Die Typen der Kriminellen [Reprint 2022 ed.] 9783112628980


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Die Typen der Kriminellen [Reprint 2022 ed.]
 9783112628980

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DIE T Y P E N DER

KRIMINELLEN

Grazer Kriminologische Schriften Herausgegeben vom Kriminologischen Institut der Universität Graz

DIE TYPEN DER K R I M I N E L L E N VON

P R O F E S S O R DR. ERNST SEELIG UND

AMTSGERICHTSRAT DR. KARL W E I N D L E R

1949 J. S C H W E I T Z E R VERLAG • BERLIN UND M Ü N C H E N

Druck von Dr. F. P. Datterer Sc. Cie., Freisi ag

Inhalt. Seite

D i e G l i e d e r u n g d e r V e r b r e c h e r . Eine E i n f ü h r u n g in die kriminologische Typenlehre. Von Prof. Dr. E r n s t S e e l i g D i e k r i m i n o l o g i s c h e n T y p e n in d e r W i r k l i c h k e i t . E i n empirischer Nachweis zur Seeligschen Typenlehre. Von ' A m t s g e r i c h t s r a t Dr. K a r l W e i n d l e r DiekriminalpolitischeBedeutung Von Prof. Dr. E r n s t S e e l i g

1

24

derTypenlehre. 160

Vorwort. Schon als das Inferno des ersten Weltkrieges ausgeklungen war, versuchte man dem Negativum dieses Geschehens nachträglich wenigstens insoweit etwas Positives abzugewinnen, als man auf den Gebieten verschiedener Wissenschaften das „große Massenexperiment des Krieges" zur Erzielung neuer Erkenntnisse benützte. Auf dem Gebiete der Kriminologie suchte man aus der Erforschung der Kriminalität der Kriegs- und Nachkriegszeit neue. Einblicke in die Verbrechensverursachung zu erlangen und insbesondere dem alten Problem „Anlage oder Umwelt" näher auf den Grund zu kommen. So entstanden im Rahmen der von der Carnegie-Stiftung herausgegebenen umfassenden Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges die verdienstvollen und aufschlußreichen Arbeiten von Exner, Krieg und Kriminalität in Österreich (Wien 1927) und Liepmann, Krieg und Kriminalität in Deutschland (Stuttgart 1930). Hiebei standen den Forschern für die Kriminalität der Nachkriegszeit vielfach Gegenwartsbeobachtungen zur Verfügung. Die Kriminalität der Kriegszeit selbst mußte hingegen zu großem Teil aus, spärlichen Quellen rekonstruiert werden. Als in den Jahren 1939 bis 1945 das bei weitem fürchterlichere Inferno des zweiten Weltkrieges Mitteleuropa langsam in ein politisches und wirtschaftliches Chaos zu verwandeln begann, dessen soziologische und damit auch moralische und kriminelle Auswirkungen die des ersten Weltkrieges bedeutend übersteigen mußten, schien es für die kriminologische Forschung ratsam, diesmal schon während des Krieges mit der ^Beobachtung der Kriminalität der Kriegszeit zu beginnen. Da die statistische Methode hiefür nicht verwendbar war („Kriminalstatistiken" wurden während des Krieges nicht mehr veröffentlicht und wären auch angesichts der Bevölkerungsverschiebungen, Wehrdienst, verschleppte Personen usw. unbrauchbar gewesen), wurde der Weg der Einzelbeobachtung an größeren Gruppen von Kriminellen beschritten, wobei es uns darauf ankam, durch t y p e n m ä ß i g e Erfassung des einzelnen Kriminellen ein möglichst anschauliches und lebensnahes Bild der kriminologischen Physiognomie der Kriegszeit zu erhalten. Dabei schien es nötig, dem allgemeinen Problem der T y p e n d e r K r i -

VIII m i n e i l e n erneut besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. E s ergab sich, daß diese Typen vom Zeitgeschehen unabhängig sind: trotz aller quantitativen Verschiebung der absoluten und relativen Zahlen, mit denen die einzelnen Typen in der Gesamtkriminalität jeweils vertreten sind, brauchte das Typenschema selbst kaum eine Änderung zu erfahren. Es erwies sich vor dem Krieg, während des Krieges und auch in der Gegenwart der Nachkriegszeit als gültig. So entstand dieses Buch als ein Beitrag zur kriminologischen Typenlehre und gleichzeitig als ein Beitrag zur Kriminalgeschichte des zweiten Weltkrieges. Doch will die vorliegende Arbeit nicht bloß zum Lehrgebäude der theoretischen Kriminologie einen Baustein liefern, sondern darüber hinaus auch der Praxis der Strafrechtspflege dienen. Sie hat ihren Sinn erst erfüllt, wenn der Praktiker, vor allem der Strafrichter, an Hand unseres anschaulich vorgeführten Materials und dessen kriminologischer Auswertung seinen Blick dafür schärft, hinter dem juristischen Tatbestand den M e n s c h e n zu sehen, und sich auf diese Weise darin übt, die der Persönlichkeit des Verurteilten entsprechende strafrechtliche Behandlung zu finden. Eine richtige Strafbemessung ist aber augenblicklich eine der wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben unserer Strafjustiz: Jetzt, wo es gilt, die ungeheuer ansteigende Welle der Nachkriegskriminalität energisch und zweckmäßig zu bekämpfen, ist jede unzureichende Bestrafung eines gefährlichen Kriminellen ein schwerer Schaden für die Allgemeinheit, ebenso ist aber auch jeder Tag, den ein sonst gut gearteter Mensch unnötigerweise der Freiheit, seineir Familie und seiner Arbeit entzogen wird, ein großer Nachteil für den Wiederaufbau 1 unserer darniederliegenden Kultur und Wirtschaft. Von dem gesetzlichen Strafralimen und der Möglichkeit allfälliger sichernder Maßnahmen den angemessenen und notwendigen Gebrauch zu machen, lernt man aber am besten aus den Fehlern der Vergangenheit. Darum wurde nicht bloß das Untersuchungsmaterial dargestellt und typenmäßig gegliedert, sondern es wurde auch im letzten Teil dieses Buches versucht, durch eine kriminalpolitische Würdigung dieser Ergebnisse das Zuviel oder Zuwenig der verhängten Strafen an Hand konkreter Beispiele aufzuzeigen. Wenn die Strafrechtspflege daraus Gewinn zöge, wäre dies der schönste Lohn unserer Arbeit. Graz, im Sommer 1947.

Ernst Seelig.

Die Gliederung der Verbrecher. E i n e E i n f ü h r u n g in d i e k r i m i n o l o g i s c h e

Typenlehre.

Von Prof. Dr. Ernst S e e l i g . Welches Bild zeigt die Kriminalität der Gegenwart ? Und zwar nicht juristisch, sondern kriminologisch gesehen? Welche Typen von Kriminellen, also Tätertypen — nicht Tattypen nach Paragraphen, wie sie uns bestenfalls die Justizstatistik liefert — kehren immer wieder und in welchem Häufigkeitsverhältnis stehen sie zueinander ? Und wie verschob sich dieses Bild im Kriege ? Diese Fragen annäherungsweise zu beantworten, ist der Sinn der nachfolgenden Untersuchung W e i n d l e r s . E r betrat hiebei den methodisch richtigen Weg- der „gruppenweisen Einzeluntersuchung" 1 ) und seine „Gruppe" umfaßt die immerhin stattliche Anzahl von 292 untersuchten Fällen. Wenn auch die Kriminalität einer solchen Gruppe vom wahren „kriminellen Profil der Masse" unvermeidlicherweise in mehreren Richtungen etwas abweicht, so können doch durch Aufzeigung der bestehenden Fehlerquellen — wie dies auch W e i n d l e r tut — diese Abweichungen in ihrer Richtung und ihrem Ausmaße ungefähr erkannt und dadurch die erforderlichen Rückschlüsse auf die kriminelle Gliederung der Gesamtbevölkerung gezogen werden. Eine solche Untersuchung benötigt als Ausgangspunkt ein S c h e m a von k r i m i n o l o g i s c h e n Tätertypen. Bereits 1 9 3 1 — also lange, bevor das Problem des „kriminologischen Tätertyps" und seiner Beziehung zum,,normativen Tätertyp" auch von der Strafrechtstheorie entdeckt wurde 2 ) — habe ich ein !) Vgl. S e e l i g , Anlage, Persönlichkeit und Umwelt bei jugendlichen Schwerverbrechern Österreichs. Mitteilungen der kriminalbiol. Gesellschaft IV, S. 1 1 8 . 2 ) Besonders durch die eingehenden Untersuchungen B o c k e l m a n n s , Studien zum Täterschaftsrecht, 1. u. 2. Teil, Berlin 1 9 3 9 / 4 0 ; ferner: D a h m , Der Tätertyp im Straf recht, Leipzig 1 9 4 0 ; M e z g e r und G a l l a s - B o c k e l m a n n , Tatstrafe und Täterstrafe, insbesondere im Kriegsstrafrecht, Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft 60, S- 3 5 3 f f . ; S c h a f s t e i n , Zur Lehre vom Tätertyp im Kriegsstrafrecht, Deutsches Strafrecht 9, S. 3 3 ff. Kritisch: G r u h l e , Der Täter, Monatsschrift f. Kriminalbiol. 34, S. 65 ff. S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

I

2 solches Typenschema aufzustellen versucht 3 ). W e i n d l e r baut seine Untersuchung auf dieses Schema auf und" unternimmt dadurch zum erstenmal eine E r p r o b u n g s e i n e r B r a u c h b a r k e i t a n e i n e m g r ö ß e r e n e m p i r i s c h e n M a t e r i a l . Da außerdem auch M e z g e r seinen späteren Untersuchungen über das Problem der Tätertypen den von mir in jener Abhandlung entwickelten Begriff „ T y p " (der vom Begriff „Klasse" wohl zu unterscheiden ist) zugrundelegte 4 ), die erwähnte Abhandlung aber in einer für Juristen praktisch unzugänglichen medizinischen Zeitschrift erschienen war, lasse ich zunächst meine Ausführungen von 1931 im Wortlaut 5 ) folgen. *

*

*

I. Uralt ist das Bestreben, jenen Teil der Menschen, die sich gegen die jeweilig bestehende Strafrechtsordnung vergehen, irgendwie zu kennzeichnen, zui beschreiben und allenfalls einzuteilen 6 ). Jetzt, wo in der Strafrechtspflege die E r f a s s u n g d e r P e r s ö n l i c h k e i t d e s T ä t e r s sowohl als wesentlicher Teil der richterlichen Tätigkeit (Strafbemessung und Anordnung bessernder oder sichernder Maßnahmen), als auch ganz besonders innerhalb des Strafvollzuges immer mehr in den Vordergrund rückt, müssen sich Richter, Strafvollzugsbeamte und Sachverständige mit diesen Dingen in stets steigendem Maße beschäftigen. Eine verwirrende Fülle von Begriffen und Theorien tritt ihnen da entgegen. Sie fing an mit der alsbald heftig umstrittenen, dann überlegen abgelehnten, im letzten Jahrzehnt jedoch in ihrem Kernpunkt zum Teil rehabilitierten 7 ) Lehre L ' o m b r o s o s - vom „geborenen Verbrecher", neben dem aber schön L o m b r o s o den L e i d e n s c h a f t s v e r b r e c h e r , den i r r e n V e r b r e c h e r und 3 ) Das Typenproblem in der Krimmalbiologie, Journ. f. Psychol. u. Neurol. 42, S. 515 (1931). M e z g e r , Tattypen, Tätertypen und Charaktertypen im Kriegsstrafrecht, Deutsches Strafrecht 9, S. 108 (1942). 5 ) Die Hinweise auf das Schrifttum sind jedoch bis zur Gegenwart weitergeführt. G) Vgl. E x n e r , Die psychologische Einteilung der Verbrecher, Schweizer Zeitschr. f. Strafrecht 38, S. 1 (1925) und nunmehr in seinem Buch: Kriminalbiologie (1939), S. 254 ff. sowie die daselbst bezogene Literatur. Vgl. auch die älteren Arbeiten von W u 1 f f e n, Gauner- und Verbrechertypen, 191 o und G r u h 1 e und W e t z e 1, Verbrechertypen 1913- Weitere Schrifttumshinweise finden sich auch in der folgenden Arbeit W e i n d l e r s , unten S. 25 Anm. 3. 7 ) Vgl. jetzt G r o ß - S e e l i g , Handbuch der Kriminalistik, 1. Band (1942), S. I72ff. Die Betonung des Anlagefaktors wurde von der modernen Kriminalbiologie als richtig erkannt, während die Aufstellung eines e i n h e i t l i c h e n Typs des geborenen Verbrechers nach wie vor abzulehnen ist (s. oben im Text unter II).

3 den G e l e g e n h e i t s v e r b r e c h e r als besondere Verbrecher,,Klassen" kannte. D a n n verkündete die Internationale Kriminalistische Vereinigung ihre Dreiteilung in A u g e n b l i c k s - ( G e l e g e n h e i t s - ) V e r b r e e h e r , in V e r b r e c h e r mit v e r m i n d e r t e r s o z i a l e r E i n o r d n u n g s f ä h i g k e i t und in V e r brecher, deren Einordnung nicht mehr erwartet werd e n k a n n (also Unverbesserliche oder „Schwersterziehbare", wie man heute v i e l f a c h sagt), wobei es ausdrücklich o f f e n gelassen wurde, ob die Verminderung der Einordnungsfähigkeit auf mang e l h a f t e A n l a g e n oder Milieueinflüsse während des Individuallebens zurückgeht. Schließlich hat sich vielfach die A s c h a f f e n b u r g sehe Siebenteilung in Zufalls-, A f f e k t - , Gelegenheits-, Vorbedachts-, Rückfalls-, Gewohnheits und Berufsverbrecher eingebürgert. A l l e diese „ E i n t e i l u n g e n " haben notwendig etwas Schematisches und geben keine lebensvollen Bilder menschlicher Persönlichkeiten. D a r i n liegt der Grund, warum sich die Kriminologie im letzten J a h r f ü n f t gern der neuen Lehren bemächtigte, die ihr die wiedererstandene C h a r a k t e r o l o g i e auf medizinischer und psychologischer Seite bot. K r e t s c h m e r s Lehre von zyklothymen und schizothymen Temperament (gewissermaßen in die Gesundheitsbreite übertragene Verkleinerungsformen des manisch-depressiven Irreseins und der Schizophrenie) mit der behaupteten A f f i n i t ä t zu den K ö r p e r b a u t y p e n des P y k n i k e r s einerseits und des Leptosomen, Athletikers und Dysplastikers andererseits, steht hierbei auch heute noch im V o r d e r g r u n d 8 ) . D a neben werden die vier E w a l d sehen Gruppen der eindrucksfähigen Stheniker, der eindrucksfähigen Astheniker, der gefühlskalten Stheniker und der gefühlskalten Astheniker, von denen j e d e wiederum in weitere Untergruppen zerfällt, zum T e i l verwendet. D i e psychophyschen Persönlichkeitstypen von W . J a e n s c h , der l^-Typ und' der T - T y p , die von Unterschieden in der eidetischen A n l a g e Jugendlicher ausgehen und im Hinblick auf die Krankheitsbilder des Basedow und der Tetanie gebildet wurden, sowie die mit ihnen im Zusammenhang stehenden, aber bedeutend weiter g e f a ß t e n T y p e n von E . J a e n s c h , der integrierte und der desintegrierte Mensch, finden in der kriminologischen Literatur ebenfalls E r w ä h n u n g , haben 8) K r e t s c h m e r , Körperbau und Charakter, i. Aufl. 1921, nunmehr 15./16. Aufl. 1942. Den beiden Temperamentstypen des Zyklothymen und des Schizothymen hat K r e t s c h m e r in jüngster Zeit noch eine dritte Temperamentsform, das viskose Temperament, angereiht und dieses dem Körperbautyp des Athletikers zugeordnet. ( K r e t s c h m e r und E n k e , Die Persönlichkeit der Athletiker, 1936; K r e t s c h m e r , Medizinische Psychologie, 5. Aufl. 1939.) 1*

4 sich aber weniger durchzusetzen vermocht 9 ): Von rein psychologischen Typen werden die des Introvertierter und Extravertierten von J u n g stark herangezogen, ebenso die sechs S p r a n g e r sehen Lebensformen des theoretischen, ökonomischen, ästetischen, religiösen, Macht- und sozialen Menschen, sowie die Typen M ü l l e r - F r e i n f e l s ' , der zwei zum Teil untereinander in Korrelation stehende Typenreihen kennt: die des geistigen Lebens (Verstandesmensch, Gefühlsmensch, Tatmensch; Sinnesmensch, Phantasiemensch, abstrakter Mensch) und die (auf R i b o t zurückgehenden) Typen des emotionalen Lebens (Mensch des herabgesetzten Ichgefühls, des gehobenen Ichgefühls, aggressiver Mensch, Sympathiemensch, erotischer Mensch). Für die morphologische Körperbeschreibung werden neben den K r et S c h m e r sehen Formenkreisen vielfach auch die S i g a u d s c h e n Typen (type respiratoire, type digestif, type musculaire, type cérébral) verwendet. Angesichts dieser Begriffsmenge sollen die nachfolgenden Ausführungen in erster Linie klärend wirken. Wer die Probleme einmal scharf sieht, ist vor vielen nur allzu verlockenden methodischen Irrwegen bereits bewahrt. II. Auszugehen ist von der heute zwar allseits anerkannten, aber doch vielfach zu wenig berücksichtigten Tatsache, daß die Kriminellen eine biologisch völlig heterogene Menschengruppe von buntester Mannigfaltigkeit darstellen, d i e n i c h t e i n e i n z i g e s g e m e i n s a m e s b i o l o g i s c h e s M e r k m a l besitzt und nur durch eine gemeinsame Beziehung zur Rechtsordnung (Verletzung eines Strafgesetzes) äußerlich abgegrenzt ist. „ D e r V e r b r e c h e r " als irgendeine variatio der species homo sapiens existiert nicht. Es ist darum methodologisch von vornherein verfehlt, die geistige oder körperliche Eigenart „des Verbrechers" erforschen zu wollen und zu diesem Zwecke (was selbst an hervorragenden Forschungsstätten immer wieder geschieht I) etwa die Iiisassen einer Strafanstalt wahllos einer statistischen Massenuntersuchung zu unterwerfen. Auf diese Weise gehen nämlich Merkmale, die für kleinere Gruppen von Kriminellen tatsächlich charakteristisch sind, nur verloren, weil die Fälle dieser Gruppe in der statistischen Zählung mit den Fällen einer anderen Gruppe (mit oft konträren Merkmalen) zusammengeworfen werden und sich so für die D u r c h s c h n i t t sb et r ä c h t un g gar kein cha9 ) Die wichtigsten Arbeiten der J a e n s c h s c h e n Schule sindnunmehr i n : E. R. J a e n s c h , Zur Eidetik und Integrationspsychologie, Leipzig 1941, zusammengestellt; darunter insbesondere: T h o m a s , Die strafrechtliche Bedeutung der sog. integrierten Persönlichkeitstypen von E. R . Jaensch.

5 rakteristisicher Merkmalkomplex ergibt. Weiter ist zu beachten, daß die allgemeinen charakt erologischen Typen, die man unter den Kriminellen findet, in gleicher Weise auch unter den Nichtkriminellen vorkommen und daß Paralleluntersuchungen über den relativen Anteil solcher Typen bei Kriminellen und Nichtkriminellen nur dann zulässig erscheinen, wenn sie an kleineren, schon etwas homogeneren Gruppen vorgenommen werden. Die Variabilität der menschlichen Persönlichkeiten überhaupt ist eine u n e n d l i c h e (im strengen mathematischen Sinn) und die hiebei ausschlaggebenden V a r i a t i o n s r i c h t u n g e n sind u n b e s t i m m t - z a h l r e i c h und s i c h g e g e n s e i t i g k r e u z e n d . Dasselbe gilt naturgemäß auch für jenen Teil der Menschen, die eine Strafrechtsnorm übertreten haben. Zur wissenschaftlichen Erfassung einer derart variierenden Menge ist der althergebrachte wissenschaftliche Behelf einer „Einteilung" in „Klassen" ungeeignet; an seine Stelle muß als Orientierungsbehelf die Kennzeichnung nach „ T y p e n " treten. Ein Typ ist ein K o m p l e x m e h r e r e r i n n e r l i c h v e r b u n d e n e r M e r k m a l e , (die darum auch wieder in Korrelation auftreten); jene Individuen, die diese Merkmale besitzen, sind die „Repräsentanten" des Typs. Der Merkmalskomplex, den wir als Typ bezeichnen, ist somit'kein Individuum, aber auch keine Gruppe oder Klasse von Individuen; vielmehr kann (was bei einer Klasseneinteilung unmöglich ist) dasselbe Individuum auch m e h r e r e n Typen gleichzeitig angehören, wenn es nämlich die Merkmalsgruppe des einen a l s a u c h die des anderen Typs aufweist (sog. M i s c h t y p ) . Davon zu unterscheiden ist (was vielfach übersehen wird!) das I n d i v i duum mit u n a u s g e s p r o c h e n e r T y p e n z u g e h ö r i g k e i t , das keinen typischen Merkmalskomplex besitzt. Zwischen diesem und den vollen Mischtypen schieben sich noch die sogenannten „Legierungen" ein, bei denen Teilkomplexe von Merkmalen aus zwei verschiedenen Typen miteinander verbunden sind 1 0 ). J®) Diese allgemeinen Grundbegriffe der neuen „Typologie" lassen sich durch folgende vereinfachte systematische Darstellung veranschaulichen: bei einer Reihe von Individuen, von denen jedes, durch 6 Merkmale bestimmt werde, seien diese durch Kleinbuchstaben ausgedrückt. Fände man nun folgende Individuenreihe: 1. a + b + x + e + f + 2. a + b + x + h + i + 3. a + b + x + k + l + 7. a + b 8. a + e 9. a + b

g g m + x

4. c + d + y + n + o + p 5. c + d + y + g + h + s 6. c + d + y + t + u + o + c+ d + y + i + y + n-fs -fy + e+ f + p

so wären die Individuen 1, 2 und 3 Repräsentanten eines T y p s I (bestehend aus dem Merkmalskomplex a - f - b - j - x ) ; die Individuen 4, 5

N a c h dem Gesagten ist es weiter klar, daß eine Kennzeichnung der Menschen n a c h einem e i n z i g e n Typenschema mit zwei oder auch acht T y p e n stets nur eine sehr unvollständige, einseitige Charakteristik ergeben kann und lediglich als Orientierungsbehelf im R a h m e n der sonstigen Persönlichkeitsbeschreibung zu verwenden ist. Je größer die Z a h l der Gesichtspunkte ist, n a c h denen wir einen Menschen untersuchen, desto näher kommen wir dem Individuum (das in seiner einmaligen Vollständigkeit überhaupt nicht erfaßt werden kann). D i e so gefundenen K o m p o n e n t e n der Persönlichkeit reihen sich aber nicht lose aneinander, sondern stehen selbst W i e d e r u m in einem d y n a m i s c h e n S t r u k t u r z u s a m m e n h a n g . Diese letztere Tatsache erstmals hinsichtlich der kriminellen Persönlichkeit erkannt zu haben und mit Nachdruck zu betonen, bildet einen der Wesenszüge der A . L e n z sehen Kriminalbiologie. III. Neben der Aufstellung von echten P e r s ö n l i c h k e i t s t y p e n nach Merkmalskomplexen, die im Phänotyp aufscheinen, können auch typische V e r h a l t e n s w e i s e n , die die Lebensführung eines Menschen charakterisieren, herangezogen werden: man erhält dann typische „ L e b e n s f o r m e n " ( S p r a n g e r ) , die somit von Charaktertypen zu unterscheiden sind ( G r u h l e ) , aber n a t u r g e m ä ß mit solchen im Zusammenhang stehen (was G r u h l e leugnet). Denn aus dem Zusammentreffen typischer Charakterkomponenten mit (nach der R e g e l des Lebens) wiederkehrenden Umwelttagen ergeben sich eben typische Verhaltensweisen. Dies ist vereinbar mit der Tatsache, daß (bei atypischen Umweltslagen) derselbe Charaktertyp zu verschiedenen Lebensformen führen und umgekehrt dieselbe Lebensform aus verschiedenen Charaktertypen entspringen kann. D a s Verbrechen-Begehen ist eine Verhaltensweise. Darum treten uns, wenn wir unbefangen die verbrechenbegehenden Menschen überschauen, zunächst typische L e b e n s f o r m e n entgegen, nicht Charaktertypen. Irgendeine Beziehung zu einer kriminogenen Disposition tritt aber dabei r e g e l m ä ß i g hervor und geund 6 wären Repräsentanten eines Typs II (bestehend aus dem Merkmalskomplex c - ( - d - ) - y ) ; das Individuum 7 wäre ein voller Mischtyp, 8 stellt ein Individuum von unausgesprochener Typenzugehörigkeit dar und 9 versinnbildlicht eine „Legierung". Eine Klasseneinteilung im Sinne der älteren Logik könnte dieser Sachlage nicht gerecht werden; hier zeigt sich der erkenntnistheoretische Wert einer Aufgliederung nach „Idealtypen" ( J a s p e r s ) . Die Komplexbildung a - | - b - | - x bedeutet aber nicht eine bloße Summierung, sondern stellt als Ganzes ein Neues dar gegenüber der Summe der Elemente.

7 stattet, zunächst ganz oberflächlich, größere Gruppen Krimineller herauszuheben 1 1 ). Als solche Gruppen wären zu nennen: 1. Kriminelle, bei denen das Begehen, von Delikten (regelmäßig Vermögensdelikten) ihren sonstigen Erwerb vertritt und die sich daher-schon äußerlich durch ihre asoziale.Lebenswei.se abheben (vielfach „Berufsverbrecher" genannt). Hierher gehört in gleicher Weise der gewerbsmäßige Hochstapler wie der Berufseinbrecher ; ebenso der Landstreicher, der vom Bettel und kleinen Diebstählen lebt, die Beisichlafdiebin (d. i. eine Prostituierte, die gewerbsmäßig ihre Kunden bestiehlt), der gewerbsmäßige Zuhälter, der gewerbsmäßige Bauernfänger usw. Man sieht sofort • sie alle zeigen eine gemeinsame kriminogene Eigenschaft, die A r b e i t s s c h e u , im übrigen aber 'umfassen sie die allerverschiedensten Persönlichkeitstypen 12 ). 2. Menschen, die im allgemeinen eine soziale Lebensführung aufweisen, insbesondere oft fleißige Arbeiter sind, aber dennoch immer wieder strafbare Handlungen (und zwar wiederum regelmäßig Vermögensdelikte) begehen. Zu dieser Gruppe zählt das fleißige, aber unehrliche Dienstmädchen, der sich in betrügerischer Weise stets verrechnende Zahlkellner, die Dame aus sozial höheren Schichten, die auf der Straßenbahn schwarz fährt; aber auch die Täter schwererer Verfehlungen, wie der beruflich tüchtige Postbeamte, der wiederholt Wertbriefe unterschlägt, der fleißige Geschäftsangestellte, der Waren mit nach Hause nimmt usw. Im Gegensatz zu den „Verbrechern aus habitueller Arbeitsscheu" der ersten Gruppe könnte man hier von „Verbrechern a u s g e r i n g e r W i d e r s t a n d s k r a f t " sprechen: sie alle bringen gegenüber den kriminellen Anreizen, die ihnen die Umwelt, insbesondere ihr Berufsleben bietet, nicht die nötigen Hemmungen auf. Und auch in dieser Gruppe sind in sonstigen Belangen die verschiedensten Persönlichkeitstypen vertreten. u ) Die im folgenden eingeschlagene Methode der Gruppenbildung kann als „kombiniertes Verfahren" bezeichnet werden, weil sie absichtlich heterogene Momente (eine Verhaltensweise, also eine Lebensäußerungsform einerseits und einen charakterologisch-psychobiologischen Tatbestand andererseits) zum Merkmalskomplex eines T y p s zusammenfaßt. Sowohl eine Gruppenbildung, die nur von der Äußerungsform ihren Ausgang nimmt (etwa Mörder,-Diebe, Betrüger usw. und deren äußerlich abgegrenzte Untergruppen, wie Raub-, Lust-, Massenmörder usw.), als auch eine solche, die umgekehrt nur charakterologisch-biologische Merkmale verwendet (z. B. schizothyme, zyklothyme und epileptoide Verbrecher) würde hingegen Zusammengehöriges zerreißen und Kriminelle, die ganz verschieden zu beurteilen sind, zusammenwerfen. 12 ) Vgl. H e i n d l , Der Berufsverbrecher, Berlin 1 9 2 7 ; G e n t z , Berufsverbrecher, in: Deutsches Gefängniswesen, hrsg. v. Bumke, 1928.

8 3. A g g r e s s i v e G e w a l t t ä t e r , d. h. Menschen, die infolge ihrer habituell gewordenen Angriffssucht (selbst wiederum eine mit gesteigerter Affekterregbarkeit im Zusammenhang stehende komplexe Disposition) schon bei kleinen Anlässen und dalier immer wieder auf die Personen ihrer Umgebung mit Beschimpfungen und Tätlichkeiten losgehen. Der bäuerliche Raufbold und Messerheld, der Trinker, der —• nach Hause kommend — Frau und Kinder mißhandelt, bilden bekannte Erscheinungen dieser Gruppe; aber auch viele Totschläger reihen sich hier ein. 4. V e r b r e c h e r a u s s e x u e l l e r U n b e h e r r s c h t h e i t , die. das gemeinsame Merkmal fast aller Sexualverbrecher bildet. Die T r i e b r i c h t u n g , gegen die nicht die nötige Beherrschung aufgebracht wird, kann dabei außerordentlich variieren. E s kann sich bald um ein normales Sexualziel handeln, wie beim brutalen Notzüchter, bald um ein perverses, wie beim senilen Pädophilen oder beim Homosexuellen. Aber gemeinsam ist ihnen allen doch, daß sie ihr sexuelles Wunschziel ungehemmt in die Wirklichkeit umsetzen — im Gegensatz zu manchem Nichtkriminellen, der solche Triebregungen auch erlebt, aber angesichts der kulturellen, ethischen und rechtlichen Schranken unseres Geschlechtslebens in sich begräbt. 5. K r i s e n v e r b r e c h e r . Darunter seien Menschen verstanden, die—in der Regel bisher unbescholten — in eine KonfliktsSituation geraten, aus der sie nur einen kriminellen Ausweg finden. Dabei kann die Entstehung dieser „Krise" durch ein widriges äußeres Schicksal bedingt sein (ein Familienvater steht plötzlich vor dem geschäftlichen Zusammenbruch, seine Frau hat seit längerer Zeit Beziehungen zu einem anderen aufgenommen, da beschließt er, — H a n d an sich zu legen und seine heranwachsenden Kinder „mitzunehmen"); oder die Krise ist durch eigene Verhaltensweisen herbeigeführt (das alternde Mädchen, das eine späte Liebe gefunden hat, vergreift sich plötzlich an der Geschäftskasse, um die finanziellen Ansprüche ihres Freundes zu befriedigen, dem sie in Hörigkeit ergeben ist; auch die Abtreibung oder der Kindsmord des verlassenen Mädchens gehört in der Regel hierher); oder die Krise stellt sich lediglich als subjektive Ausstrahlung einer kritischen Phase in der endogenen Persönlichkeitsentwicklung dar (so bei den meisten Geliebtenmorden mit nachträglichem Selbstmordversuch in der Nachpubertät). Aber auch in den ersterwähnten Fällen fanden wir, daß trotz allen objektiven Unglücks der Umstand, daß die Umweltlage als „Krise" erlebt wird, regelmäßig durch subjektive Momente, durch die Eigenart der Persönlichkeit und ihrer Entwicklung, bedingt ist.

9 6. Affektverbrecher im e n g e r e n S i n n . Dieser Zusatz ist notwendig, denn hier sind nicht alle Kriminellen gemeint, die ihre Tat in affektiver Erregung begehen (die auch innerhalb der anderen Gruppen vielfach vorhanden ist), sondern als Affektverbrecher seien — in engerer, prägnanterer Begriffsprägung — nur solche Verbrecher bezeichnet, deren Tat durch eine Körperbewegung erfolgte, die sich b i o l o g i s c h als motorische Entladung einer auf Höchstmaß gesteigerten Affektspannung darstellt. Nicht alle Affekte drängen zu einer solchen Reaktion, sondern nur qualitativ-spezifische: zu diesen gehört vor allem jener Zornaffekt, den schon die Vulgärsprache als „blinde Wut" bezeichnet. Auch im nicht kriminellen Leben kommt es vor, daß der Jähzornige in einem solchen Erregungszustand eine ihm selbst gehörende wertvolle Vase zu Boden schleudert und in pathologischer Variation tritt der Mechanismus solcher motorischer Affektentladungen besonders deutlich bei der als „Zuchthausknall" bekannten akuten Haftpsychose zutage. Die Kriminellen aber, deren Tat sich in dieser Weise verstehen läßt, sind nicht sehr häufig: nur ein kleiner Teil der Tötungen „ohne Überlegung" und der Körperverletzungen im Streit gehören hierher. Vor Jahren untersuchte ich einen Musiker, Alkoholiker, der — aus dem Krieg heimkehrend — in unverminderter Verliebtheit an seiner Frau hing, die sich inzwischen von ihm abgewandt hatte. E s kommt zu einer Szene, in der er immer wieder um ihre Liebe bettelt, während sie mit verächtlichen und höhnischen Bemerkungen erwidert und ihm schließlich die Türe weist; da ergreift er ein Messer und stürzt sich auf s i e . . . . Solche Kriminelle ahnen noch wenige Minuten vorher nicht, daß sie ein Verbrechen begehen werden, und stehen nachträglich ihrer eigenen Tat verständnislos gegenüber. Hierher gehört schließlich — materiell auf einem anderen Gebiet liegend, aber funktionell gleichartig —• jene Variante des Lustmordes, bei dem die Tötungshandlung nicht Ersatz des normalen Sexualzieles ist, sondern im Anschluß an eine normale Geschlechtsbetätigung erfolgt und sich (wie z. B. das Würgen in coitu) als motorischje Entladung des aufs Höchstmaß gesteigerten Sexualaffektes darstellt. 7. Menschen, bei denen eine triebhafte Strebung — meist auf imbeziller oder debiler Grundlage — unter Ausschaltung aller Hemmungsmechanismen so dominant wird, daß sie vor kriminellen Mitteln zur Erreichung ihres Strebungszieles nicht zurückschrecken ( P r i m i t i v r e a k t i o n e n ) . Hierher zählt das sogenannte Heimwehverbrechen (die in die Fremde geschickte Magd zündet, um nach Hause kommen zu können, das Gehöft ihres Dienstgebers an); aber auch die aus einem dunklen Trieb nach

10 Rache entspringende Brandlegung des entlassenen Knechtes gehört zu dieser Gruppe. In vielen dieser Fälle erklärt sich das kriminelle Verhalten aus einer Strukturverschiebung, die vor der Tat innerhalb des Persönlichkeitsaufbaues einsetzt und die betreffende kriminogene Disposition zur ausschließlichen Herrschaft kommen läßt. 8. Ü b e r z e u g u n g s v e r b r e c h e r . Diese in den letzten Jahren viel diskutierte Gruppe hebt sich nicht bloß kriminalpolitisch, sondern auch biologisch aus dem Verbrecherheer dadurch ab, daß bei der Tatmotivation an die Stelle der Überwindung jener Hemmung, die sonst vom Bewußtsein der Widerrechtlichkeit ausgeht, ein Antrieb infolge der wertbetonten Überzeugung tritt, zur Begehung der Tat verpflichtet zu sein. Ein solcher Motivationsprozeß kommt nur bei Überwertigkeit gewisser Ideenkomplexe zustande und pflegt mit einer in der Persönlichkeit gelegenen Grundtendenz zu extrem verschrobenen Idealbildungen zusammenzuhängen. Echte Überzeugungsverbrecher sind außerordentlich selten. Die hier gegebene Gruppierung kann und will nach dem eingangs Gesagten weder ein System von Verbrechertypen nach einem logisch einheitlichen Gesichtspunkt, noch eine vollständige Klasseneinteilung sein, sondern stellt sich lediglich als die Heraushebung empirischer Gruppen dar, die sich aus der bunt schillernden Menge der Kriminellen bei unbefangen biologischer Betrachtung abheben. Öfters wird sich ein konkreter Fall unter m e h r e r e dieser Gruppen einordnen lassen und nicht zu selten werden sich singulare Fälle ereignen, die sich in keine dieser Gruppen einfügen, weil sie eben a t y p i s c h sind. Trotzdem wird man zugeben, daß eine derartige Gruppierung, die auf typischen Korrelationen zwischen kriminellem Verhalten und dem diesem zugrunde liegenden biologischen Tatbestande fußt, eine anschaulichere und wirklichkeitsnähere Skizze von der kriminellen Physiognomie unserer Bevölkerung entwirft, als die blutleere traditionelle Gliederung in Zustands-, Augenblicksverbrecher usw. Nochmals: diese Gruppen sind noch keine kriminellen C h a r a k t e r t y p e n . Echte Charakter-, Persönlichkeits- oder Konstitutionstypen, die sich kriminell auswirken, finden sich vielmehr nur i n n e r h a l b der einzelnen, o b e n s k i z i e r t e n g r o ß e n G r u p p e n und ihre Repräsentanten bilden dort nur relativ kleine Verbrechergruppen. So etwa innerhalb der ersten Gruppe (Arbeitsscheue) unter vielen anderen: der H o c h s t a p l e r , für dessen Persönlichkeitsstruktur die Korrelation von (durch Ausdauermangel bedingter) Arbeitsscheu mit guter Intelligenz, schauspielerischer Darstellungsfälligkeit, Phantasiereichtum und damit zusammenhängender (oft an Pseudologia phantastica angrenzender)

11 Lügenneigung charakteristisch ist; der B a u e r n f ä n g e r mit seiner Korrelation von (aus Trägheit entspringender) Arbeitsscheu mit geselliger Anpassungsfähigkeit, gemütlicher Verschmitztheit und körperlicher Beweglichkeit; der Z u h ä l t e r , dessen Struktur sich aus (vielfach durch den Mangel an Initiative bedingter) Arbeitsscheu, gesteigerter sexueller Ambivalenz und gesteigertem Erwerbstrieb aufbaut. Innerhalb der 5. Gruppe (Krisenverbrecher), ebenfalls unter vielen anderen: das j u g e n d l i c h e B ü r s c h c h e n , übermäßig introvertriert und von gesteigerter Spaltungsfähigkeit, Gegensätzlichkeit und Affektlabilität, das p l ö t z l i c h e i n K a p i t a l s v e r b r e c h e n b e g e h t , die Geliebte tötet oder gar die Hand gegen seine Eltern erhebt oder auch bei entsprechender Umweltlage einen (zu seinem zarten Wesen scheinbar gar nicht passenden) brutalen Raubüberfall inszeniert — keinen anderen Ausweg aus der Krise der Nachpubertät findend. Das sind nur B e i s p i e l e aus zahlreichen Beobachtungen, an denen das Wesen und die tatsächliche Existenz eines durch einen Strukturzusammenhang mehrerer Dispositionen gekennzeichneten kriminellen Persönlichkeitstyps gezeigt werden soll. Diese zahllos vielen, sehr speziellen Typen aus dem Heer der Kriminellen innerhalb der verschiedenen großen Gruppen herauszuarbeiten, ist eine schwierige, aber an sich aussichtsreiche Aufgabe, die zum größten Teil erst von der künftigen Forschung geleistet werden muß; wir wollen diese kleinen Grüppchen als „spezielle kriminelle Charaktertypen" bezeichnen. Dagegen können g e n e r e l l e Erkenntnisse über „den Verbrecher" oder auch über große Gruppen von Verbrechern von der Kriminalbiologie überhaupt nicht'erwartet werden. Wer mit d i e s e r Erwartung an die kriminalbiologische Forschung der letzten Jahre herantritt, wird notwendig enttäuscht sein — der Fehler aber liegt im unrichtigen Maßstab, den er anlegt. E s war darum auch methodologisch richtig, daß A . L e n z bei dem von ihm erstmals unternommenen Versuch, dem kriminellen Menschen mit den Mitteln moderner Persönlichkeitsforschung näherzukommen, die von ihm behandelten Zusammenhänge zwischen Tat und psychophysischer Persönlichkeitsstruktur nur b e i s p i e l s w e i s e vorführte. IV. Streng zu unterscheiden von den eben erörterten Gruppenbildungen nach kriminellen Lebensformen und charakterologischen Persönlichkeitsstrukturen sind Gruppen, zu denen man gelangt, wenn man unter k l i n i s c h - p s y c h i a t r is c h e n oder ä t i o l o g i s c h e n oder p r o g n o s t i s c h e n Gesichtspunkten an die Kriminellen herantritt.. a) Klinisch-psychiatrisch: Der „geisteskranke Verbrecher" und der „psychopatische Verbrecher" kommen in unseren oben

12 skizierten Gruppen nicht vor, denn sie zeigen weder hinsichtlich der kriminellen Lebensform noch in ihrer Persönlichkeitsstruktur irgendeine Einheitlichkeit. Vielmehr werden die Psychopathen zu jeder unserer obigen Gruppen ein beträchtliches Kontingent stellen, zumal die psychopathische Konstitution die Wirksamkeit jeder kriminogenen Disposition fördert. D a s Analoge gilt auch für die Fälle ausgesprochener Psychosen (z. B. Diebstahl eines Paralytikers). W e n n aber infolge der Psychose die H a n d l u n g n u r mehr äußerlich verbrechensähnlich ist, ihrem inneren Sinn nach aber überhaupt keinen kriminellen Tatbestand bildet (in einem von mir beschriebenen Falle k ä m p f t e ein Paranoiker mit dem Teufel und tötete dabei seinen Bruider), liegt nicht bloß strafrechtlichdogmatisch, sondern auch kriminologisch überhaupt kein Verbrechen vor. b) Ätiologisch: Hier steht auch heuite noch im Vordergrund des Interesses die Unterscheidung von e x o g e n e m und e n d o g e n e m Verbrechen. Auch diese Unterscheidung kreuzt sich mit allen unseren obigen Gruppen (denn selbst beim Affektverbrecher i. e. S. k a n n die entsprechende Reagibilität endogen bedingt sein). Überhaupt ist auf die D o p p e l s i n n i g k e i t dieser Unterscheidung zu achten, j e nachdem m a n — auf den Zeitpunkt der T a t sehend — den äußeren Anreiz vergleichend mit den in der Persönlichkeit (zur Tatzeit) liegenden Ursachen abwägt o d e r a b e r — auf die Entwicklung der Persönlichkeit zurückgreifend — untersucht, inwieweit die angeborenen Anlagen einerseits und die Umwelteinflüsse während des Lebens andererseits an der Bildung des Phänotyps beteiligt sind. Das Zusammenwerfen dieser beiden ganz getrennten F r a g e n hat die größte Verwirrung gestiftet. Eine im Affekt erfolgte Körperverletzung kann (auf den Zeitpunkt der T a t gesehen), endogen bedingt erscheinen, wenn gegenüber dem völlig geringfügigen Anlaß die übermäßige Affekterregbarkeit tles Täters ausschlaggebend war; dasselbe Verbrechen erscheint jedoch als exogenes, insofern man etwa feststellen kann, daß diese übermäßige Affekterregbarkeit erst in den letzten J a h r e n als Folge chronischen Alkoholismus in Erscheinung trat und die E r w e r b u n g der Trunksucht durch äußere Umstände bedingt war. Vielfach wird m a n freilich umgekehrt finden, daß dafür, o b überhaupt eine und welche kriminelle Tat schließlich zustande kommt, im weitgehendsten M a ß e die äußeren Anlässe entscheidend sind, während gleichzeitig jene Persönlichkeitskomponenten, die beim Zustandekommen der Tat mitwirkten (und auch beim Gelegenheitsverbrechen m u ß eine entsprechende Disposition in der Persönlichkeit vorhanden sein!), bereits in den angeborenen Anlagen des Täters verankert waren. So löst sich mancher scheinbare Wider-

13 spruch zwischen „ A n l a g e t h e o r i e " und „Milieutheorie". — Sind die angeborenen A n l a g e n derart, d a ß sie sich auch bei durchschnittlichen Umwelteinflüssen zu einer Persönlichkeit entwickeln, die unter durchschnittlichen Umweltreizen kriminell reagiert (so daß schon durch die Qualität des Genotyps eine erhöhte W a h r scheinlichkeit des Kriminellwerdens g e g e b e n ist), dann und nur in diesem Sinn kann man von einem „ g e b o r e n e n V e r b r e c h e r " sprechen. D a es sich hierbei vielfach um Degenerierte, also um Menschen mit einer auf hereditärer Belastung beruhenden allgemeinen seelisch-körperlichen Minderwertigkeit handelt, ist bei Vorliegen körperlicher Stigmata degenerationis mittelbar die Möglichkeit späteren Kriminellwerdens etwas g r ö ß e r als bei Nichtdegenerierten. In dieser sehr selbstverständlichen und wenig besagenden T a t s a c h e liegt der Wahrheitskern der seinerzeitigen L o m b r o ' s c h e n Lehre. c) Prognostisch: D i e für den Strafvollzug und die A n w e n d u n g bessernder und sichernder M a ß n a h m e n besonders wichtige Gruppierung in E r z i e h b a r e (Besserungsfähige) und S c h w e r s t e r z i e h b a r e (von denen sich die Mehrzahl tatsächlich als unverbesserlich erweist) steht ebenfalls mit keiner der bisher erörterten Gruppenbildungen in fester Korrelation. E s wird erst A u f g a b e künftiger F o r s c h u n g sein, „ B e h a n d l u n g s t y p e n " und deren Korrelation zu kriminellen Persönlichkeitstypen (die voraussichtlich nur sehr spezieller Natur sein werden) herauszufinden. Erst dadurch kann unsere Gefangenenbehandlung auf einen exakt wissenschaftlichen Boden gestellt werden. Z u warnen ist insbesondere vor der verlockenden Perspektive, ätiologische T y p e n mit Behandlungstypen zu identifizieren und etwa den „Anlagemenschen" als unverbesserlich und den „Millieumenschen" als besserungsfähig zu betrachten: auch erworbene E i g e n s c h a f t e n können bei Eindringen in tiefere Persönlichkeitsschichten nur schwer wandelbar sein und umgekehrt können auch angeborene A n l a g e n (mit Wirksamkeit für das Individualleben, nicht auch für die Nachkommenschaft) durch Erziehungseinflüsse modifiziert werden. V. Nunmehr können wir auch die Bedeutung der K ö r p e r b a u t y p e n für die kriminalbiologische T y p e n l e h r e klar umreißen. D a ß jeder seelischen Disposition irgendein Korrelat auf der Körperseite entspricht, steht außer Diskussion; ebenso aber auch, d a ß dieses Korrelat uns in den allermeisten Fällen unbekannt i s t 1 3 ) . Funktionszustände des Gehirns und endokrine Vor1 3 ) Vgl. E. S e e l i g , Monatsschr. f. Kriminalpsychol. u. Strafrechtsref. 18, 254 f. Ich gehe somit insofern weiter als O. Vogt (Journal f. Psychologie und Neurologie, 25, 284 f.), als mir die Existenz physiologischer Korrelate zu jedem Psychischen als allgemeine Naturtatsache

14 gänge (die wahrscheinlich auch auf die ers-teren einwirken), spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Die endokrinen"Vorgänge beeinflussen wieder das Wachstum und damit die morphologische. Körpergestalt. Damit ist die theoretische Möglichkeit der Korrelation eines Persönlichkeitstyps, der sich ja aus mehreren Dispositionen strukturell aufbaut, mit einem Körperbautyp grundsätzlich gegeben. Da sich aber in jedem konkreten Individuum zahlreiche Charaktertypen überschneiden, kann auch ein Körperbautyp, der einem bestimmten Persönlichkeitstyp affin ist, niemals* iooprozentig durchgreifen, sondern wir müssen uns mit sehr bescheidenen Korrelationsziffern begnügen. Gerade deshalb wäre es aber v ö l l i g u n z u l ä s s i g , im Einzelfall zum Zwecke einer praktisch verwertbaren Persönlichkeitsermittlung einen Schluß vom Körperbautyp auf das Vorliegen eines bestimmten Charaktertyps zu ziehen und sich so die selbständige charakterologische Diagnose zu ersparen. Das geht z. B. aus den Erfahrungen mit der K r e t s c h m e r s e h e n Typenlehre, die mit Recht am meisten Anerkennung gefunden hat, klar h e r v o r 1 4 ) : schon an den Ziffern bei den Psychosen, also der seelisch extremsten Fälle der betreffenden Persönlichkeitstypen, kann dies gezeigt werden. So fanden z. B. M i c h e l und W e e b e r (in Unterstützung der K r e t s c h m e r s c h e n Ergebnisse) unter ihren Zirkulären 25,80/0 der asthenisch-athletischen Gruppe, 74,20/0 der pykinischen und 00/0 der dyplastischen Gruppe angehörend, während unter ihren Schizophrenen die betreffenden Prozentzahlen 74,5, 18,4 und 6,4 betrugen — ein deutlicher Beweis der relativen Affinität. Wenn man aber dasselbe Material nicht von der seelischen, sondern von der körperlichen Seite aus durchrechnet, so findet man, daß sich unter den 172 Untersuchten 3ÖPykniker und 13 pyknische Mischformen befanden; von den Pyknikern waren 17 schizophren (also 47,20/01), und unter den pyknischen Mischformen gab es 9 Schizophrene ( a l s o s o g a r 69,20/0!). Dieser scheinbare Widerspruch zur K r e t s c h m e r s c h e n Lehre erklärt sich eben aus der bedeuerkenntnistheoretisch gesichert erscheint, bevor noch für jede einzelne Erlebnisart der hirnanatomische Nachweis im Sinne der Lokalisationslehre gelungen ist. u ) Vgl. M i c h e l und W e e b e r , Körperbau und Charakter, Archiv für Psychiatrie 7 1 , S. 265 ( 1 9 2 4 ) ; M i c h e l , Körperbau, Charakter und Verbrecher, Wiener Med. Wochenschr. 1925, Nr. 1 ; B ö h m e r , Untersuchungen über den Körperbau des Verbrechers, Monatsschr. f. Kriminalpsychol. und Strafrechtsform 18, S. 193 ( 1 9 2 7 ) ; v . R o h d e n , Kriminalbiologische Untersuchungen an gesunden und geisteskranken Verbrechern, D. Zeitschr. f. d. ger. Medizin 10, S. 620 und nunmehr die übersichtliche Zusammenstellung bei E x n e r , Kriminalbiologie ( 1 9 3 9 ) , S. 1 8 1 ff., sowie S c h w a b , Über die Beziehung der körperlichen Konstitution zum Verbrechertyp, Monatsschr. f. Kriminalbiol. 32, S. 2 1 3 ( 1 9 4 1 ) .

15 tend größerer Häufigkeit der Schizophrenen gegenüber den Zirkulären überhaupt. Wäre aber deshalb .schon hier ein Schluß von pyknischer Körperform auf Vorliegen von manisch-depressivem Irresein für den Einzelfall, wie man sieht, völlig verfehlt, um wieviel unverläßlicher wäre es demnach, innerhalb der Gesundheitsbreite von pyknischer Körperaufbauform auf zyklothymes Temperament zu schließen 1 Die genannten Zahlen sprechen vielmehr dafür, daß es auch unter den pyknischen Gesunden rund 5o°/o Schizothyme gibt. Die nur bei mißverständlicher Auffassung der Typenlehre entstandene Hoffnung, aus dem Körperbau allein den Charakter- und Temperamentstyp des Untersuchten bestimmen zu können, ist daher endgültig zu begraben und auch K r e t s c h m e r selbst ist niemals für eine derartige Auswertung seiner Lehre eingetreten. Auch das immer wieder bestätigte massenstatistische Ergebnis, daß der Anteil der Pykniker an den Kriminellen überhaupt sehr gering ist ( B ö h m e r u.v.a.), besagt aus den eingangs dargelegten Gründen herzlich wenig. Die Bedeutung der Kretschmerschen Ergebnisse für die praktische Persönlichkeitsforschung besteht jedoch unvermindert fort: sie liegt eben darin, daß wir im E i n z e l f a l l zu einem tieferen biologischen Verständnis der Persönlichkeit gelangen, wenn es uns gelingt, auf der körperlichen wie auf der seelischen Seite u n a b h ä n g i g v o n e i n a n d e r durch getrennte Methoden das Vorliegen a f f i n e r Körperbau- und Temperamentstypen festzustellen, und daß wir bei Vorliegen nicht affiner Körperbau- und Temperamentstypen darauf aufmerksam werden, daß hier eine Überdeckung durch anderweitige Persönlichkeitsstrukturen Platz greift. Über diese bereits nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Persönlichkeitserkundung im Einzelfalle hinaus, die sich immer wieder auch bei der kriminalbiologischen Untersuchung krimineller Persönlichkeiten bewährt, scheint es aber nicht ausgeschlossen, eine relative Affinität zwischen einigen der oben erwähnten s p e z i e l l e n k r i m i n e l l e n C h a r a k t e r t y p e n und den ihnen entsprechenden Körperbautypen festzustellen. Natürlich darf man — wie Gruhle richtig ausführt — nicht etwa aus dem athletischen Körperbautyp kindsmörderischer Bauernmägde auf einen Zusammenhang zwischen athletischen Körperbautyp und Kindsmord schließen. Aber bei aller nötigen Vorsicht wäre z. B. eine relative Affinität zwischen dem oben gestreiften Typ des träg-arbeitsscheuen, gesellig-anpassungsfähigen, gemütlich-verschmitzten und körperlich-beweglichen Bauernfängers mit dem pyknischen Körperbautyp wohl denkbar und ebenso eine relative Affinität des jugendlichen Typs des übermäßig introvertierten, gesteigert

16 spaltungsfähigen, gegensätzlichen und affektlabilen Krisenverbrechers der Nachpubertät mit dem leptosomen Körperbautyp. Mit anderen Worten: sobald das Persönlichkeitsmerkmal „zyklotym" oder „schizothym" für einen Verbrecher nicht zufällig ist, sondern einen essentiellen Baustein im Strukturzusammenhang jenes speziellen kriminellen Charaktertyps bildet, dem er angehört, so ist auch ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Verbrechen und dem Körperbautyp, der jenem Charaktertyp affin ist, gegeben. Dasselbe gilt mutatis mutandis für alle übrigen Biotypen, sobald sie in den Merkmalskomplex eines speziellen kriminellen Charaktertyps eingehen. Fragen wir uns daher rückblickend, welchen methodologischen Sinn es überhaupt haben kann, einen Kriminellen auf körperliche Merkmale zu untersuchen — gleichgültig, ob an der Leiche nach hirnanatomischen Befunden oder nach Verbildungen innerer Organe gefahndet wird oder ob die Ausdrucksbewegungen des Lebenden und seine morphologische Körpergestalt untersucht oder Blutgruppenfeststellungen gemacht werden —, so ergibt sich als Antwort: es kann dies nur in dreierlei Sinn geschehen, nämlich 1. als eine Methode zur Erforschung der jeweils vorliegenden konkreten Einzelpersönlichkeit (also somit unter Verzicht auf jede Generalisierung und nur als Paralleluntersuchung neben den sonstigen Methoden moderner Persönlichkeitsermittlung); sie ist eine Teilmethode auf dem Weg der Erfassung einer konkrete« psychophysischen Ganzheit; 2. zur Erforschung t y p i s c h e r Merkmale von Kriminellen; dann darf dies aber nicht als M a s s e n u n t e r s u c h u n g an einem u n g e o r d n e t e n M a t e r i a l V e r u r t e i l t e r ges c h e h e n , sondern es muß das Material zunächst in „spezielle kriminelle Charaktertypen" aufgegliedert werden und die Untersuchungsergebnisse müssen getrennt nach solchen kleinen Gruppen ermittelt werden 1 5 ); Ziel der Untersuchung ist dann die Auffindung jener physiologischen Korrelate, die den seelischen Dispositionen des jeweils untersuchten speziellen Typs zugeordnet sind; 3. zur Ermittlung körperlicher Korrelate einer allgemeinen seelischen Minderwertigkeit; dann wird man freilich auch bei einer Massenuntersuchung ungegliederter Krimineller relative Werte gegenüber der nichtkriminellen Bevölkerung errechnen 15 ) Ganz ähnlich nunmehr auch K r e t s c h m e r selbst ("Körperbau und Charakter, 1 5./16. Aufl., S. 2 3 8 ) , der sich ebenfalls dagegen wendet, biologisch ungegliederte Gruppen auf ihren Körperbau zu untersuchen und Durchschnittsziffem zu erreichen. „Vielmehr müssen wir die kriminologischen Gruppen ins Feinste auf Tatmotiv und die dahinter stehenden temperamentmäßigen Reaktionsweisen so weit aufspalten, bis wir uns wieder den Wurzelformen der Persönlichkeit nähern."

17 können und dabei auf Unterschiede in den Prozentziffern stoßen, aber man muß sich hierbei bewußt sein, nicht ein Merkmal eines allgemeinen Verbrechertyps (den es nicht gibt) und überhaupt nicht spezifisch „Verbrecherisches" gefunden zu haben. Vielmehr dient bei solchen Untersuchungen die Tatsache des Kriminellgcwordenseins lediglich als Indiz für die Aussonderung eines allgemein-minderwertigen Teiles der Bevölkerung, den man auch antrifft, wenn man Psychopathen oder Verwahrloste oder Prostituierte oder ähnliche Gruppen untersucht. *

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Heute nach 16 Jahren habe ich den vorstehenden Ausführungen nur Weniges ändernd und ergänzend hinzuzufügen: Zunächst eine kleine Änderung des Typenschemas, die ich "bereits seit einigen Jahren im Rahmen meiner kriminologischen Vorlesungen vollzogen habe: von den oben unter I I I aufgestellten acht Typen habeich den „Affektverbraucher im engeren Sinn" in den folgenden Typ des „Primitiv-reaktiven Verbrechers" einbezogen. Abgesehen davon, daß die Repräsentanten des „Affektverbrechers im engeren Sinn" zu selten sind, um die Einreihung des von ihnen repräsentierten Typs unter die kriminologischen Haupttypen zu rechtfertigen, folge ich mit dieser Änderung dem Sprachgebrauch der medizinischen Psychologie, insbesondere Kretschmers 1 6 ), der zu den „Primitivreaktionen" auch die Explosivreaktionen zählt, bei denen „starke Affekte sich ohne zügelnde Überlegung einfach elementar entladen" und somit Handlungen, wie sie die von mir beschriebenen „Affektverbrecher im engeren Sinn" begehen, auch den Primitivreaktionen unterordnet. Diese Kriminellen bilden somit nunmehr zusammen mit den Heimwehverbrechem und ähnlichen Persönlichkeiten, deren Taten sich als Kurzschlußhandlungen darstellen, die Gruppe der „Primitivreaktiven Verbrecher". Während es sich also hiebei um eine rein formale, weil im Grunde nur terminologische Änderung des Typenschemas handelt, sah ich mich durch die Entwicklung der K r i e g s k r i m i n a l i t ä t veranlaßt, das Typenschema auch inhaltlich zu ergänzen. Der Krieg stellte an jeden einzelnen erhöhte Anforderungen an die G e m e i n s c h a f t s d i s z i p l i n . Vieles, was in Friedenszeiten zu den Selbstverständlichkeiten des Alltags gehörte, wie der freie Einkauf von Bedarfsgütern oder das Hören ausländischer Rundfunksender, war eine strafbare Handlung geworden und wurde vielfach von Menschen begangen, die weder sonst kriminelle Neigungen zeig16 ) K r e t s c h m e r , Medizinische Psychologie, 5. Aufl. Leipzig 1939, S. 1 8 2 ff.

S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

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18 ten, noch etwa grundsätzlich politische Gegner waren 1 7 ). Ferner wurden manche, die sich ein gesundes Urteil bewahrt hatten und schon in den Jahren der deutschen „Siege" den Zusammenbruch langsam, aber sicher kommen sahen, wegen Verbreitung „unwahrer" beunruhigender Gerüchte straffällig. Wieder andere überschritten in der Kritik der Kriegsmaßnahmen des Dritten Reiches oder der diese anordnenden Persönlichkeiten das damals erlaubte Maß und gerieten so mit den Bestimmungen des Heimtückegesetzes in Konflickt. Und viele deutsche Mädchen haben sich durch § 4 Vdg. zum Schutze der Wehrkraft nicht hindern lassen, auch in einem Kriegsgefangenen einen Menschen zu sehen und gegen die zur Regelung des Umgangs mit Kriegsgefangenen erlassenen Vorschriften zu verstoßen. Alle diese „Kriminellen" der Kriegszeit wären aller Voraussicht nach unter Friedensverhältnissen niemals straffällig geworden. Und doch handelt es sich nicht n u r um vorübergehende „Kriegskriminalität", die mit dem Schweigen der Waffen verschwunden wäre und daher von einem kriminologischen Typenschema (das sich auf relativ konstante Kriminalitätsverhältnisse zu beziehen hat) füglich vernachlässigt werden könnte: So wurde die Rationierung der Bedarfsgüter bis auf weiteres auch in die Friedenszeit übernommen und auch jetzt gibt es Menschen, die sich den dadurch erforderlichen Beschränkungen nicht fügen und dadurch straffällig werden. Ferner gehören auch viele Begeher von Fahrlässigkeitsdelikten hierher: der sorglose Raucher, der in einem feuergefährlichen Betrieb trotz Warnungstafeln den glimmenden Zigarettenstummel wegwirft und dadurch eine Explosionskatastrophe herbeiführt, oder der Autobuslenker, der sich — entgegen dem beruflichen Alkoholverbot — angeheitert ans Volant setzt und so das Leben vieler Menschen gefährdet. Bei aller Verschiedenheit der ethischen und kriminalpolitischen Wertigkeit der genannten Verhaltungs weisen liegt der gemeinsame Wesenszug dieser „Kriminellen" darin, daß sie ihre eigenen Interessen oder Strebungen nicht den Schranken unterordnen, die von der jeweils in Kraft stehenden Rechtsordnung im Gemeinschaftsinteresse aufgestellt und dem einzelnen auferlegt werden. Jeder Staat, auch der demokratischeste, fordert eine solche Selbstbeschränkung der einzelnen; die Neigung, dieser Forderung zu entsprechen, nennen wir Gemeinschaftsdisziplin. Vom Standpunkt der jeweiligen Rechtsordnung kann man daher jene Kriminellen als „Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin" bezeichnen, die somit einen eigenen kriminologischen T y p 17 ) In diesem Falle würden sie dem kriminologischen Typ des ÜberzeugungsVerbrechers zuzuordnen sein.

19 repräsentieren; er war zwar immer da, trat aber erst in der Kriegszeit besonders sinnfällig hervor. E s ergeben sich somit folgende acht kriminologische Typen von Kriminellen: 1. Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. 2. Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. 3. Aggressive Gewalttäter. 4. Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. 5. Krisenverbrecher. 6. Primitivreaktive Verbrecher. 7. Überzeugungsverbrecher. 8. Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. Von diesen 8 Haupttypen bedarf nur noch der erste einer ergänzenden Erläuterung: die Konzeption des „Berufsverbrechers aus Arbeitsscheu" hat sich durch die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts als besonders glücklich erwiesen. Den ersten Anlaß zu dieser Bewährung bot der Umstand, daß inzwischen der Tätertyp des „gefährlichen Gewohnheitsverbrechers" gesetzlich eingeführt (in Deutschland durch Gesetz vom 24. 1 1 . 1933, in Österreich durch das nunmehr wieder aufgehobene Gesetz vom 4. 9. 1 9 4 1 ) und mit wichtigen strafrechtlichen Folgerungen verknüpft wurde. I.n Sinne der neuen strafrechtswissenschaftlichen Lehre vom Tätertyp handelt es sich auch hierbei um einen „kriminologischen Tätertyp", dessen Inhalt nicht allein aus dem Gesetz, sondern aus der kriminologischen Erfahrung erkannt werden muß. Dabei zeigte es sich 1 8 ), daß der „gefährliche Gewohnheitsverbrecher" teils enger, teils weiter ist, als der „Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu": e n g e r , weil er sich auf Erscheinungsformen erhöhter Gefährlichkeit beschränkt, was. somit keine rein kriminologische, sondern eine kriminalpolitische Begriffseinengung bedeutet; w e i t e r jedoch, weil er außer a r b e i t s s c h e u e Verbrecher mit asozialer Lebensführung auch andere Kriminelle umfaßt, denen das Verbrechenbegehen zur „Gewohnheit" geworden ist, so z. B. auch f l e i ß i g e , im sozialen Berufsleben stehende, jedoch wiederholt rückfällige Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft 1 9 ) oder Sexualverbrecher, die infolge ihrer abwegigen Triebrichtung eine Dauerdisposition zu solchen Delikten besitzen und daher ebenfalls den (zum Begriff der Gewohnheitsmäßigkeit erforderlichen) „Hang zur Wiederholung" zeigen. Hierdurch werden aber 18 ) Über die grundsätzliche Unterscheidung zwischen den sogen, kriminologischen Tätertypen des S t r a f r e c h t s und den von der K r i m i n19o l o g i e ermittelten Typen der Kriminellen s. unten S. 172 ff. ) Aus kriminalpolitischen Erwägungen wird jedoch eine Verurteilung solcher Krimineller nach § 20 a meistehs zu vermeiden sein (siehe unten S. 186). 2»

20 — von unserer kriminologischen Blickrichtung aus gesehen — ganz verschiedene kriminelle Persönlichkeitstypen zusammengeworfen; nach unserem Typenschema hingegen werden diese Täter — ihrer verschiedenen Wesensart entsprechend — verschiedenen Typen zugeordnet. Eine weitere Bewährungsprobe hat der Typ des „Berufsverbrechers aus Arbeitsscheu" dadurch bestanden, daß er sich von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Arbeitsmarktes unabhängig erwies: wiewohl in der Zeit der Arbeitslosigkeit konzipiert, die dem ersten Weltkrieg folgte, paßte er ebensogut für die Zeit der Vollbeschäftigung jedes Arbeiters in der staatlich gelenkten Wirtschaft. Besonders anschaulich zeigte sich dies in Österreich vor und nach dem politischen Umschwung des Jahres 1938: während vorher die Angehörigen dieses Typs die beliebte Ausrede gebrauchten, sie seien gar nicht arbeitsscheu, sondern sie würden durch die trostlosen Verhältnisse des Arbeitsmarktes zum Nichtstun gezwungen und so auf die Verbrecherlaufbahn gedrängt, erwies es sich nach der technischen Beseitigung der Arbeitslosigkeit, daß die e c h t e n Vertreter dieses Typs auch jetzt ihr verbrecherisches Treiben in gleicher Weise fortsetzten und daher ihre Kennzeichnung als Verbrecher „aus Arbeitsscheu" richtig war. Nur die äußeren Formen des arbeitsscheuen Verhaltens haben sich hiebei teilweise gewandelt; während sie vorher offiziell „arbeitslos" waren und, so lang es ging, die Unterstützung bezogen, nahmen sie nunmehr — dem äußeren Druck der Arbeitsordnung zum Schein gehorchend — einen Arbeitsplatz an, von dem sie jedoch alsbald fernblieben oder den sie unter nichtigen Vorwänden zu wechseln anstrebten oder wegen angeblicher Krankheit oder Schwächlichkeit nicht ausfüllen zu können behaupteten. Die neuen Verhältnisse am Arbeitsmarkt haben somit wohl die Arbeitslosigkeit, aber nicht die Arbeitsscheu beseitigt, die ein biologisch verankerter Wesenszug dieser Kriminellen ist und sich in der Neigung offenbart, die jeweils nach den Umständen geforderte Arbeit nicht zu leisten. Von dem vorgeschlagenen Typenschema soll keineswegs behauptet werden, daß die sich daraus ergebende Gliederung der Kriminellen die allein „richtige" sei: denn wie schon oben hervorgehoben wurde, gelangt man je nach dem willkürlich gewählten Ausgangspunkt und der Methode der Typenbildung zu den verschiedensten Gliederungen, die (logisch) alle gleich „richtig" sind. U . a . hat dies auch E x n e r 2 0 ) sehr schön ausgeführt. Allein der Wert einer Typenbildung mißt sich nicht nach Begriffen der Logik, sondern danach, ob die herausgehobenen Typen der Man«o) E x n e r a. a. O. S. 2S4ff.

21 nigfaltigkeit und Eigenart einer Erscheinungsreihe, die das Leben darbietet, möglichst gerecht werden und deren Erfassung erleichtern. In diesem Sinn versucht das gegebene Schema von 8 Haupttypen möglichst anschauliche und lebensnahe Merkmalsgruppen aus den Erscheinungen der kriminellen Persönlichkeiten für die Typenbildung zu verwenden, die das jeweils Wesentliche ihres „Verbrechertums" zu treffen suchen. Dadurch soll erreicht werden, daß Zusammengehöriges nicht unnötig in verschiedenen Kategorien aufgespaltet wird: ob z. B. ein Krimineller Psychopath ist oder nicht, mag gewiß oft eine sehr wichtige Feststellung sein, gleichwohl gehört ein psychopathischer aggressiver Gewalttäter und ein nicht psychopathischer aggressiver Gewalttäter doch kriminologisch mehr zusammen als z. B. ein psychopathischer aggressiver Gewalttäter und ein psychopathischer Homosexueller. Die an sich logisch mögliche Gliederung der Verbrecher in Psychopathen und Nichtpsychopathen ist somit als Einteilungsprinzip für eine erste oberste Sichtung unbrauchbar und das gleiche gilt für die Unterscheidung von Anlage- und Milieuverbrecher, von Zuständs- oder Augenblicksverbrecher oder etwa (wenn man Kretschmer folgen wollte) in leptosom-schizothyme, athletischviskose und pyknisch-zyklothyme Verbrecher usw. Alle diese möglichen Unterscheidungen, deren Bedeutung bereits oben gewürdigt wurde, können i n n e r h a l b größerer Verbrechergruppen im einzelnen sehr wichtig sein, sie wirken sich aber notwendigerweise lebensfremd aus, wenn man sie für eine oberste kriminologische Gliederung verwenden wollte. Hieher gehört auch der Unterschied von M a n n u n d F r a u : so bedeutungsvoll es sein mag, die weibliche Kriminalität in ihrer besonderen Eigenart und im Verhältnis zur männlichen Kriminalität zu erforschen, so ist die verbrecherische Frau doch kein eigener T y p n e b e n den sonstigen kriminologischen Männertypen 2 1 ), sondern auch innerhalb der weiblichen Kriminellen kehren die gleichen kriminologischen Haupttypen' wieder. So wurden schon oben erwähnt: die Beischlafsdiebin (unter den arbeitsscheuen Berufsverbrechern), das fleißige, aber unehrliche Dienstmädchen (unter den Vermögensverbrechern aus geringer Widerstandskraft), das verlassene Mäd21) Dies ist z. B. b e i d e r von G u m m e r s b a c h (Die K r i m i n a l ' Psychologie und ihre B e d e u t u n g f ü r die praktische Seelenkunde 1938) v o r g e s c h l a g e n e n „ G r u p p i e r u n g auf psychologischer G r u n d l a g e " d e r F a l l , g e g e n d i e sich auch sonst m a n n i g f a c h e B e d e n k e n e r h e b e n ; er g i b t als „ K o m p r o m i ß zwischen V e r b r e c h e r t y p e n und V e r b r e c h e n s t y p e n " folg e n d e T y p o l o g i e : 1. A g g r e s s i v d e l i k t e , 2. D i e kriminelle L ü g e , 3. T ä u schungsverbrechen, 4. T r i e b h a n d l u n g e n , 5. Sexualdelikte, 6. D e r Fanatismus, 7. M y s t i k und Verbrechen, 8. D i e Parasitären, 9. D i e weiblichen Kriminellen, 10. J u g e n d l i c h e Rechtsbrecher.

22 chen, das einen A u s w e g durch Abtreibung, oder K i n d s m o f d sucht (unter den Krisenverbrechern), das. Mädchen, das verbotenerweise mit K r i e g s g e f a n g e n e n verkehrt (unter den Verbrechern aus Mang e l an Gemeinschaftsdisziplin). Allerdings ist unser 8-Typenschema vorwiegend auf Grund der E r f a h r u n g e n aufgestellt worden, die sich durch die Forschungsarbeit der kriminalbiologischen Untersuchungsstelle des Grazer Universitätsinstitutes ergeben haben und — da sich die Untersuchungsstelle an einer Männerstrafanstalt befand — somit auf männliche Kriminelle beziehen. Anal o g e Untersuchungen an Insassinnen des Grazer Landgerichtsgefängnisse sind darum auch später in A n g r i f f genommen worden 2 2 ). E s erscheint nicht ausgeschlossen, daß bei den weiblichen Kriminellen mancher unserer T y p e n in seiner Bedeutung hervor- oder zurücktritt und vielleicht auch der eine oder andere T y p inhaltlich etwas erweitert werden m u ß : dies dürfte z. B. beim T y p des aggressiven Gewalttäters der Fall sein, der innerhalb der weiblichen Kriminalität sich zwar oft nicht in körperlichen Gewalttaten, sondern in — vielfach sehr hinterhältigen 2 3 ) — sonstigen A n g r i f f s handlungen äußert. D i e Ähnlichkeit der innerpersönlichen Struktur isi gleichwohl unverkennbar: man wird daher bei diesem T y p im Bereich der Frauen allgemeiner vom „Verbrecher aus A n g r i f f s sucht" sprechen können. Schließlich könnte vielleicht g e g e n das vorgeschlagene 8T y p e n s c h e m a der E i n w a n d erhoben werden, daß als typenbildendes M e r k m a l bei mehreren T y p e n eitle D a u e r d i s p o s i t i o n des Täters verwendet wird (Arbeitsscheu, geringe Widerstandskraft, Aggressivität, sexuelle Unbeherrschtheit, M a n g e l an Gemeinschaftsdisziplin), während bei anderen T y p e n , so beim Krisenverbrecher und beim primitivreaktiven Verbrecher, mehr die A r t des s e e l i s c h e n A b l a u f s beim Zustandekommen der Tathand22 )

Über die dabei gesammelten Erfahrungen siehe unten S. 166 ff. Solche Angriffshandlumgen sind: falsche Anzeigen, sonstige Schmähungen und Verleumdungen, Schreiben anonymer Briefe, falsche Zeugenaussagen u. ä. In einem von uns beobachteten Falle suchte eine Frau ihren früheren Mieter, mit dem sie ständig Streit gesucht hatte, durch verschiedene Anzeigen bei seiner Dienststelle (er war ein angesehener RAD.-Führer) zu schädigen. Als dies nicht den gewünschten Erfolg hatte, ersann sie einen teuflischen Plan. Sie schrieb an ihn einen Pseudonymen Brief, worin ihm mitgeteilt wurde, sein eingerückter Sohn liege schwer verwundet in einem Lazarett bei Hamburg; falls er ihn noch lebend sehen wolle, müsse er sofort kommen. Der durch diese Nachricht schwer getroffene Vater machte sofort die weite Reise aus der Steiermark nach Hamburg, erfüllt mit Angst, den Sohn tot anzutreffen, bis sich an Ort und Stelle die Mystifikation herausstellte. Die Täterin wurde wegen Betruges (nach österr. Strafrecht) in Verbindung mit § 4 der Volksschädlings Verordnung zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt. 23 )

23 lung das kennzeichnende Merkmal bildet. Allein dies ist kein Mangel: nur bei einer „Einteilung" in K 1 a s s.e n müßte nach den Gesetzen der Logik das f u n d a m e n t u m divisionis streng einheitlich sein, nicht aber bei einer H e r a u s h e b u n g von T y p e n einer Erscheinungsreihe, die das L e b e n schafft. E s scheint eben gerade in der Eigenart des P h ä n o m e n s „Verbrecher" zu liegen, daß das Charakteristische des Verbrechertums bald mehr i m Dispositionellen und bald mehr im Aktuellen liegt. Eine lebensnahe 2 4 ) Typenordnung m u ß diesen von der Natur gegebenen Umständen Rechnung tragen. Im übrigen ist aber nicht zu verkennen, d a ß auch zur Persönlichkeit des primitivreaktiven Verbrechers eine Dauerdisposition gehört, nämlich die N e i g u n g , Primitivreaktionen zu erleben, und ebenso wird zum Krisenverbrecher n u r ein Mensch, der i n f o l g e s e i n e r W e s e n s a r t d a z u n e i g t , aus den Konflikten der Pubertätszeit oder aus Krisensituationen des späteren Lebens nur einen kriminellen Ausweg zu finden. Das Analoge gilt auch für den Überzeugungsverbrecher, der die Disposition hat, eigene politische, religiöse oder ethische Werthaltungen höher zu stellen als die N o r m e n des Staates, in, welchem er lebt. So ist letzten E n d e s für jeden unserer Typen außer einer Verhaltensweise (einem So-Geschehen) ein Wesenszug der Person (ein So-Sein) kennzeichnend. 24 ) Z u welch lebensfernem Ergebnis man hingegen gelangt, wenn man nur nach logischen Gesichtspunkten Typenpsychologie betreibt, beweist am besten Z a f i t a s , „System der Verbrechertypen" (Archiv für Kriminologie 65, S. 169), der lediglich die Art des aktuellen seelischen Ablaufes beim Zustandekommen der Tat als Einteilungsgrund nimmt.

Die kriminologischen Typen in der Wirklichkeit. Ein empirischer Nachweis zur Seeligschen Von Amtsgerichtsrat Dr. Karl

Typenlehre.

Weindler.

Inhaltsverzeichnis. I.Zweck und G e g e n s t a n d der Untersuchung. . . II.Die einzelnen V e r b r e c h e r g r u p p e n A. Reine T y p e n 1. B e r u f s v e r b r e c h e r aus Arbeitsscheu 2. V e r m ö g e n s v e r b r e c h e r aus g e r i n g e r W i d e r s t a n d s k r a f t . . 3. A g g r e s s i v e Gewalttäter 4. V e r b r e c h e r aus sexueller Unbeherrschtheit 5. Krisenverbrecher 6. Primitivreaktive V e r b r e c h e r 7. Überzeugumgsverbrecher 8. V e r b r e c h e r aus M a n g e l ar> Gemeinschaftsdisziplin . . . B. Mischtypen 1. P a r a l l e l t y p e n 2. W a n d l u n g s t y p e n C. A t y p i s c h e F ä l l e III«Die Z u s a m m e n f a s s u n g der E r g e b n i s s e A n h a n g : D i e D a r s t e l l u n g der einzelnen F ä l l e A. E r w a c h s e n e B. Jugendliche

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I. Zweck und Txegensiand der Untersuchung. W i e S e e l i g in der vorstehenden Abhandlung ausführt, ist die Gliederung der verbrecherischen Persönlichkeit, d.h. jenes Teiles der Menschen, die sich gegen die jeweilig bestehende Strafrechtsordnung vergehen, ein Problem, das die kriminologische Wissenschaft seit alters bis in die Gegenwart beschäftigt. Aber auch Richter, Staatsanwälte, Strafvollzugsbeamte und Sachverständige müssen sich mit diesen Fragen befassen, da gerade in der modernen Strafrechtsfolge die Erfassung der Persönlichkeit des Täters sowohl als wesentlicher Bestandteil der Urteilsschöpfung als auch innerhalb des Strafvollzugs immer mehr an Bedeu-

25 tung gewinnt. Auch der Laie sieht — um nur ein Beispiel zu erwähnen — ohne weiteres, daß der arbeitsscheue Asoziale, der nur von kleinen Diebstählen lebt, und das fleißige, aber unehrliche Dienstmädchen, äußerlich betrachtet zwar beide den Tatbestand des Diebstahls erfüllen, also strafrechtlich in die Kategorie der Diebe einzureihen sind, in Wirklichkeit aber zwei grundverschiedenen kriminologischen Gruppen angehören: Wir sehen also, daß eine Typisierung des Täters sowohl unter s t r a f r e c h t l i c h e n wie auch unter k r i m i n o l o g i s c h e n Gesichtspunkten erfolgen kann, wobei unter strafrechtlichem oder „normativem Tätertypus" der Tätertypus, den wir aus der Betrachtung des geltenden Strafgesetzes gewinnen, unter „kriminologischem Tätertypus" jener Tätertypus, den wir durch kriminologische, also seinswissenschaftliche Betrachtung gewinnen, zu verstehen ist 1 ). Dabei kann, wie M e z g e r 2 ) hervorhebt, der tatbestandliche Tätertypus im Einzelfall zugleich ein kriminologischer Tätertypus sein (z.B. der Rückfallsdieb in §§ 244/45 R S t G B . , der gewohnheitsmäßige Hehler in § 260 R S t G B . , der gefährliche Gewohnheitsverbrecher in § 2 0 a R S t G B . ) , er muß es aber nicht sein. Wenn zwischen den beiden Arten des Tätertypus auch innere Beziehungen bestehen, so darf der Unterschied der beiden Betrachtungsweisen doch nicht verwischt werden. Im übrigen wird es Aufgabe künftiger Forschung sein, das gegenseitige Verhältnis von kriminologischem und normativem Tätertypus klar herauszuarbeiten 2 a ) . Die vorliegende Untersuchung stellt sich als ein Beitrag zur k r i m i n o l o g i s c h e n Typenlehre dar. Von den verschiedenen Versuchen einer entsprechenden „Einteilung" der Kriminellen, die in der neuen Kriminologie gemacht wurden 3 ), wird die von S e e l i g aufgestellte Gliederung in acht Vgl. D a h m , Der Tätertyp im Strafrecht (1940). M e z g e r , Tatstrafe und Täterstrafe, insbesondere im Kriegsstrafrecht, Z.Str.W. 60, 3 5 3 f f . G a l l a s , Tatsträfe und Täterstrafe, insbesondere im Kriegsstrafrecht, Z.Str.W. 60, 374 ff. 2 ) M e z g e r , Tatstrafe und Täterstrafe, Z.Str.W. 60, S. 3 6 4 ; vgl. auch M e z g e r , Tattypen, Tätertypen und Charaktertypen im Kriegsstrafrecht, Deutsches Strafrecht, 9. Bd., S. 108 ff. 2a ) Vgl. hiezu nunmehr die Ausführungen S e e l i g s unten S. 1 7 2 f f . 3 ) Vgl. E x n e r , Kriminalbiologie, S. 2 j 4 f f . und die obigen Hinweise S e e l i g s (S. 2 f . ) ; vgl. ferner: F e r r i , Das Verbrechen als soziale Erscheinung ( 1 8 9 6 ) , S. 6 8 f f . , der die Kriminellen in 5 Klassen teilt: verbrecherische Irre, geborene Verbrecher, Verbrecher aus erworbener Gewohnheit, Gelegenheitsverbrecher und Leidenschaftsverbrecher; G r u h l e , Art. „Kriminalpsychologie" im Handwörterb. der Kriminologie ( 1 9 3 3 ) , der 4 Gruppen unterscheidet: Verbrecher aus Neigung (Aktive und Passive), Verbrecher aus Schwäche, Verbrecher aus Leiden

26 V e r b r e c h e r t y p e n 4 ) zum Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung genommen. S e e l i g geht davon aus, daß die Kriminellen eine biologisch völlig heterogene Menschengruppe von buntester Mannigfaltigkeit darstellen, die nicht ein einziges gemeinsames biologisches M e r k m a l besitzt, eine Tatsache, die heute zwar allgemein anerkannt, aber doch zu wenig berücksichtigt wird. Charakteristische biologische Merkmale lassen sich vielmehr nur f ü r k l e i n e r e Gruppen von Kriminellen aufstellen. Im Hinblick auf die unendliche Variabilität der menschlichen Persönlichkeiten überhaupt wie auch des T e i l e s der Menschen, die mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten sind, ist der Behelf einer Einteilung in „ K l a s s e n " ungeeignet. A n seine Stelle tritt die Kennzeichnung n a c h T y p e n , die selbst kein Individuum darstellen, sondern einen K o m p l e x innerlich verbundener Merkmale. E i n Individuum kann daher auch m e h r e r e n T y p e n gleichzeitig angehören, also einen Mischtyp (s. unten) bilden, oder keinen typischen Merkmalskomplex aufweisen (atypischer F a l l ) . Von den Charaktertypen unterscheidet S e e l i g typische Lebensformen, die aber naturgemäß mit diesen in Zusammenhang stehen. Bei der Betrachtung der Kriminellen treten uns zunächst typische Lebensformen entgegen, nicht Charaktertypen, denn das Verbrechenbegehen ist eine Verhaltensweise, die allerdings mit einer kriminogenen Disposition zusammenhängt. D a s Verbrechenbegehen erklärt sich eben aus dem Zusammenwirken von Tatzeitpersönlichkeit und Umweltlage im Augenblick der Tat ( „ A u s l ö s u n g s p r o b l e m " n a c h S e e l i g 5 ) . Diese kriminogene Disposition entsteht aus den angeborenen A n l a g e n ( E r b a n l a g e n und K e i m s c h ä d i g u n g e n ) und den Umwelteinflüssen während des Lebens bis zum Zeitpunkt der Tat ( „ E n t w i c k l u n g s p r o b l e m " n a c h S e e l i g ) . D a b e i sind die während der Entwicklung der Persönlichkeit hinzukommenden Umwelteinflüsse h ä u f i g selbst wiederschaft und Verbrecher aus Überzeugung; S t u m p f 1, „Die Ursprünge des Verbrechens" (1936), S. 155, der die Verbrecher in zwei Hauptgruppen teilt: LeichtkrimineHe (oder Konfliktskriminelle), die infolge eines besonderen äußeren oder inneren Konfliktes zu Fall gekommen sind, und Schwerkriminelle, die keine solchen Konflikte erleben, sondern deren abnorme Artung die ausschlaggebende Verbrechensursache ist. 4) S e e l i g , Das Typenproblem in der Kriminalbiologie, Journal für Psychologie und Neurologie, Bd. 42 (1931) S. 515 ff. und die ergänzenden Ausführungen oben S. 17 ff. 5 ) S e e l i g , Anlage, Persönlichkeit und Umwelt bei jugendlichen Schwerverbrechern Österreichs. Mitt. d. Kriminalbiol. Gesellschaft, Bd. 4, S. r 13ff. (1933).

27 um durch die anlagemäßig gegebenen Dispositionen bedingt (die anlagemäßigen Neigungen führen dazu, daß der Kriminelle selbst ungünstige Umweltlagen aufsucht und ungünstigen Einflüssen zugänglich ist). Bei dem Problem der Gliederung der Kriminellen in kriminologische Gruppen handelt es. sich aber nicht um die Frage, inwieweit das Verbrechen ausschließlich oder vorwiegend aus der kriminogenen Disposition einerseits oder der Umweltlage andererseits entstanden ist, sondern um die Frage, wie es im Zusammenwirken dieser beiden Faktoren zu erklären ist; denn aus dem Zusammentreffen typischer Charakterkomponenten mit nach der Regel des Lebens, wiederkehrenden Umweltlagen ergeben sich eben typische Verhaltensweisen. Dementsprechend verwendet S e e l i g bei seiner Gruppenbildung das sog. kombinierte Verfahren, d. h. er faßt absichtlich heterogene Momente — eine Verhaltensweise (Lebensäußerungsform) einerseits, und einen charakterologisch-biologischen Tatbestand andererseits — zum Merkmalskomplex eines Typs zusammen. Davon ausgehend stellt er nunmehr als Orientierungsgrundlage für eine erste oberste Gliederung aller Kriminellen insgesamt acht Typen auf und.zwar: 1. Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. 2. Vermögensverb recher aus geringer Widerstandskraft. 3. Aggressive Gewalttäter. 4. Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. 5. Krisenverbrecher. 6. Primitivreaktive Verbrecher. 7. Überzeugungsverbrecher. 8. Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. Die folgende Untersuchung setzt sich zum Ziele, die S e e l i g schen Typen an Hand eines konkreten empirischen Materials auf ihre Verwendbarkeit für eine erste kriminologische Sichtung und Kennzeichnung der Verbrecher zu prüfen und gleichzeitig den quotenmäßigen Anteil zu erforschen, der den einzelnen sich dadurch ergebenden Verbrechergruppen in der Masse der Kriminellen zukommt. Als Material standen für die Untersuchung die Häftlinge der Männerstrafanstalt Graz und die daselbst angelegten Hausakten zur Verfügung. Ferner wurden zum Teil auch die Strafakten von den in die Untersuchung einbezogenen Strafgefangenen beigeschafft und ausgewertet. Zunächst galt es jedoch, das Material der Untersuchung, die im Laufe des Jahres 19.41 begonnen wurde, möglichst ohne Zufallsauslese auszuwählen und abzugrenzen. Daß

28 ein Q u e r s c h n i t t durch die damals in der Männerstrafanstalt Graz befindlichen Gefangenen ein verzerrtes Bild ergeben würde, ist einleuchtend. Denn an einem bestimmten Stichtag befanden sich dort aus den v e r g a n g e n e n Jahren nur Kriminelle mit längeren Strafzeiten, während die Kriminellen derselben J a h r e mit kürzeren Strafen schon längst entlassen sind und somit nicht erfaßt werden konnten; hingegen würden die in jüngerer Zeit zugegangenen Kriminellen sowohl solche mit langfristigen als auch solche mit kurzfristigen Strafen umfassen, so daß ein ungleich ausgewähltes Material zusammengeworfen wäre. Um diesen Fehler zu vermeiden, wurde anstatt des Querschnitts ein L ä n g s s c h n i t t gelegt, in dem sich die Untersuchung auf die innerhalb eines Jahres (des. Kalenderjahres 1940) z u g e g a n g e n e n Strafgefangenen (Erwachsene und Jugendliche) erstreckte. Im Jahre 1940 bestand für die Männerstrafanstalt Graz folgende „Einlieferungskompetenz": aus den Landgerichtsbezirken Graz und Klagenfurt die Erwachsenen mit einer (nach Anrechnung der Vorhaft) noch zu verbüßenden Strafhaft von über 6 Monaten; ferner aus dem Landgerichtsbezirk Leoben die Erwachsenen, die noch eine Strafhaft von über 3 Monaten zu verbüßen haben; schließlich die Polen, die wegen Arbeitsverweigerung verurteilt sind, mit einer noch zu verbüßenden Strafhaft von über 1 Monat. In die Jugendabteilung Graz gelangten aus dem Jugendgerichtssprengel Graz, Klagenfurt und Leoben die Jugendlichen mit einer Strafvollzugsdauer von über 1 Monat; weiterhin von den Oberlandesgerichtsbezirken Innsbruck, Linz und Wien die Jugendlichen mit einer noch zu vollziehenden Strafhaft von über 6 Monaten. Dabei mußte, was die Vollzähligkeit der zu untersuchenden Verbrecher anbelangt, der Mangel in Kauf genommen werden, daß ein großer Teil der Zugänge schon nach kurzer Zeit in andere Strafanstalten, Gefangenenlager, Arbeitslager, Zuchthäuser und Jugendgefängnisse überstellt wurde 6 ), so daß eine Berücksichtigung dieser Kriminellen nicht möglich war. Da aber dieses Wiederabströmen von Häftlingen ein vom kriminologischen Typ unabhängiger Umstand ist 6 a ),der somit das Material bezüglich aller Gruppen gleichmäßig einschränkt, liegt darin keine allzugroße Fehlerquelle 7 ). 6 ) Strafgefangenenlager Papenburg, Rothgau; Strafanstalt für Kriegstäter Bernau; Zuchthaus Hall«, Coswig; Strafanstalt Stein, Untermaßfeld; Arbeitslager Theimwald, Jugendgefängnis Niederschönenfeld. Lager Popenburg. 6a ) Denn es erfolgte nicht etwa nach dem Trennungsprinzip. 7 ) Hingegen stellt an sich eine größere Fehlerquelle der — allerdings unvermeidbare — Umstand dar, daß gewisse Gruppen von Kriminellen von vorneherein viel weniger oder gar nicht von der Straf-

29 A u f diese W e i s e verblieben von den Z u g ä n g e n des Jahres 1940 221 E r w a c h s e n e und 71 Jugendliche. Die Gesamtzahl der in vorliegender Arbeit behandelten Fälle beträgt sonach 292. E i n e persönliche Untersuchung des Häftlings wurde in jenen Fällen vorgenommen, bei denen sich die für die kriminologische Typisierung erforderlichen Feststellungen nicht schon zweifelsfrei aus dem Studium des Hausaktes und der Strafakten ergeben hatten. Bei 6 Strafgefangenen, die wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt waren und deren Strafakten nicht erreichbar waren, wurde die persönliche Vernehmung besonders eingehend durchgeführt.

II. Die einzelnen Verbrechergruppen. Im folgenden sollen nun die von S e e l i g aufgestellten kriminologischen T y p e n unter Auswertung der bei der Untersuchung in der Männerstrafanstalt Graz erzielten Ergebnisse getrennt n a c h Erwachsenen und Jugendlichen behandelt werden. D a b e i handelt es sich lediglich um die Heraußhebung empirischer Gruppen, die' sich aus der variierenden M e n g e der untersuchten Kriminellen bei unbefangener Betrachtung abheben. Dieses Material ist im A n hang im einzelnen dargestellt 8 ). S e e l i g selbst hebt ausdrücklich hervor, daß sich öfters konkrete F ä l l e unter mehrere dieser G r u p p e n einordnen lassen (Mischtypen) und daß sich nicht allzuselten singuläre Fälle ereignen, die sich keiner dieser Gruppen einfügen, weil sie atypisch s i n d 9 ) . D i e weitaus meisten Kriminellen haben sich j e d o c h als Repräsentanten e i n e s der acht Haupttypen erkennen lassen. W i r beginnen daher mit den „reinen T y p e n " . A. R e i n e

Typen

1. Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. A l s Kriterium der Berufsverbrecher stellt sich eine asoziale L e b e n s f o r m dar, die nicht nur an einzelnen Stellen durch B e g e h u n g strafbarer H a n d l u n g e n zutage tritt, sondern einen H a n g zu gemeinschaftswidrigem Verhalten erkennen läßt. justiz erfaßt und daher auch nicht eingeliefert werden (wie z. B. die durch Selbstmord endenden Krisen Verbrecher, siehe unten S. 81). 8 ) Soweit im folgenden Text beispielshalber auf bestimmte Fälle des Anhangs verwiesen ist, wurde, je nachdem ob es sich um Erwachsene oder Jugendliche handelt, vor die betreffenden Nummern jeweils ein „ E " oder „ J " gesetzt. 9 ) Näheres hierüber unten bei der Behandlung der Mischtypen S. 73 ff. und der atypischen Fälle S. 77 ff.

30 Hagemann10) charakterisiert die Berufsverbrecher als Menschen, die von diesem asozialen Verhalten nicht los können oder nicht los wollen, und sieht in dem W o l l e n oder dem Unv e r m ö g e n das Merkmal, das sie von den sog. Gelegenheitsverbrechern unterscheidet. D a b e i soll für die Begrenzung dieser Gruppe nicht entscheidend sein, ob die „ M i t g l i e d e r " ihre wirtschaftliche Existenz ausschließlich oder vorwiegend auf Verbrechensbegehung gründen, denn dann würde man nach seiner Ansicht zwar den größten T e i l der Berufsverbrecher erfassen, nicht aber diejenigen, die wegen der gleichen gesellschaftlichen Gefährlichkeit und w e g e n ähnlicher asozialer Gesinnung zu ihnen gehören. E r rechnet daher insbesondere auch gewisse konstitutionelle Sittlichkeits- und Gewalttätigkeitsverbrecher hieher. Mit Recht weist er j e d o c h selbst darauf hin, daß sich g e g e n deren Einreihung unter die Berufsverbrecher das an der wörtlichen Bedeutung haftende G e f ü h l sträubt. Dieser B e g r i f f des Berufsverbrechers ist wohl zu weit g e f a ß t . Dies geht auch daraus hervor, daß, wie H a g e m a n n selbst zugibt, im individualisierenden Strafvollzug u. U . Sondermaßnahmen g e g e n die Sittlichkeits- und Gewalttätigkeitsverbrecher anzuwenden sind. Eine Gliederung der Kriminellen in kriminelle Gruppen soll aber schließlich auch dazu dienen, Anhaltspunkte für die im Strafvollzug anzuwendenden M a ß n a h m e n zu g e b e n 1 1 ) . Trotzdem können u. U. auch Verbrecher, die im konkreten Fall wegen eines Sittlichkeits- oder Gewälttätigkeitsdeliktes verurteilt sind, unter die Gruppe der Berufsverbrecher f a l l e n 1 2 ) . Im Gegensatz dazu steht eine an der großstädtischen Verbrecherwelt orientierte, wohl zu enge Begriffsfassung, die nur die energischen, aktiven und zielbewußten Naturen dazu r e c h n e t 1 3 ) . Dieser verhältnismäßig kleinen Gruppe der Aktiven steht aber eine g r o ß e S c h a r mehr oder weniger haltloser, stumpfer, passiver Elemente gegenüber, die nicht zu dem mit allen Raffinessen vertrauten T y p u s des großstädtischen Berufsverbrechers gehören, aber ebenfalls — wie z. B. der bettelnde Landstreicher — auf asoziale W e i s e ihr L e b e n fristen. Diese bedeuten weniger eine G e f a h r als mehr eine Last für die Gemeinschaft. A u c h diese Gruppe gehört daher zum Berufsverbrechertum in dem hier verwendeten S i n n 1 4 ) . 10 )

H a g e m a n n , „Berufsverbrecher" H W B . I (1933) S. 138. ) Vgl. S e e l i g , Typenproblem a . a . O . S. 515 und 523 (jetzt oben S. 2 und 13). l 2 ) S. die Fälle E Nr. 61, 102; J Nr. 1, 11, 26, 33. Vgl. H e i n d l , Der Berufsverbrecher (1926). u ) Diese Unterscheidung zwischen Aktiven und Passiven macht auch n

31 Charakteristisch für die Berufsverbrecher ist vielmehr die Tatsache, daß das Begehen von Delikten— und zwar handelt es sich in der Regel um Vermögensdelikte — ihren Erwerb vertritt. Sie heben sich daher schon äußerlich durch ihre asoziale Lebensweise ab, der als gemeinsame kriminogene Eigenschaft die A r b e i t s s c h e u zugrundeliegt. Hierher gehört somit der gewerbsmäßige Hochstapler, der Berufseinbrecher, aber auch der eben erwähnte Landstreicher, der vom Bettel und kleinen Diebstählen lebt, die Beischlafsdiebin, die gewerbsmäßig' ihre Kunden bestiehlt, der gewerbsmäßige Zuhälter, der gewerbsmäßige Bauernfänger usw. Unter den insgesamt untersuchten 221 erwachsenen Strafgefangenen waren 53 reine Berufsverbrecher, also nahezu der vierte Teil. E s handelt sich durchwegs um arbeitsscheue Elemente, die entweder jede dauernde geregelte Tätigkeit hassen (s. Fall E Nr. 122), oder eine Abneigung gegen pflichtmäßig aufgetragene Arbeit haben, oder aber eine generelle Arbeitsscheu aufweisen, Ihre Betätigung besteht hauptsächlich in der Begehung von Vermögensdelikten. So bildete bei den 53 Berufsverbrechern in 41 Fällen die Begehung von Vermögensdelikten u. a. den Grund der gegenwärtigen Strafhaft. Weitere 1 1 waren zwar nicht im gegenwärtigen Verfahren (damit ist das Strafverfahren gemeint, das die Strafhaft des betreffenden Kriminellen zur Zeit der Untersuchung zur Folge hatte), wohl aber früher wegen Vermögensdelikten bestraft, so daß also von insgesamt 53 Berufsverbrechern bei 52 die Begehung von Vermögensdelikten den Grund von Vorstrafen oder der gegenwärtigen Strafe bildet. Ein Berufsverbrecher wieskeine diesbezügliche Vorstrafe auf, wohl aber mehrere wegen Bettels und Landstreicherei (s. Fall E Nr. 1 4 3 ) ; 2 Berufsverbrecher waren bisher überhaupt unbescholten (s. Fall E Nr. 44 und E Nr. 1 5 3 ) , weshalb auf diese beiden Fälle näher eingegangen sei. Im Fall E Nr. 153 entwendete ein i9jähriger Bahnarbeiter Bargeldin Höhe von 29 RM., stahl innerhalb eines Zeitraumes von 3 Monaten 4 Fahrräder im Wert von zusammen 160 R M , lockte einem Gastwirt einen Herrenanzug und 1 Paar Stiefel heraus und prellte einen anderen Gastwirt um die Zeche. D a er keine Freude an geregelter Arbeit hatte, wollte er mit dem Erlös aus den von ihm „eroberten" Gegenständen nach Jugoslawien durchbrennen. Ohne ein voreiliges Urteil über die spätere Verhaltensweise des Täters fällen zu wollen, ist anzunehmen, daß er bei seinem Hang G r u h l e innerhalb seiner a. a. O.

Verbrecher aus Neigung". Vgl. G r u h l e

32 zum arbeitslosen Leben und seinem Wandertrieb auch weiterhin derartige Delikte begangen hätte, wenn er damals nicht ertappt worden wäre. Daraus und aus der Anwendung typischer Gaunerpraktiken bei Begehung seiner Delikte erklärt sich trotz der bisherigen Unbescholtenheit die Feststellung, daß hier Anfangsdelikte eines Berufsverbrechers vorliegen. Im Gegensatz dazu handelt es sich im Fall E Nr. 44 um eine sog. Spätkriminalität, weil der Täter, bisher ebenfalls unbescholten, erst verhältnismäßig spät — er war zur Zeit der Tat bereits 32 Jahre alt — die Verbrecherlauf bahn beschritten hat 1 5 ). Nach Aufgabe seines letzten Arbeitsplatzes trieb er sich durch 3 Monate auf der Landstraße herum und lebte von zahlreichen Diebstählen, bis er erwischt wurde. Die beiden genannten Fälle zeigen deutlich, daß die Tatsache einschlägiger Vorstrafen nicht immer Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Gruppe der Berufsverbrecher sein muß, sondern daß, wenn auch verhältnismäßig selten, auch ein jäher Verfall ins Berufsverbrechertum vorkommen kann. Einen hohen Prozentsatz stellen auch die B e t t l e r und L a n d s t r e i c h e r . So waren von den 53 Berufsverbrechern 33, also mehr als die Hälfte u. a. auch wegen Bettels und Landstreicherei oder wegen eines der beiden Delikte bestraft. Davon waren 1 1 auch im Verfahren, welches zur gegenwärtigen Strafhaft führte, wegen dieser Delikte abgeurteilt. Was nun die Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei anbelangt, so hatten 22 Berufsverbrecher 1—5 diesbezügl. Strafen, 7 waren 6—iomal, 3 waren 1 1 — 2 o m a l und 1 Berufsverbrecher 3omal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft (s. Fall E Nr. 1 1 4 ) . Daneben waren die Berufsverbrecher teilweise auch wegen anderer „Stromerdelikte", wie Trunkenheit, verbotenen Grenzübertritts u. ä. sowie wegen Abtreibung (aus gewinnsüchtigen Motiven) vorbestraft. Wenn nun im folgenden eine Zusammenstellung der „einschlägigen" Vorstrafen gegeben wird, so sind darunter die Vorstrafen wegen aller dieser erwähnten Delikte einbezogen. Unbeachtet dagegen blieben andere Delikte, die in diesem Zusammenhang von nebensächlicher Bedeutung sind, wie z. B. Körperverletzung, nicht gewerbsmäßig begangene Sittlichkeitsdelikte, 15

) Vgl. dazu die Aufstellung über den Zeitpunkt der ersten einschlägigen Vorstrafen unten S. 33.

33 Ehrenbeleidigungen, wenn sie im Leben des Verbrechers nur vereinzelt vorkamen, also auf keinen Komplex innerlich verbundener Merkmale deuteten. Wies dagegen ein Berufsverbrecher auch Merkmalsgruppen eines anderen Typs auf, so war er unter die Mischtypen einzugliedern 16 ). Von den Berufsverbrechern waren einschlägig vorbestraft: Zahl der einschlägigen Vorstrafen

Zahl der Berufsverbrecher

1—5

15

21

6—10 11—20 21—30 39 (Fall E Nr. 114)

II

3 I

Zwei Berufsverbrecher waren, wie schon erwähnt, bisher unbescholten 1 1 ). Die meisten Berufsverbrecher wiesen also eine erhebliche Anzahl einschlägiger Vorstrafen auf, ein Zeichen dafür, daß bei ihnen das Begehen von Delikten häufig ein Habitus, ein gewisser Dauerzustand ist. Verfehlt wäre es aber, aus dieser Tatsache zu schließen, daß j e d e r Berufsverbrecher seine asoziale Lebensform dauernd beibehält. Wir werden später sehen, daß, wenn diese Fälle auch nur selten vorkommen, Berufsverbrecher u. U. ihre asoziale Lebensweise und Arbeitsscheu ablegen und daher aus der Gruppe der Berufsverbrecher ausscheiden. Damit steht aber nicht in Widerspruch, wenn sie dann häufig in eine andere Verbrechergruppe einzuordnen sind 1 8 ). Aufschlußreich mag in diesem Zusammenhang auch der Zeitpunkt der e r s t e n einschlägigen Vorstrafen erscheinen. Alter der einzelnen Berufsverbrecher zur Zeit der ersten einschlägigen Vorstrafe

15—20 Jahre 21—25 26—30 „ 31—40

..

40 Jahre und mehr

Anzahl der Berufsverbrecher

29 II

5 5 1

) S. unten S. 73 ff. ) S. oben S. 31. « ) Näheres hierüber bei der Behandlung der Wandlungstypen s. S. 76 ff. 16

17

S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

3

34 Weitaus die meisten Berufsverbrecher, nahezu 4/s wurden also im Alter zwischen 15 und 25 Jahren zum erstenmal einschlägig vorbestraft. Mit Recht können wir demnach im Fall Nr. 44, wo der Täter z. Zt. der Tat bereits 32 Jahr© alt war, von einem Fall der Spätkriminalität sprechen 19 ). Neben den wegen Vermögensdelikten, Bettels und Landstreicherei bestraften Kriminellen waren 5 Berufsverbrecher wegen unbefugten Arbeitsplatzwechsels verurteilt (s. Fall E Nr. 89, 1 3 1 , 1 3 3 , 134,; 199). Sie waren alle schon wiederholt wegen Begehung von Vermögensdelikten,: Bettels und Landstreicherei vorbestraft und gaben, jeder geregelten Arbeit abgeneigt, ihre Dienstplätze schon nach kurzer Zeit ohne rechtmäßige Kündigung auf, um dann, wenigstens in der Mehrzahl, auf der Landstraße weiter zu ziehen und zu betteln, ohne sieht um irgendeine Beschäftigung zu kümmern. Im Fall E Nr. 199 beging der Täter bei dieser Gelegenheit sogar noch Vermögensdelikte. Seine Methode bestand darin, sich als landwirtschaftlicher Arbeiter einstellen zu lassen, um dann regelmäßig seine Arbeitskameraden zu bestehlen und den Dienstplatz ohne Kündigung auf schnellstem Wege wieder zu verlassen. Ähnlich gelagert ist der Fall E Nr. 38, wa der 29 Jahre alte Täter, ein gerissener Fahrraddieb, einer Reihe von Personen unter dem Vorwand als Arbeiter einzutreten, Vorschüsse entlockte, um dann für immer zu verschwinden. Von Interesse dürfte schließlich der Fall E Nr. 102 sein. Hier ist der Täter — ein 44 Jahre alter Schneidergehilfe — wegen öffentlicher Gewalttätigkeit verurteilt. Trotzdem ist er aber in die Gruppe der Berufsverbrecher — und nicht, wie man vielleicht auf den ersten Blick annehmen möchte, in die Gruppe, der später zu behandelnden aggressiven Gewalttäter einzuordnen, denn von einer habituellen Angriffssucht kann man bei ihm nicht sprechen. Nicht eine einzige seiner 14 Vorstrafen wurde wegen eines Gewalttätigkeitsdeliktes ausgesprochen, sondern ausnahmslos wegen Begehung von Vennögensdelikten, Bettels und Landstreicherei. Auch seine letzte Straftat war nicht etwa die Auswirkung einer habituellen Angriffssucht, sondern er beging sie, um seine wegen Verdachts eines Eigentumsdeliktes vorzunehmende Verhaftung zu verhindern. Ein erheblich höheres Kontingent zur Gruppe der Berufsverbrecher stellen die J u g e n d l i c h e n . Wenn auch bei diesen die äußere Lebensform des „Berufsverbrechers" oft noch nicht so ausgeprägt ist wie bei den Erwachsenen, so trat der beginnende Verfall in dauernde Asozialität doch so deutlich hervor, daß sie 19

) S. oben S. 32.

35 zumindest als „angehende" Berufsverbrecher zu bezeichnen sind. In diesem Sinne waren von den untersuchten 71 Jugendlichen 34, also 47,9% in die Gruppe der Berufsverbrecher einzugliedern (bei den Erwachsenen waren es 23,90/0). Davon waren im gegenwärtigen Verfahren 2 1 , also nahezu Zweidrittel ausschließlich wegen Diebstahls verurteilt. (Vgl. auch die von S e e l i g an 23 jugendlichen Schwerverbrechern vorgenommene Untersuchung, von denen ungefähr die Hälfte ausschließlich wegen Diebstahls verurteilt waren) 2 0 ). Der Rest war wegen Diebstahls und Betrugs (J Nr. 62), Diebstahls und Landstreicherei ( J N r . 64), Betrugs (J Nr. 3, 40), Unterschlagung (J Nr. 67), Raubes (J Nr. 41, 7 1 ) , Raubmordes (J Nr. 70), Unzuchtdelikten (J Nr. 1 1 ) allein oder in Verbindung miteinander (J Nr. 1, 26, 33, 46, 62) verurteilt. Einschlägig vorbestraft waren 22 Jugendliche, davon hatten 7 mehr als eine Vorstrafe (J Nr. 13, 18, 42, 56, 60, 61, 66), die Höchstzahl der einschlägigen Vorstrafen betrug 3 (J Nr. 18, 42). Was den Zeitpunkt der ersten Vorstrafe anbelangt, erhielt ein Jugendlicher seine erste Vorstrafe mit 14 Jahren, 10 erhielten sie mit 15 Jahren, 5 mit 16 Jahren und 6 mit 17 Jahren. Fast immer reichen die Anfänge zurück in die frühe Jugend. Mit Lausbüberei, Schulschwänzen (J Nr. 2, 54, 58, 60, 62), Herumtreiben auf Rummelplätzen fängt es an. Bald finden sich mehrere Gleichgesinnte zusammen und in dem Bestreben einander zu überbieten, entfalten die einzelnen Mitglieder der schnell gebildeten Banden eine erstaunliche Betriebsamkeit und einen besonderen Blick dafür, was alles sich in Geld umsetzen; läßt. In 17 der untersuchten Fälle war bei Ausführung der Tat mindestens noch ein anderer beteiligt. Hervorzuheben ist, daß eine Gleichgültigkeit gegen soziale Werte fast durchwegs festzustellen war, die es eben erklärt^, daß der Gedanke, einem anderen oder der Allgemeinheit Schaden zuzufügen, nicht hemmend wirken konnte. In 7 Fällen (J Nr. 7, 33, 42, 60, 61, 66) konnte darüber hinaus eine antisoziale Einstellung beobachtet werden, die noch antreibend wirkte. Im übrigen kehren in der Gruppe der jugendlichen Berufsverbrecher hauptsächlich zwei kriminogene Dispositionen immer wieder: Arbeitsscheu und Genußsucht. Die Arbeitsscheu äußerte sich meist in einem häufigen Wechsel der Arbeitsplätze (J Nr. 1 1 , 16, 23, 26, 3 1 , 50, 59, 60, 61, 66, 7 1 ) , in einem Hang zum Vagabundieren (J Nr. 2, 3, 18, 23, 26, 42, 46, 47, 54, 66, 67, 70) und 20 ) S e e l i g , Anlage, Persönlichkeit und Umwelt bei jugendlichen Schwerverbrechern Österreichs. Mitt. d. Kb. Ges. Bd. I V , S . 1 2 5 .

3*

36 in dem Bestreben, sich ein möglichst müheloses fortlaufendes Einkommen zu verschaffen (J Nr. i, n , 26, 33, 70). Die kriminogene Struktur der Genußsucht war bei 16 jugendlichen Berufsverbrechern festzustellen. In erster Linie wirkte sich dabei der biologische Tatbestand der Genußsucht bei den Jugendlichen in der Weise aus, daß der Täter einem übermäßigen Genußleben nachjagt, sei es nun, daß es sich um den Besuch von Kinos (J Nr. 41, 57, 60, 64, 7 1 ) oder Wirts- oder Kaffeehäusern, wo das Geld mit Freunden und leichtfertigen Mädchen verbraucht wird, (J Nr. 18, 40, 50, 58, 70) handelt. Eine große Rolle spielt dabei die Sucht „groß zu tun", den „Gentleman zu spielen" und durch luxuriöses Auftreten zu imponieren (J Nr. 1, 33), Triebrichtungen, die nicht selten durch Kinobesuch und einschlägige Lektüre noch genährt werden. Die Genußsucht liegt auch schon dann vor, wenn trotz objektiv auskömmlichen Lebensunterhaltes die Wunschneigung nach darüber hinausgehenden Bedürfnisbefriedigungen so stark ist, daß der Junge bereit ist, dafür seine bisherige Ehrlichkeit zu opfern (J Nr. 4t, wo der Täter wie auch sein Genosse ausreichenden Verdienst hatten, die Wunschrichtung nach übermäßigem Kinobesuch aber eine so starke motivierende Funktion erlangte, daß beide, um sich das hiefür nötige Geld zu verschaffen, einen Raubüberfall inszenierten). Innerhalb der großen Gruppe der Berufsverbrecher finden sich, wie schon erwähnt, echte Charakter-, Persönlichkeits- oder Konstitutionstypen, die sich kriminell auswirken, so etwa u. a. der Bauernfänger mit seiner (aus Trägheit entspringenden) Korrelation von Arbeitsscheu mit geselliger Anpassungsfähigkeit und gemütlicher Verschmitztheit; der Zuhälter, dessen Struktur sich aus Arbeitsscheu, gesteigerter sexueller Ambivalenz und gesteigertem Erwerbstrieb aufbaut, der Strichjunge, der weniger aus sexueller Triebhaftigkeit als vielmehr aus Arbeitsscheu und Lust nach mühelosem Verdienst, verbunden mit gesteigerter Genußsucht, sich zu homosexuellen Handlungen hergibt (J Nr. 1, 1 1 ) , u. U. auch vor einer Erpressung seiner Partner nicht zurückschreckt (E Nr. 6 1 , J Nr. 26, 3 3 ) ; der gewerbsmäßige Abtreiber, der die Furcht der Schwangeren vor der Entbindung ausnützend durch die Ausführung von Abtreibungen bzw. den Vertrieb von Abtreibungsmitteln ein gutes Geschäft machen und sich auf diese Weise ein bequemes, möglichst arbeitsfreies Leben sichern will. Unter den gewerbsmäßigen Abtredbern sind bisweilen zwei Untertypen zu unterscheiden: jene, die wirklich abtreiben wollen und können, und jene, die eine wirkliche Abtreibung im Ernst gar nicht vornehmen, sondern sich durch betrügerischen Verkauf von Abtreibungsmitteln bereichern wollen. Die Merkmale beider ver-

37 einigt der Täter im Fall E Nr. 1 5 2 , der — von Beruf Schujimachermeister — schon in seiner Jugend eine Abneigung gegen geregelte Arbeit zeigte. E r verlegte sich lieber auf die Begehung von Vermögensdelikten und erhielt deshalb 6 Vorstrafen. Außerdem war er bereits zweimal wegen Abtreibung vorbestraft. Im gegenwärtigen Fall hatte er einer Schwangeren Seifenlösung in die Gebärmutter eingespritzt und nahm als Entgelt dafür einen Betrag von 5 S. sowie eine silberne Damenuhr. Außerdem! kassierte er einen Betrag von 80 S. f ü r ein Mittel ein, das angeblich die Nachgeburt beseitigen sollte, obwohl er wußte, daß die Nachgeburt bereits abgegangen war. Zu diesen, kleinere Gruppen bildenden, echten Charaktertypen zählt innerhalb der großen Gruppe der Berufsverbrecher ferner der H o c h s t a p l e r , für dessen Persönlichkeitsstruktur die Korrelation von (durch Ausdauermangel bedingter) Arbeitsscheu mit guter Intelligenz, schauspielerischer Darstellungsfähigkeit, Phantasiereichtum und damit zusammenhängender Lügenneigung charakteristisch ist. E s wäre ihm in vielen Fällen durchaus' möglich, sich eine zwar bescheidene, aber gesicherte Existenz zu verschaffen, doch ihn treibt der Drang nach einem luxuriösen Leben, sich bequemere Lebensverhältnisse zu schaffen. Da ihm dies auif normale Weise nicht gelingt, versucht er es durch Betrug, wozu ihn in erster Linie Scheu vor ernster geregelter Arbeit und Hang zum Genießen und Verschwenden in Verbindung mit einer gewissen inneren Hemmungslosigkeit verleitet. Unter den Hochstaplern fallen zunächst diejenigen auf, die bei ihren Opfern durch einen hochklingenden Namen Vertrauen erwecken wollen «der sich das Vertrauen durch eine vorgetäuschte angesehene Position zu gewinnen versuchen (E Nr. 72, 76, 1 1 1 ) . Im erstgenannten Fall spiegelte der bereits wiederholt wegen Begehung von Vermögensdelikten vorbestrafte 42 J a h r e alte Täter, von Beruf Vertreter, seinen Opfern vor, er sei unmittelbarei* Vertreter der Auslandsorganisation der N S D A P , und als solcher zum Inkasso berechtigt. Im Fall E Nr. 76 legte sich der 30 Jahre alte, schon achtmal einschlägig vorbestrafte Täter, von Beruf Friseurgehilfe, einen falschen Namen und den Stand eines Reichsbahnangestellten bei und erschwindelte sich dadurch, sowie durch die Erklärung, er sei der Bräutigam einer Bekannten, verschiedene Gegenstände, die er dann verkaufte. Im Falle E Nr. 1 1 1 hatte sich der zweimal wegen Begehung von Vermögensdelikten vorbestrafte, erst 23 Jahre alte Täter, von Beruf Maurer, den Charakter eines Angehörigen der Geheimen Staatspolizei und eines Ingenieurs zugelegt und spielte den Ge-

38 schädigten, der infolge eines Autounfalles in Geldschwierigkeiten geraten sei. Unter den Jugendlichen zählen hieher die Fälle Nr. 2, wo der Täter sich als Narvikkämpfer, Nr. 3, wo der Täter sich als Sohn vermögender Eltern, Fähnrich der Luftwaffe und Kriegsverletzter, und Nr. 49, wo der Täter sich als Segelflieger, Bergsteiger, Feldzugsteilnehmer, Kriegsfreiwilliger auf Genesungsurlaub unter Beilegung hochtrabender Namen ausgab. Nicht selten täuscht der Hochstapler auch den seriösen Geschäftsmann vor, bietet die Vermittlung oder Ausführung lukrativer Geschäfte an, nimmt Aufträge entgegen, die er niemals ausführen kann und spielt den wohlsituierten Mann, der sich, nur augenblicklich in einer Geldverlegenheit befinde. Seine Opfer sind keineswegs immer geschäftsunkundige Leute, vielmehr lassen sich selbst mit den Verhältnissen genau vertraute und vorsichtige Geschäftsleute gelegentlich von ihm fangen (E Nr. 3). Auch diesen Typ finden wir unter den Jugendlichen im Fall Nr. 66, wo der Täter u. a. mehrere Personen zu Warenbestellungen veranlaßte und sich im Hinblick auf eine angeblich zuverlässige Lieferung Vorschüsse zahlen ließ.. In diesem Zusammenhang ist außerdem zu erwähnen der Typ des B e r u f s e i n b r e c h e r s mit seiner Korrelation von Arbeitsscheu verbunden mit einer meist auf Spezialisierung gerichteten kriminellen Fachkenntnis. Das Motiv, das den Einbrecher zu seiner Tat veranlaßt, ist dasselbe wie sonst beim Diebstahl. E s treibt den Täter dazu, sich trotz aller entgegenstehenden Hindernisse in den Besitz der erstrebten Sachen zu setzen, um sie für sich in irgendeiner Weise wirtschaftlich auszuwerten. Die Schwierigkeiten, die der Erreichung des Zieles entgegenstehen, sind beim Tatbestand des Einbruchs häufig so groß, daß deren Überwindung mindestens eine gewisse Schulung voraussetzt. Was die bevorzugte Erscheinungsform des Einbruchs anbelangt, können wir drei Arten von „Spezialisten" unterscheiden: den Wohnungseinbrecher, den Geschäftseinbrecher und schließlich den Geldschrankeinbrecher. Der Wohnungseinbrecher kundschaftet die Abwesenheit der Hausbewohner aus oder veranlaßt sie sogar, um diese günstige Gelegenheit dann für seine Zwecke auszunutzen ( E Nr. 47, wo der erst zwanzigjährige, zweimal einschlägig vorbestrafte, übelbeleumundete und als arbeitsscheu bekannte Täter nach seiner Haftentspringung bis zur Wiederverhaftung insgesamt 24 Hütteneinbrüche teils durch Haken, teils durch Nachsperren verübte). Da er meist mit der plötzlichen Rückkehr des Wohnungsinhabers rechnen muß, sind Kleidungsstücke, die auf dem Flur hängen,'

39 schnell erreichbares Silberzeug und offenliegende Schmuckstücke seine Beute (s. E Nr. 70, wo der bereits! I3mal einschlägig vorbestrafte, 29 Jahre alte Täter mit Hilfe von Nachschlüsseln in die Wohnung eindrang und dort Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände im Wert von 4000 R M . entwendete. Ähnlich liegen die Verhältnisse auch im Fall E Nr. 164, wo der wegen Diebstahls, Bettels und Landstreicherei vorbestrafte, erst 20jährige Täter, von Beruf landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit einem Kameraden 3 Wohnungseinbrüche durch gewaltsames Aufsprengen der Haustüre verübte und bei dieser Gelegenheit ebenfalls Kleidungsstücke, Schmuckgegenstände und außerdem einen Barbetrag von 60 R M . stahl.) Der Gesch'äftseinbrecher ist in der Regel ein Nachteinbrecher, der daneben auch die Möglichkeit, die sich aus der; Abwesenheit des Geschäftspersonals an Sonn- und Feiertagen ergibt, ausnützt. Da die Geschäftsräume im allgemeinen wesentlich besser durch mechanische Einrichtungen oder durch ständige Bewachung gesichert sind als dies bei Wohnungen der Fall zu sein pflegt, ist für ihn eine eingehende Erkundung des Tatortes und der zu überwindenden Hindernisse wichtig. E r arbeitet selten allein, denn das Auskundschaften, das Fortschaffen und Ausnützen der Beute erfordert zwangsläufig Gehilfen. Auch unter den untersuchten Jugendlichen finden sich ausgesprochene Wohnungs- und Geschäftseinbrecher, die zum Teil auf ganz raffinierte Art vorgingen (Nr. 20, 23, 54, 58, 64). Um einen Geldschrankeinbrecher handelt es sich im Falle J Nr. 66. Hier schlug derVegen Urkundenfälschung und Betrugs vorbestrafte 17 Jahre alte Täter zunächst eine Fensterscheibe ein, um zu den Werkzeugen zu gelangen, die er für den Einbruch in das Büro und den Kassenschrank benötigte. E r legte das Türschloß frei, setzte die Alarmglocke außer Tätigkeit, entfernte die Zuführungsdrähte vom Klingelschalter und bohrte dann den Geldschrank beim Schlüsselloch mit einer Bohrwinde an. Den bisher genannten speziellen Berufs verbrechertypen möchte ich schließlich noch anfügen den Typ des arbeitsscheuen Krakehlers, dessen Struktur sich aus (häufig aus Mangel an, Ausdauer, Unzufriedenheit und asozialer Einstellung bedingter) Arbeitsscheu und aufbrausendem, zu Opposition neigendem Wesen aufbaut. E r führt einen liederlichen, arbeitsscheuen Lebenswandel, zieht planlos im Lande herum, sucht sich sein, Fortkommen durch Bettel und Eigentumsdelikte zu verschaffen und räsoniert über jede Maßnahme, wodurch er in seinem ungebundenen Lebenswandel gestört oder gar zur Arbeit gezwungen wird. Unter den 53 Berufsverbrechern fanden sich 6 arbeitsscheue Krakehler,

40 von denen im gegenwärtigen Verfahren 5 (E Nr. 97, 104, 142, 143, 169) wegen § 2 Heimt.Ges. verurteilt waren. Sie alle waren wegen Begehung von Vermögensdelikten, Bettels und Landstreicherei schon wiederholt vorbestraft — die Mindestzahl der Vorstrafen betrug 6, die Höchstzahl 15 —, hatten häufig 1 die Arbeitsplätze gewechselt und machten, unter alkoholischem Einfluß stehend, aus Furcht vor der drohenden Gefahr, ein geregeltes, arbeitssames Leben führen zu müssen, abfällige Äußerungen über Partei und Staat. Man könnte vielleicht versucht sein, die ersteren 5 Fälle gleichzeitig in die Gruppe der Überzeugungsverbrecher einzuordnen und zu behaupten, daß die genannten Täter einen Mischtyp bilden 2 1 ). Dies wäre aber m. E . verfehlt, denn nicht eine politische Überzeugung — die genannten Täter hatten sich um Politik niemals gekümmert, geschweige denn aktiv betätigt —, sondern lediglich die Scheu vor der Arbeit trieb sie zu den abfälligen Äußerungen. Ähnliche Verhältnisse finden wir auch im Fall E Nr. 197, wo der im gegenwärtigen Verfahren wegen öffentlicher Gewalttätigkeit, Bettels und Landstreicherei verurteilte Täter, ein wiederholt wegen Bettels und Landstreicherei und Begehung von Eigentumsdelikten vorbestrafter, arbeitsscheuer Mensch, einer Frau mit Brandlegung drohte, weil sie ihm nicht sofort ein Nachtquartier gewährte. Auch hier wurde der Täter allein durch die Arbeitsscheu, bzw. die dadurch bedingten äußeren Verhältnisse (Obdachlosigkeit) zu der ausgesprochenen Drohung veranlaßt, nicht aber etwa durch eine habituelle Angriffssucht. Somit kommt auch hier ein Mischtyp (Berufsverbrecher -j- aggressiver Gewalttäter) nicht in Frage. 2. Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. Für diese Gruppe finden wir in der Wissenschaft häufig auch die auf Wahlberg zurückgehende Bezeichnung Gelegenheitsverbrecher 2 2 ). Franz v. L i s z t läßt die Stellung des Verbrechers zur Rechtsordnung, seine soziale Gesinnung und die mit ihr gegebene gröißere oder geringere Gefährlichkeit für die Rechtsordnung bestimmend sein und gelangt davon ausgehend zu seiner Unter21

) S. unten S. 73 ff. ) O l r i k , Über die Einteilung der Verbrecher, Z . S t . W . 17, 7 6 ; F e r r i , Das. Verbrechen als soziale Erscheinung; A s c h a f f e n b u r g , Das. Verbrechen und seine Bekämpfung, 3. Aufl. 1 9 2 3 und derselbe auch im H W B . d. Krim. Bd. I, S. 836 ff. 22

41 Scheidung in Augenblicks- und Zustandsverbrecher, wodurch er die ihm mißverständlich bzw. inhaltlich falsch erscheinende Bezeichnung Gelegenheits- und Gewohnheitsverbrecher ersetzte, ohne jedoch dadurch völlig befriedigt zu sein 2 3 ). H a g e m a n n läßt die Frage offen, ob die Bezeichnung Gelegenheitsverbrecher glücklich ist. E r weist darauf hin, daß derjenige, der bei jeder sich ihm bietenden „Gelegenheit" ein Verbrechen begeht, auf die Bezeichnung Gelegenheitsverbrecher in dem von Wahlberg gemeinten Sinn keinen Anspruch erheben könne und findet den Unterschied in der psychologischen Einstellung gegenüber der Gelegenheit. Der Typ des Zustandsverbrechers sucht darnach die ihm günstige Gelegenheit, während umgekehrt „die sich zufällig bietende Gelegenheit gewissermaßen den Augenblicksverbrecher versucht, eine vorübergehende Trübung der Hemmungsvorstellung und damit gegebene Schwächung der Widerstandskraft ihn hinführt zu einer seiner dauernden Eigenart fremden, vereinzelt bleibenden, bitter bereuten Episode seines Lebens" 2 4 ). Die Erfahrung und auch die die Grundlage vorliegender Arbeit bildende Untersuchung der 'im Jahre 1940 in die Männerstrafanstalt Graz eingelieferten Verbrecher hat deutlich gezeigt, daß die Verbrecher, die gegenüber der sich bietenden Gelegenheit nicht die nötige Widerstandskraft aufbringen, nicht etwa vereinzelt bleibende Delikte begehen, sondern trotz ihrer sonst sozialen Lebensweise immer wieder in strafbare Handlungen verfallen. E s wäre aber vollkommen verfehlt, sie etwa deshalb in die (im Gegensatz zu den Gelegenheits- bzw. Augenblicksverbrechern stehende) Gruppe der Gewohnheits- bzw. Zustandsverbrecher einzugliedern und sie dadurch mit den Berufsverbrechern zusammenzuwerfen. Auf dieser Basis ist eben eine klare Scheidung dieser beiden Gruppen in der Regel nicht möglich. Man hat daher in Erkenntnis dieser Schwierigkeit gelegentlich auch vom „gewohnheitsmäßigen Gelegenheitsverbrecher" gesprochen 2 5 ). Auch die von G r u h l e 2 6 ) gewählte Bezeichnung Verbrecher aus Schwäche, die nach seinen eigenen Ausführungen auch manche gemeinschädliche Persönlichkeiten, wie rückfällige Bettler und Prostituierte umfaßt, scheint für eine klare Unterscheidung wenig glücklich zu sein. Diese Schwierigkeiten entfallen mit der von S e e l i g gegebenen 23 ) v. L i s z t , Die psychologischen Grundlagen der Kriminalpolitik 1896 (Strfrl. Ausf. u. Vortr. 1905, 2, S. i 7 o f f . ) . 2 *) H a g e m a n n , H W B . Bd. I, S. 567. 25 ) M e z g e r , Kriminalpolitiik, 2. Aufl. (1942), S. 155. 26 ) G r u h l e , H W B . d. Krim. Bd. I, S. 9 1 2 .

42 Definition der Verbrecher aus geringer Widerstandskraft. Im Gegensatz zu den Berufsverbrechern, die sich, wie erwähnt, schon äußerlich durch ihre asoziale Lebensweise abheben, weisen die Verbrecher aus geringer Widerstandskraft eine soziale Lebensführung auf, sind insbesondere oft fleißige Arbeiter, begehen aber dennoch immer wieder strafbare Handlungen, und zwar in der Regel Vermögensdelikte. Sie alle bringen gegenüber den kriminellen Anreizen, die ihnen die Umwelt, vor allem ihr Berufsleben bietet, nicht die nötigen Hemmungen auf. Das Begehen von Delikten vertritt also nicht — wie bei den Berufsverbrechern —• ihren sonstigen Erwerb, sondern entspringt einer mehr oder minder großen Haltlosigkeit gegenüber der sich bietenden Gelegenheit. Hier tritt somit das Zusammenwirken von Tatzeitpersömlichkeit und Umweltlage zur Zeit der Tat besonders deutlich, hervor, denn die gefestigte Persönlichkeit vermag den verlockendsten Gelegenheiten zu widerstehen, während umgekehrt die haltlose der geringsten sich bietenden Gelegenheit zum Opfer fällt. Zur Gruppe der Verbrecher aus geringer Widerstandskraft zählt beispielshalber das fleißige, aber unehrliche Dienstmädchen, der sich in betrügerischer Weise stets verrechnende Zahlkellner, die Dame aus sozia^ höheren Schichten, die auf der Straßenbahn schwarz fährt, aber auch die Täter schwerer Verfehlungen, wie der; beruflich tüchtige Postbeamte, der wiederholt Wertbriefe unterschlägt, der fleißige Geschäftsangestellte, der Waren mit nach Hause nimmt usw. Von den insgesamt 221 erwachsenen Strafgefangenen waren 20, also 9,10/0 in die Gruppe der Verbrecher aus geringer Widerstandskraft einzuordnen. Sie alle zeigten eine soziale Einstellung, wurden zum Teil ausdrücklich als fleißige Arbeiter gerühmt ( E Nr. 1 1 , 29, 78, 106, 109, 208) und waren nicht schlecht, teilweise sogar gut beleumundet ( E Nr. 202, 206). Mit Ausnahme von Fall 84, wo es sich um ein Anfangsdelikt eines Verbrechers aus geringer Widerstandskraft handelt, hatten sich alle schon in vermögensrechtlicher Hinsicht vergangen, sei es früher ( E Nr. 29, 34, 78, 106, 109, 129, 135, 138, 1 8 1 ) , sei es in wiederholten, den Grund der gegenwärtigen Strafe bildenden, sich oft durch viele Monate und Jahre hinziehenden Angriffen auf das Eigentum ( E Nr. I i , 36, 54, 57, 65, 69, 78, 129, 138, 202, 206, 208). Was die einschlägigen Vorstrafen anbelangt, waren 1 1 Täter bisher unbescholten, während 6 Täter 1—5, 3 Täter 6 und mehr einschlägige Vorstrafen hatten. Die Höchstzahl der einschlägigen Vorstrafen betrug 12. Von den 20 Verbrechern aus geringer Widerstandskraft erlagen 9 den sich aus ihrem Berufsleben ergebenden kriminellen

43 Anreizen ( E Nr. 36, 54, 57; 65, 69, 78, 202, 206 208)" Dabei handelte es sich in den Fällen E Nr. 36, 54, 57 und 69 um bisher unbescholtene Postfacharbeiter, die in dieser Eigenschaft hauptsächlich aus Feldpostsendungen Bargeld, Gebrauchs- und Genußmittel gestohlen hatten. Im Falle E Nr. 65 mißbrauchte ein bisher unbescholtener Generaldirektor die ihm auf Grund dieser Stellung eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, und veruntreute innerhalb eines Zeitraumes von 8 Jahren einen Betrag von 50000 Schilling. Im Fall E Nr. 78 veruntreute ein fünfmal einschlägig vorbestrafter Kassenführer einer Kreisbauernschaft innerhalb eines Zeitraumes von 1V2 Monaten, im Fall E Nt. 208 ein bisher strafloser Kassier eines Elektrizitätswerkes innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren ihm anvertraute höhere Geldbeträge. In den Fällen E Nr. 202 und E Nr. 206 hatten sich die bisher unbescholtenen Täter ebenfalls größere, ihnen auf Grund ihrer Stellung als Bürgermeister anvertraute Geldbeträge innerhalb eines Zeitraumes von i'/ä bzw. 6 J a h r e n zugeeignet. Von den restlichen 1 1 Verbrechern aus geringer Widerstandkraft waren es im Fall E Nr. 84 ein Student, im Fall E Nr. 138 ein Krankenpfleger, in den Fällen E Nr. 1 1 , 29, 34,; 106, 109, 129, 1 3 5 , 148, 1 8 1 Angehörige des Arbeiterstandes, die gegenüber den sich bietenden kriminellen Gelegenheiten nicht die nötige Widerstandskraft aufbrachten. Beispiele für Täter schwerer Verfehlungen bieten die Fälle E Nr. 1 1 , 65, 78, 84, 138, 1 8 1 , 202, 206, 208. . Wie bei der Gruppe der Berufsverbrecher so zeigt sich auch hier wieder, daß die Jugendlichen verhältnismäßig stark beteiligt sind. Von den 71 untersuchten Jugendlichen waren 17, also 23,90/0 als Verbrecher aus geringer Widerstandskraft anzusprechen. Diese Tatsache erklärt sich wohl aus der erhöhten Umweltempfindlichkeit der J u g e n d 2 7 ) . Die Versuchung, sich auf Kosten anderer zu bereichern, wird bei Jugendlichen erheblich dadurch gesteigert, daß ihnen weniger leicht als den im Leben und Beruf Stehenden Mittel und Wege zur Verfügung stehen, sich auf ehrliche Weise Geld zu verdienen. Andererseits strebt die erwachende Genußsucht, die nicht mehr an harmlosen Spielen Genüge findet, nach Befriedigung. Sind dazu die erforderlichen Mittel nicht vorhanden, so bildet sie, wenn sich zudem' eine günstige Gelegenheit bietet, das Motiv zum Stehlen, denn dem Charakter fehlt die Reife, um die Versuchung zu überwinden. Dazu kommt als weiterer Faktor noch der jugendliche Optimismus, der die Gefahr des Entdecktwerdens verschleiert und die der Furcht vor 27

) E x n e r a. a. O. S. 42 ff.

44 der Strafe entspringenden Hemmungen mindert. In 9 Fällen waren die Täter Lehrlinge (J Nr. 10, 17, 30, 36, 43, 52, 56) und Schüler (J Nr. 34, 37) — in einem Fall (J Nr. 35) — war der Täter ein seine Wehrpflicht erfüllender SS-Infanterist. Durchwegs handelt es sich also um Personen, die noch kein festes eigenes Einkommen besaßen, sondern in finanzieller Hinsicht mehr oder weniger auf ihre Angehörigen angewiesen waren. In weiteren 7 Fällen waren die Täter Hilfsarbeiter (J Nr. 5, 8, 24, 28, 45, 5 1 , 68), die nur über ein verhältnismäßig geringes Einkommen verfügten. Die Motive, die sie beseelten, waren äußerlich betrachtet zwar verschieden, gingen in ihrer Wurzel aber doch auf den erwachenden Geltungstrieb und die Ansicht zurück, mit zunehmendem Alter erhöhte Anforderungen an das Leben stellen zu können. In 8 Fällen spielte die Genußsucht in Form von Trinken, Rauchen, Bummeln, Besuch von Kinos, Gast- und Kaffeehäusern (J Nr. 5, 8, 24, 28, 30, 35, 68), Reisen und Freifahrten für Skitouren (J Nr. 37) eine Rolle, in 6 Fällen war es der erwachende Geltungstrieb in Form: von Ausstattung mit neuen Kleidern (J Nr. 10, 17, 43, 45, 5 1 ) und finanzieller Unabhängigkeit von den Eltern (J Nr. 34), in 2 Fällen (J Nr. 52, 56) der Wunsch nach einem besseren Fahrrad, der für die Täter kriminogen wurde. Was die Umweltlage zur Zeit der Tat betrifft, so. kam ihr in 12 Fällen eine an sich kriminogene Wirkung zu (J Nr. 5, 10, 24, 28, 30, 35, 36, 45, 5 1 , 52, 56, 68), in den übrigen 5 Fällen war sie relativ kriminogen, d. h. sie erlangte nur durch das Zusammentreffen mit einer besonderen Tatzeitpersönlichkeit eine kriminogene Wirkung (J Nr. 8, 17, 34, 37, 43). Aber auch in den ersterwähnten Fällen konnte die kriminogene Umweltlage die Tatauslösung nur herbeiführen, weil den Tatzeitpersönlichkeiten ein gefestigter charakterlicher Halt fehlte: denn alle 1 7 Jugendlichen, die sich übrigens im allgemeinen gut und anstandslos führten, werden ausnahmslos als willensschwach, beeinflußbar und leichtsinnig geschildert. 3. Aggressive Gewalttäter. Die Angehörigen dieser Gruppe sind Menschen, die infolge ihrer habituell gewordenen Angriffssucht schon bei kleinen Anlässen und daher immer wieder auf Personen ihrer Umgebung mit Beschimpfungen und Tätlichkeiten losgehen. Hieher zählen z. B. der bäuerliche Raufbold und Messerheld, der Trinker, der nachhausekommend Frau und Kinder mißhandelt, aber auch viele Totschläger. Wie der Name schon sagt, umfaßt diese Gruppe nicht alle „Affektverbrecher", d. h. nicht alle, die ihre Tat in

45 affektiver Erregung begehen (diese ist auch innerhalb anderer Gruppen vielfach vorhanden), sondern nur die, deren Tat sich in gewalttätigen Angriffen, sei es in Form von Körperverletzungen oder Beleidigungen, äußert. Der in der Wissenschaft häufig anzutreffende Begriff des Affektverbrechers (der Täter, der ohne Bereicherungsabsicht zur Tat kommt) oder des Leidenschaftsverbrechers (der Täter, der nur aus Leidenschaft handelt, ohne eine bestimmte Absicht zu verfolgen) ist sehr weit gefaßt und schließt nicht nur den aggressiven Gewalttäter mit ein, sondern auch viele Angehörige anderer Gruppen, die ihre Tat in affektiver Erregung begehen. G r u h l e bezeichnet daher den Ausdruck Affektverbrecher als in psychologischer Hinsicht wenig befriedigend und weist darauf hin, daß sich eine klare Definition des Affektverbrechers nicht geben lasse, „denn auch der Eigentumsverbrecher kann aus heftiger Leidenschaft handeln, sei es, daß der Jugendliche aus Gier Jahrmarktschätze stiehlt, sei es, daß ein begeisterter Sammler sich einen, künstlerischen Wertgegenstand widerrechtlich aneignet. Man versteht unter einem Affektverbrecher recht willkürlich einen Täter, der ohne Bereicherungsabsicht zur Tat kommt. So würde mancher politische Überzeugungsverbrecher auch mit zum Affektverbrecher zu zählen sein, was doch gemeiniglich wiederum nicht geschieht. Und wenn man sich endlich bemühen wollte, als Affektverbrecher etwa jenen Leidenschaftsverbrecher zu bezeichnen, der nur aus Leidenschaft handelt, so würde das wiederum auf den Rachsüchtigen nicht zutreffen, der doch das Leid des anderen will" 2 8 ). A s c h a f f e n b u r g 2 9 ) will den Ausdruck Affektverbrecher auf diejenigen beschränken, die in einer augenblicklichen Aufwallung der Leidenschaft, in einem akuten Affekt handeln, verursacht durch einen vielleicht nie wiederkehrenden äußeren Anlaß, der im Sturm der Gefühle alles kühle Überlegen, die Auswirkungen des normalen Charakters zunichte macht. E r schließt damit im Gegensatz zu v. L i s z t 3 0 ) die dauernd von Leidenschaften beherrschten Persönlichkeiten, die fortdauernd unter dem Einfluß ihrer Affekterregbarkeit stehen, ausdrücklich aus. Diese Unterscheidung deckt sich auch mit der von S e e 1 i g vertretenen Ansicht, wonach die Kriminellen, die in ihrer habituellen Angriffssucht (nach A s c h a ff e n b u r g die fortlaufend von Leidenschaften Beherrschten) in die Gruppe der aggressiven Gewalttäter einzuordnen sind, während die in einer „augenblicklichen Aufwallung der Leidenschaft, in 2

8) G r u h l e , H W B . Bd. I, S. 9. ) A s c h a f f e n b u r g a. a. O. S. 223. 30 ) v. L i s t , Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge II, S. 187. 29

46 einem akuten Affekt Handelnden" in der Regel zur Gruppe der primitivreaktiven Verbrecher 3 1 ) zählen. Von den 221 untersuchten Strafgefangenen waren 14 aggressive Gewalttäter, somit 6,30/0. Davon waren 8 von Beruf Hilfsarbeiter, 1 Maschinenwärter, 1 Maurergehilfe, 1 Gastwirt, 1 Wehrmachtsangehöriger und 2 Knechte. Auffallend stark ist die Beteiligung der Arbeiterschaft, insbesondere der ungelernten. E x n e r 3 2 ) führt die allgemein hohe Straffälligkeit der städtischen ungelernten Arbeiterschaft auf die geringe Entlohnung, die Unregelmäßigkeit der Beschäftigung und das naturgemäß ungünstigere Milieu, in dem sie sich meist zu bewegen haben, zurück. Als spezieller Grund f ü r den hohen Prozentsatz, den die Arbeiterschaft als solche (gelernte und ungelernte) zur Gruppe der aggressiven Gewalttäter stellt (dem Arbeiterstand gehören 12 Täter, also 85,70/0 an), kommt m. E . noch hinzu, daß eine länger dauernde, insbesondere schwere Handarbeit den Menschen nicht nur physisch, sondern auch psychisch robuster gestaltet und damit die Voraussetzungen für die Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten erhöht. Die unmittelbare Auslösung der strafbaren Handlung wurde in 13 Fällen durch geringfügige Anlässe verursacht (den anderen für die Auslösung bedeutsamen Faktor bildet die Persönlichkeit selbst). So war es im Fall E Nr. 4 der Streit einiger Burschen, in den sich der dem Täter aus politischen Gegensätzen schon lange verhaßte Verletzte einmischte; im Falle E Nr. 1 3 die Auseinandersetzung Dritter bezüglich einer Frau und die Aufforderung des Gendarmen, das Lokal zu veranlassen; im Fall E Nr. 17 die Aufforderung zur Sperrstunde das Lokal zu verlassen; im Fall E Nr. 23 das zufällige Zusammentreffen mit dem aus familiären Gründen schon seit Jahren verhaßten Verletzten; im Fall E Nr. 86 und 87 die Unzufriedenheit mit dem Essen; im Fall E Nr. 101 der harmlose Besuch der Frau des Täters bei einer bekannten Familie; im Fall E Nr. 1 1 6 die Nichtaushändigung von Getränken und die Eifersucht; im Fall E Nr. 1 3 6 eine Meinungsverschiedenheit wegen einer Lohndifferenz; im Fall E Nr. 2 1 4 die Tatsache, daß der Verletzte die Zeche f ü r den Täter nicht bezahlte, was den Täter als Umweltsfaktor zur Begehung der Straftat veranlaßte. In den Fällen E Nr. 32, 96, 1 1 5 konnte zwar der konkrete Anlaß nicht ermittelt werden, doch fand sich überall im Urteil die Feststellung, daß es sich um nichtige Ursachen gehandelt hat. In den Fällen E Nr. 4 und 32 spielte außerdem noch das provozierende 31 ) 32

Siehe unten S. 62 ff. ) E x n e r a. a. O. S. 298.

47 Verhalten des Verletzten eine Rolle. Im Falle E Nr. 93, wo der Täter ein Wehrmachtangehöriger ist, liegt überhaupt kein bestimmter äußerer Anlaß vor, sondern hier lag der allein ausschlaggebende Faktor in der Persönlichkeit des Täters, nämlich in seiner ausgesprochenen Angriffssucht, seiner renitenten Einstellung und Widersetzlichkeit gegen alle Befehle der Vorgesetzten. Daß man aber auch bei den 13 ersterwähnten Tätern von einer habituellen Angriffssucht, also von einem auch in ihrer Persönlichkeit gelegenen kriminogenen Faktor sprechen kann, läßt sich, abgesehen von der Tatsache, daß ihre den Grund der gegenwärtigen Verurteilung bildenden Straftaten, wie schon erwähnt, durchwegs durch kleine Anlässe ausgelöst wurden, auch aus ihren einschlägigen 3 3 ) Vorstrafen schließen. Vorweg sei erwähnt, daß bei den Tätern der Fälle E Nr. 86 und 87 — es handelt sich um Angehörige des ehemaligen polnischen Staates — nicht festgestellt werden konnte, ob sie einschlägig vorbestraft waren, da ein Strafregisterauszug nicht vorlag. Von den restlichen 12 Tätern war jeder einschlägig vorbestraft; die Anzahl der einschlägigen Vorstrafen zeigt nachfolgende Zusammenstellung: Anzahl der einschlägigen Vorstrafen

Anzahl der Täter

1—5

7

9—10 1 0 und

mehr

3 2

Bemerkenswert ist schließlich die Tatsache, daß in 7 Fällen der Genuß von Alkohol eine Rolle spielte. E s ist ja bekannt, daß vor allem bei vielen Gewalttaten der Affekt durch den Alkohol erst herausgelockt wird, denn jeder Mißbrauch alkoholischer Getränke, sei es einmaliger, wiederholter oder dauernder Art, verursacht seelische Störungen 3 4 ). Aus den Untersuchungen von K r a e p e l i n und seinen Schülern geht hervor, daß der Genuß von Alkohol auch in kleinen Mengen eine Erschwerung der Auffassung, eine Verflachung des Gedankenganges, eine Entbremsung von Willensantrieben sowie eine Erregung motorischer Abläufe bewirkt 3 5 ). 33 ) Hierher zählen nicht nur alle Gewalttäriigkeitsdelikte und Beleidigungen, sondern auch Trunkenheit und u. U. Notzuchtdelikte, wenn der Schwerpunkt in der Gewaltanwendung liegt, denn auch sie deuten auf eine aggressive Täterpersönlichkeit. w) G r u h l e , H W B . d. Krim. Bd. I, S. 10. 35 ) K r a e p e l i n , Klinische Psychiatrie, Bd. II, I. T. 1927.

48 Sechs aggressive Gewalttäter hatten kurz vor der Tat Alkohol zu sich genommen, standen also noch unter den unmittelbaren Einwirkungen desselben (s. E Nr. 4, 13, 17, 32; 1 1 6 , 2 1 4 ) , während 1 Täter ( E Nr. 136) früher ein starker Trinker war und vermutlich dadurch eine hochgradige Affekterregbarkeit erworben hatte. Dabei können für den Umstand, daß sich in ihm dadurch eine gesteigerte Affekterregbarkeit entwickelte, wiederum die persönliche Eigenart und daher auch die angeborenen Anlagen maßgebend sein 3 6 ). Unter den Jugendlichen befand sich kein Krimineller, der in die Gruppe der aggressiven Gewalttäter einzureihen war. Infolge der erwachenden Kräfte und Kräftegefühle reagiert zwar der Jugendliche verhältnismäßig leicht auf einein Angriff mit roher Gewalt, aber er läßt s.einen Zorn eher an Gegenständen aus, indem er alles kurz und klein schlägt, ohne allerdings das wüste Dreinschlagen auf den Gegner ganz zu scheuen 37 ). Dies ist aber in der Regel eine Pubertätserscheinung und nur in den seltensten Fällen wird man hier von einer dem Jugendlichen innewohnenden habituellen Angriffssucht sprechen können. Abgesehen davon, war unter den untersuchten Jugendlichen auch kein Täter derartiger, der jugendlichen Rauflust entspringender Gewalttätigkeitsdelikte. Dies erklärt sich wohl daraus, daß die für diese Straftaten verhängten Strafen in der Regel nicht das Ausmaß erreichen, das die Zuständigkeit der Jugendabteilung der Männerstrafanstalt Graz für den Strafvollzug begründen würde. 4. Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. Hieher zählen, wie schon der Name sagt, alle Kriminellen, die gegenüber den sexuellen Anreizen nicht die nötige Beherrschung aufbringen. Ihnen allen ist gemeinsam, daß sie ihr sexuelles Wunschziel ungehemmt in die Wirklichkeit umsetzen — im Gegensatz zu manchem Nichtkriminellen, der solche sexuelle Regungen auch erlebt, aber mit Rücksicht auf die kulturellen, ethischen und rechtlichen Schranken in sich begräbt. Die Nervenärzte wissen, daß es eine Unzahl von Menschen gibt, die ihr Leben lang mit E r f o l g ihre perversen Neigungen bekämpfen oder in einer straffreien Form betätigen. Die Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit sind daher, was das Fehlen der nötigen Hemmungen und den Mangel der Selbstbeherrschung anbelangt, in gewissem Sinne mit den Verbrechern aus geringer Widerstandskraft vergleichbar. 3G 31

) S e e l i g , Mitt. Bd. IV, S. n 5 ff. ) A s c h a f f e n b u r g a. a. O. S. 167.

49 Die Triebrichtung, gegen die nicht die nötige Beherrschung aufgebracht wird, kann sehr stark variieren. Es kann sich bald um ein normales Sexualziel handeln, wie beim brutalen Notzüchter, bald um ein perverses, wie beim senilen Pädophilen oder beim Homosexuellen. Diese Unbeherrschtheit bildet das gemeinsame Merkmal fast aller Sittlichkeitsverbrecher im gesetztechnischen Sinn. Doch gibt es auch „Sittlichkeitsverbrecher", die in Wirklichkeit nicht oder wenigstens nicht vorwiegend aus sexueller Triebhaftigkeit handeln, bei denen das Begehen von Sittlichkeitsdelikten vielmehr oft einen sonstigen Erwerb vertritt, wie z. B. bei den männlichen Prostituierten. Solche Sittlichkeitsverbrecher zählen selbstverständlich nicht zur Gruppe der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit, sondern zur Gruppe der Berufsverbrecher, bzw. zu einem Mischtyp 38). Andererseits können Verbrechen gegen die Person und Eigentumsdelikte ihre Wurzel im Sexuellen haben. Man denke nur an die sadistischen Untaten, welche den Tatbestand der Körperverletzung oder Tötung erfüllen, an Sachbeschädigung oder Leichenfrevel als Ausflüsse eines verirrten Trieblebens, ferner an Eigentumsdelikte aus Fetischismus oder anderen Perversionen. W i e t h o l d 3 9 ) bezeichnet daher die Kriminellen, bei denen der Sexualtrieb den entscheidenden Beweggrund zu dem „Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit" bildet, als Triebverbrecher im engeren Sinn und unterscheidet unter diesen die Gelegenheitsdelinquenten, die kriminalpolitisch weniger bedeutsam sind, da sie meist nur einmalige Fehlhandlungen verüben, und die Gewohnheitsverbrecher (häufig rückfällige Verbrecher), bei denen meist eine irgendwie geartete soziale Minderwertigkeit vorliegt. Das Problem des Sexuälverbrechers muß also möglichst allseitig erfaßt werden, damit es im Einzelfall und als Gesamterscheinung richtig gedeutet werden kann. Unter den den Gegenstand der Untersuchung bildenden 221 erwachsenen Strafgefangenen befanden sich 65 Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit, also 29,40/0. Davon sind 10 als Gelegenheitsdelinquenten im W i e t h o l d s c h e n Sinn zu bezeichnen, da bei ihnen das Begehen von Sittlichkeitsdelikten eine Einzelerscheinung blieb (siehe E Nr. 2, 51, 85, 98, 141, 147, 1 5 1 , 160, 193, 200). In allen anderen Fällen handelt es sich dagegen um eine länger dauernde sexuelle Betätigung oder um rückfällige Sexualverbrecher. 38 ) Siehe dazu die Ausführungen über Berufsverbrecher oben S. 30 und. 36. 3 9 ) - W i e t h o l d , H W B . d. Krim. Bd. II, S. 6 1 5 .

S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

4

50 Die Altersgliederung der 65 Verbrecher aus sexueller Unbehcrrschtheit war folgende: Alter:

18-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69

Zahl:

1

8

10

9

4

2

7

8

5

8

3

Dabei wurde bei Delikten, die sich auf längere Zeitdauer erstreckten, das Alter bei Beginn der Straftat gerechnet. Die Tabelle ergibt eine ziemlich gleichmäßige Verteilung mit drei Häufungen: vor dem 25., zwischen dem 35. und 40., und einer (relativ etwas stärkeren) jenseits des 60. Lebensjahres. Diese verhältnismäßig gleichmäßige Manifestation ist darauf zurückzuführen, daß in den verschiedenen Altersklassen verschiedene Ursachen, wie geistige oder körperliche Minderwertigkeit, Alkoholgenuß, Krankheit der Ehefrau, eheliche Zerwürfnisse mit gleicher Intensität wirken 4 0 ). Abgesehen davon spielen beim Jugendgipfel (vor dem 25. Lebensjahr) auch die Nachwirkungen der Pubertät, hochgespannte Sexualität ohne die Möglichkeit adäquater Befriedigung und vielfach bestehende Hemmungen, ein vollwertiges Sexualobjekt zu suchen, eine beachtenswerte Rolle, — beim Altersgipfel die regelmäßig mit Beginn des Greisenalters eintretende Unfähigkeit zum natürlichen Sexualakt und die damit verbundene geringere Wahrscheinlichkeit, einen willfährigen, normalen Sexualpartner zu finden. Den Familienstand der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit zeigt nachstehende Tabelle: Altersklassen

ledig

unter 30 30—50 über 50

18

14 7

unter 30

27.6%

i.5%

21,8%

12,5%

30—50 über 50

verwitwet



I



8

2

10,9%

verheiratet

3,i%

geschieden

7

10,9%



getrennt lebend —

3 4

4,6% 6,2%



I

1,5%

Wir sehen daraus, daß ein sehr hoher Prozentsatz der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit unverheiratet ist, was auf eine unnatürliche Lebensführung hinweist. Von der Mittelgruppe 40 ) Fetscher Mitt. I I I , S. 1 7 4 .

Kriminalbiol. E r f a h r u n g e n an

Sexualverbrechern,

51 sind 12,50/0 verheiratet, 4,60/0 geschieden, von der Altersgruppe sind 10,90/0 verheiratet und 6,20/0 geschieden. Diese Beobachtung deutet darauf hin, daß unglückliche Ehe und Sexualverbrechen in ursächlichem Zusammenhang stehen. Natürlich werden in derartigen Fällen manche Ehen erst als Folge des Verbrechens geschieden. Bei den insgesamt 7 geschiedenen Ehen der Mittel- und Altersgruppe ging aber in 5 Fällen ( E Nr. 51,, 105, 1 4 1 , 149, 200) die Trennung dem Verbrechen voraus. Lediglich in 2 Fällen war die Scheidung die Folge von Sexualverbrechen (E Nr. 33, 179). In der Mehrzahl der Fälle sehen wir dagegen, Sexualverbrechen als Folge ehelicher Zerwürfnisse auftreten. Was das kriminelle Vorleben der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit anbelangt, waren 21 einschlägig vorbestraft, davon 14 Täter einmal, 5 Täter zweimal und 2 Täter dreimal. Selbst wenn der Trieb noch so stark ist und seiner straffreien Betätigung noch so viele äußere und innere Schwierigkeiten im Wege stehen, bedarf es doch immer noch einer mehr oder minder starken allgemeinen Persönlichkeitsentartung, um einen rückfälligen Sexualverbrecher aus abnormer Sexualkonstitution werden zu lassen. Bei vielen Verbrechern auf sexuellem Gebiet verrät sich diese schon durch eine auch auf außersexuellem Gebiet liegende Kriminalität. So waren von den 55 Sexual-,,Gewohnheitsverbrechern" (Rückfällige und solche, die ihre strafbare sexuelle Betätigung durch längere Zeit fortsetzen), 18 auch wegen Delikten vorbestraft, die nicht auf sexuellem Gebiet lagen 4 1 ). E s ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß der Geschlechtstrieb nichts Elementares und Einheitliches ist. Zur Zeit seines Erwachens, in der Pubertät tritt er als ein undifferenzierter, zielunsicherer Drang auf, der sein naturgewolltes Objekt und seine sinnvolle Betätigungsform erst in der Reifung der Persönlichkeit finden wird. Da sich die wechselnd starke Sexualspannung mit den verschiedensten Vorstellungsinhalten, Affekten und äußeren Eindrücken verbinden kann, entsteht schon innerhalb der Breite des Normalen eine Vielzahl von Spielarten geschlechtlichen Empfindens und erotischer Neigungen. Die Abweichungen des Geschlechtslebens vom Durchschnittlichen, Normgemäßen, pflegt man in quantitative und qualitative Störungen zu scheiden 42 ), wobei die ersteren wiederum zerfallen in die Formen der Hypersexualität oder Übersteigerung des Triebes uind in die Formen der 41 ) Diese nicht auf sexuellem Gebiet liegenden Vorstrafen waren jedoch für den kriminologischen T y p de$ Verbrechers nicht von so großer Bedeutung, daß die jeweiligen Täter deswegen als Miischtyp zu bezeichnen wären. « ) W i e t h o l d a. a. O. S. 615 ff.

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52, Hyposexualität oder Herabsetzung der Triebstärke. Dabei kommt der Hypersexualität die größere Bedeutung zu, während die Hyposexualität in der Regel nur zivilrechtliche Bedeutung hat und nur dann strafrechtlich gefährlich werden kann, wenn der mit ihr behaftete Mensch aus irgendwelchen Motiven heraus durch Steigerung der Reizmittel sich sexuelle Erregung zu verschaffen versucht. Was die Perversionen anlangt, die zu krimineller Sexualbetätigung führen, so sollen nur die Formen Gegenstand der Betrachtung sein, die bei den untersuchten Verbrechern in Erscheinung traten. Von den 65 Verbrechern aus sexueller Unbeherrschtheit hatten sich 26, also 400/0 an kleinen Mädchen vergangen. Diese Fälle der Pädophilie, d. h. der Neigung zu unzüchtigen Handlungen mit Kindern, sind, wie auch W i e t h o l d annimmt, im Grunde keine echte Perversion, sondern meist eine Ersatzhandlung körperlich oder geistig defekter Persönlichkeiten, insbesondere der Greise, die sich häufig nach einem völlig straffreien Vorleben, von einem Reizhunger getrieben, aber impotent für einen natürlichen Sexualakt, plötzlich an kleinen Mädchen vergehen 4 3 ). Ihnen allen fällt es schwer, Beziehungen zu vollwertigen Sexualpartnern anzuknüpfen, da sie auf erotischem Gebiet nicht genügend wettbewerbsfähig sind. Die Untersuchung bestätigt diese Annahme. Sämtliche 26 Pädophile waren mit irgendwelchen geistigen oder körperlichen Mängeln behaftet. Teilweise waren die mißbrauchten Mädchen selbst sehr zugänglich (E Nr. 2, 7, 33, 191), in anderen Fällen wurden sie durch Geschenke gefügig gemacht (E Nr. 21, 39, 40, 43) 99. I2 3> !98, 200). Im Fall E Nr. 83 mißbrauchte der Täter unter anderen auch ein schwachsinniges, 11 Jahre altes Mädchen, dessen Widerstandskraft naturgemäß noch mehr gehemmt war. Nicht zu den Pädophilen zählen dagegen die Fälle E Nr. 5, 62, 141 und 159, obwohl auch hier Mädchen unter 14 Jahren mißbraucht wurden 4 4 ), weil man in diesen Fällen nicht von einer Neigung zu kindlichen Sexualpartnern oder Ersatzhandlungen sprechen kann. Im Fall Nr. 5 entspann sich ein regelrechtes Liebesverhältnis des 26jährigen Täters mit einem sexuell aufgeklärten 13jährigen Mädchen, im Fall Nr. 62 stand das Mädchen kurz vor der Vollendung des 14. Lebensjahres, war in körperlicher 43) V g l S e e l i g (in G r o ß - S e e l i g , Handbuch der Kriminalistik, I, S. 2 7 2 ) , der 3 Gruppen von Pädophilen unterscheidet, die oben erwähnten Greise, dann junge Leute im Nachpubertätsalter, die sich noch nicht an erwachsene Mädchen herantrauen, und sexualneurotische, oft infantile Männer der mittleren Altersstufe. 44) v ^ R F e t s c h e r a. a. O. E r weist mit Recht darauf hin, daß unsittliche Handlungen an Kindern unter 14 Jahren nicht immer gleichbedeutend sind mit Pädophilie, da das Kind auch aus sehr vielen anderen Gründen mehr zufällig Sexualobjekt werden kann.

53 und sexueller Beziehung voll entwickelt und einem erwachsenen Sexualpartner gleichzustellen; außerdem waren die Verfehlungen hauptsächlich auf die schlechten Wohnungsverhältnisse zurückzuführen; im Fall Nr. 1 4 1 auf die starke Trunkenheit;, im Fall Nr. 159 auf die mit den Spülungen verbundene günstige Gelegenheit und die Krankheit der Ehefrau. Mitunter war der geschlechtliche Mißbrauch unmündiger Mädchen (in Idealkonkurrenz) mit einer Inzesthandlung verbunden: so standen Mädchen unter 14 Jahren mit ihrem eigenen Vater bzw. Großvater in Geschlechtsverkehr ( E Nr. 7, 7 1 ) . In weiteren zwei Fällen unseres Gesamtmaterials standen Mädchen über 14 Jahre in blutschänderischem Verkehr mit ihrem Vater (E Nr. 6, 37), wobei im letzteren Fall der Täter außer seiner sexuellen Unbeherrschtheit auch eine habituelle Angriffssucht zeigt, die in ständigen Mißhandlungen seiner Frau hervortritt, weshalb dieser Fall unter die Mischtypen einzureihen war (siehe unten). Diese Fälle entsprechen völlig den Erfahrungen, die auch sonst ins der Kriminologie hinsichtlich des Inzestverkehrs gesammelt wurden 4 5 ). Gleich stark vertreten waren die H o m o s e x u e l l e n . In 8 Fällen hatten sich die Täter Knaben oder Jugendliche als! Sexualobjekt gewählt (E Nr. 9, 27, 46, 48, 56, 1 1 0 , 162, 190), während in weiteren 15 Fällen die Sexualpartner das Jugendalter bereits überschritten hatten ( E Nr. 8, 82, 94, 103, 108, 1 2 1 , 125, 130, 163, 179, 184, 185, 186, 187, 195). In drei Fällen waren sowohl Erwachsene wie auch Jugendliche als Saxualpartner beteiligt ( E Nr. 24, 90, 2 1 0 ) . Die Behauptung W i e t h o l d s 4 6 ) , daß es sich bei der Homosexualität in der Regel nicht um eine ausgesprochene Hinneigung zum gleichen Geschlecht handle, da die große Mehrzahl der Homosexuellen unreife Knaben als Partner bevorzuge (was die heterogene Wurzel dieser Triebanomalie erkennen lasse), wird durch die praktischen Ergebnisse der Untersuchung also nicht bestätigt. Vielmehr war in weitaus den meisten Fällen eine Triebanomalie festzustellen, die sich in Perversitäten mit e r w a c h s e n e n männlichen Sexualpartnern äußerte. Eine solche im Phänotyp anzutreffende Triebanomalie ist aber keineswegs mit angeborener Homosexualität zu verwechseln. Vielmehr ist die eben getroffene Feststellung mit der Tatsache vereinbar, daß unter den Homosexuellen die sogenannten „echten" Homosexuellen 47 ) bei weitem in der Minderheit sind. Die Mehr46

) Vgl. G r o ß - S e e l i g ,

« ) W i e t h o l d a. a. O.

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Handbuch der Kriminalistik, I, S. 273.

) S. weiter unten im Text.

54 zahl bilden Menschen, die ursprünglich geschlechtlich durchaus normal, nämlich heterosexuell veranlagt sind. Dies beweist auch der im folgenden unternommene Versuch, die als Homosexuelle in Erscheinung tretenden Kriminellen — soweit das der Untersuchung zugängliche Material dies zuließ — nach den von S e e l i g 4 8 ) gegebenen Untergruppen näher zu typisieren. Dabei mußten vier Fälle ( E Nr. 82, 103, 186, 187) infolge unzureichender diesbezüglicher Angaben in den Akten und vor allem des Umstandes, daß die betreffenden Kriminellen infolge vorzeitiger Entlassung für eine nähere Untersuchung nicht zur Verfügung standen, für die erwähnte Untergliederung ausscheiden. Andererseits fallen jedoch diejenigen arbeitsscheuen Kriminellen, die sich aus Erwerbsgründen zu homosexuellem Verkehr bereit fanden und folglich in den kriminologischen Verbrechertypus der Berufsverbrecher einzugliedern waren (E Nr. 61, J Nr. 1, 1 1 , 26, 33) in den Rahmen dieser Spezialuntersuchung 49 ). Unter Berücksichtigung dieser Tatsache konnten insgesamt 28 Fälle verwertet werden 5 0 ). Unter all denenj die wegen homosexueller Handlungen mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten, sind die sogenannten „echten" Homosexuellen aus angeborener gleichgeschlechtlicher Triebrichtung, die grundsätzlich niemals heterosexuellen Verkehr pflegen und deren sexuelle Phantasie nur auf das eigene Geschlecht gerichtet ist, wie bereits erwähnt, weitaus in der Minderheit. Unter allen 28 homosexuellen Kriminellen fanden sich lediglich 9 „echte" Homosexuelle = 32,10/0. ( E Nr. 24, 46, 48, 56, 90, 1 2 1 , 163, 190, 2 1 0 ) . Schon die Tatsache, daß sämtliche Täter dieser Fälle unverheiratet sind, obgleich die meisten unter ihnen bereits mehr oder minder lang im heiratsfähigen Alter standen (vgl. E Nr. 24, 48, 56, 90, 1 2 1 , 190), kann als Anzeichen dafür gewertet werden, daß ihr Geschlechtstrieb nicht ganz in Ordnung ist. Die Untersuchung ihres Lebenslaufes ergab, daß sie, abgesehen von einem Fall ( E Nr. 1 2 1 ) , niemals mit einer Frau Geschlechtsverkehr gehabt hatten. Trotzdem handelt es sich aber auch im Fall E Nr. 1 2 1 um einen „echten" Homosexuellen, da dieser, wie er selbst zugab, bei dem einen heterosexuellen Verkehr weder einen besonderen Reiz noch eine geschlechtliche Befriedigung fand. Ein typisches Beispiel, wie sehr auch die Phantasie und das gesamte Denken auf das eigene Geschlecht gerichtet sein kann, bildet der Fall E Nr. 24. 48

) S e e l i g , Handbuch der Kriminalistik S. 2 5 9 f f . ) Vgl. oben S. 36 u. 49. 60 ) Darunter befindet sich auch der bei der Gruppe der jugendlichen Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit zu behandelnde Fall J . Nr. 53. (S. unten S. 5 8 f . ) 49

55 Dieser homosexuelle Arzt schildert in einem Tagebuch über 400 Fälle in ausführlichster Weise, vermutlich, um sich bei der Lektüre seiner perversen Orgien, die er mit medizinischer Sachlichkeit registrierte, später von neuem sexuell zu erregen. Zur zweiten Untergruppe zählen diejenigen Kriminellen, die ursprünglich geschlechtlich durchaus normal veranlagt sind, aber in jungen Jahren von einem älteren Homosexuellen verführt wurden und, wenn gleich sie vorher bereits heterosexuellen Verkehr hatten, infolge Fixierung ihres Triebes auf die neue Art der Befriedigung sich nur schwer von dieser erworbenen perversen Triebrichtung trennen können. Hieher gehören die Fälle E Nr. 94, 108, 184. Die Täter, ursprünglich heterosexuell veranlagt — im Fall E Nr. 108 ist der Täter sogar einmal wegen Notzucht vorbestraft—• waren alle von Homosexuellen verführt worden. Wie schwer es sein kann, von dieser erworbenen Neigung loszukommen, zeigt Fall E Nr. 184. Dort hat sich die erworbene homosexuelle Neigung derart fixiert, daß auch die später erfolgte Verehelichung diese nicht abzuschwächen oder zu beseitigen vermochte. Eine weitere Gruppe bilden ursprünglich Heterosexuelle, die infolge äußerer Absperrung vom anderen Geschlecht (in Pensionaten, Klöstern, Schiffen, Gefängnissen usw.) zu homosexuellem Verkehr als Ersatzhandlung gelangen. Unter den erwähnten 28 Homosexuellen fanden sich zwei Fälle dieser Art. Im Fall E Nr. 8 handelt es sich um einen Angehörigen des Ordens der Barmherzigen Brüder, im Fall E Nr. 1 1 0 um einen katholischen Geistlichen. Im ersteren Fall hat sich durch die Abgeschlossenheit des klösterlichen Lebens, im letzteren Fall wohl schon durch) die Absperrung im Priesterseminar eine homosexuelle Triebrichtung entwickelt. In derartigen Fällen ist allerdings, wie S e e l i g 5 1 ) hervorhebt, meist irgendeine Prädisposition zu dieser späteren Umstellung anlagemäßig vorhanden. Die Angehörigen der vierten Untergruppe — sogenannte Bisexuelle — suchen bei sonst heterosexueller Einstellung nur zeitweise homosexuellen Verkehr. Diese Erscheinung tritt insbesondere in der Nachpubertätszeit als Folge eines noch nicht voll entwickelten Geschlechtstriebes (J Nr. 5 3 ) 5 2 ) , aber auch bei Erwachsenen infolge Übersättigung und Abstumpfung gegenüber den Reizen des normalen Geschlechtslebens in Erscheinung ( E Nr. 125, 130, 179). Die Täter der genannten drei! Fälle waren ausnahmslos verheiratet (im Fall E Nr. 179 wurde die Ehe erst infolge des letzten Sittlichkeitsdeliktes geschieden), in der Regel ein Symptom dafür, daß sie geschlechtlich normal empfanden. 61

) S e e l i g , Handbuch S. 259. ) Siehe die Darstellung des Falles unten S. 58 f.

B2

56 Auch während des Bestehens der Ehe waren sie, abgesehen von der Zeit während der sie homosexuellen Verkehr hatten, durchaus heterosexuell eingestellt. Diese zeitweise homosexuelle Betätigung ist also wohl auf eine im Laufe der E h e entstandene Abstumpfung gegenüber den Reizen des normalen Geschlechtslebens und ein dadurch stärker hervortretendes Bedürfnis nach neuen Reizen zurückzuführen. Die Tatsache, daß zwei Kriminelle ( E Nr. 125, 179) wegen widernatürlicher Unzucht bereits vorbestraft sind, ändert daran nichts, da auch diese Delikte erst nach länger bestehender Ehe und damit wahrscheinlich infolge der erwähnten Übersättigung begangen wurden. Eine weitere Untergruppe bilden die Menschen, die trotz seelisch heterosexueller Neigung infolge einer Minderwertigkeitseinstellung eine Scheu vor dem anderen Geschlecht erwerben und dadurch häufig zu masturbatorischer und homosexueller Betätigung gelangen. Homosexuelle dieser Art sehen wir in den Fällen E Nr. 9, 27, 162, 185, 195. Hier handelt; es sich um körperlich ( E Nr. 195) oder geistig Defekte ( E Nr. 9, 162, 185), die im Gefühl ihrer Minderwertigkeit aus einer dadurch bedingten Scheu vor dem weiblichen Geschlecht im homosexuellen Verkehr Ersatz suchen. Dasselbe gilt auch von dem 64 Jahre alten Täter im Fall E Nr. 27, dessen Straftat vermutlich darauf zurückzuführen ist, daß er sich, im Bewußtsein zu sexuell normaler Betätigung nicht mehr potent zu sein, scheute, heterosexuelle Beziehungen anzuknüpfen. Zur sechsten Untergruppe zählen schließlich die männlichen Prostituierten, d. h. die Burschen, die sich trotz meist normalgeschlechtlicher Einstellung lediglich des Erwerbes willen an homosexuelle Männer heranmachen und ihnen gefügig sind (E Nr. 61, J Nr. 1, 1 1 , 26, 33). Bei ihnen bildet die ausschlaggebende motivierende Kraft nicht etwa der Sexualtrieb, sondern vielmehr die Arbeitsscheu und die mit gesteigerter Genußsucht verbundene Lust nach mühelosem Verdienst 53 ). Dies tritt sehr deutlich im Fall J Nr. 33 in Erscheinung, wo der Täter, als ihm die Weiterzahlung des geforderten Entgelts verweigert wurde, die Vornahme weiterer unzüchtiger Handlungen ablehnte. Eine besonders gefährliche und häufige Abart dieser Leute sind jene, die sich nicht mit dem freiwillig geleisteten Entgelt begnügen, sondern ihre Opfer unter Drohung mit Bekanntgabe und Strafanzeige erpressen ( E Nr. 6 1 , J Nr. i, 26, 3 3 ) . Im zuletzt genannten Fall betrug die Höhe des erlangten Schweigegeldes die hórrente Summe von 2500 RM., die der Täter in kürzester Zeit durch ein luxuriöses Leben verpraßte. 63 ) S. oben S. 36.

57 Zu den sexuellen Perversitäten zählen auch die als widernatürliche Unzucht strafbaren Fälle der S o d o m i e . Sieht man diei im Schrifttum mitgeteilten Fälle durch, so fällt auch hier trotz des verhältnismäßig geringen Materials die große Verschiedenartigkeit der Erscheinung auf. Unmittelbarer Anlaß ist oftmals der Alkoholrausch. Mitunter spielen auch Menschenscheu und Minderwertigkeitskomplexe eine Rolle. Unter den untersuchten Fällen fanden sich zwei Kriminelle dieser Art ( E Nr. 92, 162). Im ersteren Fall handelt es sich um einen geistig degenerierten*, menschenscheuen Stallknecht, der 7 Monate lang mit einer Kuli Unzucht getrieben hatte, im zweiten Fall um einen ebenfalls geistig minderwertigen Hilfsarbeiter, der — abgesehen von einem Versuch mit einem Knaben unzüchtige Handlungen zu begehen — in zwei Fällen (und zwar einmal mit einer Katze und später mit einer Kuh) nach vorhergegangenem Alkoholgenuß Unzucht trieb. Der letzterwähnte Fall weist uns auf die Bedeutung, die dem A l k o h o l in der Ätiologie der Sexualdelikte überhaupt zukommt. Das bei der Behandlung der Gruppe der aggressiven Gewalttäter von der allgemein-persönlichkeitsverändemden Wirkung des Alkoholgenusses Gesagte 5 4 ) gilt auch hier. Unmittelbar körperlich bedingt sind ferner die durch chronischen Alkoholgenuß entstehenden Störungen der sexuellen Erregbarkeit, die zunächst gesteigert, dann aber allmählich abgestumpft wird. Bei den Alkoholdegenerierten bilden allgemeiner körperlicher Kräfteverfall, sexuelle Hemmungslosigkeit, Gefühlsverrohung und Feigheit die Grundlage der sexuellen Entgleisung. Unter den 65 Verbrechern aus sexueller Unbeherrschtheit spielte in 9 Fällen der Alkohol eine Rolle, teils durch Genuß unmittelbar vor der Tat ( E Nr. 33, 66, 7 1 , 108, 130, 1 4 1 , 162), teils mittelbar durch zeitlich früheren, aber regelmäßigen Genuß ( E Nr. 80, 1 9 1 ) . Was die Umweltlage zur Zeit der Tat anbelangt, war sie in 20 Fällen als relativ kriminogen zu' bezeichnen, sei es, daß die gewählten Sexualobjekte ein entgegenkommendes ( E Nr. 2, 5, 33, 46, 83), oder herausforderndes Verhalten (E Nr. 7, 85) zeigten, sei es, daß andere Umstände verbrechenfördernd wirkten, wie ständiges nahes Zusammenleben und schlechte Wohnungsverhältnisse ( E Nr. 5, 7, 16, 33, 62, 1 1 2 , 1 9 1 ) , Krankheit der Ehefrau ( E Nr. 6, 33, 159), eheliche Zerwürfnisse ( E Nr. 7 1 ) 5 5 ), gemeinsame Ausflüge und gemeinsames Übernachten ( E Nr. 1 1 0 , 190). 64

) S. oben S. 47 f. ) Vgl. auch die Ausführungen bezüglich geschiedener Ehen, oben S. 5 1 . 66

58 Unter den 71 J u g e n d l i c h en befanden sich nur 5 Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit, also 7 , 1 % . Die Tatsache, daß die Jugendlichen in dieser Verbrechergruppe geringer vertreten sind als es dem relativ großen Durchschnittsanteil der Jugendlichen an Sittlichkeitsdelikten nach der österreichischen Kriminalstatistik entspricht 86 ), rührt daher, daß die Strafbemessung bei Sittlichkeitsverbrechen Jugendlicher eben mit Rücksicht auf die Pubertätskrise milder auszufallen pflegt, so daß der Großteil dieser Jugendlichen nicht durch den Auslesefilter, welcher der Untersuchung zugrunde liegt 5 7 ), erfaßt wird. Von den 5 jugendlichen Verbrechern aus sexueller Unbeherrschtheit (J Nr. 9, 39, 48, 49, 53) waren zwei — ein 17- und ein 15jähriger Täter — wegen versuchter Notzucht verurteilt (J Nr. 9, 48). Beide waren frühentwickelte Triebmenschen, bereits vorbestraft, und zwar der erste wegen Notzucht, der zweite wegen Tierquälerei. Bei letzterem, einem intellektuell schlecht entwikkelten Jugendlichen, haben sich Hand in Hand damit nicht nur gegen die Regungen des Sexualtriebes, sondern auch gegen die Regungen des Bemächtigungstriebes Hemmungsmechanismen nicht ausgebildet. Schon zur Zeit, als er noch in die Schule ging, entwendete er ein Sparkassenbuch, behob damit 805 S. und verbrauchte das Geld für sich. Die Täter der Fälle, J Nr. 39 und 49 waren zwar bisher unbescholten, aber ebenfalls von einem starken Sexualtrieb beherrscht. Sie hatten an mehreren 4- bis 7jährigen Mädchen unzüchtige Handlungen vorgenommen, wobei im Fall J Nr. 39, abgesehen von dem starken Sexualtrieb, als weiterer Antrieb der Umstand hinzukam, daß der Junge sich von seinen Kameraden nicht „nachsagen" lassen wollte, er getraue sich nicht mit Mädchen zu verkehren. Im fünften Fall (J Nr. 53) handelt es sich um einen 17jährigen, intellektuell gut entwickelten, unbescholtenen Hirten, der mit einem 9jährigen Knaben unzüchtige Handlungen vorgenommen hatte. Eine Neigung zu exhibitionistischen Akten trat dabei deutlich in Erscheinung (er zeigte dem "Knaben seinen Geschlechtsteil, onanierte und forderte ihn auf, dabei zuzusehen). Die gegenwärtige Tat ist aber wohl weniger auf eine ausgesprochen homosexuelle Einstellung als vielmehr auf eine durch die Pubertätszeit bedingte Undifferenziertheit des Geschlechtstriebes zurückzuführen, der sich allerdings infolge eines sexuellen Erlebnisses des Täters (dieser wurde im Alter von 56 ) Vgl. die von S e e l i g in der Vierteljahrschrift für Jugendkunde, 3. Jahrgang, 1. Heft mitgeteilten Zahlen, wonach der relative Anteil der Sittlichkeitsverbrecher an der Verbrechenskriminalität bei Jugendlichen 16 0/0 beträgt. " ) S. oben S. 28.

59 i o Jahren von einem 25jährigen Hirten zur Vornahme unzüchtiger Handlungen verführt) nach der homosexuellen Seite hin zu fixieren droht. Nach den von S e e l i g 5 8 ) gegebenen Untergruppen der Homosexuellen ist der Täter somit vorderhand in die Untergruppe der „Bisexuellen" einzugliedern, bei denen sich die homosexuelle Betätigung als Schwankung eines noch nicht voll entwickelten Geschlechtstriebes in der Nachpubertätszeit darstellt 69 ). Nach dem oben Gesagten ist allerdings mit der Möglichkeit zu rechnen, daß der Täter infolge Gewöhnung und-Fixierung des Triebes auf homosexuelle Befriedigung später u. U. in die Untergruppe der Verführten einzugliedern wäre. 5. Krisenverbrecher. Zu dieser Gruppe zählen alle Kriminellen, die — in der Regel bisher unbescholten — in eine Konfliktssituation geraten, aus der sie nur einen kriminellen Ausweg finden. Die Entstehung der Krise kann 1. durch ein widriges äußeres Schicksal bedingt oder 2. durch eigene Verhaltensweise herbeigeführt sein oder sie kann sich 3. als subjektive Ausstrahlung einer kritischen Phase in, der endogenen Persönlichkeitsentwicklung darstellen 60 ). E s handelt sich hier also primär um Umweltsverbrechen, die aus einem oft bis zur Verzweiflung führenden Widerstreit zwischen Antrieb und Hemmungen zu erklären sind. Doch ist der Umstand, daß eine Umweltlage als Krise empfunden wird, regelmäßig durch die Eigenart der Persönlichkeit und ihre Entwicklung bedingt. Neben dem Auslösungsproblem tritt hier also auch das Entwicklungsproblem besonders deutlich in Erscheinung 6 1 ). Sofern in diesem Sinne für das Erlebnis der „Krise" auch eine endogene Charaktereigenschaft maßgebend ist, handelt es sich somit keineswegs immer um ein „Umweltsverbrechen". Kriminalpolitisch ergibt sich daraus, daß die Einreihung als „Krisenverbrecher" nicht notwendig eine verminderte Schuldbewertung oder gar Exkulpierung einschließt. Vielmehr kann die bei der kriminellen Lösung der Krise mitwirkende Charakterdisposition auch eine — vom Standpunkt unseres Gemeinschaftsempfindens — sehr verwerfliche sein und dann ist auch die „Schuld" eines 68

) S e e l i g , Handbuch S. 259. Vgl. auch oben S. 5 4 f f . ) Vgl. den Art. Pubertätsdelikte von T ö b b e n im H W B . d. Krim. Bl. II, S. 448, wonach die echte Homosexualität im Jugendalter überaus selten vorkommt. 60 ) Vgl. die von S e e l i g , Typenproblem, a. a. O. S. 5 1 9 (jetzt oben S. 8) mitgeteilten Beispiele. « ) Vgl. S e e l i g , Mitt. Bd. IV, S. 1 1 5 . 59

60 solchen Krisenverbrechens — im Sinne der „Dispositionsschuld" nach S e e l i g 6 2 ) — eine entsprechend große. Dies gilt z. B. für die von S e e l i g angeführte Abtreibung einer Frau, die die äußeren Schwierigkeiten, in die sie durch ihre Mutterschaft geraten würde, mangels eines entsprechenden Einsatz- und Opferwillens so sehr als „Krise" erlebt, daß sie daraus nur den kriminellen Ausweg der Schwangerschaftsunterbrechung findet 6 2 a ). Weitere Beispiele von Krisenverbrechern, und zwar Jugendlicher bilden folgende zwei von S e e l i g mitgeteilten Fälle 6 3 ). 1. Ein braver, in jeder Richtung gut gearteter 14V2jähriger Bauernjunge wird durch den eigenen Vater, der in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, zur Brandlegung angestiftet, damit der Vater die Versicherungssumme erhält. Nach längerem Widerstreben willigt der Junge schließlich ein. E r befindet sich erst zu Beginn seiner Pubertätsentwicklung, der psychische Prozeß der Loslösung vom Elternhaus hat noch nicht eingesetzt. Kindesliebe und Anlehnung an den Vater, sonst sehr wertvolle Züge einer Jugendlichenpersönlichkeit, werden hier kriminogen. 2. Unter dem Druck ärgster wirtschaftlicher Notlage, in der sich eine kinderreiche Familie befindet, kommt der abgebaute Sohn, der seinem Vater nicht mehr zur Last fallen will, auf den Gedanken, 5-Schilling-Noten herzustellen und wird zum primitiven Banknotenfälscher. Hier wirkten auch relativ kriminogene Dispositionen, Nachgiebigkeit gegen Umweltslagen und verminderte Einsicht in die Schwere der Tat, mit. Unter den untersuchten erwachsenen Strafgefangenen befanden sich 2 Krisenverbrecher ( E Nr. 2 1 2 , 2 1 5 ) . Im Falle E Nr. 2 1 2 wollte der 32 Jahre alte unbescholtene Täter seiner wirtschaftlich schwer bedrängten Schwester samt Familie, der bei der angekündigten .sofortigen Lösung des Pachtverhältnisses der Verlust ihrer Existenz für nicht absehbare Zeit drohte, durch Aushändigung der Pistole helfen. E r hatte vorher Kenntnis erhalten, daß die Verpächterseheleute damit beiseite geschafft werden sollten und gab erst nach langem seelischen Kampf die Pistole mit dem Bemerken heraus, er wolle nicht wissen, was damit geschehe. Die Liebe zu seiner Schwester und deren Familie brachte ihn in eine Konfliktssituation, aus der er nur einen kriminellen Ausweg fand. Im Fall E Nr. 2 1 5 waren es die durch die erwachende Genußsucht und ein übertriebenes Geltungsbedürfnis bedingten Wirtshaus62 ) Seelig Grundsätzliches zur Strafbemessung, MschrKrBs. 18, S. 2 3 7 ( 1 9 2 7 ) ; vgl. hierzu M e z g e r . Strafrecht, S. 256. 62a ) Andere Beispiele von Krisen Verbrechern mit besonders schwerer Schuld bringt S e e l i g unten S. 1 9 1 . 63 ) S e e l i g , Mitt. Bd. IV, S. 124.

61 und Trafikschulden, die für den 19jährigen unbescholtenen Täter, einen sehr gut beleumundeten, arbeitsamen Hilfsarbeiter eine Krise bedeuteten, aus der er sich nur durch einen Einbruchdiebstahl zu retten hoffte. Von Natur pessimistisch veranlagt und wenig widerstandsfähig, neigte er mehr dazu, die ihn umgebende Umweltlage als Krise zu empfinden. Während im ersteren Fall die Krise durch ein widriges äußeres Schicksal bedingt war, wurde sie hier durch die innere Wesensart des Täters herbeigeführt. Unter den Jugendlichen waren 4 Krisenverbrecher (J Nr. 6, 19, 32, 63). Die Tatsache, daß die Zahl hier im Vergleich zu den Erwachsenen verhältnismäßig hoch ist, ist wohl auf subjektive Momente zurückzuführen. Der Jugendliche, in seiner Persönlichkeit noch unausgeglichen und nicht voll entwickelt, empfindet einmal eine Umweltlage viel eher als Krise als der Erwachsene, zum anderen steht er ihr mangels der erforderlichen Erfahrung auch rat- und hilfloser gegenüber und neigt mehr dazu), sich durch Begehung einer strafbaren Handlung Luft zu verschaffen, da ihm in der Regel auch die erforderliche Einsicht in die Schwere der Tat fehlt. I m F a l l N r . 6 war der Täter, der sich eine bessere Verdienstmöglichkeit schaffen wollte, von tschechischen Zollbeamten festgehalten worden und stand nach seiner Freilassung mit nur einigen Pfennigen Geld für Essen, Nachtquartier und die Heimreise auf der Straße. Bei seiner von Natur gegebenen pessimistischen Veranlagung, die durch seine bedingte Arbeitsfähigkeit noch genährt wurde, bedeutete diese Situation für ihn eine Zwangslage und so faßte er den Entschluß, sich das Geld, durch einen Raubüberfall zu verschaffen. Im F a l l Nr. 19 war deit.Täter ebenfalls ein pessimistischer, sonst pflichtbewußter Mensch, der in seiner freien Zeit zu Hause mithalf. Infolge der durch die Krankheit seiner Eltern bedingten mißlichen finanziellen Verhältnisse, sah er sich genötigt, seinen Arbeitsverdienst zu Hause abzuliefern, so daß er häufig mit einem Stück Brot für den ganzen Tag seinen Hunger stillen mußte. Andererseits gewann der Gedanke „wie schön es doch wäre, nur ein wenig Geld zu besitzen" immer mehr an Intensität und brachte den Jugendlichen in eine Konfliktssituation, die er durch eine Reihe von Einbruchdiebstählen beseitigen wollte. Deutlich endogen bedingt durch das erwachende Geltungsbedürfnis und die erwachende Genußsucht der Nachpubertät ist die Krise im F a l l N r . 32. Der Täter, ein I7jähriger Bäckergehilfe, der als sehr fleißig und pflichtbewußt geschildert wird, hatte seiner Freundin, der er in Hörigkeit ergeben war, versprochen, ins Kino zu gehen. Da er einige T a g e vor dem geplanten Kinobesuch sein ganzes Geld beim Kegeln verloren

62 hatte, versuchte er sich durch einen diebischen Angriff das nötige Geld zu verschaffen, um sein Versprechen einhalten zu können. D e r F a l l N r . 63 erinnert an den von S e e l i g mitgeteilten Fall, wo der Junge durch den Vater zur Brandlegung angestiftet wird 6 4 ). Der Täter, ein i6jähriger, braver, fleißiger Junge, der den größten Teil seines Verdienstes zu Hause ablieferte, um seine infolge Schwangerschaft minder arbeitsfähige Mutter zu unterstützen, begeht auf Drängen seines Stiefvaters, eines rohen und gemeinen Menschen, der das Geld vertrank und seine Frau, mißhandelte, eine Reihe von Diebstählen, um für die Mutter das notwendige Holz zu beschaffen. Auch hier hat der psychische Prozeß der Loslösung vom Elternhaus noch nicht eingesetzt, Kindesliebe und Anlehnung an die Mutter werden kriminogen. In allen 4 Fällen waren die Täter bisher unbescholten, sie legten ein umfassendes und reumütiges Geständnis ab und führten sich während der Strafhaft sehr gut, ein Zeichen dafür, daß das begangene Delikt ihrer inneren Persönlichkeit wesensfremd war und sie nur unter dem Druck einer Konfliktssitaation gehandelt haben. Auch innerhalb der Gruppe der Krisenverbrecher können sich spezielle kriminelle Charaktertypen finden 6 5 ), so das jugendliche Bürschchen, übermäßig introvertiert und von gesteigerter Spaltungsfähigkeit, Gegensätzlichkeit und Affektlabilität, das plötzlich ein Kapitalverbrechen begeht, die Geliebte tötet oder die Hand gegen die Eltern erhebt, oder bei entsprechender Umweltlage auch einen zu seinem zarten Wesen scheinbar gar : nicht passenden brutalen Raubüberfall inszeniert — keinen anderen Ausweg aus der Krise der Nachpubertät findend 6 6 ). Unter den von mir untersuchten Jugendlichen befand sich kein ausgesprochener Repräsentant dieses Typs, wenngleich Fall Nr. 6 an ihn anklingt. 6. Primitivreaktive Verbrecher. Unter Primitivreaktionen sind Reaktionen zu verstehen, wo der Erlebnisreiz nicht die entwickelte Gesamtpersönlichkeit durchläuft, sondern unmittelbar in impulsiven Augenblickstaten oder in seelischen Tiefenmechanismen reaktiv zum Vorschein kommt 6 7 ). E s handelt sich also, wie L e n z 6 8 ) ausführt, um eine «) ) Gruppe 6€ ) 67 ) 68 ) 65

S. oben S. 60. Über spezielle kriminelle Charaktertypen unter der großen der Berufsverbrecher siehe oben S. 1 0 f. u. 36. S e e l i g Typenproblem., a. a. O. S. 521 (jetzt oben S. 1 1 ) . Vgl. K r e t s c h m e r , Med. Psychologie, 5. Aufl. (1939) S. i 8 2 f f . L e n z , Grundriß der Kriminalbiologie (1927), S. 57 und 1 2 1 f f .

63 mehr oder minder unpersönliche Eigenart der Antwort auf einen Außenreiz, wobei es in extremen Fällen sogar zu einer Ausschaltung der Persönlichkeit kommen kann. Beim erwachsenen Kulturmenschen entstehen Primitivrteaktionen auf zwei Arten: entweder es durchschlägt oder lähmt ein überstarker Erlebnisreiz die höhere Persönlichkeit und bringt die niederen Schichten der Seele zur isolierten Reizung (so in Schreck- und Paniksituationen) oder es liegen Entwicklungshemmungen vor. Im letzteren Fall geben solche Individuen (infantile Persönlichkeiten, Schwachsinnige, nerven- und Willensschwäche Psychopathen, durch Alkohol, Schädelverletzung oder latente Schizophrenie Geschädigte) schon unter gewöhnlichen Erlebnisreizen Primitivreaktionen. Zur Gruppe der primitivreaktiven Verbrecher z ä h l e n — w i e S e e l i g ausführt 6 9 ) — also Menschen, bei denen eine triebhafte Strebung — meist auf imbeziller oder debiler Grundlage — unter Ausschaltung aller Hemmungsmechanismen so dominant wird, daß sie vor kriminellen Mitteln zur Erreichung ihres Strebungszieles nicht zurückschrekken. Das kriminelle Verhalten erklärt sich in vielen Fällen aus einer Strukturverschiebung 7 0 ), die vor der Tat innerhalb des Persönlichkeitsaufbaues einsetzt und die betreffende kriminogene Disposition zur Herrschaft kommen läßt. Solche Kriminelle ahnen wenige Minuten vorher nicht, daß sie ein Verbrechen begehen werden und stehen nachträglich ihrer eigenen Tat verständnislos gegenüber. Kriminologisch bedeutsame Reaktionstypen sind die Explosivreaktionen und die Kurzschlußhandlungen. Explosivreaktionen liegen dann vor, wenn starke A f f e k t e sich ohne hemmende Überlegung einfach elementar entladen. Darunter fällt auch der Affektverbrecher im engeren Sinn, bei dem die Tat durch eine Körperbewegung erfolgt, die sich biologisch als motorische Entladung einer aufs Höchstmaß gesteigerten Affektspannung darstellt (der Jähzornige schleudert in einem derartigen Erregungszustand seine eigene wertvolle Vase zu Boden). Eine typische Explosivreaktion pathologischer Variation ist auch der sog. „Zuchthausknall", der teils bei einmaligem bestimmten Anlaß, teils als endliche Entladung lange angesammelten Ärgers eintritt. Bei manchen Menschen entsteht diese explosive Diathese nur unter Alkoholwirkung, in der sie dann plötzlich die schwersten Gewalttaten begehen, die ihnen hernach ganz unbegreiflich sind. 69 )

S. oben S. 9 f. und 17. Bei ihr entsteht eine W a n d l u n g des G e f ü g e s durch biologische Entwicklungen oder einzelne Erlebnisse im Lebenslauf d e s Täters. D e n A n l a ß hiezu können Eintritt in die Pubertät oder ein radikaler Umweltswechsel bieten. 70 )

64 Eine zweite Reaktionsform stellen die Kurzschlußhandlungen dar. Darunter sind solche Reaktionen zu verstehen, wo affektive Impulse sich unter Umgehung der Gesamtpersönlichkeit direkt in Handlungen umsetzen, aber nicht in Form einer elementaren motorischen Entladung wie bei den Explosivreaktionen, sondern in Form komplizierter Handlungen. Sie können mehr in der Form eines umschriebenen inselförmigen Ausnahmezustandes auftreten oder nach Art einer normalen Handlung in sich überlegt, bei klarem Bewußtsein ausgeführt werden. Z u den Kurzschlußhandlungen zählt das sog. Heimwehverbrechen (die in die Fremde geschickte M a g d zündet, um nach Hause zu kommen, das Gehöft ihres Dienstgebers an). Manches Dienstmädchen hegt vielleicht in solcher Situation in Gedanken ebenfalls den Wunsch: wenn doch eines Morgens das Haus abgebrannt wäre, dann dürfte ich h e i m 7 1 ) . Nun würde aber die Antriebsenergie im normalen Fall einen längeren W e g zu durchlaufen haben und schließlich würde der Heimweh-Impuls zur Brandstiftung durch eine Anzahl von höheren Impulsen, die sich aus dem Gefühls- und Vorstellungsschatz der Gesamtpersönlichkeit ergeben, unterdrückt werden. Bei der Kurzschlußhandlung geht aber der Heimweh-Affekt nicht mehr durch das Filter der Gesamtpersönlichkeit, sondern erzeugt die für ihn nächstliegende Handlung, wenn sie auch von der Gesamtpersönlichkeit abgelehnt werden würde. A u c h manche Fälle des Kindesmordes unehelicher Mütter sind hieher zu rechnen. Häufig finden wir derartige Kurzschlußhandlungen in der Pubertätszeit, die mit ihrer seelischen Unausgeglichenheit und ihren überspannten Affektlagen besonders dazu disponiert ist (Selbstmord aus unglücklicher Liebe, aus Heimweh, aus Angst, nicht in die nächsthöhere Klasse aufsteigen zu dürfen usw.). K r et s c h m e r 7 2 ) führt noch eine zweite Gruppe von Kurzschlußhandlungen an, die ohne starken Affektdruck vor sich gehen und daher mehr oder minder dem schizophrenen Formenkreis angehören. Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß einem scheinbar gleichgültigen Augenblicksantrieb folgend eine Handlung begangen wird, die weder aus der Persönlichkeit des Täters,, noch aus dem Druck einer zwingenden Situation zu erklären ist. Im Gegensatz dazu stehen die Persönlichkeitsäußerungen, bei denen die volle Persönlichkeit bewußt und wollend mitarbeitet. 71) sich in Schule 72)

E s ist eine bekannte Tatsache, d a ß auch Z ö g l i n g e in Internaten Gedanken häufig ausmalen, wie schön es wäre, wenn eines T a g e s und Internat in Flammen stünde und sie nach Hause könnten. K r e t s c h m e r a. a. O. S. 187.

65 Bei G r u h l e 7 3 ) erscheinen die Primitivreaktionen unter der Gruppe der A f f e k t v e r b r e c h e r im engeren Sinn, die er unter Ausschluß aller Verbrecher aus Gewinnsucht und aller T ä t e r aus Fahrlässigkeit in zwei Gruppen teilt: diejenigen, deren Gefühlsakte auf einen Gegenstand gerichtet sind, und jene, deren A f f e k t e nur einen blinden A b f l u ß finden, ohne daß ein bestimmtes Z i e l ins A u g e g e f a ß t wird. D i e Heimwehverbrecher, harmlose j u n g e Menschen, die später keineswegs auf verbrecherische W e g e geraten, deren T a t vielmehr einzeln bleibt, rechnet er insofern zur zweiten G r u p p e : die T a t erscheint als E n t l a d u n g eines Unlustaffektes, am Gegenstand der T a t besteht kein Interesse. Unter den 221 untersuchten erwachsenen S t r a f g e f a n g e n e n befand sich nur ein primitivreaktiver Verbrecher (E Nr. 79). Der Täter, ein 57jähriger Landwirt, jähzornig veranlagt, hängt sehr an seiner um 23 Jahre jüngeren Frau, die ihm j e d o c h angeblich nie Beweise entsprechender Gegenliebe gezeigt hatte. W i e schon öfters k a m es deswegen auch im konkreten Fall zu einem ziemlich erregten Wortwechsel, in dessen Verlauf ihm die F r a u mehrere S c h l ä g e g e g e n das K i n n versetzte. A l s E n t l a d u n g lange angesammelten Ärgers würgte der T ä t e r seine Frau mit solcher Gewalt, d a ß schon nach kurzer Zeit der Erstickungstod eintrat. Bei der polizeilichen Einvernahme leugnete der T ä t e r zwar zunächst, legte aber dann ein umfassendes Geständnis ab und brach zusammen. A u c h bei der persönlichen Einvernahme in der Strafanstalt w a r er vollkommen fassungslos und begann h e f t i g zu weinen, ein Zeichen dafür, daß sich hier starke A f f e k t e ohne zügelnde Überl e g u n g elementar entladen h a b e n 7 4 ) . Unter den 71 Jugendlichen fanden sich zwei Fälle von Primitivreaktionen (J Nr. 12, 27). D i e Tatsache, daß hier die Z a h l das Doppelte der E r w a c h s e n e n beträgt, erklärt sich daraus, d a ß — wie schon erwähnt — die Pubertätszeit besonders zu derartigen H a n d l u n g e n disponiert. Im F a l l Nr. 12 setzte ein I 7 j ä h r i g e r , geistig etwas zurückgebliebener, gutmütig veranlagter Bursche die Scheune seines Firmpaten aus „ W u t " darüber in Brand, weil er von diesem keine U h r bekommen hatte. Ä h n l i c h liegen die Verhältnisse im F a l l Nr. 27, wo ein 1 7 j ä h r i g e r infantiler Knecht mit zurückgebliebener Pubertätsentwicklung aus R a c h e über seine Entlassung die Strohtriste seines Dienstgebers anzündete. " ) G r u h l e , HWB. I, S. g f f . 74 ) Vgl. dazu den von S e e l i g , Typenproblem, a. a. O. S. 520 (jetzt oben S. 9) mitgeteilten sehr ähnlichen Fall eines Musikers, der seine Frau, an der er mit besonderer Liebe hing, schließlich mit dein Messer angriff. S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

5

66 Auch in diesen beiden Fällen sehen wir also wieder die mangelnde Zwischenschaltung der Gesamtpersönlichkeit, aber nicht in Form einer elementaren motorischen Entladung, sondern in Form komplizierter Handlungen. Hier erklärt sich das kriminelle Verhalten wohl aus einer Strukturverschiebung, die infolge eines heftigen Unlustaffektes vor der Tat innerhalb des Persönlichkeitsaufbaues eingesetzt hat und die betreffende kriminogene Disposition zur ausschließlichen Herrschaft kommen ließ. 7. Überzeugungsverbrecher. Während bei den Kriminellen aller anderen Verbrechergruppen das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Straftat mehr oder minder starke Hemmungen, die dann freilich im Zusammenwirken von Tatzedtpersönlichkeit und Umweltlage letzten Endes ausgeschaltet werden, erzeugt, tritt bei den Überzeugungsverbrechern an Stelle der Überwindung jener Hemmungen ein Antrieb als Folge einer wertbetonten Überzeugung, zur Begehung der Tat verpflichtet zu sein. Schon die Antike lieferte hierfür eindrucksvolle Beispiele (Antigone, Sokrates). Der Überzeugungsverbrecher existiert daher — wie R a d b r u c h feststellte 7r> ) — als k r i m i n a 1 p s y c h o l o g i s c h e r Typ, ob man nun den im Entwurf 1922 aufgetauchten Vorschlag, ihm eine strafrechtliche Sonderbehandlung zuteil werden zu lassen, billigt oder nicht. E r begeht die Tat nicht um materieller Werte willen, sondern in Befolgung einer von ihm anerkannten sittlichen Pflicht, die der staatlichen Rechtsordnung widerstreitet. Ihm gegenüber fehlt dem Staat die sittliche Überlegenheit des Strafenden, die sonst das Wesen der Strafe mitbestimmt; er bestraft daher einen solchen „Andersdenkenden" nur zum Zwecke der Sicherung und der Abschreckung anderer. Da er ihn aber bestraft, hat auch die kriminologische Typenlehre, die ihr Gegenstandsgebiet vom jeweiligen staatlichen Straf recht vorgegeben erhält, den Überzeugungsverbrecher als einen Sondertyp innerhalb der „Kriminellen", d. h. aller mit dem Strafgesetz in Konflikt Geratenen, zu erfassen. Überzeugungsverbrecher sind daher in der Regel Menschen mit einer in der Persönlichkeit gelegenen Grundtendenz zu stark motivierenden Idealbildungen. Dem steht nicht entgegen, daß — wie es bei vielen politischen Überzeugungsverbrechern der Fall ist — der Wunsch nach einer mit dem Eintritt des erstrebten Zieles vermeintlich verbundenen besseren Lebensgestaltung sowie Betätigungsdrang, Ruhmsucht oder Eitelkeit mit eine Rolle spielt 76 ). 76 ) Radbruch reohtsw., 44, S. 34.

Der Überzeugungsverbrecher, Z. f. d. ger. Straf-

67 Unter den 221 untersuchten erwachsenen Strafgefangenen befanden sich 35 Überzeugungsverbrecher (15,80/0) einschließlich der wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilten 6 Täter, die — wie schon erwähnt — nur auf Grund persönlicher Einvernahme eingegliedert werden konnten 7 7 ). In diesen 6 Fällen sind die Täter — es handelt sich durchwegs um deutsche Staatsangehörige, die zur Zeit ihrer Verurteilung im Alter zwischen 20 und 28 Jahren standen — schon von frühester Jugend an im sozialdemokratischen Sinn erzogen worden. Zunächst waren sie Angehörige sozialistischer Jugendverbände, traten später der kommunistischen Partei bei, wo sie sich durch Herstellung und Verbreitung von Druckschriften und Werbung von Mitgliedern betätigten. Bei der persönlichen Einvernahme erklärten sie ausnahmslos, sie hätten sich aus vollster Überzeugung von der Richtigkeit und Notwendigkeit der kommunistischen Ideen in dem oben erwähnten Sinne betätigt. In zwei Fällen (E Nr. 2 1 7 , 2 2 1 ) spielte unverschuldete Arbeitslosigkeit, die sich nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch auf die seelische Lage des Betroffenen auswirkte, eine unterstützende Rolle. Von den 6 wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilten Probanden waren 3 einschlägig vorbestraft, und zwar einer wegen Hochverrats ( E Nr. 2 1 8 ) und zwei wegen Diebstahls aus politischen Motiven — sie hatten Schreibmaschinen zur Herstellung kommunistischer Druckschriften gestohlen ( E Nr. 2 1 6 , 220). Von den ü b r i g e n 29 Überzeugungsverbrechern waren 2 wegen Mordes, 19 nach dem Heimtückegesetz vom 20. 12. 1934, 1 Täter wegen Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen vom 1. 9. 1939, 2 Täter nach dem Heimtückegesetz und der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen, 3 wegen Teilnahme an einer wehrfeindlichen Verbindung — sie hatten sich in der Vereinigung der internationalen Bibelforscher aktiv betätigt — und 2 wegen Beihilfe zur Wehrdienstentziehung verurteilt. 3 Täter waren Angehörige des ehemaligen jugoslawischen Staates, die als solche bei jeder Gelegenheit ihrer ablehnenden Gesinnung gegen das Deutsche Reich und insbesondere gegen die nationalsozialistische Weltanschauung Ausdruck gaben. Vorbestraft waren insgesamt 10, davon einschlägig 2 Probanden ( E Nr. 172, 180), und zwar im ersteren Fall nach dem Heimtückegesetz, im letzten Fall, wo es sich um einen Angehörigen der Vereinigung der intern. Bibelforscher handelt, wegen Beleidigung einer gesetzlich anerkannten 76 ) Vgl. auch G r u h l e , H W B . Bd. I, S. 9 1 2 ff., G a u p p , Monatsschr. f. Kriminalbiol. 17, S. 39^ und die daselbst bezeichnete Literatur. 77 ) Diese Fälle wurden in der im Anhang gegebenen Einzeldarstellung am Schluß (unter Nr. 2 1 6 — 2 2 1 ) wiedergegeben.

5*

68 Religionsgesellschaft. Ebenso wie bei den 6 wegen Vorbereitung zum Hochverrat Verurteilten entsprangen auch die Taten dieser 29 Überzeugungsverbrecher politischen und weltanschaulichen Beweggründen. In 9 Fällen sind die Täter überzeugte Anhänger der marxistischen bzw. kommunistischen Lehren und waren zum Teil Mitglieder der sozialdemokratischen oder kommunistischen Partei bzw. ihrer Gewerkschaften (E Nr. 26, 49, 52, 74, 77, 172, 177, 183, 189). In einem Fall ( E Nr. 194) war der Täter, Angehöriger des ehemaligen jugoslawischen Staates, früher Mitglied der roten Gewerkschaft, nach deren Verbot Mitglied der christlich-sozialen Gewerkschaft und des österreichischen Heimatschutzes. Für seine Tat war weniger eine politische Gesinnung bestimmend als vielmehr der nationale Haß des Jugoslawen, dem er auch durch ein äußerst ablehnendes Verhalten gegenüber seinen deutschen Arbeitskameraden Ausdruck verlieh. 1 1 Probanden handelten aus politischen uind konfessionellen Motiven, sie waren in Österreich früher größtenteils. Mitglieder konfessioneller Parteien oder Vereinigungen und hatten zum Teil führende Stellungen und Ämter inne. So handelt es sich im Fall E Nr. 14 um einen ehemaligen Führer des österreichischen Heimatschutzes, der bei Abwehr des Juliputsches 1934 den Befehl gab, auf Nationalsozialisten zu schießen, im Fall E Nr. 107 um einen Obmann der Ortsgruppe der christlichsozialen Partei und des christlichsozialen Lehrerbundes, im Fall E Nr. 166 um einen ehemaligen Bürgermeister und Ortsleiter der Vaterländischen Front, im Fall E Nr. 201 war der Täter Gemeinderat der christlichsozialen Partei, Landesleiter der Vaterländischen Front in der Fachgruppe Post und später Landesorganisations-Referent. In diesen Fällen hat •die mutige Beibehaltung der im alten Österreich erworbenen politischen Überzeugung nach dem Anschluß im Jahre 1938 notwendig zu Konflikten mit dem nationalsozialistischen Regime geführt. In 8 Fällen waren überwiegend religiöse Gesichtspunkte ausschlaggebend ( E Nr. 18, 53, 58, 60, 75, 170, 180, 209). In den Fällen E Nr. 18, 60, 75, 170 waren die Täter katholische Geistliche, die die Belange der Kirche verteidigten, im Fall E Nr.i 209 handelt es sich um einen Arbeiter-Mittelschüler, der durch die Erklärung, er könne nicht „dem Führer und dem Papst zugleich dienen",* seiner Überzeugungstreue Ausdruck verlieh. In den Fällen E Nr. 53, 58, 180 waren die Täter Angehörige der Vereinigung der internationalen Bibelforscher, die schon seit Jahren in dieser Sekte aktiv tätig waren. Ein aufschlußreiches. Bild ergibt auch die Betrachtung der Altersstufen der 35 Überzeugungsverbrecher.

69 Alter

bis 20

Anzahl der Täter

2

21—30 31—40 4 1 — 5 ° 10

3

9

51—60 61—70 j

I

O

70 und älter

0

1

A u f f a l l e n d ist hier die starke H ä u f u n g der Altersstufen unter 30 Jahren mit 12 und über 40 Jahren mit 20 Verurteilten. D i e E r k l ä r u n g hierfür liegt bei der ersten Gruppe wohl bei der besonders stark motivierenden K r a f t des jugendlichen Idealismus und bei der zweiten Gruppe in dem Umstand, daß gerade im hohen Alter stehende Persönlichkeiten vielfach erst die innere R e i f e und Charakterbeständigkeit erlangt haben, um auch bei einer plötzlichen Änderung der äußeren politischen Verhältnisse (wie dies bei der A n n e x i o n Österreichs durch das R e i c h im Jahre 1938 der Fall war) nicht wie die meisten Mitläufer umzuschwenken, sondern an ihren bisherigen A n s c h a u u n g e n festzuhalten. Unter den 71 untersuchten Jugendlichen war ein Überzeugungsverbrecher, J Nr. 65. E s handelt sich um einen 16jährigen unbescholtenen Schüler mit guter Intelligenz, der sich nur deshalb an drei sehr raffiniert angelegten Einbruchdiebstählen beteiligte, um sich nicht Unkameradschaftlichkeit und Feigheit vorwerfen lassen zu müssen. E r lehnte eine Beteiligung ä n dem Beuteerlös ab. Einer dieser Einbruchsdiebstähle richtete sich g e g e n die HJ.Gebietsführung, wo mehrere L u f t d r u c k w a f f e n und andere Gebrauchsgegenstände entwendet wurden, o b w o h l er selbst als illegaler A n g e h ö r i g e r der H J . i m Jahre 1937 die Schule verlassen mußte und zuletzt das A m t eines Fähnleinführers bekleidete. Hier tritt uns die Idee der K a m e r a d s c h a f t , sonst ein erstrebenswertes Ideal, in einer extrem verschrobenen F o r m und Überwertigkeit entgegen, auf Grund deren der Jugendliche sich zur Begehung der T a t verpflichtet fühlte. 8. Verbrecher aus M a n g e l an Gemeinschaftsdisziplin. Jede Rechtsordnung bedeutet einen A u s g l e i c h zwischen der Freiheit des Einzelnen und dem Interesse der zur staatlichen Einheit zusammengeschlossenen Gemeinschaft, denn eine schrankenlose Betätigung jener Freiheit würde zum „ K a m p f aller g e g e n alle" führen und dem Gemeinschaftsinteresse widerstreiten. Jeder Staat, auch der demokratischeste, fordert daher eine Beschränk u n g jedes Einzelnen 7 8 ), jedoch tritt in autoritär regierten Staaten 78 ) S e e l i g , oben S. 18. So war in der nordamerikanischen Union während der sog. Prohibition (1920—1933) auch der Ausschank und Kauf eines Glases Wein strafbar; Ausschankbeschränkungen für das Wochenende bestehen auch heute noch in den skandinavischen Ländern.

70 diese Bindung an die Gemeinschaft besonders betont in Erscheinung. Dies mußte im Dritten Reiche — wie z. B. aus den Arbeiten von Schaffstein und Dahm über die Ehrenstrafe hervorg e h t 1 9 ) — auch die Entwicklung des Strafrechtes beeinflussen, die dahin ging, in der Strafe ein Urteil über den Wert oder Unwert des Täters für das Volk und im Verbrechen einen Bruch mit der Gemeinschaft zu erblicken 8 0 ). Jedes Verbrechen, gleich welches Rechtsgut dadurch verletzt wird, ist nach dieser Ansicht im weiteren Sinn als Nichtachtung vor den Normen der Gemeinschaft aufzufassen und deutet daher auf einen Mangel an Gern eins chaftsdisziplin in der Persönlichkeit des Täters, durch den erst die sonst noch bestehenden kriminogenen Dispositionen wirksam werden können. Demgegenüber spricht S e e l i g in einem engeren Sinn von „Verbrechern aus Mangel an Gemednschaftsdisziplin" in jenen Fällen, in denen dieser Mangel o h n e s o l c h e a n d e r e k r i m i n o g e n e D i s p o s i t i o n e n schon für sich allein zum Verbrechen führt. A u c h in normalen Zeiten stellen die Interessen des Volkes jene Wertordnung dar, von der die Rechtsnormen ihre innere Berechtigung ableiten, und kein Gesetzgeber unterläßt es daher, eine rechtliche Neuerung mit einem Hinweis auf das Gemeinwohl zu begründen 8 0 3 ). In Kriegszeiten pflegt diese Bindung des Einzelnen an das Staatsinteresse noch stärker hervorzutreten; in allen kriegführenden Staaten wurden freiheitsbeschränkende Rechtsnormen mit Strafandrohungen erlassen. Unter einem autoritären Regime wurde daher durch ein solches „Kriegsstrafrecht" die Freiheitsbeschränkung des Einzelnen verdoppelt. A b e r auch da versäumte man nicht, eine solche Überbevormundung als Erfordernis der Gemeinschaft hinzustellen. So wurde sogar versucht, das Verbot des Abhörens ausländischer Sender damit zu rechtfertigen, daß hiedurch „die seelische Einheit, die geistige Geschlossenheit und die Willenszusammenfassung des Volkes gefährdet würde I" 8 1 ) Unter den Verbrechern aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin im Sinne der S e e l i g s e h e n Verbrechergliederung sind daher die. Kriminellen zu verstehen, die — sei es auch nur aus Leichtsinn, Neugierde, Bequemlichkeit — gegen diese besonderen Normen 79) S c h a f f s t e i n , Ehrenstrafe und Freiheitsstrafe, D S t r R . 34/ 273ff*> D a h m , Die Erneuerung der Ehrenstrafe, D J Z . 1934 Sp. 821 f. 8») D a h m , ebenda, Sp. 827. soa) S e e l i g , Nützlichkeit und Recht. Ztschr. f. österr. Recht, 1, S. S. 5 ff. ( 1 9 4 6 ) . 8 1 ) F r e i s l e r , Z u r Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen, D J . 1940, S. 107.

71 des Gemeinschaftslebens verstoßen. Im Kriegsjahr 1940 fielen darunter hauptsächlich: Verstöße gegen die staatliche Wirtschaftslenkung, die Verbrauchsbeschränkung und die Arbeitspflicht; das Abhören ausländischer Sender und das Weiterverbreiten von Nachrichten ausländischer Sender, wenn es aus bloßer Neugierde bzw. Geschwätzigkeit geschah; ferner Äußerungen, die nach dem Heimtückegesetz strafbar waren, sofern sie nur einem Hang zum Opponieren und Kritisieren, nicht aber einer inneren Überzeugung entsprangen (im Gegensatz zum Überzeugungsverbrecher, der zum Teil dieselben Delikte begeht, sich aber zur Begehung der Tat verpflichtet fühlt). Hingegen traten andere Verstöße gegen die Gemeinschaftsdisziplin in der Kriegszeit zurück, so besonders die Verstöße gegen die Verkehrsdisziplin, was mit der rigorosen Drosselung des privaten motorischen Verkehrs zusammenhing (im untersuchten Material konnten Verkehrssünder überhaupt nicht vertreten sein, weil sie — auch bei gerichtlicher Verurteilung zu Arreststrafen — nicht in die Einlieferungskompetenz der Strafanstalt fielen). Von den 221 erwachsenen Strafgefangenen waren 12 in die Gruppe der Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin einzuordnen (5,40/0). Darunter befanden sich ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher, ein ehemaliger Gemeindebeamter, 2 Landwirte und 7 Angehörige des Arbeiterstandes. 8 Probanden waren unbescholten, 3 waren wegen geringfügiger, nicht einschlägiger Übertretungen vorbestraft^ ein Täter wies eine Vorstrafe wegen Preistreiberei auf, ein Zeichen dafür, daß er auch früher schon gegen die Belange der Gemeinschaft verstoßen hat. In dem den Gegenstand der gegenwärtigen Strafhaft bildenden Verfahren waren 6 Kriminelle wegen Abhörens ausländischer Sender bzw. Weiterverbreitung derartiger Nachrichten ( E Nr. 20, 50, 137, 146, 204, 2 1 1 ) , 4 nach dem Heimtückegesetz ( E Nr. 126, 157, 168, 1 7 3 ) , 1 Täter wegen Wehrdienstentziehung ( E Nr. 158) und ein weiterer wegen Arbeitsverweigerung^ Nr. 95) bestraft 81 a ). In keinem der Fälle war eine ausgesprochene staatsfeindliche Einstellung festzustellen. Die meisten Probanden hatten sich auch vor dem Anschluß politisch nicht betätigt; nur 1 Proband gehörte früher kurze Zeit der sozialdemokratischen Partei an ( E Nr. 2 1 1 ) . aber weniger aus Überzeugung als vielmehr aus beruflichen Gründen. 2 Probanden hatten sogar Auszeichnungen im 1. Weltkrieg erhalten (E Nr. 137, 2 1 1 ) . Das Abhören der ausländischen Sender 8ia) Verstöße gegen die Verbrauchsregelungsstrafverordnung wurden im Jahre 1940 nicht mit so schweren Strafen geahndet, daß die Verurteilten in das dieser Untersuchung zugrunde liegende Gefangenenmaterial fielen.

72 geschah in allen Fällen lediglich aus Neugierde, die dadurch noch gesteigert wurde, daß es verboten war. Im Falle E Nr. 20 hatte der Täter den Apparat zunächst sogar beim Verkäufer gelassen, um nicht in Versuchung zu kommen, ausländische Sender zu höjen. E r habe dann angeblich nur feststellen wollen, ob der Vatikansender tatsächlich einem polnischen Geistlichen zur Verfügung gestellt wurde. Im übrigen habe er die Nachrichten mit tiefer Empörung gehört. Im Fall E Nr. 20 wollte der Täter lediglich Nachrichten über die Umsiedlung der Balten-Deutschen, worunter er viele Verwandte hatte, von denen er schon lange ohne Nachricht war, hören. Im Fall E Nr. 2 1 1 hörte der Täter neutrale Sender und glaubte, daß dies nicht so strafwürdig sei. Auch die nach dem Heimtückegesetz verurteilten Täter machten die Äußerungen nicht etwa aus einer negativen inneren Grundeinstellung, sondern mehr aus einem Hang zum Räsonieren und aus momentaner Gereiztheit. So war es im Fall E Nr. 126 die Unzufriedenheit über die eigenen finanziellen Verhältnisse, im Fall E Nr. 157 der durch die Einziehung eines Familienangehörigen und eines Angestellten zum Wehrdienst verschärfte Mangel an Arbeitskräften, im Fall E Nr. 168 die (unter Alkoholgenuß gesteigerte) Unzufriedenheit über die durch die Kriegführung verursachten persönlichen Einschränkungen, im Fall E Nr. 1 7 3 ein pathologischer Hang zum Kritisieren, was die Täter zu den strafbaren Äußerungen veranlaßte. Auch der wegen Arbeitsverweigerung verurteilte Täter ( E Nr. 95) war in die Gruppe der Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin, nicht etwa in die Gruppe der Berufsverbrecher einzugliedern, denn er ist nicht der Typ des; asozialen arbeitsscheuen Menschen, bei dem das Begehen von Delikten seinen sonstigen Erwerb vertritt; er ist vielmehr der typische Arbeitsbummler, der sich aus Bequemlichkeit vor schwerer Arbeit drückt, aber sonst kein Erwerbsdelikt gegeht. Und so bestärkte ihn der durch den Krieg bedingte Mangel an Arbeitskräften in dem Bestreben, diesen Zustand für sich auszunützen. Ähnlich war es auch bei dem wegen Wehrdienstentziehung verurteilten Täter ( E Nr. 158) Mangel an Bereitschaft zur Erfüllung militärischer Pflichten, die ihn zu seiner Tat veranlaßten. Unter den 71 Jugendlichen waren 3 Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin (4,20/0). Der verhältnismäßig hohe Anteil der Jugendlichen an dieser Verbrechergruppe erklärt sich wohl daraus, daß der Jugendliche in seiner Unausgeglichenheit und seinen noch ungezügelten Antrieben mehr dazu neigt, sich über Bindungen, die eine Einschränkung seiner persönlichen Freiheit bedeuten, hinwegzusetzen. Im Fall J Nr. 4 war der Täter —

75 ein unbescholtener, hilfsbereiter, aber willensschwacher i öjähriger Malerlehrling — wiederholt pflichtwidrig von seiner Arbeitsstelle fern geblieben mit der Begründung, er hätte zu großes Schlafbedürfnis gehabt und sich außerdem geschämt, in seiner schlechten Kleidung dort zu erscheinen. In zwei Fällen handelt es. sich um Zuwiderhandlung gegen die Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen (J Nr. 29, 38). Im Fall J Nr. 38 hatte ein I7jähriger unbescholtener Praktikant aus Gedankenlosigkeit und Wichtigtuerei die Nachrichten mehrerer ausländischer Sender abgehört und sie einigen Kameraden weiter erzählt. Auch im Fall J Nr. 29 war es ausgesprochene Neugierde, die den Täter, einen 16jährigen, wegen öffentlicher Gewalttätigkeit vorbestraften Bäckerlehrling, zum Abhören de& Senders Toulouse und Mailand veranlaBte; im Gegensatz zum früheren Fall handelt e& sich aber hier um einen selbstsüchtigen Menschen, der nach einer im Urteil getroffenen Feststellung sich auch in seinem sonstigen Leben den Interessen der Gemeinschaft nicht unterordnen will. B. M i s c h t y p en. Eingangs wurde bereits darauf hingewiesen, daß ein und dasselbe Individuum die Merkmalsgruppen des einen wie auch eines anderen Typs aufweisen kann, daß sich also ein konkreter Fall öfters unter mehrere der behandelten Verbrechergruppen einordnen läßt 8 2 ). Auch E x n e r 8 3 ) betont, daß dem reinen Typ ein Mischtyp, der mehrere Hauptrichtungen der Kriminalität aufweist, gegenübersteht und daß innerhalb dieser Mischtypen zu unterscheiden ist, wie sich die einzelnen Betätigungsformen z e i t l i c h zueinander ordnen. J e nachdem, ob sie gleichzeitig in Erscheinung treten oder sich ablösen, unterscheidet E x n e r einen P a r a l l e l t y p oder einen W a n d l u n g s t y p 8 4 ) . Unter den 292 untersuchten erwachsenen und jugendlichen Strafgefangenen waren insgesamt 20 Mischtypen (6,80/0) festzustellen. Dabei handelt es sich in 17 Fällen um Paralleltypen (Erwachsene 15, Jugendliche 2) und in 3 Fällen — die Täter waren Erwachsene —• um Wandlungstypen. 82

) S e e l i g , T y p e n p r o b l e m , a . a . O . S. 5 1 7 U . 5 2 1 ( j e t z t o b e n S . 5 u . 10). ) E x n e r , Krimmalbiologie, S. 260. 84 ) Vgl. auch K a d e k a : „ W i r können nicht jeden Kriminellen einfach in diese oder jene Gruppe einordenen. Oft werden wir Mischformen finden und müssen eben die Behandlung wählen, die beiden Typen g e : recht wird." Mitt. d. kriminalbiol. Ges. 2, S. 57. Ebenso L e y p o l d : „ W i r scheuen uns im Strafvollzug vor den Menschentypen und vor der strengen Formel. Die meisten der Gefangenen stellen ohnehin Mischtypen dar." Bl. f. Gefängnisk. 56, S. 3 4 1 . Ferner R o h d e n : „ I n den meisten Fällen werden sich Übergänge und Mischformen zeigen." Einführung in die ¡kriminalbiologische Methodenlehre, S. 129. 83

74 i. Bei den 17 P a r a l l e l t y p e n ergab sich im einzelnen folgendes Bild: In die Gruppe der Berufsverbrecher und der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit waren 5 Täter (3 Erwachsene und 2 Jugendliche) einzuordnen (Erwachsene Nr. 41, 42, 140; Jugendliche Nr. 22, 55). Die Erwachsenen waren durchwegs erheblich einschlägig vorbestrafte, arbeitsscheue Elemente, die ihr sexuelles Wunschziel ungehemmt in die Wirklichkeit umsetzten. So war der Täter im Fall E Nr. 41 — ein erst 24 Jahre alter Hilfsarbeiter — zuletzt wegen widernatürlicher Unzucht und Diebstahls verurteilt — bereits vierzehnmal wegen Diebstahls vorbestraft. Im Fall E Nr. 42 war der Täter — ein 47 jähriger Maschinenschlosser — insgesamt zehnmal einschlägig vorbestraft, davon neunmal wegen Diebstahls und einmal wegen Schändung. Die gegenwärtige Strafe verbüßte er ebenfalls wegen Schändung. Im Fall E Nr. 140 hatte der Täter, ein 36 Jahre alter landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, der es an keinem Dienstplatz längere Zeit aushielt, vier Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei und eine wegen Diebstahls. Von Natur aus körperlich und geistig zurückgeblieben, suchte er seinen Sexualtrieb meist durch Sodomie zu befriedigen. In den beiden ersten Fällen hatten die Täter die Kinder durch kleinere Geschenke, vor allem durch Hingabe von Geld, gefügig gemacht. Von den beiden Jugendlichen (J Nr. 22, 55) war der erste unbescholten. Da er zur Zeit der Tat erst 15 Jahre alt war, kommt diesem Umstand jedoch keine praktische Bedeutung zu. Im übrigen aber zeigte er neben ungehemmter Bisexualität alle Frühzeichen künftigen Berufsverbrechertums. Der andere Jugendliche — ein 17 jähriger Hilfsarbeiter — war bereits wegen Diebstahls vorbestraft und 2 Jahre in einer Erziehungsanstalt untergebracht. E r ist ein sittlich vollkommen verwahrloster, gegen Erziehungsmaßnahmen gleichgültiger Mensch, der sich vor jeder Arbeit drückte und mit Kindern Unzucht trieb. 5 Probanden waren gleichzeitig in die Gruppe der Berufsverbrecher und in die Gruppe der aggressiven Gewalttäter einzuordnen ( E Nr. i, 100, 132, 165, 167). Sämtliche Täter waren arbeitsscheue, asoziale, meist der Trunkenheit verfallene Individuen, die in ihrer habituellen Aligriffssucht immer wieder auf Personen ihrer Umgebung mit Beschimpfungen und Tätlichkeiten losgingen. So war es im Fall E Nr. 1 eine ablehnende Antwort, im Fall E Nr. 100 ein kleiner Wortwechsel und eine belastende Zeugenaussage, im Fall E Nr. 132 das Eingreifen der Gendarmeriebeamten, wodurch die Täter zu den gehässigen Äußerungen, Beleidigungen und Tätlichkeiten veranlaßt wurden. Die zwei restlichen Probanden waren zwar im gegenwärtigen Verfahren nicht

75 wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, sondern wegen Arbeitsverweigerung bzw. Diebstahls verurteilt ( E Nr. 165, 167). Doch trat in ihrem kriminellen Vorleben ihre aggressive Natur deutlich in Erscheinung. Im ersteren Fall war der Täter insgesamt 2 5 mal vorbestraft, davon 18 mal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten und 7 mal wegen Diebstahls. Im letzteren Fall hatte der Täter 19 Vorstrafen, davon 6 wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, 3 wegen Bettels und Landstreicherei und 10 wegen Diebstahls. Ein ähnliches Bild ergab sich auch in den übrigen 3 Fällen ( E Nr. 1, iöo, 1 3 2 ) . Im Fall 1 war der Täter 1 5 mal vorbestraft, darunter 1 1 mal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten und Trunksucht und 4 mal wegen Diebstahls, Bettels und Landstreicherei; im Fall 100 insgesamt 13 mal, davon 4 mal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, 5 mal wegen Bettels und Landstreicherei und 4 mal wegen Diebstahls. Im Fall 132 hatte der Täter die horrente Anzahl von 81 Vorstrafen, darunter 9 wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, 6 wegen Diebstahls, 4 wegen Betrugs und 62 wegen Bettels und Landstreicherei. Ein Proband war in die Gruppe der Überzeugungsverbrecher und der aggressiven Gewalttäter einzuordnen ( E Nr. 10). Hier handelt es sich um einen fünfmal, zuletzt erst im Jahr 1939, wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten vorbestraften, 34jährigen Hilfsarbeiter,-der von Jugend an im kommunistischen Sinn erzogen wurde, später auch Angehöriger der kommunistischen Partei war, und aus dieser Einstellung heraus in der Öffentlichkeit ablehnende Äußerungen gegen die Reichsregierung machte. Im Zusammenwirken seiner Überzeugung und der ihm innewohnenden habituellen Angriffssucht nahmen die gemachten Äußerungen besonders scharfe Formen an. 6 Probanden waren gleichzeitig in die Gruppe der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit und die Gruppe der aggressiven Gewalttäter einzureihen (E Nr. 25, 37, 91, 144, 174, 196). Davon waren 4 Täter 50 Jahre und älter, ein Täter war 44 und ein weiterer 36 Jahre alt. Wag den Familienstand anbelangt, waren 3 Täter geschieden, 2 verheiratet und 1 Täter war ledig. In 5 Fällen handelte es sich um notorische Trinker, die zum Teil auch geistig minderwertig waren. Wie schon oben bei der Behandlung der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit sehen wir auch hier wieder: weitaus die meisten Täter standen bereits im höheren Alter, waren geschieden, dem Trünke ergeben und zeigten irgendwelche biologische Defekte. Daneben wiesen sie auch die Merkmale der aggressiven Gewalttäter auf, die sich häufig schon in der Ausführung der Sittlichkeitsdelikte äußerten. Wenn das^e-

76 wünschte Sexualobjekt nicht willfährig war, so schritten die Täter kurzerhand zu roher Gewaltanwendung (E Nr. 144, 174). Dabei ist natürlich die Tatsache, daß ein Notzuchtsverbrechen vorliegt, für die Einreihung des Täters in die Mischgruppe der Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit und der aggressiven Gewalttäter für sich allein nicht ausschlaggebend, wenn sie auch ein gewisses Maß von Rohheit und Brutalität in der Person des Täters verrät. Die dabei erfolgte Gewaltanwendung muß vielmehr ein Ausfluß einer habituellen Angriffssucht des Täters sein; umgekehrt braucht, falls eine solche gegeben ist, das letzte Sexualdelikt keineswegs mit Gewaltanwendung begangen worden zu sein. In allen 6 Fällen handelt es sich um ausgesprochen aggressiv veranlagte Persönlichkeiten. So ergab sich im Fall E Nr. 37 der Täter schon bald nach seiner Eheschließung dem Trünke, kümmerte sich nicht um seine Wirtschaft und mißhandelte bei jeder Gelegenheit seine Ehefrau. Ähnliche Verhältnisse finden wir im Fall E Nr. 196. Im Fall E Nr. 144 drohte der Täter, der einen Notzuchtsversuch unternommen hatte, seinem Dienstgeber mit Brandlegung und Halsabschneiden, weil er von ihm wegen einer schlecht ausgeführten Arbeit zurechtgewiesen worden war. Im Fall E Nr. 174 kam es zu einer mehrhaften Gewaltanwendung, die sogar zu einer, wenn auch leichten Körperverletzung der Genötigten führte. Der aggressive Einschlag verrät sich aber außerdem auch durch die Tatsache, daß der erst 35 Jahre-alte Täter bereits dreimal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten vorbestraft war. Auch in den zwei restlichen Fällen ( E Nr. 25, 9 1 ) handelt es sich, wie sich aus den Vorstrafen schließen läßt, um Täterpersönlichkeiten mit aggressivem Einschlag. So war der Täter im Fall JMr. 25, der das Kind nach der Unzuchtshandlung geschlagen hatte, bereits 7 mal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, der Täter im Fall Nr. 91 3 mal wegen widernatürlicher Unzucht ufid einmal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten vorbestraft. 2. Während die bisher besprochenen Fälle Paralleltypen darstellen, bei denen verschiedene Kriminalitätsrichtungen gleichzeitig in Erscheinung traten 8 5 ), waren drei Fälle als W a n d l u n g s t y p e n anzusprechen ( E Nr. 30, 67, 1 6 1 ) . Der Wandlungstyp ist eine besonders interessante Erscheinung, die vor allem mit der Entwicklung der Person im zunehmenden Alter zusammenhängt 86 ). Mitunter spielt neben solchen in der Person des Täters liegenden Gründen, wie zunehmendes Alter, Krankheit, Alkoholismus, auch eine tiefgreifende, länger dauernde Umweltveränderung eine aus85 86

) Vgl. E x n e r a. a. O. S. 260. ) Vgl. E x n e r a . a . O . S. 2 6 1 .

77 schlaggebende Rolle: die bei vielen Sexualdelikten verbrechensfördernd wirkende Wohnungsnot wird behoben 8 1 ), der infolge Arbeitslosigkeit auf der Straße herumbummelnde Bettler erhält Arbeit und kommt in geordnete Lebensverhältnisse 88 ). Der Fall E Nr. 30 stellt einen Wandel vom Berufsverbrecher zum Verbrecher aus geringer Widerstandskraft dar. Hier sehen wir, wie ein Mensch, der durch längere Zeit die Lebensform eines arbeitsscheuen Landstreichers zeigte und von Diebstahl und Bettel sein Dasein fristete, nach der letzten Strafe sich durch regelmäßige, streng überwachte Beschäftigung neun Jahre hindurch straffrei hält und eine soziale Lebensführung aufweist. Schließlich bringt er gegenüber den kriminellen Anreizen, die ihm die Umwelt, insbesondere sein Beruf bietet, nicht die nötigen Hemmungen auf, und entwendet einer Firma, wo er als Deckenschneider beschäftigt war, eine Anzahl von Wolldecken. Im Fall E r>Jr. 67 handelt es sich um einen Wandel vom Verbrecher aus geringer Widerstandskraft zum Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. Der Tätfer, ein fleißiger Arbeiter, hatte zwischen seinem 27. und 52. Lebensjahr eine Reihe von kleineren Vermögensdelikten begangen, blieb dann straffrei und verging sich erst in seinem 58. Lebensjahr, als sich infolge zunehmenden Alters Spuren geistiger Minderwertigkeit zeigten, an drei Mädchen im Alten von 1 o— 13 Jahren. Hier ist lediglich ein durch zunehmendes Alter bedingter Wandel in der Triebrichtung festzustellen, die Delikte selbst sind nach wie vor auf eine persönliche Hemmungslosigkeit uind Unbeherrschtheit zurückzuführen. Den dritten Wandlungstyp — vom Berufsverbrecher zum Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit — sehen wir im Fall E Nr. 1 6 1 . Der Täter, ein 39 jähriger Kellner, der mehrere Jahre arbeitslos war und auch kein Interesse an der Erlangung eines Arbeitsplatzes hatte, erhielt zwischen seinem 25. und 35. Lebensjahre 4 Vorstrafen wegen Diebstahls, 13 wegen Bettels und Landstreicherei, eine Tatsache, die an sich schon auf eine asoziale Lebensweise schließen läßt. Als er nach dem Umbruch Arbeit erhielt, blieb er zunächst straffrei, bis er sich dann im Alter von 39 Jahren an einem jungen Burschen verging. C. A t y p i s c h e F ä l l e . Von Mischtypen zu unterscheiden ist das Individuum mit unausgesprochener Typenzugehörigkeit, das keinen typischen Merk87 ) E h e r , Die Blutschande, Kriminalistische Abhandlungen Nr. 30, fand in seinen Fällen die Wohnungsverhältnisse zu etwa 500/0 sehr schlecht. 88 ) Vgl. hiezu V i l l i n g e r , Arbeitslosigkeit, Arbeitsscheu, Verstandesschwäche bei jugendlichen Kriminellen. Mitt. IV, S. 147 ff.

78 malskomplex besitzt und infolgedessen in keine der besprochenen Verbrechergruppen eingeordnet werden kann 8 9 ). Unter den 292 untersuchten Strafgefangenen (Erwachsene und Jugendliche) fanden sich insgesamt vier atypische Fälle, und zwar unter den Erwachsenen einer (E Nr. -19) und unter den Jugendlichen drei (J Nr. 14, 15, 69). Im Fall E Nr. 19 verantwortete der Täter sein Verbrechen zunächst damit, es sei ihm als Nationalsozialisten als Unrecht erschienen, daß Anton P., dessen Verhaftung er durch die Anfertigung von Flugblättern staatsfeindlichen Inhaltes herbeiführen wollte, sich trotz verschiedener Veruntreuungen und anderer Straftaten noch immer auf freiem Fuß befinde. Später gab er an, er hätte damit das Erscheinen des P. in einem zwischen diesem und dessen Vermieter schwebenden Räumungsprozeß -verhindern und auf diese Weise ein Versäumnisurteil gegen P. herbeiführen wollen. Das Gericht erachtete diese Verantwortung als unglaubwürdig und mit der Täterpersönlichkeit in Widerspruch stehend. Auch die Zeugen konnten keine Andeutung der wahren Absichten für^die Begehung der Straftat geben. Bei der persönlichen Einvernahme in der Strafanstalt erklärte er, er habe auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei ein Protokoll unterzeichnet, worin er sich zur Begehung des Verbrechens verpflichtet hätte, damit auch einmal ein Nationalsozialist angeprangert und die Bevölkerung auf diese Weise von der unterschiedslosen und gerechten Behandlung aller Volksgenossen überzeugt werden könne. Dies wäre nach seiner Erklärung der wahre Grund der Straftat jjewesen, doch hätte er bisher nie den Mut besessen, ihn zu offenbaren. Hier handelt es sich um eine paranoide Persönlichkeit, deren b e s o n d e r e Eigenart die Zuordnung zu einem kriminologischen Typ nicht zuläßt. Im Fall J Nr. 14 ist die Tat ausschließlich auf jugendlichen Leichtsinn und Mutwillen zurückzuführen; der Täter besitzt keinen typischen Merkmalskomplex. Ähnlich gelagert ist der Fall J Nr. 1 5, wo der Täter sich den ihm als Postzusteller obliegenden Pflichten mutwillig entzog, indem er die Postsendungen kurzerhand in die Donau warf. E r ist insofern, als er gegen die kriminellen Anreize, die ihm sein Berufsleben bot, nicht die nötigen Hemmungen aufbrachte, in gewissem Sinn den Verbrechern aus geringer Widerstandskraft vergleichbar, allerdings mit dem Unterschied, daß es sich dort regelmäßig um die Begehung von Vermögensdelikten handelt 90 ). 89 ) Zwischen diesen und den vollen Mischtypen schieben sich noch sogenannte „Legierungen" ein, bei denen Teilkomplexe von Merkmalen aus zwei verschiedenen Typen miteinander verbunden sind. Vgl. dazu S e e l i g , Typenproblem, a . a . O . S. 5 1 7 (jetzt oben S. 5). 90 ) Siehe oben S. 40 f.

79 Im Fall J Nr. 69 stellt der Täter den Typ des jagendlichen „Pyromanen" mit schizoiden Zügen dar. Die Tat selbst ist — i m Gegensatz zu den Primitivreaktionen, wo sie primär als Reaktion auf eine Umweltlage ausgelöst wird — mehr endogen bedingt durch einen gewissen Reizhunger und ein auf seelische Leere zurückzuführendes Bedürfnis nach einem Erlebnis. Wenn auch solche Fälle nach kriminologischer Erfahrung vereinzelt immer wieder vorkommen 9 1 ), so rechtfertigt es sich doch nicht, für sie einen eigenen Haupttyp aufzustellen, noch können sie einem der anderen Typen zugeordnet werden.

III. Die Zusammenfassung der Ergebnisse. Gegenstand vorliegender Arbeit war die Untersuchung und Aufgliederung der im Jahre 1940 in die Männerstrafanstalt Graz eingelieferten Kriminellen nach den von S e e l i g aufgestellten kriminologischen Typen. Daß eine wissenschaftliche typologische Gliederung der Verbrecher zeitgemäß und notwendig ist, wurde bereits eingangs hervorgehoben 9 2 ). Dabei kann es sich allerdings, wie S e e l i g 9 3 ) selbst betont, lediglich um einen Orientierungsbehelf i m Rahmen der sonstigen Persönlichkeitsbeschreibung handeln. F e t s c h e r 9 4 ) vergleicht daher eine derartige Typisierung in anschaulicher Weise mit einer groben Vorsortierung in einer Kartei. Wenn auch, wie R o h d e n 9 5 ) mit Recht erklärt, jeder Fall ein Problem für sich ist, so ergab doch die durchgeführte Untersuchung, daß von den insgesamt 292 Strafgefangenen weitaus die meisten, nämlich 268 Kriminelle = 9i,7°/o (202 Erwachsene = 91,40/0 und 66 Jugendliche = 92,90/0) Merkmalskomplexe eines der 8 Typen aufwiesen und demnach in e i n e der Seeligschen Verbrechergruppen eingegliedert werden konnten. Weitere 20 Kriminelle = 6,8o/0 stellten M i s c h t y p e n dar, d.h. sie zeigten die Merkmalsgruppen des einen a l s a u c h eines anderen Typs. Davon waren, was das zeitliche Verhältnis der einzelnen Betätigungsformen anbelangt, insgesamt 17 Kriminelle = 5,80/0 ( 1 5 Erwachsene = 6,70/0 und 2 Jugendliche = 2,80/0) als Paralleltypen (die Begehungsformen traten gleichzeitig in E r 91 ) Vgl. S e e l i g , Anlage, Persönlichkeit u. Umwelt bei jugendl. Schwerverbr., Mitt. d. Krb.Ges. IV S. 1 2 5 t. u. 1 3 8 f. 92 ) Siehe oben S. 24 f. 9S ) S e e l i g , Typenproblem, a . a . O . S. 1 5 8 (jetzt oben S. 6). 9 *) F e t s c h e r , Mitt. Bd. II, S. 58. 95 ) R o h d e n , Einführung in die kriminalbiologische Methodenlehre Berlin 1 9 3 3 , S. 129.

80 s c h e i n u n g ) u n d 3 E r w a c h s e n e = 10/0 als W a n d l u n g s t y p e n (die B e t ä t i g u n g s f o r m e n l ö s e n sich a b ) a n z u s p r e c h e n 9 6 ) . L e d i g l i c h 4 K r i m i n e l l e = 1,4% (ein E r w a c h s e n e r = 0,50/0 u n d 3 J u g e n d l i c h e = 4,20/0) b e s a ß e n k e i n e n M e r k m a l s k o m p l e x e i n e s d e r a c h t T y p e n u n d w a r e n somit als a t y p i s c h e F ä l l e zu kennzeichnen. H i n s i c h t l i c h d e r 268 r e i n e n T y p e n e r g a b sich i m einzelnen folgendes Bild:

Kriminologischer T y p

Anzahl der

Anzahl der

Erwachsenen

Jugendlichen

Berufsverbrecher aus Ar-

26,2»/0 34

53

Vermögensverbrecher aus geringer W i d e r s t a n d s kraft Aggressive G e w a l t t ä t e r . Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit . . . .

20 14 65

9,9% -

=

17

=

=

6,9% 32,1%

Krisenverbrecher

2

o,9 %

P r i m i t i v r e a k t i v e Verbr. .

1

0,4 %

Insgesamt

5o,4%

87

27,2%

37

13,5%

!4

=

5,2%

7,4%

70

=

26,1%

4 = 2 =

6,0%

6

2,2

4,o%

3

1,1%

36



5

=

Überzeugungsverbrecher

35

=

17,2%

1 =

i,5 %

Verbrecher aus Mangel a n Gemeinschaftsdisziplin

12

=

6,4%

3 =

4 , 5 % 15

z u s a m m e n : [202

=

100%

32,3 %

66 = 100%

268

-

14,1% 5,5

=

=

%

%

100%

A n H ä u f i g k e i t s t e h t somit d e r a r b e i t s s c h e u e B e r u f s v e r b r e c h e r sowie d e r S e x u a l v e r b r e c h e r w e i t a u s i m V o r d e r g r u n d . I m V e r g l e i c h zu d e n A u s f ü h r u n g e n S e e l i g s , w o n a c h e c h t e Ü b e r z e u g u n g s v e r b r e c h e r a u ß e r o r d e n t l i c h selten s i n d 9 7 ) , ist die A n z a h l d e r auf G r u n d d e r U n t e r s u c h u n g in die G r u p p e d e r Ü b e r zeugungsverbrecher eingegliederten Kriminellen auffallend hoch. D i e s e T a t s a c h e f i n d e t d u r c h die a u ß e r g e w ö h n l i c h e p o l i t i s c h e L a g e , d i e in Ö s t e r r e i c h n a c h 1938 g e g e b e n w a r , i h r e E r k l ä r u n g : i n 3 5 F ä l l e n h a n d e l t es sich, u m politische „ V e r b r e c h e r " , d e r e n T a t e n auf eine n e g a t i v e E i n s t e l l u n g zur n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n W e l t a n s c h a u u n g z u r ü c k z u f ü h r e n sind u n d —• a b g e s e h e n v o n d e n D e l i k t e n der 6 wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilten Verbrecher — in d e r k o n k r e t e n F o r m erst seit 1938 m ö g l i c h bzw. s t r a f b a r w u r 96

} Siehe oben S. 73 ff. ) S e e l i g , Typenproblem, a . a . O . S. 521 (jetzt oben S. 10).

97

81 den (so bei zwei wegen Mordes an einem SA-Mann, bei 22 nach dem Heimtückegesetz bzw. nach der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen und schließlich bei drei wegen aktiver Betätigung in der Vereinigung der internationalen Bibelforscher verurteilten Täter) oder erst durch die Verhältnisse nach dem Umbruch subjektiv bedingt wurden (so bei den zwei wegen Beihilfe zur Wehrdienstentziehung verurteilten katholischen Geistlichen, die zwei fahnenflüchtige SS-Angehörige auf die Angabe hin, man wolle sie zwingen aus der katholischen Kirche auszutreten, mit Rat und Tat in ihrem Vorhaben unterstützen ( E Nr. 60, 75). E s ist klar, daß Zeiten des Umbruchs und politischer Unterdrückung, wie sie die nationalsozialistische Herrschaft brachte, auch eine Häufung von Überzeugungsverbrechern zur Folge haben. Dagegen war lediglich in einem Fall (J Nr. 65) die Tat auf andere als politisch-weltanschauliche Motive zurückzuführen. Diese Fälle sind also tatsächlich äußerst selten. Bei rein äußerlicher Betrachtung könnte man ferner in der geringen Anzahl der Krisenverbrecher mit insgesamt nur 6 Kriminellen ein Mißverhältnis zu den gesetzten Erwartungen erblicken, denn die Fälle, in denen Menschen in eine Konfliktsituation geraten, aus der sie nur mehr-einen kriminellen Ausweg finden, sind nicht allzuselten. Doch ist die Tatsache, daß die Krisenverbrecher in unserem Material nur 2,10/0 betragen, zum Teil wohl darauf zurückzuführen, daß — wie die Erfahrung lehrt — ein großer Teil jener „Krisenverbrecher", die Kapitalsverbrechen begehen (z. B. Geliebten- oder Familienmörder), durch nachträglichen Selbstmord enden 98 ) und somit für eine strafrechtliche Verfolgung nicht in Frage kommen. Zum anderen Teil erklärt sie sich daraus, daß ein beträchtliches Kontingent der Krisenverbrecher Frauen sind (z. B. verlassene Mädchen, die ihre Leibesfrucht abtreiben oder einen Kindsmord begehen). Diese konnten aber widerum nicht erfaßt werden, da die Untersuchung sich nur auf männliche Strafgefangene erstreckte. Schließlich werden —• soweit es sich um l e i c h t e r e Taten männlicher „Krisenverbrecher" handelt — diese meist nicht zu einer so langen Freiheitsstrafe verurteilt, daß nach Urteilsfällung noch ein Strafrest von über 6 Monaten übrig bleibt, so daß auch dieser Teil der Krisenverbrecher nicht in die Einlieferungskompentenz der Grazer Männerstrafanstalt f i e l " ) und daher in dem Untersuchungsmaterial nicht vertreten sein konnte. 98 ) S e e l i g , Typenproblem, a. a. O. S. 519 (jetzt oben S. 8); vgl. 99 auch oben S. 28 Aiun. 7. ) Siehe oben S. 28.

S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

6

82 A l s abschließendes Endergebnis der durchgeführten Untersuchung ist festzustellen, daß — im Gegensatz zu der von G r ü b l e 1 0 0 ) behaupteten Unmöglichkeit einer Verbrechertypologie, die daran scheitere, wirklich gleichartige Persönlichkeiten zusammenstellen zu können, und zu den von anderer Seite vorgebrachten unüberbrückbaren Schwierigkeiten 1 0 1 ) — e i n e Gliederung der Kriminellen nach kriminologischen Typen möglich ist. Eine solche Gliederung stellt sich als erstes Hilfsmittel dar, um dem I n d i v i d u u m , das- in seiner einmaligen Vollständigkeit überhaupt nicht erfaßt werden kann, doch näherzukommen und es in seiner kriminellen Eigenart zu begreifen; gegenüber einer g r ö ß e r e n M e n g e v o n K r i m i n e l l e n hilft sie uns aber, die „kriminelle Physignomie der Bevölkerung" zu erfassen 1 0 2 ).

Anhang. Die Darstellung der einzelnen

Fälle.

Im folgenden werden sämtliche untersuchten 292 Fälle (221 Erwachsene, 71 Jugendliche) in gekürzter Form, jedoch so weit dargestellt, daß daraus die Anhaltspunkte für die kriminologische Typeneinreihung zu erkennen sind. Absichtlich werden die Fälle ungeordnet, d. h. in der zufälligen Reihenfolge, in der sie zum Strafantritt kamen, mitgeteilt, um so den unmittelbaren Eindruck der bunten Mannigfaltigkeit der Täterpersönlichkeiten, wie sie das Leben bietet, nicht zu beeinträchtigen. A m Ende jeder Einzeldarstellung wird die von mir vorgenommene kriminologisch® Typeneinreihung beigefügt, bei den Erwachsenen — aus Gründen kriminalpolitischer Auswertung (siehe die nachfolgende Abhandlung S e e l i g s ) — auch die Strafe, die bei der letzten Verurteilung verhängt wurde. A. Erwachsene. F a l l Nr. 1. Ludwig A-, 28 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, elfmal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, Trunkenheit und Beleidigung, viermal wegen Diebstahls, Bettels und Landstreicherei vorbestraft, war vom 10. bis 18. Lebensjahr bei verschiedenen Besitzern als landwirtschaftlicher Arbeiter und Holzknecht -beschäftigt. Vom 18. bis 27. Lebensjahr war er arbeitslos, zog in der Obersteiermaxk herum und verrichtete nur ab und zu Gelegenheitsarbeiten. Vorübergehend nahm er wieder einen Arbeitsplatz an, doch hielt er es nirgends längere Zeit aus und lebte wo)

G r u h l e , HWB. Bd. I, S. 633. 101) Vgl. R o h d e n a. a. O. S. 129. Ferner L e p p m a n n , Mitt. Bd. II, S. 51. 102 ) S e e l i g . Typenproblem, a. a. O. S. 521 (jetzt oben S. 10).

83 von Diebstahl und Bettel. Zuletzt war er bei der Heeresbaustelle in L. beschäftigt. Dort verlangte er mit der Begründung, er könne die Arbeit nicht leisten, eine Abrechnung. Anschließend begab er sich zur Rechtsberatungsstelle d^r D A F . und beanspruchte für seinen abgefrorenen Finger eine Unfallrente. Als ihm eine abschlägige Antwort erteilt wurde, begann er in unflätiger Weise zu schimpfen, entfernte sich, kam nach 2 Stunden wieder zurück und verlangte eine Fahrkarte- Als er in dieser Angelegenheit an das Stadtgemeindeamt verwiesen wurde, machte er abfällige Äußerungen über die Behörden und den Staat und begab sich dann zur Bahnhofwirtschaft, wo er wieder betteln wollte. D a der Wirt dies nicht erlaubte, verließ er lärmend und polternd das Lokal. Nach ärztlichem Gutachten ist er ein zu Gewalttätigkeiten neigender Psychopath. Kriminologische Typeneinreihung: und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 4 Monate Gefängnis.)

Berufsverbrecher

aus Arbeitsscheu

F a l l N r . 2. Peter B., 66 J a h r e alt, getrennt lebend, Müller, unerheblich (nicht einschlägig) vorbestraft, Anzeichen einer gewissen Senilität aufweisend, hatte im Sommer 1939 mit einem 13jährigen Mädchen zweimal a. e. Geschlechtsverkehr. Das Mädchen, welches voll entwickelt war, verhielt sich entgegenkommend. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 0 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 3. Josef P., 42 J a h r e alt, geschieden, ohne ständigen Beruf, siebenmal wegen Betrugs und viermal wegen Unterschlagung vorbestraft, wurde zuletzt Mitarbeiter der DAF.-Kreiswaltung und versprach in dieser Eigenschaft einem Arbeiter die Durchführung einer Entschuldungsaktion und lockte ihm auf diese Weise einen Betrag von 670 R M . heraus, den er für sich verwendete. Kurze Zeit später spiegelte er einem Brauereiunternehmen vor, er werde für die Beschaffung von Ziegeln sorgen und ließ sich hiefür einen Betrag von 500 Mark vorschießen, ohne jedoch sein Versprechen einzuhalten. Einem auf der Wohnungssuche befindlichen Angestellten gegenüber gab er sich fälschlicherweise als Hauseigentümer aus und versprach, ihm in seinem Haus eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, wenn er durch die Hingabe eines Darlehens die Möglichkeit erhalte, den ersten Stock des Hauses ausbauen zu können. Durch sein gewandtes, sicheres Auftreten gelang es ihm tatsächlich), sich auf diese Weise »einen Betrag von insgesamt 470 Mark zu erschwindeln. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 4. Josef P. 32 J a h r e alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, mit drei Vorstrafen wegen leichter Körperverletzung, hatte seit Jahren Streitigkeiten mit Karl M., die aus politischen Gegensätzen entsprangen. Während nämlich Josef P. sich schon vor dem J a h r e 1938 in nationalsozialistischem Sinn

6*

84 betätigte und beim Juliputsch verhaftet wurde, machte Karl M. zur gleichen Zeit als Sturmschärler Dienst. Nunmehr trafen sie sich zufällig in einem Lokal, wo es zwischen mehreren Burschen zu einem Streit gekommen war, in den sich auch M. einmischte. P „ der beim Anblick seines Gegners infolge übermäßigen Alkoholgönusses sofort in heftige Erregung geriet, forderte M. auf, sich ruhig zu verhalten und versetzte ihm nach kurzem Wortwechsel mehrere so heftige Fußtritte, daß dieser zu Boden stürzte. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: i J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 5. Theobald B., 26 J a h r e alt, ledig, Holzarbeiter, nicht vorbestraft, hatte sich beim Holzarbeiter S. eingemietet. Unmittelbar neben seinem Zimmer schlief die 1 3 jährige, sexuell aufgeklärte Enkelin seines Vermieters. B . begann mit ihr ein Liebesverhältnis, wobei es in der Folgezeit trotz des Verbotes des Großvaters wiederholt zum Geschlechtsverkehr zwischen beiden kam. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus. sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerkey.) F a l l N r . 6. Hermann B., 59 J a h r e alt, verheiratet, Maurer, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, mit Anzeichen von Senilität, nahm in der Zeit vorn März bis September 1937 an seiner 14 jährigen ehelichen Tochter wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Seine Frau war zu dieser Zeit an einem schweren Krebsleiden erkrankt und starb 1 J a h r später, worauf B . bereits nach einigen Monaten eine neue Ehe einging. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 7. Anton B., 60 Jahre alt, verheiratet,, Reichsbahnpensionist, unerheblich (nicht einschlägig) vorbestraft, hatte mit seiner, für ihr Alter stark entwickelten, 9 jährigen Enkelin, die ihm gegenüber ein in sexueller Beziehung herausforderndes Benehmen an den T a g legte und auch sonst einen sehr liederlichen Lebenswandel führte, vom Sommer 1937 bis November 1939 wiederholt Geschlechtsverkehr. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbe„ herrschtheit. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 8. Jakob B., 43 Jahre alt, ledig, Barmherziger Bruder, nicht vorbestraft, trieb in den Jahren 1 9 3 2 bis 1939 an verschiedenen Orten mit mehreren Personen gleichen Geschlechts widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. ( S t r a f e : 1 J a h r 3 Monate schwerer Kerker.)

85 F a l l N r . 9. Hermann B., 29 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Arbeiter, geistig nicht vollwertig, trieb von Weihnachten 1939 bis J u l i 1940 wiederholt mit zwei Jugendlichen widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 9 Monate Kerker.) F a l l N r. 10. August B-, 34 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit fünf Vorstrafen wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, war von J u g e n d an in kommunistischem Sinne erzogen worden. Mit 14 Jahren trat er als Hilfsarbeiter bei einem Baumeister ein. und war dann bis zum J a h r e 1 9 3 5 , von kurzen Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit abgesehen, immer in Arbeit. Von 1 9 3 5 an bezog er zwei J a h r e lang Arbeitslosenunterstützung und stand dann bis zu seiner Verhaftung wiederum in Arbeit. Mit 26 Jahren wurde er Mitglied der kommunistischen Partei und blieb auch nach dem J a h r 1938 ein überzeugter Anhänger kommunistischer Lehren. Arbeitskameraden schilderten ihn als rohen, gewalttätigen Menschen und notorischen Säufer. Einige Monate nach Kriegsbeginn machte er infolge seiner kommunistischen Gesinnung und aus Unzufriedenheit über die durch den Krieg bedingten Einschränkungen in einem Gasthaus in Gegenwart mehrerer Personen scharf gegnerische Äußerungen über Hitler und die Reichsregierung. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 11/2 J a h r e Gefängnis.) F a l l Nr. 11. Johann B., 19 Jahre alt, ledig, Schlossergehilfe, nicht vorbestraft, legte nach Beendigung seiner Lehrzeit als Schlosser und Mechaniker die Gesellenprüfung mit E r f o l g ab und blieb auch als Gehilfe bei seinem Meister, der mit ihm sehr zufrieden war. Im Winter 1937 rnußte er jedoch wegen Arbeitsmangels entlassen werden und nun half er zu Hause in der Landwirtschaft. Seit dem J a h r e 1938 erhielt er wieder Arbeit und kam als Maschinenschlosser zur Reichsbahn, wo er sich ebenfalls zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten führte. Zu dieser Zeit wohnte er in einem Gasthaus, wo er auch volle Verpflegung erhielt. Morgens war er meist allein im Gastzimmer. Bei dieser Gelegenheit entwendete er aus der unversperrten Lade des Schanktisches in wiederholten Ang r i f f e n einen Betrag von insgesamt 354 RM-, angeblich um sich damit Möbel zu kaufen. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverb recher aus geringer Wide r standskraf t. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 12. Franz B., 33 Jahre alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit 6 Vorstrafen wegen Diebstahls, gilt in seiner Heimat als eigentumsgefährlicher und arbeitsscheuer Mensch, was auch aus der Äußerung „ich pfeif auf Arbeit, ich habe Rauchzeug", die er einem Zeugen gegenüber machte, hervorgeht. So ließ er sich im J a h r e 1939 von

86 verschiedenen Bauern als Arbeiter einstellen, blieb aber überall nur kurze Zeit, benutzte die Gelegenheit, kleinere Geldbeträge zu stehlen, um dann wieder zu verschwinden- Auf diese Weise entwendete er in sieben Fällen einen Betrag von insgesamt 64 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 13. Johann B., 27 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, dreimal wegen leichter Körperverletzung und einmal wegen versuchter Notzucht vorbestraft, Trinker, mischte sich in etwas angeheitertem Zustand ohne Grund in eine Auseinandersetzung zweier Männer bezüglich eines Mädchens und versetzte dabei dem einen zwei Schläge ins Gesicht. Auf die Aufforderung eines zufällig anwesenden Gendarmeriebeamten, das Lokal zu verlassen, erklärte er, er könne tun was er wolle, versetzte dem Gendarmeriebeamten einen Fußtritt, riß ihm die Achselspange herunter und beschimpfte ihn in gemeiner Weise. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.)

Gewalttäter.

F a l l N r . 14. Karl B., 44 Jahre alt, verheiratet, Kaufmann, nicht vorbestraft, von Natur zum Organisieren und Befehlen neigend, hatte in M. den Heimatschutz gegründet und war vom J a h r e 1924 bis zum Umbruch Gemeinderat und Mitglied der dortigen Sparkassendirektion, sowie Gauführer des österreichischen Heimatschutzes. E r war ein fanatischer Gegner des Nationalsozialismus, der aber die politischen Gegensätze nicht ins Persönliche übertrug, und seine politische Stellung wirtschaftlich nicht ausnutzte- Als es in M. während des Juliputsches zum offeneji Kampf zwischen Nationalsozialisten und Angehörigen des Heimatschutzes kam, gab er einem ihm als Führer unterstehenden Heimatschützler den Befehl, auf einen SA-Mann, den er in einem Versteck vorgefunden und mit dem Gewehrkolben niedergeschlagen hatte, aus nächster Nähe zu schießen. Als der Heimatschützler zunächst zögerte, den Befehl auszuführen, rief er: „Befehl ist Befehl." Daraufhin gab der Heimatschützler den befohlenen Schuß ab, an dessen Folgen der Nationalsozialist kurze Zeit später verschied. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 1 5 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 15. Josef D-, 23 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit vier Vorstrafen wegen Begehung von Eigentumsdelikten, war am 23. 5. 1940 aus dem Zuchthaus C., wo er eine Freiheitsstrafe von 1 J a h r und 8 Monaten zu verbüßen hatte, entwichen- Da er ohne Geld war, verübte er, um sich sein Fortkommen in der Freiheit zu ermöglichen, innerhalb kurzer Zeit vier Einbruchsdiebstähle, entwendete dabei Kleidungsstücke, Lebensmittel. kleinere Geldbeträge sowie ein Fahrrad und versuchte damit ins Ausland zu fliehen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 0 Monate schwerer Kerker.)

87 F a l l N r . i 6. Iwan D., 55 Jahre alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter,, ehemaliger russischer Kriegsgefangener, nicht vorbestraft, war in einem Schloß als Arbeiter tätig und bei den Pflegeeltern der 1 3 1/2 jährigen, voll entwickelten M. in Kost. Diese hatte die Aufgabe, ihm täglich das Essen in die Kammer zu bringen. Bei dieser Gelegenheit warf er sie gewaltsam auf sein Bett und zwang sie zur Vornahme und Duldung unzüchtiger Handlungen. Einige Monate später nahm er an einem anderen 7 jährigen Mädchen ebenfalls unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: x 1/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 17. Philipp D., 47 Jahre alt, ledig, Maschinenwärter, mit 17 Vorstrafen wegen Körperverletzung, öffentlicher Gewalttätigkeit, Beleidigung und Trunkenheit, weigerte sich in etwas angeheitertem Zustand trotz wiederholter Aufforderung, das Gasthaus zur Sperrstunde zu verlassen. Als der Wirt ihn mit Gewalt entfernen wollte, setzte er sich mit gezogenem Messer zur Wehr und verletzte den Wirt an der Hand. Schließlich entfernte er sich, kam aber gegen 3 Uhr früh wieder zurück, schlug an die Türe des Gasthauses und stieß Morddrohungen aus. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 1 1 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 18. Andreas F., 29 J a h r e alt, ledig, Pfarrprovisor, nicht vorbestraft, wird als fanatischer Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung geschifdert. E r hörte wiederholt Nachrichten ausländischer Sender, u. a. auch die des sogenannten österreichischen Senders in Paris, und machte auf Grund seiner Überzeugung, daß er als Vertreter der katholischen Kirche, die ja international sei, nicht national eingestellt sein könne, scharf ablehnende Bemerkungen über den nationalsozialistischen Staat. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 5 J a h r e Zuchthaus.) F a l l N r . 19. Eduard F., 27 Jahre alt, verheiratet, Architekt, nicht vorbestraft, paranoide Persönlichkeit, konnte es'als Nationalsozialist angeblich nicht verstehen, daß Anton P. trotz verschiedener Veruntreuungen und anderer Straftaten sich noch immer auf freiem Fuß befinde, verfertigte deshalb Flugzettel staatsfeindlichen Inhalts und versteckte sie im Betrieb des Anton P., um dadurch dessen Verhaftung und ein Verfahren wegen Hochverrats herbeizuführen. Kriminologische Typeneinreihung: Atypischer FallS t r a f e : 11/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 20. Otto G-, 25 Jahre alt, ledig, Kaplan, nicht vorbestraft, kaufte bei Kriegsbeginn einen Radioapparat, den er aber vorderhand in verpacktem Zustand beim Verkäufer beließ, um nicht in die Versuchung zu

88 kommen, ausländische Sender abzuhören. Durch einen Bekannten hörte er, daß dem Vatikansender angeblich ein polnischer Geistlicher für Propagandavorträge gegen Deutschland zur Verfügung gestellt werdeU m seine Neugierde zu befriedigen, holte er den Apparat, hörte mehrere Monate hindurch wiederholt französische und schweizer Sender ab und erzählte auch seinem Pfarrer die abgehörten NachrichtenKriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe: 2 J a h t e Zuchthaus.) F a l l Nr. 21. Franz G-, 63 Jahre alt, ledig, Barackenwärter, unerheblich, nicht einschlägig vorbestraft, mit Anzeichen von Senilität, nahm im Mai und Juni 1940 an verschiedenen Mädchen im Alter von 8 bis 1 1 Jahren unzüchtige Handlungen vor, nachdem,er sie in sein Zimmer gelockt und durch Geld gefügig gemacht hatte. Eines der Mädchen war in sittlicher Beziehung schon sehr verdorben. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 % Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r . 22. Josef G., 33 Jahre alt, verheiratet, Fleischbauergehilfe, zweimal wegen Bettels und Landstreicherei, viermal wegen Diebstahls vorbestraft y besitzt einen eingewurzelten Hang zum Vagabundieren und hielt sich an keinem Dienstplatz längere Zeit. Innerhalb kurzer Zeit entwendete er bei seinem letzten Dienstgeber Bargeld in Höhe von 50 R M . sowie 5 Kilogramm Zucker, um dann seinen Arbeitsplatz ohne rechtmäßige Kündigung wieder zu verlassen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu(Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 23. Franz L-, 48 Jahre alt, geschieden, Gastwirt, mit 2 Vorstrafen wegen leichter Körperverletzung, war infolge Versagens in der Wirtschaft in Schulden geraten. Zwischen ihm und seinem Nachbarn S. bestand schon seit vielen Jahren eine auf die beiderseitigen Eltern zurückgehende unüberbrückbare Feindschaft. Franz L., ein überaus jähzorniger, brutaler und gefühlskalter Egoist, wegen seines absonderlichen und wenig anpassungsfähigen Wesens in der Gemeinde unbeliebt, hatte seine Freude daran, den Nachbarn S. auf jede Art und Weise zu schädigen. Als die beiden eines Tages zufällig zusammentrafen — Franz L. war eben von einer J a g d zurückgekommen — gerieten sie in einen heftigen Wortwechsel, in dessen Verlauf L., der schon längst das seiner Mutter angeblich von seinem Nachbarn zugefügte Leid rächen wollte, einen tödlichen Gewehrschuß auf S. abgab. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 10 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 24. Fritz M., Dr. med., 41 J a h r e alt, ledig, Arzt, auch Amtsarzt, Kreisamtsleiter des Amtes für Volksgesundheit, Bannarzt der H J . usw., nicht

89 vorbestraft, trieb in den Jahren 1930 bis 1939 in mehreren hundert Fällen mit verschiedenen Personen desselben Geschlechts widernatürliche Unzucht. In einem von ihm geführten Tagebuch waren allein über 400 Fälle beschrieben. E r machte nie den Versuch, seiner perversen Neigung entgegenzutreten, sondern suchte im Gegenteil verdächtige Orte auf, wo er gleichveranlagte Männer anzutreffen hoffte- Seine Sexualpartner, die er teilweise hiefür bezahlte, gehörten den verschiedensten Altersstufen (von 15 bis 55 Jahren) und Berufszweigen an. E r hatte nie mit einer Frau Geschlechtsverkehr gehabt. Im Tagebuch schildert er, wie er als 31 jähriger erstmals von seiner sexuellen Not dadurch befreit wurde, daß er absichtlich in ein Pissoir ging, in dessen Nähe er einen Strichjungen bemerkt hatte, der ihm auch alsbald nachkam. Von da an reihen sich in rascher Folge seine homosexuellen Erlebnisse, die alsbald zu widerlichen Orgien ausarteten; neben mutueller Onanie übte er sowohl aktiv als auch passiv coitus per anum und per os, mitunter auch gleichzeitig mit 2 Männern im Triolenverkehr. Als ein homosexueller Patient zu ihm in die Sprechstunde kam, verging er sich mit ihm durch gegenseitigen Mundverkehr, angeblich um ihn „abzulenken und zu entspannen". Als Arzt galt er als besonders leistungsfähig und war auch sonst beliebt und gut beleumundet. Kriminologische Typeneinreihung: herrschtheit. (Strafe: 3 J a h r e schwerer Kerker.)

Verbrecher

aus

sexueller

Unbe-

F a l l N r . 25. Mathias M-, 50 Jahre alt, geschieden, Hilfsarbeiter, mit sieben Vorstrafen wegen Begehung von Gewalttätigkeitdelikten, starker Trinker, hemmungslos und zu Gewalttaten neigend, nahm an einem 10 jährigen Knaben unzüchtige Handlungen vor. Da der Knabe die Einladung, am nächsten T a g wieder zu kommen, ablehnte, beschimpfte M. ihn in roher Weise und versetzte ihm eine OhrfeigeKriminologische Typeneimreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 2 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r . 26. Rudolf M-, 43 Jahre alt, verheiratet, Kriegsbeschädigter, nicht vorbestraft, fühlt und handelt als überzeugter Kommunist. Nach vorhergegangenem übermäßigen Alkoholgenuß äußerte er sich in Gegenwart mehrerer Bekannter in scharf ablehnender Weise über Hitler und die Art der Kriegführung. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 5 J a h r e Zuchthaus.) F a l l N r . 27. Philipp M., 64 Jahre alt, ledig, Schlosser, nicht vorbestraft, nahm in den Jahren 1939 und 1940 an 9 Knaben im Alter von 8 bis 1 3 Jahren unzüchtige Handlungen vor, nachdem er sie vorher mit Äpfeln und sonstigen kleineren Geschenken angelockt und ihnen Bücher mit weiblichen Aktphotographien gezeigt hatteKriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1V2 Jahre schwerer Kerker.)

90 F a l l N r . 28. Paul N., 45 Jahre alt, ledig, Kellner, mit 10 Vorstrafen wegen Begehung von Eigentumsdelikten, hielt sich infolge seiner Abneigung gegen geregelte Arbeit an keinem Arbeitsplatz längere Zeit, sondern suchte sich sein Fortkommen durch Diebstähle, die er bei jeder Gelegenheit beging, zu verschaffen. Als er eines Abends bei seiner Geliebten war, stahl er deren Vermieterin einen K o f f e r und verschiedene Wäschestücke, die er dann verkaufen wollte. Die Gegenstände gehörten dem im Felde stehenden Mann der Vermieterin. Auf dem Heimweg sah er einen betrunkenen Kellner auf der Straße liegen und stahl ihm aus seiner Rocktasche einen Betrag von 1 2 0 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu(Strafe: als Volksschädling zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt.") F a l l N r. 29. Franz O., 37 Jahre alt, geschieden, Malergehilfe, mit 8 Vorstrafen wegen Diebstähle minderer Art, fleißiger Arbeiter, entwendete unter Ausnutzung der Verdunklung von einem im Hofe eines Hauses stehenden Fahrrad eine Dynamomaschine, da er für sein eigenes Fahrrad keine Beleuchtung hatteKriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: als Volksschädling zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r. 30. Alfons O-, 35 Jahre alt, verheiratet, Schneidergehilfe, fünfmal wegen Diebstahls, dreimal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, hatte eine mangelhafte Erziehung genossen und konnte keinen Lehrplatz finden. Infolge seiner Arbeitslosigkeit trieb er sich mit Vorliebe auf der Straße herum, lernte schlechte Kameraden kennen und zeigte nun auch keine Lust mehr, sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen, sondern suchte sich seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle und Bettel zu verschaffen. In diese Zeit fielen seine Vorstrafen wegen Diebstahls, Bettels und Landstreicherei. Während der Verbüßung seiner letzten Strafe erlernte er in der Strafanstalt das Schneiderhandwerk, wurde nach seiner Entlassung — er war damals 26 J a h r e alt — in Arbeit genommen >und streng überwacht. Nun hielt er sich 9 Jahre straffrei, arbeitete fleißig und stand in bestem Einvernehmen zu seinen Dienstgebern. Zuletzt war er bei der Firma P. als Deckenschneider beschäftigt. Dort entwendete er, um eine größere Spielschuld, die er seiner Frau verheimlichen wollte, bezahlen zu können. 38 Decken im Gesamtwert von 380 Mk. Kriminologische Typeneinreihung: Wandel vom Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu zum Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r. 3 1 . Georg P., 21 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, von geringer Intelligenz, ausgesprochener Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung, war bis 1938 Angehöriger des österreichischen Heimatschutzes. Als es während des Juliputsches zum offenen Kampf mit den Nationalsozialisten kam, gab er auf Befehl seines

91 Heimatschutzführers S- auf einen Nationalsozialisten aus nächster Nähe einen Schuß ab, der dessen Tod zur Folge hatteKriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 10 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 32. Anton P., 21 Jahre alt, lediger Hilfsarbeiter, mit 2 Vorstrafen wegen leichter Körperverletzung, jähzornig veranlagt, hatte schon wiederholt mit K. in Gasthäusern Streitigkeiten, die meist in Tätlichkeiten ausarteten. Eines Abends gerieten sie im Gasthaus E . wegen einer geringfügigen Angelegenheit wieder in Streit, wobei Anton P., der schon ziemlich angetrunken war, von einem Dritten, auf Seiten des K. stehenden Gast eine Ohrfeige erhielt. Anton P., darüber wutentbrannt, eilte auf die Straße, zerriß sein eigenes Hemd, riß von einem Zaun eine Latte ab und lauerte auf K., der nach seinem Ermessen bald nach Hause gehen mußte- Als K. nach etwa 2 Stunden das Gasthaus verließ, stürzte sich P. auf ihn und schlug mit derartiger Wucht auf K. ein, daß dieser ,an den Folgen der erlittenen Verletzungen starb. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 6 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 33. Konrad P., 52 Jahre alt, geschieden, Hilfsarbeiter, unerheblich, nicht einschlägig vorbestraft, mit Anzeichen von Senilität und geistiger Minderwertigkeit, führte mit der 1 3 jährigen Tochter seiner Frau einmal den Beischlaf aus und nahm auch sonst wiederholt unzüchtige Handlungen an ihr vor. In einem Fall war P. betrunken. Das Mädchen war schon sehr verdorben, kam selbst zum Bett des Angeklagten und führte dessen Hand zu ihrem Geschlechtsteil. Die Frau des P. war unterleibsleidend und litt an starken Blutungen. Die E h e wurde erst während der Strafhaft als F o l g e des Verbrechens geschieden. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 34. Franz P., 57 Jahre alt, verwitwet, Bergmann, mit drei Vorstrafen wegen Begehung von Eigentumsdelikten, fleißiger Arbeiter, entwendete, während er allein in einem Gastzimmer war, aus einer unversperrten Geldlade einen Betrag von 60 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l 1 N r. 35. Friedrich K., 52 J a h r e alt, verheiratet, Kaufmann, mit einer Vorstrafe wegen Unterschlagung, war viele J a h r e als Steuerberater der katholischen Kirchengemeinschaften in E . tätig und verweigerte konsequent den deutschen Gruß. Bereits im J a h r e 1 9 3 4 war ein Verfahren wegen Verächtlichmachung der Reichsregierung gegen ihn anhängig, welches aber wieder eingestellt wurde, da die Äußerungen nicht geeignet waren, den strafbaren Tatbestand zu erfüllen. Als fanatischer Gegner

92 der nationalsozialistischen Weltanschauung machte er in einem Gasthaus scharf ablehnende Äußerungen über Hitler und die Art der Kriegführung. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 2 J a h r e Gefängnis.) F a l l N r. 36. Ludwig P., 51 Jahre alt, geschieden, Postfacharbeiter, nicht vorbestraft, entwendete in Ausübung seines Dienstes mindestens 50 Pakete, darunter Feldpostpakete und verschenkte den größten Teil der darin befindlichen Lebens- und Genußmittel an Frauenspersonen, mit denen er ein Verhältnis unterhielt. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: als Volksschädling zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r . 37. Franz H-, 54 Jahre alt, verheiratet, Besitzer, mit einer Vorstrafe wegen Mißhandlung seiner Ehefrau, ergab sich bald nach der'Eheschließung dem Trünke, kümmerte sich nicht um seine Wirtschaft, geriet deshalb mit seiner Frau wiederholt in Streitigkeiten und mißhandelte sie bei jeder Gelegenheit. E r hatte seit Jahren mit ihr keinen Geschlechtsverkehr :mehr- Im Sommer 1938 trat er mit unsittlichen Anträgen an seine Tochter Anna heran, nahm unzüchtige Handlungen an ihr vor und führte zweimal mit ihr den Geschlechtsverkehr aus. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 5 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 38. Matthäus H., 28 Jahre alt, ledig, Holzarbeiter, siebenmal wegen Diebstahls, fünfmal wegen Btetrugs und einmal wegen Veruntreuung vorbestraft, hatte schon in der Volksschule wiederholt die Polizei beschäftigt und sich später als Dieb zeitweise in Wäldern und Felsenr höhlen aufgehalten. E r ließ sich in zahlreichen Fällen als Holzknecht einstellen, verlangte sofort einen Vorschuß, den er meistens auch erhielt und verschwand dann. In der Zeit vom 22. 9. bis 21. 10. 1939 verübte er unter Ausnutzung der zur Abwehr von Fliegergefahr getroffenen Maßnahmen fünf Fahrraddiebstähle und entwendete zur selben Zeit einem Arbeitskameraden verschiedene Kleidungsstücke. Zwei Bauern lockte er unter dem Vorwand, Holz zu liefern, insgesamt 60 R M . heraus, in weiteren fünf Fällen erschwindelte er sich unter dem Vorwand, als Holzarbeiter einzutreten, insgesamt 1 2 0 R M . Schließlich versprach er auf seinem letzten Dienstplatz einer landwirtschaftlichen Arbeiterin ihre Uhr zur Reparatur zu bringen, führte aber sein Versprechen nicht aus, sondern verschwand mit der Uhr. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: als Volksschädling zu 9 Jahren Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r . 39. Franz H., 60 Jahre alt, verwitwet, Schuhmachermeister, nicht vorbestraft, mit Anzeichen von Senilität und geistiger Minderwertigkeit,

93 nahm im Sommer 1940 an 6 Mädchen im Alter von 10 bis 12 Jahren, die er durch Geschenke an sich gelockt hatte, unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: -Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 40. Erich J-, 20 Jahre alt, ledig, Schlossergehilfe, nicht vorbestraft, psychisch debil, nahm im J a h r e 1936 an zwei Mädchen im Alter von 1 o und 1 1 Jahren wiederholt unzüchtige Handlungen vor und führte einige Male auch den Beischlaf mit ihnen aus, nachdem er sie durch Geschenke g e f ü g i g gemacht hatte. J . ist offensichtlich geistig minderwertig. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 21/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 41. Ernst J . , 24 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit 14 Vorstrafen wegen Diebstahls, hatte keine Lust, einen Beruf zu erlernen, obwohl seine Eltern ihm die Möglichkeit hiezu gegeben hätten. E r verrichtete als landwirtschaftlicher Arbeiter Gelegenheitsarbeiten, da er es infolge seiner Arbeitsscheu an keinem Dienstplatz längere Zeit aushielt und verschaffte sich seinen Lebensunterhalt durch Begehung von Diebstählen. Während er so, ein unstetes Leben führend, von Ort zu Ort zog, machte er sich an eine Anzahl schulpflichtiger Knaben heran, schenkte ihnen Schokolade und Geld, veranstaltete mit ihnen gemeinsame Ausflüge, wobei er ihnen auch Getränke bezahlte und trieb mit ihnen teilweise in angetrunkenem Zustand widernatürliche Unzucht. Gelegentlich eines Ausflugs stahl er in einem Gasthaus Johannisbeeren in unbekanntem Wert. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu und Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 3 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 42. Gabriel K., 47 J a h r e alt, ledig, Maschinenschlosser, neunmal wegen Diebstahls und einmal wegen Schändung vorbestraft, mißbrauchte schon kurze Zeit nach seiner Enüassung aus der letzten Strafhaft, die er wegen Schändung verbüßt hatte, ein 10 jähriges Mädchen und einen 8 jährigen Knaben, nachdem er sie durch Geldgeschenke und Süßigkeiten angelockt und in eine Kiesgrube geführt hatte, zu unzüchtigen Handlungen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu und Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 21/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 43. Viktor K., 23 Jahre alt, ledig, mit einer Vorstrafe wegen Notzucht, geistig minderwertig, infantiles Gepräge, war schon in früher J u g e n d geschlechtlich aufgeklärt und mit 10 Jahren sittlich vollkommen verwahrlost. Bereits damals hatte er Unzuchtshandlungen an verschie-

94 denen gleichaltrigen Mädchen vorgenommen. Im Alter von 15 Jahren wurde er wegen Notzucht verurteilt. Im J a h r e 1940 nahm er an mehreren g- bis 10 jährigen Mädchen, die er durch Geschenke angelockt hatte, wiederholt unzüchtige Handlungen vor. K. besitzt einen abnorm starken Sexualtrieb. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/2 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r. 44. Gottfried K., 32 J a h r e alt, geschieden, Tapezierer, nicht vorbestraft, hielt es infolge seines Dranges nach Veränderung auf keinem. Arbeitsplatz längere Zeit aus, sondern trieb sich mit Vorliebe auf der Landstraße herum und verschaffte sich sein Fortkommen durch Gelddiebstähle. So entwendete er im J u l i 1939 einen Betrag von 20 R M . und eine Geldbörse mit 3 R'M., im August 1939 unter Ausnutzung der durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse Bargeld von insgesamt 25 RM., ein Geldtäschchen mit 3.80 RM.', einen Granatanhänger im Werte von 30 R M . und im September 1939 einen Bargeldbetrag von 3800 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: als Volksschädling zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r . 45. Leopold K.. 24 J a h r e alt, ledig, Landarbeiter, nicht vorbestraft; hatte zwei Semester Philosophie und drei Semester Rechtswissenschaft studiert, ohne jedoch eine Prüfung abzulegen. In den Jahren 1935 bis 1938 war er Beamter des Landesgewerbeverbandes in G-, wurde aber nach dem Umbruch wegen politischer Unzuverlässigkeit entlassen und führte dann die Landwirtschaft seiner Mutter. E r war ein unentwegter Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung, änderte auch nach 1938 seine politische Einstellung nicht und weigerte sich konsequent, bei Sammlungen für das W H W . zu geben und zu den Appellen der S A Wehrmannschaft zu erscheinen- Im Herbst 1939 und Januar 1940 machte er seiner Wirtschafterin gegenüber wiederholt scharf ablehnende Bemerkungen über Hitler und die Wehrmacht. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 5 Jahre Gefängnis.) F a l l N r . 46. Anton K., 24 Jahre alt, ledig, Bäckergehilfe, mit einer Vorstrafe wegen Schändung und einer weiteren wegen widernatürlicher Unzucht, war im Zuge dieses Verfahrens als Angeklagter zur Hauptverhandlung vorgeladen. E r reiste zwar zum Verhandlungsort, erschien jedoch nicht zur Hauptverhandlung, sondern lud einen 1 1 jährigen Knaben, den er inzwischen kennen gelernt hatte, in ein Kino ein, wo er unzüchtige Handlungen an ihm vornahm. Anschließend ging er mit ihm in einen Parkj. Dort kam es zu beiderseitigen unzüchtigen Handlungen. K. ist, wie er selbst zugibt, seit frühester J u g e n d eindeutig homosexuell veranlagt. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1V2 J a h r e schwerer Kerker.)

95 F a l l N r . 47. Johann K., 20 Jahre alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit zwei Vorstrafen wegen Diebstahls, besitzt eine unüberwindliche Abneigung gegen einen ehrlichen, arbeitssamen Lebenswandel und war am 1. 6. 1940 aus der Strafanstalt K., wo er eine sechsmonatige schwere Kerkerstrafe zu verbüßen hatte, ausgebrochen. Um sich sein Fortkommen in der Freiheit zu verschaffen, beging er nach seiner Haftentlassung bis zu seiner Wiederverhaftung am 3. 7. 1940 unter Anwendung von Haken und Nachsperren insgesamt 24 Hütteneinbrüche, wobei er hauptsächlich Kleidungsstücke und Lebensmittel entwendeteKriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 3 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 48. Gottfried K., 28 J a h r e alt, ledig, Handelsangestellter, mit einer Vorstrafe wegen widernatürlicher Unzucht, homosexuell veranlagt, nahm in den Jahren 1938 bis 1940 an verschiedenen Knaben unzüchtige Handlungen vor. Schon während der Verbüßung seiner Vorstrafe hatte er in einer Zelle mit einem Mithäftling widernatürliche Unzucht getrieben. E r empfand nach eigener Aussage nie in seinem Leben ein Verlangen nach heterosexuellem Verkehr. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Str'afe: 11/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 49. Max K., 45 Jahre alt, geschieden, Bauhilfsarbeiter, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft,hatte sich im ersten Weltkrieg die Bronzene Tapferkeitsmedaille und das Karl-Truppen-Kreuz erworben. Vom Jahre 1 9 1 9 ab war er zunächst Angehöriger der sozialdemokratischen Gewerkschaft und später Mitglied der sozialdemokratischen Partei bis zu deren Verbot. Als unentwegter Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung gab er nie bei Sammlungen. Im J a h r e 1940 machte er in Gegenwart mehrerer Personen ablehnende Äußerungen über Hitler und Mitglieder der Reichsregierung. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 2 J a h r e Gefängnis.) F a l l N r . 50. Rupert R., 50 J a h r e alt, ledig, Postfacharbeiter, nicht vorbestraft, gut beleumundet, hörte aus Neugierde zusammen mit seiner Frau einmal die Nachrichten eines Schweizer Senders ab. Um Politik hatte er sich nie gekümmert. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe: 3 J a h r e Zuchthaus.) F a l l N r . 51. Franz R., 49 Jahre alt, geschieden, Schneider, nicht vorbestraft, führte im Mai 1940 mit einem 7 jährigen Mädchen den Geschlechtsverkehr aus, nachdem er es durch kleinere Geldgeschenke willfährig gemacht hatteKriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/2 J a h r e schwerer Kerker.)

96 F a l l N r. 52. Rudolf R., 28 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, gilt als Trinker, war nach 19,38 als Bauarbeiter beschäftigt und gesinnungsmäßig ein überzeugter Kommunist. Im September 1939 äußerte er sich in einem Gasthaus in Gegenwart mehrerer Personen in ablehnender Weise gegen Hitler und bedauerte das Mißlingen des Attentats im Bürgerbräukeller in München. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 5 J a h r e Gefängnis.) F a l l N r . 53. Leonhard R-, 56 J a h r e alt, geschieden, Wagnermeister, 'befaßte sich seit 20 Jahren mit den Lehren der Sekte der internationalen Bibelforscher. Obwohl er bei der Geheimen Staatspolizei eine Erklärung unterzeichnete, wonach er sich in Zukunft jeder Tätigkeit für diese Sekte fernzuhalten versprach, hielt er vom März 1938 bis zu seiner Verhaftung zum Zwecke der Verbreitung dieser Lehren an verschiedenen Orten religiöse Vorträge und Übungen ab. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 2 J a h r e Zuchthaus.) F a l l N r . 54. Gerhard R., 35 J a h r e alt, verheiratet, Postfacharbeiter, nicht vorbestraft, war infolge eines schweren Unfalles jahrelang arbeitsunfähig. Nach dem Umbruch wurde er als Postfacharbeiter eingestellt. In dieser Eigenschaft entwendete er Briefmarken in geringerem Wert und 8 Feldpostpakete mit Zigaretten. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverb recher aus geringer Widerstandskraft. ( S t r a f e : als Volksschädling zu 21/2 Jahren Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r . 55. Ferdinand S-, 46 J a h r e alt, Hilfarbeiter, 1 4 m a l wegen Diebstahls und einmal wegen Betrugs vorbestraft, besitzt einen eingewurzelten Hang zum Stehlen und war wegen seiner Abneigung gegen einen arbeitsamen Lebenswandel bereits in einem Arbeitshaus untergebracht. Schon kurze Zeit nach seiner Entlassung im J a h r e 1938 verübte er neuerdings mehrere Diebstähle und bettelte von Haus zu Haus. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 3 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 56. Adolf S-, 42 Jahre alt, ledig, Sägearbeiter, dreimal wegen widernatürlicher Unzucht vorbestraft, und zwar als 23 jähriger wegen Unzucht mit einem 10 jährigen Knaben, als 33 jähriger wegen Unzucht mit Tieren, als 34jähriger wegen Unzucht mit mehreren Knaben, nahm vom Sommer 1939 bis Frühjahr 1940 wiederholt an vier Knaben im Alter von 9 bis 12 Jahren unzüchtige Handlungen vor. Seine sexuelle Phantasie war ausschließlich auf das eigene Geschlecht gerichtet. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbe» herrschtheit. { S t r a f e : 2 J a h r e schwerer Kerker.)

97 F a l l N r. 57. Johann S-, 35 Jahre alt, ledig, Postfacharbeiter, nicht vorbestraft, war zunächst als Taglöhner beschäftigt und wurde nach 1938 als Postfacharbeiter eingestellt. In dieser Eigenschaft entwendete er im Juni 1940 aus den Räumen des Bahnhofspostamtes in G. in wiederholten Angriffen mehrere Feldpostpakete mit Zigaretten, Lebensmitteln und verschiedenen Gebrauchsgegenständen. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: als Volksschädling zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r . 58. Johann D., 43 Jahre alt, verheiratet, Zimmermann, nicht vorbestraft^ war seit dem Jahre 19.36 in der Sekte der internationalen Bibelforscher tätig und weigerte sich aus dieser Einstellung heraus, einem Gestellungsbefehl Folge zu leisten. Während des Krieges nahm er regelmäßig an ihren Versammlungen teil und versuchte neue Mitglieder zu werben. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 2 Jahre Zuchthaus.) F a l l N r . 59. Robert S., 36 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, früher Kammerdiener, mit drei Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei und acht wegen Einbruchsdiebstahls, war nach dem Zusammenbruch im Jahre 1918 zunächst Hausdiener und wurde später Krankenwärter bei den Barmherzigen Brüdern. Zu dieser Zeit erhielt er seine erste Vorstrafe. In der Folgezeit war er arbeitslos, verrichtete ab und zu kleinere Gelegenheitsarbeiten und war in den Jahren 1933 bis 1936 Diener bei einem Grafen, anschließend Hilfsarbeiter. In diese Zeit fielen seine drei Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei- Die den Grund seiner späteren acht Vorstrafen bildenden Einbruchsdiebstähle führte er meist zusammen mit einem Komplizen aus. In der Zeit vom 3. 7. bis 21. 8. 1940 verübte er wieder eine Reihe von Einbruchsdiebstählen und entwendete dabei Bargeld in Höhe von 500 RM-, Kleidungsstücke und Lebensmittel im Werte von zusammen 440 RM. Wegen seines arbeitsscheuen, asozialen Lebenswandels wurde die Einweisung in ein Arbeitshaus ausgesprochen. Kriminologische Typeneinteilung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 2 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r . 60. Franz S-, 71 Jahre alt, ledig, Pfarrer, nicht vorbestraft, bewirtete einen fahnenflüchtigen SS-Mann, der ihm erzählte, er werde gezwungen, aus der katholischen Kirche auszutreten, in seinem Pfarrhof, zeigte ihm einen sicheren Fluchtweg nach Italien und schenkte ihm einen Geldbetrag von 5 RM. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 2 Jahre Zuchthaus.) F a l l N r . 61. Franz S-, 21 Jahre alt, lediig, Tischlergehilfe, einmal wegen Betrugs, dreimal wegen Diebstahls, zweimal wegen Bettels und Landstreicherei S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

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98 vorbestraft, stahl im J a h r e 1938 einen Betrag von 36 R M . Z u gleicher Zeit trieb er mit mehreren homosexuell veranlagten Personen wiederholt gegen Entgelt widernatürliche Unzucht und erzwang von ihnen durch die Drohimg mit einer Anzeige die Herausgabe eines Geldbetrages von insgesamt 70 R M . Z u diesen Unzuchtshandlungen wurde er nicht etwa aus sexueller Triebhaftigkeit, sondern vielmehr infolge seiner Arbeitsscheu veranlaßt, um sich auf diese Weise ein möglichst bequemes, fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 4 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 62. Anton S., 51 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, unerheblich, nicht einschlägig vorbestraft, nahm innerhalb eines Zeitraumes von 1I/2 Jahren wiederholt mit einem 13jährigen, körperlich und sexuell voll entwickelten Mädchen, das seiner Erziehung anvertraut war, unzüchtige Handlungen vor. Die schlechten Wohnungsverhältnisse und das dadurch' bedingte enge Zusammenleben wirkte verbrechensfördernd. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/3 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l Nr. 63. Emjnerich S., 25 Jahre alt, ledig, Tischlergehilfe, mit 9 Vorstrafen wegen Diebstahls, besitzt einen Hang zum Vagabundieren und hielt es in seiner Abneigung gegen einen geregelten, arbeitssamen Lebenswandel an -keinem Dienstplatz längere Zeit aus. Auch nach seiner letzten Haftentlassung im J a h r e 1939 hatte er kein Interesse, sich um eine Arbeit zu bemühen, sondern suchte sich seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle zu verschaffen. E r wandte sich zwar an seinen früheren Dienstherrn mit der Bitte, ihn wieder einzustellen, was auch geschah, entwendete dort aber einen Betrag von 23 R M . aus einer Kasse und einen weiteren Betrag von 400 R M . aus einer Brieftasche sowie ein auf 1 6 6 1 . — R M . lautendes Postsparbuch und verschwand dann. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 3 Jahre schwerer Kerker.) F a l l Nr. 64. Alois S., 35 J a h r e alt, verheiratet, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit 7 Vorstrafen wegen Diebstahls, sehr schlecht beleumundet, gilt in seiner Heimatgemeinde als äußerst eigentumsgefährlicher und arbeitsscheuer Mensch. Seit seiner letzten Haftentlassung im Jahre 1937 hatte er verschiedene Dienstplätze, die er jedoch regelmäßig nach kurzer Zeit wieder verließ. Zuletzt war er bei dem Bauern M. beschäftigt, wo er des öfteren wegen Vernachlässigung seiner Arbeit zurechtgewiesen werden mußte. Dort entwendete er seinem Dienstgeber aus einem Nachtkästchen einen Bargeldbetrag von 237 R M . , stahl einem Arbeitskameraden verschiedene Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände und eignete sich ein unter Eigentumsvorbehalt gekauftes Fahrrad an, das er dem Besitzer S. überbringen sollte. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 8 Jahre schwerer Kerker.)

99 F a l l N r. 65. Franz S., 40 Jahre alt, verheiratet, Generaldirektor, nicht vorbestraft, hatte sich bereits im Jahre 1931 einen ihm in seiner Eigenschaft als Generaldirektor anvertrauten Betrag von 10000 S. zugeeignet und mißbrauchte seine Stellung dazu, daß er der von ihm geleiteten Gesellschaft in den Jahren 1933 bis 1938 um seines Vorteiles willen einen Schaden von über 40 000 S. zufügte. Kriminologische Typeneinreiihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 4 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r. 66. Josef S-, 67 Jahre alt, verwitwet, Zimmermannsgehilfe, zweimal wegen Schändung, sonst unerheblich, nicht einschlägig vorbestraft, mit deutlichen Anzeichen von Senilität, nahm nach vorhergegangenem übermäßigen Alkoholgenuß an einem 8jährigen Mädchen unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 2 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r. 67. Josef St., 57 Jahre alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, mit 11 Vorstrafen wegen geringfügiger Eigentumsdelikte, geistig etwas beschränkt, wird von seinen Dienstgebern als fleißiger und gewissenhafter Arbeiter geschildert, der sich aber immer wieder kleinere Unehrlichkeiten zuschulden kommen ließ. Seine 11 Vorstrafen hatte er hauptsächlich deshalb erhalten, da er sich des öfteren kleinere Darlehensbeträge geben ließ, die er jedoch entgegen seinem Versprechen nicht mehr zurückzahlte. Nachdem er sich vom 52. Lebensjahr an 5 Jahre straflos gehalten hatte, verführte er drei sexuell voll entwickelte Mädchen im Alter von 10 bis 13 Jahren zum außerehelichen Beischlaf. Kriminologische Typeneinreihung: Wandel vom Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft zum Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 5 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r. 68. Rudolf S., 29 Jahre alt, geschieden, Hilfsarbeiter, geringfügig nicht einschlägig vorbestraft, war vom Februar 1934 an bis zum Jahre 1938 Angehöriger des österreichischen Heimatschutzes und ein überzeugter Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung. Er machte im November 1939 in G. in Gegenwart mehrerer Personen abfällige Äußerungen über Hitler und bedauerte das Mißlingen des Sprengstoffattentats im Bürgerbräukeller in München. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 5 Jahre Gefängnis.) F a l l N r. 69. Johann S., 35 Jahre alt, geschieden, Postfacharbeiter, nicht vorbestraft, lebt in unglücklicher Ehe, da die Frau nicht zu wirtschaften verstand. Nachdem die Ehe aus Verschulden der Frau geschieden war, 7*

100 wurde er als. Magazineur bei der N S V . eingestellt, erlitt aber schon nach kurzer Zeit infolge eines Unfalles einen Beckenbruch und wurde arbeitsunfähig. Nach seiner Wiederherstellung erhielt er eine Stelle als Postfacharbeiter. In dieser Stellung öffnete er vom Mai bis J u l i 1940 zahlreiche Feldpostpäckchen, Feldpostbriefe und andere Briefe und entwendete daraus einen Barbetrag von 30 R M . , Zigaretten, Lebensmittel und verschiedene Gebrauchsgegenstände. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: als Volksschädling zu 1 J a h r und 3 Monate Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r. 70. Alois St., 29 J a h r e alt, zehnmal wegen Diebstahls, zweimal wegen Bettels und Landstreicherei und einmal wegen Trunkenheit vorbestraft, ein arbeitsscheuer berüchtigter Einbrecher, schlich sich nachts in verschiedene Wohnungen ein, wobei er meist mit Nachschlüsseln arbeitete, und stahl dort Wäsche .und Kleidungsstücke sowie Gebrauchsgegenstände im Gesamtwert von etwa 4000 RM., um sie nachher zu verkaufen und mit ihrem Erlös ein flottes Leben führen zu können. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 7 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 71. Franz St., 37 J a h r e alt, verheiratet, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, hatte seit Jahren mit seiner Frau große Streitigkeiten und entfremdete sich ihr immer mehr. Um seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen, machte er sich an seine 1 ijährige Tochter heran und hatte mit ihr in den Jahren 1935 bis 1937 wiederholt Geschlechtsverkehr, wobei er sich meist in einem hohen Grad von Trunkenheit befand. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r. 72. Heinz St., 51 Jahre alt, verheiratet, Vertreter, mit drei Vorstrafen wegen Unterschlagung und einer wegen Urkundenfälschung und Betrugs, hatte in seiner J u g e n d die Oberrealschule besucht und war im Weltkrieg wegen besonderer Tapferkeit zum Leutnant befördert worden. Im Zivilleben konnte er infolge seiner etwas abenteuerlichen Einstellung nicht Fuß fassen und schlug sich durch verschiedene Unterschlagungen und Betrügereien durchs Leben. Im Sommer 1939 gab er sich in verschiedenen Gegenden des Altreichs und der Ostmark als zum Inkasso berechtigter unmittelbarer Vertreter der Auslandsorganisation der N S D A P , aus, veranlaßte dadurch eine Reihe von Personen, zur Bestellung einer angeblich durch ihn zu vertreibenden Zeitschrift und lockte ihnen auf diese Weise einen Betrag von insgesamt 422 R M . heraus. Außerdem täuschte er der Firma K. durch Ausstellung gefälschter Bestellscheine über Bücherlieferungen den Abschluß eines Lieferungsauftrages von über 600 R M . vor und veranlaßte sie dadurch zur Auszahlung eines Betrages von 432 R M . an seine Person. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 5 J a h r e schwerer Kerker.)

101 F a l l N r. 73. Alois St., 35 J a h r e alt, verheiratet, Wirtschafter, nicht vorbestraft, war bis zum J a h r e 1938 Mitglied der Vaterländischen Front und der Ostmärkischen Sturmscharen. E r bezeichnete sich selbst als Anhänger des frühefen Österreichs. E r hörte längere Zeit hindurch wiederholt die Nachrichten französischer Sender ab, verbreitete sie und äußerte sich in ablehnender Weise über Hitler und den nationalsozialistischen Staat. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 3 Jahre Zuchthaus.) F a l l Nr. 74. Oswald F., 51 Jahre alt, verheiratet, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, war überzeugter Sozialdemokrat und gehörte dieser Partei bis zum Verbot an. E r hörte längere Zeit hindurch regelmäßig französische und Schweizer Sender ab und machte in Gegenwart mehrerer Arbeitskameraden scharf ablehnende Äußerungen über Hitler und Mitglieder der Reichsregierung und bedauerte das Mißlingen des Attentats im Bürgerbräukeller in München. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 31/2 J a h r e Zuchthaus.) F a l l Nr. 75. Franz T., 58 J a h r e alt, ledig, Pfarrer, nicht vorbestraft, war bis zum J a h r e 1938 Mitglied der Vaterländischen Front. E r gewährte einem fahnenflüchtigen SS-Mann, der ihm mitteilte, er werde gezwungen aus der katholischen Kirche auszutreten, Unterschlupf in seinem Pfarrhof, bewirtete ihn, war ihm mit verschiedenen Angaben zu seiner weiteren Flucht behilflich und schenkte ihm einen Betrag von 12 R M . Im Verlauf des Gesprächs äußerte er sich ablehnend über Hitler. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 6 Jahre Zuchthaus.) F a l l N r . 76. Edmund U., 30 J a h r e alt, ledig, Friseurgehilfe, zweimal wegen Unterschlagung, einmal wegen Diebstahls und fünfmal wegen unbefugten Grenzübertritts vorbestraft, besitzt einen eingewurzelten Hang zum Vagabundieren, hielt es an keinem Arbeitsplatz längere Zeit aus und fristete sein Leben durch Begehung von Eigentumsdelikten. Auf einer Fahrradtour, die er im Sommer 1939 mit Anna F. unternahm, stahl er ihr verschiedene Gebrauchsgegenstände, eine Geldtasche mit 8 R M . und einen Photoapparat, den er nachher um 29 R M . verkaufte. Außerdem legte er sich verschiedenen Personen gegenüber einen falschen Namen bei, gab sich als Reichsbahnangestellter und Bräutigam einer Bekannten aus und lockte ihnen auf diese Weise einen Betrag von 380 R M . heraus. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 11/ 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 77. Stefan V., 52 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, überzeugter Anhänger der marxistischen Lehren, verweigert konstant den Gebrauch des deutschen Grußes und machte im November 1939 in einem Gasthaus scharf ablehnende Äußerungen über Hitler. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 5 J a h r e Gefängnis.)

102 F a l l N r. 78. Konrad V., 28 J a h r e alt, Kassenführer beim Reichsnährstand, mit 5 Vorstrafen wegen Diebstahls und Betrügereien minderer Art, fleißiger Arbeiter, eignete sich in dieser Stellung infolge einer gewissen Notlage in der Zeit von August bis Oktober 1938 einen Betrag von insgesamt 5484 R M . an. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 5 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r. 79. Alois W., 57 J a h r e alt, verheiratet, Landwirt, nicht vorbestraft, jähzornig veranlagt, hing sehr an seiner um 23 Jahre jüngeren Fräu, die ihn aber mehr aus Berechnung als aus Zuneigung geheiratet hatte, was sie auch in ihrem Verhalten ihm gegenüber offen zeigte. Aus begründeter Eifersucht des Mannes war es wie schon so oft auch am 19. 1. 1940 zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten gekommen, in dessen Verlauf die Frau ihrem Ehemann mehrere Schläge gegen das Kinn versetzte. Fassungslos und seiner selbst nicht mehr mächtig, packte dieser seine Frau und würgte sie mit solcher Gewalt, daß schon nach kurzer Zeit der Erstickungstod eintrat. Kriminologische Typeneinreihung: Primitivreaktiver Verbrecher. (Strafe: 10 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 80. Ignaz W., 61 J a h r e alt, verheiratet, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit einer Vorstrafe wegen gröblicher und öffentliches Ärgernis verursachender Verletzung der Sittlichkeit, sonst unerheblich, nicht einschlägig vorbestraft, Anzeichen von Senilität aufweisend, mit allgemeinen Verfallserscheinungen infolge übermäßigen Alkoholgenusses, nahm an 3 Mädchen im Alter von 8 Jahren wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 81. Franz W., 55 J a h r e alt, ledig, Landwirt, nicht vorbestraft, geistig debil, Sonderling mit idealistischen Ansichten, überzeugter Anhänger der katholischen Kirche, äußerte sich wiederholt in ablehnender Weise über Hitler und bedauerte das Mißlingen des Attentats im Bürgerbräukeller in München. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 3 J a h r e Gefängnis.) F a l l N r . 82. Bartholomäus W., 20 J a h r e alt, ledig, Holzarbeiter, nicht vorbestraft, mit sehr starkem Sexualtrieb, trieb an verschiedenen Orten mit mehreren im Alter von 25 bis 40 Jahren stehenden Männern durch längere Zeit hindurch widernatürliche Unzucht und zahlte hiefür Geldbeträge. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. ( S t r a f e : ii/ 2 J a h r e schwerer Kerker.)

103 F a l l N r . 83. Karl W., 49 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, körperlich behindert, mit Anzeichen geistiger Minderwertigkeit, unternahm an der schwachsinnigen, elfjährigen Maria S. einmal den außerehelichen Beischlaf und nahm an der 10jährigen Ernestine K. wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 3 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r. 84. Viktor K., 19 J a h r e alt, ledig, Student, nicht vorbestraft, hatte Walter N. einige Mark geliehen. Als er sie wieder zurückverlangte, erklärte N., daß er vorderhand dazu nicht in der Lage sei und machte den Vorschlag, den Betrag aus einer Tabaktrafik zu holen. • K. war mit diesem Plan einverstanden. Als sich die Inhaberin einer ihnen bekannten Tabaktrafik abends nach Hause begab, entrissen sie ihr im Schutz der Dunkelheit die Handtasche mit dem darin befindlichen Geld uind teilten den Betrag in Höhe von 552 R M . unter sich. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: als Volksschädling zu 12 Jahre Zuchthaus verurteilt.) F a l l N r . 85. Franz F., 27 J a h r e alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, ließ sich öfters mit seiner Frau von einer in demselben Haus wohnenden Jüdin einladen. Gelegentlich einer Einladung blieb F. allein noch länger in der Wohnung der Jüdin, um dort angeblich Zeitschriften anzusehen. Bei dieser Gelegenheit kam es zwischen F. und der leicht zugänglichen Jüdin zu Zärtlichkeiten und anschließend zum Geschlechtsverkehr, wodurch die Jüdin geschwängert wurde. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r Zuchthaus.) F a l l N r. 86. Wladislaus T., 33 Jahre alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, war zusammen mit seinem Bruder einem Fleischhauermeister zur Arbeitsleistung zugewiesen. D a er mit der Kost nicht zufrieden war, hatte er öfters mit der ebenfalls dort beschäftigten Cäcilie L . Streit, wobei er ihr einmal drohte, er werde sie umbringen, so daß Cäcilie L. nicht jnehr im Hause zu schlafen wagte. Am 27. 12. 1939 hatte er mit ihr wieder eine Auseinandersetzung, weil angeblich die Suppe versalzen war, in deren Verlauf er sie mit dem Küchenmesser bedrohte und ihr eine Schüssel mit heißer Suppe an den Kopf warf. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 87. Wawrzynce T., 19 Jahre alt, lediger Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, war zusammen mit seinem Bruder einem Fleischhauermeister zur Arbeitsleistung zugewiesen. Sein Bruder, der, wie er selbst, mit der Kost

104 nicht zufrieden war, und aus diesem Grunde des öfteren Streitigkeiten mit der ebenfalls dort beschäftigten Cäcilie L. hatte, bedrohte diese am 27. 12. 1 9 3 9 mit einem Küchenmesser. Wawrzynce T . stand auf "Seiten seines Bruders und ging auf den Fleischergehilfen Michael O., welcher der Cäcilie L. zur Hilfe kommen wollte, mit einer Hacke los und warf ihm eine Salzschüssel an den K o p f . Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter( S t r a f e : 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 88. Franz Z . , 29 J a h r e alt, ledig, Ziegeleiarbeiter, mit drei Vorstrafen wegen Diebstahls und vier wegen Bettels und Landstreicherei, besitzt einen eingewurzelten H a n g zum Herumstreunen und drückt sich gern von jeder Arbeit; auf seiner letzten Arbeitsstelle stahl er einem Arbeitskameraden eine Brieftasche mit 63 R M . und entwendete ein Fahrrad, um damit über die Reichsgrenze zu fliehen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 7 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 89. Kajetan W . , 24 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit 8 Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei und drei wegen Diebstahls und B e trugs, verhielt sich seinen Arbeitskameraden gegenüber sehr unkameradschaftlich und blieb an allen Arbeitsplätzen nur kurze Zeit. Durch Be scheid seines zuständigen Arbeitsamtes wurde er als Bauarbeiter für die F i r m a M. verpflichtet. In seiner Abneigung gegen jegliche Arbeit, verließ er aber bereits nach einigen T a g e n seine Arbeitsstelle, bummelte auf der Landstraße herum und bettelte von Haus zu Haus. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. ( S t r a f e : 6 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 90. Anton W., 42 J a h r e alt, ledig, Krankenwärter, zuletzt Koch in einer Klosterküche, wegen widernatürlicher Unzucht vorbestraft, trieb in den J a h r e n 1 9 3 3 bis 1 9 3 9 wiederholt mit seinem 16 J a h r e alten N e f f e n , den er durch Geschenke g e f ü g i g gemacht hatte, und einer weiteren Person desselben Geschlechtes widernatürliche Unzucht. E r fühlte sich von Juigend an nur von Männern geschlechtlich angezogen. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherschtheit. ( S t r a f e : 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r. 9 1 . K a r l R., 51 J a h r e alt, geschieden, kaufmännischer Angestellter, dreimal wegen widernatürlicher Unzucht und gröblicher, öffentliches Ärgernis erregender Verletzung der Sittlichkeit, elfmal wegen B e g e h u n g von Gewalttätigkeitsdelikten vorbestraft, mit Anzeichen einer psychopathischen Minderwertigkeit, gilt in seinem Heimatort als Gewohnheitstrinker und Gewalttäter. Eines Abends zechte er in einem Gasthaus. B e i dieser Gelegenheit machte er sich an den .ebenfalls dort anwesenden P. heran, liebkoste ihn und ging mit ihm in den H o f , tun dort Unzucht zu

105 treiben. Durch das Erscheinen eines weiteren Gastes wurde er jedoch daran gehindert. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 92. Johann St., 27 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, geistig minderwertig, menschenscheu, trieb vom Dezember 1939 bis J u l i 1940 wiederholt mit einer Kuh Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 93. Friedrich R-, 21 J a h r e alt, ledig, ehem. Wehrmachtangehöriger, mit einer Vorstrafe wegen Körperverletzung, benahm sich bei seinem Truppenteil frech und widersetzlich, wofür er wiederholt mit Disziplinarstrafen bedacht wurde. Ermahnungen seiner Vorgesetzten gegenüber zeigte er sich renitent und erhielt deshalb eine Arreststrafe von 3 Tagen. Bei seiner Einlieferung schlug er die Arresttüre ein und beschimpfte den Arrestaufseher in gemeiner Weise. Nach seiner Entlassung erklärte er seinem Unteroffizier, er werde ihn nach seinem Ausscheiden aus der Wehrmacht umbringen und versetzte ihm mehrere Fußtritte. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 1 J a h r 3 Monate Gefängnis.) F a l l N r. 94. Johann L., 21 J a h r e alt, ledig, Drechsler, nicht vorbestraft, trieb seit dem J a h r 1 9 3 3 mit mindestens 25 Personen des gleichen Geschlechts, von denen er meist verführt wurde, widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: ii/ 2 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r . 95. Franz P., 49 J a h r e alt, geschieden, Elektromonteur, nicht vorbestraft, war bei einer größeren Firma beschäftigt, neigte aber dazu, sich bei jeder Gelegenheit von der Arbeit zu drücken und wurde deshalb von seinem Dienstgeber des öfteren zur Rede gestellt. Trotzdem blieb er wieder angeblich wegen schlechter Behandlung und infolge ieines simulierten Magenleidens von der Arbeit fern und weigerte sich, obwohl er sie ordnungsmäßig übernommen hatte, wieder anzutreten. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. _ (Strafe: 4 Monate Gefängnis.) F a l l N r. 96. Anton W., 43 J a h r e alt, ledig, Maurergehilfe, mit vier Vorstrafen wegen Körperverletzung, ein gefürchteter, schlecht beleumundeter Gewalttäter, geriet mit einem Bekannten, dem er nicht gut gesinnt war.

106 wegen einer geringfügigen Angelegenheit in einen erregten Wortwechsel, in dessen Verlauf er diesem mit dem Taschenmesser einen Stich in die Hand versetzte, der eine mehrwöchentliche Arbeitsunfähigkeit des Verletzten zur Folge hatte. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 7 Monate Kerker.) F a l l N r. 97. Anton P., 53 Jahre alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, siebenmal wegen Diebstahls, fünfmal wegen Betrugs, dreimal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, geistig beschränkt, arbeitete als Knecht bei verschiedenen Bauern, blieb aber infolge eines unwiderstehlichen Hanges zum Vagabundieren überall nur kurze Zeit. Am 30. 12. 1939 kam er in angetrunkenem Zustand zum Besitzer Simon S. und bat dort um ein Nachtquartier. Als ihm zunächst eine abschlägige Antwort erteilt wurde, begann er heftig zu schimpfen und machte, obwohl er sich um Politik niemals gekümmert hatte, ablehnende Äußerungen über den nationalsozialistischen Staat und die Reichsregierung. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r Gefängnis.) F a l l N r. 98. Michael P., 20 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, hatte in einem Gasthaus übermäßig Alkohol genossen und wollte mit der dort ebenfalls anwesenden Elisabeth R . auf dem Heimweg geschlechtlich verkehren. Als dies.e sich energisch weigerte, bedrohte P. sie mit einer Pistole und erklärte, er werde sie niederschießen, wenn sie ihm nicht willfährig sei. Durch das Dazwischenkommen einiger Passanten wurde er an seinem Vorhaben, auf diese ,Weise den Geschlechtsverkehr zui erzwingen, gehindert. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 99. Simon M., 42 J a h r e alt, ledig, Elektriker, geistig minderwertig, zweimal einschlägig vorbestraft, davon einmal mit 34 Jahren wegen Schändung, das zweite Mal mit 37 Jahren wegen Notzucht und Blutschande, nahm an zwei Mädchen im Alter von 1 1 bis 13 Jahren unzüchtige Handlungen vor, nachdem er sie durch Geschenke an sich gelockt hatte. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 100. Josef St., 31 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit 13 Vorstrafen, davon vier wegen Diebstahls, fünf wegen Bettels und Landstreicherei und vier wegen öffentlicher Gewalttätigkeit, war bei seinen .Arbeitskameraden wegen seines unkameradschaftlichen und aufbrausenden Wesens unbeliebt und hielt sich infolge seiner Abneigung gegen einen geregelten, arbeitssamen Lebenswandel an seinen Dienstplätzen nur kurze

107 Zeit. Zuletzt war er bei dem Bauern Franz W. als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter beschäftigt. Wegen einer geringfügigen Angelegenheit geriet er mit diesem uind dem Knecht Friedrich K . in einen heftigen Wortwechsel, in dessen Verlauf er mit den Worten „ich stech euch alle nieder" mit gezogenem Messer auf die beiden losging. Als es deshalb zu einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht H. kam, versetzte St. idem zur Hauptverhandlung geladenen Zeugen Friedrich K. nach der Urteilsverkündung aus Zorn über dessen Zeugenaussagen mehrere Faustschläge ins Gesicht. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 3 Monate Kerker.) F a l l Nr. 101. Franz W., 48 J a h r e alt, verheiratet, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit zwei Vorstrafen wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, war gegen seine Frau aus unbegründeter Eifersucht sehr lieblos und roh. Als er mit ihr wieder eine Auseinandersetzung wegen einer geringfügigen Angelegenheit hatte, ging diese, um Ruhe zu bekommen, zu der bekannten Familie T . und klagte dort ihr Leid. Franz W. drang darauf mit einem Messer bewaffnet in die Wohnung der Familie T . ein und bedrohte seine Frau sowie den Balthasar T. mit^Erstechen. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 4 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 102. Julius M. 44 J a h r e alt, geschieden, Schneidergehilfe, mit 10 Vorstrafen wegen Diebstahls und vier wegen Bettels und Landstreicherei, gilt in seiner Heimatgemeinde als arbeitsscheu und äußerst eigentumsgefährlich. Wegen Verdachts, neuerdings ein Paar Schuhe gestahlen zu haben, wollte ihn der Bürgermeister zur Polizei führen; bei dieser Gelegenheit ging M. wiederholt auf den Bürgermeister mit gezogenem Messer los und beschimpfte ihn in gemeiner Weise. Kriminologische TypeneLnreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 103. Josef T., 41 J a h r e alt, ledig, Koch, nicht vorbestraft, trieb in den Jahren 1934 bis 1937 mit mehreren Personen, denen er zum Teil Geldbeträge zahlte, widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 10 Monate Kerker.) F a l l N r . 104. Anton T., 62 Jahre alt, ledig, Schneidergehilfe, geistig minderwertig, zweimal wegen Diebstahls, viermal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, besitzt eine ausgesprochene Abneigung gegen einen arbeitssamen Lebenswandel, treibt sich mit Vorliebe auf der Straße herum und versucht sich durch Diebstähle und Bettel durchs Leben zu schlagen. So zog er in den letzten zwei Jahren im Lande

108 herum, ohne sich um einen Arbeitsplatz zu bemühen. In angetrunkenem Zustand kam er zu dem Besitzer S. und sprach dort uim Most vor. Als S. sich diesem Ansinnen gegenüber ablehnend verhielt und den T . aufforderte, in Anbetracht des gegenwärtigen Mangels an Arbeitskräften eine Arbeit anzunehmen, kam es zwischen beiden zu einem erregteil Wortwechsel, in dessen Verlauf T., der sich um Politik niemals g e kümmert hatte, abfällige Bemerkungen über Hitler machte. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 8 Monate Gefängnis.) F a l l N r. 105. Peter M., 50 Jahre alt, geschieden, Müllergehilfe, nicht vorbestraft, geistig minderwertig, nahm in den Jahren 1933 bis 1935 an der neunjährigen Agnes P. wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: herrschtheit. ( S t r a f e : 1 Jahr schwerer Kerker.)

Verbrecher

aus

sexueller

Unbe-

F a l l N r. 106. Andreas S., 20 Jahre alt, ledig, Schlossergehilfe, mit zwei Vorstrafen wegen Diebstahls minderer Art, fleißiger Arbeiter, stieg in einen zu einem Bad gehörigen Erfrischungsraum und entwendete dort einen Betrag von 47 R M . aus einer unversperrten L a d e sowie zwei F l a s c h e a Chabeso, die er zusammen mit seiner Freundin trank. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverb recher aus geringer Widerstandskraft. ( S t r a f e : 5 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 107. Ruppert R., 56 Jahre alt, verheiratet, Schuldirektor, nicht vorbestraft, wurde von Kindheit an in christlichsozialem Sinn erzogen und besuchte ein Knabenseminar, welches für die Heranbildung des theologischen Nachwuchses bestimmt war. E r war früher Mitglied der christlichsozialen Partei, bekleidete längere Zeit das Amt eines Gemeinderates und wurde schließlich Obmann der Ortsgruppe M. der christlichsozialen Partei und des christlichsozialen Lehrerbundes. Seit dem Jahre 1934 war er Mitglied der Vaterländischen Front. Nach dem Anschluß wurde er im Z u g e der ,.Reinigung des Berufsbeamtentums" in den Ruhestand versetzt. E r blieb nach wie vor ein überzeugter G e g ner der nationalsozialistischen Weltanschauung und äußerte sich im Dezember 1939 sehr a b f ä l l i g über Hitler und die Rationierung der Lebensmittel. Kriminologische Typeneinreihung: ( S t r a f e : 1 Jahr Gefängnis.)

Überzeugungsverbrecher.

F a l l N r. 108. Richard G., 22 Jahre alt, ledig, Müllergehilfe, dreimal wegen geringfügiger Eigentumsdelikte und einmal wegen Notzucht vorbestraft, trieb in den letzten drei Jahren vor seiner .Verurteilung wiederholt, meist nach vorhergegangenem Alkoholgenuß mit Helmut N., der ihn verführt hatte, widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. ( S t r a f e : 3 Monate schwerer Kerker.)

109 F a l l N r . 109. Michael K., 66 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit 12 Vorstrafen wegen geringfügiger Eigentumsdelikte, fleißiger Arbeiter, eignete sich eine auf dem Ladentisch einer Tabaktrafik versehentlich liegengebliebene Geldbörse mit 32 R M . Inhalt an. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 4 Monate schwerer Kerker.) F a l l Nr. 110. Alois S., 34 J a h r e alt, ledig, Pfarrer, einmal wegen Schändung vorbestraft, nahm in den Jahren 1927 bis 1932 an verschiedenen Knaben, die bei ihm Ministrantendienste leisteten, teils in seiner Wohnung, teils auf gemeinsamen Ausflügen wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r. 1 1 1 . Konrad K., 23 J a h r e alt, Maurer, mit zwei Vorstrafen wegen Betrugs und Diebstahls, von überdurchschnittlichen geistigen Fähigkeiten, gab sich verschiedenen Personen gegenüber als Angehöriger der Geheimen Staatspolizei aus, erzählte, durch einen erlittenen Autounfall in Geldschwierigkeiten geraten zu sein und bat um kleinere Darlehen. Durch s ein gewandtes Auftreten gelang es ihm, Vertrauen zu erwecken und den Beteiligten einen Betrag von 620 R M . / herauszulocken. Zu gleicher Zeit knüpfte er mit einer Kassierin, bei der er sich als Ingenieur ausgab, Beziehungen an und erklärte ihr, er wolle sie seinen Eltern vorstellen. Unterwegs nahm er ihr die Handtasche ab, stahl daraus einen Betrag von 100 R M . und verschwand dann. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r Kerker.) F a l l Nr. 112. Richard F., 64 J a h r e alt, verheiratet, Bäckergehilfe, mit einer Vorstrafe wegen Schändung, hätte infolge eines schweren Unterleibsleidens seiner Frau mit ihr seit 10 Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr. Da seine Frau den Haushalt nicht mehr versorgen konnte, nahm er die 12jährige Juliane M., eine Nichte seiner Frau, zu sich. Begünstigt durch die sehr primitiven Wohnungsverhältnisse und das dadurch bedingte Zusammenleben kam es in den Jahren 1937 bis 1939 zwischen Richard F . und Juliane M. wiederholt zum Geschlechtsverkehr und zu unzüchtigen Handlungen. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r 3 Monate schwerer Kerker.) F a l l Nr. 113. Franz E., 47 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit 12 Vorstrafen wegen Begehung von Eigentumsdelikten und zwei wegen Bettels und Landstreicherei, besitzt eine eingewurzelte Abneigung

110 gegen geregelte Arbeit und verschaffte sich seinen Lebensunterhalt meist durch Diebstähle, Betrügereden und Bettel. Auf seinem letzten Dienstplatz, wo er erst kurze Zeit vorher eingetreten war, stahl er in wiederholten Angriffen Gebrauchsgegenstände und Wäsche im Werte von etwa 300 R M . und begab sich damit auf die Wanderschaft. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 Jahr schwerer Kerker.) F a l l N r . 114. Ludwig B., 52 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit 9 Vorstrafen wegen Begehung von Eigentumsdelikten und 30 wegen Bettels und Landstreicherei, sonst geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, ein asozialer Mensch, der jeder Arbeit aus dem W e g e geht und sich seinen Lebensunterhalt durch Begehung von Vermögensdelikten und Bettel zu verschaffen sucht, zog, ohne sich um Arbeit zu bemühen, beschäftigungslos im Lande herum und überschritt unbefugterwed.se die Reichsgrenze. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 4 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 115. Karl K., 3 6 Jahre alt, verheiratet, Brauereiarbeiter, mit 5 Vorstrafen wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, ein streitsüchtiger und unverträglicher Mensch, der in Lokalen andere Gäste dauernd belästigt, geriet mit David K., wegen einer geringfügigen Angelegenheit in einen Wortwechsel und versetzte diesem ohne angegriffen zu sein mehrere Fußtritte, die einen Unterschenkelbruch des Verletzten zur Folge hatten. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 4 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 116. Eduard N., 28 Jahre alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit 8 Vorstrafen wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, hatte wegen Mißhandlung und Bedrohung seiner Geliebten Juliane S. eine sechsmonatliche schwere Kerkerstrafe zu verbüßen und war am 3o. 4. 1 9 4 0 aus der Strafhaft entlassen worden. E r zechte in verschiedenen Gasthäusern und war schon ziemlich angetrunken, so daß ihm der Gastwirt die Verabreichung weiterer Getränke verweigerte. Darüber aufgebracht, begann N . zu randalieren, so daß er schließlich mit Gewalt entfernt werden mußte. Daraufhin begab er sich in ein anderes Gasthaus, beschimpfte dort den Wirt und den inzwischen herbeigeholten Gendarmeriemeister Silvester K., versprach aber schließlich nach Hause zu gehen. Statt dessen begab er sich vor die Wohnung des Hermann L., mit dem seine frühere Geliebte Juliane S. ein Verhältnis unterhielt, schlug die Haustüre ein und stieß wüste Drohungen aus. Als Hermann L. in seiner Aufregung die Wohnungstüre geöffnet hatte, drang Eduard N . lärmend in die Wohnung ein und suchte nach Juliane S., die aber inzwischen hilfesuchend zu einem Nachbarn gelaufen war. Da alles gute Zureden, die Wohnung zu verlassen, erfolglos blieb, wurde Eduard N. durch die inzwischen verständigte Polizei abgeführt. Kriminologische Typeneinreihung: Aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.)

111 F a l l Nr. 117. Hermann G., 34 J a h r e alt, verheiratet, Schlossergehilfe, fünfmal wegen Begehung von Eigentumsdelikten, einmal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, hatte infolge seiner Arbeitsscheu die Arbeitsplätze häufig gewechselt und entwendete seinem letzten Dienstgeber in wiederholten Angriffen Kleidungsstücke und Nahrungsmittel im Werte von etwa 20:0 R M . , um sie nachher weiter zu veräußern. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r 3 Monate schwerer Kerker.) F a l l Nr. 118. Franz S., 36 J a h r e alt, verheiratet, Landarbeiter, dreimal wegen Diebstahls, viermal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, geistig beschränkt, stahl bei seinem Dienstgeber kurze Zeit nach seiner Entlassung aus der letzten Strafhaft 60 kg Rüben aus dem Keller, um sie weiter zu verkaufen. Einige Monate später begab er sich mit seinem Arbeitskameraden H. zur Ortschaft B. Unterwegs machten sie an einem Waldrand eine kurze Rast. Bei dieser Gelegenheit stahl S. aus der Brieftasche des H. einen Betrag von 230 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 1 1 9 . Anton St., 54 J a h r e alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, mit neun Vorstrafen, wegen Begehung von Eigentumsdelikten und 1 5 wegen Bettels und Landstreicherei, sonst geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, zog, ohne sich um Arbeit zu kümmern, im Lande herum, stahl nachts aus einem Hausgang, den er mit einem Dietrich öffnete, ein Herrenfahrrad im Wert von 70 R M . und einige Zeit später, ebenfalls zur Nachtzeit > aus dem H o f e des Stadtbaumeisters F . Bauholz im Wert von etwa 8 RM. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 120. Anton S., 44 J a h r e alt, verheiratet, Maurergehilfe, mit 12 Vorstrafen wegen Diebstahls und Betrugs und drei wegen Bettels und Landstreicherei, drückte sich bei jeder Gelegenheit von der Arbeit, kümmerte sich nicht um seine Familie und neigte dazu, sich seinen Lebensunterhalt auf unredliche Weise zu verschaffen. Nachdem er kaum 3 Monate nach Verbüßung seiner letzten Freiheitsstrafe aus der Strafanstalt entlassen war, stahl er einem Arbeitskameraden ein Herrenfahrrad im Wert von 80 R M . , um es nachher weiter zu veräußern. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l Nr. 121. Ernst H., 50 J a h r e alt, ledig, Kellner, einmal wegen Diebstahls und einmal wegen widernatürlicher Unzucht vorbestraft, trieb mit J o hann H., den er in Ausübung seines Berufes kennen gelernt hatte, wiederholt widernatürliche Unzucht. E r hatte zwar einmal in seinem

112 Leben mit einer Frau Geschlechtsverkehr, fühlte aber dabei nach eigener Aussage weder einen besonderen sexuellen Reiz noch eine Befriedigung. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 122. Josef I., 36 Jahre alt, ledig, Bergarbeiter, achtmal wegen Begehung von Eigentumsdelikten, dreimal wegen Bettels und Landstreicherei, sonst geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, ist ein dem Alkohol vollkommen verfallener Mensch, der seinen ganzen Verdienst vertrinkt. E r nahm wiederholt Vorschüsse auf seinen Arbeitslohn und benützte jede Gelegenheit zum Stehlen oder zu Betrügereien, da ihm das Geld zur Bezahlung seiner Zechschulden nie ausreichte. E r war infolge seiner Arbeitsscheu an keinem seiner Dienstplätze längere Zeit beschäftigt, da er sie entweder selbst wieder verließ oder wegen Blaumachens entlassen wurde. In der Zeit vom März bis November 1940 entwendete er verschiedenen Personen eine Reihe von Gebrauchsgegenständen und Kleidungsstücken, um diese dann in Geld umzusetzen. Zu gleicher Zeit gelang es ihm durch allerlei Versprechungen, die er natürlich nicht einhielt, mehreren Bekannten kleinere Darlehensbeträge von zusammen 28 R M . herauszulocken. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r. 123. Johann G., 23 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, geistig beschränkt, mißbrauchte mehrere Male die 7jährige J o s e f a M. und die 4jährige Herlinde S., die er durch Geschenke angelockt hatte, zu unzüchtigen Handlungen. Kriminologische Typenieinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 124. Nikolaus F., 49 J a h r e alt, verheiratet, Korbflechter, sechsmal wegen Diebstahls und einmal wegen Raubes vorbestraft, kümmerte sich nicht um seine Arbeit, sondern suchte sich durch Begehung von Eigentumsdelikten sein Fortkommen zu sichern. Bei der Entgegennahme eines Auftrages im Hause des Besitzers S. beobachtete er, wie dessen Frau den Hausschlüssel bei dem im H o f e stehenden Brunnen versteckte. Als diese kurze Zeit später weggegangen war, drang F . mit Hilfe des Schlüssels in die Wohnung ein und stahl dort aus einer unversperrten Schublade einen Betrag von 66 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 125. Anton W., 44 Jahre alt, verheiratet, Malergehilfe, zweimal wegen widernatürlicher Unzucht und einmal wegen Diebstahls vorbestraft, trieb i n den Jahren 1936 bis 1939 -mit verschiedenen homosexuell veran-

113 lagten Männern widernatürliche Unzucht. Sonst war W. geschlechtlich normal eingestellt. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 126. Rupert S., 38 J a h r e alt, verheiratet, Ofenschweißer, mit einer Vorstrafe wegen öffentlicher Gewalttätigkeit, war bereits im Jahre 1 9 3 3 einige Monate Angehöriger der SA. und betätigte sich auch sonst im nationalsozialistischen Sinn. Da er sich die durch den Krieg bedingten Einschränkungen nicht auferlegen wollte, machte er in Gegenwart mehrerer Personen abfällige Äußerungen über Hitler und Maßnahmen der Reichsregierung. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaf tsdisziplin. (Strafe: 1 J a h r Gefängnis.) F a l l N r . 127. Friedrich R., 19 J a h r e alt, ledig, Dreher, mit einer Vorstrafe wegen Diebstahls, arbeitsscheu, streunt mit Vorliebe auf der Landstraße herum. U m sich einen Ersatz für den durch sein arbeitsscheues Verhalten ausfallenden Verdienst zu verschaffen, stahl er innerhalb eines Zeitraumes von zwei Monaten 6 Fahrräder, die er nachher weiterverkaufte. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 128. Michael S., 35 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit vier Vorstrafen wegen Betrugs und drei wegen Bettels und Landstreicherei, zog geschäfts- und arbeitslos umher und will angeblich auf der Suche nach Arbeit gewesen sein. Dabei täuschte er dem Besitzer Karl P. vor, er beabsichtige seine sehr vermögende Mutter aus Ungarn abzuholen, hätte aber momentan nicht das erforderliche Geld und lockte ihm auf diese Weise einen Bargeldbetrag sowie mehrere Kleidungsstücke im Gesamtwert von etwa 300 R M . heraus. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 10 Monate Kerker.) F a l l N r . 129. Ignaz S., 20 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit einer Vorstrafe wegen Diebstahls, stahl dem Sohn seines Dienstgebers das Vorderrad seines Fahrrads samt Mantel und Schlauch und einer dort ebenfalls beschäftigten M a g d in mehreren Angriffen Bargeld von insgesamt 93 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

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114 F a l l N r. 130. J a k o b B., 37 Jahre alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, sonst geschlechtlich normalempfindend, trieb mit Johann P. kürzere Zeit hindurch widernatürliche Unzucht, wobei er in den meisten Fällen angetrunken war. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 1 3 1 . Josef K., 32 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit 8 Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei und zwei wegen Diebstahls, mußte schon von J u g e n d an zur Arbeit gezwungen werden und wechselte seine Dienstplätze häufig. Zuletzt war er bei der Firma P. beschäftigt. Diesen Arbeitsplatz verließ er eigenmächtig ohne Kündigung und ohne Zustimmung des Arbeitsamtes. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 6 Monate Gefängnis.) F a l l N r. 132. Michael S., 56 J a h r e alt, ledig, Viehtreiber, mit 62 Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei, vier wegen Betrugs, sechs wegen Diebstahls und neun wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, haltloser Trinker, zog in seiner Abneigung gegen einen rechtschaffenen Lebenswandel im J u n i 1940 beschäftigungs- und arbeitslos umher und fristete sein Leben durch Bettel. Auf einen in Ausübung seines Dienstes befindlichen Gendarmeriebeamten, der ihn abführen wollte, ging er mit einem Haselstock los und beleidigte ihn in gemeiner Weise. Auch bei der Einver^ nähme auf der Polizeistation wurde S. ausfällig und wiederholte die gemachten Beleidigungen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 9 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 133. Johann M., 28 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit zwei Vorstrafen wegen Diebstahls und fünf wegen Bettels und Landstreicherei, zeigt einen ausgesprochenen Hang zum Vagabundieren und geht jeder Arbeit aus dem Wege. Trotz eindringlicher Belehrung verweigerte er auch am 30. 6. 1940 als Gefolgschaftsmitglied der Molkerei S. seinem Dienstgeber hartnäckig das Ausladen eines Kohlenwagens. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 7 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 134. Josef K., 48 J a h r e alt, ledig, Kutscher, mit 6 Vorstrafen wegen Begehung von Vermögensdelikten und 18 wegen Bettels und Landstreicherei, verließ seinen Dienstplatz bei dem Händler Engelbert M. ohne rechtmäßige Kündigung, zog ohne Barmittel weiter, kümmerte sich um keine Beschäftigung, sondern bettelte von Haus zu Haus. Außerdem kassierte er bei einem Kunden seines letzten Dienstgebers einen Betrag von

115 47-5° R M . f ü r geliefertes E i s ein, behielt ihn aber f ü r sich u n d verbrauchte ihn auf seiner W a n d e r u n g . Kriminologische T y p e n e i n r e i h u n g : Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. ( S t r a f e : 8 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 135. Ignaz O., 52 J a h r e alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, mit 10 Vorstrafen wegen g e r i n g f ü g i g e r Eigentumsdelikte, b e f a n d sich in Geldverlegenheit u n d stahl in einem Gasthaus, als er allein im Gastzimmer war^ eine Aktentasche, einen Gummimantel, Ohrenschützer und ein Paar H a n d schuhe. Kriminologische T y p e n e i n r e i h u n g : Vermögensverbrecher aus g e r i n g e r Widerstandskraft. ( S t r a f e : 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 136. Georg E., 35 J a h r e alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, mit 13 Vorstrafen wegen B e g e h u n g von Gewalttätigkeitsdelikten, starker T r i n k e r , hatte seiner Dienstgeberin schon wiederholt erklärt, er r e d e nicht lange, sond e r n schlage gleich drein. Als e r mit ihr wegen einer kleinen Lohndifferenz in Streit g e r a t e n war, ging er mit d e r Heugabel auf sie los u n d bedrohte sie mit Erstechen. Kriminologische T y p e n e i n r e i h u n g : Aggressiver Gewalttäter. ( S t r a f e : 1 Monat schwerer Kerker.) F a l l N r . 137. R o m a n T., 47 J a h r e alt, verheiratet, Bergarbeiter, nicht vorbestraft, hörte aus N e u g i e r d e zusammen mit seinem Sohn u n d seiner F r a u einige Male d e n Schweizer Sender Beromünster und den Sender S t r a ß b u r g ab. Im ersten W e l t k r i e g h a t t e er als Z u g f ü h r e r Dienst gemacht und sich die kleine silberne u n d bronzene Tapferkeitsmedaille erworben. Kriminologische T y p e n e i n r e i h u n g : Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. ( S t r a f e : 1 J a h r Zuchthaus.) F a l l N r . 138. Anton S., 34 J a h r e alt, geschieden, K r a n k e n p f l e g e r , mit vier Vorstrafen wegen Diebstahls minderer Art, kränklich u n d n u r beschränkt arbeitsfähig, entwendete im J u n i u n d J u l i 1940 einem in derselben Anstalt beschäftigten K r a n k e n p f l e g e r in wiederholten A n g r i f f e n einen Betrag von insgesamt 260 R M . Kriminologische T y p e n e i n r e i h u n g : Vermögensverbrecher aus geringer W i d e r standsk raf t. ( S t r a f e : 7 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 139. W a l t e r H., 24 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Arbeiter, mit 3 Vorstrafen wegen Diebstahls u n d zwei wegen Bettels und Landstreicherei, sonst g e r i n g f ü g i g , nicht einschlägig vorbestraft, verbüßte im Gerichtsgefängnis G. eine Freiheitsstrafe. Dort entlief er mit einem Mith ä f t l i n g von d e r Außenarbeit. N a c h d e m beide sich eine Nacht im W a l d

116 verborgen hielten, stieg H. durch das Dach des V. ein', schlich sich in ein offen stehendes Zimmer und stahl dort aus einem Schrank verschiedene Kleidungsstücke. Diese zogen sie in einem nahegelegenen Wald an, ließen die Anstaltskleider dort liegen und zogen bettelnd weiter. Bei dieser Gelegenheit stahl H. auch ein in einem Bauernhof stehendes Herrenfahrrad. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 11/2 J a h r e Gefängnis.) F a l l N r . 140. Johann K., 36 Jahre alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, geistig beschränkt, körperlich behindert, mit vier Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei und einer wegen Diebstahls, hatte es infolge seines arbeitsscheuen Wesens an keinem Dienstplatz lange ausgehalten. Auf seinem letzten Dienstplatz trieb er wiederholt mit einer Kuh Unzucht. Außerdem versuchte er einmal, den 8 jährigen Sohn seines Dienstgebers auf dem Heuboden durch Gewaltanwendung zu widernatürlicher Unzucht zu mißbrauchen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. und Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l Nr. 141. Michael F., 57 J a h r e alt, geschieden, landwirtschaftlicher (Hilfsarbeiter, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, nahm in betrunkenem Zustand an der 1 1 jährigen Marianne R. unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 142. Franz K., 37 Jahre alt, ledig, Melker, zweimal wegen Diebstahls, einmal wegen Veruntreuung, fünfmal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, war teils in der Landwirtschaft, teils als Brauereiarbeiter tätig und war zuletzt Wanderarbeiter. E r wechselte häufig seine Arbeitsplätze und wurde wegen seines liederlichen, arbeitsscheuen Lebenswandels am 1. 6. 1939 in ein Arbeitshaus eingewiesen. Kaum war er dort bedingt entlassen, machte er in einem Gasthaus aus Ärger darüber, daß er nuin zur Arbeit gezwungen werden konnte, abfällige Äußerungen über den nationalsozialistischen Staat. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 10 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 143. Leopold M., 42 J a h r e alt, geschieden, Hilfsarbeiter, mit 7 Vorstrafen wegen Bettels und Landstreicherei, hatte sich um seine wirtschaftlichen Verhältnisse nie gekümmert und lebte mit seiner Frau dauernd in Streit, bis die E h e schließlich geschieden wurde. In seiner Abneigung g e g e n jede Arbeit zog er meist bettelnd von Haus zu Haus und vertrank abends sein Almosen. So kam er auch zu dem Besitzer S:. und bettelte dort. Auf dessen Aufforderung, er solle doch arbeiten, machte Leopold

117 M., der sich für Politik niemals interessiert hatte, abfällige Äußerungen über den nationalsozialistischen Staat. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: i Jahr Gefängnis.) F a l l N r. 144. Peter L., 50 J a h r e alt, verheiratet, Landarbeiter, nicht vorbestraft, starker Trinker, war von seinem Dienstgeber wegen einer schlecht ausgeführten Arbeit zurechtgewiesen worden. D a er seine Kleider nicht an der Stelle trocknen durfte, wo er es tun wollte, war es zu einer erregten Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf Peter L. seinem Dienstgeber drohte, er werde ihm den Hals abschneiden und den Hof anzünden. Kurze Zeit später erklärte er der Dienstmagd Theresia D., er wolle sie heiraten, uni sie dadurch zum Geschlechtsverkehr zu bewegen. Als diese sich jedoch weigerte, wollte er sie im Stalle vergewaltigen, indem er ihr den Mund zuhielt und sie mit dem Kopf in ein mit Wasser gefülltes Faß zu stecken versuchte; durch das plötzliche Erscheinen seines Dienstgebers wurde er jedoch daran gehindert. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher herrschtheit und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 1 J a h r 2 Monate schwerer Kerker.)

aus

sexueller

Unbe-

F a l l N r . 145. Valentin G., 40 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, sechsmal wegen Begehung von Eigentumsdelikten, einmal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, ist als Kioskeinbrecher und arbeitsscheuer Mensch in sedner Heimat äußerst schlecht beleumundet. Nachdem er seinen letzten Dienstplatz aus Mangel an Arbeitsfreude eigenmächtig verlassen hatte, stahl er innerhalb eines Zeitraumes von einem Monat vier Fahrräder und einen Bettüberzug, um sich durch die Weiterveräußerung dieser Gegenstände seinen Lebensunterhalt für die nächste Zeit sicherzustellen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 146. Josef Z., 58 Jahre alt, verheiratet, Landwirt, zweimal vorbestraft, und zwar einmal wegen Preistreiberei und das zweitemal wegen verbotenen Spiels, war nach dem ersten Weltkrieg kurze Zeit Angehöriger des katholischen Bauernvereins. Sonst hatte er sich politisch nicht betätigt. Z u Beginn des Jahres 1940 hörte er mit einem Bekannten aus Neugierde einige Male einen Schweizer Sender ab. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe: 1 J a h r Zuchthaus.) F a l l N r. 147. Josef F., 30 J a h r e alt, verheiratet, Landwirt, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, nahm an der 13 jährigen, gut entwickelten Maria K. wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 4 Monate schwerer Kerker.)

118 F a l l N r . 148. Franz P., 27 Jahre alt, ledig, Schlössergehilfe, nicht vorbestraft, entwendete mehreren Arbeitskameraden in wiederholten Angriffen einen Betrag von insgesamt 128 R M . sowie verschiedene Gebrauchsgegenstände, Kleidungsstücke und Zigaretten. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 7 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 149. Fritz H., 67 Jahre alt, geschieden, Oberbuchhalter, nicht vorbestraft, sexuell impotent, nahm innerhalb eines kürzeren Zeitraumes an einem 11 jährigen Mädchen wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 1 50. Mathias S., 42 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, viermal wegen Diebstahls und einmal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, war wegen seines arbeitsscheuen und liederlichen Lebensfrandels in ein Arbeitshaus eingewiesen worden, von dort aber wieder entkommen. Da er ohne Barmittel war, verübte er zur Nachtzeit eine Reihe von Diebstählen, wobei er Lebens- und Genußmittel in unbekanntem Wert sowie Bargeld in Höhe von 70 R M . entwendete. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 11/2 J a h r e schwerer Kerke'r.) F a l l Nr. 151. Josef L., 55 J a h r e alt, verheiratet, Landwirt, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, nahm an der 12jährigen Paula G.j nachdem er sie am Heuboden auf das Stroh geworfen hatte, unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 1 52. Johann L., 40 Jahre alt, verheiratet, Schuhmachermeister, sechsmal wegen Begehung von Eigentumsdelikten und zweimal wegen Abtreibung vorbestraft, mußte schon in seiner J u g e n d zur Arbeit gezwungen werden und zeigte auch später eine Abneigung gegen einen geregelten Lebenswandel. Statt sich seinen Lebensunterhalt auf ehrliche Weise zu verdienen, versuchte er ihn auf eine für ihn bequemere Art durch Diebstähle, Betrügereien und Abteibungen, die er gegen Entgelt vornahm, zu sichern. Aus dieser Lebenshaltung heraus, spritzte er der Paula T., die ihre Leibesfrucht abtreiben lassen wollte, Seifenlösung in die Gebärmutter und nahm dafür einen Betrag von 5 S. sowie eine silberne Damenuhr. Außerdem kassierte er noch einen Betrag von 8a S. ein für ein Mittel, welches angeblich die Nachgeburt beseitigen sollte, obwohl er wußte, daß diese bereits abgegangen war. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.)

119 F a l l N r. 153Johann V., 19 Jahre alt, ledig, Kuppler, nicht vorbestraft, hatte keine Lust, einen Beruf zu erlernen, sondern trieb sich mit Vorliebe auf der Straße herum. E r hatte schon längst den Entschluß gefaßt, nach Jugoslawien durchzubrennen, um dort, wie er glaubte, ein angenehmes Leben führen zu können. U m sich das hiefür erforderliche Geld zu verschaffen, verübte er innerhalb kurzer Zeit 5 Diebstähle, wobei er 20 RM. Bargeld und vier Fahrräder im Gesamtwert von 160 R M . entwendete. Außerdem entlieh er sich von einem Gastwirt, bei dem er durch die E r zählung erfundener Unglücksfälle Mitleid erregte, einen Anzug, ein Paar Stiefel und Socken im Wert von zusammen 100 RM., ohne jedoch diese Stücke wieder zurückzugeben. Bei einem weiteren Gastwirt hinterließ er eine unbezahlte Zeche in Höhe von 6.70 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 1 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 154. Johann P., 20 Jahre alt, ledig, Geschäftsdiener, viermal wegen Diebstahls und einmal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, gilt in seiner Heimatgemednde als sehr eigentumsgefährlich. In seiner Abneigung gegen jedwede Arbeit, zieht er es vor, sich seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle und Bettel zu erwerben. Eines Abends war er zu Besuch bei einer bekannten Familie. Als man in der Küche Karten spielte, schlich P. sich in das Wohnzimmer und stahl dort aus einer am Schreibtisch liegenden Brieftasche einen Betrag von 100 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 155. Johann S., 62 Jahre alt, ledig, Bergmann, nicht vorbestraft, nahm an drei Mädchen im Alter von 12 bis 13 Jahren, denen er Zitherunterricht erteilte, bei dieser Gelegenheit wiederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 156. Johann V., ig Jahre alt, ledig, ohne Beruf, mit einer Vorstrafe wegen Diebstahls, hatte, nachdem sein Vater schon früh gestorben war, eine sehr schlechte Erziehung genossen. Seine Mutter und ein Bruder befinden sich in einem Konzentrationslager. E r selbst empfand keine Lust, einen Beruf zu erlernen, sondern trieb sich mit Vorliebe auf der Straße herum. Um sich ein möglichst leichtes, bequemes Fortkommen zu verschaffen, verübte er zur Nachtzeit zusammen mit einem Diebsgenossen eine Reihe von Diebstählen, wobei er Bargeld, Schmuckstücke, Kleider und Gebrauchsgegenstände im Gesamtwert von etwa 400 RM. entwendete. Tagsüber bettelte er. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.)

120 F a l l N r . 157. Rudolf K., 51 Jahre alt, verheiratet, Landwirt, nicht vorbestraft, machte den ersten Weltkrieg als Zugführer mit. Nach dem Zusammenbruch arbeitete er bei seinem Vater in der Landwirtschaft. Um Politik hatte er sich nie gekümmert. In seiner Aufregung über die Nachricht, daß sein Sohn an die Front abgestellt wurde und sein tüchtiger Knecht einrücken mußte, äußerte er sich abfällig über den Kriegsdienst und den Ausgang des Krieges. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe 1 J a h r Gefängnis.) F a l l N r . 158. Adolf K., 33 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, einmal wegen Diebstahls minderer Art vorbestraft, sollte nach einer Vorverständigung des zuständigen Wehrmeldeamtes zur Sanitätsausbildung einrücken, suchte aber durch Vortäuschen eines Knöchelbruches sich der Erfüllung seiner Wehrpflicht zu entziehen. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftssinn. (Strafe: 8 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 159. Anton Z., 59 Jahre alt, verheiratet, Pensionist, nicht vorbestraft, hatte nach dem Tode seiner fersten Frau, mit der er in äußerst glücklicher Ehe lebte, nochmals geheiratet. Seine zweite Frau, die eine Tochter namens Sieglinde mit in die E h e gebracht hatte, wurde schon nach kurzer Zeit schwer krank und war schließlich vollkommen gelähmt. Sieglinde wurde angeblich auf einem Klosette angesteckt und nun machte Anton Z., der einige Monate Medizin studiert hatte, wiederholt Spülungen, wobei es regelmäßig zu unzüchtigen Handlungen kam. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher herrschtheit. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.)

aus

sexueller

Unbe-

F a l l N r . 160. Hermann W., 28 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, geistig beschränkt, mißbrauchte die 12 jährige Eleonore S. wiederholt zu unzüchtigen Handlungen. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbe-' herrschtheit. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l Nr. 161. Emmerich G., 39 Jahre alt, ledig, Kellner, mit 4 Vorstrafen wegen Diebstahls und 13 wegen Bettels und Landstreicherei — sämtliche zwischen seinem 25. und 35. Lebensjahr —, war bis zum Jahre 1938 mit! kurzen Unterbrechungen arbeitslos und verlor im Laufe der Zeit auch jedes Interesse, sich um einen Arbeitsplatz umzusehen. E r zog es vielmehr vor, sich seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle und Bettel zu

121 verschaffen. Als er nach 1938 Arbeit erhielt, kam er mit dem Strafgesetz nicht mehr in Konflikt. Im J a h r e 1940 lernte er einen jungen Burschen im Alter von 17 Jahren kennen, zu dem er eine große Zuneigung empfand. E r lud ihn zunächst zu einem Glas Bier eiin, nahm ihn dann mit auf sein Zimmer, wo es zwischen beiden zu unzüchtigen Handlungen kam. Kriminologische -Typeneinreihung: Wandel vom Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu zum Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 162. Wladislaus G., 19 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, geistig beschränkt, versuchte einen 13 jährigen Knaben zu unzüchtigen Handlungen zu verleiten. T a g s darauf trieb er nach vorhergegangenem starken Alkoholgenuß mit einer Katze und zwei T a g e später mit einer Kuh Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 163. Johann H., 20 Jahre alt, ledig, Handelsangestellter, geringfügig vorbestraft, trieb seit dem J a h r e 1 9 3 3 mit 1 1 Personen desselben Geschlechtes, zu denen er meist in einem geistigen Abhängigkeitsverhältnis stand, regelmäßig widernatürliche Unzucht. Sein sexuelles Wunschziel war niemals auf das andere Geschlecht ausgerichtet. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 164. Johann H., 20 Jahre alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, zweimal wegen Diebstahls, Bettels und Landstreicherei vorbestraft, verabredete sich mit seinem Arbeitskameraden Thomas P., der bei demselben Bauern beschäftigt war, den Dienstplatz zu verlassen und sich auf die Wanderschaft zu begeben. U m sich das hiefür nötige Geld zu verschaffen,'drangen sie nachts in das Haus des Nachbarn N. ein, nachdem sie die Haustür mittels eines Brecheisens aufgesprengt hatten und erbrachen dort einen Kleiderschrank. Daraus stahlen sie Kleidungsstücke im Werte von 30 RM., Schmuckgegenstände sowie 50 R M . Bargeld. Anschließend verübten sie auf ähnliche Weise zwei weitere Eanbruchsdiebstähle, wo sie ebenfalls Kleidungsstücke im Wert von 309 R M . und 10 R M . Bargeld entwendeten. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l Nr. 16;. Anton R., 48 Jahre alt, geschieden, Hilfsarbeiter, mit 18 Vorstrafen wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten und sieben wegen Diebstahls, ist in seiner Heimat als asoziales, arbeitsscheues Individuum bekannt. Schon kurze Zeit nach seiner Verehelichung ergab er sich dem Trünke und mißhandelte seine Frau, bis die E h e schließlich in beider-

122 seitigem Einverständnis geschieden wurde. Wegen seines arbeitsscheuen Lebenswandels war er bereits 6 Monate in einem Arbeitslager, ohne sich jedoch nach seiner Entlassung zu bessern. So mußte er auch im April' 1940 wegen Blaumachens 20 T a g e in Schutzhaft genommen werdenIn seinem Hang, sich sein Fortkommen durch Diebstähle zu verschaffen, entwendete er in einer Holzimprägnierungsanstalt, wo er zuletzt als Arbeiter beschäftigt war, zwei Flanelldecken. 10 T a g e später blieb er trotz Ermahnung unentschuldigt von der Arbeit fern und ließ jede Aufforderung wieder zu erscheinen unbeachtet. Kriminologische Typeneinreihung: und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 8 Monate Gefängnis.)

Berufsverbrecher aus

Arbeitsscheu

F a l l N r . 166. Josef M., 47 J a h r e alt, verheiratet, Landwirt, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, gehörte in Österreich der christlichsozialen Partei an und wurde im Jahre 1927 Bürgermeister der Gemeinde M- 1 9 3 3 wurde er zum Kammerrat der burgenländischen Landwirtschaftskammer gewählt. Vom J a h r e 1 9 3 3 bis zum Anschluß war er Ortsleiter der Vaterländischen Front und blieb auch nachher ein überzeugter Gegner der nationalsozialistischen 1 Weltanschauung. Im Dezember 1939 machte er nach Alkoholgenuß in einem Gasthaus und später vor einer Tabaktrafik ablehnende Äußerungen über die Reichsregierung und ihre Maßnahmen. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 10 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 167. Rudolf St., 37 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, zehnmal wegen Diebstahls, dreimal wegen Bettels und Landstreicherei und sechsmal wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten vorbestraft, leidenschaftlicher Trinker, zeigt ein aufbrausendes Wesen, drückte sich von der Arbeit und hielt es daher auf keinem Arbeitsplatz längere Zeit aus. Nachdem kaum einige Monate seit Verbüßung seiner letzten Strafe verstrichen waren, stahl er einem Arbeitskameraden Wäsche und Kleidungsstücke im Wert von nahezu 200 RM., um sie später weiter zu veräußern. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 168. Josef N., 50 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, arbeitete nach dem ersten Weltkrieg, den er als Frontkämpfer mitgemacht hatte, an verschiedenen Arbeitsplätzen. Politisch war er nie hervorgetreten. Nach dem J a h r 1938 war er kurze Zeit Mitglied der D A F . und angeblich auch Angehöriger der SA. Aus Unzufriedenheit über die durch den Krieg verursachten Einschränkungen seiner persönlichen Bedürfnisse machte er in angetrunkenem Zustand abfällige Äußerungen über Hitler und die Reichsregierung. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe: 1 J a h r und 3 Monate Gefängnis.)

123 F a l l N r . 169. Josef G., 54 J a h r e alt, liedig, Tischlergehilfe, mit 4 Vorstrafen wegen Diebstahls und 5 wegen Bettels und Landstreicherei, zeigte schon in der J u g e n d keine Lust einen Beruf zu erlernen, wurde aber schließlich wider seinen Willen zu einem Tischler in die Lehre gegeben. Im ersten Weltkrieg erwarb er sich die kleine silberne Tapferkeitsmedaille. Nach Beendigung des Krieges war er, da er es in seiner Abneigung gegen ein geregeltes, arbeitssames Leben nirgends länger aushielt, bei verschiedenen Meistern beschäftigt. Mit Vorliebe streunte er im Lande herum und vertrank abends seinen Arbeitsverdienst sowie das durch Bettel zusammengebrachte Almosen in Wirtshäusern. Einem Arbeitskameraden gegenüber erklärte er, er sei mit der nationalsozialistischen Regierung nicht einverstanden, da er gezwungen werde, ständig an einem Platz zu arbeiten. Aus dieser Einstellung heraus machte er in einem Gasthaus in angetrunkenem Zustand abfällige Äußerungen über Hitler und Parteiformationen. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r 3 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 170. Gottfried H., 50 J a h r e alt, ledig, Pfarrer, nicht vorbestraft, war in Österreich Mitglied der christldchsozialen Partei und nach dem Anschluß Mitglied der N S V . Schon nach kurzer Zeit erklärte eir aber seinen Austritt und begründete ihn damit, daß gegen die Kirche gehetzt werde. E r gilt als entschiedener Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung und hatte wegen seiner „staatsfeindlichen" Gesinnung, der er auch im Religionsunterricht offen Ausdruck verlieh, bereits ein Unterrichtsverbot erhalten; zur religiösen Erziehung der Kinder erteilte er nunmehr in der Kirche sogenannte Erbauungsstunden. In seiner gegnerischen Einstellung machte er im Mai 1940 in Gegenwart mehrerer Personen abfällige Äußerungen über den nationalsozialistischen Staat und Maßnahmen der Reichsregierung. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 7 Monate Gefängnis.) F a l l Nr. 171. Josef E . , 29 J a h r e alt, ledig, Bergarbeiter, dreimal wegen Diebstahls und siebenmal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, hatte die Arbeitsplätze häufig gewechselt und war zuletzt bei den HermannGöring-Werken in N. beschäftigt. In seinem Hang sich von der Arbeit zu drücken und zu vagabundieren, blieb er am 14. 6. 1940 ohne Grund unentschuldigt von der Arbeit fern, zog, ohne sich um eine Beschäftigung zu kümmern, bettelnd im Lande herum und stahl dem Besitzer Alois M., wo er übernachtete, eine silberne Taschenuhr sowie Lebensmittel im Werte von 24 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 172. Martin J . , 55 J a h r e alt, verwitwet, Bergarbeiter, Angehöriger des ehemaligen jugoslawischen Staates, mit einer Vorstrafe wegen eines Vergehens nach § 2 des Heimtückegesetzes, war bis zum Verbot der

124 sozialdemokratischen Partei Mitglied derselben und gilt als ausgesprochener Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung. Im Dezember 1939 machte er in einem Gasthaus in betrunkenem Zustand abfällige Äußerungen über Hitler und den Ausgang des Krieges. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 11/2 Jahre Gefängnis.) F a l l N r . 173. Matthäus O., 52 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, ausgesprochener Querulant, war mit jeder Regierung unzufrieden, hatte sich aber politisch nie aktiv betätigt. Da er seine eigennützigen Interessen durch die Einschränkungen der Kriegszeit beeinträchtigt sah, machte er in Gegenwart mehrerer Personen abfällige Äußerungen über Hitler und die N S D A P . Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe: 11/2 Jahre Gefängnis.) F a l l N r . 174. Karl H., 26 J a h r e alt, ledig, landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter, mit drei Vorstrafen wegen Begehung von Gewalttätigkeitsdelikten, geistig beschränkt, Trinker, kam eines Abends in die Wohnung eines seiner Arbeitskameraden, machte sich, während dieser in einem Gasthaus war, an dessen Frau heran und wollte mit ihr geschlechtlich verkehren. Da diese sich weigerte, beschimpfte er sie in gemeiner Weise und wollte sie mit roher Gewalt dazu zwingen, wobei seine tätlichen Angriffe eine, wenn auch leichte Körperverletzung der Frau zur Folge hatten. Nur durch das plötzliche Erscheinen des Ehemannes wurde er an seinem Vorhaben gehindert. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher herrschtheit und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.)

aus

sexueller

Unbe-

F a l l N r. 175. Johann L., 23 Jahre alt, ledig, Schleifer, fünfmal wegen Diebstahls und einmal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, ist jeglicher Arbeit abhold und sucht nach Gelegenheiten, sich seinen Lebensunterhalt durch Diebstähle zu verschaffen. S o sprach er im September 1940 bei einer Anzahl von Bauern vor, um Schleiferaufträge entgegenzunehmen, kundschaftete bei dieser Gelegenheit die Örtlichkeiten aus und stahl dann meist in Abwesenheit der Hausinwohner zusammen mit leinem Diebsgenossen Bargeld in Höhe von 83 R M . , sowie Schmuckstücke im Wert von etwa 200 R M . Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 176. Josef H., 51 J a h r e alt, ledig, Baukommissar, nicht vorbestraft, war in Österreich Mitglied der chrisüichsozialdn Partei und seit 1935 unterstützendes Mitglied der ostmärkischen Sturmscharen. Im Januar 1940

125 machte er einer ihm bekannten Person gegenüber abfällige Äußerungen über Maßnahmen der Reichsregierung und den Ausgang des Krieges. Aus verschiedenen Briefen, die er während seiner Haft an Angehörige zu schreiben versuchte, geht eindeutig hervor, daß er ein überzeugter Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung geblieben war. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: i J a h r 4 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 177. Gustav P., 45 J a h r e alt, ledig, Tischlergehilfe, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, gehörte in Österreich vor 1934 der sozialdemokratischen Partei an und wurde dann Mitglied der Vaterländischen Front. E r war auch nach dem Anschluß ein fanatischer Gegner des nationalsozialistischen Staates und verweigerte konstant den deutschen Gruß. Im Januar 1940 machte er in Gegenwart mehrerer Personen ablehnende Äußerungen über Hitler und die nationalsozialistische Staatsform. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 11/2 J a h r e Gefängnis.) F a l l N r . 178. Anton S., 54 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit 21 Vorstrafen wegen Begehung von Vermögensdelikten und 10 wegen Bettels und Landstreicherei, gilt als eigentumsgefährlicher, asozialer und arbeitsscheuer Mensch, der sich seinen Lebensunterhalt auf unredliche Weise erwirbt. Nachdem er seinen letzten Arbeitsplatz ohne berechtigten Grund verlassen hatte, zog er bettelnd umher, stahl einem Bauern, der ihm auf sein Bitten ein Nachtquartier gab, einen Anzug und versuchte tags darauf einen Opferstock zu erbrechen, wobei er jedoch überrascht wurde. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrécher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 179. Gottlieb F., 62 J a h r e alt, geschieden, Schweizer, mit drei Vorstrafen wegen widernatürlicher Unzucht, geistig beschränkt, trieb bei im allgemeinen heterosexueller Einstellung mit Johann K. kürzere Zeit hindurch widernatürliche Unzucht. Die E h e wurde infolge der letzten Straftat geschieden. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: t J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 180. Josef P., 55 J a h r e alt, verheiratet, Wagnermeister, mit einer Vorstrafe wegen Beleidigung einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft, war im J a h r e 1923 aus der katholischen Kirche ausgetreten und betätigte sich seit dieser Zeit aktiv f ü r die Sekte der internationalen Bibelforscher. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 11/ 2 J a h r e Zuchthaus.)

126 F a l l Nr. 181. Paul R . , 19 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit zwei Vorstrafeoi wegen Diebstahls, sah in K. ein Motorrad auf der Straße stehen. Dies teilte er einem Kameraden mit und nun beschlossen beide das Rad zu stehlen und zunächst einmal eine Spazierfahrt zu machen. Als sie eine größere Strecke gefahren waren, geriet das Motorrad infolge zu großer Geschwindigkeit in einer Kurve ins Schleudern, so daß beide stürzten. Paul R. forderte seinen Kameraden zur Flucht auf. Sie versteckten sich in einer Scheune, wurden aber entdeckt und verhaftet. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Wdderstandsk raf t. (Strafe: 6 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 182. David S., 45 J a h r e alt, verheiratet, Wirtschafter, nicht vorbestraft, versuchte seit dem Jahre 1927 mit seinen vier leiblichen Töchtern, zu denen er eine so starke erotische Neigung empfand, daß er häufig sogar auf fremde Männer eifersüchtig war, wiederholt geschlechtlich zu verkehren und sie auch sonst zur VerÜbung und Duldung unzüchtiger Handlungen zu verleiten. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/ 2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 183. Johann F., 39 Jahre alt, ledig, Schmiedgehilfe, Angehöriger des ehemaligen jugoslawischen Staates, nicht vorbestraft, hatte sich schon vor 1938 aktiv für die kommunis.tische Partei betätigt und blieb auch weiterhin ein überzeugter Kommunist. Im Mai 1940 machte er einem Arbeitskameraden gegenüber abfällige Äußerungen über die N S D A P , und ihre Gliederungen! Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 1 J a h r 3 Monate Gefängnis.) F a l l N r . 184. Kurt D., 36 J a h r e alt, verheiratet, Landwirt, mit zwei Vorstrafen wegen widernatürlicher Unzucht, sonst geringfügig nicht einschlägig vorbestraft, war schon in früher Jugend durch einen homosexuell veranlagten Mann verführt worden und fühlte sich seit dieser Zeit überwiegend zu Männern hingezogen. Infolge seiner homosexuellen Veranlagung, an der auch seine im Jahre 1937 erfolgte Verehelichung nichts zu ändern vermochte, trieb er mit Konrad N. mehrere Monate hindurch widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: herrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.)

Verbrecher

aus

sexueller

Unbe-

F a l l N r . 185. Johann K., 38 J a h r e alt, ledig, Hilfsarbeiter, nicht vorbestraft, sonst heterosexuell veranlagt, trieb zwei Jahre hindurch, meist in seiner Wohnung, mit verschiedenen gleichaltrigen Männern widernatürliche

127 Unzucht. Seine Widerstandskraft war durch ein mit seelischen Depressionen verbundenes Nervenleiden geschwächt. Kriminologische Typeneinreihtmg: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: i J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r . 186. Theodor B., 39 J a h r e alt, ledig, Gärtnergehilfe, mit einer Vorstrafe wegen widernatürlicher Unzucht, trieb längere Zeit hindurch mit sechs verschiedenen Männern, die er durch einen homosexuell veranlagten Kameraden kennengelernt hatte, wiederholt widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r. 187. Peregrin H., 52 Jahre alt, ledig, Obermelker, einmal wegen widernatürlicher Unzucht vorbestraft, fleißiger Arbeiter, versuchte in drei Fällen mit polnischen Landarbeitern Unzucht zu treiben, wogegen die Genannten sich jedoch wehrten. Kriminologische Typeneinreihuing: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.) F a l l N r. 188. Richard U., 25 Jahre alt, ledig, Fleischergehilfe, mit xo Vorstrafen wegen Begehung von Eigentumsdelikten und zwei wegen Bettels und Landstreicherei, war wegen seines arbeitsscheuen Lebenswandels bereits in einem Arbeitslager, woraus er jedoch am 23. 8. 1940 entwich, Seit dieser Zeit trieb er sich beschäftigungslos und bettelnd in Österreich herum, stahl ein in einem Bauernhof stehendes Fahrrad und lockte der Mutter eines früheren Mithäftlings, der er vorspiegelte, er sei beauftragt, für ihren Sohn Geld abzuholen, einen Betrag von 20 R M . heraus. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 189. Viktor W., 47 J a h r e alt, ledig, Holzverkäufer, mit einer Vorstrafe wegen Betrugs, war ursprünglich Mitglied der sozialdemokratischen Partei und gründete die Ortsgruppe der sozialdemokratischen Partei in P. Später wurde er Mitglied der kommunistischen Partei, der er bis zum Verbot angehörte. Auch nach dem Anschluß blieb er ein überzeugter Anhänger kommunistischer Ideen und begrüßte im August 1939 einen Bekannten mit „Heil Moskau". Auf die daraufhin erfolgte Zurechtweisung äußerte er sich in abfälliger Weise über Hitler wegen des mit der Sowjetunion abgeschlossenen Nichtangriffspaktes. Ähnliche Äußerungen machte er einige T a g e später auch im Wohnzimmer des Karl S. in Gegenwart mehrerer Personen. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 2 J a h r e Gefängnis.)

128 F a l l N r . 190. Otto P., 32 Jahre alt, ledig, Bergarbeiter, wegen Schändung einmal vorbestraft, nach eigener Angabe homosexuell veranlagt, trieb mit einem 13jährigen Knaben, mit dem er gelegentlich eines Ausfluges auf einem Heuboden übernachtete^ widernatürliche Unzuicht. E r hatte nie heterosexuellen Verkehr. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 Jahr schwerer Kerker.) F a l l N r . 191. Josef Z., 36 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, mit einer Vorstrafe wegen Schändung, sonst geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, leidenschaftlicher Trinker, geistig minderwertig, nahm an der 1 ijährigen Tochter seines Dienstgebers, die ihm sehr zugetan war und öfters in seine Kammer zum Kartenspielen kam, längere Zeit hindurch unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 Jahr schwerer KerkeT.) F a l l N r . 192. Alois M., 29 Jahre alt, ledig, Hilfsarbeiter, neunmal wegen Diebstahls, zweimal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, war wegen seines arbeitsscheuen Lebenswandels bereits in einem Arbeitshaus, von dort aber bedingt entlassen worden und zuletzt als landwirtschaftlicher Arbeiter bei der Besitzerin Maria P. beschäftigt. Hier stahl er ein Fahrrad dm Wert von 30 RM. uind verließ daraufhin seinen Dienstplatz ohne rechtmäßige Kündigung, nachdem er sich auch noch einen ihm tags zuvor von einem Kameraden zum Einkauf von Rauchwaren übergebenen Betrag von 66 RM. zugeeignet hatte. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 Jähr schwerer Kerker.) F a l l N r . 193. Richard K., 25 Jahre alt, ledig, Melker, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, unternahm an der schwachsinnigen Elenore T. einmal den a.e. Beischlaf. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 Jahr schwerer Kerker.) F a l l N r. 194. Johann W., 40 Jahre alt, verheiratet, Landarbeiter, Angehöriger des ehemaligen jugoslawischen Staates, nicht vorbestraft, war zunächst bei der roten Gewerkschaft, später Mitglied der christlichsozialen Gewerkschaft und des österreichischen Heimatschutzes. Seinen deutschen Arbeitskameraden gegenüber war er äußerst unkameradschaftlich und gehässig und trug seine gegnerische Gesinnung gegen das nationalsozialistische Deutschland offen zur Schau. E r galt als überzeugter Anhänger kommunistischer Ideen. Im Sommer 1939 machte er in Gegen-

129 wart mehrerer Personen besonders abfällige Äußerungen über Hitler und seine Kolonialpolitik. Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 11/2 Jahre Gefängnis.) F a l l N r . 195. Friedrich S., 39 J a h r e alt, ledig, Artist, mit einer Vorstrafe widernatürlicher Unzucht, sonst geringfügig, nicht einschlägig straft, körperlich zurückgeblieben, trieb 2 Monate hindurch mit S. widernatürliche Unzucht. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller herrschtheit. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.)

wegen vorbeAnton Unbe-

F a l l N r. 196. Johann W., 44 J a h r e alt, geschieden, Besitzer, einmal wegen Blutschande und zweimal wegen Mißhandlung seiner Ehefrau vorbestraft, gewohnheitsmäßiger Trinker, beschimpfte und mißhandelte seine Ehefrau schon kurze Zeit nach der Eheschließung bei jeder Gelegenheit. Noch während des Bestehens der Ehe machte er sich an zwei bei ihm beschäftigte Arbeiterinnen heran -und hatte mit ihnen während eines Zeitraumes von 1 3 Jahren regelmäßig Geschlechtsverkehr. Als eine der beiden schwanger wurde, bedrohte er sie mit Erschießen, wenn sie ihn beim Vormundschaftsgericht als Kindsvater angebe. Infolge seines ehebrecherischen Verhaltens und der dauernden Mißhandlungen seiner Ehefrau war die E h e mittlerweile geschieden worden. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher , herrschtheit und aggressiver Gewalttäter. (Strafe: 3 J a h r e schwerer Kerker.)

aus

sexueller

Unbe-

F a l l N r. 197. Matthias G., 62 J a h r e alt, verwitwet, Hilfsarbeiter, zehnmal wegen Begehung von Vermögensdelikten, zweimal wegen Bettels und Landstreicherei vorbestraft, zog seit seiner Entlassung aus der letzten Strafhaft beschäftigungslos in Oberdonau und der Steiermark herum, ohne sich um eine Arbeit umzusehen, und verschaffte sich seinen Lebensunterhalt durch Betteln. Auf seiner Wanderung sprach er bei der Besitzersgattin Maria W. um ein Nachtquartier vor und bedrohte sie, da sie ihm eine ablehnende Antwort erteilte, mit Brandlegung. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r schwerer Kerker.)» F a l l N r. 198. Viktor K., 24 J a h r e alt, ledig, Fleischer, mit einer Vorstrafe wegen Notzucht, geistig beschränkt, war schon in früher J u g e n d sexuell aufgeklärt und hatte bereits im Alter von 10 Jahren mit gleichaltrigen Mädchen unzüchtige Handlungen vorgenommen. Gelegentlich eines Ausfluges machte er sich an mehrere 9- bis 1 1 jährige Mädchen heran, gab ihnen kleinere Geldgeschenke und Süßigkeiten und mißbrauchte sie dann zu unzüchtigen Handlungen. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/2 Jahre schwerer Kerker.) S e e l i g - W e i n d l e r , Die Typen der Kriminellen.

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130 F a l l N r . 199. Jakob F., 55 J a h r e alt, ledig, mit 1 1 Vorstrafen wegen Begehung von Vermögensdelikten, geistig beschränkt, war bei dem Besitzer L. als landwirtschaftlicher Arbeiter beschäftigt. Dort entwendete er einem Arbeitskameraden verschiedene Kleidungsstücke im Wert von etwa 75 R M . und verließ daraufhin seinen Arbeitsplatz ohne rechtmäßige Kündigung. Dann begab er sich zum Besitzer N., bat dort um ein Nachtquartier, welches ihm auch gewährt wurde und entwendete bei dieser Gelegenheit einem dort beschäftigten Knecht einen Mantel sowie ein Paar Handschuhe. Hierauf zog er weiter und wandte sich an den Besitzer Z . mit der Bitte um Einstellung als landwirtschaftlicher Arbeiter. Auch diesen Dienstplatz verließ er jedoch schon nach kurzer Zeit wieder, nachdem er vorher seinem Dienstherrn ein Hemd und eine Unterhose gestohlen hatte. Kriminologische Typeneinreihung: Berufsverbrecher aus Arbeitsscheu. (Strafe: 1 J a h r 4 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r . 200. Franz R., 50 Jahre alt, geschieden, Schneider, nicht vorbestraft, geistig beschränkt, unternahm an der neunjährigen Juliane W., die er durch Hingabe eines Betrages von 3 R M . gefügig gemacht hatte, den außerehelichen Beischlaf. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1I/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r. 2 0 1 . Alois L., 43 Jahre alt, verheiratet, Postinspektor a. D., nicht.vorbestraft, war in christlichsozialem Sinn erzogen worden. Im J a h r e 1920 trat er der christlich-sozialen Gewerkschaft bei und bekleidete dort später die Stelle eines Vertrauensmannes; schließlich wurde er auf der Liste der christlichsozialen Partei in den Gemeinderat gewählt. Als Angehöriger der Vaterländischen Front wurde er, um diese in der Fachgruppe der Post- und Telegraphenangestellten zu organisieren, im Jahre 1 9 3 3 zum Landesfachleiter und ein J a h r ^später zum Landesorganisationsreferenten bestellt. E r beteiligte sich außerdem an der Werbung für die Bildung des Sturmkorps der Vaterländischen Front. Nach dem Anschluß wurde er im Zuge der „Reinigung" des Berufsbeamtentums unter Gewährung eines Unterhaltszuschusses aus dem Postdienst entlassen. Im November 1939 machte er einem Zeugen gegenüber abfällige Äußerungen über den nationalsozialistischen Staat und bekräftigte sie mehrmals mit dem Ruf „Heil Österreich I". Kriminologische Typeneinreihung: Überzeugungsverbrecher. (Strafe: 11/2 J a h r e Gefängnis.) F a l l N r. 202. Josef G., 57 Jahre alt, verheiratet, Landwirt und ehemaliger Bürgermeister, nicht vorbestraft, gut beleumundet, veruntreute als Bürgermeister einer kleineren Gemeinde innerhalb eines Zeitraumes von 11/2 J a h ren einen Betrag von 400 R M . und verbrauchte ihn für sich. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe : 9 Monate schwerer Kerker.)

131 F a l l N r. 203. Anton W., 37 J a h r e alt, verheiratet, Schneidermeister, geringfügig, nicht einschlägig vorbestraft, kränklich, mit starker erotischer Neigung zu Kindern, mißbrauchte innerhalb eines Zeitraumes von einem J a h r 2 Mädchen im Alter von 10 und 1 1 Jahren wiederholt zu unzüqhtigen Handlungen. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 9 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 204. Erwin K., 34 Jahre alt, verheiratet, evangelischer Pfarrer, nicht vorbestraft, politisch desinteressiert, hörte beim Durchwählen verschiedener Senderstationen zunächst zufällig Nachrichten eines englischen Senders in deutscher Sprache, wo von der Umsiedlung der Baltendeutschen die Rede war. Da er im Baltenlande sehr viele Verwandte hatte, von denen er schon lange ohne Nachricht war, stellte er auch in Zukunft regelmäßig diesen Sender ein und hörte außerdem mehrere Monate hindurch aus Neugierde auch die Nachrichten verschiedener französischer Sender ab. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe: 1 J a h r 3 Monate Zuchthaus.) F a l l N r. 205. (Martin K., 56 Jahre alt, verwitwet, Rentner, nicht vorbestraft, mit Anzeichen von Senilität, nahm an der 1 1 jährigen Petronella N. niederholt unzüchtige Handlungen vor. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 206. Johann R-, 41 Jahre alt, verheiratet, Besitzer, nicht vorbestraft, gut beleumundet, war in den Jahren 1 9 3 3 bis 1938 Bürgermeister einer größeren Landgemeinde- Die für die Überwachung der Geschäftsführung zuständigen Stellen kümmerten sich nicht, weil sie ihm angeblich volles Vertrauen schenkten. Indessen hatte sich R. während der Dauer seiner Amtstätigkeit einen Betrag von mehr als 7000 R M . angeeignet und für sich verbraucht. Kriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 10 Monate schwerer Kerker.) F a l l N r. 207. Vinzenz S., 40 J a h r e alt, verheiratet, Pächter, nicht vorbestraft, von minderer Intelligenz, unternahm innerhalb eines Zeitraumes von 2 Jahren an seiner 12- bis 13 jährigen Tochter wiederholt den Geschlechtsverkehr und mißbrauchte sie auch sonst häufig zu unzüchtigen Handlungen. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 2 J a h r e schwerer Kerker.)

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132 F a l l N r . 208. Josef K., verheiratet, Maschinenwärter, nicht vorbestraft, fleißiger Arbeiter, hatte als Angestellter eines Elektrizitätswerkes den Stromzins einzukassieren. Infolge unzulänglicher Bezahlung befand er sich in einer gewissen Notlage- Um diese zu beseitigen, eignete er sich in seiner Eigenschaft als Kassier innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren einen Betrag von nahezu 7000 R M . an und verbrauchte ihn für sich und seine FamilieKriminologische Typeneinreihung: Vermögensverbrecher aus geringer Widerstandskraft. (Strafe: 1V2 J a h r e schwerer Kerker.) F a l l N r . 209. Alois D-, 20 Jahre alt, ledig, Student der Arbeitermittelschule, nicht vorbestraft, ist nach seinen eigenen Angaben ein überzeugter Anhänger der katholischen Kirche und betrachtet alles von diesem Standpunkt aus. In Österreich war er Mitglied der Vaterländischen Front und der Ostmärkischen Sturmscharen. Zur Zeit des Juliputsches machte er auf Veranlassung seines Onkels, der Führer beim Schutzkorps war, als Schutzkorpsmann Dienst. Gelegentlich seines Urlaubes, den er bei Klosterschwestern verbrachte, machte er in Gegenwart zweier Zeugen scharf ablehnende Äußerungen über Hitler und die nationalsozialistische Weltanschauung, wobei er unter anderem erklärte, er könne „nicht dem Führer und dem Papst zugleich dienen". Kriminologische Typeneinreihung: (Strafe: 21/2 J a h r e Gefängnis.)

Überzeugungsverbrecher.

F a l l N r . 210. Nikolaus K., 25 Jahre alt, ledig, Schriftsetzer, nicht vorbestraft, homosexuell veranlagt, trieb 7 J a h r e lang mit verschiedenen Personen desselben Geschlechts, darunter auch mit einer Reihe von Jugendlichen, die er verführt hatte, widernatürliche Unzucht. E r hatte niemals sexuelle Hinneigung zum anderen Geschlecht empfunden. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 1 J a h r und 8 Monate schwerer Kerker.) F a l l Nr. 211. Thomas F., 62 Jahre alt, verheiratet, Gemeindepensionist, nicht vorbestraft, geistig beschränkt, hatte sich im Weltkrieg die kleine silberne Tapferkeitsmedaille und das Karl-Truppenkreuz erworben. Nach dem Umsturz im Jahre 1 9 1 8 war er einige Zeit Mitglied der sozialdemokratischen Partei, da auch die sonstigen Arbeiter der Stadtgemeinde in dieser Partei organisiert waren. Aktiv hatte er sich jedoch nie betätigt Im Sommer 1940 hörte er mehrmals die Nachrichten des Senders Budapest und Beromünster ab, weil er glaubte, das Abhören neutraler Sender sei nicht strafwürdig. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus Mangel an Gemeinschaftsdisziplin. (Strafe: 9 Monate Gefängnis.)

133 F a l l N r . 212. Markus K., 32 Jahre alt, verheiratet, nicht vorbestraft, hing mit unnatürlicher Liebe an seiner verheirateten Schwester Maria F . und deren Familie, die von der Familie T. ein landwirtschaftliches Anwesen gepachtet hatte. Da die Verpächter der Familie F. gekündigt hatten, drohte dieser der Verlust ihrer Lebensexistenz für eine nicht absehbare Zeit. U m dies zu verhindern, faßten die Eheleute F. den Entschluß, die Familie T. gewaltsam zu beseitigen, setzten den Markus K. hievon in Kenntnis und ersuchten ihn, eine Pistole zu besorgen. Markus K. wollte anfänglich davon nichts wissen und riet davon ab, das geplante Vorhaben auszuführen. Auf das andauernde inständige Bitten seiner Schwester hin, ihnen in ihrer Not doch beizustehen, versprach er der bedrängten Familie zu helfen und händigte nach langem seelischen Kampf seinem Schwager die' gewünschte Pistole aus, womit die Eheleute T. 5 Tage später erschossen wurden. Kriminologische Typeneinreihung : Krisenverb recher. (Strafe: 11/2 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r . 213. Bartholomäus S-, 63 Jahre alt, verheiratet, Pächter, nicht vorbestraft, mit Anzeichen von Senilität, geistig beschränkt, führte in Abwesenheit seiner Ehefrau mit deren 11 jährigen Tochter den Beischlaf aus. Kriminologische Typeneinreihung: Verbrecher aus sexueller Unbeherrschtheit. (Strafe: 11/2 Jahre schwerer Kerker.) F a l l N r . 214. Sebastian W., 34 Jahre alt, verheiratet, Hilfsarbeiter, mit 6 Vorstrafen wegen leichter Körperverletzung und Trunkenheit, war zusammen mit Ignaz R. in einem Gasthaus. Da Ignaz R. sich weigerte, auch die Zeche des Sebastian W . zu zahlen, kam es zwischen beiden zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf Sebastian W., der schon übermäßig Alkohol genossen hatte, dem Ignaz R. mehrere so wuchtige Faustschläge ins Gesicht versetzte,