ansässigen Kapitalgesellschaften erfüllen den Gesetzestatbestand hingegen ohne weiteres. Hier gilt nichts anderes als zuvor für § 1 Abs. 1 UmwG ausgeführt wurde. Die §§ 3 Abs. 1, 124 Abs. 1 UmwG verfolgen nicht objektiv den Zweck, Arbeitnehmer, Anteilseigner und Gläubiger vor der Umgehung der zu ihrem Schutz bestehenden Rechtsvorschriften zu bewahren. Folglich liegen eine Diskriminierung der freien Niederlassung nach dem Gründungsstatut und dem Sitz der Gesellschaften sowie eine Diskriminierung des freien Kapitalverkehrs vor. Die Grundfreiheiten gewährleisten auch hier mehr als die Fusionsrichtlinie.44 4. Umwandlung einer inländischen Körperschaft in eine gebietsfremde EU-Körperschaft a) § 1 Abs. 1 UmwStG Für eine steuerlich neutrale Gesamtrechtsnachfolge wird durch § 1 Abs. 1 UmwStG gefordert, dass die Voraussetzungen des § 1 UmwG erfüllt sind und die übernehmende Gesellschaft eine nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft ist. Auf die vorgenannten Ausführungen zu den §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 124 Abs. 1 UmwG kann verwiesen werden. § 1 Abs. 1 UmwStG ist mit der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit des steuerpflichtigen, übertragenden Rechtsträgers nicht vereinbar.45 Kommt es zu einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung, darf die Umwandlung auch nicht nach § 12 Abs. 1 KStG zur zwangsweisen Realisierung stiller Reserven führen, sofern das übertragene Vermögen in Deutschland steuerverhaftet bleibt und auch die Anteile in Deutschland steuerverhaftet bleiben.46 44
Siehe Fn. 43. Im Ergebnis ebenso Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, 2004, S. 338 f. 45
182
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
b) § 1 Abs. 5 UmwStG Der Besteuerungsaufschub des Umwandlungssteuergesetzes ist ausgeschlossen, wenn beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaften beteiligt sind bzw. der Kapitalanlageort im Ausland liegt, nicht hingegen, wenn die übernehmende Körperschaft ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat. Somit diskriminiert auch § 1 Abs. 5 UmwStG die Umwandlung in einen gebietsfremden Rechtsträger gegenüber der Umwandlung in einen inländischen Rechtsträger in der freien Niederlassung und dem freien Kapitalverkehr. § 1 Abs. 5 UmwStG verletzt die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit des übertragenden Steuerpflichtigen.47 c) §§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 UmwStG Wird Vermögen im Rahmen einer Verschmelzung durch Gesamtrechtsnachfolge oder im Rahmen einer Spaltung durch Sonderrechtsnachfolge zwischen Körperschaften übertragen, wird dem übertragenden Rechtsträger der Ansatz von Buch- oder Zwischenwerten für eine steuerneutrale Übertragung nur ermöglicht, wenn die Steuerbarkeit der stillen Reserven bei der übernehmenden Körperschaft sichergestellt ist (§§ 11 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 S. 1 i. V. m. 4 Abs. 1, 15 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Selbst wenn das Umwandlungssteuergesetz im Falle der Verschmelzung oder Spaltung auf einen gebietsfremden Rechtsträger anwendbar wäre, würde es diese Voraussetzung unmöglich machen, das Vermögen oder Teile davon körperlich aus der deutschen Besteuerungshoheit heraus in einen anderen Mitgliedstaat zu übertragen. Hierdurch werden grenzüberschreitende Transaktionen gegenüber Vermögensübertragungen benachteiligt, bei denen die übernehmende Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig ist und die Besteuerung der stillen Reserven bei dieser garantiert ist. Zur fehlenden Rechtfertigungsmöglichkeit gilt das für die Einzelrechtsnachfolge Ausgeführte entsprechend.48
46 Vgl. Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 260; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004 S. 804, 809 f.; Wassermeyer, Steuerliche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil „Hughes de Lasteyrie du Saillant“, GmbHR 2004 S. 613, 616. 47 Im Ergebnis ebenso Kloster, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, 2004, S. 338 f. 48 Vgl. o. M.I.1.c); Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrags, BB 2004 S. 804, 810 f. Noch zurückhaltend Körner, Europa-
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
183
5. Umwandlung einer inländischen Personenhandelsgesellschaft bzw. Ausgliederung aus inländischem Vermögen in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft Für Umwandlungen einer inländischen Personenhandelsgesellschaft und die Ausgliederung aus inländischem Vermögen in eine EU-Kapitalgesellschaft ist der Achte oder Neunte Teil des Umwandlungssteuergesetzes anzuwenden. Dort sind keine Bestimmungen vorhanden, die, wie § 1 Abs. 1 und Abs. 5 UmwStG, bereits alle Regelungen des Umwandlungssteuergesetzes für unanwendbar erklären. Da die Verschmelzungen und Spaltungen wie die Einbringung eines (Teil-) Betriebes zu beurteilen sind und für Übertragungen auf einen gebietsfremden Rechtsträger § 23 UmwStG gilt, ist auf die Ausführungen zu den Diskriminierungen und Beschränkungen bei der Einzelrechtsnachfolge zu verweisen.49 6. Ausländische Umwandlung mit inländischem Gesellschafter Bei der Umwandlung einer ausländischen Körperschaft mit Sitz im Ausland hat der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven im Inland aufzudecken und unter den Voraussetzungen der §§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sowie § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG zur Hälfte zu versteuern (§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. a bis c EStG). Eine diskriminierende Behinderung der freien Niederlassung besteht, weil der Mehrheitsanteilseigner durch die drohende Steuerlast bei der Leitung eines ausländischen Unternehmens schlechter gestellt wird, als wenn die Beteiligung an einer Gesellschaft im Inland bestünde. Bei einer Beteiligung an einer inländischen Körperschaft, die auf eine andere inländische Körperschaft verschmolzen oder gespalten wird, dürfte er die Anteile am übertragenden Rechtsträger, die für den Erwerb der neuen Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger aufgewendet werden, zum Buchwert ansetzen. Da als Veräußerungspreis der bisherigen Anteile also nicht deren Teilwert bilanziert werden muss, würden die in der Beteiligung enthaltenen stillen Reserven nicht aufgedeckt, sondern auf die neue Beteiligung übertragen (§§ 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 15 Abs. 1 UmwStG). Aber auch wenn der Inländer keine Mehrheitsbeteiligung besitzt, darf er sich auf die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften berufen, die umgewandelt werden. Die unterschiedliche Behandlung beruht auch hier auf den unmittelbaren Diffe-
recht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 424, 431. 49 S. o. M.I.1.
184
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
renzierungskriterien des Sitzes der umgewandelten Gesellschaften, des Ortes der Geschäftsleitung und der Rechtsform der Unternehmen. Die Bundesfinanzverwaltung führt zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung an, ein Typenvergleich der gebietsfremden Gesellschaften mit inländischen Kapital- oder Personengesellschaften sei schwer möglich.50 In der Literatur werden Zweifel geäußert, ob diese Prämisse überhaupt zutreffend ist. Die Fusionsrichtlinie enthält im Anhang zu Art. 3 lit. a einen Katalog von Kapitalgesellschaften, die miteinander vergleichbar sind, das Primärrecht erwähnt die möglichen Gesellschaftstypen in Art. 48 EG, und auch im Sekundärrecht werden vergleichbare Gesellschaftsformen in Verordnungen und anderen Richtlinien aufgezählt.51 Schließlich regelt auch das Umwandlungssteuergesetz in der Anlage zu § 23 auf nationaler Ebene, welche Kapitalgesellschaften anderer Mitgliedstaaten den deutschen vergleichbar sind. Eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung aus Gründen der steuerlichen Kontrolle scheidet jedenfalls deshalb aus, weil dem Umwandlungssteuergesetz keine Hinweise auf einen solchen Gesetzeszweck zu entnehmen sind. Die vorstehend beschriebene Ungleichbehandlung behindert den Inländer gleichzeitig an der Investition in Anteile ausländischer Gesellschaften im Sinne der Kapitalverkehrsfreiheit, da das Umwandlungssteuergesetz nach dem Kapitalanlageort im Sinne von Art. 58 Abs. 1 lit. a EG differenziert. Der Eingriff kann jedoch aus denselben Gründen wie der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit nicht legitimiert werden. Folglich verstößt auch die zwingende Aufdeckung stiller Reserven beim inländischen Anteilseigner im Falle der Umwandlung ausländischer Gesellschaften gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit.52 II. Beschränkungen 1. Einbringung durch Inländer in gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft Die im Folgenden aufgezählten Fälle der Beschränkungen von Inländern bei grenzüberschreitenden Einbringungen fallen, wie die unter I. behandelten Dis50 Vgl. BMF in: Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, FR 2001, Beil. zu H. 11, S. 9. 51 Haritz/Homeister, Besteuerung deutscher Anteilseigner bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im Ausland und Europarecht – zugleich ein Beitrag zu § 13 UmwStG, FR 2001 S. 941, 947. 52 Im Ergebnis ebenso Haritz/Homeister, Besteuerung deutscher Anteilseigner bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im Ausland und Europarecht – zugleich ein Beitrag zu § 13 UmwStG, FR 2001 S. 941, 947 f.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
185
kriminierungen, in den Schutzbereich der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit des Inländers.53 Die Fälle weisen die Gemeinsamkeit auf, dass die Behinderungen nicht auf Tatbestandsvoraussetzungen beruhen, die einen Vertragsschluss wegen der grenzüberschreitenden Dimension behindern, sondern auf unterschiedslos geltenden Bestimmungen. Die Regelungen wurden nicht in dem Bestreben in das Gesetz aufgenommen, Einbringungen in gebietsfremde Rechtsträger anders zu behandeln als Einbringungen in inländische Gesellschaften. a) Einbringungsgegenstand: Teilbetrieb und Einzelwirtschaftsgüter Das Umwandlungssteuergesetz behindert den inländischen Einbringenden am Erwerb eines mehrheitsvermittelnden Anteils, wenn es für den Einbringungsgegenstand die Voraussetzungen aufstellt, dass ein mehrheitsvermittelnder Anteil oder ein (Teil-)Betrieb übergeht und dabei sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen eingebracht werden müssen. Gemischt genutzte wesentliche Betriebsgrundlagen oder Einzelwirtschaftsgüter sind damit nicht nach § 23 Abs. 1 UmwStG einbringungsfähig.54 Diese Voraussetzungen gelten für inländische und grenzüberschreitende Fälle gleichermaßen, da § 20 Abs. 1 UmwStG insofern keine anderen Regelungen trifft. Die Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen ist in Art. 46 Abs. 1 EG nicht abschließend geregelt. Es können ungeschriebene Rechtfertigungsgründe herangezogen werden. Die Kompetenz der Mitgliedstaaten für die Steuergesetzgebung und -erhebung verleiht ihnen einen Gestaltungsspielraum. Die Ausnutzung des Gestaltungsspielraums bedarf bei unterschiedslos geltenden Bestimmungen keiner besonderen Rechtfertigung der Art und Weise der Besteuerung oder der Besteuerungshöhe. Sofern der Mitgliedstaat in einheitlicher Weise Abgaben erhebt und die beschränkende Bestimmung dazu geeignet, erforderlich und angemessen ist, ist diese gerechtfertigt. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist kein strenger Maßstab wie bei Diskriminierungen anzulegen, da nur so ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Interesse des Steuerpflichtigen und der den Mitgliedstaaten verbliebenen Gesetzgebungskompetenz geschaffen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen muss es den Mitgliedstaaten gestattet sein, unterschiedslos geltende Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen aufzustellen. Diese können von den Steuerpflichtigen nicht anlässlich einer grenzüberschreitenden Einbringung durch die Berufung auf die Grundfreiheiten zur Disposition gestellt werden.55 53 54 55
Siehe hierzu im Einzelnen unter I.II.5. Vgl. hierzu o. E.II.1.b). Siehe hierzu im Einzelnen unter K.I.2.a)dd), II.3.
186
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Die Beschränkung der Auswahl der allen Steuerpflichtigen für eine Übertragung zur Verfügung stehenden Einbringungsgegenstände muss dem Gesetzgeber überlassen bleiben. Er hat eine einheitliche Regelung für die Fälle aufgestellt, in denen eine steuerneutrale Übertragung gewährleistet sein soll, und andererseits für die Fälle, in denen der Übertragungsgewinn besteuert werden soll. Die Ausgrenzung des Teilbetriebes, der ohne alle wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen wird, dient der gleichmäßigen Besteuerung und gleichzeitig der Verhinderung von Missbräuchen. Hierauf haben sich die Steuerpflichtigen auch für grenzüberschreitende Einbringungen einzustellen. b) Aufnehmender Rechtsträger Das Umwandlungssteuergesetz lässt in § 23 Abs. 1, 3 und 4 EU-Kapitalgesellschaften und in § 24 Abs. 1 EU-Personengesellschaften als aufnehmende Rechtsträger der grenzüberschreitenden Einbringung durch einen Inländer zu. Aber auch Einbringungen in inländische Rechtsträger sind nur dann steuerneutral möglich, wenn eine Kapital- oder eine Personengesellschaft die Einbringungsgegenstände aufnimmt (§§ 20 Abs. 1, 24 Abs. 1 UmwStG). Somit ist diese steuerliche Behinderung für grenzüberschreitend agierende Inländer keine diskriminierende, sondern eine beschränkende Maßnahme. Auch diese Beschränkung von Inländern bei der grenzüberschreitenden Einbringung ist zur gleichmäßigen Regelung einer Besteuerung zulässig. c) Buchwertfortführung oder Zwischenwertansatz durch den aufnehmenden Rechtsträger (§ 23 Abs. 4 UmwStG) Werden die mehrheitsvermittelnden Anteile an einer beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtigen EU-Kapitalgesellschaft auf eine EU-Kapitalgesellschaft übertragen, kann der einbringende Rechtsträger nur dann von einer steuerneutralen Einbringung profitieren, wenn die aufnehmende Gesellschaft von der Rechtsfolge der Buch- oder Zwischenwertfortführung Gebrauch macht, sodass der Buch- oder Zwischenwert als Veräußerungspreis übernommen werden kann (§ 23 Abs. 4 UmwStG). Diese Voraussetzung wirkt nicht diskriminierend, weil die Buchwerte auch bei einem inländischen Anteilstausch von der aufnehmenden Gesellschaft fortgeführt werden müssen (§ 20 Abs. 2, Abs. 4 S. 1 UmwStG). Grenzüberschreitende Sachverhalte werden also nicht schlechter als der inländische Anteilstausch behandelt. Somit kann es sich in diesen Fällen nur um eine Beschränkung in den Grundfreiheiten handeln. Wenn der Sitzstaat der aufnehmenden, beschränkt steuerpflichtigen EU-Kapitalgesellschaft die Veräußerung einer Beteiligung nicht besteuert, kann die Aus-
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
187
übung des Wahlrechts für den aufnehmenden Rechtsträger steuerlich belanglos sein.56 Ohne einen Buch- oder Zwischenwertansatz wäre jedoch nach dem vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Regelungssystem nicht zu ermitteln, mit welchem Wert der Einbringende die einbringungsgeborenen Anteile anzusetzen hat.57 Der Einbringende wäre stets gezwungen, den Buchwert zu bilanzieren. Die Bewertung beim aufnehmenden Rechtsträger ist somit erforderlich, um einen Wert für die einbringungsgeborenen Anteile zu erhalten. Die auf die einbringungsgeborenen Anteile übertragenen stillen Reserven sollen innerhalb der Frist von sieben Jahren besteuert werden können, bei Einkommensteuerpflichtigen darüber hinaus zur Hälfte auf unbegrenzte Zeit.58 Die von der Buchwertfortführungspflicht des aufnehmenden Rechtsträgers ausgehende Beschränkung ist mithin erforderlich, um eine gleichmäßige Besteuerung zu erzielen. Eine geringer belastende und angemessenere Behandlung des einbringenden Inländers ist nicht ersichtlich, sodass § 23 Abs. 4 UmwStG insofern mit den Grundfreiheiten vereinbar ist. Die Kritik an dieser Regelung hat zum Vorschlag der EU-Kommission geführt, die Buchwertfortführungspflicht durch die aufnehmende Gesellschaft in der Neufassung der Fusionsrichtlinie zu untersagen.59 Wenn diese mitgliedstaatliche Praxis als unbefriedigend empfunden wird, ist die Änderung in der Richtlinie in Anbetracht der Vereinbarkeit der Beschränkung mit den Grundfreiheiten der richtige Ort. d) Gewährung von alten Anteilen unzulässig Die vom Umwandlungssteuergesetz aufgestellte Voraussetzung, dass als Gegenleistung für die Einbringung neue Anteile gewährt werden müssen (§ 23 Abs. 1, 3 und 4 UmwStG), besteht nicht nur bei Einbringungen einer inländischen Kapitalgesellschaft in eine gebietsfremde EU-Kapitalgesellschaft. Bei der Einbringung in eine andere, unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist die steuerneutrale Umstrukturierung ebenfalls von der Gewährung neuer Anteile abhängig (§ 20 Abs. 1 S. 1 UmwStG).
56 So auch die Stellungnahme des Bundesrates zur Buchwertverknüpfung beim grenzüberschreitenden Anteilstausch, BT-Drs. 12/7263 v. 14.4.1994, Nr. 11 (Art. 1, §§ 20–23 UmwStG). 57 Vgl. BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 23.10. 58 Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/99, § 23 UmwStG Rnr. 57. 59 Vorschlag der Europäischen Kommission v. 17.10.2003 für eine Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, KOM (2003) S. 613 ff. Haritz/Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28, 32 f.; Saß, Änderungsvorschlag zur steuerlichen Fusionsrichtlinie, DB 2004 S. 2231 f.
188
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Die Beschränkung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ist aber auch in diesem Fall gerechtfertigt. Zweck dieser Regelung ist es, Missbräuche durch verdeckte Sacheinlagen zu verhindern. Anderenfalls wäre es denkbar, eine Kapitalgesellschaft bar zu gründen oder das Kapital bar zu erhöhen, einen (Teil-)Betrieb einzubringen und die Forderung des Einbringenden mit der Bareinlageschuld des neuen Gesellschafters zu tilgen.60 Die Missbrauchsverhinderung führt zur Rechtfertigung des Eingriffs. Nach der Rechtsprechung ist es bei beschränkenden Maßnahmen nicht erforderlich, dass diese das Ziel der Missbrauchsverhinderung im Gesetz ausdrücklich nennen.61 e) Buch- oder Zwischenwertansatz auch als Anschaffungspreis der Gegenleistung aa) § 23 Abs. 1 und 3 UmwStG Die Verpflichtung, den beim aufnehmenden Rechtsträger bilanzierten Buchoder Zwischenwert als Anschaffungspreis auf die einbringungsgeborenen Anteile zu übertragen, besteht gleichermaßen bei der Einbringung zwischen unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften. Die stillen Reserven des Einbringungsgegenstandes sind beim einbringenden Inländer steuerpflichtig, falls dieser die einbringungsgeborenen Anteile vor Ablauf von sieben Jahren veräußert (§§ 20 Abs. 4 S. 1, 21 Abs. 1 S. 1 UmwStG i. V. m. § 16 EStG). Grenzüberschreitende Sachverhalte werden also gegenüber inländischen nicht benachteiligt; hier kann es sich lediglich um eine Beschränkung handeln. Die früher mögliche endgültige Doppelbelastung wegen der bei internationalen Sachverhalten fehlenden Berechtigung, die Körperschaftsteuer anzurechnen, ist mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens beseitigt worden.62 Durch eine Verknüpfung der Bewertung der einbringungsgeborenen Anteile mit der Bewertung beim aufnehmenden Rechtsträger bleibt dem deutschen Fiskus die Besteuerung der stillen Reserven, die in den eingelegten Anteilen enthalten waren, für die Frist von sieben Jahren erhalten.63 Steuerpflichtige sollen durch Einbringungen in Kapitalgesellschaften nicht ihren steuerlichen Status 60 BMF Schreiben v. 25.3.1998 BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 20.04; Widmann in: Widmann/Mayer, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG Rnrn. 462 ff. 61 Vgl. o. K.II.3. Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission v. 17.10. 2003 für eine Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, KOM (2003) S. 613 ff., soll auch die Ausgabe eigener Anteile möglich sein (Art. 8 Abs. 11 des Entwurfes); Haritz/Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28, 33. 62 Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 3. Aufl. 2001, § 20 UmwStG Rnr. 355.
M. Einordnung als Diskriminierungen und Rechtfertigung
189
verbessern können, indem sie einen (Teil-)Betrieb gegen Anteile „tauschen“ und einerseits die Buchwerte des Einbringungsobjekts durch den aufnehmenden Rechtsträger fortgeführt werden, während andererseits die erhaltenen Anteile beim Einbringenden zum Teilwert angesetzt werden. Dann könnten anschließend die Anteile veräußert werden, ohne dass die stillen Reserven aufgedeckt und versteuert werden müssten.64 Die Beschränkung der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit bei der grenzüberschreitenden Einbringung ist geeignet und erforderlich, um die missbräuchliche Ausnutzung der steuerneutralen Übertragung für eine endgültige Steuerfreiheit zu verhindern. Der Eingriff ist mithin gerechtfertigt.65 bb) § 23 Abs. 4 UmwStG Die vom Einbringenden bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu erfüllende Voraussetzung, die von der aufnehmenden Gesellschaft fortgeführten Buch- oder Zwischenwerte auch auf die einbringungsgeborenen Anteile zu übertragen, besteht auch bei einem rein inländischen Anteilstausch im Sinne des § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG (§ 20 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 UmwStG).66 Bei rein innerstaatlichen Sachverhalten gilt für den einbringenden Rechtsträger auch dieselbe Besteuerungsfolge wie beim grenzüberschreitenden Anteilstausch. Die durch den Anteilstausch erworbenen Anteile können von Körperschaften ohne die Behaltensfrist von sieben Jahren steuerfrei übertragen werden (§ 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG). Denn Anteile aus Einbringungen mehrheitsbegründender Anteile i. S. v. § 23 Abs. 4 UmwStG sind von der Behaltensregelung des § 8b Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 2 KStG ausgenommen. Einkommensteuerpflichtige Einbringende können Beteiligungen, die für mehrheitsvermittelnde Anteile ausgegeben werden, zur Hälfte steuerfrei veräußern (§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. b EStG), während die andere Hälfte eines Veräußerungsgewinns be63 BMF Schreiben v. 25.3.1998, BStBl. 1998 I S. 268 Tz. 23.10; Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/99, § 23 UmwStG Rnr. 57. 64 Albrecht in: Haritz/Benkert, UmwStG, 2. Aufl. 2000, § 23 Rnr. 79; Rödder, Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), S. 253, 269 f.; Thiel, Die grenzüberschreitende Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften im Ertragssteuerrecht, GmbHR 1994 S. 277, 281. 65 Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission v. 17.10.2003 für eine Überarbeitung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, KOM (2003) S. 613 ff., soll eine Pflicht zur Übertragung des Buch- oder des Zwischenwertes auf die einbringungsgeborenen Anteile nicht auferlegt werden dürfen (Art. 9 des Entwurfes); Haritz/Wisniewski, Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze, GmbHR 2004 S. 28, 32. 66 Herrmann in: Frotscher/Maas, Komm. KStG/UmwStG, Stand: 8/99, § 23 UmwStG Rnr. 60.
190
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
steuert wird. Eine Behaltensfrist für die Anteile besteht auch hier nicht für Anteile i. S. v. § 23 Abs. 4 UmwStG (§ 3 Nr. 40 S. 3, 4 lit. b EStG). Damit werden inländische und grenzüberschreitende Einbringungen mehrheitsvermittelnder Anteile nicht verschieden behandelt; es kann sich lediglich um eine Beschränkung der grenzüberschreitenden Niederlassung und des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs handeln. Demnach ist auch die Verpflichtung der Einkommensteuerpflichtigen, den Buch- oder Zwischenwertansatz des aufnehmenden Rechtsträgers auf die einbringungsgeborenen Anteile zu übertragen, erforderlich, um innerhalb der Sieben-Jahres-Frist eine gleichmäßige Besteuerung der stillen Reserven beim Einbringenden zu gewährleisten. III. Zusammenfassung Die Bestimmungen des Umwandlungssteuergesetzes, die den einbringenden Inländer und seinen Vertragspartner bei der freien Niederlassung und bei der Ausübung der Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber rein inländischen Sachverhalten diskriminieren, können mit den im EG-Vertrag für unterschiedliche Behandlungen vorgesehenen Rechtfertigungsgründen nicht legitimiert werden. In Betracht kommt nur der zum ordre public-Vorbehalt gehörende Rechtfertigungsgrund des Gesetzesmissbrauchs durch Steuerhinterziehung oder Steuerflucht. Der Mitunternehmeranteil ist nicht als Einbringungsgegenstand für grenzüberschreitende Übertragungen ausgeschlossen, um einen Missbrauch des Umwandlungssteuerrechts zu verhindern. Es besteht auch kein Zusammenhang zwischen dem Besteuerungsaufschub und der Besteuerung der stillen Reserven bei einer Person, der gestört würde, wenn die Einbringung eines Mitunternehmeranteils zugelassen würde. Gleiches gilt für die Ausgrenzung von natürlichen Personen, Personengesellschaften bzw. Mitunternehmern oder anderen Körperschaften als GmbH, AG und KGaA als einbringende Rechtsträger. Nicht zu rechtfertigen sind auch die Voraussetzungen, dass die eingebrachten Wirtschaftsgüter beim aufnehmenden Rechtsträger für die Bundesrepublik steuerbar bleiben müssen, da damit grenzüberschreitende Einbringungen diskriminiert werden. Weiterhin sind die Ungleichbehandlungen anlässlich der Ausübung der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit, die durch die Verweigerung von zusätzlichen Gegenleistungen zu den Anteilen, durch die Voraussetzung des inländischen Besteuerungsrechts für einen Veräußerungsgewinn der einbringungsgeborenen Anteile bei § 23 Abs. 4 S. 2 UmwStG sowie durch die fehlende Rückbeziehungsmöglichkeit des Anteilstauschs ausgelöst werden, nicht gerechtfertigt. Allein die Frist von sieben Jahren gemäß § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG, in der getauschte Anteile vom aufnehmenden Rechtsträger zu halten sind, besteht die
N. Ergebnisse in Thesen
191
Rechtfertigungsprüfung. Hierbei handelt es sich um eine explizit auf die Verhinderung von Missbräuchen ausgerichtete Bestimmung, die unter den Rechtfertigungsgrund der wirksamen steuerlichen Kontrolle gemäß Artt. 46 Abs. 1, 58 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 EG fällt und verhältnismäßig in die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit eingreift. Die Regelungen des Umwandlungsgesetzes, die die Gesamt- und Sonderrechtsnachfolge für grenzüberschreitende Umwandlungen sperren, dienen hingegen weder ausdrücklich der Verhinderung von Missbräuchen noch sind sie zum Schutze der Gläubiger, Anteilseigner und Arbeitnehmer erforderlich. Die umwandlungssteuerrechtlichen Bestimmungen, die das Gesetz für internationale Übertragungen sperren, bei ausländischen Umwandlungen aber die Steuerpflicht inländischer Gesellschafter begründen, sind aus sachlichen Gründen ebenfalls nicht gerechtfertigt. Ohne einen Rechtfertigungsgrund wird schließlich auch bei der Gesamtrechtsnachfolge gefordert, dass die stillen Reserven bei der übernehmenden Körperschaft besteuert werden können. Die unterschiedslos für sämtliche Transaktionen geltenden Beschränkungen der freien Niederlassung und der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Regelungen zu den Einbringungsgegenständen, zum aufnehmenden Rechtsträger, zur unzulässigen Gewährung alter Anteile als Gegenleistung sowie zur Bilanzierung der einbringungsgeborenen Anteile bei der Einzelrechtsnachfolge können hingegen gerechtfertigt werden. Einschlägig ist der vom EuGH zugelassene, ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der gleichmäßigen, erforderlichen und angemessenen Besteuerung.
N. Ergebnisse in Thesen 1. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Regelung der transnationalen Umwandlungsvorgänge im Umwandlungssteuergesetz allein von den Vorgaben der Fusionsrichtlinie leiten lassen. Diese Sichtweise ist überholt. Eine Reform des Umwandlungsgesetzes und des Umwandlungssteuergesetzes ist erforderlich, um die Regelungen an den Vorgaben der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit auszurichten. 2. Das Umwandlungssteuergesetz regelt die steuerneutrale Übertragung von Vermögen bei der grenzüberschreitenden Einzelrechtsnachfolge in den §§ 23, 24 UmwStG lückenhaft. Eine grenzüberschreitende Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge verwehrt das Umwandlungsgesetz derzeit zivilrechtlich; im Umwandlungssteuergesetz ist für diese Fälle noch kein steuerneutraler Vermögensübergang vorgesehen. 3. Die Überprüfung des Umwandlungsgesetzes und des Umwandlungssteuergesetzes am Maßstab der Grundfreiheiten des EG-Vertrages ermöglicht es, auch
192
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
diejenigen grenzüberschreitenden Sachverhalte zu beurteilen, die von der Fusionsrichtlinie nicht erfasst werden. Die Grundfreiheiten haben mit dem Gleichbehandlungsgebot einen weitergehenden Gewährleistungsbereich. Außerdem können sich Steuerpflichtige auf einen Verstoß gegen Grundfreiheiten unmittelbar berufen, während nicht geklärt ist, ob die in der Literatur kritisierten Fälle einer zu weitgehenden Regelung bei der Umsetzung der Richtlinie im Umwandlungssteuergesetz für Steuerpflichtige nicht als Richtlinienverstoß justiziabel sind. 4. Die hier betrachteten Fälle, in denen Inländer Vermögensgegenstände durch Einzel- oder Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge auf einen gebietsfremden Rechtsträger zu übertragen beabsichtigen, fallen in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit des einbringenden Steuerpflichtigen. Soweit er selbst mit den gewährten Anteilen die Leitung des ausländischen Unternehmens nicht übernehmen kann, kann er sich zumindest darauf berufen, dass der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit seines gebietsfremden Vertragspartners tangiert ist, im Falle der Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge auch der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit der Anteilseigner. 5. Der mit einer Umwandlung durch Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge unter Umständen verbundenen Sitzverlegung steht die Sitztheorie nicht entgegen, weil damit nur das Recht, das auf den betroffenen Rechtsträger anzuwenden ist, ermittelt wird. Die aufgrund der Sitztheorie einschlägigen Normen des nationalen Rechts sind aber an den Grundfreiheiten zu messen. Grenzen sie transnationale Sachverhalte aus, kann ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vorliegen. 6. Die betrachteten Umwandlungsfälle fallen zudem in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit. Beide Grundfreiheiten sind nebeneinander anwendbar. 7. Die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit verbieten, auch im Bereich der direkten Steuern, diskriminierende und unterschiedslos geltende Eingriffe. Die bislang vermisste, klare Unterscheidung dieser Eingriffsformen erlaubt bei grenzüberschreitenden Vertragsschlüssen die Sichtweise, dass diejenigen Behinderungen von Inländern an der grenzüberschreitenden Umwandlung eine diskriminierende Wirkung haben, die bewirken, dass sie anders behandelt werden als Inländer mit einem inländischen, aufnehmenden oder übernehmenden Vertragspartner. Behinderungen von Inländern an der grenzüberschreitenden Umwandlung haben hingegen eine beschränkende Wirkung, wenn die belastenden Tatbestandsvoraussetzungen für rein nationale Transaktionen wie für grenzüberschreitende Übertragungen gleichermaßen gelten, sodass sich eine unterschiedliche Behandlung nicht feststellen lässt. 8. An der Abgrenzung diskriminierender und beschränkender Eingriffe ist festzuhalten, auch wenn sich die herrschende Lehre davon entfernen will. Die beklagten Unterscheidungsschwierigkeiten sind überwindbar. Die Abgrenzung
N. Ergebnisse in Thesen
193
trägt den Unterschieden der Eingriffsformen Rechnung. Diskriminierende Eingriffe entstehen in den hier betrachteten Konstellationen, indem ein Mitgliedstaat für die Normadressaten im Inland bewusst Tatbestandsmerkmale aufstellt, die an die Herkunft ihrer Vertragspartner aus einem anderen Mitgliedstaat anknüpfen, um grenzüberschreitende Sachverhalte anders als rein nationale zu behandeln. Deshalb liegt auch das Rechtsschutzziel des diskriminierten Inländers in einer Gleichstellung mit inländischen Sachverhalten. Beschränkende Maßnahmen beruhen hingegen auf sachlichen Kriterien. Da sie keine herkunftsbezogenen Merkmale enthalten, werden transnationale Sachverhalte nicht ausgegrenzt. Aus diesem Grunde liegt das Rechtsschutzziel des betroffenen Inländers anlässlich der grenzüberschreitenden Dimension in einer Befreiung von der Regelung, die ihn mit rein inländischen Sachverhalten gleichstellt. Diese Abgrenzung erzeugt auch einheitliche Ergebnisse mit der Einordnung der behindernden Maßnahme aus Sicht des gebietsfremden Vertragspartners, der sich im Falle der Diskriminierung auf das Gleichbehandlungsgebot im Verhältnis zu vergleichbaren, inländischen Rechtsträgern berufen kann oder bei einer Beschränkung von einer Gleichbehandlung gerade befreit werden will. 9. Mit der Abgrenzung der Eingriffsformen wird Rechtssicherheit hinsichtlich der auf Diskriminierungen anwendbaren Rechtfertigungsgründe erreicht. Diese sind für unmittelbar und mittelbar wirkende Ungleichbehandlungen bei der Niederlassungsfreiheit enger als bei beschränkenden Eingriffen. In Betracht kommen, entgegen verbreiteter Auffassung, lediglich die in Art. 46 Abs. 1 EG explizit genannten Gründe. Der vom EuGH für diskriminierende Eingriffe geprüfte Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kontrolle zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht kann unter den ordre public-Vorbehalt gefasst werden. Nach der Rechtsprechung darf dieser Aspekt für Ungleichbehandlungen aber nur zur Geltung kommen, wenn er eine ausdrückliche Grundlage im Normtext und im Willen des Gesetzgebers findet. 10. Demzufolge kann von den im Umwandlungssteuergesetz angelegten Ungleichbehandlungen derzeit allein § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG gerechtfertigt werden. Alle anderen Vorschriften, die die Einzel- und die Gesamt- bzw. Sonderrechtsnachfolge betreffen und zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Konstellationen differenzieren, sind mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar, weil sie weder auf die Verhinderung von Missbräuchen durch Steuerhinterziehung oder Steuerflucht ausgerichtet sind noch dieses Ziel durch eine geeignete, erforderliche und angemessene Ungleichbehandlung verfolgen. 11. Der Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kohärenz ist als Unterfall des Rechtfertigungsgrundes der steuerlichen Kontrolle abzulehnen, weil er die strengen Voraussetzungen der Rechtfertigung zur Verhinderung steuerlicher Missbräuche aufweicht. Auch der EuGH hat sich nach und nach von der in einem Fall zugelassenen Rechtfertigung einer Diskriminierung zur Wahrung der
194
3. Teil: Vereinbarkeit der Behinderungen bei der freien Niederlassung
Kohärenz des Steuersystems distanziert. Er stellt immer strengere Anforderungen an diesen Grund, indem er inzwischen verlangt, dass die Person, der der steuerliche Vorteil gewährt wird, mit der Person identisch ist, die zu einem späteren Zeitpunkt besteuert werden soll, und dass zusätzlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine strenge Erforderlichkeitsprüfung vorgenommen wird. Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen sollen nach dem Willen des Gerichtshofs in die Erforderlichkeitsprüfung einbezogen werden. Diese Voraussetzungen lassen eine erneute Anwendung des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz des Steuersystems in der Praxis immer unwahrscheinlicher werden. 12. Die Differenzierung nach dem Kapitalanlageort ist allein bei direkten Steuern ein zulässiger Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 58 Abs. 1 lit. a EG. Die unterschiedliche Behandlung muss gerechtfertigt sein. Theoretisch kommen auch ungeschriebene Rechtfertigungsgründe in Betracht (Art. 58 Abs. 3 EG). Bis auf § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG sind aber auch alle vom Umwandlungssteuergesetz ausgehenden diskriminierenden Eingriffe in die Kapitalverkehrsfreiheit nicht gerechtfertigt, weil kein anderer als der bei der Niederlassungsfreiheit in Betracht kommende Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kontrolle ersichtlich ist. 13. Unterschiedslos für inländische und grenzüberschreitende Sachverhalte wirkende Bestimmungen können als Eingriff in die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit hingegen auch dann gerechtfertigt sein, wenn sich die Gründe nicht explizit dem EG-Vertrag entnehmen lassen. 14. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf im Bereich der direkten Steuern für unterschiedlos geltende Beschränkungen jedes legitime Ziel angeführt werden, das die Steuerpflichtigen in verhältnismäßiger Weise belastet. Hier kommt das mitgliedstaatliche Interesse an einer gleichmäßigen und angemessenen direkten Besteuerung in Betracht. Der Gerichtshof verzichtet bei beschränkenden Normen zur steuerlichen Kontrolle auf das Erfordernis, dass diese Regelungen dem Wortlaut nach eine Bestimmung zur Missbrauchsverhinderung sind. Allein die verhältnismäßige Anwendung ist erforderlich. 15. Die vom Umwandlungssteuergesetz ausgehenden Beschränkungen grenzüberschreitender Niederlassungen und des transnationalen Kapitalverkehrs sind gerechtfertigt, da sie erforderlich und angemessen sind, um eine gleichmäßige direkte Besteuerung zu erzielen.
Literaturverzeichnis Albrecht, Christian: Kommentierung des § 23 UmwStG, in: Haritz, Detlef; Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Altheim, Michael: Beratung der mittelständischen Wirtschaft bei Beteiligungen, Fusionen und Spaltungen im Binnenmarkt, IStR 1993 S. 406 ff. Anweiler, Jochen: Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1997. Bärwaldt, Roman: Kommentierung der §§ 11, 13 UmwStG und der Vorbemerkung vor §§ 11–13, in: Haritz, Detlef/Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Benjes, Silke: Die Personenverkehrsfreiheiten des EWG-Vertrages und ihre Auswirkungen auf das deutsche Verfassungsrecht, 1992. Bermel, Arno: Kommentierung des § 1 UmwG, in: Goutier, Klaus/Knopf, Rüdiger/ Tulloch, Anthony, Umwandlungsrecht Kommentar, 1995. Bieg, Thorsten: Der Gerichtshof der EG und sein Einfluss auf das deutsche Steuerrecht, 1997. Bien, Roland: Kritische Anmerkungen zum Umwandlungssteuererlass des BMF vom 25.3.1998, DStR Beil. 17/98 S. 50 ff. Bogenschütz, Eugen: Steuerliche Probleme bei europäischen Unternehmenszusammenschlüssen, IStR 2000 S. 609 ff. Borchardt, Klaus-Dieter/Klinke, Ulrich: Kommentierung des 245 EG mit Anhang, in: Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand 01/01. Brechmann, Winfried: Kommentierung des Art. 39 EG, in: Calliess, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.), Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Auflage 2002. Brinkhaus, Josef: Kommentierung des § 3 UmwStG, in: Haritz, Detlef/Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Bungert, Hartwin: Entwicklungen im internationalen Gesellschaftsrecht Deutschlands, Die AG 1995 S. 489 ff. Cordewener, Axel: Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002. Crezelius, Georg: Überlegungen zu einem Allgemeinen Teil des Umwandlungssteuerrechts, in: Wassermeyer, Franz (Hrsg.), Festschrift Siegfried Widmann, 2000, S. 241 ff. Decher, Christian E.: Rechtsfragen des grenzüberschreitenden Merger of Equals, in: Schneider, Uwe H. u. a. (Hrsg.), Festschrift Marcus Lutter, 2000, S. 1209 ff.
196
Literaturverzeichnis
Dehmer, Hans: Das Umwandlungssteuergesetz 1994, DStR 1994 S. 1713 ff. Denninger, Erhard: Kaptitel E. Polizeiaufgaben, in: Lisken, Hans/Denninger, Erhard (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 3. Auflage 2001. Doucet, Michel/Fleck, Klaus E. W.: Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Teil I, 4. Auf-lage 1988. Eckhoff, Rolf: Niederlassungsfreiheit, in: Birk, Dieter (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, 1995, S. 543 ff. Eilers, Stephan: Gemeinschaftsrechtliche Anwendungsrestriktionen für § 42 AO, DB 1993 S. 1156 ff. Everling, Ulrich: Das Niederlassungsrecht in der EG als Beschränkungsverbot, in: Schön, Wolfgang (Hrsg.), Gedächtnisschrift Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 607 ff. – Vertragsverhandlungen 1957 und Vertragspraxis 1987 – dargestellt an den Kapiteln Niederlassungsrecht und Dienstleistungen des EWG-Vertrages, in: Ernst-Joachim Mestmäcker (Hrsg.), Festschrift Hans von der Groeben, 1987, S. 111 ff. Flume, Werner: Die „Steuerbegünstigung“ der Umwandlung, DB 1957 S. 804 ff. Förster, Guido/Dautzenberg, Norbert: Verdopplung stiller Reserven bei grenzüberschreitenden Ein-bringungen, DB 1993 S. 645 ff. Forsthoff, Ulrich: EuGH fördert Vielfalt im Gesellschaftsrecht – Traditionelle deutsche Sitztheorie verstößt gegen Niederlassungsfreiheit, DB 2002 S. 2471 ff. Friederichs, Karl: Kommentierung des § 20 UmwStG und der Vorbemerkung vor § 20 UmwStG, in: Haritz, Detlef/Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Füger, Rolf/Rieger, Norbert: Verdeckte Einlage und verdeckte Gewinnausschüttung bei Umwandlungen – ein Problemabriss anhand typischer Fallkonstellationen, in: Wassermeyer, Franz (Hrsg.), Festschrift Siegfried Widmann, 2000, S. 287 ff. Ganske, Joachim: Reform des Umwandlungsrechts, WM 1993 S. 1117 ff. Geiger, Rudolf: Kommentar zum EU-Vertrag/EG-Vertrag, 4. Auflage 2004. Glaesner, Adrian: Kommentierung des Art. 56 EG, in: Schwarze, Jürgen (Hrsg.), EUKommentar, 2000. Glanegger, Peter: Kommentierung des § 6 EStG, in: Schmidt, Ludwig, EStG Kommentar, 23. Auflage 2004. Grabitz, Eberhard: Über die Verfassung des Binnenmarktes, in: Baur, Jürgen F./Hopt, Klaus J./Mailänder, K. Peter (Hrsg.), Festschrift Ernst Steindorff, 1990, S. 1229 ff. Großfeld, Bernhard: Internationales Umwandlungsrecht, Die AG 1996 S. 302 ff. – Kommentierung des Teils „Internationales Gesellschaftsrecht“, in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar, 13. Auflage 1993. Grotherr, Siegfried: Der Anteilstausch als gesellschaftsrechtlicher Einbringungsvorgang nach Umsetzung der Fusionsrichtlinie durch das StÄndG 1992, BB 1992 S. 2259 ff.
Literaturverzeichnis
197
Grundmann, Stephan M.: Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof, 1997. Gubelt, Manfred: Kommentierung des Art. 3 GG, in: v. Münch, Ingo/Kunig, Philip (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 5. Auflage 2000. Gusy, Christoph: Polizeirecht, 5. Auflage 2003. Hahn, Hartmut: Die Vereinbarkeit von Normen des deutschen internationalen Steuerrechts mit EG-Recht, 1999. – Gesamtrechtsnachfolge und Verschmelzung, DStZ 1998 S. 561 ff. Hakenberg, Waltraud: Grundzüge des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 2. Auflage 2000. – Kommentierung der Artt. 49/50 EG, in: Lenz/Borchardt, Carl Otto (Hrsg.), EGVertrag, Kommentar, 3. Auflage 2003. Halász, Christian/Kloster, Lars: Fortschreitende Europäisierung des Rechts grenzüberschreitender Unternehmenszusammenschlüsse, DStR 2004 S. 1324 ff. Haritz, Detlef: Kommentierung der §§ 1, 15, 16 UmwStG und der Vorbemerkungen vor § 1 und § 16 UmwStG, in: Haritz, Detlef/Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Haritz, Detlef/Homeister, Joachim: Besteuerung deutscher Anteilseigner bei Umstrukturierungen von Kapitalgesellschaften im Ausland und Europarecht – zugleich ein Betrag zu § 13 UmwStG, FR 2001 S. 941 ff. Haritz, Detlef/Wisniewski, Thomas: Steuerneutrale Umwandlung über die Grenze – Anmerkungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der steuerlichen Fusionsrichtlinie, GmbHR 2004 S. 28 ff. Heinicke, Wolfgang: Kommentierung des § 23 EStG, in: Schmidt, Ludwig, EStG Kommentar, 23. Auflage 2004. Heintzen, Markus: Gemeineuropäisches Verfassungsrecht in der Europäischen Union, EuR 1997 S. 1 ff. – Subsidiaritätsprinzip und Europäische Gemeinschaft, JZ 1991 S. 317 ff. Heinz, Carsten: Umstrukturierungen als Gestaltungselement zur Steuerminimierung im Erb- oder Schenkungsteuerfall, GmbHR 2001 S. 485 ff. Herdegen, Matthias: Europarecht, 6. Auflage 2004. Herrmann, Hans-Joachim: Kommentierung des § 23 UmwStG, in: Frotscher, Gerrit/ Maas, Ernst, Praxiskommentar KStG/UmwStG, Stand: 8/99. Herzig, Norbert: Gestaltung steuerorientierter Umstrukturierungen im Konzern, DB 2000 S. 2236 ff. – Rechtsformneutralität der Besteuerung beim Rechtsformwechsel, StuW 1988 S. 342 ff. Herzig, Norbert/Dautzenberg, Norbert/Heyeres, Ralf: System und Schwächen der Fusionsrichtlinie, Beilage 12/91, DB 1991 S. 2 ff.
198
Literaturverzeichnis
Herzig, Norbert/Förster, Guido: Steueränderungsgesetz 1992: Die Umsetzung der Fusionsrichtlinie im deutschen Steuerrecht, DB 1992 S. 911 ff. Herzig, Norbert/Momen, Leila: Die Spaltung von Kapitalgesellschaften im neuen Umwandlungssteuergesetz, DB 1994 S. 2157 ff. Herzog, Roman: Kommentierung des Anhangs zu Art. 3 GG, in: Maunz, Theodor/Dürig, Günter, Grundgesetz Kommentar, Band 1, Stand: 02/03. Hoffmann, Jochen: Die Bildung der Aventis S.A. – ein Lehrstück des europäischen Gesellschaftsrechts, NZG 1999 S. 1077 ff. Hoffmann, Michael: Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als koordinationsrechtliche und gleichheitsrechtliche Abwehrrechte, 2000. Horn, Norbert: Internationale Unternehmenszusammenschlüsse, ZIP 2000 S. 473 ff. Hörtnagl, Robert: Kommentierung des § 1 UmwStG und der Einführung zum UmwStG, in: Schmitt, Joachim/Hörtnagl, Robert/Stratz, Rolf-Christian, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 3. Auflage 2001. Hueck, Alfred/Fastrich, Lorenz: Kommentierung des § 4a GmbHG in: Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred, GmbH-Gesetz Kommentar, 17. Auflage 2000. Ismer, Roland/Reimer, Ekkehart/Rust, Alexander: Ist § 6 AStG noch zu halten? – Die Wegzugsbesteuerung auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts nach der Entscheidung de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004 S. 207 ff. Jacobs, Otto H.: Unternehmensbesteuerung und Rechtsform, 3. Auflage 2002. Jacobs, Otto H./Spengel, Christoph/Vituschek, Michael: Steuerreform 2001: Internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und Rechtsformwahl, RIW 2000 S. 653 ff. Jann, Martin: Die Auswirkung des EU-Rechts auf die Abkommensberechtigung von beschränkt Steuerpflichtigen, SWI 1996 S. 400 ff. Jarass, Hans D.: Die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, RIW 1993 S. 1 ff. – Elemente einer Dogmatik der Grundfreiheiten, EuR 2000 S. 705 ff. Kaass, Jan: Europäische Grundfreiheiten und deutsche Erbschaftsteuer, 2000. Kallmeyer, Harald: Kommentierung des § 1 UmwG, in: Kallmeyer, Harald, Umwandlungsgesetz Kommentar, 2. Auflage 2001. Karpenstein, Peter/Langner, Olaf: Kommentierung des Art. 221 EG, in: Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand 08/03. Kiemel, Wolfgang: Kommentierung des Art. 73 d EG, in: von der Groeben, Hans/ Thiesing, Jochen/Ehlermann, Claus-Dieter (Hrsg.), EU-Vertrag Kommentar, 5. Auflage 1997. Kieschke, Hans-Ulrich: Aktuelle Fragen des Ertragssteuerrechts, DStZ 1991 S. 289 ff. Kimms, Frank: Die Kapitalverkehrsfreiheit im Recht der Europäischen Union, 1996.
Literaturverzeichnis
199
Kindler, Peter: Kommentierung des Teils „Internationales Gesellschaftsrecht“, in: Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, Band 11, 3. Auflage 1999. Kingreen, Thorsten: Die Struktur der Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1999. Kloster, Lars: Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, 2004. Knobbe-Keuk, Brigitte: Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage 1993. – Die beiden Unternehmenssteuerrichtlinien, EuZW 1992 S. 336 ff. – Die Regelung des Anteilstauschs in § 20 Abs. 6 UmwStG und der Fusionsrichtlinie, DStZ 1992 S. 675 ff. – Niederlassungsfreiheit: Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot?, DB 1990 S. 2573 ff. – Restrictions on the Fundamental Freedoms Enshrined in the EC Treaty by Discriminatory Tax Provisions – Ban and Justification –, EC Tax Review 1994 S. 74 ff. – Wegzug und Einbringung von Unternehmen zwischen Niederlassungsfreiheit, Fusionsrichtlinie und nationalem Steuerrecht, DB 1991 S. 298 ff. Koblenzer, Thomas: Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger, 1999. Körner, Andreas: Europarecht und Wegzugsbesteuerung – das EuGH-Urteil „de Lasteyrie du Saillant“, IStR 2004 S. 424 ff. Kraft, Alfons: Kommentierung des § 339 AktG, in: Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage 1990. Kraft, Gerhard/Müller, Marcus: Schlussfolgerungen aus der EuGH-Entscheidung zur französischen Wegzugsbesteuerung (Saillant) für die internationale Steuerberatungspraxis aus deutscher Sicht, RIW 2004 S. 366 ff. Krebs, Hans-Joachim: Änderungen des Umwandlungssteuerrechts, BB 1994 S. 2115 ff. – Missbräuchliche Gestaltungen nach dem Umwandlungssteuer-Erlass der Finanzverwaltung – mögliche Ausweichgestaltungen, BB 1997 S. 2078 ff. Kronke, Herbert: Deutsches Gesellschaftsrecht und grenzüberschreitende Strukturänderungen, ZGR 1994 S. 26 ff. Kruse, Viola: Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften innerhalb der EG, 1997. Kuntze, Christian: Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Steuerrechts, 1999. Küting, Karlheinz: Die konzerninterne Verschmelzung und ihre Abbildung im konsolidierten Abschluss, BB 1994 S. 1383 ff. Lange-Kowal, Ernst Erwin: Langenscheidts Wörterbuch Französisch-Deutsch, 17. Auflage 1991. Lawall, Lars: Umwandlungsrecht: Grenzüberschreitende Verschmelzungen innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, IStR 1998 S. 345 ff. Lecheler, Helmut: Einführung in das Europarecht, 2. Auflage 2003. Lehner, Moris: Anmerkung zum Urteil „Gilly“, IStR 1998 S. 341.
200
Literaturverzeichnis
– Begrenzung der nationalen Besteuerungsgewalt durch die Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, in: Pelka, Jürgen (Hrsg.), Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, DStJG 23 (2000) S. 263 ff. Lennerz, Ursula: Die internationale Verschmelzung und Spaltung unter Beteiligung deutscher Gesellschaften, 2001. Loose, Falk: Das Steuerrecht als Schranke der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 58 EGV), 2001. Lüderitz, Alexander: Kommentierung des Anhangs zu Artikel 10 EGBGB, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch Kommentar, 12. Auflage 1996. Luke, Joachim: Die Europäische Aktiengesellschaft – Societas Europaea –, NWB 2004 S. 695 ff. (Fach 18 S. 4047). Lutter, Marcus (Hrsg.): Europäisches Unternehmensrecht, 4. Auflage 1996. – Kommentierung des § 1 UmwG, in: Lutter, Marcus, Umwandlungsgesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. – Umstrukturierungen von Unternehmen über die Grenze: Versuch eines Resumées, ZGR 1994 S. 87 ff. Mössner, Jörg/Kellersmann, Dietrich: Freiheit des Kapitalverkehrs in der EU und das deutsche Kör-perschaftsteueranrechnungsverfahren, DStZ 1999 S. 505 ff. Musil, Andreas: Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000. – Kein europarechtliches Beschränkungsverbot für direkte Steuern?, IStR 2001 S. 482 ff. Nagel, Bernhard: Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) in Deutschland – der Regierungsentwurf zum SE-Einführungsgesetz, NZG 2004 S. 833 ff. Nettesheim, Martin: Die europarechtlichen Grundrechte auf wirtschaftliche Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996 S. 342 ff. – Kommentierung des Art. 249 EG, in: Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand 08/02. Neye, Hans-Werner: Das neue Umwandlungssteuerrecht vor der Verabschiedung im Bundestag, ZIP 1994 S. 917 ff. Nowak, Carsten/Schnitzler, Jörg: Erweiterte Rechtfertigungsmöglichkeiten für mitgliedstaatliche Beschränkungen der EG-Grundfreiheiten, EuZW 2000 S. 627 ff. Ohler, Christoph: Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Kommentar, 2002. Oppermann, Thomas: Europarecht, 2. Auflage 1999. Ossadnik, Wolfgang/Maus, Stefan: Die Verschmelzung im neuen Umwandlungssteuerrecht aus betriebswirtschaftlicher Sicht, DB 1995 S. 105 ff. Patt, Joachim/Rasche, Ralf: Einbringung von Betriebsvermögen in eine Personengesellschaft gemäß § 24 UmwStG mit steuerlicher Rückwirkung, FR 1996 S. 365 ff.
Literaturverzeichnis
201
– Unternehmensteuerreform: Tarifermäßigung nach § 34 EStG für Einbringungsgewinne (§§ 20 Abs. 5 und 24 Abs. 3 UmwStG) sowie für Gewinne aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile (§ 21 UmwStG), FR 2001 S. 175 ff. Pernice, Ingolf/Mayer, Franz C.: Kommentierung des Art. 220 EG, in: Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand 08/02. Randelzhofer, Albrecht/Forsthoff, Ulrich: Kommentierung der Vorbemerkung zu Art. 39 ff. EG, in: Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand 05/01. Reich, Norbert: Bürgerrechte in der Europäischen Union, 1999. Reimer, Ekkehart: Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bestandsaufnahme –, in: Lehner, Moris (Hrsg.), Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 ff. Ress, Georg/Ukrow, Jörg: Kommentierung des Art. 56 EG, in: Grabitz, Eberhard/Hilf, Meinhard (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand 02/02. Rixen, Siegfried/Böttcher, Reinhard: Erfahrungsbericht über eine transnationale Verschmelzung, GmbHR 1993 S. 572 ff. Rödder, Thomas: Steuerliche Behandlung der Unternehmensumwandlung, in: Seeger, Siegbert F. (Hrsg.), Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002) S. 253 ff. Roth, Wulf-Henning: Die Niederlassungsfreiheit zwischen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot, in: Schön, Wolfgang (Hrsg.), Gedächtnisschrift Brigitte KnobbeKeuk, 1997, S. 729 ff. Rothfuchs, Hermann: Die traditionellen Personenverkehrsfreiheiten des EG-Vertrages und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger, 1999. Sagasser, Bernd/Buhla, Thomas/Brünger, Thomas R.: Umwandlungen, 3. Auflage 2002. Sandrock, Otto: Sitztheorie, Überlagerungstheorie und der EWG-Vertrag: Wasser, Öl und Feuer, RIW 1989 S. 505 ff. Saß, Gert: Änderungsvorschlag zur steuerlichen Fusionsrichtlinie, DB 2004 S. 2231 ff. – Der Verlustvortrag bei Betriebstätten in der Europäischen Union, DB 1997 S. 1533 ff. – Probleme der Umsetzung der steuerlichen EG-Fusionsrichtlinie in Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande und Großbritannien, DB 1993 S. 1892 ff. – Zum Leur-Bloem-Urteil des EuGH und zum Verhältnis der steuerlichen Antiumgehungsvorschriften zu den EU-Grundfrei-heiten, DB 1997 S. 2250 ff. Schaumburg, Harald: Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften nach neuem Umwandlungssteuerrecht, FR 1995 S. 211 ff. – Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996 S. 501 ff. Scheuer, Alexander: Kommentierung des Art. 43 EG, in: Lenz/Borchardt, Carl Otto (Hrsg.), EG-Vertrag, Kommentar, 3. Auflage 2003.
202
Literaturverzeichnis
Schindler, Clemens Philipp: Neuregelung der österreichischen Wegzugsbesteuerung – Ein Vorbild für andere Mitgliedstaaten?, IStR 2004 S. 711 ff. Schlag, Martin: Kommentierung des Art. 43 EG, in: Schwarze, Jürgen (Hrsg.), EUKommentar, 2000. Schlößer, Ralf W.: Kommentierung des § 24 UmwStG, in: Haritz, Detlef/Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Schmidt, Karsten: Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2002. Schmidt-Ott, Justus/Albrecht, Christian: Kommentierung des § 26 UmwStG, in: Haritz, Detlef/Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Schmitt, Joachim: Umstrukturierung eines inländischen Unternehmens unter Beteiligung von beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern, in: Grotherr, Siegfried (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2000, S. 681 ff. – Kommentierung des UmwStG, in: Schmitt, Joachim/Hörtnagl, Robert/Stratz, RolfChristian, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 3. Auflage 2001. Schmitt, Joachim/Hülsmann, Christoph: Verschmelzungsgewinne in der Handelsbilanz und Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge, BB 2000 S. 1563 ff. Schneider, Hartmut: Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EGVertrag, 1998. Schneider, Hartmut/Wunderlich, Nina: Kommentierung des Art. 39 EG, in: Schwarze, Jürgen (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000. Schnichels, Dominik: Reichweite der Niederlassungsfreiheit, 1995. Schnitger, Arne: Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EGVertrags, BB 2004 S. 804 ff. Schön, Wolfgang: Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in: Schön, Wolfgang (Hrsg.), Gedächtnisschrift Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, S. 137 ff. Schübel-Pfister, Isabel: Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004 Schulze-Osterloh, Joachim: Bilanzierung nach dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts, ZGR 1993 S. 420 ff. – Das deutsche Recht am Ende des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Europäischen Gerichtshofs, in: Lieb, Manfred/Noack, Ulrich/Westermann, Harm Peter (Hrsg.), Festschrift Wolfgang Zöllner, 1998, S. 1245 ff. – Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zum Handelsbilanzrecht – zugleich Besprechung der Entscheidung BGH ZIP 1994, 1259 –, ZGR 1995 S. 170 ff. Schwarz, Hans-Detlef: Kommentierung des § 1 UmwG, in: Widmann, Siegfried/ Mayer, Dieter, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz Kommentar, Loseblattsammlung Stand: 69. Lieferung März 2003. Schwichtenberg, Jörg: Going Private und Squeezeouts in Deutschland, DStR 2001 S. 2075 ff.
Literaturverzeichnis
203
Seeger, Siegbert F./Leonard, Axel: Zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung von Umwandlungsvorgängen, in: Wassermeyer, Franz (Hrsg.), Festschrift Siegfried Widmann, 2000, S. 539 ff. Selmer, Peter: Die öffentliche Ordnung und Sicherheit als Schranke der ArbeitnehmerFreizügigkeit gemäß Art. 48 Abs. 3 EWG-Vertrag, DÖV 1967 S. 328 ff. Stangl, Christian: Der Begriff der steuerlichen Kohärenz nach den Urteilen Baars und Verkooijen, SWI 2000 S. 463 ff. Steindorff, Ernst: Gemeinsamer Markt als Binnenmarkt, ZHR 150 (1986) S. 687 ff. Stratz, Rolf-Christian: Kommentierung des § 1 UmwG, in: Schmitt, Joachim/Hörtnagl, Robert/Stratz, Rolf-Christian, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 3. Auflage 2001. Streck, Michael/Posdziech, Ortwin: Verschmelzung und Formwechsel nach neuem Umwandlungssteuergesetz, GmbHR 1995 S. 357 ff. Streinz, Rudolf: Europarecht, 6. Auflage 2003. Thiel, Jochen: Die grenzüberschreitende Umstrukturierung von Kapitalgesellschaften im Ertragssteuerrecht, GmbHR 1994 S. 277 ff. Thömmes, Otmar: Die steuerliche Fusionsrichtlinie – Was bleibt zu tun?, ZGR 1994 S. 75 ff. – Probleme aus Anlass der Umsetzung der Fusionsrichtlinie, in: Knobbe-Keuk, Brigitte/Thömmes, Otmar/Röhricht, Volker/Thiel, Jochen/Widmann, Siegfried, Fortbestehende Beschränkungen der Mobilität und Aktivität von Unternehmen im Binnenmarkt, JbFStR 1993/94 S. 25 ff. – Teilbetriebsbegriff der EG-Fusionsrichtlinie, in: Wassermeyer, Franz (Hrsg.), Festschrift Siegfried Widmann, 2000, S. 583 ff. – Verbote der Diskriminierung von Steuerausländern und Steuerinländern, in: Lehner, Moris (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996) S. 81 ff. Toifl, Gerald: Die steuerliche Behandlung im Ansässigkeitsstaat als europarechtlicher Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung im Quellenstaat?, SWI 1996 S. 406 ff. Troberg, Peter: Kommentierung des Art. 52 EG, in: von der Groeben, Hans/Thiesing, Jochen/Ehlermann, Claus-Dieter (Hrsg.), EU-Vertrag Kommentar, 5. Auflage 1997. Tulloch, Anthony: Kommentierung des § 23 UmwStG, in: Goutier, Klaus/Knopf, Rüdiger/Tulloch, Anthony, Umwandlungsrecht Kommentar, 1995. Wagner, Wilfried: Unternehmensübertragung zum Umsatzsteuer-Nulltarif?, in: Wassermeyer, Franz (Hrsg.), Festschrift Siegfried Widmann, 2000, S. 607 ff. Wassermeyer, Franz: Besteuerung ausländischer Umwandlungen im Inland, in: Wassermeyer, Franz (Hrsg.), Festschrift Siegfried Widmann, 2000, S. 621 ff. – Besteuerung des ausländischen Unternehmenserwerbs durch Anteilstausch (unechte Fusion) und Einbringung von Unternehmensanteilen, DStR 1992 S. 57 ff.
204
Literaturverzeichnis
– Steuerliche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil „Hughes de Lasteyrie du Saillant“, GmbHR 2004 S. 613 ff. Weber, Claus: Die Dienstleistungsfreiheit nach den Art. 59 ff. EG-Vertrag – einheitliche Schranken für alle Formen der Dienstleistung?, EWS 1995 S. 292 ff. Weber, Rolf H.: Kommentierung des Art. 56 EG, in: Lenz/Borchardt, Carl Otto (Hrsg.), EG-Vertrag Kommentar, 3. Auflage 2003. Weber-Grellet, Heinrich: Kommentierung des § 17 EStG, in: Schmidt, Ludwig, EStG Kommentar, 23. Auflage 2004. Weiser, Benedikt: Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung in der Europäischen Union, 1998. Weiß, Wolfgang: Nationales Steuerrecht und Niederlassungsfreiheit, EuZW 1999 S. 493 ff. Widmann, Siegfried: Kommentierung des UmwStG, in: Widmann, Siegfried/Mayer, Dieter, Umwandlungsgesetz/Umwandlungssteuergesetz Kommentar, Loseblattsammlung Stand: 69. Lieferung März 2003. Wimpissinger, Christian: Der Fall Verkooijen und seine Auswirkungen, SWI 2000 S. 313 ff. Wisniewski, Thomas: Kommentierung des § 12 UmwStG, in: Haritz, Detlef/Benkert, Manfred, Umwandlungssteuergesetz Kommentar, 2. Auflage 2000. Wolf, Michael: Erbschaftsteuerersparnis durch rückwirkende Umwandlung nach Eintritt des Erbfalls, in: Wassermeyer, Franz (Hrsg.), Festschrift Siegfried Widmann, 2000, S. 655 ff.
Sachwortverzeichnis Anschaffungspreis – Anteile bei Verschmelzung oder Spaltung 73 – einbringungsgeborene Anteile 42 ff., 45, 57 Anteile – bare Zuzahlungen 55 ff, 73, 171 – einbringungsgeborene 41, 43, 54, 58 ff., 188 – Kapitalgesellschaftsanteile, mehrheitsvermittelnde 33 ff., 48 – Mitunternehmeranteil 33 ff., 47 ff., 165 – Veräußerungssperre beim Anteilstausch 62, 174 Aufnehmender Rechtsträger 35, 50, 186 Bare Zuzahlungen – siehe Anteile Behinderungen, umwandlungssteuerliche 45 ff., 74 ff. Beschränkung 111, 184 ff. – Abgrenzung von Diskriminierung 118 ff., 121 ff., 126 ff. – Rechtfertigungsgründe, siehe dort Besteuerungsmöglichkeit – beim aufnehmenden Rechtsträger 36 f., 50 f., 64, 169, 177 – beim einbringenden Rechtsträger (einbringungsgeborene Anteile) 41 f., 60, 173 – beim übernehmenden Rechtsträger 69, 81 f. Betrieb 33 ff., 48, 167, 185 Buchwertfortführung – durch den aufnehmenden Rechtsträger 38 f., 51 ff., 71, 186 – durch den übertragenden Rechtsträger 70
Diskriminierung 108, 165 ff. – Abgrenzung von Beschränkung 118 ff., 121 ff., 126 ff. – Rechtfertigungsgründe, siehe dort Einbringender Rechtsträger 34 f., 47 ff., 167 Einbringungsgeborene Anteile – siehe Anschaffungspreis – siehe Anteile Einbringungsgegenstand – siehe Betrieb, Anteile Einzelrechtsnachfolge 33 ff., 165 ff., 185 ff. Europäische Aktiengesellschaft – siehe Societas Europaea Fusionsrichtlinie 52 ff., 55 f., 58, 60, 62, 65, 168 ff., 187 f. Gesamtrechtsnachfolge 65, 76 ff., 178 ff. Kapitalgesellschaftsanteile – siehe Anteile Kapitalverkehrsfreiheit – Anwendungsbereich 96 – Beschränkung, siehe dort – Diskriminierung, siehe dort – durch Einzelrechtsnachfolge 102, 167ff., 180 ff. – durch Gesamtrechtsnachfolge 103 f. – Rechtfertigungsgründe, siehe dort – Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit 97 – Verstoß, siehe dort Kohärenz – siehe Rechtfertigungsgründe
206
Sachwortverzeichnis
Mitunternehmeranteil – siehe Anteil Niederlassungsfreiheit – Anwendungsbereich 90 – Beschränkung, siehe dort – Diskriminierung, siehe dort – durch Einzelrechtsnachfolge 99 ff, 165 ff. – durch Gesamtrechtsnachfolge 102 ff., 178 ff. – primäre 91 ff. – Rechtfertigungsgründe, siehe dort – Verhältnis zur Kapitalverkehrsfreiheit 97 – Verstoß, siehe dort Öffentliche Sicherheit und Ordnung – siehe Rechtfertigungsgründe Rechtfertigungsgründe 130 ff. – Kohärenz 140, 149 ff., 166 ff. – öffentliche Sicherheit und Ordnung 137, 147, 165 ff. – ungeschriebene 142, 146 f., 155 186 ff. Rückbeziehung – Anteilstausch 63, 177 – Gesamtrechtsnachfolge 66
Sacheinlage 33 Societas Europaea 20, 65, 78 Sonderrechtsnachfolge 65, 76 ff., 178 ff. Spaltung 67, 74 ff Spekulationsfrist 43 f., 58, 62 Teilbetrieb – siehe Betrieb Übernahme des Wertansatzes – des Aufnehmenden durch den Einbringenden 40, 72 – des Übertragenden durch den Übernehmenden 71 Übernehmender Rechtsträger 68, 80 ff., 179 Übertragender Rechtsträger – Spaltung 67 f., 80 ff. – Verschmelzung 67 f., 80 ff. Übertragungsgegenstand (Spaltung, Verschmelzung) 67 Veräußerungssperre – siehe Anteile Verschmelzung 67, 74 ff. Verstoß – gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit 167 ff., 178 ff.